ra-1HumeE. MeyersonM. SchlickJ. W. A. HicksonB. ErdmannA. Riehl     
 
ROBERT SCHELLWIEN
Das Gesetz der
Kausalität in der Natur


"Als  Kant  den Raum für die subjektive Form unserer Anschauungen erklärte, machte er eine Entdeckung, die der kopernikanischen würdig zur Seite steht: er fand ein neues Bewegungszentrum und veränderte die Stellung und das Verhältnis des Menschen zu den sein Bewußtsein erfüllenden Objekten gerade so wie Kopernikus das Verhältnis der Sonne zur Erde und den übrigen Planeten umgestaltet hatte."

"Was ist der Mensch anderes, als der Narr der Natur, wenn alles, was er empfindet, was er sieht und hört, wenn diese ganze,  seine  Bewußtseinswelt, der all sein Interesse, sein Fühlen und Denken angehört, nur ein Blendwerk ist, eine Komödie, welche die aschgraue Atomwelt für ihn aufführt, und zu der seine Nerven die Dekorationen und die Gewänder hergeben?"

"Zwei Körper befinden sich in bestimmter Entfernung voneinander, und dies ist ein Moment ihrer Unterschiedenheit. Sobald sich der eine dem anderen nähert, ist dies eine Aufhebung der Entfernung und damit des Unterschiedes. Jede Annäherung der Körper aneinander ist ein Akt der Ausgleichung, sie verhalten sich darin als Gleiche."


Einleitung
Gegenstand und
Methode der Untersuchung

Unter Natur verstehe ich die Welt, wie sie sich unseren Sinnen offenbart, nichts weiter; oder anders: ich setze nichts hinter den Erscheinungen voraus, weder Stoff noch Geist, weder Atome noch verborgene Kräfte. Alle Antizipationen dieser Art führen zu einem Zwiespalt, der hinterher jeder Anstrengung, eine monistische oder kontinuierliche Lösung zu finden, erfolgreich Widerstand leistet. Wenn Übersinnliches wissenschaftlichen Bestand haben soll, so muß es nicht hinter der Sinnenwelt, sondern in ihr liegen, und es muß in ihr gefunden und aus ihr entwickelt werden, was freilich selbstverständlich nicht schon durch die sinnliche Wahrnehmung, sondern erst durch die Vorstellung und das Denken geleistet werden kann.

Aber ich verneine auch der Zwiespalte größten und gewaltigsten, den Zwiespalt zwischen Objekt und Subjekt, zwischen  Sein  und  Denken zwischen  Tatsachen  und  Ideen Es gibt keine Tatsache außerhalb des Bewußtseins; auch die erste, unmittelbare Offenbarung der Welt durch die Sinne ist schon zugleich subjektiv und geistig; und andererseits sind alle Vorstellungen und Gedanken, wenn sie nicht leere Hirngespinste sind, zurückbezogen auf die Sinnenwelt und nur Enthüllungen solcher Momente derselben, die in der sinnlichen Wahrnehmung erst latent enthalten sind. Ich leugne damit keineswegs die objektive, auch abgesehen von meinem und anderer Menschen Bewußtsein anzunehmende Realität der Welt: im Gegenteil, ich behaupte sie, und zwar gerade deshalb, weil mein und aller anderen Menschen Bewußtsein sie entschieden fordert und geradezu setzt, im Gegensatz gegen das  bloß Subjektive,  während diejenigen, welche die Realität außerhalb des Bewußtseins verlegen, nicht einmal anzugeben vermögen, wie wir denn überhaupt davon wissen können. Wenn es objektive Realität für uns geben soll, so muß es diejenige sein, die uns als solche durch die Sinne im bewußten Gegensatz gegen das bloß Subjektive offenbart wird. Wenn wir etwas anderes annehmen, so treten wir dadurch mit einer Grundtatsache unseres Bewußtseins in Widerspruch, sei es nun, daß wir an die Stelle der sinnlichen Realität eine andere setzen, oder daß wir das Sinnlich-Objektive zu einer bloß subjektiven Funktion und Tatsache herabdrücken.

Nicht minder entschieden und mit nicht minderem Recht, als die reale Bedeutung der Sinnenwelt, behauptet das Bewußtsein die  Erkennbarkeit  derselben mittels der geistigen Funktionen und die wesentliche Übereinstimmung der Erscheinung mit dem Ding ansich.

Es soll freilich nicht verkannt werden, daß die unmittelbare, sinnliche Wahrnehmung uns zunächst wenig von den Dingen offenbart, nur soviel eben, wie die Natur unserer Sinne zuläßt. Wir haben erst mittels der Vorstellung und des Denkens in ihr Inneres zu dringen und erst das Experiment und die Beobachtung durch künstliche Mittel lassen uns Erfahrungen machen, die ohne dieselben keinem Auge möglich wären. Aber es bleibt immer die  Sinnenwelt,  auf welche sich all diese Operationen zurückbeziehen, als das alleinige Fundament all unserer Erkenntnisse.

Auch kann selbst der oberflächlichen Erwägung nicht entgehen, daß der Inhalt unseres Bewußtseins, und auch der der objektiven Wahrnehmung jederzeit individuell modifiziert ist. Ein Rotblinder sieht eben kein Rot und kann nur durch die von Anderen erhaltene Kenntnis und darauf gegründete Überlegung zu der Einsicht gelangen, daß die Dinge in Bezug auf Färbung anders sind, als er sie sieht. Wir kommen auch erst durch vielfache Erfahrung und Übung dahin, korrekte Sinneswahrnehmungen zu machen, und gewisse experimentelle Beobachtungen lassen sich ohne einen hohen Grad an Aufmerksamkeit und erworbener Geschicklichkeit nicht ausführen. In all dem wird daher auch die  subjektive  Befähigung maßgebend für das  objektive  Resultat sein. Der individuelle Charakter und die subjektiven Affekte ziehen eine Reihe von Vorstellungen nach sich, die für die Auffassung der Dinge und ihres Zusammenhangs bei verschiedenen Individuen zu sehr abweichenden Ergebnissen führen werden. Aber diese subjektiven Modifikationen erschöpfen nicht das Wesen des Bewußtseins, das sich vielmehr durchaus sicher fühlt, ungeachtet derselben das wirkliche Sein zu erkennen. Wir können im Einzelnen über die Färbung der Dinge irren, aber nicht darin, daß sie farbig sind; wir können aus subjektiven Gründen einzelne Räume und Zeitverhältnisse falsch auffassen, aber wir sind darum nicht weniger überzeugt, daß die Dinge in einem solchen räumlichen und zeitlichen Zusammenhang stehen, wie ihn uns die Wahrnehmung offenbart. Wenn alle unsere Erkenntnis bloß individuell wäre, so würde es wohl ebenso viele verschiedene Bewußtseinsgestaltungen, als bewußte Individuen geben, aber weder Irrtum noch Wahrheit. Alle Wahrheit quillt aus dem das Individuelle überragenden Gehalt des Bewußtseins und aller Irrtum aus den individuellen Modifikationen, die über ihre berechtigte Sphäre hinaus das Bewußtsein infizieren; aber das ist eben die unvermeidliche Arbeit des Erkenntnistriebes, das Individuelle aus dem Bewußtseinsinhalt zu eliminieren, und so zu immer reinerer Erkenntnis des Seins zu gelangen, ein unendlicher Prozeß, der stets nur relative Abschlüsse, aber niemals einen absoluten zu gewärtigen hat.

Als KANT den Raum für die subjektive Form unserer Anschauungen erklärte, machte er eine Entdeckung, die der kopernikanischen würdig zur Seite steht: er fand ein neues Bewegungszentrum und veränderte die Stellung und das Verhältnis des Menschen zu den sein Bewußtsein erfüllenden Objekten gerade so wie Kopernikus das Verhältnis der Sonne zur Erde und den übrigen Planeten umgestaltet hatte. Aber er verfiel dabei in den Irrtum, aus der Subjektivität von Raum und Zeit eine Schranke für unsere Erkenntnis abzuleiten, die nicht besteht. Er folgerte daraus, daß der objektive Inhalt unseres Bewußtseins nur aus Erscheinungen besteht, aus den Dingen, wie sie uns vorkommen, nicht aber, wie sie  ansich  sind, und daß wir vom Ding-ansich durchaus nichts wissen können. Er verließ damit die Bahn des gesunden Menschenverstandes, ohne für die philosophische Erkenntnis etwas zu gewinnen. Er verkannte, daß das Subjekt bereits in der objektiven räumlichen Wahrnehmung, über sich selbst hinausgehend, zum Inhalt des Bewußtsein einen Zusammenhang der Dinge hat, in dem es selbst, als Einzelwesen, nur ein Bestandteil ist, und daß es sich in diesem Übergreifen über seine Endlichkeit und Vereinzelung unmittelbar der Schranken entledigt, welche die kritische Philosophie ihm für alle Zeiten anlegen will. Machte er doch selbst das Ding-ansich zum Inhalt des Bewußtsein, während er die Möglichkeit, dies zu tun, verneinte! Denn wenn das Ding ansich als unerkennbar erkannt werden soll, so muß es doch wenigstens  insofern  im Bewußtsein sein, was dann freilich ein handgreiflicher Widerspruch ist. Es hilft nicht dagegen zu sagen, daß das Ding-ansich ein bloßer Grenzbegriff ist, um die Schranken des Bewußtseins festzustellen. Denn, um von etwas zu wissen, was außerhalb seiner absoluten Grenzen liegt, müßte das Bewußtsein über seine absoluten Grenzen hinausgehen, was es nicht kann, oder es müßte das außerhalb liegende in seinen Bereich hereinziehen, und damit eben deutlich dokumentieren, daß die vorher gezogene Grenze entweder nur eine scheinbare oder nur eine relative ist.

Der große Gedanke KANTs: die Subjektivität als Grundlage aller Erkenntnis, ist nur von wenigen verstanden worden, und heute noch wenigeren in der Erinnerung. Aber der kantische Irrtum, die Lehre von den Erscheinungen in Verbindung mit dem Widerspruch, dabei zugleich getrost vom Ding-ansich zu sprechen, hat sich wohl erhalten und weit verbreitet. Unter dem Einfluß der neueren Naturwissenschaft tritt er in einer veränderten Gestalt auf. Man behandelt die Sinnesempfindungen, die objektive Wahrnehmung mit eingeschlossen, lediglich als Gegenstand der  Nervenphysiologie,  als bloß subjektive Affektionen, und stellt dem gegenüber eine objektive, sinnlich nicht erkennbare  Atomwelt deren gesetzmäßige Bewegungen den Inhalt einer wissenschaftlichen Welterkenntnis bilden. Dabei zeigt sich dann der kantische Widerspruch in sehr verschärfter Weise: KANT erklärte das Ding-ansich für unerkennbar, die moderne Naturphilosophie aber erblickt darin den wahren Inhalt der Wissenschaft. Nachher wird dann die Welt des Bewußtseins auf die Atomwelt gegründet, während doch allererst die Atomwelt aus der sinnlichen Wahrnehmung, die das Fundament all unserer Erkenntnis bildet, abzuleiten gewesen wäre, was freilich ganz unmöglich ist, wenn man der sinnlichen Wahrnehmung  bloß subjektiven  Wert beimißt. Woher soll denn nun aber die Kenntnis der Atomwelt entspringen? Wenn überhaupt von ihr gewußt werden soll, muß sie doch irgendwie Inhalt des Bewußtseins sein, dieses aber ist auch in seinen höheren Funktionen gar nicht denkbar, ohne beständig von ihrem Fundament, der sinnliche Wahrnehmung, auszugehen und sich darauf zurückzubeziehen.

Ich halte hierdurch für erwiesen, daß die Annahme des  bloß subjektiven  Wertes der sinnlichen Wahrnehmung entweder einen Verzicht auf alle reale Erkenntnis in sich schließt, zu dem sich nun wohl die moderne Naturwissenschaft am wenigsten verstehen wird, oder mit einem Widerspruch behaftet ist, der ihre Unrichtigkeit dartut. Es bleibt nur  ein  Ausweg: die Dinge sind ansich, wie sie uns erscheinen, obwohl nicht alles erscheint, und die höheren Funktionen des Bewußtseins das zu ergänzen haben, was  nicht erscheint,  was in der sinnlichen Wahrnehmung nicht gegeben ist; der einzig wissenschaftliche Weg aber ist der der  Kontinuität:  was nicht aus der sinnlichen Wahrnehmung abgeleitet und auf sie wieder zurückbezogen wird, hat keine wissenschaftliche Berechtigung. Sprunghafte Hypothesen, die sich nicht zuvor auf diese Weise legitimieren, haben wissenschaftlich keinen größeren Wert, als theologische Dogmen, religiöse Mythen und phantastische Konstruktionen, und in ethischer und ästhetischer Hinsicht oft einen viel geringeren. Denn kaum läßt sich wohl eine dem gesunden Gefühl mehr widersprechende Lage des Menschen erfinden, als die, der Narr der Natur zu sein. Und was ist er anderes, wenn alles, was er empfindet, was er sieht und hört, wenn diese ganze,  seine  Bewußtseinswelt, der all sein Interesse, sein Fühlen und Denken angehört, nur ein Blendwerk ist, eine Komödie, welche die aschgraue Atomwelt für ihn aufführt, und zu der seine Nerven die Dekorationen und die Gewänder hergeben?

Wenn es nun Dinge ansich nicht geben kann, die außerhalb des Bewußtseins und unterschieden davon bestehen, wenn vielmehr das Bewußtsein das Allgemeine ist, welches in allem Einzelnen und Verschiedenen immer nur sich selbst, seine eigenen Besonderungen, hat, so rechtfertigt sich damit zunächst das Unternehmen, nicht mit dem Bewußtsein zu beginnen, ja von demselben vorerst ganz abzusehen, denn, da es sich mit seinem mannigfaltigen Inhalt ganz und gar deckt, so kann es ohne diesen überhaupt nicht verständlich werden, und, da es in jedem Gegenstand der Betrachtung immer schon mitenthalten ist, so muß, wenn die Untersuchung nur weit genug geführt wird, schließlich aus derselben, von welchem Punkt sie auch beginnt, die Selbsterkenntnis des Bewußtsein als des Universellen und die Einsicht in seine allgemeine Funktion resultieren.

Es ist damit aber auch der Gegenstand der Untersuchung genauso bestimmt, wie er am Eingang angegeben wurde. Er kann nur der Inhalt der sinnlichen Wahrnehmung sein, die Dinge, wie sie erscheinen, und unter Natur ist nichts anderes zu verstehen, als eben dieser Inhalt; alle Vorstellungen aber und Denkgebilde, die nicht auf dieser Grundlage ruhen und sich darauf zurückbeziehen oder sich gar in einem grundsätzlichen Widerspruch damit befinden, sind abzuweisen, als der wissenschaftlichen Legitimation entbehrend.

Es entspringt schließlich für die Methode der Fundamentalsatz hieraus, daß die Funktionen des Bewußtseins unmittelbar und ohne weiteres auch den Maßstab für eine reale Welterkenntnis abgeben, und eine außerhalb des Bewußtseins stehende Kausalität undenkbar ist. Da das Bewußtsein in seinem Kern immer auch subjektiv, ein nicht-subjektives Bewußtsein ein unhaltbarer Widerspruch ist, so sind alle objektiven Bewegungen, alle ansich bewußtlosen Vorgänge stets zugleich subjektive Funktonen, und das allein erklärt die Erkennbarkeit der ersteren und ermöglicht mittels der höheren Funktionen des Bewußtseins ein Eindringen in den übersinnlichen Gehalt des sinnlich Wahrgenommenen, welches weit über das unmittelbar darin Gegebene hinausgeht.

Wir werden daher im Verlauf der Untersuchung, von der sinnlichen Erscheinung ausgehend, in steter Zurückbeziehung auf dieselbe, uns des Vorstellens und Denkens zuversichtlich bedienen, überzeugt, daß darin die einzigen und wahrhaften Mittel auch einer realen Welterkenntnis gegeben, daß Sein und Bewußtsein kongruent [deckungsgleich - wp] sind. Der bereits erworbene wissenschaftliche Gehalt aber, an dem sich die Untersuchung fortbewegen soll, wird in den mathematischen Wahrheiten und in den wesentlichen Ergebnissen der exakten Naturforschung bestehen.



Erstes Kapitel
Das Grundgesetz

Die sinnlich-objektive Welt oder Natur besteht aus  verschiedenen  Dingen, die zueinander mannigfaltige Beziehungen haben, in jedem Fall aber, worin sie auch sonst voneinander abweichen oder einander gleich sein mögen, ihren  Unterschied in räumlicher Trennung  offenbaren. Die Art, wie ein Ding auf andere Dinge bezogen ist, bestimt entweder seine Gleichgewichtslage zu diesen Dingen und damit seine  Konstanz,  oder seinen Übergang in eine andere Gleichgewichtslage und dadurch seine  Veränderung.  Diese Beziehung von Ding zu Ding ist die natürliche  Kausalität.  Ehe wir aber nach dem Wesen dieser Beziehung fragen, ist es wichtig zu konstatieren, daß die  Unterschiedenheit  der Dinge die Voraussetzung und die Grundlage dieser Beziehung bildet. Es soll damit keineswegs gesagt sein, daß das Unterschiedensein der Dinge und ihr Aufeinanderbezogensein jemals auseinanderfallen könnten, und daß etwa das erstere Moment dem zweiten der  Zeit  nach voraufgehend zu denken wäre, sondern vielmehr nur, daß das Unterschiedensein der Dinge im  kausalen Zusammenhang  das  erste  Glied und die Voraussetzung all ihrer möglichen Beziehungen ist. Die Dinge sind das  Wirkende,  ihre Beziehung zueinander die  Wirkung:  so müssen allererst die Dinge  sein,  damit sie aufeinander wirken können. Wenn man aber diese kausale Ordnung umkehren und aus der natürlichen Kausalität, die ihr Wesen nur in der Beziehung von Dingen zueinander hat, die Dinge selbst ableiten will, so ist dies gerade so widersinnig, als wollte man eine schwingende Saite aus dem Ton erklären, der damit verbunden ist, oder einen Menschen aus seinem Essen und Trinken; und so ist dann auch jede natürliche Schöpfungsgeschichte "verlorene Liebesmüh." Die Dinge in ihrem Unterschied, so wie sie uns zunächst durch die sinnliche Wahrnehmung, und zwar in jedem Augenblick von Neuem geoffenbart,  gegeben  werden, sind und bleiben das Fundament aller natürlichen Kausalität, und dieser Grundsatz ist so durchgreifend, ist unserem Denken so notwendig, daß, wenn wir auf Erscheinungen stoßen, die aus den sinnlich unterscheidbaren Dingen nicht hergeleitet werden können, wir uns genötig finden, ihn auch jenseits der Grenzen des Sinnlichen anzuwenden und die Differenz, ganz nach Analogie des Sinnlichunterscheidbaren, in das Innere der Dinge hinein und in den unsichtbaren Raum hinauszutragen. Wir sehen Körper sich ausdehnen und zusammenziehen, wie beobachten, wie sie aus dem festen in den flüssigen und aus dem flüssigen in den dampfförmigen Zustand übergehen, wir fühlen die von Fern strahlende Wärme, wir berechnen die Fortpflanzung des Lichts durch den Raum, wir nehmen wahr, wie verschiedene Substanzen in inniger Verbindung ganz neue Erscheinungsweisen anstelle ihrer früheren zeigen, und wir nehmen keinen Anstand, all diese Erscheinungen auf das Vorhandensein unsichtbarer Dinge zurückzuführen, auf Körper, die ganz so wie die sinnlichen, sich voneinander unterscheiden und in Beziehung zu einander stehen, sich anziehen und abstoßen, und ihre Stellungen gegeneinander festhalten oder verändern; wir bevölkern das Innere der Dinge und den ganzen Raum mit  Atomen,  als den unsichtbaren Trägern des Unterschiedes und der Beziehungen der Unterschiedenen zueinander. Insowweit ist die Atomlehre auch sicher in ihrem Recht und  mehr, als eine Hypothese,  und auch das ist durchaus konsequent, daß sie die Atome, die letzten und ersten Träger des Unterschiedes, als  nicht weiter zerlegbar  betrachtet. Das ist nur eine weitere Anwendung des Hauptgrundsatzes, daß der Unterschied und das Vorhandensein unterschiedener Dinge das erste und unerläßliche  Fundament  aller natürliche Kausalität ist. In diesem Sinne wird auch die vorliegende Untersuchung sich des Atombegriffs unbedenklich bedienen, aber immer zugleich sich gegenwärtig halten, daß die Atome zwar  für die natürliche Kausalität  ein Erstes und Letztes, aber keineswegs  absolut  ein solches sind, und es ein großer Irrtum ist, wenn man glaubt, mit den Atomen bei der  Substanz  oder dem  Ding ansich  angelangt zu sein. Vielmehr sind die Atome, abgesehen von ihrer Nichtzerlegbarkeit, gerade so dem Unterschied und der Beziehung auf Anderes, der Relativität, unterworfen, wie die sinnlichen Dinge. Und wozu wären sie auch zu gebrauchen, wenn dem nicht so wäre? Wie sollten sie anders befähigt sein, ihre eigentliche Aufgabe zu erfüllen, natürliche Vorgänge nach Analogie des Sinnlichwahrnehmbaren zu erklären? So wird ihnen dann auch räumliche Trennung und Ortsveränderung, Anziehung und Abstoßung, allgemein zugeschrieben - Relativität genug, um sie - immer von der Nichtzerlegbarkeit abgesehen - ganz auf eine Stufe mit den sinnlichen Dingen zu stellen; aber es ist auch kein Grund vorhanden, dabei stehen zu bleiben und ihnen in ihrem Verhältnis zu anderen Atomen und Molekülen nicht auch noch andere Beziehungen, z. B. eine veränderliche Ausdehnung und Zusammenziehung zuzuschreiben.

Wenn nun also natürliche Kausalität besteht in der Beziehung unterschiedener Dinge aufeinander, so ist die weitere Frage: wie ist die Beziehung zu denken und welches ist, abgesehen von der unendlichen Mannigfaltigkeit der einzelnen Fälle, ihr allgemeines  Gesetz? 

Zur Einführung in diese Frage mag folgende Äußerung von KANT (1) dienen:
    "Ich verstehe sehr wohl, wie eine Folge durch einen Grund nach der Regel der Identität gesetzt wird, darum, weil sie durch die Zergliederung der Begriffe in ihm enthalten befunden wird. So ist die Notwendigkeit ein Grund der Unveränderlichkeit, die Zusammensetzung ein Grund der Teilbarkeit, die Unendlichkeit ein Grund der Allwissenheit usw., und diese Verknüpfung des Grundes mit der Folge kann ich deutlich einsehen, weil die Folge wirklich einerlei ist mit einem Teilbegriff des Grundes, und, indem sie schon in ihm befaßt wird, durch denselben nach der Regel der Einstimmigkeit gesetzt wird. Wie aber etwas aus einem Anderen (worunter KANT den Realgrund versteht), aber nicht nach der Regel der Identität, fließt, das ist etwas, welches ich mir gerne möchte deutlich machen lassen."
Das ist ein des großen Denkers sehr würdiges, und recht bedeutendes Wort. Die Meisten indessen verstehen leichter, oder glauben es doch. Sie meinen einen natürlichen Vorgang hinlänglich zu kennen, wenn sie ihn von anderen  unterscheiden  können und wenn sie ein  Wort  dafür haben. Wir haben für solche Vorgänge eine Reihe von Worten, die nicht nur im gewöhnlichen Leben, sondern auch in der Wissenschaft gebräuchlich sind, als: Anziehung, Abstoßung, Mitteilung, Absorption, Ausstrahlung, Mischung, Auflösung, Verbindung usw. und die doch nichts sind als sinnliche Bilder. Diese Ausdrücke sind allerdings unentbehrlich, um bestimmte Vorgänge zu bezeichnen und von anderen zu unterscheiden, aber über das Wesen dieser Vorgänge, über den kausalen Zusammenhang geben sie nicht den geringsten Aufschluß. Die exakte Naturforschung hat in überraschender und glänzender Weise unsere Kenntnis um neue Beziehungen der Dinge untereinander und um neue Regeln, denen diese Beziehungen unterworfen sind, bereichert, aber das Wesen der natürlichen Kausalität ist uns damit nicht enthüllt worden.

Näher geführt zwar hat sie uns diesem Ziel, indem sie eine Reihe von Fabelwesen, wie den Wärmestoff und den Lichtstoff und den Feuerstoff aus der Reihe der Dinge gestrichen und uns dafür den Einblick in vorher nicht gekannte Bewegungsverhältnisse verschafft hat. Zunächst aber hat us dieser letztere Gewinn zu einer unhaltbaren Einseitigkeit geführt. Indem man erkannt, daß alles in Bewegung ist, und jeder natürlichen Funktion eine besondere Bewegung zukommt, was gewiß nicht ganz richtig ist, ging man sogleich zu der Behauptung über, daß die natürlichen Funktionen  nichts  als Bewegung sind, und daß ihr Wesen darin aufgeht, und nannte die Wärme eine Art der Bewegung, und das Licht eine andere Art, und die Elektrizität wiederum eine andere Art derselben usw. Dies war aber ziemlich übereilt. Denn, wenn es auch wahr ist, daß die Bewegung ein wesentliches Attribut allen Seins und nichts ohne Bewegung ist, so folgt daraus doch nicht, daß das  ganze  Sein Bewegung ist, und wenn auch zugegeben werden muß, daß jeder besonderen Funktion, wie der Gravitation, oder dem Schall oder der Wärme, eine besondere Art der Bewegung eigen und notwendig ist, so ist damit doch noch nicht gesagt, daß die bestimmte Bewegung das  ganze  Wesen der Funktion ist. Der Satz ist aber auch widersinnig. Denn eine Bewegung ist nicht denkbar ohne ein Sichbewegendes. Nun ist freilich dieses Sichbewegende, da die Bewegung zu seinem  Wesen  gehört, auf keinen Fall als ein  Ruhendes  zu denken, aber es ist ebenso unzertrennlich von der Bewegung, wie der Bewegung von ihm, es ist die in der Bewegung sich selbst lebende und offenbarende Substanz. Und so ist dann auch in der Wärme, im Schall, im Licht, ein substanzieller Gehalt, und in jeder dieser Funktionen ein spezifisch verschiedener, der nur unmittelbar wahrgenommen werden kann und durch die  bloße  Bewegung als solche nicht verständlich gemacht wird. Weiterhin aber fand man sich gemüßigt, alle Bewegung für  mechanisch  zu erklären und sprach und spricht von mechanischer Kausalität und mechanischer Weltauffassung in einem Prophetenton, als ob hiermit nun das Welträtsel gründlich gelöst wäre. Es ließe sich vielleich noch darüber reden, wenn man uns nur allererst sagte, was denn Bewegung und mechanische Bewegung insbesondere eigentlich ist. Hier aber ist der Rest Schweigen. Auch die mechanische Kausalität und mechanische Weltauffassung sind nur Worte.

Das Problem der natürlichen Kausalität ist von KANT vollkommen richtig angegeben worden. Wie ist es möglich, daß  Eins auf das Andere  wirkt, wenn nicht nach einem Gesetz der  Identität und wie ist es zu denken, daß verschiedene Dinge zu einer Wirkung zusammentreten, außer durch  Übereinstimmung?  Es ist dies eben  durchaus  nicht möglich und es ist in  keiner  Weise zu denken. Worte kann man allerdings genug darüber machen, auch allenfalls Bilder davon vorführen, aber begreifen läßt es sich nicht. Die unterschiedenen Dinge  als solche  verhalten sich schlechthin  ausschließend  gegeneinander, durchaus  negativ,  und es führt keine Brücke vom einen zum andern. Wenn nun dennoch eine  positive  Beziehung zwischen ihnen stattfinden soll, so kann diese nur darin bestehen, daß soweit, als diese Beziehung reicht, der Unterschied  aufgehoben  wird, die Verschiedenen sich als  Gleiche  verhalten. Es darf dabei aber auch das Verschiedene nicht verschwinden, selbst nicht teilweise, denn es ist das Wirkende, ohne welches die Wirkung nicht gedacht werden kann; es muß  in seiner Wirkung selbst fortdauern,  es muß mithin in seinem eigenen Wesen begründet und seine eigene Tat sein, daß es sich zu Anderem als Gleiches verhält, und es kann folgeweise die Wirkung auch nur solange und insofern Bestand haben, als diese seine Tätigkeit dauert,und es sich selbst als das ihr Innewohnende manifestiert.

Es ergibt sich hieraus als eine Forderung der Vernunft folgendes, nach seinen verschiedenen Seiten auseinander gelegte, Grundgesetz:
    1. Die natürliche Kausalität hat ihr Wesen darin, daß in irgendeiner Beziehung zwischen verschiedenen Dingen der Unterschied aufgehoben wird und sie sich als Gleiche gegeneinander verhalten.

    2. Kein Ding kann auf ein anderes wirken, indem es allein aktiv und das andere allein passiv ist, sondern eine Wirkung kommt nur zustande durch übereinstimmende oder ausgleichende Tätigkeit zweier oder mehrerer verschiedener Dinge.

    3. Ein Ding verändert sich nur insofern, als es zu einem anderen in ein Verhältnis der Übereinstimmung, eine Gleichgewichtslage, tritt, und es durchschreitet eine Reihe von Veränderungen, indem es immer aus einer Gleichgewichtslage in die andere übergeht.

    4. Jeder kausale Nexus ist ein Zusammenhang, der die Momente des Verschiedenen und des Gleichen, vermittelt durch Bewegung, beide an sich hat, und ein in sich geschlossenes Ganzes bildet, welches ebenso wohl von der Seite aufgefaßt werden kann, daß es aus dem übereinstimmenden Verhalten der Verschiedenen zueinander hervorgeht, als auch so, daß jeder es konstituierende Faktor es bildet, indem er verschiedene Gleichgewichtslagen durchschreitet.
Vorerst mögen einige Beispiele die Anwendbarkeit dieses Grundgesetzes auf empirische Fälle der natürlichen Kausalität aufzeigen und seine Bedeutung erläutern.

Wenn wir einen festen Körper in Beziehung auf seine Schwerkraft betrachten, so finden wir, daß dieselbe in  einem  Punkt innerhalb des Körpers konzentriert ist, daß die Unterstützung dieses einen Punktes genügt, um ihn am Fallen zu hindern, und daß sein Fall, sowie jede seiner Bewegungen, die von der Schwerkraft bedingt ist, in einer Linie erfolgt, die sich als die Bewegung dieses  einen  Punktes darstellt. Nun ist einleuchtend, daß die Schwere eines Körpers und jede seiner von dieser abhängigen Bewegungen nur durch seine Bestandteile, durch die ihn konstituierenden Atome, hervorgebracht wird. Mithin haben diese infolge ihrer Vereinigung zu  einem  Körper ihre  gesonderte  Schwerkraft und die  gesonderte  Betätigung derselben aufgegeben, der Unterschied ist in dieser Hinsicht aufgehoben, sie wirken als  Gleiche,  und das Resultat ist eine Gesamtwirkung, die sich in  einem  Punkt innerhalb des festen Körpers konzentriert.

Verfolgen wir die Bahn der Erde um die Sonne. Sie bewegt sich in vollkommen gesetzlicher Regelmäßigkeit in einer von ihrem Schwerpunkt beschriebenen Ellipse, und zu diesem gleichmäßigen Resultat wirken all die verschiedenen zur Erde gehörigen und in anderer Hinsicht sich fortwährend verändernden Körper, die anorganischen, wie die organischen, mit, indem sie sich in dieser Beziehung als Gleiche verhalten.

Zwei Körper befinden sich in bestimmter Entfernung voneinander, und dies ist ein Moment ihrer Unterschiedenheit. Sobald sich der eine dem anderen nähert, ist dies eine Aufhebung der Entfernung und damit des Unterschiedes. Jede Annäherung der Körper aneinander ist ein Akt der Ausgleichung, sie verhalten sich darin als Gleiche.

Zwei unelastische Kugeln von gleicher Masse bewegen sich in  einer  Richtung. Die hintere, die schneller läuft, trifft auf die vordere in einem geraden Stoß und das Resultat ist, daß sie sich nun zusammen fortbewegen mit der halben Summe der Geschwindigkeiten, die sie vor dem Zusammentreffen hatten. Sie gleichen also gegenseitig ihre Bewegungskraft aus und wirken so zu dem entsprechenden Gesamtresultat zusammen. Wenn die getroffene Kugel vorher ruhte, ihre Bewegung also Null war, so bewegen sich beide mit der halben Geschwindigkeit der treffenden Kugel fort. Stößt eine unelastische Kugel in einem geraden Stoß auf eine feste Wand, so nimmt diese gewiß die Bewegung der Kugel an, aber die durch den festen Zusammenhang ihrer Teile begründete Widerstandskraft ist stärker, und überwindet diese Bewegung, es findet ein Ausgleich statt, kraft deren die Wand in ihrer Stellung beharrt; zugleich aber nimmt die Kugel die Bewegungsform der Wand an, d. h. sie ruht.

Eine Eisenstange befindet sich z. B., an ihren Enden unterstützt, in der Luft in fester Lage und wird in der Mitte einem Druck ausgesetz. Die Atome der Eisenstange werden streben, sich mit dem drückenden Körper in Übereinstimmung zu setzen und die Richtung des Drucks anzunehmen; diejenigen, welche dem Druck unmittelbar ausgesetzt sind, in höherem Grad als die entfernteren. Aber ihre Kohäsionskraft [Haftkraft - wp] ist stärker, bildet eine überwiegende Gleichgewichtslage und so widersteht sie dem Druck. Der Druck wird verstärkt und gleichmäßig verstärkt sich die Bewegung der Atome der Eisenstange in der Richtung des Drucks, schließlich wird sie überwiegend, hebt die Kohäsionskraft auf, und die Eisenstange bricht, bricht gerade an der Stelle, auf welcher ihre Atome nach der Richtung des Drucks die stärkste Übereinstimmung mit dieser Richtung annehmen mußten.

Wasserstoff und Sauerstoff treten unter dem Einfluß von Wärme in eine innige Berührung und das Resultat derselben ist eine neue, in all ihren Teilen gleichartige Erscheinung, Wasser; d. h. die Atome des Wasserstoffs und des Sauerstoffs treten zu einer Funktion zusammen, in der sie sich als Gleiche verhalten, und deren Resultat Wasser ist, welches alsbald verschwindet, wenn die Funktion aufhört, und Wasserstoff und Sauerstoff, z. B. durch eine Elektrolyse veranlaßt, sie aufgeben, und in ihre frühere Gleichgewichtslage zurückkehren.

Ein überraschendes Beispiel liefert die Regelation [Wiedergefrieren des Wassers bei Druckentlastung - wp] des Eises. Wenn zwei Eisstücke sich mit der höheren Temperatur der Luft in Übereinstimmung setzen und ins Schmelzen geraten, so beginnt dieser Vorgang an ihren Oberflächen; die Atome, die unmittelbar mit der Luft in Berührung sind, verändern zuerst ihre Gleichgewichtslage und gehen in eine andere, den flüssigen Zustand über, während die inneren Atome noch beharren und den Zusammenhang festhalten. Wenn nun die schmelzenden Oberflächen dicht zusammengebracht werden, so hört nicht nur ihr Kontakt mit der Luft und die Wirkung davon auf, sondern ihre Atome setzen sich jetzt auch wieder mit den inneren und deren Bewegungs- und Kohäsionszustand in Übereinstimmung und die in Berührung gebrachten Oberflächen frieren zusammen. Wenn kleine Eisstücke in warmem Wasser schwimmen, so genügt es, daß zwei derselben sich auch nur in einem Punkt berühren, damit sie zusammenfrieren. Es geschieht nach derselben Regel, daß Eisstücke die verschiedensten Formen annehmen oder durch Druck in solche gebracht werden können, indem sie gebrochen oder zermalmt werden und immer neue Berührungen eintreten, in denen eine Regelation stattfindet.

Werfen wir noch einen Blick auf die lehrreiche Erscheinung des Taues, der Wassertröpfchen, die sich bei klarem nächtlichem Himmel auf der Oberfläche des Grases oder anderer Wärme stark ausstrahlender Körper bilden. Das Gras ist ein stark ausstrahlender Körper, d. h. es steht zum Äther hinsichtlich der Wärmebewegung in einem Verhältnis lebhaften Ausgleichs. Infolgedessen kühlt es sich, wenn die Sonne ihm keine Wärmebewegung mehr zuführt, und auch nicht Wolken in genügendem Maß Wärme zurückstrahlen, leichter und stärker ab, als die umgebende Luft und der darin befindliche Wasserdampf. Es entsteht also in Bezug auf Wärme eine Differenz zwischen beiden. Dieser Differenz folgt aber alsbald ein Ausgleich, der nach dem Gesetz der Mitteilung der Wärme zwischen allen sich berührenden Körpern stattfindet, ein Ausgleich, bei dem das Gras kraft seiner starken Ausstrahlung einen starken Vorsprung an Kälte behält. So wird durch diesen Ausgleichungsakt das Gras in geringem Maß wärmer und die Luft und der darin befindliche Wasserdampf erheblich kälter. Die Erkaltung des Wasserdampfes besteht in einer verminderten Wärmebewegung seiner Atome, die schließlich in eine dem entsprechende veränderte Gleichgewichtslage, in den flüssigen Zustand, in Wasser übergehen, und an den Berührungsstellen mit dem Gras die Wassertröpfchen bilden.

Beispiele dieser Art ließen sich leicht in großer Zahl häufen. Es würde jedoch trotzdem eine  gesetzmäßige  Anwendung des aufgestellten Grundgesetzes auf die einzelnen Fälle und die Erkenntnis seiner  Notwendigkeit  und Unverbrüchlichkeit unmöglich sein, wenn wir nicht einen  Kanon  besäßen, der gerade wie die Logik in der Sphäre der Begriffe, nach der Regel der  Identität  fortschreitend, die Verhältnisse, in denen Verschiedene sich als Gleiche verhalten, feststellte, und der damit zugleich die Norm für alle natürliche Kausalität wäre. Einen solchen Kanon besitzen wir aber: in der  Mathematik Daß die exakte Naturforschung keinen Schritt vorwärts tut, noch tun kann, es sei denn anhand der Mathematik, ist bekannt; von derjenigen Naturforschung aber, welche glaube sich von der mathematischen Grundlage gänzlich entbinden und doch nicht nur empirische Nova aufstellen, wogegen sich ja nichts einwenden läßt, sondern auch weitgreifende Konstruktionen, ja systematische Weltordnungen bauen zu dürfen, mag es gestattet sein, einstweilen noch abzusehen. Ist nun die Mathematik ein anerkannter Kanon der natürlichen Kausalität - und zumindest auf dem Gebiet der Physik und Chemie ist sie dies ja ganz unbestrittenerweise - so muß die mathematische Bewegungslehre auch die Bedeutung objektiver Realität haben. Anders könnte sie keinen Maßstab für die empirische Kausalität abgeben, wie sie doch tut, sondern nur ein leeres und unbrauchbares Hirngespinst sein. Ist sie aber, wie nicht zu bezweifeln ist, die Form der natürlichen Kausalität selber, so muß sie auch die Bestätigung des aufgestellten Grundgesetzes, wenn es anders richtig ist, liefern, sie muß sich ergeben als  ein Inbegriff von Verhältnissen, in denen sich Verschiedene als Gleiche verhalten.  Dies nun nachzuweisen, soll zunächst unternommen werden.
LITERATUR - Robert Schellwien, Das Gesetz der Kausalität in der Natur, Berlin 1876
    Anmerkungen
    1) KANT, Werke, Bd. 1, Ausgabe HARTENSTEIN, Seite 59