ra-1cr-1W. StarkP. SzendeK. MannheimHorkheimer    
 
MAX HORKHEIMER
Materialismus und Moral
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"Das Auftreten derselben Krankheit kann für Angehörige sozial verschiedener Kreise ganz Verschiedenes bedeuten. Dem schlecht begabten reichen Kind geben Rücksicht, pädagogische Kunst und eine Reihe von Befriedigungen Gelegenheit zur Entfaltung der Anlagen, die noch vorhanden sind, während das zurückgebliebene Kind kleiner Leute im Daseinskampf geistig und körperlich zugrunde geht; seine Fehler werden durch das Leben gesteigert, die guten Ansätze zugrunde gerichtet."

"Die Freiheit der öffentlichen Rede war eine Waffe im Kampf für bessere Zustände - heute kommt sie vor allem den veralteten zugute. Die Unverletzlichkeit des Eigentums war ein Schutz der bürgerlichen Arbeit gegen den Zugriff der Behörden - heute hat sie die Monopolisierung, die Enteignung weiter bürgerlicher Schichten und die Brachlegung des gesellschaftlichen Reichtums zur Folge."

"Heute bedeutet zum ersten Mal die Abschaffung der ökonomischen Ungleichheit, die in kurzer Zeit zu einer weitgehenden Aufhebung des Unterschieds von herrschenden und beherrschten Gruppen führen müßte, nicht nur keine Preisgabe von Kulturwerten, sondern im Gegenteil ihre Rettung."

"Daß etwas auf der Welt Macht gewinnt, ist kein Grund, es zu verehren. Der uralte Mythos der Herrschenden, daß das, was Macht hat, auch gut sein muß, ist durch die Lehre des  Aristoteles  von der Einheit zwischen Realität und Vollkommenheit in die abendländische Philosophie übergegangen, der Protestantismus hat ihn im Glauben an Gott als Herrn der Geschichte und Ordner der Welt bekräftigt, und in der europäischen und amerikanischen Gegenwart ist das gesamte menschliche Leben davon beherrscht."

Durch die Erkenntnis, daß Wille und Aufruf zu ihr in der gegenwärtigen Produktionsweise ihre Wurzeln haben und wie andere Lebensformen sich mit ihr verändern, wird die Moral zugleich begriffen und verendlicht. Sie bedeutet in einer Epoche, in welcher die Herrschaft der Eigentumsinstinkte das natürliche Gesetz des Menschen ist und jeder im andern nach KANTs Bestimmung zunächst ein Mittel für seine eigenen Zwecke sieht, die Sorge um die Entfaltung und das Glück des Lebens überhaupt. Auch die Gegner der traditionellen Moral setzen in ihrer Kritik ein unbestimmtes moralisches Gefühl mit solchen Strebungen voraus. Wenn NIETZSCHE in der Vorrede zur "Genealogie der Moral" sein eigenes Problem klarlegt, so folgt auf die materialistische Frage: "unter welchen Bedingungen erfand sich der Mensch jene Werturteile  gut  und  böse?"  sogleich die moralische:
    "und welchen Wert haben sie selbst? Hemmten oder förderten sie bisher das menschliche Gedeihen? Sind sie ein Zeichen von Notstand, von Verarmung, von Entartung des Lebens? Oder umgekehrt, verrät sich in ihnen die Fülle, die Kraft, der Wille des Lebens, sein Mut, seine Zuversicht, seine Zukunft?"
Als Maßstab gilt hier ebenso die allgemeine Vorstellung der Menschheit wie bei KANT. Freilich hat NIETZSCHE in einer Periode, in der die Bedingungen für eine gedeihlichere Form ihrer Organisation schon deutlich sichtbar waren, sehr verkehrte Mittel zu ihrer Befriedigung empfohlen; seine Forderung an die gegenwärtige Menschheit, sie müsse "ihr Ziel über sich hinauslegen - aber nicht in eine falsche Welt, sondern in ihre eigene Fortsetzung" (30), trifft ihn selbst, denn seine praktischen Vorschläge beruhen alle auf einer falschen Extrapolation [Hochrechnung - wp]. Aus seiner psychologischen Erforschung der Individuen, die unter dem natürlichen Gesetz ihres persönlichen Interesses handeln, hat er geschlossen, daß die allgemeine Erfüllung dessen, wonach sie streben, nämlich Sicherheit und Glück, eine Gesellschaft von Spießbürgern, die Welt der "letzten" Menschen erzeugen müßte. Er erkannte nicht, daß die ihm verhaßten Eigenschaften in der Gegenwart gerade aus dem Mangel an günstigen Bedingungen für die Allgemeinheit hervorgehen. Mit der von ihm gefürchteten Ausbreitung der Vernunft, mit ihrer Anwendung auf die gesamten Verhältnisse der Gesellschaft müssen jene Eigenschaften, die in Wahrheit auf der Zentrierung aller Instinkte um den privaten Vorteil beruhen, umschlagen und die Vorstellungen, ja selbst die Triebe anders werden. NIETZSCHEs Unkenntnis der Dialektik läßt ihn den gleichen "Mangel der Gerechtigkeit" wie KANT voraussehen. "Wäre sie so, wie wir wünschen, so würde alle Moralität sich in Eigennutz verwandeln". (31) Aber wirklich verwandelte sich zugleich der Eigennutz in Moralität, oder vielmehr beide gingen in einer neuen, dem vernünftigeren Zustand entsprechenden Form des menschlichen Interesses auf. NIETZSCHEs Geschichtstheorie geht fehl; er legt das Ziel, wenn auch nicht in eine jenseitige, so doch in eine verkehrte Welt, weil er die Bewegung der gegenwärtigen aus Unkenntnis der ökonomischen Gesetze mißversteht. Seine eigene Moral enthält jedoch dieselben Elemente wie die von ihm bekämpfte. Er wütet gegen sich selbst.

Auch nach BERGSON enthält die Moral den Gedanken an den Fortschritt der Menschheit.
    "... von der wirklichen Gesellschaft, in der wir leben, erheben wir uns in Gedanken zur idealen Gesellschaft und wir zollen unseren Tribut, indem wir uns vor der Menschenwürde in uns verbeugen, wenn wir erklären, aus Respekt vor uns selbst zu handeln." (32)
Die Moral hat nach ihm zwei Seiten: eine "natürliche", die aus der Anpassung der Gesellschaft an ihre Lebensbedingungen hervorgeht - sie besteht in den zu Gewohnheiten verfestigten, sozial zweckmäßigen Reaktionen, welche den Mitgliedern von primitiven Stämmen und von zivilisierten Nationen ähnlich zu eigen sind wie den Exemplaren tierischer Verbände - und eine in Wahrheit menschliche Seite, den "élan d'amour" [Schwung der Liebe - wp]. Er enthält in sich "le sentiment d'un progrés" [Gefühl des Fortschritts - wp] (33) und geht nicht mehr bloß auf die Erhaltung und Sicherung des partikularen Verbands, zu dem das Individuum zufällig gehört, sondern auf die Menschheit. Der Unterschied der beiden Seiten, deren eine als "pression social" [sozialer Druck - wp] und deren andere als "marche en avant" [Schritt nach vorn - wp] erscheint, ist kein anderer als der zwischen dem natürlichen Gesetz und der Achtung vor der Humanität bei KANT. Der Blick BERGSONs reicht heute noch tief genug, um den Unterschied von öffentlich geachtetem Gefühl und nach vorwärts weisender Moral zu treffen. Die "angeborenen und grundlegenden Tendenzen des gegenwärtigen Menschen" (34) geheen auf Familie, Interessenverband, Nation, sie schließen die mögliche Feindschaft von Gruppe zu Gruppe notwendig ein. Zu dieser zweckvollen Liebe gehört der Haß, keineswegs das zur Solidarität des nach vorwärts gerichteten moralischen Gefühls. "Es ist so, daß zwischen der Nation, so groß sie auch sein mag, und der Menschheit die ganze Entfernung vom Endlichen zum Unbestimmten, vom Geschlossenen zum Offenbaren liegt." (35) Ebenso wie NIETZSCHE verliert freilich BERGSON bei der Frage, wie die von der echten Moral vorgezeichnete ideale Gesellschaft zu verwirklichen ist, welche gegenwärtigen Mächte ihr entgegenarbeiten und wer sie verkündet und sich für sie einsetzt, die Schärfe seines Blicks. Er wiederholt hier die Theorie der Heroen, "von denen jede, wie es das Erscheinen einer neuen Spezies gewesen wäre, eine Anstrengung der schöpferischen Entwicklung darstellt". (36) Nach altem Aberglauben sollen sie nur einzeln und zu Beginn langer Zeiträume aufstehen, sie seien äußerst selten. In der Gewißheit ihrer Seltenheit vergißt BERGSON allerdings zu fragen, ob heute dieser Helden der "société idéale" [ideale Gesellschaft - wp] nicht am Ende viele existierten und im Kampf stünden, ohne daß die Philosophen von ihnen eine andere Kenntnis nähmen als jene, die der "geschlossenen Seele" eigentümlich ist. In diesem Vergessen, in der Gleichgültigkeit gegenüber den irdischen Kämpfen um jene Gesellschaft, die in der Moral gedanklich vorweggenommen wird, in der mangelnden Verbindung mit den nach vorwärts treibenden Kräften liegt das Stück Unmoral, wie es gegenwärtig auch in der echten Philosophie zu entdecken ist.

Der Materialismus sieht in der Moral eine Lebensäußerung bestimmter Menschen und versucht sie aus den Bedingungen ihres Entstehens und Vergehens zu begreifen, nicht um der Wahrheit ansich willen, sondern im Zusammenhang mit bestimmten geschichtlichen Antrieben. Er versteht sich selbst als die theoretische Seite der Anstrengungen zur Abschaffung des vorhandenen Elends. Die Züge, die er am historischen Phänomen der Moral bezeichnet, treten für die Betrachtung nur unter der Voraussetzung eines bestimmten praktischen Interesses hervor. Der Materialismus vermutet hinter der Moral keine überhistorische Instanz. Die Angst, welche moralische Vorschriften - seien sie auch noch so sehr spiritualisiert - von ihrer Abkunft aus religiöser Autorität her noch mit sich führen, ist ihm fremd. Die Folgen aller menschlichen Handlungen verlaufen ausschließlich in der raum-zeitlichen Welt. Soweit sie in dieser nicht auf ihren Urheber zurückwirken, hat er nichts von ihnen zu fürchten. Selbst der Glanz, mit dem die Philosophen wie die öffentliche Meinung überhaupt das "ethische" Handeln umkleiden, alle Argumente, durch die sie es empfehlen, halten vor der Vernunft nicht stand. Die moderne "Wertforschung" von SCHELER und NICOLAI HARTMANN hat mit der Meinung, man könne das "Feld der eigentlichen Werte" (37) ähnlich wie ein anderes Sachgebiet erforschen, nur eine andere Methode zur Lösung einer unmöglichen Aufgabe eingeschlagen: der Begründung von Handlungsweisen aus bloßer Philosophie. Die Behauptung einer Wissenschaft von "Struktur und Ordnung des Wertreiches" stellt notwendig den Versuch einer solchen Verkündigung von Geboten dar. Denn auch wenn dieses Wissen als "noch ganz im Stadium des Suchens und Tastens steckendes" (38) bezeichnet wird, so haftet es doch an allen Werten, die der Ethiker aufzuweisen strebt, ein "Sollensmoment" (39), das sich in bestimmten Fällen "in das Tunsollen des Subjekts" (40) umsetzt. Trotz der Erklärung, daß die Entscheidung stets im Gewissen des Subjekts liegt, trotz der Allgemeinheit, die ja zum Wesen der philosophischen Morallehre hinzugehört, wird behauptet, daß Rangunterschiede bestünden, denen das Verhalten gemäß sein soll:
    "so ist z. B.  Nächstenliebe  im Wertcharakter höher als  Gerechtigkeit, Fernstenliebe  höher als  Nächstenliebe, persönliche Liebe  aber (wie es scheint) höher als beide. Ebenso steht  Tapferkeit  höher als  Beherrschung, Glaube  und  Treue  höher als  Tapferkeit, schenkende Tugend  und  Persönlichkeit  wieder höher als diese." (41)
Solche Behauptungen, deren Inhalt übrigens infolge der seit KANT stark rückschrittlich gewordenen Funktion der Philosophie nur sehr weitläufig mit dem moralischen Gefühl zusammenhängt, haben Gebotscharakter wie der kategorische Imperativ. Sie sind der mystifizierte Ausdruck von seelischen Tatbeständen, in denen freilich "pression sociale" und "élan d'amour" eine schwer zu analysierende Verbindung eingegangen sind. Es gibt kein ewiges Wertreich. Bedürfnisse und Wünsche, Interessen und Leidenschaften der Menschen ändern sich im Zusammenhang mit dem gesellschaftlichen Prozeß. Psychologie und andere Hilfswissenschaften der Geschichte haben sich zur Erklärung der jeweils anerkannten Werte und ihres Wandels zu vereinigen.

Verbindliche moralische Gebote bestehen nicht. Der Materialismus findet keine die Menschen transzendierende Instanz, die zwischen Hilfsbereitschaft und Profitgier, Güte und Grausamkeit, Habgier und Selbsthingabe unterscheiden würde. Auch die Logik bleibt stumm, sie erkennt der moralischen Gesinnung keinen Vorrang zu. Alle Versuche, die Moral anstatt durch den Hinblick auf ein Jenseits auf irdische Klugheit zu begründen - selbst KANT hat, wie die erörterten Beispiele beweisen, dieser Neigung nicht immer widerstanden - beruhen auf harmonistischen Jllusionen. Vorerst fallen sie und die Klugheit in den meisten Fällen auseinander. Sie ist keiner Begründung fähig - weder durch Intuition noch durch Argumente. Vielmehr stellt sie eine psychische Verfassung dar. Diese zu beschreiben, in ihren persönlichen Bedingungen und Mechanismen der Fortpflanzung von einer Generation zur anderen verständlich zu machen, ist Sache der Psychologie. Kennzeichnend für das moralische Gefühl ist ein Interesse, das vom "natürlichen Gesetz" abweicht und nichts mit privater Aneignung und mit Besitz zu tun hat. In der Gegenwart werden fast alle menschlichen Regungen, sei es durch dieses Gesetz, sei es durch bloße Konvention bestimmt. Aus den Definitionen der bürgerlichen Denker geht hervor, daß selbst die Liebe in dieser Periode unter der Kategorie des Eigentums steht. "Videmus ... quod ille, qui amat necessario conatur rem, quam amat, praesentem habere et conservare" [Wir sehen, daß der, der liebt, notwendigerweise danach strebt, das Ding, das er liebt, gegenwärtig zu haben und zu erhalten. - wp], sagt SPINOZA (42). Als "Verbindung zweier Personen verschiedenen Geschlechts zum lebenswierigen wechselseitigen Besitz ihrer Geschlechtseigenschaften" beschreibt KANT die Ehe (43) und spricht von der "Gleichheit des Besitzes" der Gatten nicht bloß an dinglichen Gütern, sondern auch "der Personen, die einanander wechselseitig besitzen" (44). Auch soweit die modernen Darstellungen nicht ganz ideologisch geworden sind, enthalten sie ähnliche Definitionen. Nach FREUD besteht das Sexualziel des infantilen Triebes, in dem nach seiner Lehre auch die wesentlichen Züge des Triebes, in dem nach seiner Lehre auch die wesentlichen Züge des Triebes der Erwachsenen schon zu entdecken sind, darin, "die Befriedigung durch die geeignete Reizung der ... erogenen Zonen hervorzurufen". (45) Die geliebte Person erscheint danach hauptsächlich als das Mittel, jene Reizung auszuüben. FREUDs Theorie mutet in dieser Hinsicht wie eine nähere Ausführung zu KANTs Definition der Ehe an.

Von dieser Art Liebe ist das moralische Gefühl verschieden, und KANT hat recht, wenn er es nicht bloß vom Egoismus, sondern auch von jeder solchen "Neigung" unterscheidet. Durch seine Lehre, daß im Gegensatz zu dem, was in der bürgerlichen Welt die Regel ist, der Mensch in der Moral nicht bloß ein Mittel, sondern stets zugleich der Zweck sein soll, bezeichnet er den psychischen Tatbestand. Das moralische Gefühl hat etwas mit Liebe zu tun, denn "im Zweck liegt die Liebe, die Verehrung, das Vollkommen-sehn, die Sehnsucht". (46) Aber diese Liebe betrifft nicht die Person als ökonomisches Subjekt oder als einen Posten im Vermögensstand des Liebenden, sondern als das mögliche Mitglied einer glücklichen Menschheit. Sie geht nicht auf Funktion und Ansehen eines bestimmten Individuums im bürgerlichen Leben, sondern auf seine Bedürftigkeit und Kräfte, welche in die Zukunft weisen. Ohne daß die Richtung auf ein künftiges glückliches Leben aller Menschen, die sich freilich nicht aufgrund einer Offenbarung, sondern aus der Not der Gegenwart ergibt, in die Beschreibung dieser Liebe aufgenommen wird, läßt sie sich keinesfalls bestimmen. Allen, sofern sie überhaupt Menschen sind, wünscht sie die freie Entfaltung ihrer fruchtbaren Kräfte. Es scheint ihr, als hätten die lebenden Wesen einen Anspruch auf Glück, und sie frägt nicht im Geringsten nach einer Rechtfertigung oder Begründung dafür. Streng steht zu ihr ursprünglich im Widerspruch, auch wenn es psychische Prozesse geben mag, die beide Momente an sich tragen. In der bürgerlichen Gesellschaft stand Erziehung zur strengen Moral öfter im Dienst des natürlichen Gesetzes als unter dem Zeichen der Befreiung von ihm. Nicht der Stock des Korporals, sondern der Schluß der Neunten Symphonie ist ein Ausdruck des moralischen Gefühls.

Dieses betätigt sich heute in doppelter Gestalt. Zuerst als Mitleid. Während in der Periode KANTs die durch private Aneignung vermittelte gesellschaftliche Produktion fortschrittlich war, bedeutet sie heute eine sinnlose Lahmlegung der Kräfte und ihren Mißbrauch zu Zwecken der Zerstörung. Der im Weltmaßstab sich austragende Kampf der großen ökonomischen Machtgruppen wird unter Verkümmerung guter menschlicher Anlagen, unter Aufbietung von Lüge im Inneren und Äußeren und unter Entwicklung eines unermeßlichen Hasses geführt. Die Menschheit ist in der bürgerlichen Periode so reich geworden, gebietet über so große natürliche und menschliche Hilfskräfte, daß sie geeinigt unter würdigen Zielsetzungen existieren könnte. Die Notwendigkeit, diesen allenthalben durchscheinenden Tatbestand zu verhüllen, bedingt eine Sphäre der Heuchelei, die sich nicht bloß auf die internationalen Beziehungen erstreckt, sondern auch in die privatesten eindringt, eine Minderung kultureller Bestrebungen einschließlich der Wissenschaft, eine Verrohung des persönlichen und des öffentlichen Lebens, so daß sich zum materiellen noch das geistige Elend gesellt. Nie stand die Armut der MEnschen in einem schreienderen Gegensatz zu ihrem möglichen Reichtum als gegenwärtig, nie waren alle Kräfte grausamer gefesselt als in diesen Generationen, wo Kinder hungern und die Hände der Väter Bomben drehen. Die Welt scheint einem Unheil zuzutreiben oder sich vielmehr schon in ihm zu befinden, das innerhalb der uns vertrauten Geschichte nur mit dem Untergang der Antike verglichen werden kann. Die Sinnlosigkeit des Einzelschicksals, die durch den Mangen an Vernunft, durch die bloße Natürlichkeit des Produktionsprozesses schon früher bedingt war, hat sich in dieser gegenwärtigen Phase zum eindringlichsten Kennzeichen des Daseins gesteigert. Wer Glück hat, könnte seinem inneren Wert nach auch am Platz des Unglücklichsten stehen und umgekehrt. Jeder ist dem blinden Zufall preisgegeben. Der Ablauf seines Daseins steht in keinem Verhältnis zu seinen inneren Möglichkeiten, seine Rolle in der gegenwärtigen Gesellschaft hat meist keine Beziehung zu dem, was er in einer vernünftigen leisten könnte. Das Verhalten des moralisch Handelnden zu ihm vermag sich daher nicht nach seiner Würdigkeit zu richten; wie weit Gesinnungen und Taten wirklich verdienstvoll sind, stellt sich in der chaotischen Gegenwart nicht heraus, "die eigentliche Moralität der Handlungen (Verdienst und Schuld) bleibt uns ..., selbst die unseres eigenen Verhaltens, gänzlich verborgen." (47) Wir sehen die Menschen nicht als Subjekte ihres Schicksals, sondern als Objekte eines blinden Naturgeschehens, und die Antwort des moralischen Gefühls darauf ist Mitleid.

Daß KANT das Mitleid auf dem Grund des moralischen Gefühls nicht sah, ist aus der geschichtlichen Lage zu erklären. Er durfte vom ungebrochenen Fortschritt des freien Wettbewerbs die Steigerung des allgemeinen Glücks erwarten, denn er erblickte die Welt unter der Herrschaft dieses Prinzips im Aufstieg. Trotzdem war auch zu seiner Zeit das Mitleid nicht von der Moral zu trennen. Soweit Individuum und Ganzes nicht wirklich eins geworden sind, soweit nicht der leichte Tod des von der Angst befreiten Einzelnen ihm selbst als Äußerliches gilt, weil er seine wesentlichen Zwecke mit Recht bei der Allgemeinheit aufgehoben weiß, solange also die Moral noch einen Existenzgrund hat, wohnt ihr das Mitleid inne. Ja, es mag sie überdauern; denn die Moral gehört zu der bestimmten Form der menschlichen Beziehungen, welche diese aufgrund der Wirtschaftsweise des bürgerlichen Zeitalters angenommen haben. Mit der Veränderung dieser Beziehungen durch ihre vernünftige Regelung tritt sie zumindest in den Hintergrund. Die Menschen mögen dann gemeinsam ihre eigenen Schmerzen und Krankheiten bekämpfen - es ist nicht abzusehen, was die von den gegenwärtigen gesellschaftlichen Fesseln befreite Medizin zustande bringen wird -, in der Natur aber herrscht weiter das Leiden und der Tod. Die Solidarität der Menschen ist jedoch ein Teil der Solidarität des Lebens überhaupt. Der Fortschritt in der Verwirklichung jener wird auch den Sinn für diese stärken. Die Tiere bedürfen des Menschen. Es ist die Ehre der SCHOPENHAUERschen Philosophie, daß sie die Einheit von uns und ihnen ganz ins Licht gerückt hat. Die größeren Gaben des Menschen, vor allem die Vernunft, heben die Gemeinschaft, die er mit den Tieren fühlt, durchaus nicht auf. Die Züge des Menschen haben zwar eine besondere Prägung, aber die Verwandtschaft seines Glücks und Elends mit dem Leben der Tiere ist offenbar.

Die andere Gestalt, in welcher heute die Moral einen angemessenen Ausdruck findet, ist die Politik. Ihr richtiges Ziel ist von den großen Moralphlosophen als Glück der Allgemeinheit immer wieder bezeichnet worden. Über die Struktur der künftigen Gesellschaft hat sich KANT selbst freilich täuschen müssen, weil er die Form der gegenwärtigen für ewig hielt. Erst die materialistische Kritik der politischen Ökonomie hat ergeben, daß die Verwirklichung des Ideals, mit dem die gegenwärtige Gesellschaft ins Leben getreten ist, nämlich eben die Vereinigung von besonderem und allgemeinem Interesse, nur unter Aufhebung ihrer eigenen Bedingungen erfolgen kann. Heute wird behauptet, die bürgerlichen Ideen Freiheit, Gleichheit und Gerechtigkeit hätten sich als schlecht erwiesen; aber nicht die Ideen des Bürgertums, sondern Zustände, die ihnen nicht entsprechen, haben ihre Unhaltbarkeit gezeigt. Die Losungen der Aufklärung und der französischen Revolution haben mehr als je ihre Gültigkeit. Gerade in dem Nachweis, daß sie ihre Aktualität bewahrt und nicht aufgrund der Wirklichkeit verloren haben, besteht die dialektische Kritik an der Welt, die sich unter ihrem Mantel verbirgt. Diese Ideen und Werte sind nichts anderes als die einzelnen Züge der vernünftigen Gesellschaft, wie sie in der Moral als notweniger Zielrichtung vorweggenommen ist. Eine ihr entsprechende Politik hat darum freilich nicht, indem sie zeitbedingte Definitionen utopistisch festhält, sondern in Übereinstimmung mit ihrem Sinn. Der Inhalt der Ideen ist nicht ewig, sondern dem geschichtlichen Wandel unterworfen, nicht etwa weil der "Geist" aus sich selbst heraus willkürlich das Identitätsprinzip verletzt, sondern weil die menschlichen Impulse, die nach Besserem verlangen, je nach dem geschichtlichen Material, an dem sie sich betätigen, eine andere Gestalt annehmen. Die Einheit solcher Begriffe ergibt sich weniger aus der Konstanz ihrer Elemente als aus der geschichtlichen Entwicklung der Lage derer, für die ihre Verwirklichung notwendig ist.

In der materialistischen Theorie kommt es nicht darauf an, Begriffe unverändert durchzuhalten, sondern das Los der Allgemeinheit zu verbessern. Im Kampf darum haben die Ideen ihren Inhalt verändert. Die Freiheit der Individuen bedeutet heute die Aufhebung ihrer ökonomischen Selbständigkeit in einem Plan. Die Voraussetzung der bisherigen Ideen von Gleichheit und Gerechtigkeit war die gegenwärtige Ungleichheit der ökonomischen und menschlichen Subjekte; sie muß in der geeinten Gesellschaft verschwinden: damit verlieren diese Ideen ihren Sinn.
    "Gleichheit besteht bloß im Gegensatz zur Ungleichheit, Gerechtigkeit zu Unrecht, sind also noch mit dem Gegensatz zur alten bisherigen Geschichte belastet, also mit der alten Gesellschaft selbst." (48)
Alle diese Begriffe empfingen bisher ihren bestimmten Inhalt aus den Verhältnissen der freien Wirtschaft, die mit der Zeit für alle günstig funktionieren sollte. Heute haben sie sich zur konkreten Vorstellung einer besseren Gesellschaft verwandelt, die aus der gegenwärtigen geboren wird, wenn die Menschen nicht vorher in Barbarei versinken.

Der Begriff der Gerechtigkeit, der als Losung im Kampf um die vernünftige Einrichtung der Gesellschaft eine entscheidende Rolle spielt, ist älter als die Moral. Er ist so alt wie die Klassengesellschaft, das heißt wie die bekannte europäische Geschichte selbst. Als allgemeiner, im Diesseits zu verwirklichender Grundsatz hat die Gerechtigkeit im Zusammenhang mit der Freiheit und der Gleichheit erst in der bürgerlichen Moral Anerkennung gefunden; erst heute freilich sind die Hilfsmittel der Menschheit groß genug geworden, daß ihre angemessene Verwirklichung als unmittelbare geschichtliche Aufgabe gestellt ist. Das Ringen um ihre Erfüllung kennzeichnet unsere Epoche des Übergangs.

In der bisherigen Geschichte war jede Kulturarbeit nur aufgrund einer Spaltung in herrschende und beherrschte Gruppen möglich. Das Leid, das mit der stetigen Erneuerung des Lebens der Völker auf einer bestimmten Stufe, besonders aber mit jedem Fortschritt verbunden ist und gleichsam die Kosten darstellt, welche die Gesellschaft aufwendet, hat sich niemals gleichmäßig auf ihre Mitglieder verteilt. Der Grund liegt nicht, wie die edelmütigen Philosophen des 18. Jahrhunderts dachten, in der Habgier und Bosheit der Herrschenden, sondern in dem Mißverhältnis zwischen den Kräften und Bedürfnissen der Menschen. Der allgemeine Bildungsgrad der Gesamtgesellschaft einschließlich der Oberklasse bedingte in Anbetracht der vorhandenen Werkzeuge bis in die Gegenwart hinein die Abhängigkeit der Massen bei der Arbeit und damit im Leben überhaupt. Ihre Roheit entsprach der Unfähigkeit der Herrschenden, sie auf einen höheren Grad der Bildung zu heben, und beide Momente wurden mit der Härte der gesellschaftlichen Existenz, welche sich nur langsam veränderte, stets wieder erzeugt. Die geschichtliche Menschheit hatte bei Gefahr des Versinkens ins Chaos keine Wahl, das Herrschaftsverhältnis aufzugeben. Die Entstehung und Verbreitung der Kulturwerte ist von dieser Spaltung nicht zu trennen. Abgesehen von den materiellen Gütern, die aus dem arbeitsteiligen Produktionsprozeß hervorgehen, verweisen die Erzeugnisse von Kunst und Wissenschaft, die verfeinerten Formen des Umgangs zwischen den Menschen, ihr Sinn für eine geistige Existenz auf den Ursprung aus einer Lasten und Genüsse ungleich verteilenden Gesellschaft.

Man hat oft versichert, die Klassenspaltung, die der bisherigen Geschichte ihr Gepräge verleiht, sei eine Fortsetzung der Ungleichheit in der Natur. Die Tiergattungen lassen sich in Verfolger und Verfolgte einteilen. So daß zwar manche zugleich beides, andere aber vornehmlich nur eines von beiden sind. Auch innerhalb der Gattungen gibt es räumlich getrennte Gruppen, die teils vom Glück gesegnet, teils von einer Reihe unbegreiflicher Schicksalsschläge verfolgt erscheinen. Schmerzen und Sterben der Individuen innerhalb der Gruppen und Gattungen sind wiederum ungleich verteilt und hängen von Umständen ab, die jedes sinnvollen Zusammenhangs mit dem Leben der Betroffenen entbehren. Die durch den Lebensprozeß der Gesellschaft fortwährend bedingte Ungleichheit ist derjenigen in der gesamten Natur verwandt. Im Leben der Menschheit durchdringen sich beide, indem die natürliche Verschiedenheit der äußeren Gestalt, der Begabung, ferner die Krankheiten und die näheren Umstände des Todes die gesellschaftliche Ungleichheit noch komplizieren. Freilich hängt auch der Grad, in dem diese natürlichen Unterschiede in der Gesellschaft wirksam sind, von der geschichtlichen Entwicklung ab; sie haben in den verschiedenen Etagen des jeweiligen Gesellschaftsbaus verschiedene Folgen: Das Auftreten derselben Krankheit kann für Angehörige sozial verschiedener Kreise ganz Verschiedenes bedeuten. Dem schlecht begabten reichen Kind geben Rücksicht, pädagogische Kunst und eine Reihe von Befriedigungen Gelegenheit zur Entfaltung der Anlagen, die noch vorhanden sind, während das zurückgebliebene Kind kleiner Leute im Daseinskampf geistig und körperlich zugrunde geht; seine Fehler werden durch das Leben gesteigert, die guten Ansätze zugrunde gerichtet.

In dieser Geschichte der Menschheit, in der die Ungleichheit einen so grundlegenden Zug darstellt, hat sich aber, sei es als ihre andere Seite, sei es als ihre Wirkung, immer wieder eine bestimmte menschliche Reaktion bemerkbar gemacht. Zu verschiedenen Zeiten und an verschiedenen Orten ist die Abschaffung der Ungleichheit gefordert worden. Nicht bloß die beherrschten Schichten, sondern auch Überläufer aus den herrschenden haben sie für schlecht erklärt. Die herzustellende Gleichheit, deren Begriff sich nach materialistischer Ansicht mit dem Tauschverhältnis entwickelt hat, ist auf die verschiedenste Weise verstanden worden: vom einfachen Anspruch, daß jeder an den von der Gesellschaft hervorgebrachten Konsumgütern einen gleichen Anteil erhalten soll (z. B. im Urchristentum), über den Vorschlag, daß jedem sein Maß entsprechend seiner Arbeit zugemessen wird (z. B. PROUDHON), bis zum Gedanken, dem sensibelsten Individuum sollten am wenigsten Lasten zugemutet werden (NIETZSCHE), gibt es eine äußerst reichhaltige Reihe von Vorstellungen über den richtigen Zustand. Alle zielen darauf ab, daß das Glück, soweit es jedem Menschen im Verhältnis zu den anderen aufgrund seines Schicksals in der Gesellschaft möglich ist, nicht durch zufällige, willkürliche, ihm selbst äußerliche Faktoren bestimmt wird, mit anderen Worten: daß die Ungleichheit in den Lebensbedingungen der Individuen zumindest so groß ist, wie es bei einer Aufrechterhaltung der gesamtgesellschaftlichen Versorgung mit Gütern auf der gegebenen Stufe unvermeidlich ist. Das ist der allgemeine Inhalt des Gerechtigkeitsbegriffs; nach ihm bedarf die jeweils herrschende soziale Ungleichheit einer rationalen Begründung. Sie hört auf, als Gut zu gelten, und wird etwas, das überwunden werden soll.

Dieses Prinzip zu einem allgemeinen gemacht zu haben, ist eine Leistung der neueren Zeit. Es hat auch in ihr nicht an Verteidigern der Ungleichheit, an Lobrednern der Blindheit in Natur und Gesellschaft gefehlt. Aber wenn repräsentative Philosophen der vergangenen Epochen wie ARISTOTELES und THOMAS von AQUIN die Unterschiede im Schicksal der Menschen als ewigen Wert verherrlicht hatten, so stellte die Aufklärung, freilich im Anschluß an alte humanistische Lehren, die Ungleichheit als ein abzuschaffendes Übel dar, und in der französischen Revolution wurde die Gleichheit zu einem Prinzip der Verfassung erhoben. Diese Anerkennung war keine bloße Eingebung oder, um mit BERGSON zu reden, der Einbruch der offenen Moral in den Kreis der geschlossenen, sondern sie gehörte in jener Epoche zur Anpassung der Gesamtgesellschaft an die sich verändernden Lebensbedingungen, welche diese kraft der ihr innewohnenden Dynamik wie jedes Lebewesen sowohl kontinuierlich als auch sprunghaft vollzieht. Die Idee der Gleichheit "résulte logiquement des transformations réelles de nos societés" [ergibt sich logischerweise aus realistischen Transformationen unserer Gesellschaften - wp] (49). Mit der Idee der Gleichheit ist die der Freiheit notwendig gesetzt. Wenn kein Individuum ursprünglich unwürdiger ist als ein anderes, sich in der Wirklichkeit zu entfalten und zu befriedigen, so ist damit auch die Anwendung des Zwangs von einer Menschengruppe gegen die andere als Übel erklärt. Der Begriff der Gerechtigkeit ist ebensowenig von dem der Freiheit wie von dem der Gleichheit zu trennen.

Die Verkündigung der Gleichheit als Prinzip der Verfassung bildete von Anfang an für das Denken nicht bloß einen Fortschritt, sondern auch eine Gefahr. Indem sich in der neuen Gestaltung der Rechtsverhältnisse tatsächlich eine Aufhebung bestimmter, bei den gewachsenen Kräften der Menschen nicht mehr notwendiger, ja hinderlicher Ungleichheiten vollzog, wurde dieser Schritt dabei auch als Verwirklichung der Gleichheit überhaupt proklamiert. Es war unklar geworden, ob die gesellschaftliche Gleichheit der Menschen noch eine zu erfüllende Forderung oder schon eine Beschreibung der Wirklichkeit ist. Die französische Revolution hat dem allgemeinen Gerechtigkeitsbegriff nicht bloß zur theoretischen Anerkennung verholfen, sondern ihn auch zu ihrer Zeit weitgehend verwirklicht. Er beherrscht die Vorstellungen des 19. Jahrhunderts und ist als maßgeblicher Zug in das gesamte Denken, ja sogar schon in das Gefühl der europäischen und amerikanischen Welt übergegangen. Die Institutionen aber, die zur Zeit jener Revolution das Prinzip angemessen verkörperten, die Gesamtverfassung der bürgerlichen Gesellschaft ist alt geworden. Die Gleichheit vor dem Gesetz hatte damals trotz Ungleichheit der Vermögen einen Fortschritt im Sinne der Gerechtigkeit bedeutet - sie ist heute wegen dieser Ungleichheit unzugänglich geworden. Die Freiheit der öffentlichen Rede war eine Waffe im Kampf für bessere Zustände - heute kommt sie vor allem den veralteten zugute. Die Unverletzlichkeit des Eigentums war ein Schutz der bürgerlichen Arbeit gegen den Zugriff der Behörden - heute hat sie die Monopolisierung, die Enteignung weiter bürgerlicher Schichten und die Brachlegung des gesellschaftlichen Reichtums zur Folge.

Die Verbindung, welche die Idee des Bürgertums seit dem Sieg der französischen Revolution mit der herrschenden Macht eingegangen sind, verwirrt daher die Gedanken: diese vorwärtstreibenden Ideen werden ihren sinngemäßen Trägern, den fortschrittlichen Kräften der Gesellschaft entfremdet und entgegengesetzt. Gerade in der Gegenwart ist aber der Menschheit bei Gefahr des Untergangs die Verwirklichung aufgegeben. Heute bedeutet zum ersten Mal die Abschaffung der ökonomischen Ungleichheit, die in kurzer Zeit zu einer weitgehenden Aufhebung des Unterschieds von herrschenden und beherrschten Gruppen führen müßte, nicht nur keine Preisgabe von Kulturwerten, sondern im Gegenteil ihre Rettung. Während die ungleiche Machtverteilung in den früheren Epochen zu den Voraussetzungen der Kultur gehörte, ist sie heute zu ihrer Bedrohung geworden. Doch diejenigen Kräfte, welchen die schlechten gesellschaftlichen Verhältnisse zugute kommen, bedienen sich nun jener Ideen, um die mögliche Veränderung, die der Menschheit Not tut, abzuwehren. Sie entreißen sie denen, die an ihrer Verwirklichung ein wahrhaftes Interesse haben. Daraus ergibt sich die besondere gegenwärtige Ratlosigkeit auf weltanschaulichem Gebiet. Die Bestimmungen der Gerechtigkeit, die heute in den Institutionen einer lediglich formalen Demokratie und in den Vorstellungen der in ihrem Geist erzogenen Menschen zum Ausdruck kommen, haben den klaren Zusammenhang mit ihrem Ursprung verloren - sonst würden sie sich jetzt genau so gegen herrschende Mächte richten, welche die Entwicklung der Menschheit fesseln, wie zu der Zeit, als sie das Bürgertum selbst in einem produktiven Sinn verstand - nur daß die Veränderung heute einen ungleich entscheidenderen Schritt bedeutet. Doch obgleich die Mächtigen selbst jahrhundertelang die Prinzipien einer guten Ordnung als heilig verkündet haben, sind sie sogleich bereit, sie umzubiegen oder zu verraten, wo ihre sinnvolle Anwendung nicht mehr ihrem Interesse dient, sondern zuwiderläuft. Ja, sie sind bereit, die ganzen Ideale, als deren Träger die Väter der bürgerlichen Revolution gekämpft und gearbeitet haben, über Bord zu werfen und aus der Erziehung zu entfernen, wenn die Menschen entwickelt und verzweifelt genug sind, um sie nicht mehr mechanisch auf die Konservierung von Einrichtungen, sondern dialektisch zur Verwirklichung einer besseren Ordnung zu gebrauchen. Bedürfnisse der Macht nach außen und innen bringen es mit sich, daß alles, was in der bürgerlichen Moral nach vorwärts weist, an vielen Orten erstickt oder absichtlich beseitigt wird. Die Zahl der Länder, in denen noch nicht alle Werte, die auf eine Steigerung des Glücks der Individuen gehen, verpönt sind, verringert sich immer mehr; es zeigt sich, daß der Zeitraum, in dem die bürgerliche Welt eine Moral erzeugte, zu kurz gewesen ist, um der Allgemeinheit in Fleisch und Blut überzugehen. Nicht nur die weltliche Moral allein, sondern sogar was vom Christentum, der ihr vorausgehenden zivilisatorischen Macht, an Güte und Menschenliebe im Lauf der Generationen in die Seele eingedrungen war, sitzt so wenig tief, daß in einigen Jahrzehnten auch diese Kräfte verkümmern können. Das moralische Gefühl bei Regierungen, Völkern und vielen Wortführern der gebildeten Welt ist so schwach, daß es sich zwar bei Erdbeben und Grubenkatastrophen in Sammlungen ausdrückt, jedoch angesichts schreienden Unrechts, das sich um reiner Eigentumsinteressen willen, also in Durchführung des "natürlichen Gesetzes" und unter Verhöhnung aller bürgerlichen Werte vollzieht, sehr leicht verstummt und vergißt.

Der Aufruf zur Moral ist machtloser denn je, aber es bedarf seiner auch nicht. Im Unterschied zum idealistischen Glauben an den Ruf des Gewissens als entscheidende Kraft in der Geschichte ist diese Hoffnung dem materialistischen Denken fremd. Weil es jedoch selbst zu den Bemühungen um eine bessere Gesellschaft hinzugehört, weiß es auch sehr wohl, wo die nach vorwärts treibenden Elemente der Moral heute wirksam sind. Sie werden unter dem ungeheuren Druck, der auf einem großen Teil der gegenwärtigen Gesellschaft lastet, immer wieder als Wille zu vernünftigen, dem heutigen Entwicklungsstand angemessenen Verhältnissen erzeugt. Dieser Teil der Menschheit, der durch seine Lage notwendig auf diese Veränderung hingewiesen ist, enthält bereits Kräfte und zieht immer neue an, denen es im Ernst auf die Verwirklichung der besseren Gesellschaft ankommt. Er ist auch psychologisch dazu vorbereitet, denn seine Rolle im Produktionsprozeß verweist ihn weniger auf die doch aussichtslose Vermehrung von Eigentum als auf den Einsatz seiner Arbeitskraft. Die Erzeugung von Charakteren, in denen die Eigentumsinstinkte nicht ausschlaggebend sind, wird unter diesen Bedingungen erleichtert. Wenn so das Erbe der Moral an neue Schichten übergeht, so weisen doch viele Proletarier selbst die bürgerlichen Züge unter der Herrschaft des natürlichen Gesetzes auf, wie er in dieser Zeitschrift früher gezeichnet worden ist (50); auch bilden noch die Werke später bürgerlicher Schriftsteller wie die von ZOLA, MAUPASSANT, IBSEN, TOLSTOI echte Zeugnisse moralischer Güte. Jedenfalls enthalten aber die gemeinsamen von Erkenntnis geleiteten Anstrengungen jenes Teils der Menschheit zu seiner und ihrer Befreiung soviel echte Solidarität, soviel Unbekümmertheit um die private Existenz, so wenig Gedanken an Besitz und Eigentum, daß sich in ihnen schon das Lebensgefühl der künftigen Menschheit anzuzeigen scheint. Während das vermeintliche Gleichheitsbewußtsein in der bestehenden Gesellschaft im allgemeinen den Makel an sich hat, über die tatsächliche Ungleichheit in der Existenz der Menschen hinwegzusehen, und dadurch die Unwahrheit einschließt, stellen die auf Veränderung drängenden Kräfte die tatsächliche Ungleichheit in den Vordergrund. Zum gültigen Begriff der Gleichheit gehört das Wissen um seine Negativität: die heutigen Menschen sind nicht bloß den ökonomischen Vermögen, sondern auch ihren geistigen und moralischen Qualitäten nach verschieden. Ein bayrischer Bauer unterscheidet sich gründlich von einem Berliner Fabrikarbeiter. Aber die Gewißheit, daß die Unterschied auf vergänglichen Bedingungen beruhen und daß vor allem die Ungleichheit an Macht und Glück, wie sie sich heute durch die Struktur der Gesellschaft befestigt hat, den gewachsenen Produktivkräften nicht mehr entspricht, erzeugen eine Achtung vor den inneren Möglichkeiten des Menschen und dem, "was aus ihm gemacht werden kann" (KANT), ein Gefühl der Unabhängigkeit und Hilfsbereitschaft, an das die Politik, wenn es ihr um den Bau einer freien Gesellschaft zu tun ist, positiv anzuknüpfen hat.

Es gibt keine Verpflichtung zu dieser Politik, ebensowenig wie es eine Verpflichtung zum Mitleid gibt. Verpflichtungen weisen auf Gebote und Verträge zurück, und solche bestehen in diesem Fall nicht. Doch erkennt der Materialismus sowohl im Mitleid wie auch in der nach vorwärts gerichteten Politik produktive Kräfte, die mit der bürgerlichen Moral geschichtlich zusammenhängen. Nicht bloß die ausdrücklichen Gebotsformen, sondern auch die Vorstellungen von Pflicht und metaphysischer Schuld, vor allem auch die Verlästerung der Lust und des Genusses üben nach ihm dagegen in der heutigen gesellschaftlichen Dynamik eine hemmende Wirkung aus. Die materialistische Theorie gewährt dem politisch Handelnden noch nicht einmal den Trost, daß er notwendig zum Ziel kommen muß; sie ist keine Geschichtsmetaphysik, sondern das sich verändernde Bild der Welt, wie es sich im Zusammenhang der praktischen Bemühungen um ihre Verbesserung entwickelt. Die Erkenntnis von Tendenzen, welche in diesem Bild enthalten ist, gewährt keine eindeutige Voraussage für den geschichtlichen Verlauf. Auch wenn diejenigen recht hätten, welche meinen, daß sich die Theorie "nur" über das Tempo der Entwicklung und nicht über die Richtung täuschen kann - ein fruchtbares "Nur", denn es betrifft die Höllenqualen von Generationen -, könnte doch die bloß formal verstandene Zeit schließlich umschlagen und die Qualität des Inhalts betreffen, das heißt, die Menschheit könnte, bloß weil der Kampf zulange gedauert hat, auf frühere Stufen der Entwicklung zurückgeworfen werden. Doch es gäbe die bloße Gewißheit, daß jene Ordnung kommen muß, allein auch nicht den leisesten Rechtsgrund dafür ab, aus dem sie zu bejahen oder zu beschleunigen wäre. Daß etwas auf der Welt Macht gewinnt, ist kein Grund, es zu verehren. Der uralte Mythos der Herrschenden, daß das, was Macht hat, auch gut sein muß, ist durch die Lehre des ARISTOTELES von der Einheit zwischen Realität und Vollkommenheit in die abendländische Philosophie übergegangen, der Protestantismus hat ihn im Glauben an Gott als Herrn der Geschichte und Ordner der Welt bekräftigt, und in der europäischen und amerikanischen Gegenwart ist das gesamte menschliche Leben davon beherrscht. Die blinde Anbetung des Erfolgs bestimmt die Menschen noch in der privatesten Lebensäußerung. Für den Materialisten bildet das Vorhandensein einer geschichtlichen Größe allein oder die Chancen, welche sie hat, noch keinerlei Empfehlung. Er frägt danach, in welchem Verhältnis diese Größe in einem gegebenen Zeitpunkt zu den von ihm bejahten Werten steht, und handelt je nach der konkreten Situation. Dieses Handeln steht bei den gegebenen gesellschaftlichen Bedingungen unter dem Unstern, daß sich Mitleid und Politik, die beiden Formen, in denen das moralische Gefühl heute seinen Ausdruck findet, nur selten in ein vernünftiges Verhältnis bringen lassen. Rücksicht auf die Menschen der Nähe und der Ferne, Hilfe für den Einzelnen und für die Menschheit widersprechen sich zumeist. Selbst die Besten verhärten sich an einer Stelle ihres Herzens.

Die Einsicht, daß die Moral nicht bewiesen werden kann und auch kein einzelner Wert einer rein theoretischen Begründung fähig ist, teilt der Materialismus mit idealistischen Strömungen der Philosophie. Aber sowohl Ableitung wie konkrete Anwendung des Prinzips in der Wissenschaft sind ganz verschieden. In der idealistischen Philosophie steht es mit ihrer Lehre vom absolut freien Subjekt in einem notwendigen Zusammenhang. Ebenso wie das Subjekt - zumindest nach den späteren Vertretern - die Erkenntnis aus sich selbst erzeugen soll, wird auch die Wertsetzung als subjektiv betrachtet. Grundlos entspringt sie dem autonomen Geist, dem "intellectus". Schon NIKOLAUS CUSANUS lehrt:
    "Ohne die Kraft der Beurteilung und des Vergleichens hört jegliche Schätzung auf, und mit ihr müßte auch der Wert wegfallen. Hieraus ergibt sich die Köstlichkeit des Geistes, da ohne ihn alles Geschaffene ohne Wert gewesen wäre." (51)
Wenn auch das autonome Subjekt nach CUSANUS die  Wesenheit  des Wertes nicht selbständig erzeugt, so entscheidet es doch frei darüber, wieviel jedem Ding davon zukommt. Es soll in dieser Schöpfertätigkeit Gott ähnlich, gleichsam selbst ein anderer Gott sein. Seit CUSANUS ist diese Lehre in Wissenschaft und Philosophie bestimmend gewesen. Nach ihr sind die Wertunterschiede der Dinge gar keine sachlichen, der Gegenstand ansich ist wertindifferent. Die Wissenschaft kann zwar die wertsetzenden menschlichen Akte beschreiben, jedoch selbst nicht darüber entscheiden. In der modernen Methodenlehre wurde dieser Grundsatz als Forderung der Wertfreiheit formuliert. Für die Hauptrichtungen der idealistischen Philosophie mit Ausnahme der objektiven Werttheorien, die zumeist romantische, jedenfalls anti-demokratische Tendenzen zeigen, ist die Ansicht MAX WEBERs kennzeichnend,
    "daß wir Kulturmenschen sind, begabt mit der Fähigkeit und dem Willen, bewußt zur Welt Stellung zu nehmen und ihr einen Sinn zu verleihen ... Ohne alle Frage sind nun jene Wertideen  subjektiv." (52)
Zufolge dieser Lehre gilt daher in der idealistischen Philosophie und Wissenschaft jedes Werturteil als unerlaubt, ja es wurde in den letzten Jahrzehnten den Geistes- und Kulturwissenschaften immer mehr zur Pflicht gemacht, das Material nicht im Zusammenhang mit großen gesellschaftlichen Zielsetzungen aufzunehmen und zu entwickeln, sondern "theoriefreie" Tatsachen festzustellen und zu klassifizieren. Die Anwendung der früheren Zielsetzungen des Bürgertums, vor allem des größten Glücks der Allgemeinheit, auf die Probleme jener Wissenschaften hätte notwendig in steigendem Maß zu Konflikten führen müssen. In den ursprünglichen Werken des Bürgertums sind jene Gesichtspunkte noch durchaus maßgeblich; selbst die Schöpfer des Positivismus haben sich im Gegensatz zu manchem späteren Schüler gegen die neutralistische Entartung der Wissenschaft gewehrt.
    "Die  spécialité dispersive [verstreuten Spezialisten - wp] des jetzigen Geschlechts der Gelehrten", schreibt  John Stuart Mill  in seinem Werk über  Auguste Comte "die unglich ihren Vorgängern einen tatsächlichen Widerwillen gegen umfassende Ansichten hegen und die Interessen der Menschheit jenseits der engen Grenzen ihres Berufs weder kennen noch beobachten, behandelt Herr  Comte  als eines der großen und wachsenden Übel unserer Zeit und erblickt darin das Haupthindernis der moralischen und intellektuellen Wiedergeburt. Der Kampf dagegen ist eines der Hauptziele, denen er die Kräfte der Gesellschaft dienstbar machen möchte." (53)
Solche Stimmen sind gerade unter den fortschrittlichen Gelehrten unserer Tage sehr selten geworden; sie müssen froh sein, ihre Arbeit gegen die steigende Übermacht jener zu verteidigen, welche die Wissenschaft ohne Achtung vor Strenge und Lauterkeit durch die Unterstellung unter fragwürdig gewordene Ziele hinter den erreichten Stand zurückführen und zur Sklavin der jeweils herrschenden Macht erniedrigen möchten. Jene Gelehrten leisten dadurch, daß sie die Wissenschaft und den Sinn für die Wahrheit vor der gegenwärtig eindringenden Barbarei zu bewahren suchen, der Zivilisation einen ähnlichen Dienst wie die Stätten, in welchen heute noch die echten bürgerlichen Werte für das öffentliche Bewußtsein durch die Erziehung in Ansehen gehalten werden (54).

Der Materialismus erkennt die unbedingte Achtung vor der Wahrheit als notwendige, wenn auch nicht als hinreichende Bedingung wirklicher Wissenschaft. Er weiß, daß aus der gesellschaftlichen und persönlichen Lage stammende Interessen, gleichviel ob sie der Urheber der Wissenschaft jeweils kennt oder nicht, die Forschung mitbestimmen. Nicht bloß bei der Wahl der Objekte, sondern auch in der Richtung der Aufmerksamkeit und Abstraktion wirken im Kleinen und Großen historische Faktoren. Das Ergebnis entspring jeweils einem bestimmten Zueinander von forschenden Menschen und Gegenständen. Aber im Gegensatz zur idealistischen Philosophie führt der Materialismus die auf der Subjektseite wirksamen Interessen und Zielsetzungen keineswegs auf die unabhängige Schöpfertätigkeit dieses Subjekts, auf seinen freien Willen zurück, vielmehr werden sie selbst als Ergebnisse einer Entwicklung angesehen, an der subjektive und objektive Momente beteiligt sind. Auch der Tauschwert in der Wirtschaft beruth nicht auf einer freien Schätzung, sondern ergibt sich aus dem Lebensprozeß der Gesellschaft, in dem die Gebrauchswerte mitbestimmend sind. Der undialektische Begriff des freien Subjekts ist dem Materialismus fremd. Er ist sich auch seiner eigenen Bedingtheit wohl bewußt. Abgesehen von den persönlichen Nuancen ist sie in der Verbindung mit jenen Kräften zu suchen, die auf eine Verwirklichung der oben dargelegten Ziele gehen. Weil die materialistische Wissenschaft von diesen Zielen nirgends absieht, trägt sie nicht den Charakter scheinbarer Unparteilichkeit, sondern ist bewußt akzentuiert. Ihr kommt es nicht so sehr auf Originalität als auf eine Weiterführung der theoretischen Erfahrung an, die auf diesem Weg schon gemacht ist.

Dadurch daß er der Theorie im Gegensatz zur bloßen Faktensammlung eine entscheidende Bedeutung zuerkennt, ist der Materialismus vom gegenwärtigen Positivismus getrennt, freilich nicht von der konkreten Forschung, die häufig zu den gleichen Erkenntnissen wie er selbst gelangt. Manche ihrer Vertreter haben das Verhältnis von Moral und Praxis zur Theorie aufgrund des Umgangs mit den gesellschaftlichen Problemen gut erfaßt.
    "Weit davon entfernt eine Ableitung aus der Praxis zu sein ist die Theorie eine Art abstrakter Projektion der Moral, die in einer bestimmten Gesellschaft in einer bestimmten Epoche praktiziert wird." (55)
Theorie ist ein Zusammenhang von Erkenntnissen, der aus einer bestimmten Praxis, aus bestimmten Zielsetzungen herrührt. Wer die Welt unter einem einheitlichen Gesichtspunkt betrachtet, dem zeigt sie auch ein einheitliches Bild, das sich freilich in der Zeit, der die handelnden und erkennenden Menschen unterworfen worden sind, verändert. Die Praxis organisiert schon das Material, das jeder zur Kenntnis nimmt, und die Forderung, theoriefreie Tatsachen festzustellen, ist falsch, wenn sie besagen soll, daß in den objektiven Gegebenheiten nicht schon subjektive Faktoren wirksam sind. Produktiv gefaßt kann sie nur heißen, daß die Beschreibung wahrhaft sein soll. Die erkenntnismäßige Gesamtstruktur, von welcher aus jede Beschreibung ihren Sinn erhält und der sie wieder dienen soll, die Theorie gehört selbst mit zu den Bestrebungen der Menschen, die sie machen. Diese können entweder aus privaten Schrullen oder aus den Belangen nach rückwärts gewandter Mächte oder aus den Bedürfnissen der werdenden Menschheit hervorgehen.
LITERATUR: Max Horkheimer, Der neueste Angriff auf die Metaphysik, Zeitschrift für Sozialforschung, Bd. VI, Heft 1, Paris 1937
    Anmerkungen
    30) NIETZSCHE, Aus dem Nachlaß, Werke, Taschenausgabe, Leipzig, Bd. 7, Seite 488.
    31) KANT, Reflexionen zur Metaphysik, handschriftlicher Nachlaß, Akademie-Ausgabe, Bd. 18, Seite 454.
    32) BERGSON, Les deux sources de la morale et de la religion, Paris 1932, Seite 66.
    33) BERGSON, a. a. O., Seite 48
    34) BERGSON, a. a. O., Seite 54
    35) BERGSON, a. a. O., Seite 54
    36) BERGSON, a. a. O., Seite 98
    37) NICOLAI HARTMANN, Ethik, a. a. O., Seite 43
    38) NICOLAI HARTMANN, Ethik, a. a. O., Seite 227
    39) NICOLAI HARTMANN, Ethik, a. a. O., Seite 154
    40) NICOLAI HARTMANN, Ethik, a. a. O., Seite 163
    41) HARTMANN, Ethik, a. a. O., Seite 497
    42) SPINOZA, Ethik, Pars III, Propos. XIII, Scholium.
    43) KANT, Metaphysische Anfangsgründe der Rechtslehre, § 24, Akademie-Ausgabe Bd. 6, Seite 277.
    44) KANT, a. a. O., § 26, Seite 278
    45) FREUD, Drei Abhandlungen zur Sexualtheorie, Gesammelte Schriften, Bd. 5, Seite 59.
    46) NIETZSCHE, Nachlaß, a. a. O.
    47) KANT, Kr. d. r. V., Ausgabe B, Seite 579, Akademie-Ausgabe, Bd. 3, Seite 373.
    48) ENGELS, Vorarbeiten zum "Anti-Dühring", Marx-Engels-Archiv, Bd. 2, Ffm 1927, Seite 408
    49) CÉLESTIN BOUGLÉ, Les idées égalitaires, Paris 1925, Seite 248.
    50) ERICH FROMM, Die psychoanalytische Charakterologie und ihre Bedeutung für die Sozialpsychologie, in "Zeitschrift für Sozialforschung", 1932, Seite 268f, besonders Seite 274.
    51) CUSANUS, De ludo globi II, Seite 236f, zitiert nach CASSIRER, Individuum und Kosmos in der Philosophie der Renaissance, Berlin 1927, Seite 46.
    52) MAX WEBER, Die "Objektivität" sozialwissenschaftlicher und sozialpolitischer Erkenntnis, in Gesammelte Aufsätze zur Wissenschaftslehre, Tübingen 1922, Seite 180 und 183.
    53) MILL, Gesammelte Werke, übersetzt von GOMPERZ, Leipzig 1874, Bd. 9, Seite 67.
    54) Vgl. z. B. die von EDOUARD CLAPARÉDE geführte Diskussion in der Sitzung der  Société francaise de Philosophie vom 12. 3. 1932 (siehe das Bulletin dieser Gesellschaft, Juli/September 1932, erschienen bei ARMAND COLIN in Paris).
    55) CLAUDE LÉVY-BRUHL, La morale et la science des moeurs, neunte Auflage, Paris 1927, Seite 98.