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THEODOR ELSENHANS
Die Voraussetzungen der
voraussetzungslosen Wissenschaft


"Galilei, hat in seiner 1623 erschienenen Schrift die Goldwaage jene Anschauung vertreten, deren Spuren sich schon im Altertum finden, daß Geruch, Geschmack, Farbe, Wärme, die Sinnesqualitäten, die wir den Dingen zuschreiben, nur im empfindenden Subjekt ihren Sitz haben. Die den Dingen selbst zukommenden Eigenschaften sind nur Gestalt, Zahl und Bewegung. Auf philosophischer Seite wurde diese Auffassung dann besonders von Locke weiter ausgeführt."

"Wir halten für wahr, was sich unserer Auffassung der Wirklichkeit als denknotwendig aufdrängt. Wir kommen von dieser Voraussetzung niemals los. Wir können nicht anders, als annehmen, daß, was für uns wahr ist, auch für alle anderen denkenden Menschen, falls sie richtig denken, wahr sein muß."

"Wenn nur wahr ist, was sich durch den Erfolg als wahr erweist, so hat eine logische Erörterung darüber, so hat eine nach den gewöhnlichen Gesetzen des Denken geführte Diskussion darüber keinen Sinn mehr. Wer mit Gründen und Gegengründen darüber streitet, verrät eben damit, daß auch für ihn die Möglichkeit einer auf sich selbst beruhenden allgemeingültigen Wahrheit eine selbstverständlich Voraussetzung ist."

"Bleiben wir einmal beim Geschriebenen oder Gedruckten, so ist ja das, was der Leser wahrnimmt, zunächst nur eine Gruppe von schwarzen verschieden geformten Strichen auf weißem Untergrund. Für das Tier, das ein verlorenes Blatt auf dem Boden liegen sieht, ist es auch niemals mehr. Der Mensch verbindet mit den gesehenen Buchstabenkomplexen einen Sinn, er verknüpft mit den sinnlichen Zeichen eine Bedeutung."

"Das Wort Glaube darf dabei nicht mißverstanden werden. Es enthält nicht mehr und nicht weniger als was allen Denkenden gemeinsam ist. Der Naturforscher, der Mathematiker, der Historiker, der Nationalökonom, der Rechtskundige, der Philosoph, sie alle arbeiten unter den Bedingungen der Voraussetzung eines Vernunftglaubens, und wer sie leugnen wollte, würde, indem er sein Leugnen begründet, dieses Vertrauen auf die Allgemeingültigkeit des Denknotwendigen selbst verraten."

Wer es unternimmt, von den Voraussetzungen der voraussetzungslosen Wissenschaft zu reden, scheint einen "Widerspruch in sich selbst" an die Spitze seiner Ausführungen zu stellen. Vielleicht beleuchtet aber gerade dieser scheinbare Widerspruch die wissenschaftliche Lage der Gegenwart von einer Seite, die unser tiefstes Interesse verdient und deren nach Lösung drängende Fragestellung in diesem Widerspruch nur ihre scharf zugespitzte Fassung findet (1).

Wir sehen in unserer Zeit den alten Kampf um die Weltanschauung in neuen Formen entbrennen.

Auf der einen Seite das Weltbild der religiösen Überlieferung, geheiligt durch die tiefsten Bedürfnisses des Gemüts und ehrwürdig durch eine Geschichte von Jahrtausenden, auf der anderen die Welterkenntnis der unaufhaltsam fortschreitenden Wissenschaft, die ein Gebilde des Glaubens um das andere mit ihrer zerstörenden Kritik angreift. Nur zu oft wird der Kampf mit persönlicher Erbitterung geführt. Dem einen erscheint als ein Frevel an den heiligsten Gütern der Menschheit, was dem anderen ein erhebendes Zeugnis menschlicher Größe ist.

Wo der Kampf der gegensätzlichen Standpunkte in einer solchen Heftigkeit entbrannt ist, da hat in der Geschichte menschlicher Wissenschaft eine nüchterne Forschung stets ihre Aufgabe darin gesehen, zunächst einmal die Grundlagen zu prüfen, von denen beide Teile ausgegangen sind. Ihre grundsätzliche Verschiedenheit ist in unserem Fall schon in gewissen Schlagworten angedeutet, die zur Kennzeichnung der sich bekämpfenden Gegensätze gebraucht werden. Auf der einen Seite die starre Überlieferung, deren "dogmatische Voraussetzungen" eine unüberwindliche Schranke der Forschung bilden, auf der anderen Seite die "voraussetzungslose Wissenschaft", die in schrankenloser Freiheit das große Programm einer neuen Zeit zu verwirklichen strebt, in Kürze etwa ausgedrückt in der Losung: Freie Forschung gegen orthodoxe Dogmatik.

Eine klare Einsicht in die Sachlage ist nun aber dadurch wesentlich erschwert, daß auch der Wissenschaft, welche sich voraussetzungslos nennt, entgegengehalten wird, sie selbst könne gewisser Voraussetzungen nicht entbehren, und daß dieser Einwand gerade von Tieferdenkenden zugegeben wird. Von hier aus scheint der ganze Gegensatz zu zerfließen, und der Unterschied nur noch der zu sein, daß der eine diese, der andere jene Voraussetzungen macht. Unter diesen Voraussetzungen hätte dann etwa die spiritistisch Annahme, daß die vom Körper getrennte Seele körperliche Wirkungen, z. B. Klopftöne hervorbringen kann, dieselbe Berechtigung, wie die Voraussetzung des Naturforschers, daß jede Veränderung, die er wahrnimmt, eine Ursache haben muß. Kurz, durch die bloße Behauptung, daß niemand ohne Voraussetzungen auskommt, entsteht eine Verwirrung, - ein sehr gewöhnliches Bild kennzeichnet die Sachlage am Besten - in der es möglich ist, "im Trüben zu fischen".

Angesichts des Ernstes der Dinge, um die es sich dabei handelt, lohnt es sich gewiß, hier einmal Klarheit zu schaffen.

Sind in der Tat für die Wissenschaft überhaupt gewisse Voraussetzungen unentbehrlich?, und wenn es der Fall ist, fällt damit der grundsätzliche Unterschied wirklich dahin zwischen der sogenannten "voraussetzungslosen" Wissenschaft und denjenigen Standpunkten, für welche die letzte Entscheidung über Wahrheit und Unwahrheit in außerwissenschaftlichen Instanzen liegt?

Die Beantwortung dieser Fragen erfordert zunächst als Hauptaufgabe eine Prüfung der Voraussetzungen der Wissenschaft überhaupt. Daraus ergibt sich dann von selbst, in welchem Sinn von einer Voraussetzungslosigkeit der Wissenschaft die Rede sein kann und muß.

So zerfällt unsere Untersuchung sehr einfach in zwei Teile, von denen der erste, grundlegende, die Überschrift tragen soll: "Die Voraussetzungen der Wissenschaft", der zweite, kleinere aber: "Die Voraussetzungslosigkeit der Wissenschaft".


I. Voraussetzungen der Wissenschaft

Mit der Frage nach den Voraussetzungen der Wissenschaft rühren wir an die letzten Grundlagen des wissenschaftlichen Denkens überhaupt, deren Bearbeitung eine der wichtigsten Aufgaben der Philosophie bildet. Es ist KANT, der durch seine "Kritik der reinen Vernunft" dem menschlichen Denken zuerst die volle Bedeutung dieser Frage zu Bewußtsein brachte.

Ohne eine Auseinandersetzung mit ihm läßt sich über diese Dinge überhaupt nicht entscheiden. Wenn ich daher die Überzeugung vom hohen Wert der kantischen Philosophie nicht bloß für unsere Frage, sondern für unsere Wissenschaft und das deutsche Geistesleben überhaupt an die Spitze stelle, so ist mir doch ebensogewiß, daß dem "Zurück zu Kant", das die letzten Jahrzehnte philosophischen Denkens beherrscht hat, allmählich ein "Hinaus über Kant" folgen muß.

Mehr als ein Jahrhundert ist vergangen, seit der große Königsberger Denker die Augen schloß. Die Jahrhundertgedächtnisfeier seines Todes im Jahre 1904 hat gezeigt, wie mächtig der Einfluß seines Geistes in der Wissenschaft der Gegenwart immer noch ist. Aber sie hat uns zugleich daran gemahnt, das Problem der Erkenntnis, das er gestellt hat, innerhalb der neuen Aufgaben einer neuen Zeit in Angriff zu nehmen. Der Kreis der Erfahrungswissenschaften hat sich ins Unermeßliche erweitert. Was an der Schwelle der neueren Philosophie in den ersten Jahrzehnten des 17. Jahrhunderts einst BACON im Geiste sah, was er an Entdeckungen und Erfindungen als Grundlage eines glückseligen Lebens eines Inselvölkchens auf der utopischen Insel Nova Atlantis, von der Dampfmaschine bis zum Luftballon und Telefon, vorausahnte, - das 19. Jahrhundert hat es verwirklicht. Und auch eine philosophische Grundlegung der Wissenschaften wird es nicht versäumen dürfen, dieser unvergleichlichen Entwicklung der Wissenschaft und Technik Rechnung zu tragen.

Wir fragen also nicht bloß mit KANT, der die rationalistische Metaphysik des 18. Jahrhunderts sich gegenüber sah: Wie ist Erkenntnis aus reiner Vernunft möglich?, sondern wir fragen als Kinder des 20. Jahrhunderts, denen es in erster Linie um eine zuverlässige Begründung der so mächtig ausgebreiteten Erfahrungswissenschaft zu tun ist: Wie ist Wissenschaft überhaupt möglich?


1. Die im Ausgangspunkt der
wissenschaftlichen Untersuchung liegenden
Voraussetzungen.

Damit Wissenschaft möglich ist, ist erstens erforderlich, daß sie einen Gegenstand hat. So selbstverständlich dies scheint, so schwierig wird die Sache, wenn wir ihr näher treten. Sprachlich ist ja damit zunächst nur gesagt, daß die sich die Wissenschaft mit irgendetwas beschäftigt. Aber für einen weitaus überwiegenden Teil der wissenschaftlichen Arbeit ist darin viel mehr enthalten. Dem wissenschaftlichen, wie dem naiven Bewußtsein erscheint der "Gegenstand" einer Wissenschaft in der Regel als eine Gruppe von Dingen oder Geschehnissen, die eine vom erkennenden Subjekt unabhängige Wirklichkeit besitzen. Die Philosophie und im Besonderen die Erkenntnistheorie weist dagegen nach, daß im Gegenteil alle die Formen, in denen uns eine solche Wirklichkeit erscheint, von unserer Organisation abhängig sind. Mancher sieht in Untersuchungen dieser Art eine unnötige Grübelei. Die Wissenschaft - wird etwa gesagt - errang ihre Siege auf ihrem Weg durch die Jahrhunderte auf eigene Faust. Sie bedarf der Reflexionen der Philosophen nicht. Man beruft sich vielleicht gar auf SCHILLERs derbes Distichon:
              "Rechtsfrage".
    "Jahrelang schon bedien' ich mich meiner Nase zum Riechen;
    Hab' ich denn wirklich an sie auch ein erweisliches Recht?"
Aber die Dinge liegen wesentlich anders. Die exakte Wissenschaft selbst hat ja jenes naive Weltbild zerstört. Gerade derjenige Forscher, der unter allen zuerst - dadurch zugleich BACONs die Mathematik vernachlässigendes wissenschaftliches Programm ergänzend - das Ideal einer mathematisch-naturwissenschaftlichen Welterklärung entwarf, GALILEI, hat in seiner 1623 erschienenen Schrift "die Goldwaage" jene Anschauung vertreten, deren Spuren sich schon im Altertum finden, daß Geruch, Geschmack, Farbe, Wärme, die Sinnes"qualitäten", die wir den Dingen zuschreiben, nur im empfindenden Subjekt ihren Sitz haben. Die den Dingen selbst zukommenden Eigenschaften sind nur Gestalt, Zahl und Bewegung. Auf philosophischer Seite wurde diese Auffassung dann besonders von LOCKE weiter ausgeführt. Nur die mathematisch-mechanischen Eigenschaften der Dinge, die "primären Qualitäten" kommen ihnen als wirklich existierende zu. Sie sind es, welche auf unsere Organisation wirken und dadurch die subjektiven Sinneseindrücke, die "sekundären Qualitäten" hervorrufen. Es ist dies ja, wenn wir von den neuesten Entdeckungen und Strömungen der Naturforschung absehen, durch welche manche scheinbar feststehenden allgemeinen Voraussetzungen des naturwissenschaftlichen Denkens wieder in Fluß gekommen sind, im Wesentlichen die Ansicht, welche die Naturwissenschaft bis zur neuesten Zeit beherrscht hat: die Wirklichkeit ein System von Atomen, aus dessen mathematisch zu formulierender Mechanik alles Geschehen erklärt wird.

Aber auch dabei können wir nicht stehen bleiben. Auch von der Gestalt, der Lage, der Undurchdringlichkeit der Dinge können wir doch nur deshalb reden, weil unsere Anschauungsfähigkeit uns ein Bild davon gibt, unser Tastsinn Widerstand empfindet. Wir übertragen dabei nur Eigenschaften, die wir im Reich der uns unmittelbar zugänglichen Wirklichkeit wahrgenommen haben, auf ein Gebiet, für das die Schärfe unserer Sinne nicht mehr ausreicht, dessen Gebilde aber darum doch von unserer Organisation abhängig sind.

Wollen wir uns also nicht schon im Vorhof der Wissenschaft in alle Schwierigkeiten der Erkenntnistheorie verwickeln, so dürfen wir von jenen Voraussetzungen, welche das wissenschaftliche Bewußtsein in der Regel in den "Gegenstand" der Wissenschaft hineinverlegt, zunächst nur das gelten lassen, was unabhängig von jener Kritik des Erkennens feststeht, nämlich daß wir jene Sinneseindrücke haben, daß wir sehen, hören, Widerstand empfinden - kurz gesagt: das Erlebnis als solches. Mag über die Frage, ob dem von uns Wahrgenommenen eine vom Wahrnehmenden unabhängige Wirklichkeit zukommt, beliebiger Zweifel herrschen - daß wir diese oder jene Wahrnehmung erleben, steht unzweifelhaft fest. Wie auch für den Astronomen die scheinbare Bewegung der Gestirne, die er immer wieder erlebt, den Ausgangspunkt seiner Berechnungen bildet, so ist für den Forscher überhaupt das ursprünglich Gegebene des eigenen Erlebnisses eine unentbehrliche Voraussetzung.

Veranlaßt uns nun aber dieses Erlebnis äußerer Eindrücke zu der Aussage: wir nehmen einen "Gegenstand" wahr, dem bestimmte Eigenschaften zukommen, oder an dem etwas geschieht, so ist darin wesentlich mehr als eine bloße Einzeltatsache gegeben. ERNST MACH vertritt in seinen scharfsinnigen "Beiträgen zur Analyse der Empfindungen" die (später von ihm modifizierte) Ansicht, alle Wissenschaft sei eine Nachbildung von Tatsachein in Gedanken. In Wirklichkeit sind schon in der Tatsache Selbst Voraussetzungen des Denkens unvermeidlich enthalten. Reden wir von einem "Gegenstand", an dem wir oder den wir selbst als eine Tatsache wahrnehmen, so hat ihn unser Denken erst zum "Gegenstand" gemacht. Daß wir das Stück Blei im festen und im geschmolzenen Zustand nicht als zwei zusammenhangslose Bestandteile der Wirklichkeit auffassen, daß wir die Bewegungen der einander stoßenden Kugeln nicht als ein bloß zufälliges Nacheinander ansehen, hängt daran, daß schon im Aufbau unserer Wahrnehmungswelt das die Mannigfaltigkeit verknüpfende Denken wirksam ist. Ich kann hier, wie auf das Problem der "Gegebenheit" und das des "Gegenstandes", so auch auf die Frage, welches im Einzelnen diese Verknüpfungsformen sind, nicht näher eingehen. Ich nenne nur die wichtigsten dieser Formen. Bleiben wir bei den genannten Beispielen, so ist es uns selbstverständlich, jenes schmelzende Stück Blei als ein und denselben Träger wechselnder Zustände, die eine sich bewegende Kugel als Ursache der Bewegung der anderen zu betrachten. Es sind neben der raum-zeitlichen Ordnung die Begrif der im Wechsel ihrer Zustände beharrenden Substanz und der das Geschehen beherrschenden Kausalität, die wir an alle Betrachtungen der Wirklichkeit heranbringen.

An der populären Wendung dieser Begriffe hat allerdings die Wissenschaft eine scharfe Kritik geübt. Sie hat insbesondere die Unklarheit des Begriffs der Kraft getadelt, der durch eine Übertragung der Ursächlichkeit in die Substanz entstand. Sie strebt z. B. durchaus mit Recht danach, jeden Satz der Mechanik, in dem von Kräften die Rede ist, in mathematisch darstellbare Gleichungen zu übersetzen (2). Mit dieser Reinigung und scharfen Umgrenzung unbestimmter populärer Begriffe erfüllt die Wissenschaft zweifellos eine wichtige Aufgabe; aber von jener Voraussetzung, daß wie es dabei stets mit einer Wirklichkeit zu tun haben, in der die Dinge als Substanzen mit welchselnden Eigenschaften und Zuständen, die Vorgänge unter dem Gesichtspunkt von Ursache und Wirkung aufzufassen sind, kommt sie dabei doch nicht los. Auch für die neueste Naturwissenschaft trifft dies zu. Zwei Beispiele sollgen dies deutlich machen. Die Kategorie der Kausalität hat innerhalb der Naturwissenschaft im Energieprinzip ihre exakte Vertretung gefunden. Gewisse moderne Vertreter der Energielehre, unter ihnen besonders WILHELM OSTWALD, suchen nun alles, was an die alte Vorstellung von der Substanz der Dinge erinnert, insbesondere den Begriff der Materie zugunsten der Energie auszuschalten. Die Materie ist nur noch ein System von "Kraftlinien". Die gesamte Wirklichkeit wird zuletzt als Äußerungsform von Energie und ihrer Wandlungen in immer neue Formen erklärt. Da aber all die Energieformen zuletzt doch auf irgendein einheitliches Maß der Energie bezogen werden müssen, so gelangt man dabei naturgemäß zu der Annahme:
    "Jede kleinste Menge derselben sei zu jeder Zeit an einen bestimmten Ort des Raumes geknüpft und bewahrt bei allem Wechsel desselben und bei aller Verwandlung der Energie in neue Formen dennoch ihre Identität." (3)
Damit haben wir aber nichts anderes als den alten Begriff der Substanz, die im Wechsel ihrer Zustände beharrt, wie ja schon das bestimmte Maß, auf welches alle Energiearten bezogen werden, ohne einen "Träger" einer bestimmten Energiemenge kaum denkbar ist. So rächt sich gleichsam der vernachlässigte Substanzbegriff, indem er seinen Rivalen den eigenen Bedürfnissen anpaßt.

Der umgekehrte Fall begegnet uns, wo der Versuch gemacht wird, den die Kausalität vertretenden Begriff der Kraft oder der Energie als einen selbständigen Grundbegriff zu beseitigen. HEINRICH HERTZ will in seinen "Prinzipien der Mechanik" nur die "drei unabhängigen Grundbegriffe" Zeit, Raum und Masse als "Gegenstände der Erfahrung" gelten lassen (4). Um die Wirklichkeit zu erklären, sieht er sich aber dann genötigt, neben den sinnliche wahrnehmbaren Massen durch eine Hypothese verborgene Massen einzuführen und den Kraftbegriff durch eine "mathematische Hilfskonstruktion" zu ersetzen, die nicht ohne Künstlichkeit ist.

Dieselbe Beobachtung machen wir bei dem neuesten, dem elektromagnetischen Weltbild, wie wir es kurz nennen können. Auch ier finden die Grundbegriffe Substanz und Kausalität ihre Stelle, nur gleichsam in der verdünntesten Form, im Äther als "Träger" der elektrischen und Strahlungserscheinungen.

Unschwer ließen sich dieselben Voraussetzungen des Denkens in den Kulturwissenschaften verfolgen. In der Geschichtswissenschaft z. B. erscheinen menschliche Persönlichkeiten als "Träger" des ursächlich bestimmten Geschehens, aus deren Wechselwirkung unter sich und mit der Außenwelt der Verlauf der Dinge erklärt wird.

Wir sehen also: Voraussetzung aller Wissenschaft ist eine Wirklichkeit, in welcher neben der Einordnung in Raum und Zeit die Dinge als Substanzen mit wechselnden Eigenschaften und Zuständen und die Vorgänge unter dem Gesichtspunkt von Ursache und Wirkung aufgefaßt werden. Der Fortschritt der Wissenschaft ändert nur den Inhalt aber nicht die Form dieser Voraussetzung (5).

Außer den im Ausgangspunkt der Wissenschaft überhaupt liegenden Voraussetzungen gibt es allerdings noch besondere Voraussetzungen der Einzelwissenschaften. So setzt etwa die Physiologie Tatsachen aus der allgemeinen Geschichte voraus. Aber wir erkennen sofort, daß es sich dabei nur um Voraussetzungen relativer Art handelt. Ihr Charakter als Voraussetzung besteht nur darin, daß sie als Ergebnisse von einer Wissenschaft in die andere herübergenommen werden. In Wirklichkeit sind sie Ergebnisse der Forschung wie andere, die nur um der notwendigen Arbeitsteilung der Wissenschaft willen gelegentlich als Voraussetzungen behandelt werden. Für uns, wo es sich um die Voraussetzungen der Wissenschaft als eines Ganzen handelt, kommen sie nicht in Betracht.

Indem nun aber die Wissenschaft die schon in ihrem Ausgangspunkt liegenden Annahmen von Dingen mit Eigenschaften von Ursachen und Wirkungen des Geschehens ihrer fortschreitenden Arbeit anpaßt, macht sie in der Anwendung dieser Formen selbst gewisse Voraussetzungen, die in der Untersuchung als solcher liegen.


2. Die in der wissenschaftlichen
Untersuchung selbst liegenden
Voraussetzungen.

Treten wir an eine wissenschaftliche Untersuchung heran, so bringen wir gewisse Voraussetzungen bereits mit. Unser Denken bewegt sich bei der Verarbeitung seines Gegenstandes in bestimmten Formen, deren Gültigkeit vorausgesetzt wird. Begriffe, Urteile, Schlüsse finden Verwendung, wobei uns selbstverständlich ist, daß dieselben Formen des Begreifens, Urteilens, Schließens auch für andere Denkende maßgebend sind. Die Formen selbst bringen wir uns in der Regel nicht zum Bewußtsein; wir vermögen nur zu sagen, daß ein zwingendes Gefühl der Evidenz uns veranlaßt, uns gerade nach diesen Formen und nicht nach anderen zu richten. Diese unbewußten oder halbbewußten Formen vollständig herauszuarbeiten, ist die Aufgabe der Logik, die, wie wir sehen, damit gewisse Grundvoraussetzungen aller Wissenschaft in systematischer Form darstellt. Als einheitliche Zusammenfassung derselben schwebt dabei etwa dem Denkenden ein Ideal der Wissenschaft vor, bei dessen Verwirklichung alles Sein von einem System der Begriffe umfaßt wird und der allgemeinste Begriff gleichsam die oberste Spitze dieser Begriffspyramide darstellt, und wobei alles Geschehen aus einzelnen Gesetzen erklärt wird, die ihrerseits von einem allgemeinsten Gesetz abgeleitet werden können. Damit berühren wir aber bereits ein Gebiet allgemeiner Voraussetzungen der Wissenschaft, das mit dem ebengenannten zwar auf das Engste zusammenhängt, aber doch nicht mit ihm identisch ist. Es ist mit ihm so wenig identisch wie das Denken mit dem Erkennen. Wir sprachen zunächst von den Formen des Denkens überhaupt, ohne deren Anwendung auf die Gegenstände der Wissenschaft mit in Betracht zu ziehen. Die Voraussetzungen, mit denen wir an die wissenschaftliche Untersuchung schon herantreten, erstrecken sich aber nicht bloß auf die Allgemeingültigkeit bestimmter Denkformen überhaupt, sondern auch auf ihre Anwendung in der Erkenntnis der Wirklichkeit, wie sie sich in der wissenschaftlichen Forschung vollzieht. Wir halten für wahr, was sich unserer Auffassung der Wirklichkeit als denknotwendig aufdrängt. Wir kommen von dieser Voraussetzung niemals los. Wir können nicht anders, als annehmen, daß, was für uns wahr ist, auch für alle anderen denkenden Menschen, falls sie richtig denken, wahr sein muß.

Auch die Skepsis, welche ihren Standpunkt jenseits dieser Voraussetzung einnehmen will, hat sich schon im Altertum nicht recht mit dem Einwand abzufinden gewußt, daß ja dann auch iren eigenen skeptischen Sätzen keine Wahrheit zukommt.

Eine interessantere Form haben aber diese Angriffe gegen einen absoluten Wahrheitsbegriff unter dem Einfluß der modernen Naturwissenschaft angenommen. Der ungeheure Erfolg der Entwicklungsidee hat mit anderen geistigen Mächten auch die scheinbar ewig gültige wahrheit in den Strom des Werdens und Vergehens hineingezogen. Die entwicklungsgeschichtliche Betrachtung macht das Absolute zum Relativen. Auch das Denken soll als ein Mittel gelten im Kampf ums Dasein. Die Formen desselben bilden sich aus, indem Individuen und Gemeinschaften umso lebens- und widerstandsfähiger werden, je mehr sie mit Hilfe des Denkens die Natur beherrschen lernen. Ab brutalsten tritt dies etwa hervor in der Ausbildung einer Technik der Zerstörungsmittel, durch welche im Wettbewerb der Nationen ein Volk dem anderen den Vorrang abzugewinnen sucht. Die Bedingungen des Daseinskampfes wechseln. Für die Kulturvölker der Gegenwart sind villeicht diese Erkenntnisformen die richtigen. Es kommen andere Lebens- und soziale Bedingungen, und die Formen werden andere sein, wie sie in früheren Epochen der Menschheit andere gewesen sind.

Dieser entwicklungsgeschichtliche Relativismus hat besondere Verbreitung durch FRIEDRICH NIETZSCHEs Schriften gefunden, der ihn einmal in der barocken Form ausspricht:
    "Es gibt weder Geist, noch Vernunft, noch Denken, noch Bewußtsein, noch Wille, noch Wahrheit. Alles Faktoren, die unbrauchbar sind. Es handelt sich nicht um "Subjekt und Objekt", sondern um eine bestimmte Tierart, welche nur unter einer gewissen relativen Richtigkeit, vor allem der Regelmäßigkeit ihrer Wahrnehmungen (so daß sie Erfahrung kapitalisieren kann) gedeiht." (6)
Von wissenschaftlicher Seite wird dieser alten Voraussetzung einer allgemeingültigen Wahrheit neuestens besonders von einer mächtigen Strömung entgegengearbeitet, welche vorwiegend auf amerikanischen Boden ihren Ursprung hat. Es ist der sogenannte "Pragmatismus", der schon deshalb Anspruch auf unser Interesse hat, weil er in dem der deutschen Wissenschaft so nahestehenden Nordamerika augenblicklich vielleicht diejenige philosophische Frage darstellt, um die am heißesten gestritten wird. Wie lebhaft sie die Gemüter erregt, das trat z. B. - wenn ich eine persönliche Erinnerung einflechten darf - Anfang September des vorigen Jahres dem Heidelberger Philosophenkongreß zutage, wo die Pragmatisten und ihre Gegner sich mit dem gewöhnlichen Rahmen der Verhandlungen nicht begnügten, sondern die Anberaumung einer Fortsetzung der Diskussion in einem besonderen Lokal und zu besonderen Zeiten veranlaßten. Mehrere Stunden maßen sich über 30 Redner verschiedener Nationen in einem hitzigen Wortgefecht. Der Pragmatismus, um den sich der Streit drehte, in der Literatur geistreich und geschickt hauptsächlich durch den bedeutenden Psychologen JAMES vertreten, schillert in mancherlei Farben. Gemeinsam ist ihm aber, wie einer der Hauptvertreter desselben auf dem Kongreß (SCHILLER, Oxford) ausgeführt hat (7), daß das wirkliche Kennzeichen einer Wahrheit im "Wert der Folgen besteht, zu denen die Behauptung führt". Den Maßstab der Erkentnis bildet also keine als unabhängig und allgemeingültig vorausgesetzte Wahrheit, sondern der Wert oder Nutzen einer Behauptung für menschliche Zwecke.

Ein ganz einfaches Beispiel soll dies deutlich machen. Bei der alten Wahrheitsfrage nach dem Dasein Gottes käme nicht die einfache Frage, ob Gott ist, in Betracht, sondern die Frage, welche Folgen die Überzeugung von Gottes Dasein in der Geschichte der Menschheit gehabt hat und heute noch hat.

Aber nach welchem Maßstab sind die Sätze des Pragmatismus selbst zu beurteilen? Gilt es auch für sie, daß wahr nur ist, was sich durch den Erfolg als wahr erweist, so hat eine logische Erörterung darüber, so hat eine nach den gewöhnlichen Gesetzen des Denken geführte Diskussion darüber keinen Sinn mehr. Wer mit Gründen und Gegengründen darüber streitet, verrät eben damit, daß auch für ihn die Möglichkeit einer auf sich selbst beruhenden allgemeingültigen Wahrheit eine selbstverständlich Voraussetzung ist.

Diese Voraussetzung ist, wie wir sehen, unumgänglich; auch der Entwicklungstheoretiker wird sich bei allem Theoretisieren über die Entwicklung der Denkformen bei anderen doh immer wieder darüber ertappen, daß er für seine eigenen Forschungsergebnisse eine von der Entwicklung unabhängige allgemeingültige Wahrheit in Anspruch nimmt.

Zu dieser Voraussetzung gehört aber ferner - das müssen wir hinzufügen - nicht bloß die Annahme einer Allgemeingültigkeit für alle denkenden Subjekte, sondern auch für alle Objekte, auf welche sich die betreffende Wahrheit bezieht. Daß sich Schießpulver durch Stoß entzündet, ist uns zwar selbstverständlich. Wenn wir aber behaupten, daß es morgen unter denselben Bedingungen ebenso geschehen wird, wie es gestern geschehen ist, so sagen wir mehr, als wir erfahren haben. Was wir erfahren haben, sind ja nur einzelne Tatsachen der Vergangenheit; behaupten wir etwas für die Zukunft, so können wir es nur tun unter der Voraussetzung einer Allgemeingültigkeit der gewonnenen Erkenntnis für alle Objekte derselben Art und unter denselben Bedingungen. Die Erkenntnistheorie stellt sich allerdings gelegentlich auf den Standpunkt, daß jene subjektive und diese objektive oder "Seinsgültigkeit" zusammenfallen. Auch KANT spricht diese Ansicht aus. Die Wissenschaft wird sich aber damit nicht begnügen. Sie wird stets daran festhalten, daß ihre "Gegenstände" noch eine andere "Wirklichkeit" besitzen, als bloß diejenige im gemeinsamen Bewußtsein der denkenden Subjekte. Indem sie erfährt, daß uns Vorgänge der Außenwelt völlig unabhängig von unserem Wollen entgegentreten, sieht sie sich nach allen Grundsätzen ihres Verfahrens genötigt, jene der natürlichen Weltauffassung selbstverständliche Annahme einer jenseits unseres Bewußtseins liegenden, einer "transzendenten" Außenwelt zumindest als die beste Hypothese zur Erklärung jener Unabhängigkeit gelten zu lassen. Sie hat allerdings die naive Form dieser Annahme selbst zerstört und sie wandelt das herkömmliche Bild dieser Wirklichkeit nach den Ergebnissen ihrer Untersuchung - die Farbe z. B. als Eigenschaft der "Gegenstände" wird zu Ätherschwingungen, ihre "Wärme" zur Bewegungsenergie der kleinsten Körperteilchen -; aber sie kann trotz KANT und aller Erkenntnistheorie nicht umhin, dem im "Erlebnis" der Außenwelt liegenden "Gegenstandsbewußtsein" Rechnung zu tragen. Der Erkenntnistheoretiker mag immer wieder betonen, daß jene transzendente Wirklichkeit als eine erkannte eine in den Formen unseres Denkens vorgestellt und eben damit nicht mehr "transzendente" ist. Die Wissenschaft wird daraus nur die Folgerung ziehen, daß umso schärfer zu unterscheiden ist zwischen diesen Formen selbst und dem, was zusammen mit ihnen die als solche erkannte "Wirklichkeit" ausmacht. Sie will sich im Kreis des bloß Subjektiven nicht einfangen lassen, der, einmal anerkannt, notwendig zur Alleinexistenz des denkenden Subjekts, zum Solipsismus führt; und sie läßt sich darum auch durch jenen Gedanken der Abhängigkeit von der eigenen Organisation in der Überzeugung nicht irre machen, daß, was bei ihrer fortschreitenden Gestaltung des Bildes der Außenwelt als jenseits des Bewußtseins existierend sich denknotwendig aufdrängt, auch tatsächlich so existiert. Da sie dieses Maßstabes allgemeingültiger Wahrheit von Anfang an als einer unentbehrlichen Voraussetzung bedarf, glaubt sie ihn auch nicht an irgendeinem beliebigen Punkt ihres Weges entlassen zu dürfen.

Dabei ist allerdings selbstverständlich, daß die Voraussetzung jener objektiven Allgemeingültigkeit nur auf diejenigen Objekte sich erstreckt, für welche die festgestellten Bedingungen zutreffen. Ich kann nur im Vorübergehen darauf hinweisen, von welcher Bedeutung dies z. B. für die Auffassung des Energieprinzips ist. Ein die ganze Natur beherrschendes Gesetz ist es nur dann, wenn zugleich vorausgesetzt wird, daß die Natur ein endliches geschlossenes System bildet, in das z. B. in der Richtung vom Willen des Menschen zu seinem Körper keinerlei Wirkungen einbrechen können. Der Naturforscher ist sich vielleicht nicht immer bewußt, wie stark selbst seine Erwartung einer Einzeltatsache mit solchen Voraussetzungen allgemeiner Art belastet ist.

Und es ist umso notwendiger, sich all das zu Bewußtsein zu bringen, als es Voraussetzungen im strengsten Sinn des Wortes sind, die sich jeder eigentlichen Beweisführung entziehen. Will der Philosoph etwa den Versuch machen, die Allgemeingültigkeit der Denkgesetze überhaupt, die subjektive und die objektive Allgemeingültigkeit des Gedachten zu beweisen, so zeigt sich, daß er beim Beweis selbst sich ihrer bedient, also zu Beginn desselben schon voraussetzt, was er beweisen will. Auch er kann nicht anders beginnen, als mit der Überzeugung von der Wahrheit dessen, was sich ihm als denknotwendig ergibt.

Aber er will doch auch anderen diese Ergebnisse mitteilen. Damit hängen weitere Voraussetzungen zusammen.


3. Die in der Mitteilbarkeit der
wissenschaftlichen Ergebnisse liegenden
Voraussetzungen.

Versetzen wir uns in die Lage des Forschers, der sich anschickt, seine Forschungsergebnisse anderen mitzuteilen. Er faßt seine Gedanken in Worte und Sätze und nimmt an, daß sie vom Leser und Hörer "verstanden" werden. Worin besteht aber dieses Verstehen? Bleiben wir einmal beim Geschriebenen oder Gedruckten, so ist ja das, was der Leser wahrnimmt, zunächst nur eine Gruppe von schwarzen verschieden geformten Strichen auf weißem Untergrund. Für das Tier, das ein verlorenes Blatt auf dem Boden liegen sieht, ist es auch niemals mehr. Der Mensch verbindet mit den gesehenen Buchstabenkomplexen einen "Sinn", er verknüpft mit den sinnlichen Zeichen eine "Bedeutung". Aber diese Deutung des sinnlichen Zeichens stammt ja aus ihm selbst. Vermöge einer durch Übung festgewordenen Vorstellungsverknüpfung verbindet er mit dem Wort und dem Satz die richtige Vorstellung; und derjenige, der diese Worte zu ihm spricht, nimmt an, daß es dieselben Vorstellungen sind, die er selbst damit verbindet.

Wie zweifelhaft unter Umständen die Berechtigung dieser Annahme sein kann, das zeigt sich uns, wenn wir versuchen, aus den Schriftzeichen einer entlegenen Fremdsprache den Sinn zu erkennen, den der Verfasser damit verbunden hat. Je weiter zeitlich und sachlich die Kultur von der unsrigen entfernt ist, welcher das Schriftstück angehört, desto unsicherer wird die Voraussetzung, welche das Wörterbuch uns leicht vortäuscht: daß der fremde Begriff und unser eigener sich decken. Da unser ganzes Verständnis fremden Geisteslebens mit Einschluß anderer Kulturerzeugnisse, wie der Werke der Kunst, von diesem Vorgang der Deutung abhängig ist, so wird einer Theorie der Deutung eine wichtige Aufgabe in den Kulturwissenschaften zufallen (8).

Auch innerhalb der Muttersprache drängt sich uns diese Schwierigkeit zumindest da auf, wo strittige Begriffe in Betracht kommen. Sind doch manche wissenschaftliche Kontroversen nichts anderes, als ein Streit um die Wortbedeutung. Aber auch die ernste sachliche Arbeit hängt sehr häufig an einer scharfen Bestimmung und Abgrenzung des mit dem Wort verbundenen Begriffs. Denken wir dabei etwa an die Worte Materie, Geist, Kraft, Gesetze der Natur und Gesetze der Geschichte.

Die Wissenschaft hat ja allerdings die Aufgabe, die aus dem volkstümlichen Sprachschatz stammenden Begriffe zu klären und zu reinigen; sie zerlegt einen zusammengesetzten Begriff in seine Elemente und bestimmt ihn dann durch eine Angabe derselben (9). Aber diese Elemente selbst werden doch durch Worte bezeichnet, mit denen die Hörer oder Leser, die sie verstehen sollen, dieselbe Bedeutung verbinden müssen. Die Wissenschaft mag also die Teilung in Elemente so weit treiben wie sie will, zuletzt muß sie doch einen Grundstock von Wörtern voraussetzen, an welche übereinstimmend für alle Hörer und Leser bestimmte Bedeutungsvorstellungen gebunden sind.

Dazu kommt nun aber noch die weitere Annahme, daß auch die durch die Sprache mitgeteilte Begründung der wissenschaftlichen Ergebnisse vom Hörer und Leser verstanden und, falls er die Tatsachen zugibt, von denen ausgegangen ist, anerkannt wird. Die Grundlage davon bildet die Voraussetzung einer menschlichen Gattungsorganisation, vermöge welcher das Denknotwendige sich ebenso anderen aufdrängt, wie mir selbst. Von dieser Bedingung also ist die Möglichkeit einer Mitteilung von Geisteserzeugnissen abhängig. Sind wir dabei auf den Menschen beschränkt? Wir vermögen darüber nichts Bestimmtes zu sagen.

Es ist bemerkenswert, daß KANT sowohl in der Kritik der reinen wie auch der praktischen Vernunft nicht bloß vom Menschen, sondern von vernünftigen Wesen überhaupt redet (10). SCHOPENHAUER hat ihm vorgeworfen, er habe dabei an die "lieben Engelein" gedacht. Andere haben gemeint, er habe damit nur die Begründung der Denkgesetze wie der praktischen Gesetze in der Vernunft überhaupt, nicht bloß in der besonderen Gattungsnatur des Menschen betonen wollen. Aber er spricht auch sonst mit Vorliebe, wenn auch nur hypothetisch, von den Bewohnern anderer Himmelskörper.

In der Tat steckt darin ein auch für unsere Frage bedeutsames Problem. Sehen wir auch völlig ab von den Phantasien über die Bewohner anderer Welten, wie etwa über die Bewohner des Mars, so scheint allein die nicht zu leugnende Möglichkeit ihrer Existenz unsere allgemeine Voraussetzung einer die "Wahrheit" verbürgenden Vernunftorganisation zu einer völlig willkürlichen zu stempeln. Ihre Organisation des Denkens und das Weltbild, das daraus hervorgeht, kann ja ein ganz anderes sein.

Trotzdem ist es uns unmöglich, von dieser Voraussetzung loszukommen. Die Sinnesorganisation anderer vernünftiger Wesen mag eine andere sein, man mag eta auch von der Möglichkeit reden, daß z. B. die Bewohner des Orionnebels ohne Raumanschauung sein könnten (11); aber gibt es überhaupt für solche Wesen Wahrheit und Erkenntnis, so scheint sie uns in keine anderen Formen faßbar zu sein, als in denjenigen, die uns mit ihnen gemeinsam sein müssen. Bei aller Verschiedenheit der sinnlichen Wahrnehmung müßte doch das Weltbild seinen letzten Maßstab in den großen Grundzügen des Erkennens haben, das uns als Menschen geläufig ist. Einen Beweis dafür zu führen, ist unmöglich. Es enthüllt sich uns hier die letzte alle bisherigen umfassende Grundvoraussetzung, ein Vernunftglaube, für welchen das nach Menschenart Denknotwendige Wahrheit ist. Das Wort "Glaube" darf dabei nicht mißverstanden werden. Es enthält nicht mehr und nicht weniger als was allen Denkenden gemeinsam ist. Der Naturforscher, der Mathematiker, der Historiker, der Nationalökonom, der Rechtskundige, der Philosoph, sie alle arbeiten unter den Bedingungen dieser Voraussetzung, und wer sie leugnen wollte, würde, indem er sein Leugnen begründet, dieses Vertrauen auf die Allgemeingültigkeit des Denknotwendigen selbst verraten.


II. Die Voraussetzungslosigkeit
der Wissenschaft.

Im Einzelnen hat unsere Erörterung der Voraussetzungen der Wissenschaft sich auf den Ausgangspunkt einer wissenschaftlichen Untersuchung bezogen, auf die Untersuchung selbst und auf die Mitteilbarkeit der Untersuchungsergebnisse. Wenn wir sie uns alle zu Bewußtsein bringen, legt sich ja allerdings die Frage sehr nahe: Kann da noch von einer voraussetzungslosen Wissenschaft die Rede sein? Wer bürgt uns dafür, daß nicht noch allerlei andere Voraussetzungen mit unterlaufen? und lassen sich nicht von hier aus beliebige Annahmen rechtfertigen, welche im schärfsten Gegensatz zur sogenannten "voraussetzungslosen Wissenschaft" stehen?

Suchen wir einmal festzustellen, was den von uns aufgeführten Voraussetzungen gemeinsam ist.

Sie finden sich in allem, was Wissenschaft heißt. Sie lassen sich ebenso verfolgen im geschichtlichen Fortschritt der Wissenschaft, wie in der Arbeit des Forschers der Gegenwart. Es ist ihnen also gemeinsam, daß sie über den besonderen Inhalt der Wissenschaften nichts enthalten, daß sie keinerlei Ergebnisse der Wissenschaft vorwegnehmen.v Wir können sie daher auch die allgemeinen formalen Voraussetzungen der Wissenschaft nennen.

Nun heißt es aber: in der Regel tritt der Forscher selbst schon mit bestimmten inhaltlichen Voraussetzungen an sein Problem heran, GALILEI so gut wie THOMAS von AQUIN, der Materialist der Neuzeit ebenso wie der orthodoxe Priester irgendeiner Kirche.

Sehen wir zunächst einmal von den letztgenannten Extremen ab, so ist allerdings nicht zu bezweifeln, daß der Forscher sehr häufig bestimmte inhaltliche Annahmen für seine Aufgabe mitbringt. Das Experiment, das er anstellt, ist vielleicht nur die Bestätigung einer längst gehegten Ansicht, oder die inhaltliche Voraussetzung verrät sich schon in der Fragestellung, mit der er seine Arbeit begann. Nehmen wir ein Beispiel: Ein Physiologe, der von der Gültigkeit des Prinzips von der Erhaltung der Energie für das gesamte Universum überzeugt ist, macht sich daran, das Konstantbleiben der Energie auf dem verwickelten Gebiet des organischen Lebens nachzuweisen. Er vergleicht zu diesem Zweck in sorgfältigen, längerdauernden Messungen, die von einem Tier abgegebene Wärmeenergie mit dem Energiewert der assimilierten Nahrung. In der tatsächlich durchgeführten Untersuchung (12) hat sich eine weitgehende Übereinstimmung die unter Berücksichtigung der unvermeidlichen Fehlergröße für die Behauptung der Konstanz völlig ausreicht, ergeben. Es ist aber klar, daß der Versuch, falls dieses Ergebnis schon in der Voraussetzung enthalten wäre, völlig entwertet würde. Es mag - und wird wahrscheinlich - als "Privatansicht", wenn wir so sagen wollen, vorhanden sein, darf aber in der Untersuchung selbst keinerlei Rolle spielen.

Die von der Wissenschaft unabtrennbare Forderung der Allgemeingültigkeit schließt also für die Untersuchung selbst unbewiesene Annahmen inhaltlicher Art völlig aus. Die sogenannte "Voraussetzungslosigkeit der Wissenschaft" besteht in der Beschränkung auf allgemeine formale Voraussetzungen des Erkennens überhaupt und in der Ablehnung aller unbewiesenen inhaltlichen Annahmen.

Einer Vermischung beider Arten von Voraussetzungen muß daher die Wissenschaft in ihrem eigensten Lebensinteresse auf das Schärfste entgegentreten. Wo das wissenschaftliche Denken durch ein Dogma, sei es das Dogma des Materialismus oder das Dogma einer Kirche, gebunden ist, da wird ihm der Lebensnerv durchschnitten. Wo nicht-wissenschaftliche Instanzen über wissenschaftliche Dinge entscheiden, wo das Erscheinen eines wissenschaftlichen Werkes von der Druckerlaubnis einer kirchlichen Obrigkeit abhängig gemacht und der Forscher von Instanzen, die ihm an Sachkenntnis weit nachstehen, gemaßregelt wird, da ist von eigentlicher Wissenschaft nicht mehr die Rede. Alle dialektischen Künsten reichen nicht aus, die Kluft zu überbrücken, welche zwischen der mit Recht (im bezeichneten relativen Sinn) sich so nennenden voraussetzungslosen Wissenschaft und der durch fremde Autoritäten gebundenen Scheinwissenschaft besteht (13).

Damit soll keineswegs irgendeinem Glauben oder irgendeiner Kirche oder irgendeiner Privatüberzeugung das Recht abgesprochen werden. Ihre Duldung und Anerkennung, solange sie innerhalb ihrer Grenzen bleiben, ist vielmehr geradezu eine Forderung der Wissenschaft selbst, die sie geschichtlich verstehen lehrt und in ihrer Bedeutung würdigt. Richtig betrieben wird gerade sie dem Glauben geben, was des Glaubens ist.

Was aus unserer Betrachtung folgt, ist vielmehr nur die Forderung, daß als freie Wissenschaft sich nicht ausgibt, was diesen Namen nicht verdient. Wer mit dogmatischen Voraussetzungen Wissenschaft betreibt, soll dies im Interesse der Klarheit und der Vermeidung unnötigen Streits ehrlich zugestehen. Auch für die Organisation der wissenschaftlichen Arbeit trifft dies zu. Nur ein Beispiel: Es gibt in Deutschland Lehrstühle für Geschichte und für Philosophie, deren Inhaber durch das Dogma der katholischen Kirche gebunden sind. Es muß die öffentliche Meinung und es kann manche Kreise der studierenden Jugend irreführen, wenn sie zugleich Mitglieder philosophischer Fakultäten sind. Ihr richtiger Platz ist, wie dies auch in der Regel zutrifft, in der katholisch-theologischen Fakultät, wodurch ihre grundsätzliche Stellung hinreichend bezeichnet ist. So gilt es auch sonst: wer ein Dogma vertreten will, soll den Mut seiner dogmatischen Gebundenheit haben und nicht zugleich den Schein freier Wissenschaft erwecken wollen.

Sie aber die voraussetzungslose Wissenschaft selbst, die Trägerin der Menschheitskultur seit Jahrhunderten, kann ohne die Lebensluft der Freiheit nicht gedeihen. Daß diese Freiheit keine Freiheit der Willkür ist, hat sich uns deutlich gezeigt. Auch die voraussetzungslose Wissenschaft hat ihre Voraussetzungen, aber diejenigen des wissenschaftlichen Erkennens überhaupt, an die sie sich selbst bindet. Freiheit und Gebundenheit finden sich in ihr zusammen.

Damit aber gewinnt, lassen Sie mich darauf zum Schluß noch hinweisen, die Beschäftigung mit dieser Wissenschaft, so nüchtern und kalt sie zunächst scheint, eine tieferen sittliche Bedeutung. Wer sich in ihren Dienst stellt, als schöpferisch Arbeitender oder als Lernender, macht sich in diesem Augenblick frei von den Schranken, welche einem vergangenen Zeitalter den unbefangenen Blick in die Wirklichkeit hinderten, er sieht ein uferloses Meer vor sich, das sich in eine unabsehbare Ferne verliert; aber er muß zugleich lernen, sich in dieser Freiheit an das Gesetz der Vernunft zu binden, das er in sich selbst trägt und das ihm mit der übrigen Menschheit gemeinsam ist.

Wer einmal diese selbstlose Hingabe an einen großen Zweck geübt hat, der wird auch nicht versagen, wenn das Vaterland ruft oder wenn er in den Kämpfen und Wirren des öffentlichen Lebens seinen Mann stehen soll.

So ist gerade die Pflege der Wissenschaft als solcher, der "voraussetzungslosen Wissenschaft", wie wir sie verstanden, von nicht geringer Bedeutung für die Charakterbildung. Sie tritt damit in eine Reihe mit den edelsten nationalen Gütern, deren Reinerhaltung und Förderung mit Recht als eine der vornehmsten Pflichten des Einzelnen wie der Gesamtheit gilt.
LITERATUR: Theodor Elsenhans, Die Voraussetzungen der voraussetzungslosen Wissenschaft, Leipzig 1909
    Anmerkungen
    1) Der folgende Text enthält die etwas längere Niederschrift der am 30. April gehaltenen Rede, die sich - schon wegen der notwendigen Kürzung - mit dem geschriebenen Wortlaut nicht völlig deckte. Auf die reiche Literatur ist - dem Charakter der Rede entsprechend - nur da unter Beifügung weniger Zitate Rücksicht genommen, wo dies zur Erklärung eines Ausdrucks oder zur Erläuterung einer Behauptung unerläßlich war.
    2) v
    3) Heinrich Hertz, Einleitung zu den "Prinzipien der Mechanik" ("Vorreden und Einleitungen", a. a. O., Seite 144).
    4) Heinrich Hertz, a. a. O., Seite 147 und 149.
    5) Es gibt allerdings auch Wissenschaften von der bloßen Form unserer Wirklichkeitsauffassung, wie die Mathematik und Logik; aber auch sie sind in einer hier nicht näher zu erörternden Weise von jener Wirklichkeit abhängig.
    6) Zitiert nach Elisabeth Förster-Nietzsche, Leben Nietzsches II, Seite 770.
    7) Bericht über den III. Internationalen Kongreß für Philosophie zu Heidelberg, 1. bis 5. September 1908, hg. von Theodor Elsenhans, Heidelberg 1909, Seite 714.
    8) Zur Erläuterung dieses hier nicht weiter auszuführenden Punktes muß ich auf meinen Vortrag "Die Aufgabe einer Psychologie der Deutung als Vorarbeit für die Geisteswissenschaften", Gießen 1909, verweisen.
    9) Sigwart, Logik I, 332f.
    10) Die nähere Begründung dieser und der folgenden Ausführungen habe ich in meinem Werk "Fries und Kant", 1906, II, 48f gegeben.
    11) Felix Hausdorff, Das Raumproblem, Annalen der Naturphilosophie, Bd. III, 1903, Seite 18.
    12) Max Rubner, Die Quelle der tierischen Wärme, Zeitschrift für Biologie, Bd. XXX, zitiert nach Ebbinghaus, Abriß der Psychologie, Seite 37 und 40; eingehender behandelt in der eben jetzt erschienenen Schrift Rubners, "Kraft und Stoff im Haushalt der Natur", Leipzig 1909.
    13) Zur Erläuterung dieser Behauptung seien einige Beispiele dieser Versuche hier angeführt: Carl Braig, Doktor der Philosophie und der Theologie, Professor an der Universität Freiburg, meint in seiner akademischen Antrittsrede (Die Freiheit der philosophischen Forschung in kritischer und christlicher Fassung", Freiburg 1894, Seite 14f: "Das Dogma des Christentums wird der Wissenschaft nicht a priori zur positiven, sondern zu negativen Orientierung vorausgesetzt", und führt ein sehr charakteristisches Beispiel dafür an: "Setzen wir einen Fall! Zum pragmatischen Begriff einer Regierungshandlung Karls V. fehlt die genauere Kenntnis des geschichtlichen Materials; das Faktum ist in seiner exakten Tatsächlichkeit bekannt und von einem bestimmten Gelehrtenkreis ist auf festgestellt, daß das Fehlende in der Bibliothek des Vatikans zu suchen ist. Welchen Sinn hätte nun eine etwaige Weisung des Vatikans an die Geschichtsforscher, sie sollten sich hüten, in Wien oder Madrid oder Paris nachzusehen, um den gesuchten Begriff erheben zu können? Hätte so eine "negative Orientierung" nicht den allerbesten Sinn? Wäre sie nicht die Voraussetzung und Stütze der Freiheit für die Geschichtsforschung, wenn die Sicherung gegen den Irrtum zur historischen Aufklärung, zur geistigen Befreiung gehört?" Sollte dem Verfasser wirklich entgehen, wie völlig verfehlt dieser Ausweg einer "negativen Orientierung" ist? Erstens zeigt das Beispiel sehr klar, daß die "negative Orientierung" durchaus auf der positiven Feststellung des "bestimmten Gelehrtenkreises" beruth, daß das Fehlende in der Bibliothek des Vatikans zu suchen ist. Zweitens ist nach dieser Darstellung die Weisung des Vatikans völlig von der Feststellung des "Gelehrtenkreises" abhängig. Dadurch wird die Tatsache völlig verdeckt, daß der Vatikan als nicht-wissenschaftliche Instanz den "Gelehrtenkreis" maßregelt, wenn seine Äußerungen nicht dem Dogma entsprechen. - - - Wesentlich einfacher, aber auch oberflächlicher vertritt diesen Standpunkt E. L. Fischer, "Der Triumph der christlichen Philosophie gegenüber der anti-christlichen Weltanschauung am Ende des XIX. Jahrhunderts", Mainz/Kirchheim, 1900, Seite 8f und 17, indem er auf eine Stelle in Leos XIII. Encyklika "Aeterni Patris" hinweist, wo es heißt: "Wenn Scholastiker in Manchem zu spitzfindig waren oder Anderes von ihnen mit weniger Vorsicht gelehrt worden ist, wenn etwas mit den ausgemachten Lehrsätzen späterer Zeit weniger übereinstimmt, oder endlich, in welcher Weise dies nur immer sein mag, sich unhaltbar zeigt, so gedenken wir dies keineswegs unserer Zeit zur Nachahmung vorzuhalten", und dann fortfährt: "Aus diesen Worten des Oberhauptes der Kirche geht klar hervor, daß die christliche Philosophie des Mittelalters nur so weit heutzutage noch Geltung hat, als sie eben haltbar ist; wo dagegen Richtigeres und Besseres an ihre Stelle gesetzt werden kann, da möge es geschehen. Hiermit ist also auch seitens der höchsten kirchlichen Autorität die Freiheit der Forschung der christlichen Philosophie gewahrt." (Seite 18) - - - Dagegen spricht sich Hermann Schell in dem lesenswerten Vorwort seines Werkes "Religion und Offenbarung", Apologie des Christentums I, Paderborn 1901, sehr energisch gegen scholastische Beschränkungen der Forschung und dagegen aus, daß man "der wissenschaftlichen Forschung das wichtigste Gebiet verschließt". "Wer jenes Zutrauen (zu von Hertlings Prinzip: "Es gibt keine unbequemen Wahrheiten, weil es keine geben kann"), wirklich hat, gibt der Forschung freie Bahn! Die Vernunft ist ja die Anlage für alle Wahrheit: darin liegt der gottebenbildliche Adel des Geistes" (Seite XVIII). Aber beweist nicht das ganze Geschick dieses ernsten Wahrheitsforschers die Unmöglichkeit, freie Forschung und dogmatische Gebundenheit zu vereinigen und die Notwendigkeit, in der von uns geschilderten Weise und im Interesse beider Teile zwischen beiden scharf zu unterscheiden?