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KRISTIAN BIRCH-REICHENWALD AARS
Energielehre und Pragmatismus

"Der Pragmatismus  besteht nicht so sehr auf den negativen, als auf den  positiven  Elementen dieses Satzes: Unsere Erkenntnis hat sich im Leben bewährt und diese Probe des Lebens ist das einzig mögliche Kriterium für die Richtigkeit unserer Erkenntnisse.  Die Energielehre  geht insofern etwas mehr auf die  ursprüngliche  Tendenz der kritischen Philosophie zurück, als sie die Frage nach der Wirklichkeit  zurückweist  und meint, daß die Wissenschaft in der Bestimmung  der Gesetze der Erlebnisse aufgehen könne." 


Meine Damen und Herren!

Die philosophischen Richtungen, von denen heutzutage am lautesten geredet wird, sind wohl die zwei, die mit dem obigen Namen bezeichnet werden. Beide stehen zum  Kritizismus  in engster Beziehung. Die Wissenschaft der Gegenwart ist  bescheiden  oder sagen wir lieber offen:  skeptisch;  man glaubt an nichts mehr, weder an  die Atome,  noch an den  Raum,  noch an die  Seelen,  noch an sonst etwas. Der Altmeister KANT hat diese Skepsis in schärfster Weise durchgeführt, aber sie gleichzeitig durch die allerschönsten und  kompliziertesten  Formeln  beschönigt  und  verdeckt.  Seine Skepsis war ebenso  scharf  oder vielleicht noch schärfer als die HUMEs. Unser Weltbild ist  falsch,  von Ende zu Ende falsch und kann auch nicht durch ein besseres ersetzt werden.

So bescheiden  war also der Mensch mit IMMANUEL KANT geworden; seine Nachfolger gehen jedoch  insofern  in der Bescheidenheit  weiter  (und zwar mit sehr großem Recht), als sie sagen, unser Weltbild  kann  falsch sein, aber es kann auch ebensogut  richtig  sein, das können  wir  nicht beurteilen. Einer der schlimmsten modernen Skeptiker im Kantischen Sinne ist AUGUST WEISSMANN, bei dem die Lehre aber eine ganz naturwissenschaftliche Färbung angenommen hat. Unser  Gehirn  ist eine  physiologische  Anpassung; es ist also in keiner Weise auf das  Erkennen  angelegt, sondern auf das  Handeln.  Wenn wir ein Gehirn gehabt hätten, das zu dem ganz  fremdartigen Zweck  gebildet wäre, Wahrheit zu erkennen, da würde uns wahrscheinlich die Welt vollständig anders erscheinen als jetzt. Diese Betrachtungsweise erhält durch das Evolutionsgesetz von  der Sparsamkeit  der Natur eine beträchtliche Stütze. Es hätte wohl der Natur unsagbare Mühe verschafft, unser Gehirn für wahrheitsgemäße und naturgetreue Erkenntnis einzurichten, und das dafür erforderliche Gehirn hätte  tausendfach komplizierter  sein müssen, als das unsrige schon ist. Es hat schon  Mühe genug  gekostet, um ein leidlich brauchbares Gehirn so einzurichten, daß das Lebewesen mit Hilfe von Symbolen und Jllusionen aller Art sich einigermaßen  im Leben aushelfen kann. 

In Bezug auf die Wahrheit sind unsere Symbole alle Täuschungen, aber in Bezug auf die Bedürfnisse unseres Lebens sind sie  zuverlässige  Führer, da ja die schädlichen Täuschungen durch den  Daseinskampf ausgemerzt  werden.

 Der Pragmatismus  besteht nicht so sehr auf den negativen, als auf den  positiven  Elementen dieses Satzes: Unsere Erkenntnis hat sich im Leben bewährt und diese Probe des Lebens ist das einzig mögliche Kriterium für die Richtigkeit unserer Erkenntnisse.  Die Energielehre  geht insofern etwas mehr auf die  ursprüngliche  Tendenz der kritischen Philosophie zurück, als sie die Frage nach der Wirklichkeit  zurückweist  und meint, daß die Wissenschaft in der Bestimmung  der Gesetze der Erlebnisse aufgehen könne.  Hat sich die alte Frage:  "was dauert in der Welt"  als unlösbar gezeigt, so fragen wir jetzt nach der Naturphilosophie anders und sagen:  "was ändert sich in der Welt",  und  "nach welchen Gesetzen ändert es sich?"  Niemand kann die Werke OSTWALDs lesen, ohne an die alten  Griechen  denken zu müssen, an die Zeiten, wo die Lehre vom Sein und die Lehre vom Werden miteinander im Kampf lagen und vor allem an den großen HERAKLIT mit seinem berühmten Satz:  Alles fließt, das Bestehen  ist ein trügerischer Schein, der sich bildet, wenn Vergehen und Wachstum sich einen Moment die Stange halten. Ganz ähnlich sagt OSTWALD: Man soll nach den Substanzen oder den Dingen überhaupt nicht fragen; wir erkennen nur die Energien, die alle oder  beinahe  alle ineinander verwandelt werden können. Der philosophische Gegensatz, dem wir hier begegnen, ruht wohl in letzter Instanz auf einem Zwiespalt in unserem  Erleben.  Wir erleben teils Änderungen, teils  konstante Sachen,  die letzteren nennt man populär  Empfindungen  und man denkt sich wohl oft die Änderung so, als ob eine konstante Empfindung mit einer anderen umgetauscht würde, usf.; tatsächlich sind es aber die selteneren Fälle, daß wir wirklich Empfindungen erleben, meistens erleben wir nicht das Konstante, sondern die Empfindungsänderungen. INdessen orientieren wir uns am besten in der Welt durch das  Vergleichen  und vergleichen tun wir wieder am leichtesten die  konstanten Empfindungen  untereinander. Deshalb haben wir uns die Gewohnheit gebildet, in einem Veränderungsprozeß die Aufmerksamkeit nicht so sehr auf das  Sichändern  zu richten, als vielmehr auf das  Anfangs-  und  Endglied  einer Reihe, und diese konstanten Glieder schaffen wir uns meistens selbst, indem wir von ihren kleinen eben merklichen Änderungen absehen.  Die  Substanz ist ursprünglich meistens ein solcher  Ausschnitt  aus der Welt der  Veränderungen,  doch haben die Menschen von Anfang an mit diesem Begriff (oder mit dem des  Dings)  nicht so sehr versucht, konstante  Erlebnisse  zu bestimmen, als vielmehr eine hinter den Erlebnissen verborgene und über das Erlebnis hinaus dauernde  Realität  zu erfassen. Die Vertreter der neueren  Naturphilosophie  meinen wohl von diesem Begriff wieder wegkommen zu können, indem sie nämlich die Aufmerksamkeit nicht auf das  Dauernde,  sondern auf die Veränderungen und auf die Gesetze der  Veränderungen  lenken.

Ich kann mich des Eindrucks nicht erwehren, daß OSTWALD selbst übersieht, daß die Welt der  Energien  doch etwas vollständig Neues und Anderes bezeichnet der der  Erlebnisse  gegenüber. Die Energie ist freilich nicht etwas  Unveränderliches,  so wie man sich  die Substanz  vorstellt, sie hat aber dennoch  etwas  von eben dieser  Unveränderlichkeit  an sich. Die Energie ist nämlich  unvertilgbar,  sie ist  nur  abänderlich, aber nicht vertilgbar. Etwas Ähnliches gilt von den  Erlebnissen  nicht. Die Energien lassen sich ineinander nur nach bestimmten Gesetzen verändern und vor allem nach dem Gesetz  von der Äquivalenz.  Ähnliche Gesetze gelten für die Erlebnisse absolut nicht und vor allem sind  sie  schlechthin alle  vertilgbar.  Ich meine, daß die moderne Energielehre sehr viel Schönes enthält, sie muß aber in der Richtung noch geläutert werden, daß sie sich bewußt wird, daß auch sie mit  Hypothesen  arbeitet und nicht direkt mit den  Erlebnissen.  Der Urheber des Kritizismus, KANT selbst, begeht denselben Fehler wie OSTWALD, indem er glaubt, daß  die Phänomene  als solche  erlebt  werden können, während er doch gleichzeitig darunter eben  die Gegenstände  der objektiven Welt versteht, die als solche ja Hypothesen sind, und  nicht  Erlebnisse. Der Empirismus ist bei den Kritikern übertrieben und geht über seine berechtigten Grenzen weit hinaus, wenn diese Leute lhren, daß die Wissenschaft ohne Hypothesen auskommen und  nur  mit  Erlebnissen  arbeiten soll. Das hieße die synthetischen Maximen KANTs abweisen und sich auf die analytischen zurückziehen, und wäre der reinste Selbstmord der Wissenschaft. Eine Wissenschaft kann sich über das rein Subjektive überhaupt nicht aufbauen, sondern sie muß überall  mit dem Objektiven,  d. h. mit den  Hypothesen  rechnen. Was die wahre kritische und empirische Wissenschaft von der früheren Dogmatik trennt, ist, daß sie nur  solche  Hypothesen als Wahrheit zulassen, die  verifizierbar  sind. Die wissenschaftlichen Hypothesen müssen durch die  Erfahrung bestätigt werden  können, und d. h. wieder in psychologischer Sprache,  daß sie neue Erwartungen in eindeutiger Weise bestimmen müssen.  Ich meine, daß dieses geläuterte kritische Prinzip sich sehr gut mit der Energielehre verträgt. Das Gesetz von der Äquivalenz bezieht sich nicht direkt  auf die Erlebnisse,  steht aber trotzdem mit diesen in der engsten Verbindung, indem es unsere  Erwartungen  in eindeutiger Weise bestimmt und also zu jeder Zeit  empirisch verifizierbar  ist. Die Energien sind also nicht menschliche Erlebnisse, sondern sie sind  Wesen,  die, von uns ganz und gar unabhängig,  außer uns leben.  Was sind sie denn für Wesen? OSTWALD gibt uns selbst die Antwort, daß sie  die Ursachen  sind und da hat er nun wieder ganz recht, etwas anderes können wir uns unter diesem Begriff kaum denken. Sie sind also anhand des  Kausalgesetzes  gefunden, welches Gesetz besagt,  daß jedes Erlebnis seine Ursache haben muß.  Wenn man aber mit diesem Prinzip nicht allein spielen will, sondern dami Ernst machen, ergibt sich unabweislich die Forderung, daß die Energien  wirklich existieren  oder daß sie Ausdruck sind für etwas, das  wirklich existiert,  denn nur das wirklich  Existierende  kann  Ursache  sein. So kommen wir dann auch mit der Energielehre nicht an der alten kritischen Frage vorbei, ob unsere Wissenschaft Wahrheit erkennt oder nicht. Man könnte freilich diese Frage in rein skeptischer Art zurückweisen, indem man sich sagt, daß, wenn sie nur nützlich ist, es uns vollständig gleichgültig bleibt, wieviele konstante Fehlerquellen unser ganzes Weltbild fälschen. Diese absolute Zurückhaltung bleibt uns aber immer  unnatürlich  und zwar, weil die Wissenschaft mit dem  Kausalgesetz  arbeitet. Daß unsere Wissenschaft so überaus nützlich ist und daß sie die Erlebnisse richtig zu erwarten hilft, muß doch  auch  eine  Ursache eine  Causa  haben und es liegt nahe, diese Ursache in einer gewissen Übereinstimmung zwischen unseren  Hypothesen  und der  realen Welt  zu suchen.

Wenn die Naturphilosophie diesen erkenntnis-theoretischen  Optimismus  zulassen würde, würde er sich nahe mit dem Pragmatismus berühren. Auf alle Fälle ist eine Erkenntnistheorie, die darauf besteht, daß wir in  keiner Weise  vom  Ding ansich  etwas wissen können, nicht sehr nützlich; sie wird eben der sonstigen Wissenschaft gegenüber eine zwar recht ehrenhafte, aber sehr  vereinsamte  Position einnehmen. So hat es ja auch KANT  selbst  mit der reinen Skepsis nicht aushalten können, sondern er hat gemeint, durch die  praktische  Vernunft doch einen verstohlenen Blick in das Gelobte Land der wahren Wirklichkeit werfen zu können. Man hat gemeint, es sei seitens der menschlichen Wissenschaft so sehr bescheiden, einzugestehen, daß wir nichts richtig erkennen, es ist aber unleugbar noch bescheidener zu sagen, daß auch dieser Satz nicht zu beweisen ist. Fruchtbar und nützlich ist nicht diejenige Erkenntnistheorie, die Zeit und Raum und Kausalität und Mannigfaltigkeit etc. schlechthin als menschliche  Fehlerquellen  bezeichnet, sondern  erst die,  welche in unserem Weltbild die wirklich  wahrscheinlichen Fehlerquellen  und nicht die abstrakt  möglichen  aufzudecken sucht. Erst wenn die Aufgabe der Erkenntniskritik so gefaßt wird, kann sie zu einem  Prolegomenon,  zu einer  Grundlegung,  einer künftigen Metaphysik werden.

In diesem Sinne (1) wird es vielleicht richtig sein, die  Sinnesqualitäten  als rein menschlich bedingt und so gewissermaßen als Fehlerquellen zu betrachten, die unser sinnliches Weltbild zu einem rein symbolischen gestalten. In diesem selben Sinne aber auch das  Kausalgesetz  und die  Kausalerwartung  als eine  Fehlerquelle  aufzufassen, ist uns nicht möglich und hätte auch  keinen Wert,  insofern, als dadurch die Idee von der  Wirklichkeit,  die wir eben läutern möchten, wie durch eine Explosion  zerspringt  und in das reinste  Nichts zerfällt.  Wir modernen Menschen glauben also trotz KANT und dem ganzen Kritizismus an die objektive Gültigkeit des Kausalgesetzes: Jede Wirkung hat ihre Ursache. Damit ist auch ein allererstes Prinzip der Metahpysik gegeben, welches so geformt werden kann: So viele Verschiedenheiten in den Erlebnissen, so viele in der objektiven, metaphysischen Wirklichkeit. Damit ist ferner gegeben, daß es nur unter sehr starkem Vorbehalt erlaubt sein kann,  die Zeit  als eine  subjektiv bedingte, menschliche Auffassungsform  zu betrachten. Freilich, wenn jemand sagt, daß unsere Vorstellung von der Zeitfolge, von dem was die Zeitfolge objektiv ist, durch und durch abweicht und dieses nur rein symbolisch abbildet (genau wie die grüne Farbe nur ein menschliches Symbol ist für die Ätherschwingung), so kann die Möglichkeit einer solchen Auffassung nicht  widerlegt  werden und die Wissenschaft kann sie auch gern zulassen, jedoch nur unter der Bedingung, daß am  Kausalgesetz  nicht gerüttelt werde. Jedem positiven Unterschied, dem wir unter den Erlebnissen begegnen, muß also ein realer Unterschied in der objektiven Wirklichkeit  entsprechen  oder mit anderen Worten:

Neben unserem subjektiv bedingten Zeitbild muß auch irgendeine Art  objektiver Zeit bestehen  und  Wirklichkeit  haben.

Mit dem hier Gesagten ist ohne weiteres auch gegeben, daß die Kategorie der Mannigfaltigkeit, wie KANT sich ausdrückt, auch auf die  objektive, transzendentale Wirklichkeit Anwendung  hat, und nicht, wie wohl die orientalische Philosophie es will, als eine  menschliche Verunstaltung  der transzendenten göttlichen All-Einheit aufzufassen sein kann.

Der Meister des Kritizismus blieb in diesem Punkt im Widerspruch mit sich selbst. Einerseits lehrt er, daß die Mannigfaltigkeit eine  apriorische Verstandeskategorie  ist und insofern mit den  subjektiven  Begriffen von Raum und Zeit auf einem Plan steht, andererseits läßt er aber sehr ausdrücklich verstehen, daß er die wahren Wirklichkeiten, die Noumena, als die Gedanken  Gottes  auffaßt. Hier  schleicht  sich also doch die Kategorie der  Mannigfaltigkeit  in die transzendente Welt hinein oder anders ausgedrückt, es bleibt auch hier das alte  orientalische  und späterhin  plotinische  Problem vom Verhältnis von der göttlichen All-Einheit und der  Mannigfaltigkeit  der Welt,  schroff  und  ungelöst. 

Wir modernen Menschen wollen aber keine Wirklichkeiten, auch keine  transzendenten,  ohne Mannigfaltigkeit annehmen. Wir halten hier fest an dem Satz HERBARTs: So viel Schein, so viel Hindeutung auf Sein und deuten in durch den Zusatz: So viele Unterschiede unter den Erlebnissen, so viele in der objektiven Wirklichkeit.

Damit ist endlich auch der richtige Gesichtspunkt gewonnen für die Frage nach der Objektivität des  Raums.  Unsere Raumanschauung mag nur ein  symbolisches Abbild  der  Wirklichkeit  sein, so muß es doch auch einen  objektiven  Raum  geben in dem Sinne, daß dem System von Unterschieden, das unser Raumbild ausmacht, ein System von transzendenten Unterschieden zugrunde liegt.

Ich bin mit diesen Sätzen über die Schilderung der Naturphilosophie und des Pragmatismus hinausgegangen, um anzudeuten, nach welcher Richtung diese beiden Philosophiesysteme ergänzt werden müssen, um mit einer völlig modernen und möglichst einwandfreien Erkenntnistheorie übereinzukommen.

Die Pragmatiker  dürfen sich nicht bei der WEISSMANNschen Auffassung beruhigen, daß unsere Symbole zwar alle trügerisch, aber dennoch  glücklich  sind, weil sie  Nutzen  bringen. Sie müssen vielmehr, auf das Kausalgesetz gestützt, sich fragen,  weshalb  unsere ganze Wissenschaft nützlich ist und suchen ausfindig zu machen, inwiefern in unserer Erkenntnis neben den Fehlerquellen  auch Wahrheitsquellen tätig sind.  Und die Naturphilosophie darf nicht vor der Frage nach dem Wesen es  Dinges ausweichen;  es ist geradezu lustig, zu sehen, mit welchen Künsten OSTWALD sich mit dem  Dingbegriff  abfindet. nach ihm ist  das Ding  eher ein grammatischer als ein erkenntnistheoretischer Hilfsbegriff, eine Erfindung, um die substantive Form zu ermöglichen und soll in der Tat nur einen  umschränkten  Ausschnitt aus der Reihe der Erlebnisse bezeichnen. Das ist nun offenbar nur ein durch seine Naturphilosophie herbeigeführtes Mißverständnis, denn das  Ding  ist tatsächlich  niemals Erlebnis,  das  Erlebnis  als solches niemals  Ding.  Nachdem OSTWALD durch seinen Kunstgriff  dem Dingbegriff  entronnen ist, begegnet ihm doch gleich wieder und in unvermeidlicher Weise die philosophische Vorstellung vom  Objekt  und zwar zuerst in der Gestalt des  Substanzbegriffs.  Auf diesen geht er dann gleich als ein tapferer Ritter los und zerlegt ihn mit wenigen  Stößen.  Er hat doch wesentlich nur  eine  Einwendung gegen  das Objekt,  die nämlich, daß der Substanzbegriff uns oft verleitet, in einer Sache nur  ein  dauerndes Ding (mit  vielen Eigenschaften)  zu sehen, während in der Tat vielleicht alle Eigenschaften gleich selbständige Dinge wären. Er kommt durch diese ganze Gedankenführung dazu, den Unterschied zwischen den verschiedenen Energien und Energiesystemen in Bezug auf Veränderlichkeit zu übersehen.  Raum  und  Zeit  scheinen bei ihm überhaupt nicht  Energien  zu sein, sondern  Ursachen,  die sich nicht  verändern  können. Auch die  Masse,  trotzdem sich OSTWALD alle erdenkliche Mühe gibt, sie mit den anderen Energieformen auf eine Linie zu bringen, läßt sich doch nicht in andere Energieformen überführen. Ich meine, daß eine Metaphysik der Naturphilosophie, die sehr wohl  möglich  wäre, hier einzusetzen hätte, beim Unterschied in der Veränderlichkeit der Energiesysteme. Schon DEMOKRIT und der alte  Materialismus  setzte hier ein: Derselbe Wein schmeckte mir gestern  sauer  und heute  süß,  je nach meinem Gesundheits- und Gemütszustand. Eigenschaften, deren Veränderlichkeit von mir allein abhängen, sind  subjektiv  und nicht objektiv.  Die rein subjektiven Veränderungen  setzen also ein objektiv  Unverändertes  voraus, aber auch  die rein objektiven Veränderungen schließen das Unveränderliche mit ein.  Die Naturphilosophie sagt uns, das Unveränderliche in der Welt  sei die Summe der Energie;  diese ist ja aber nur  eine Zahl,  ein  symbolischer  Begriff und der Metaphysiker kann nicht umhin, auch hier das Kausalgesetz anzuwenden und sich zu fragen:  Weshalb  ist die  Summe der Energie unveränderlich?  Offenbar nur deshalb, weil  den Veränderungen  eine Grenze gesetzt ist. Die  Energie  ist also  eine Substanz  und die  beschränkte Veränderlichkeit  gehört zu ihren  Eigenschaften.  Diese Substanz ist es, die man nicht  vergrößern  noch  vermindern  kann. Das Gesetz von der Konstanz der Summe ist nicht eine  transzendente platonische Idee,  die wie eine  Zauberformel  über die Welt ihre Wirkung ausübt, sondern sie ist nur eine Hinweisung auf die genannten  Eigenschaften der Weltsubstanz. 

Mit diesen wenigen Worten will ich nur angedeutet haben, daß sowohl der Pragmatismus als die Naturphilosophie Seiten enthalten, nach denen sie über den  Skeptizismus  KANTs hinaus und auf eine objektive  Metaphysik  hinweisen.
LITERATUR: Kristian Birch-Reichenwald Aars, Energielehre und Pragmatismus, Bericht über den III. Internationalen Kongress für Philosophie, hg. von Theodor Elsenhans, Heidelberg 1909
    Anmerkungen
    1) Vergleiche zum Folgenden meine Schrift "Zur psychologischen Analyse der Welt", Berlin 1900 und zum Ganzen den Artikel "Haben die Naturgesetze Wirklichkeit", 1907.