EDUARD ZWERMANN Die transzendentale Deduktion der Kategorien in Kants "Kritik der reinen Vernunft"(1)
"Nur so läßt es sich verstehen, wie wir objektive Vorstellungen haben können, wenn wir nämlich die Objekte nur in den Vorstellungen bestehen lassen, aber nicht, wenn wir die objektiven Vorstellungen durch den Einfluß äußerer Objekte entstehen lassen. Wenn der Gegenstand nur im Bewußtsein besteht, so kann von einer Entstehung objektiver Vorstellungen aufgrund der Wahrnehmung keine Rede mehr sein. Die Rezeptivität und Spontaneität des Bewußtseins auf die Wahrnehmung bezogen, zur Erklärung der Möglichkeit objektiver Vorstellungen, mußte zu unendlich vielen Mißverständnissen Anlaß geben."
Das Verständnis der "Kritik der reinen Vernunft ist bedingt durch eine richtige Aufassung der Deduktion der Kategorien. Das Problem der Deduktion ist das Problem der Kritik. Nicht ohne Grund hat KANT in der Vorrede zur ersten Ausgabe der Kritik gerade auf diese Ausführungen nachdrücklich hingewiesen mit den Worten:
"Ich kenne keine Untersuchungen, die zur Ergründung des Vermögens, welches wir Verstand nennen, und zugleich zur Bestimmung der Regeln und Grenzen seines Gebrauchs wichtiger wären, als die, welche ich im zweiten Hauptstück der transzendentalen Analytik, unter dem Titel der Deduktion der reinen Verstandesbegriffe, angestellt habe; auch haben sie mir die meiste, aber, wie ich hoffe, nicht unvergoltene Mühe gekostet (Kr. d. r. V., Ausgabe A, Kehrbach, Seite 8)(2).
Leider ist die Darstellung gerade in diesem Hauptabschnitt des Werkes so wenig klar und durchsichtig, daß sich verstehen läßt, wie bisher fast jeder Forscher seine eigene Meinung hinein zu interpretieren vermochte. KANT selbst hat diesen Mangel sehr wohl empfunden und, um demselben abzuhelfen, die Deduktion in der zweiten Ausgabe vollständig umgearbeitet, ohne jedoch auch hier zu einer größeren Klarheit gelangt zu sein. In den folgenden Ausführungen ist nun der Versuch gemacht, die Grundgedanken der Deduktion im Zusammenhang wiederzugeben, um anhand derselben eine einheitliche und widerspruchslose Auffassung des kantischen Gedankengebäudes, die trotz der Dunkelheit des Vortrages sehr wohl möglich ist, zu gewinnen.
Das Problem, welche die Deduktion der Kategorien zu lösen hat, besteht in der Frage nach der Möglichkeit der Beziehung des Verstandes auf Gegenstände zum Zweck des Erkennens derselben.
"Es sind nur zwei Fälle möglich, unter denen synthetische Vorstellung und ihre Gegenstände zusammentreffen, sich aufeinander notwendigerweise beziehen und gleichsam einander begegnen können. Entweder der Gegenstand die Vorstellung, oder diese den Gegenstand allein möglich macht." Kr. d. r. V. 109.
KANT lehnt die Möglichkeit ab, daß Objekte in der Empfindung wahrgenommen werden können; denn die Reflexion über die Faktioren, welche die Vorstellung eines Gegenstandes ausmachen, hatte ergeben, daß das, was in dieser das eigentlich objektive Element ist, in einer Denkfunktion, der Kategorie, besteht. Der Sensualismus nimmt Dinge ansich an und läßt durch ihren Einfluß auf unsere Sinne objektive Vorstellungen entstehen. Hier setzt der Sensualist die Dinge, die in der Vorstellung erst entstehen, voraus, und diese petitio principii[es wird vorausgesetzt, was erst zu beweisen ist - wp] ermöglicht es ihm, die Vorstellung des Gegenstandes, die er schon hat, in die Sinne zu verlegen. Gehen wir dagegen von den Sinnen aus, so finden wir hier nur zerstreute Eindrücke; jeder einzelne Sinn liefert uns nur einen Eindruck. Empfindungen aber bleiben Empfindungen, auch wenn ich sie addiere. Es kann niemals begriffen werden, wie aus bloßen Empfindungen die Vorstellung eines Gegenstandes entstehen kann.
Wenn es also solchergestalt nicht zu begreifen ist, wie ich objektive Vorstellungen haben kann, wie ist es dann anders zu denken? Die transzendentale Untersuchung geht ebenfalls von der Gegebenheit der Objekte aus, nun aber nicht, wie der Sensualismus, von Objekten außerhalb von uns, um zur Erklärung der Tatsache der Vorstellung in uns zu gelangen; sondern von den Objekten in uns, um aus ihrem Begriff ihre Möglichkeit zu deduzieren. Objekte sind nur im Bewußtsein gegeben. Die Vorstellung des Gegenstandes ist ein Faktum, das aus Mitteln des Bewußtseins begriffen werden muß. Wir gehen vom gegebenen Bewußtsein aus und nicht von unbekannten Dingen außerhalb unserer selbst. Die Schwierigkeit wegen der Empfindung der Synthesis ist bei diesem Ausgang gehoben. Wir sagen nicht, daß wir Objekte wahrnehmen, sondern, daß wir objektive Vorstellungen haben. Letzteres kann niemand bezweifeln. Der Zweifel HUMEs erstreckte sich nicht auf die objektiven Vorstellungen, sondern auf die Übereinstimmung dieser Vorstellungen mit den Objekten, die ihnen in der Wahrnehmung zugrunde liegen sollen. Wenn sich nun zeigen läßt, daß die sogenannten Objekte vielmehr in den objektiven Vorstellungen bestehen, daß die Beziehung objektiver Vorstellungen auf Objekte außerhalb bloßer Schein ist, so wäre damit der Zweifel HUMEs gehoben. Wenn wir also von einem dem Bewußtsein gegebenen Inhalt ausgehen, so werden wir zu untersuchen haben, worin dieser Inhalt besteht.
Da haben wir zunächst die Empfindungsqualitäten; KANT nennt sie das Mannigfaltige der Sinnlichkeit oder Anschauung. Von unserem Ausgangspunkt aus kann nicht gesagt werden, daß dieses Mannigfaltige auf eine Affektion der Dinge außerhalb beruth; es ist vielmehr gegeben, im Bewußtsein als Modifikation dieses Bewußtseins gegeben, und nur als solches wird es wahrgenommen. Vom gegebenen Bewußtseins aus wissen wir nur von Veränderungen dieses Bewußtseins. Wir dürfen daher nicht von einem Affiziertwerden der Sinnlichkeit reden; das Affiziertwerden setzt immer einen affizierenden Gegenstand voraus. Wenn wir uns das Bewußtsein vorstellen, noch bevor es das Mannigfaltige der Anschauung zur Vorstellung des Gegenstandes verknüpft hat, so hat auf dieser Stufe des Bewußtseins das Mannigfaltige noch gar keine Beziehung auf einen Gegenstand, der wahrgenommen wird oder das Bewußtsein affiziert. Erst nach erfolgter Objektivierung entsteht der Schein, als ob dieses objektivierte Mannigfaltige das die Sinne affizierende Objekt wäre. Dieser Schein kann also erst entstehen und findet sich erst vor im fertigen Bewußtsein, das im Besitzt objektiver Vorstellungen ist, und nur eine sorgfältige Analyse des gegebenen Erfahrungsinhalts kann diesen Schein zerstören. Da es also widersinnig ist, zu sagen, daß etwas, was als Vorstellung, also als Bewußtseinsinhalt erkannt ist, äußere Ursache dieser Vorstellung ist, so ist hiermit zugleich bewiesen, daß Objekte nur im Bewußtsein als objektive Vorstellungen vorhanden sind, daß von Objekten nur die Rede sein kann, als von solchen im Bewußtsein.
Indem KANT nun aber trotzdem von einem Affiziertwerden der Sinnlichkeit redet, hat er selbst den Grund zu dem Mißverständnis gegeben, als ob durch die Kategorien, die der Grund der Vorstellung des Mannigfaltigen als Gegenstand sind, indem sie das gegebene Mannigfaltige zum Objekt verknüpfen, als ob durch diese Kategorien das Ding-ansich gedacht würde, das die Sinnlichkeit affiziert.
Nun sagt KANT zwar nirgends, daß Dinge-ansich die Sinnlichkeit affizieren, aber das Mißverständnis ist doch durch den Begriff der Affektion gegeben. Die Sinne werden affiziert; wodurch? Natürlich durch einen Gegenstand. Ein Gegenstand wird aber durch die Kategorien gedacht; und so ist es dann wieder derselbe Gegenstand, der als Vorstellung erst im Bewußtsein entstanden zugleich als die Ursache der Empfindung gedacht wird. So entsteht immer wieder der die objektive Vorstellung in der Empfindung erzeugende Gegenstand, der als unbekannt, Ding-ansich, und doch wieder als bekannt durch die Kategorien gedacht wird, und wodurch der Streit wegen der Anwendung der Kategorien auf die Dinge ansich entsteht. KANT denkt nicht den Gegenstand, der die Empfindung verursacht, durch die Kategorien; nur irrtümlich übertragen wir den Begriff von einem Gegenstand überhaupt auf Dinge außerhalb. Das war ja gerade der fundamentale Irrtum des Sensualismus, der sich einbildete, die Dinge zu erkennen, wie sie ansich sind, daß das wahre Wesen der Dinge ihm in der Vorstellung enthüllt wäre. Dem gegenüber macht der kritische Idealismus Front, der dem Sensualismus die Anmaßung der Erkennbarkeit der Dinge-ansich nimmt und damit zugleich dem Skeptizismus die Waffen entringt, mit denen er die Möglichkeit objektiver Erkenntnis überhaupt bekämpft. Die Möglichkeit objektiver Erkenntnis ist gesichert, wenn wir anerkennen, daß die erkannten Objekte nicht Dinge-ansich sind, sondern nur unsere Vorstellungen. Zur Anerkennung dieser Tatsache will uns die Kritik bringen, daß wir außer unseren Vorstellungen nichts haben, was wir denselben als korrespondieren gegenübersetzen könnten.
KANT schließt den Abschnitt vom "Übergang zur transzendentalen Deduktion der Kategorien" in der ersten Bearbeitung mit der Aufzählung der drei ursprünglichen Quellen (Fähigkeit oder Vermögen der Seele), welche die Bedingungen der Möglichkeit aller Erfahrung enthalten und selbst aus keinem anderen Vermögen des Gemüts abgeleitet werden können, nämlich Sinn, Einbildungskraft und Apperzeption. Darauf soll sich gründen
1. die Synopsis des Mannigfaltigen durch den Sinn,
2. die Synthesis dieses Mannigfaltigen durch die Einbildungskraft und
3. die Einheit dieser Synthesis durch ursprüngliche Apperzeption.
Was nach Abzug der Empfindung von der objektiven Vorstellung übrig geblieben war, war der Begriff von einem Gegenstand überhaupt, auf den das Mannigfaltige bezogen gedacht wurde. Dieser Begriff ist das gesuchte a priori, das zwar in jeder empirischen Vorstellung enthalten sein muß, aber selbst nicht aus der Erfahrung, das ist der Empfindung, stammen kann. Die Empfindung lieferte uns nur das unbestimmte Mannigfaltige, die Kategorie enthält die Bestimmung, d. h. sie ermöglicht erst die bestimmte Vorstellung, den Gegenstand im Bewußtsein. Deshalb nennt KANT die Kategorien auch "Begriffe von einem Gegenstand überhaupt, dadurch dessen Anschauung in Anbetracht einer der logischen Funktionen zu Urteilen als bestimmt angesehen wird." (Kr. d. r. V. 112).
"Wenn es also reine Begriffe a priori gibt, so können diese zwar freilich nichts Empirisches enthalten: sie müssen aber gleichwohl lauter Bedingungen a priori zu einer möglichen Erfahrung sein, als worauf allein ihre objektive Realität beruhen kann." (Kr. d. r. V. 113)
Die Kategorien beruhen auf dem Verstand. Worauf beruth aber der Verstand und worin besteht er? Unter den oben aufgezählten drei Grundvermögen der Seele ist er nicht genannt. Wir werden zu untersuchen haben, wie sich diese drei in der Erfahrung betätigen, um zu erkennen, was es mit den Seelenvermögen für eine Bewandtnis hat und worin die Leistung des Verstandes für das Ganze der Erfahrung besteht.
"Wenn ich also dem Sinn deswegen, weil er in seiner Anschauung Mannigfaltigkeit enthält, eine Synopsis beilege, so korrespondiert dieser jederzeit eine Synthesis und die Rezeptivität kann nur mit Spontaneität verbunden Erkenntnisse möglich machen."
Wir sehen, daß die Synopsis hier schon aus dem Apparat des Erkennens ausgeschaltet ist. Die Synopsis soll keine Synthesis sein, denn in die Sonne darf ja die Synthesis nicht verlegt werden; sie soll nicht auf der Rezeptivität der Eindrücke beruhen, sondern auf der Spontaneität des Verstandes.
"Diese [nämlich die Spontaneität] ist nun der Grund einer dreifachen Synthesis, die notwendigerweise in aller Erkenntnis vorkommt: nämlich, der Apprehension [Zusammenschau - wp] der Vorstellungen, als Modifikationen des Gemüts in der Anschauung, der Reproduktion derselben in der Einbildung und ihrer Rekognition im Begriff." (Kr. d. r. V. 114)
Wir sehen, an die Stelle der drei subjektiven Erkenntnisquellen sind jetzt drei Funktionen der Synthesis getreten. Wie verhält es sich nun mit diesen? Das Mannigfaltige der Anschauung kann nur unter der Bedingung sich als eine Vorstellung, als Vorstellung eines Gegenstandes, im Bewußtsein abheben, daß es zusammengefaßt wird,
"welche Handlung ich die Synthesis der Apprehension nenne, weil sie geradezu auf die Anschauung gerichtet ist, die zwar ein Mannigfaltiges darbietet, dieses aber als ein solches, und zwar in einer Vorstellung enthalten, niemals ohne dabei vorkommende Synthesis bewirken kann." (Kr. d. r. V. 115)
Man könnte meinen, daß mit diesen beiden Bedingungen, dem Mannigfaltigen einerseits und der Synthesis in der Apprehension andererseits der Gegenstand erzeugt wäre; dem ist aber nicht so. Im Begriff des Gegenstandes liegt mehr als das Mannigfaltige und die Synthesis. Die objektive Vorstellung ist die Vorstellung einer notwendigen Synthesis des Mannigfaltigen. Im Begriff des Objekts liegt die Vorstellung der Einheit oder notwendigen Zusammengehörigkeit des darin vorgestellten Mannigfaltigen.
"Der Begriff der Verbindung führt außer dem Begriff des Mannigfaltigen und der Synthesis desselben, noch den der Einheit desselben bei sich. Verbindung ist Vorstellung der synthetischen Einheit des Mannigfaltigen. Die Vorstellung dieser Einheit kann also nicht aus der Verbindung entstehen, sie macht vielmehr dadurch, daß sie zur Vorstellung des Mannigfaltigen hinzukommt, den Begriff der Verbindung allererst möglich." (Kr. d. r. V. 658f)
Verbindung ist Vorstellung der synthetischen Einheit des Mannigfaltigen, d. h. Verbindung ist Vorstellung eines Objekts. Hier wird unter Verbindung die notwendige, objektive Synthesis verstanden. Habe ich die Vorstellung der Verbindung im Bewußtsein, so habe ich eben die Vorstellung eines Objekts. Wenn KANT dann weiter sagt: die Vorstellung der Einheit kann nicht aus der Verbindung entstehen, so vergißt er, daß nach der obigen Definition des Begriffs der Verbindung derselbe den Begriff der Einheit bereits involviert. Er meint offenbar: die Vorstellung des Objekts enthält außer der Vorstellung des Mannigfaltigen und der Synthesis, wenn wir unter Synthesis noch nicht die notwendige Synthesis, d. h. die Verbindung verstehen, noch den Begriff der Einheit. Die Vorstellung einer Synthesis als einer notwendigen entsteht erst aufgrund einer objektiven Einheit im Bewußtsein. Ein Beispiel macht die Sache vielleicht klar. Ich habe die Vorstellung eines Hauses; dieselbe hebt sich als Einheit im Bewußtsein ab, d. h. ich stelle mir das Mannigfaltige in dieser Vorstellung als verbunden oder als zusammengehörig, und nicht etwa als willkürlich verknüpft vor. Erst aufgrund der Einheit, erst an einem Objekt kann die Synthesis als eine notwendige erkannt werden. KANT führt zur Erläuterung dieser Tatsache das empirische Gesetz der Assoziation der Vorstellungen an:
"Es ist zwar ein bloß empirisches Gesetz, nach welchem Vorstellungen, die sich oft gefolgt oder begleitet haben, miteinander endlich vergesellschaften, und dadurch in eine Verknüpfung setzen, nach welcher, auch ohne die Gegenwart des Gegenstandes, eine dieser Vorstellungen einen Übergang des Gemüts zu der anderen, nach einer beständigen Regel, hervorbringt. Dieses Gesetz der Reproduktion setzt aber voraus: daß die Erscheinungen selbst wirklich einer solchen Regel unterworfen sind, und daß in dem Mannigfaltigen ihrer Vorstellungen eine, gewisse Regeln gemäße, Begleitung oder Folge stattfindet; denn ohne das würde unsere empirische Einbildungskraft niemals etwas ihrem Vermögen gemäßes zu tun bekommen, also, wie ein totes und uns selbst unbekanntes Vermögen im Innern des Gemüts verborgen bleiben. Würde der Zinnober bald rot, bald schwarz, bald leicht, bald schwer sein, ein Mensch bald in diese, bald in jene tierische Gestalt verändert werden, am längsten Tag bald das Land mit Früchten, bald mit Eis und Schnee bedeckt sein, so könnte meine empirische Einbildungskraft nicht einmal Gelegenheit bekommen, bei der Vorstellung der roten Farbe den schweren Zinnober in die Gedanken zu bekommen, oder würde ein gewisses Wort bald diesem, bald jenem Ding beigelegt, oder auch aben dasselbe Ding bald so, bald anders benannt, ohne daß hierin eine gewisse Regel, der die Erscheinungen schon von selbst unterworfen sind, herrschte, so könnte keine empirische Synthesis der Reproduktion stattfinden." (Kr. d. r. V. 116)
Also auf die Regel kommt es an, auf die Synthesis, die in den reproduzierten Vorstellungen als das Gesetz der Assoziation erfahrungsgemäß stattfindet. Dieses Gesetz der Reproduktion oder vielmehr der Assoziation der Vorstellungen setzt aber voraus, daß die Erscheinungen selbst wirklich einer solchen Regel unterworfen sind. Die Einbildungskraft kann nur unter der Bedingung etwas als Einheit reproduzieren, wenn es schon vorher als solche in der Apprehension gegeben ist. Das Problem, das uns das empirische Gesetz der Reproduktion aufgibt, besteht darin, daß wir nach einem Grund forschen müssen, der selbst erst diese Reproduktion der Erscheinungen, nämlich als Einheiten möglich macht, dadurch daß er der Grund a priori einer notwendigen synthetischen Einheit derselben ist.
Wir sehen also jetzt, weshalb die Synthesis der Apprehension zur Erfahrung der Möglichkeit objektiver Vorstellungen noch nicht ausreicht: denn da alle Apprehension des Mannigfaltigen sukzessiv ist, d. h. der Zeit, als der Form des inneren Sinns, unterworfen ist, so können wir aufgrund dieser Synthesis allein noch nicht begreifen, wie Objekte als bestimmte Einheiten im Bewußtsein möglich sind. Wenn wir nun fragen, worin besteht also das Plus, das die Synthesis der Reproduktion über die Synthesis der Apprehension hinaus zur Möglichkeit der Erfahrung leistet, so gibt uns KANT darüber folgende Auskunft:
"Nun ist offenbar, daß, wenn ich eine Linie in Gedanken ziehe, oder die Zeit von einem Mittag zum andern denken, oder auch nur eine gewisse Zahl mir vorstellen will, ich erst einmal notwendig eine dieser mannigfaltigen Vorstellungen nach der anderen in Gedanken fassen muß. Würde ich aber die vorhergehende (die ersten Teile der Linie, die vorhergehenden Teile der Zeit, oder die nacheinander vorgestellten Einheiten) immer aus den Gedanken verlieren, und sie nicht reproduzieren, indem ich zu den folgenden fortgehe, so würde niemals eine ganze Vorstellung, und keiner aller vorgenannten Gedanken, ja gar nicht einmal die reinsten und ersten Grundvorstellungen von Raum und Zeit entspringen können." (Kr. d. r. V. 117)
Genau dieselbe Funktion übte aber schon die Synthesis der Apprehension aus. Was die Synthesis der Reproduktion leisten sollte, war aus dem empirischen Gesetz der Assoziation gefolgert, das ist, sie sollte die Reproduktionsfähigkeit oder die Möglichkeit der Assoziation der Vorstellungen begreiflich machen, indem sie den Grund der gesetzmäßigen Verknüpfung des Mannigfaltigen zu Erscheinungen in der Wahrnehmung aufdeckt; das Gesetz, aufgrund dessen wir das Mannigfaltige als zusammengehörig in der Erfahrung erkennen können; das Gesetz, das der Synthesis der Assoziation die Einheit des Gegenstandes verleiht. KANT hatte ja an der Synthesis der reproduzierten Vorstellungen angezeigt, was der Synthesis der Apprehension noch fehlt, um den Wert einer gegenständlichen Synthesis den Wert einer "Verbindung" zu erhalten. Aufgrund dieses Gesetzes, nämlich des Gesetzes der Assoziation, hatte KANT ja auch für die Apprehension die Notwendigkeit einer Synthesis der Reproduktion gefordert, d. h. einer Synthesis, wie sie sich im Gesetz der Reproduktion oder Assoziation der Vorstellungen betätigt. Jetzt erfahren wir nur, daß die nacheinander vorgestellten Einheiten oder Teile einer ganzen Vorstellung im Bewußtsein reproduziert werden müssen, wenn diese ganze Vorstellung möglich sein soll. Das hat aber schon die Synthesis der Apprehension geleistet.
Wenn KANT dann fortfährt: "Die Synthesis der Apprehension ist also mit der Synthesis der Reproduktion unzertrennlich verbunden", so werden wir sagen müssen, daß es vielmehr ein und dieselbe Synthesis ist, die wir später als die produktive werden kennen lernen.
Es bleibt nun noch die Synthesis der Rekognition im Begriff übrig. Der Begriff besteht im Bewußtsein der Einheit der Synthesis, das ist des Gegenstandes.
"Und hier ist es notwendig, sich darüber verständlich zu machen, was man denn unter dem Ausdruck eines Gegenstandes der Vorstellungen meint." (Kr. d. r. V. 118)
Erscheinungen sind nichts als Vorstellungen, die ansich, in eben derselben Art, nicht als Gegenstände (außer der Vorstellungskraft) angesehen werden dürfen.
"Was versteht man denn, wenn man von einem der Erkenntnis korrespondierenden, folglich auch davon unterschiedenen Gegenstand redet? Es ist leicht einzusehen, daß dieser Gegenstand nur als etwas überhaupt = X gedacht werden muß, weil wir außer unserer Erkenntnis doch nichts haben, welches wir dieser Erkenntnis als korrespondieren gegenüber setzen könnten. Wir finden aber, daß unser Gedanke von der Beziehung aller Erkenntnis auf ihren Gegenstand etwas von Notwendigkeit bei sich führt, da nämlich dieser als dasjenige angesehen wird, was dawider ist, daß unsere Erkenntnisse nicht aufs Geratewohl, oder beliebig, sondern a priori auf gewisse Weise bestimmt sind, weil, indem sie sich auf einen Gegenstand beziehen sollen, sie auch notwendigerweise in Beziehung auf diesen untereinander übereinstimmen, d. h. diejenige Einheit haben müssen, welche den Begriff von einem Gegenstand ausmacht." (Kr. d. r. V. 119)
Die Kritik des Sensualismus hatte ergeben, daß die Möglichkeit objektiver Vorstellungen nicht eingesehen werden kann unter der Voraussetzung affizierender Dinge. Der Sensualismus begeht einen doppelten Fehler, indem er einmal unerklärt läßt, wie die Synthesis empfunden werden kann, und indem er zweitens den vorgestellten Gegenstand für die Ursache dieser Vorstellung selbst hält. Wenn man den Sensualisten fragt: Woher stammen also deine Vorstellungen? so weist er auf die Erscheinung hin, ohne zu bedenken, daß dieser Erscheinung, die doch als solche auch nur in unserer Vorstellung und nicht etwa gesondert vom Bewußtsein besteht, nicht zugleich auch als Grund der Vorstellung angesprochen werden darf. Wenn wir aber nicht begreifen können, wie der Gegenstand außerhalb unserer selbst Grund der Vorstellung in uns sein kann, so dürfen wir nicht dieselben Eigenschaften, die wir unseren Vorstellungen beilegen, zugleich auch auf die Dinge-ansich übertragen. Der Gegenstand außerhalb unser ist uns in jeder Weise unbekannt; ich kann aber nicht etwas Unbekanntes als Grund von etwas Bekanntem ausgeben. Der Grund der Reproduktionsfähigkeit, das ist die Affinität der Vorstellungen, darf nicht in etwas außerhalb des Bewußtseins, sondern muß im Bewußtsein selbst gesucht werden. Die Berufung auf ein affizierendes Ding ansich als den Grund objektiver Vorstellungen ist als eine transzendente Hypothese zu verwerfen. Der Begriff der Affektion gehört als ein transzendenter überhaupt nicht in die Vernunftkritik, die nur einen immanenten Verstandesgebrauch zuläßt.
Die Objektivität soll nur im Bewußtsein liegen; kann dieselbe aus dem Bewußtsein allein begriffen werden? Die Möglichkeit der Vorstellung des Gegenstandes soll gezeigt werden; wenn nun aber der Gegenstand selbst nur in der Vorstellung bestehen, nur der Inbegriff von Vorstellungen sein soll, so gilt es also die Möglichkeit des Gegenstandes selbst zu zeigen. Der Gegenstand soll nur im Bewußtsein vorhanden sein. Kann er dies und unter welchen Bedingungen? das ist die Frage. Es war als unmöglich erkannt, daß die Empfindung die Synthesis erzeugen, daß die Synthesis a posteriori aus der Erfahrung stammen kann. Es fragt sich, ob die Synthesis a priori im Bewußtsein auch ohne Wahrnehmung möglich ist. Ist sie dies, so läßt sich unter dieser Bedingung die Möglichkeit der Erfahrung begreifen. Wenn es möglich, d. h. begreiflich ist, daß das aus dem Bewußtsein a priori stammen kann, was nach Abzug der Empfindung von der objektiven Vorstellung übrig geblieben war, so ist damit gezeigt, wie Gegenstände im Bewußtsein möglich sind. A priori sind die Synthesen möglich, das beweist die Mathematik und die reinen Naturwissenschaft, in denen sie wirklich sind. In diesen Wissenschaften brauche ich nicht erst auf die Wahrnehmung zu warten, sondern hier beruth die Synthesis allein auf dem reinen Verstand.
Wenn es also vorher in der Erfahrung unbegreiflich war, wie die Synthesis auf der Wahrnehmung beruhen konnte, so ist es jetzt durch das Faktum der Mathematik und reinen Naturwissenschaft bewiesen, daß sie auf dem Verstand beruhen kann. Vorher wußten wir nur, daß die Synthesis nicht in der Empfinung liegen kann und die Frage war offen gelassen, ob die Synthesis auch auf dem Verstand beruhen kann; vorher hieß es:
"Die Kategorien des Verstandes dagegen stellen uns gar nicht die Bedingungen vor, unter denen Gegenstände in der Anschauung gegeben werden, folglich können uns allerdings Gegenstände erscheinen, ohne daß sie sich notwendig auf Funktionen des Verstandes beziehen müssen, und dieser also die Bedingungen derselben a priori enthält." (Kr. d. r. V. 107)
Wir müssen auf das "können" hier wohl Acht geben. Es soll nicht so gemeint sein, als ob Gegenstände uns wirklich ohne Synthesis erscheinen könnten; indessen ist diesem Mißverständnis schon durch den Zusatz "in der Anschauung" vorgebeugt. In der Anschauung kann das Mannigfaltige immerhin ohne Synthesis gegeben sein; aber die Anschauung allein gibt noch nicht die bestimmte Vorstellung. Die bestimmte Vorstellung ist vielmehr erst möglich, wenn das Mannigfaltige unter die Kategorie subsumiert, d. h. verknüpft ist, und
"alsdann ist alle empirische Erkenntnis der Gegenstände solchen Begriffen notwendigerweise gemäß, weil, ohne deren Voraussetzung, nichts als Objekt der Erfahrung möglich ist." (Kr. d. r. V. 110)
Also die Gegenstände der Erfahrung müssen der Synthesis a priori, wie wir sie in der Mathematik und der reinen Naturwissenschaft haben, notwendig gemäß sein, da ich sonst in der Erfahrung keine objektive Vorstellung würde haben können. Die Kategorien bilden die Elemente zu den Begriffen, mittels deren die Naturwissenschaft ihre Gesetze, die Gesetze der Erscheinungen formuliert. Naturgesetze werden nicht empfunden, sondern beruhen auf dem Verstand.
Also die Gegenstände, die wir wahrzunehmen vermeinen, sind nichts weiter als Vorstellungen, deren Möglichkeit auf Gesetzen beruth, die als nur im Verstand vorstellbare erkannt sind. Gegenstände sind als Vorstellungen wirklich; daß sie als solche auch möglich sind, d. h., daß es möglich ist, daß sie eben nur in der Vorstellung bestehen können, das beweist die reine Naturwissenschaft, welche die Gesetze aufdeckt, als deren Fälle die Erscheinungen zu denken sind. Die Gesetze sind die Ursachen der Dinge, also auch der Vorstellungen, deren Inbegriff der Gegenstand ist.
Nun ist es nicht mehr das unbekannte Etwas, das unserer Vorstellung korrespondieren soll, das Ding-ansich oder der transzendentale Gegenstand = X, was als Ursache der objektiven Vorstellung angesprochen wird; sondern das Objekt enthält den Grund seiner Möglichkeit in sich selbst, in den Naturgesetzen, die es erzeugen und zwar als Erscheinung oder Vorstellung erzeugen müssen, da die Gesetze, auf denen es beruth, als solche des Bewußtsein, als Denkgesetze erkannt sind. Die Gesetze, denen die Dinge unterworfen, als deren Fälle sie erkannt sind, machen es "daß unsere Erkenntnisse nicht aufs Geratewohl, oder beliebig, sondern a priori auf gewisse Weise bestimmt sind". Wir erkennen Objekte, so wahr wir Naturgesetze erkennen, auf denen sie beruhen. Die Möglichkeit objektiver Erkenntnis ist gegen den Skeptizismus HUMEs gerettet dadurch, daß den Objekten ihre Existenz, die ihnen als Dingen-ansich genommen war, im Bewußtsein wiedergegeben ist. KANT löst das Problem der Möglichkeit objektiver Erkenntnis durch den Nachweis, daß Objekte nur Vorstellungen und nur als Vorstellungen möglich sind, da sie sonst für uns nichts wären.
Die Objekte, von denen wir angenommen haben, daß sie uns affizieren und dadurch objektive Vorstellungen in uns erzeugen, sind selbst nur als der Inbegriff dieser Vorstellungen erkannt. Deshalb
"habe ich in Absicht auf die Wirklichkeit äußerer Gegenstände ebensowenig nötig zu schließen, als in Anbetracht der Wirklichkeit des Gegenstandes meines inneren Sinnes (meiner Gedanken), denn sie sind beiderseitig nichts als Vorstellungen, deren unmittelbare Wahrnehmung (Bewußtsein) zugleich ein genugsamer Beweis ihrer Wirklichkeit ist. Also ist der transzendentale Idealist ein empirischer Realist und gesteht der Materie, als Erscheinung, eine Wirklichkeit zu, die nicht geschlossen werden darf, sondern unmittelbar wahrgenommen wird." (Kr. d. r. V. 314)
Das Objekt, welches ich wahrzunehmen vermeine, ist nicht zweimal vorhanden, einmal als Objekt ansich und außerdem noch als Vorstellung in mir; sondern nur einmal als Gegenstand für oder in einem Bewußtsein. Man wende nicht ein, daß durch die Aufnahme des Objekts in das Bewußtsein KANT dem Idealismus BERKELEYs verfallen ist, als ob unter diesen Bedingungen kein Unterschied mehr zwischen einem Gegenstand und einem bloßen Phantasiegebilde bestünde. Als Vorstellung, d. h. als Bewußtseinsinhalt, unterscheidet sich das Objekt in nichts von jedem anderen beliebigen Inhalt, für den ich nur subjektive Geltung in Anspruch nehme. Aber durch das objektive Gesetz, das diese Vorstellung zu einer notwendigen, der subjektiven Willkür entrückten, allgemeingültigen erhebt, ist dieselbe vor dem Verdacht des Subjektivismus genugsam verwahrt.
Die Reflexion über den Begriff des Gegenstandes hatte den Gang der Untersuchung der psychologischen Vermögen, auf denen die Möglichkeit der Erfahrung beruhen soll, unterbrochen. Hierauf bezieht sich das, was KANT in der Vorrede zur ersten Ausgabe sagt:
"Diese Betrachtung, die etwas tief angelegt ist, hat aber zwei Seiten. Die eine bezieht sich auf die Gegenstände des reinen Verstandes und soll die objektive Gültigkeit seiner Begriffe a priori dartun und begreiflich machen; eben darum ist sie auch wesentlich zu meinen Zwecken gehörig. Die andere geht darauf aus, den reinen Verstand selbst, nach seiner Möglichkeit und den Erkenntniskräften, auf denen er selbst beruth, folglich ihn in subjektiver Beziehung zu betrachten." (Kr. d. r. V. 8)
Die Frage, worin denn eigentlich der Gegenstand der Erfahrung besteht, was wir darunter zu verstehen haben, taucht erst auf innerhalb der Untersuchung, wie die Erfahrung eines Gegenstandes entsteht. Als ob nicht der Gegenstand vorausgesetzt werden müßte, wenn wir begreifen wollen, wie er erfahren wird!
Und das Resultat der objektiven Deduktion? Objekte sind nur der Inbegriff der Vorstellungen, bestehen nur als Vorstellungen und können also selbst erst in der Erfahrung mit den Vorstellungen entstehen. Wie wird sich nunmehr aufgrund dieses Ergebnisses die Entstehung der Erfahrung gestalten? Erfahrung ist nur möglich unter der Voraussetzung einer durchgängigen und synthetischen Einheit der Wahrnehmungen. In den Wahrnehmungen müssen schon die apriorischen Elemente enthalten sein, wenn Erfahrung daraus entstehen soll. Die Wahrnehmung liefert uns die Erscheinungen, also müssen in derselben die Bedingungen a priori enthalten sein, welche den Gegenstand der Erfahrung ermöglichen.
"Die Bedingungen a priori einer möglichen Erfahrung überhaupt sind zugleich Bedingungen der Möglichkeit der Gegenstände der Erfahrung." (Kr. d. r. V. 124)
Wir hatten oben gesehen, wie KANT aufgrund der Überlegung, daß reproduzierte Vorstellungen doch nur möglich sind nach vorhergegangener Apprehension derselben, zu dem Schluß gekommen war, daß dieselbe Synthesis, die in den reproduzierten Vorstellungen als die Synthesis der Assoziation oder Reproduktion sich betätigt hat, auch schon in der unmittelbaren Wahrnehmung enthalten sein muß.
Dies veranlaßte nun KANT, die Synthesis der Reproduktion und die Einbildungskraft selbst als das Vermögen der Synthesis der Reproduktion in den Akt der Wahrnehmung hineinzuziehen. Natürlich paßt nun der Terminus "reproduktive" Synthesis nicht mehr auf die Synthesis der unmittelbaren Wahrnehmung. Und wenn KANT oben noch zwischen der Synthesis der Apprehension und der Reproduktion unterschieden hat als zwei verschiedene Arten der Synthesis, die aber stets unzertrennlich verbunden sein sollen, so sehen wir jetzt, daß sie beide auf dieselbe Synthesis hinauslaufen: die "produktive". Die reproduktive Synthesis in der Assoziation ist identisch mit der produktiven Synthesis in der Apprehension der Vorstellungen; d. h., die Einbildungskraft als das Vermögen der reproduzierten Vorstellungen ist produktiv in der Wahrnehmung.
"Daß die Einbildungskraft ein notwendiges Ingredienz [Zutat - wp] der Wahrnehmung selbst ist, daran hat wohl noch kein Psychologe gedacht. Das kommt daher, weil man dieses Vermögen teils nur auf Reproduktionen einschränkte, teils, weil man glaubte, die Sinne lieferten uns nicht allein Eindrücke, sondern setzen solche auch sogar zusammen, und brächten Bilder der Gegenstände zuwege, wozu ohne Zweifel außer der Empfänglichkeit der Eindrücke, noch etwas mehr, nämlich eine Funktion der Synthesis derselben erfordert wird." (Kr. d. r. V. 130)
Darin besteht also der neue Inhalt, den KANT dem Begriff der Erfahrung gibt: Erfahrung darf nicht als eine Summe von bloßen Wahrnehmungen, das ist Empfindungen der Sinne, gedacht werden, wie dies der Sensualist will. Ohne die Funktion der Synthesis im Mannigfaltigen der Wahrnehmungen würde dieses zu keiner Erfahrung gehören, "folglich ohne Objekt, und nichts als ein blindes Spiel der Vorstellungen, d. h. weniger als ein Traums sein." (Kr. d. r. V. 124)
Wie unterscheidet KANT nun aber in den Prolegomenen zwischen Wahrnehmungs- und Erfahrungsurteilen? Hat diese Unterscheidung bei der Gleichsetzung der Begriffe "Wahrnehmung" und "Erfahrung" überhaupt noch einen Sinn?
Wenn KANT dort sagt, daß das Wahrnehmungsurteil noch keine Beziehung auf ein Objekt hat, so wird diese Behauptung schlagend widerlegt durch die andere der Kritik, daß die Einbildungskraft ein notwendiges Ingredienz der Wahrnehmung selbst ist. KANT versteht aber hier unter Wahrnehmung wieder Empfindung. Das Wahrnehmungsurteil soll ein Urteil sein, das sich nur auf die subjektive Empfindung bezieht und noch nicht auf das objektivierte Mannigfaltige; dann ist es aber überhaupt kein Urteil, denn jedes Urteil enthält aufgrund der Kategorie, die in ihm wirksam ist, eine Beziehung auf ein Objekt. Ist die Einbildungskraft ein notwendiges Ingredienz der Wahrnehmung, so erhebt sie eben damit die Wahrnehmung zur Erfahrung, und ihre Urteile haben eine Beziehung auf Gegenstände der Erfahrung.
Nun entsteht aber hier noch ein anderes Bedenken. Wenn die produktive Einbildungskraft als das Vermögen der Synthesis in die Wahrnehmung hineingezogen wird, so kann sich der Verdacht erheben, daß wir die Dinge produzieren. Es würde uns hier auch alle Berufung auf die besondere Synthesis, die aus der Erfahrung stammen soll, nichts nützen. Denn das ist ja gerade die Frage: wie kann die Synthesis aus der Erfahrung stammen? Und die Antwort: nur unter der Bedingung, daß wir sie hineinlegen. Und hier ist nun der Punkt, an dem FICHTE und die idealistischen Nachfolger KANTs angeknüpft haben, um aus dem Ich mittels der produktiven Synthesis der Einbildungskraft das Ganze der Erfahrung hervorzuzaubern. Demgegenüber werden wir zu beachten haben, daß das, was wir Grundkräfte oder Vermögen der Seele genannt haben, aufgrund einer Analyse nicht des subjektiven Erkenntnisvermögens, sondern des objektiven Bewußtseinsinhaltes gewonnen war.
"Der Verstand ist der Gesetzgeber der Natur" heißt nicht: der Verstand gibt die Gesetze, sondern besteht in denselben. Das Ich produziert so wenig die Dinge, daß es vielmehr ohne dieselben gar nicht gedacht werden darf. Form besteht nicht ohne Inhalt und Inhalt nicht ohne Form. Es sind dieselben Bedingungen, auf denen sowohl das Bewußtsein wie auch die Dinge beruhen, heißt: es gibt nur eine Erfahrung, welche im Bewußtsein der Dinge besteht. Es ist nun nicht mehr die Rede von Erkenntnisvermögen, sondern von Erkenntnisgesetzen. Der Gesetzgeber der Natur ist die Natur selbst als der Inbegriff der Naturgesetze. Und wir dürfen nur dann auch sagen: der Verstand ist der Gesetzgeber der Natur, wenn wir unter Verstand den Inbegriff dieser Gesetze verstehen. Dann ist der Verstand auch der Gesetzgeber der besonderen Naturgesetze, die zwar auf Erfahrung beruhen, in der aber der Verstand nur die Gesetze seiner eigensten Natur aufdeckt. Ebensowenig wie ich nun erkennen kann, was die besonderen Naturformen notwendig macht, wie aus dem Chaos unter dem Einfluß der Gesetze die gegebenen Erscheinungen entstehen müssen, ebensowenig kann ich begreifen, weshalb die Dinge gerade so und nicht anders apprehendiert werden müssen. Uns ist in der Wahrnehmung nicht formlose Materie gegeben zur Formung durch die Kategorie, sondern Erscheinungen sind uns gegeben, an denen Form und Inhalt nur in der erkenntnistheoretischen Abstraktion getrennt werden können.
Wir haben bisher immer vom Verstand geredet, sind aber die Definition desselben als "Erkenntnisvermögen" noch schuldig geblieben. Von den drei subjektiven Erkenntnisquellen haben wir die Apperzeption noch nicht kennen gelernt. Die Apperzeption definiert KANT als "das Bewußtsein der Identität der reproduktiven Vorstellungen mit den Erscheinungen, dadurch sie gegeben waren" (Kr. d. r. V. 127) oder als
"das Bewußtsein der Einheit der Synthesis". "Die Einheit der Apperzeption in Beziehung auf die Synthesis der Einbildungskraft ist der Verstand." (Kr. d. r. V. 129)
Die Apperzeption in Verbindung mit der Einbildungskraft bedeutet also wieder nichts weiter, als die Einheit der Naturgesetze. Sie könnte ebensogut für den Verstand selbst stehen, und tatsächlich tritt sie auch in der zweiten Bearbeitung der Deduktion, wo KANT immer von der synthetischen Einheit der Apperzeption redet, auch an dessen Stelle.
"Und so ist die synthetische Einheit der Apperzeption der höchste Punkt, an dem man allen Verstandesgebrauch, selbst die ganze Logik, und, nach ihr, die Transzendentalphilosophie heften muß, ja, dieses Vermögen ist der Verstand selbst." (Kr. d. r. V. 660)
Es erleichtert das Verständnis der Vernunftkritik ungemein, wenn man sich klar macht, daß Verstand, synthetische Einheit der transzendentalen Apperzeption oder auch die transzendentale Apperzeption allein, als welche ja im Bewußtsein der Einheit der Synthesis bestehen soll, sowie auch die produktive Einbildungskraft im Grunde genommen immer dasselbe bedeuten.
"Die Einbildungskraft ist also auch ein Vermögen einer Synthesis a priori, weswegen wir ihr den Namen einer produktiven Einbildungskraft geben, und, sofern sie in Anbetracht alles Mannigfaltigen der Erscheinung nichts weiter, als die notwendige Einheit in der Synthesis derselben zu ihrer Absicht hat, kann diese die transzendentale Funktion der Einbildungskraft genannt werden." (Kr. d. r. V. 132)
Hier besteht also die produktive Einbildungskraft allein schon in der Einheit der Synthesis, während oben die Apperzeption noch hinzukommen sollte, um die Einheit der Synthesis und damit den Verstand zu ermöglichen.
Wenn man bedenkt, daß KANT nach den Bedingungen forschte, auf denen die Möglichkeit der Erfahrung und damit zugleich der Gegenstände der Erfahrung beruhen soll, und diese in dem unbestimmten Mannigfaltigen einerseits und den Kategorien oder den Gesetzen des Verstandes andererseits gefunden hatte, so läßt sich begreifen, wie die ursprünglich unterschiedenen drei subjektiven Erkenntnisquellen, sowie die drei Arten der Synthesis sich auf diese beiden Bedingungen reduzieren mußten.
Nun ist aber offenbar, daß einen Gegenstand vorstellen und einen Gegenstand erkennen nicht einerlei ist. Die im Bewußtsein gegebene Erscheinung bildet die notwendige Voraussetzung für ihre Erkenntnis. Der Verstand liefert die Begriffe, die Einbildungskraft die Vorstellungen. Die Synthesis ist in beiden dieselbe. Aber die Synthesis des Mannigfaltigen durch die Einbildungskraft kann "anfänglich noch roh und verworren sein, so daß sie der Analysis bedarf." (Kr. d. r. V. 94) Die Synthesis dieses Mannigfaltigen durch die Einbildungskraft gibt noch keine Erkenntnis.
"Die Begriffe, welche diser reinen Synthesis Einheit geben, und lediglich in der Vorstellung dieser notwendigen synthetischen Einheit bestehen, tun das dritte zur Erkenntnis eines vorkommenden Gegenstandes, und beruhen auf dem Verstand." (Kr. d. r. V. 95)
Und ebendort heißt es:
"Die Synthesis überhaupt ist, wie wir zukünftig sehen werden, die bloße Wirkung der Einbildungskraft, einer blinden, obgleich unentbehrlich Funktion der Seele, ohne die wir überall gar keine Erkenntnis haben würden, der wir uns aber selten nur einmal bewußt sind. Allein diese Synthesis auf Begriffe zu bringen, das ist eine Funktion, die dem Verstand zukommt, und wodurch er uns allererst die Erkenntnis in eigentlicher Bedeutung verschafft." (Kr. d. r. V. 95)
Das Geschäft des Verstandes besteht also darin, die Synthesis der Einbildungskraft auf Begriffe zu bringen, das heißt, die gegebenen Vorstellungssynthesen zu analysieren und mittels der analytischen Einheit der Begriffe die logische Form eines Urteils zustande zu bringen:
"Wo aber der Verstand vorher nichts verbunden hat, da kann er auch nichts auflösen, weil es nur durch ihne als verbunden der Vorstellungskraft hat gegeben werden können." (Kr. d. r. V. 658)
Wir werden jetzt besser dafür sagen: wo die Einbildungskraft vorher nichts verbunden hat, da kann auch der Verstand nichts auflösen. Dieses Verhältnis der Einbildungskraft zum Verstand ist in der ersten Bearbeitung der Deduktion noch nicht so bestimmt formuliert. Es heißt dort z. B.:
"Diese Apperzeption ist es nun, welche zur reinen Einbildungskraft hinzukommen muß, um ihre Funktion intellektuell zu machen. Denn ansich ist die Synthesis der Einbildungskraft, obgleich a priori ausgeübt, dennoch jederzeit sinnlich, weil sie das Mannigfaltige nur so verbindet, wie es in der Anschauung erscheint, z. B. die Gestalt eines Triangels. Durch das Verhältnis des Mannigfaltigen aber zur Einheit der Apperzeption werden Begriffe, welche dem Verstand angehören, aber nur mittels der Einbildungskraft in Beziehung auf die sinnliche Anschauung zustande kommen können." (Kr. d. r. V. 133)
Hier wird klar und deutlich zwischen der sinnlichen Vorstellung, dem Bild, einerseits und dem Begriff andererseits unterschieden. Aber das Bild wird nicht dadurch zum Begriff, daß die Apperzeption zur Einbildungskraft hinzukommt, sondern daß die Funktion der Einbildungskraft intellektuell gemacht, das ist auf Begriffe gebracht wird. Die Einbildungskraft soll das Mannigfaltige der Anschauung in einem Bild vereinigen, der Verstand die Synthesis auf Begriffe bringen.
Das diese Funktion ausübende Bewußtsein ist aber in beiden Fällen dasselbe. Es heißt dann an dieser Stelle weiter:
"Wir haben also eine reine Einbildungskraft, als ein Grundvermögen der menschlichen Seele, das aller Erkenntnis a priori zugrunde liegt. Mittels derer bringen wir das Mannigfaltige der Anschauung einerseits mit der Bedingung der notwendigen Einheit der reinen Apperzeption andererseits in Verbindung. Beide äußersten Enden, nämlich Sinnlichkeit und Verstand, müssen mittels dieser transzendentalen Funktion der Einbildungskraft notwendig zusammenhängen; weil jene sonst zwar Erscheinungen, aber keine Gegenstände einer empirischen Erkenntnis, folglich keine Erfahrung geben würden." (Kr. d. r. V. 133)
Wir werden vielmehr sagen: weil jene (die Sinnlichkeit) sonst zwar Anschauungen, aber keine Erscheinungen, d. h. Vorstellungen von Gegenständen geben würde. Auch hier ist das Verhältnis der Einbildungskraft zum Verstand noch nicht klar gestellt. Dieselbe soll eine Vermittlerrolle ausüben zwischen den beiden Erkenntnisbedingungen, nämlich Sinnlichkeit und Apperzeption oder Verstand, von denen die Funktion des letzteren mit der ihrigen identisch ist.
Erst in der zweiten Bearbeitung der Deduktion wird das Verhältnis der beiden richtig dahin bestimmt:
"daß die Synthesis der Apprehension, welche empirisch ist, der Synthesis der Apperzeption, welche intellektuell und gänzlich a priori in der Kategorie enthalten ist, notwendig gemäß sein muß. Es ist ein und dieselbe Spontaneität, welche dort unter dem Namen der Einbildungskraft, hier des Verstandes, Verbindung in das Mannigfaltige der Anschauung bringt." (Kr. d. r. V. 679)
Das Verhältnis der Einbildungskraft zum Verstand ist ganz klar das der Apprehension zur Apperzeption, oder des wahrgenommenen zum erkannten Gegenstand. Die Synthesis des Mannigfaltigen der sinnlichen Anschauung, die auf der Einbildungskraft beruth, wird "figürlich" (synthesis speciosa) genannt zum Unterschied von derjenigen, welche in der bloßen Kategorie gedacht wird, und "Verstandesverbindung" (synthesis intellectualis) heißt.
"Da nun alle unsere Anschauung sinnlich ist, so gehört die Einbildungskraft, der subjektiven Bedingung wegen, unter der sie allein den Verstandesbegriffen eine korrespondierende Anschauung geben kann, zur Sinnlichkeit; sofern aber doch ihre Synthesis eine Ausübung der Spontaneität ist, welche bestimmend, und nicht, wie der Sinn, bloß bestimmbar ist, folglich a priori den Sinn seiner Form nach der Einheit der Apperzeption gemäß bestimmen kann, so ist die Einbildungskraft ein Vermögen, die Sinnlichkeit a priori zu bestimmen, und ihre Synthesis der Anschauungen, den Kategorien gemäß, muß die transzendentale Synthesis der Einbildungskraft sein, welches eine Wirkung des Verstandes auf die Sinnlichkeit und die erste Anwendung desselben (zugleich der Grund aller übrigen) auf Gegenstände der uns möglichen Anschauung ist. Sie ist, als figürlich, von der intellektuellen Synthesis ohne alle Einbildungskraft bloß durch den Verstand unterschieden." (Kr. d. r. V. 672)
Das spontane Hineinlegen der Synthesis a priori in die Erfahrung ist also nunmehr als ein "Notwendig - gemäß - sein" erkannt. Freilich können wir nicht a priori wissen, was uns die Erfahrung in Zukunft noch enthüllen mag; aber das wissen wir, daß alle mögliche Erfahrung der Kategorien, also den Bedingungen, auf denen die Möglichkeit der Erfahrung überhaupt beruth, notwendig gemäß sein muß. Und damit ist dann auch der Verdacht des Produzierens oder Konstruierens der Gegenstände zerstreut. Aber wohl gemerkt: die Synthesis der Apprehension, d. h. der empirischen Wahrnehmung muß der Synthesis der Apperzeption oder dem reinen Verstandesbegriff notwendig gemäß sein und nicht umgekehrt. Nicht der gemeinen Erfahrung verdanken wir die Erkenntnis der Natur, denn die Sinne können uns auch täuschen; sondern das wissenschaftliche Denken ist es, welches objektiv gültige Urteile erzeugt. Darin besteht ja eben die veränderte Methode der Denkungsart, welche die kritische Philosophie lehrt, daß sie die Dinge sich um unsere Begriffe drehen läßt.
"Es ist hiermit ebenso, als mit den ersten Gedanken des Kopernikus bewandt, der, nachdem es mit der Erklärung der Himmelsbewegungen nicht gut fort wollte, wenn er annahm, das ganze Sternenheer drehe sich um den Zuschauer, versuchte, ob es nicht besser gelingen möchte, wenn er den Zuschauer sich drehen und dagegen die Sterne in Ruhe ließ." (Kr. d. r. V. 17/18)
Es verhält sich also die Apprehension zur Apperzeption wie die sinnliche Vorstellung zum Begriff, oder der wahrgenommene Gegenstand zum erkannten. Diesem Ergebnis gemäß erhält nunmehr auch die Trennung zwischen Wahrnehmungs- und Erfahrungsurteilen Sinn und Bedeutung. Wahrnehmen ist noch kein Erkennen; aber die Beziehung auf ein Objekt liegt schon in der Wahrnehmung und also auch im Wahrnehmungsurteil. Zur Erkenntnis wird die Wahrnehmung aber erst dadurch, daß ich die Synthesis der sinnlichen Anschauung auf Begriffe bringe, die Apprehension zur Apperzeption erhebe. Die anschauliche Vorstellung ist zu unterscheiden von der begrifflichen, wäre aber jene von dieser toto genere[völlig - wp] verschieden, so wäre es unbegreiflich, wie ich eine Erkenntnis von Gegenständen der Sinne würde haben können. Begreiflich wird es nur dadurch,
"daß es dieselbe Spontaneität ist, welche dort unter dem Namen der Einbildungskraft, hier des Verstandes, Verbindung in das Mannigfaltige der Anschauung bringt." (Kr. d. r. V. 679)
Um allem Mißverständnis zu begegnen, wäre es daher vielleicht sinngemäßer, zwischen Wahrnehmungs- und Erkenntnisurteilen zu unterscheiden, anstatt zwischen Wahrnehmungs- und Erfahrungsurteilen. Die weitere Ausführung dieses Gedankens: unter welcher Bedingung nämlich der Begriff mit der sinnlichen Vorstellung gleichartig sein kann, gehört in das Kapitel vom Schematismus, wo gezeigt wird, daß es das Schema ist, welches die Vereinigung von Bild und Begriff vollzieht.
Wir haben bisher, indem wir dem Gang der Untersuchung in der ersten Bearbeitung der Deduktion gefolgt sind, die Bedingungen, auf denen die Möglichkeit der Erfahrung beruth, als solche erkannt, auf denen auch die Möglichkeit der Erfahrung des Gegenstandes der Erfahrung beruth. Aber nicht allein die Vorstellung des Objekts enthält die Erfahrung, sondern auch die des identischen Ich. Alle Objektivität besteht in der gesetzmäßigen Verknüpfung des Mannigfaltigen; die Kategorie ist der allgemeine Ausdruck für diese Gesetzmäßigkeit; daher ist ihre Anwendung auf Gegenstände der Erfahrung nicht nur möglich, sondern sogar notwendig, denn ohne dieselbe würde ich überhaupt keine objektiven Vorstellungen haben können. Dieselbe transzendentale Bedingung nun, die den Objekten in der Erfahrung zugrunde liegt, liegt auch dem Ich in der Erfahrung zugrunde.
In der zweiten Bearbeitung der Deduktion hat KANT das Problem von dieser Seite aus in Angriff genommen. Doch finden sich auch schon in der ersten Stellen, an denen die transzendentale Apperzeption als die notwendige Bedingung auch für die Möglichkeit des empirischen Selbstbewußtseins bezeichnet wird.
"Diese Einheit des Bewußtseins wäre unmöglich, wenn nicht das Gemüt in der Erkenntnis des Mannigfaltigen sich der Identität der Funktion bewußt werden könnte, wodurch sie dasselbe synthetisch in einer Erkenntnis verbindet. Also ist das ursprüngliche und notwendige Bewußtsein der Identität seiner Selbst zugleich ein Bewußtsein einer ebenso notwendigen Einheit der Synthesis aller Erscheinungen nach Begriffen, d. h. nach Regeln, die sie nicht allein notwendig reproduzibel machen, sondern dadurch auch ihrer Anschauung einen Gegenstand bestimmen, d. h. den Begriff von etwas, darin sie notwendig zusammenhängen: denn das Gemüt konnte sich unmöglich die Identität seiner Selbst in der Mannigfaltigkeit seiner Vorstellungen und zwar a priori denken, wenn es nicht die Identität seiner Handlung vor Augen hätte, welche alle Synthesis der Apprehension (die empirisch ist) einer transzendentalen Einheit unterwirft und ihren Zusammenhang nach Regeln a priori zuerst möglich macht." (Kr. d. r. V. 121f)
Dem empirischen Selbstbewußtsein muß ein transzendentales zugrunde liegen. Die transzendentale Apperzeption als der Grund der notwendigen Einheit der Synthesis aller Erscheinungen ist identisch mit dem reinen oder transzendentalen Selbstbewußtsein. Das ursprüngliche und notwendige Bewußtsein der Identität des Ich ist zugleich das Bewußtsein der Synthesis des Mannigfaltigen in den objektiven Vorstellungen. Erst aufgrund dieser objektiven Synthesis kann die Vorstellung eines bei allem Wechsel der Erscheinungen identischen Ich, auf welches diese Erscheinungen bezogen werden, entstehen. Das empirische Selbstbewußtsein ist daher vom transzendentalen wohl zu unterscheiden. Das transzendentale ist identisch mit den Kategorien oder der transzendentalen Apperzeption und der Grund des empirischen. Da nun die Vorstellung "Ich" ein Denken und nicht ein Anschauen ist, das reine Selbstbewußtsein also im Denken besteht, so kann es auch für die objektive Gesetzeseinheit stehen und die Ableitung des Gegenstandes demgemäß aus dem Selbstbewußtsein erfolgen. Die Affinität der Erscheinungen, dadurch sie unter beständigen Gesetzen stehen und darunter gehören müssen, beruth auf der numerischen Identität des Ich in aller Erfahrung.
"Da nun diese Identität notwendig in die Synthesis alles Mannigfaltigen der Erscheinungen, sofern sie empirische Erkenntnis werden soll, hineinkommen muuß, so sind die Erscheinungen Bedingungen a priori unterworfen, welchen ihr Synthesis (der Apprehension) durchgängig gemäß sein muß." (Kr. d. r. V. 125)
"Alle Vorstellungen haben eine notwendige Beziehung auf ein mögliches empirisches Bewußtseins; denn hätten sie dieses nicht, und wäre es gänzlich unmöglich, sich ihrer bewußt zu werden; so würde das so viel sagen, sie existierten gar nicht. Alles empirische Bewußtsein hat aber eine notwendige Beziehung auf ein transzendentales (vor aller besonderen Erfahrung vorhergehendes) Bewußtsein, nämlich das Bewußtsein meiner Selbst, als die ursprüngliche Apperzeption. Es ist also schlechthin notwendig, daß in meiner Erkenntnis alles Bewußtsein zu einem Bewußtsein (meiner Selbst) gehört." (Kr. d. r. V. 128)
Diese Sätze enthalten die Fundamentalgedanken der Vernunftkritik: Das transzendentale Bewußtsein oder das identische Ich ist das Gesetz der Erscheinungen. Die Dinge existieren, so wie sie uns erscheinen, nur im Bewußtsein und werden mit demselben aufgehoben. Die Naturgesetze sind nicht die Gesetze der Dinge-ansich, sondern der Dinge als Vorstellungen in uns. Das ganze Selbstbewußtsein liefert uns nichts, als lediglich unsere eigenen Bestimmungen. Die Gegenstände der Erfahrung sind als Fälle von Gesetzen zu betrachten; diese Gesetze sind Denkgesetze, beruhen auf Begriffen; das begriffliche Bewußtsein ist das Selbstbewußtsein, folglich beruhen alle Gegenstände der Erfahrung auf dem Selbstbewußtsein als der transzendentalen Bedingung ihrer Möglichkeit überhaupt.
So verkettet sich in der ersten Bearbeitung der Deduktion der Zusammenhang der kantischen Gedanken. Die Beziehung des Verstandes auf Gegenstände der Sinne ist nicht nur möglich, sondern sogar notwendig, weil ohne synthetische Einheit in den Wahrnehmungen niemals eine Einheit der Erfahrung daraus zustand kommen könnte.
"Alsdann fiele aber auch alle Beziehung der Erkenntnis auf Gegenstände weg, weil ihr die Verknüpfung nach allgemeinen und notwendigen Gesetzen mangelte, folglich würde sie zwar gedankenlose Anschauung, aber niemals Erkenntnis, als für uns so viel als gar nichts sein." (Kr. d. r. V. 123f)
Es würde damit aber auch die Beziehung der Wahrnehmungen auf das identische Selbst wegfallen, denn am unverbundenen Mannigfaltigen kann das Ich die Identität seiner selbst nicht rekognoszieren. Das Bewußtsein der Identität seiner Selbst ist zugleich das Bewußtsein einer ebenso notwendigen Einheit der Synthesis aller Erscheinungen. An dieses Resultat der ersten Deduktion knüpft die zweite direkt an, indem sie an die Stelle des identischen Ich das: "Ich denke" setzt, "das alle meinen Vorstellungen muß begleiten können".
Aufgrund der Einheit des Selbstbewußtsein in allen Vorstellungen, an dem doch wohl niemand zweifeln kann, wird dem Skeptizismus gegenüber die Möglichkeit, ja sogar die Notwendigkeit einer objektiven, d. h. gesetzmäßigen Erfahrung, deduziert. Das "Ich denke" involviert eine Synthese der Vorstellungen und ist nur durch das Bewußtsein dieser Synthesis möglich.
"Denn das empirische Bewußtsein, welches verschiedene Vorstellungen begleitet, ist ansich zerstreut und ohne Beziehung auf die Identität des Subjekts. Diese Beziehung geschieht also dadurch noch nicht, daß ich jede Vorstellung mit Bewußtsein begleite, sondern daß ich eine zu der andern hinzusetze und mir der Synthesis derselben bewußt bind. Also nur dadurch, daß ich ein Mannigfaltiges gegebener Vorstellungen in einem Bewußtsein verbinden kann, ist es möglich, daß ich mir die Identität des Bewußtseins in diesen Vorstellungen selbst vorstelle ...; denn sonst würde ich ein so vielfarbiges verschiedenes Selbst haben, als ich Vorstellungen habe, deren ich mir bewußt bin ... Dieser Grundsatz der notwendigen Einheit der Apperzeption ist nur zwar selbst identisch, folglich ein analytischer Satz, erklärt aber doch eine Synthesis des in einer Anschauung gegebenen Mannigfaltigen als notwendig, ohne welche jene durchgängige Identität des Selbstbewußtseins nicht gedacht werden kann ... Ich bin mir also des identischen Selbst bewußt, in Anbetracht des Mannigfaltigen der mir in einer Anschauung gegebenen Vorstellung, weil ich sie insgesamt meine Vorstellungen nenne, die eine ausmachen. Das ist aber so viel, als, daß ich mir einer notwendigen Synthesis derselben a priori bewußt bind, welche die ursprüngliche synthetische Einheit der Apperzeption heißt, unter der alle mir gegebenen Vorstellungen stehen, aber unter die sie auch durch eine Synthesis gebracht werden müssen." (Kr. d. r. V. 660f)
Es ist freilich nur ein identischer Satz, daß ohne Bewußtsein nichts vorgestellt werden kann, aber dieses Bewußtsein, welches in den allgemeinen Ausdruck "Ich denke" zusammengefaßt werden kann, besteht in der Identität der Synthesis des Mannigfaltige aller Erscheinungen und erklärt eben damit die synthetische Einheit derselben als notwendig. Die ursprüngliche Einheit des Selbstbewußtseins ist die objektive, synthetische, wovon die subjektive, analytische, die bloße Folge ist.
"Die synthetische Einheit des Selbstbewußtseins ist also eine objektive Bedingung aller Erkenntnis, nicht deren ich bloß selbst bedarf, um ein Objekt zu erkennen, sondern unter der jene Anschauung stehen muß, um für mich Objekt zu werden, weil auf andere Art, und ohne diese Synthesis, das Mannigfaltige sich nicht in einem Bewußtsein vereinigen würde." (Kr. d. r. V. 663)
Das Selbstbewußtsein geht also nicht vor der Vorstellung des Gegenstandes vorher, sondern entsteht an und mit der Synthesis; die Kategorie ist kein Produkt eines subjektiven Erkenntnisvermögens, sondern ist der Verstand selbst, das objektive Gesetz der Erscheinungen. Folglich ist auch die Erscheinung kein Produkt subjektiver Erkenntnisvermögen: das spontane, die Dinge erzeugende, Ich besteht in den objektiven synthetischen Einheiten, den Kategorien.
Somit suchen wir auch hier wieder das Resultat, welches wir aus der ersten Bearbeitung der Deduktion gewonnen hatten, bestätigt, daß die subjektiven Erkenntnisvermögen vielmehr als objektive Erkenntnisgesetze zu betrachten sind. Die Rezeptivität des Bewußtseins verhält sich zur Spontaneität wie das Mannigfaltige im Bewußtsein zu seiner Form. Wir können nicht begreifen, wie Erfahrung entsteht, weil wir nicht begreifen können, wie das Bewußtsein entsteht, noch wie aus dem Mannigfaltigen und dem Gesetz die Dinge entstehen. Das Naturgesetz ist die Spontaneität in den Dingen, das objektive Bewußtsein und nicht das subjektive. Wir machen nicht den Zinnober rot und schwer, indem wir das in der Wahrnehmung gegebene Mannigfaltige spontan zum Gegenstand verknüpfen; denn isoliert genommen enthält weder das unverbundene Mannigfaltige noch die Kategorie die Nötigung zu einer so bestimmten Verknüpfung. Demgemäß heißt es auch in den Prolegomenen:
"Um alles bisherige in einen Begriff zusammenzufassen, ist zuförderst nötig, die Leser zu erinnern, daß hier nicht vom Entstehen der Erfahrung die Rede ist, sondern von dem, was in ihr liegt." (§ 21a)
Tatsächlich kann aufgrund des Ergebnisses der Deduktion: daß das Objekt in der objektiven Vorstellung besteht, das Entstehen der Erfahrung überhaupt nicht begriffen werden, weil wir nicht begreifen können, wie durch das Einwirken der Spontaneität auf die Rezeptivität, d. h. der Bestimmung auf das Bestimmbare, die Bestimmtheiten im Bewußtsein entstehen können. Objektive Vorstellungen sind als Einheiten im Bewußtsein gegeben; an diesen können wir die beiden Bestandteile unterscheiden, nämlich das Mannigfaltige und die Kategorie, die sich verhalten wie Rezeptivität zur Spontaneität. Diese beiden Bestandteile sind aber niemals getrennt vorhanden. Das Mannigfaltige ist nicht schon vor der Aufnahme in das Bewußtsein, etwa als zerstreutes, noch unverbundenes vorhanden, das seine Verbindung erst durch Bewußtsein erhielte. Vielmehr ist es nur im Bewußtsein gegeben, als Modifikation desselben und nur in Verbindung mit der Kategorie, d. h. an einem Gegenstand.
"Zum Beispiel wenn ich mir rot überhaupt vorstelle, so stelle ich mir dadurch eine Beschaffenheit vor, die (als Merkmal) irgend woran angetroffen, oder mit anderen Vorstellungen verbunden seink ann; also nur vermöge einer vorausgedachten möglichen synthetischen Einheit kann ich mir die analytische vorstellen. Eine Vorstellung, die als verschiedenen gemein gedacht werden soll, wird als zu solchen gehörig angesehen, die außer ihr noch etwas Verschiedens an sich haben, folglich muß sie in synthetischer Einheit mit anderen (wenn gleich nur möglichen Vorstellungen) vorher gedacht werden, ehe ich die analytische Einheit des Bewußtseins, welche sie zum conceptus communis macht, an ihr denken kann." (Kr. d. r. V. 660)
Das Mannigfaltige beruth also nicht auf der Rezeptivität der Sinnlichkeit, gleichwie die Kategorie nicht auf der Spontaneität des Verstandes beruth, sondern beide Bedingungen sind als Bestandteile an einer objektiven Vorstellung im Bewußtsein gegeben. Spontaneität und Rezeptivität sind nicht Funktionen des Bewußtseins in der Wahrnehmung, sondern diese Trennung wird vollzogen am Wahrgenommenen, bezieht sich also auf den Bewußtseinsinhalt. Die Sinnlichkeit besteht im Mannigfaltigen, bezeichnet das Mannigfaltige, wie auch der Verstand in der Kategorie besteht. Wir haben den objektiven Bestand der Erfahrung auf seine Bedingungen hin analysiert. Und nur so läßt es sich verstehen, wie wir objektive Vorstellungen haben können, wenn wir nämlich die Objekte nur in den Vorstellungen bestehen lassen, aber nicht, wenn wir die objektiven Vorstellungen durch den Einfluß äußerer Objekte entstehen lassen. Wenn der Gegenstand nur im Bewußtsein besteht, so kann von einer Entstehung objektiver Vorstellungen aufgrund der Wahrnehmung keine Rede mehr sein. Die Rezeptivität und Spontaneität des Bewußtseins auf die Wahrnehmung bezogen, zur Erklärung der Möglichkeit objektiver Vorstellungen, mußte zu unendlich vielen Mißverständnissen Anlaß geben.
Wir dürfen nun nicht mehr sagen, daß Objekte wahrgenommen werden, denn das apprehendierende Bewußtsein und der apprehendierte Gegenstand sind nicht getrennt vorhanden; sondern daß Objekte in der Wahrnehmung gegeben sind. Das Mannigfaltige kommt nicht durch die Sinne in uns, sondern liegt in den Sinnen, aber die Synthesis liegt nicht in den Sinnen, sondern im Verstand. Und darum muß die Einbildungskraft ein notwendiges Ingredienz der Wahrnehmung sein; sie heißt "produktiv", nicht weil sie die Verknüpfung a priori notwendig macht, sondern weil ihre Synthesis, die Synthesis der Apprehension, welche empirisch ist, der Synthesis der Apperzeption, welche intellektuell und gänzlich a priori in der Kategorie enthalten ist, notwendig gemäß sein muß. Das produktive Ich ist das Gesetz in den Dingen; und weil dieses Gesetz ein Denkgesetz ist, darum muß der empirische Gegenstand dem a priori im wissenschaftlichen Bewußtseins gedachten notwendig gemäß sein, da er sonst für uns nichts sein würde. Von einer verknüpfenden Tätigkeit des Ich in der Wahrnehmung kann keine Rede mehr sein, weil dieses Ich selbst in der Kategorie besteht, in dem Gesetz, auf dem die Dinge beruhen.
KANT faßt das Resultat dieser Deduktion der Verstandesbegriffe am Schluß der zweiten Bearbeitung in folgenden Sätzen zusammen:
"Wir können uns keinen Gegenstand denken, ohne durch Kategorien; wir können keinen gedachten Gegenstand erkennen, ohne durch Anschauungen, die jenen Begriffen entsprechen. Nun sind alle unsere Anschauungen sinnlich, und diese Erkenntnis, sofern der Gegenstand derselben gegeben ist, ist empirisch. Empirische Erkenntnis aber ist Erfahrung. Folglich ist uns keine Erkenntnis a priori möglich, als lediglich von Gegenständen möglicher Erfahrung ... Nun sind nur zwei Wege, auf welchen eine notwendige Übereinstimmung der Erfahrung mit den Begriffen von ihren Gegenständen gedacht werden kann: entweder die Erfahrung macht diese Begriffe, oder diese Begriffe machen die Erfahrung möglich. Das erstere findet nicht in Anbetracht der Kategorien (auch nicht der reinen sinnlichen Anschauung) statt; denn sie sind Begriffe a priori, folglich unabhängig von der Erfahrung (die Behauptung eines empirischen Ursprungs wäre eine Art von generatio aequivoca[Entstehung des Lebens aus nicht lebender Materie ohne Mithilfe Gottes - wp]). Folglich bleibt nur das Zweite übrig (gleichsam ein System der Epigenesis [nachträgliche Entstehung - wp] der reinen Vernunft): daß nämlich die Kategorien von Seiten des Verstandes die Gründe der Möglichkeit aller Erfahrung überhaupt enthalten ... Wollte jemand zwischen den zwei genannten einzigen Wegen noch einen Mittelweg vorschlagen, nämlich, daß sie weder selbstgemachte erste Prinzipien a priori unserer Erkenntnis, noch auch aus der Erfahrung geschöpft, sondern subjektive, uns mit unserer Existenz zugleich eingepflanzte Anlagen zu Denken wären, die von unserem Urheber so eingerichtet wurden, daß ihr Gebrauch mit den Gesetzen der Natur, an welchen die Erfahrung fortläuft, genau stimmte (eine Art von Präformationssystem der reinen Vernunft), so würde (außer dem, daß bei einer solchen Hypothese kein Ende abzusehen ist, wie weit man die Voraussetzung vorbestimmter Anlagen zu künftigen Urteilen treiben möchte) das gegen den gedachten Mittelweg entscheidend sein: daß in einem solchen Fall den Kategorien die Notwendigkeit mangeln würde, die ihrem Begriff wesentlich angehört." (Kr. d. r. V. 681f)
Dieser Grund ist es indessen nicht allein. Vielmehr würden wir bei der Annahme, daß wir durch die Kategorien die Dinge erkennen, wie sie ansich sind, einerseits in die Antinomie des Weltbegriffs geraten, und andererseits würde kein Raum mehr sein für die intelligible Welt. Nicht die Möglichkeit objektiver Erkenntnis wäre damit in Frage gestellt; denn die Naturwissenschaft geht ihren sicheren Weg, auch ohne eines Beglaubigungsscheins von der Philosophie zu bedürfen; sondern die Möglichkeit der übersinnlichen Welt, der Welt der Ideen. Freiheit, als die notwendige Voraussetzung aller Sittlichkeit, wäre nicht möglich in einer Welt, in welcher der Naturmechanismus allein als wirkende Ursache gilt. Die Kritik lehrt die Dinge in zweierlei Bedeutung nehmen: als Gegenstände der Erfahrung und als Dinge-ansich. Die Deduktion rechtfertigt den Gebrauch der reinen Verstandesbegriffe von Erfahrungsobjekten, und schränkt damit zugleich alles theoretische Erkennen auf bloße Erscheinungen ein. Damit ist der spekulativen Vernunft die Anmaßung übersinnlicher Einsichten genommen. Aber dieses anscheinend negative Resultat nimmt alsbald einen eminent positiven Charakter an,
"wenn man inne wird, daß die Grundsätze, mit denen sich spekulative Vernunft über ihre Grenze hinauswagt, in der Tat nicht Erweiterung, sondern .... Verengung unseres Vernunftgebrauchs zum unausbleiblichen Erfolg haben, indem sie wirklich die Grenzen der Sinnlichkeit ... über alles zu erweitern und so den reinen (praktischen) Vernunftgebrauch gar zu verdrängen drohen." (Kr. d. r. V. 22)
LITERATUR: Eduard Zwermann, Die transzendentale Deduktion der Kategorien in Kants "Kritik der reinen Vernunft", Kant-Studien, Bd. 5, Berlin 1901
Anmerkungen 1) Erlanger Inaugural-Dissertation 2) Die "Kritik der reinen Vernunft" ist nach der Ausgabe von Kehrbach (A) zitiert; auf diese beziehen sich die den Zitaten in Klammern beigefügten Seitenzahlen.