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Die angeblich falsche Wissenstheorie der Psychologie [Ein Protest!]
Gegen diese methodologische Forderung wird jedoch leider immer und immer wieder verstoßen. Kritiken, in denen Angriffe gegen Inhalt und Voraussetzungen einer Einzelwissenschaft promiscue [nicht klar voneinander geschieden - wp] auftreten, sind noch immer an der Tagesordnung. Namentlich die Psychologie mit ihren noch so vielumstrittenen materialen Voraussetzungen hat unter derartigen Angriffen viel zu leiden. In der Zeitschrift "Mind" stoßen wir im diesjährigen Januarheft auf einen Artikel, der uns typisch für jene Kampfesweise zu sein scheint. Es ist daher wohl nicht angebracht, wenn wir einmal, anhand einer Widerlegung dieses Artikels im Einzelnen, im Namen der Psychologie Protest gegen die ganze Kategorie solcher Angriffe einlegen. Der Titel jenes typischen Artikels lautet "Kritik der Behandlung des Wissens (knowledge) durch die Psychologen" und sein Verfasser H. A. PRICHARD wirft diesen Psychologen nicht mehr und nicht weniger vor, als daß sie alle miteinander:
2. den eigenartigen Charakter der Subjekt-Objekt-Beziehung, die in jedem Wissen enthalten ist, verkennen und 3. einem falschen Streben huldigen, die psychischen Erscheinungen "erklären" zu wollen. Denn diese Schriften sollen "ziemlich gut den Standpunkt der kurrenten Psychologie repräsentieren". Wir haben die angeführten Schriften nicht gelesen. Wir halten es aber, bei dem heißen Streit, der noch heute sowohl um die Voraussetzungen wie auch um die Inhalte der Psychologie tobt, und bei den grundsätzlich so verschiedenen Standpunkten, die in diesem Streit noch eingenommen werden, a priori für unmöglich, daß drei Schriften alle diese Standpunkte zu repräsentieren vermögen. Es scheint uns also hier gleich von vornherein eine durchaus unzulässige Verallgemeinerung vorzuliegen. Hier müssen wir somit zum ersten Mal Protest einlegen! Aber unterdrücken wir einmal diesen unseren Widerspruch, um zu sehen, ob die genannten Vorwürfe zumindest gegen die von WARD und STOUT vertretene Psychologie - soweit wir sie durch PRICHARD kennen lernen - berechtigt sind. Wir wollen diese Psychologie im Folgenden, im Anschluß an PRICHARDs Ausdruck, kurz die "kurrente Psychologie" nennen. Gehen wor also die drei Vorwürfe der Reihe nach durch. Da wird erstens behauptet, die kurrente Psychologie stehe auf dem Boden einer falschen Theorie des Wissens. Diese Behauptung wird im wesentlichen durch folgenden Gedankengang begründet: Nach der eigenen Erklärung jener Psychologie hat sich diese Wissenschaft mit den "Objekten" zu beschäftigen, insofern und insoweit sie Vorstellungen eines individuellen geistigen Subjektes sind. Die übrigen Einzelwissenschaften aber haben sich unter den verschiedensten Gesichtspunkten mit eben diesen "Objekten" zu beschäftigen, jedoch unter Abstraktion von der Tatsache, daß diese Objekte Vorstellungen eines individuellen geistigen Subjekts sind. Nun sind aber vorgestellte Objekte = gewußte Objekte (known objects). Es ergibt sich also, daß nur die Psychologie es mit den Objekten zu tun hat, soweit sie gewußt sein, die übrigen Einzelwissenschaften dagegen unter Abstraktion von diesem Gewußtwerden. Nun liegt es aber schon der Bedeutung des Wortes "knowledge" selbst, daß sein Objekt das gewußte Objekt sein muß. Schlußfolgerung: Die ganze Unterscheidung der Psychologie zwischen Objekt qua gewußtes Objekt und dem Objekt unter Abstraktion von seinem Gewußtwerden ist hinfällig. Die Psychologie und die übrigen Einzelwissenschaften gehen in gleicher Weise auf die gleichen realen Objekte. Es ist daher eine willkürliche Konstruktion der kurrenten Psychologie, wenn sie die vorgestellten Objekte (the objects as presented) gleichsam wie eine Wand zwischen den Geist und die außerbewußte Realität schiebt. Das Objekt des Bewußtseins, mit dem es die Psychologie zu tun hat, und die Objekte des Wissens, mit denen es die übrigen Wissenschaften zu tun haben, fallen untereinander und mit den realen außerbewußten und außergewußten Objekten zusammen. Soweit PRICHARD. Gegen seine Argumentation geben wir Folgendes zu bedenken: 1. Sie enthält eine quaternio terminorum [logischer Fehlschluß - wp], denn sie brauch das Wort "known" in zwei verschiedenen Bedeutungen. In dem Satz: "die vorgestellten Objekte sind known objects" bedeutet nämlich letzterer Ausdruck soviel wie: Objekte des Bewußtseins, oder (wie wir zur Vermeidung von Mißverständnissen lieber sagen möchten), Inhalte des Bewußtseins, Bewußtseinsinhalte. In dem Satz: "das Wort knowledge selbst involviert, daß die Objektes des knowledge known objects sind", bedeutet "known objects" soviel wie: Objekte des Wissens, Wissensinhalte. 2. Die Behauptung, daß die Bewußtseinsinhalte als solche und die Wissensinhalte als solche, sowohl miteinander als auch mit den realen Objekten zusammenfallen, mit der die ganze Argumentation steht und fällt, ist von PRICHARD weniger bewiesen, als stillschweigend vorausgesetzt. Wir möchten daher der Argumentation PRICHARDs unsere Ansicht gegenüberstellen hinsichtlich:
2. des Verhältnisses zwischen diesen beiden Inhalten einerseits und den realen Objekten andererseits. ad 2. Unser Wissen (knowledge) ist der Inbegriff allgemeingültiger Bestimmungen, die wir über den Bestand und die gegenseitigen Beziehungen der Gegenstände des Denkens ermittelt haben. Aber weder das von uns durch psychologische noch durch sonstige einzelwissenschaftliche Forschung erworbene Wissen setzt schon seinem Begriff nach eine Identität der gewußten Gegenstände mit den realen Gegenständen voraus. Der Begriff des Wissens als solcher läßt es vielmehr vollständig unentschieden, ob hier Identität vorliegt oder nicht. Die Gegenstände des Wissens sind Gegenstände des Denkens. Die über solche Gegenstände des Denkens in wissenschaftlichen Urteilen ausgesprochenen Behauptungen - die Wissensinhalte also - sind in ihrem Gültigkeitsanspruch vollständig unabhängig von ihrer Beziehung auf ein außergewußtes Wirkliches. Man kann über diese Beziehung bestimmte materiale Voraussetzungen machen. Letztere haben dann aber mit den einzelwissenschaftlichen Wissensinhalten und deren Gültigkeitsanspruch nichts zu tun. Sie dürfen in den Kreis einzelwissenschaftlicher Untersuchungen nicht hineingezogen werden (eine solche einzelwissenschaftliche Untersuchung ist zum Beispiel auch die Psychologie des Wissens!), sondern müssen der Erkenntnistheorie vorbehalten bleiben. Es ist daher auch keineswegs eine Konstruktion der kurrenten Psychologie, wenn diese ihre Urteile nicht unmittelbar auf die realen Gegenstände bezieht, sondern auf einen ganz bestimmten Kreis von Gegenständen des Denkens. Es ist vielmehr umgekehrt eine Konstruktion PRICHARDs, wenn er die Gegenstände der Psychologie und übrigen Einzelwissenschaften als solche mit den realen außerbewußten und außergewußten Gegenständen zusammenfallen lassen will; und zwar eine Konstruktion, die dadurch entsteht, daß PRICHARD Konsequenzen aus einem ganz bestimmten erkenntnistheoretischen Standpunkt unzulässigerweise in den Inhalt psychologischer Betrachtungen hineinträgt. Somit muß es als eine ungerechtfertigte Beschuldigung angesehen werden, wenn PRICHARD der kurrenten Psychologie vorwirft, sie stelle sich - durch eine Trennung ihrer Objekte von den übrigen einzelwissenschaftlichen wie auch von den realen Objekten - auf den Boden einer falschen Theorie des Wissens. Dieser ungerechtfertigten Beschuldigung gilt also unser zweiter Protest. Im Zusammenhang hiermit steht die unseres Erachtens unzutreffende Auffassung, welche PRICHARD von der geschichtlichen Entwicklung hat, der die von ihm bekämpfte Wissenstheorie ihr Entstehen verdanken soll. Das proton pseudos [erster Irrtum, erste Lüge - wp] liegt hier nach PRICHARDs Ansicht im Ausspruch LOCKEs:
Die innere Unhaltbarkeit von LOCKEs Standpunkt führte dann angeblich BERKELEY zu seiner Frage: Was brauchen wir die außerbewußte materielle Realität, wenn sie unserem Erkennen doch verschlossen bleibt? Fort mit ihr! Unser Wissen ist einzig und allein ein Wissen von unseren Perzeptionen und deren Aufeinanderfolge. Realität ist diesen Perzeptionen nicht durch die Beziehung auf ein materielles außerbewußtes Wirkliches gesichert, sondern sie besteht in eben ihrer vorstellungsmäßigen Wirklichkeit. Das Esse [Sein - wp] der Perzeptionen ist ihr Percipi [Wahrnehmen - wp]. Ausgehend von diesem verhängnisvollen Irrtum LOCKEs, der nur die Ideen, nicht die realen Gegenstände als Objekte des Verstandes anerkennen will, läuft jene ganze Entwicklung schließlich in den sogenannten "subjektiven Idealismus" hinaus, der da lehrt, daß unser Wissen kein Wissen von den realen Objekten, sondern nur von den Modifikationen unseres Geistes ist. Und dieser subjektive Idealismus ist der grundsätzliche Standpunkt der heutigen kurrenten Psychologie. Er ist es, der diese Psychologie zu ihrer falschen Lehre vom Wissen verleitet. LOCKE also ist auch hier zuletzt an allem Unheil schuld. So zumindest behauptet PRICHARD. Beginnen wir die Kritik dieser Behauptung mit einem Einwand, den PRICHARD sich selbst macht. Wenn ich - mit LOCKE - einen vorgestellten Stein eine Idee nenne, dann will ich damit keineswegs die außerbewußte Realität dieses Steins leugnen. Ich will damit vielmehr nur zum Ausdruck bringen, daß es eine Bewußtseinsrealität gibt, die die Vorstellung "Stein" zum Inhalt hat. Wie sich diese Bewußtseinsrealität zur außerbewußten Realität verhält, weiß ich nicht. Denn diese außerbewußte Realität und damit auch ihre Beziehung zum Bewußtsein und seinen Inhalten, ist I know not what. [Ich weiß nicht was. - wp] Der angegriffene "kurrente" Psychologe würde meines Erachtens einen solchen Einwand durchaus mit Recht machen. PRICHARD fertigt ihn mit der Behauptung ab, es sei ein Postulat unseres Denkens, daß alles Gewußte eine vom Wissen selbst unabhängige Existenz hat. Das liege schon im bloßen Begriff des Wissens. Richtig verstanden enthält diese Behauptung einen wahren Kern. Die Gegenstände des Denkens erweisen sich - insfoern wir sie, für die Zwecke der Wissenschaften, durch Abstraktion aus den Daten der Sinneswahrnehmung gewinnen - in ihrem Bestand und in ihren gegenseitigen Beziehungen als unabhängig von uns, als denkenden Subjekten. Wir können und müssen somit in den Wissenschaften über die Gegenstände des Denkens allgemeingültige Urteile fällen, die völlig unbeeinflußt und völlig unabhängig von allen Zutaten des denkenden Subjekts sind. Hierin besteht die geforderte und gerühmte "Objektivität" der Wissenschaft. Sie besteht also nicht etwa darin, daß ihre Gegenstände die realen selbst und nicht Gegenstände des Denkens wären, oder darin, daß ihre Gegenstände zwar Gegenstände des Denkens aber als solche zugleich mit den realen Objekten identisch wären. Wir vermögen nicht einzusehen, daß diese Identität ein Postulat unseres Denkens sein soll. Sie scheint uns vielmehr lediglich die Folgerung aus einem ganz bestimmten - nämlich dem PRICHARDs - erkenntnistheoretischen Standpunkt zu sein. Es ist also eine petitio principii [es wird vorausgesetzt, was erst zu beweisen ist - wp], wenn man jene Folgerung einfach als Postulat unseres Denkens dekretiert und dann der kurrenten Psychologie dadurch einen Strick zu drehen versucht, daß man sie als im Widerspruch zu jenem vermeintlichen Postulat stehend bezeichnet. Die ganze Argumentation erinnert auffallend an die Art und Weise, in der einst der Common-sense-Philosoph THOMAS REID gegen seine empiristischen Vorgänger polemisierte. Auch REID bezeichnete LOCKEs, BERKELEYs und vor allem HUMEs Lehre als Idealismus. Er macht ihr zum Vorwurf, daß ihre Welt der Ideen, losgelöst von den realen Objekten wie auch vom realen Subjekt, gleichsam frei schwebt und so ein schemenhaftes Dasein führt, das unter den Stürmen des skeptischen Zweifels notwendig in nichts zerfließen muß. REID behauptet demgegenüber, daß alle Bewußtseinsinhalte die Beziehung auf ein reales Subjekt und Objekt als immanenten Bestandteil in sich schließen. Und zwar ist das Bewußtsein von dieser Beziehung mit einem eigentümlichen Gültigkeitsgefühl (belief) verknüpft und beruth auf einer natürlichen Anlage unseres Geistes selbst. Die Beziehung der Bewußtseinsinhalte auf ein reales Objekt und Subjekt ist somit eine Wahrheit des natürlichen gesunden Menschenverstandes und als solche höher als alle philosophierende Vernunft. Wir haben in der Tat auch bei der Lektüre von PRICHARDs Aufsatz erwartet, die Berufung auf den gesunden Menschenverstand irgendwo auftauchen zu sehen zur Begründung der Behauptung, daß die Gegenstände des Wissens identisch sind mit den realen Objekten. Es wäre das ein kurzes und einfaches Verfahren gewesen! PRICHARD hätte dann - wie einst REID - "auf dem Faulbett des gesunden Menschenverstandes" sich aller ernsthaften Arbeit an den erkenntnistheoretischen Problemen entziehen können. Es findet sich aber bei PRICHARD diese Berufung auf den gesunden Menschenverstand nicht vor, zumindest nicht unmittelbar. Wohl aber etwas Ähnliches! Er sagt nämlich, es widerstreitet der Natur des Wissens selbst, anzunehmen, daß das gewußte Objekt nicht mit dem realen Objekt zusammenfällt; es sei der dieser Annahme widersprechende "Druck der realen Tatsachen selbst" zu groß usw. Allen diesen Behauptungen gegenüber gilt es zunächst den philosophiegeschichtlichen Zusammenhang richtig zu stellen. Ist durch LOCKEs Definition: "Eine Idee ist alles, was Objekt des menschlichen Verstandes ist, wenn ein Mensch denkt" das erkenntnistheoretische Problem wirklich in die Bahnen eines subjektiven Idealismus gelenkt und damit von vornherein in einen hoffnungslosen Zustand gebracht worden? Steckt wirklich in irgendeiner Form von Idealismus das philosophiegeschichtlich bedeutsame Moment in der Lehre der großen Empiristen? Wir glauben kaum! Denn was heißt Idealismus? Diese Frage ist nicht leicht zu beantworten, denn wir haben es hier mit einem philosophischen Terminus zu tun, der zur Bezeichnung einer bestimmten Richtung innerhalb der verschiedenartigsten Problemzusammenhänge benutzt wird. Für unseren Zusammenhang, indem es sich um die erkenntnistheoretischen Voraussetzungen der kurrenten Psychologie handelt, kann der Terminus nur in einer erkenntnistheoretischen Bedeutungs ins Treffen geführt werden. Wir werden also unter Idealismus etwa zu verstehen haben: "denjenigen erkenntnistheoretischen Standpunkt, der einiges oder alles an der Erkenntnis für subjektiven Ursprungs, für abhängig von der Konstitution des Geistes, für bloße Vorstellung (Idee) hält" (FALKENBERG). Gegensatz ist dann offenbar ein Realismus, der unsere Erkenntnisse ihrem Ursprung nach für mehr oder weniger unabhängig von subjektiven Momenten erklärt. Wollen nun - so haben wir demnach zu fragen - LOCKE, BERKELEY und HUME behaupten, daß unsere Erkenntnisse ihrem Ursprung nach wesentlich abhängig von subjektiven Momenten sind, wenn sie erklären, daß alle diese unsere Erkenntnisse sich zuletzt auf das einfache Material unserer "Ideen" der Sensation und Reflexion) zurückführen lassen? Wir glauben nicht, daß die genannten Empiristen diese Behauptung aufstellen wollen. Wir finden vielmehr überall Erklärungen, die im entgegengesetzten Sinn aufzufassen sind. LOCKE lehrt, daß die Tatsache der Existenz unserer Sensationsideen die Existenz außerbewußter Dinge verbürgt. Wenn die außerbewußten Dinge auf den Geist einwirken, so rufen sie in ihm die Sensationsideen hervor und diese sind in ihrem Ursprung völlig von jenen abhängig. BERKELEY weist es ebenfalls energisch zurück, daß man seinen Perzeptionen lediglich einen subjektiven Ursprung zuschreibt. Er erklärt ausdrücklich, daß wir unsere Perzeptionen nicht selbst hervorbringen können, daß diese vielmehr eine äußere Ursache haben müssen. Wenn er dann weiter diese äußere Ursache nicht in materiellen Substanzen, sondern in Geistern sucht, so ist das kein (erkenntnistheoretischer) Idealismus, sondern ein (metaphysischer) Immaterialismus. Auch HUME hat sich in ähnlicher Weise ausgesprochen. Es ist auch für ihn völlig ausgeschlossen, daß unsere Perzeptioinen rein subjektiven Ursprungs sein und aus der Energie des Geistes selbst entstammen können. Es gilt ihm vielmehr als sicher, daß die Impressionen im Geist aufgrund irgendwelcher (wenn auch unbekannter) Ursachen entstehen und daß der Verlauf unserer Impressionen durch außerbewußte (wenn auch geheime) Kräfte geregelt ist. Die Empiristen lehren also nicht, daß es keine außerbewußten Gegenstände der Ideen gibt. Sie lehren ebenfalls nicht, daß unsere Ideen ohne eine Beziehung zu solchen außerbewußten Gegenständen sind. Eine solche Beziehung lassen sie vielmehr ausdrücklich bestehen durch die Anerkenntnis, daß die Ideen ihrem Ursprung nach von etwas Außerbewußtem abhängig sind. Dagegen behaupten sie, daß sowohl die außerbewußten Gegenstände selbst, wie auch die Natur der Beziehung zwischen diesen und unseren Ideen unserer Erkenntnis stets und notwendig verschlossen bleibt. Die Betonung des englischen Empirismus liegt darin, daß er dem alten Rationalismus folgende Thesen entgegensetzt:
2. Sie geht in keinem Fall über den Kreis möglicher Erfahrung hinaus. Die Frage, welche PRICHARD beschäftigt, die Frage also nach der Beziehung unserer Ideen oder Wissensinhalte auf eine außerbewußte Wirklichkeit, lehnen die Empiristen ab, weil sie den Kreis möglicher Erfahrung überschreitet und daher unbeantwortbar ist. Sie setzen sich damit in einen Gegensatz zum überlieferten Rationalismus, welcher die Frage nach der Beziehung unserer Wissensinhalte auf das Wirkliche dahin beantwortet, daß er behauptete, unser denkendes Erkennen - unsere Ratio - vermag das Wesen dieses Wirklichen adäquat zu erfassen. Sie setzen sich damit aber nicht als Idealisten in einen Gegensatz zu irgendeiner Form des Realismus. Denn sie geben auf die Frage nach der Beziehung der Ideen auaf das außerbewußte Wirkliche, mit der es der Idealismus-Realismus-Streit zu tun hat, überhaupt keine Antwort, erklären sie für unbeantwortbar. Es ist also an der Zeit, daß man die Probleme Idealismus-Realismus und Empirismus-Rationalismus endlich einmal gründlich aus der Verschlingung löst, in die sie durch REID gebracht worden sind und in der sie bei PRICHARD verharren. Wer hier nicht zu trennen vermag, was zu trennen ist, dem muß für die geniale erkenntnistheoretische Großtat des kantischen Kritizismus das Verständnis völlig verschlossen bleiben. Dem philosophiegeschichtlichen Mißverständnis aber, das die angeblich falsche Wissenstheorie der kurrenten Psychologie auf einen idealistischen Irrtum LOCKEs und seiner empiristischen Nachfolger zurückführen will, gilt unser dritter Protest. Nach all dem können wir die übrigen Vorwürfe, welche PRICHARD gegen die kurrente Philosophie erhebt, kurz abtun. Sie sind eigentlich schon durch die vorhergehenden Ausführungen mit erledigt. Die Psychologie verkennt - so lautet der zweite Vorwurf - den eigentümlichen Charakter der Subjektiv-Objekt-Beziehung, wie sie im Wissen vorliegt. Sie will unterscheiden zwischen dem Stuhl als solchem und der Vorstellung von einem Stuhl, also dem Akt eines psychischen Individuums, in welchem sich dieses bewußt wird, daß der Stuhl so und so beschaffen ist. Aber diese Unterscheidung verhilft der Psychologie nicht zu der von ihr gewünschten Trennung ihrer Gegenstände von denen der übrigen Einzelwissenschaften. Denn eine Vorstellung ist weit davon entfernt ein Akt zu sein, wie oben beschrieben. Es gibt keine Aktionen unseres Geistes durch die wir Gegenstände schaffen, welche wir alsdann zu Inhalten unseres psychologischen Wissens machen. Diese psychologischen Wissensinhalte setzen sich nicht aus besonderen, gleichsam erst zwischen Geist und Realität dazwischen geschobenen, vorgestellten Gegenständen oder Ideen zusammen, sondern sie gehen genau wie die übrigen Einzelwissenschaften, unmittelbar auf die realen Gegenstände selbst. Ganz allgemein also geht unser Wissen unmittelbar auf diese realen Gegenstände selbst. Die Psychologie studiert also nicht - wie die kurrente Ansicht behauptet - die Welt als vorgestellte Welt. Die Hinzufügung von: "als vorgestellte" kann die Bedeutung des Wortes "Welt" nicht ändern. "Die Psychologie studiert die vorgestellte Welt", würde im Grunde nichts anderes heißen, als "die Psychologie studiert die Welt". Damit wäre aber die Psychologie gegen die übrigen Einzelwissenschaften nicht abgegrenzt. Soweit wieder PRICHARD. Es ist hiergegen all das vorzubringen, was auch gegen den ersten Vorwurf vorzubringen war. Wir wiederholen, daß es kein Postulat unseres Denkens, sondern nur die Konsequenz einer bestimmten erkenntnistheoretischen Lehrmeinung ist, wenn man die Identität der Gegenstände unseres Wissens mit den außergewußten Gegenständen für gesichert hält. Die kurrente Psychologie hat, ebensowenig wie die übrigen Einzelwissenschaften, etwas mit dieser Frage der Identität oder Nichtidentität zu schaffen. Die Beziehung der Gegenstände des Denkens auf das Wirkliche geht diese Disziplinen nichts an, sondern sie bleibt einzig und allein der Erkenntnistheorie zur Untersuchung vorbehalten. Von der Entscheidung, welche die Erkenntnistheorie über diese Frage trifft, müssen die Einzelwissenschaften sowohl ihrem Inhalt als auch der wechselseitigen Abgrenzung ihrer Gegenstände nach völlig unangefochten bleiben. Dehnen nur nunmehr unsere Betrachtung über die bisher als kurrente Psychologie bezeichnete Psychologie des Dr. WARD und STOUT hinaus, so glauben wir, gleich von vornherein die Psychologie so definieren zu können, daß die Angriffe PRICHARDs sie schon ex definitione nicht treffen können. Zum Beispiel: Die Psychologie ist die Lehre von den geistigen Vorgängen als solchen, sowie vom Zusammenhang dieser geistigen Vorgänge mit gewissen organischen Bewegungsvorgängen. Diese Definition will keineswegs den Anspruch für sich erheben, mustergültig zu sein, oder von allen Psychologen anerkannt werden zu müssen. Sie soll nur eine von den vielen möglichen Definitionen der Psychologie sein, die zeigen, daß das Gebiet der Psychologie völlig eindeutig gegen die Gebiete der übrigen Einzelwissenschaften abgegrenzt werden kann und daß die Lehren der Psychologie als solche unmöglich in irgendeinen Widerspruch treten können zu Annahmen, die man hinsichtlich der im Wissen vorliegenden Subjekt-Objekt-Beziehung macht. Der Behauptung also, daß die heutige Psychologie notwendig das Wesen der eigentümlichen Subjekt-Objekt-Beziehung verkennt, die im Wissen vorliegt, gilt unser vierter Protest. Der dritte und letzte Vorwurf PRICHARDs gegen die kurrente Psychologie behauptet, daß diese von einem unzulänglichen Streben beseelt ist, "Erklärungen" geben zu wollen. Sie sucht die höheren und entwicklungsgeschichtlich späteren geistigen Prozesse aus den niederen und entwicklungsgeschichtlich frühren abzuleiten. Worin aber - so wird sie PRICHARD fragen - kann dieses Streben anders seinen Ursprung haben, als eben in jener bekämpften falschen Wissenstheorie der Psychologie? Diese Wissenstheorie stützt sich auf die Ideenlehre LOCKEs und meint, einen geistigen Vorgang erklärt zu haben, wenn sie ihn auf einfache Ideen zurückgeführt hat. Für PRICHARD aber liegt in einer solchen Zurückführung durchaus nichts Erklärendes. Es läßt sich hier überhaupt nichts erklären. Jeder geistige Prozeß ist etwas so eigenartiges, daß er aus einem anderen ebensowenig abgeleitet und verständlich gemacht werden kann, wie etwa der Geist selbst aus der Materie. Wenn PRICHARD mit den Behauptungen, die er der Wissenstheorie der kurrenten Psychologie entgegensetzte, sich dem alten Rationalismus bedenklich näherte, so segelt er bei seiner Bekämpfung der psychologischen "Erklärungen" bereits völlig in einem rationalistischen Fahrwasser. Er fordert demgemäß, daß solche Erklärungsversuche der alten Vermögenspsychologie wieder Platz machen sollen und erklärt die Psychologie PLATOs und ARISTOTELES' für die beste! Wir aber wollen, bei aller Anerkennung der Verdienste dieser rationalistischen Psychologie im Einzelnen, dennoch in der Umwandlung der Psychologie in eine reine Erfahrungswissenschaft - in jener Umwandlung also, die erst mit den englischen Empiristen in entscheidender Weise einsetzte - einen bedeutenden grundsätzlichen Fortschritt sehen. Wir wollen es uns nicht nehmen lassen, solche psychologische "Erklärungen" stets mit Freude zu begrüßen, die erfolgreich darauf ausgehen, komplizierte uns uns ihrem Bestand nach problematische geistige Vorgänge auf einfachere und uns relativ bekannteres zurückzuführen. ![]() ![]() |