tb-2p-4von AsterO. KülpeE. MachW. Reimer    
 
HANS KLEINPETER
Zur Begriffsbestimmung
des Phänomenalismus


"Pearson urteilte treffend, als er feststellte, daß die  Notwendigkeit in die Welt der  Begriffe gehört und nicht in die der  Wahrnehmung. Hatte schon  Hume sich etwas ungeschickt über den Begriff der Ursache geäußert, so irrte  Kant vollends, als er die Wahrnehmung der Aufeinanderfolge, die eine Sache bloßer, direkter Empfindung ist, aus einer Verstandeshandlung herzuleiten unternahm."

"Die sogenannte  Realität der Natur existiert eben nur in der Einbildung der Philosophen und Physiker. Wirklich gegeben sind uns einzig und allein die Empfindungen."

Was  Külpe der Philosophie als Aufgabe zuweist, erscheint bei den Naturforschern als Objekt der Naturwissenschaft; was  Külpe Realität nennt, nennen alle Naturforscher  Hypothese oder  Theorie oder  Begriff oder  Symbole oder  Bilder,  Mach auch  Gedanken."

"Ein positives Wahrheitskriterium gibt es nicht, wohl aber ein negatives. Die Bestätigung einer Theorie durch die Erfahrung beweist noch nicht deren Richtigkeit, wohl aber die Nichtbestätigung deren Falschheit."

"Die Zeiten sind endgültig vorbei, wo es sich der Philosoph erlauben konnte, geringschätzig auf die Erfahrung herabzublicken. Sie ist die einzige Quelle naturwissenschaftlicher Einsicht und ihre Prophezeiung deren einziges Ziel."

Die phänomenalistische Weltanschauung ist in dieser Zeitschrift erst kürzlich Gegenstand einer Erörterung gewesen (1). Seither ist aber eine Reihe von Veröffentlichungen über den gleichen Gegenstand erschienen (2), aus denen ersichtlich ist, daß es vielfach für den Phänomenalismus gar nicht zutreffende Voraussetzungen waren, die als Grundlage der Beurteilung gedient haben. Der Phänomenalismus ist zum Teil gar nicht so, wie er in den Schriften dieser Kritiker erscheint. Es scheint daher angemessen, zunächst die ihm untergeschobenen Ansichten richtig zu stellen. Ferner wird er auch oft mit anderen Ansichten jener Denker, die als seine Hauptvertreter gelten können, vermengt. Es gelangen so zwar keine minderwertigen Elemente in seinen Gedankenbereich, aber der sachlichen Erörterung steht eine solche Vermengung ansich doch einigermaßen heterogener Bestandteil gewiß im Weg.

Unter diesen Umständen scheint es mir nicht überflüssig, unter Berücksichtigung der erhobenen Einwände nochmals festzustellen, was Phänomenalismus ist und was nicht; und im letzteren Fall, ob es sich um ansich ebenso richtige, jedoch nur nicht phänomenalistische Ansichten seiner Anhänger oder um unrichtige Voraussetzungen seiner Gegner handelt.

Die Wurzel des Phänomenalismus liegt in den Arbeiten der drei großen Klassiker der Erkenntnistheorie: LOCKE, BERKELEY, HUME. Es ist seine Ansicht, daß die Kritik, die unsere Erkenntnis durch diese Denker erfahren, noch bis heute nicht widerlegt wurde, und daß insbesondere ein Eindringen in das Verständnis der Dinge selbst, d. h. eine metaphysische Erkenntnis der Dinge ganz und gar unmöglich ist. So erscheint es ihm beispielsweise unmöglich - weil unbegreiflich -, die Wirkung eines Dings auf das andere wahrzunehmen (3), ja überhaupt als unmöglich, ein Ding wahrzunehmen, sofern man unter diesem Wort im Sinne KANTs - durch den diese Lehren Eingang in den deutschen Phänomenalismus gefunden haben - ein hinter den Erscheinungen außerhalb des menschlichen Bewußtseins liegendes  X  versteht.

Der Phänomenalismus ist mit KANT einig in der Unmöglichkeit einer begrifflichen Bestimmung von solchen Dingen; dagegen vermag er dem bloßen Grenzbegriff "Ding-ansich" keine so hohe Bedeutung beizumessen, und vollends muß er sich verwahren gegen KANTs Versuch, auf Umwegen diesem Begriff ein wirkliches Dasein einzuflößen. Seine Ansicht ist vielmehr klipp und klar die, daß einem Begriff, der seinem innersten Wesen nach undefinierbar und unfaßbar ist, in der Wissenschaft überhaupt gar keine Rolle zukommt.

Indessen denkt der Phänomenalismus andererseits wieder viel positiver als KANT. Ihm ist die Welt der Bewußtseinserscheinungen kein bloßer Schein, sondern Realität (4). Unser Leben besteht eben im Haben von Bewußtseinserscheinungen; wo kein Bewußtsein, da ist zumindest geistiger Tod. Und das Denken ist nur eine Sache der Lebenden. Es ist überflüssig, sich darüber den Kopf zu zerbrechen, was wäre, wenn wir nicht wären. Nur an möglichen Elementen seines Bewußtseins hat der Mensch ein Interesse; mag außerhalb desselben allenfalls eine Geisterwelt noch so sehr ihren Spuk treiben, den Menschen kann sie ganz kalt lassen, solange sie nicht in sein Bewußtsein hineinreicht.

Also muß alles, was vernünftigerweise Gegenstand der Wissenschaft werden kann, Teil unseres Bewußtseins werden  können  (5); in diesem Sinne hat WILHELM SCHUPPE von "Immanenz" gesprochen, und dieser Ansicht schließt sich der Phänomenalismus an.

Die Realitäten, das Wirkliche oder Gegebene, sind ihm die Bewußtseinserscheinungen selbst, nicht aber irgendein hypothetisches, transzendentes  X. (6).

Wenn nun jemand erklärt, er könne sich die Erscheinungen des Bewußtseins nicht anders "erklären" als durch die Annahme von Dingen-ansich, so hat der Phänomenalismus gerade nichts Besonderes dagegen, nur darf der Betreffende diese hypothetisch angenommenen Dinge nicht als bestimmbar ansehen.

Es gehört zu den Eigenheiten des Phänomenalismus, daß er gegenüber ausgeprägten philosophischen Anschauungen ein Bild möglichster Zurückhaltung darbietet; es sind mit ihm sogar mehrere verschiedene philosophische Anschauungen vereinbar, sofern dieselben nur als Hypothesen verstanden werden und der Grundauffassung für die reine Wissenschaft ihr Recht gewahrt bleibt. Das hat in ungemein klarer Weise WILLIAM KINGDON CLIFFORD (7) auseinandergesetzt, der den Phänomenalismus als Grundlage nimmt, auf der er eine eigene philosophische Theorie aufrichtet, die er aber ausdrücklich bloß als Hypothese bezeichnet. In diesem Sinne hat es auch MACH als "höchste Philosophie des Naturforschers" bezeichnet, "eine unvollendete Weltanschauung zu  ertragen  und einer scheinbar abgeschlossenen, aber unzureichenden vorzuziehen" (8). Dieses Moment darf bei einer richtigen Einschätzung der phänomenalistishen Naturanschauung nicht außer acht gelassen werden.

Nach phänomenalistischer Anschauung herrscht ein fortwährendes Kommen und Gehen von Bewußtseinserscheinungen, die MACH insgesamt mit dem Wort  Empfindungen  zu bezeichnen pflegt, weil sie ja eben alle "empfunden" werden. Diesem fließenden Strom gegenüber nimmt der Mensch die Rolle eines  Beobachters  ein, aber nicht die eines ganz im stillen, unbeteiligt zusehenden; sondern manchmal greift er auch selbst in diesen Strom und ändert - im allgemeinen nur wenig - dessen Fluß.

Solcher Art ist die Stellung des Menschen in der Welt nach phänomenalistischer Anschauung.

Wenn also KÜLPE in seiner neueren Publikation (9) erklärt, "das Kommen und Gehen der Sinnesinhalte, ihr längeres oder kürzeres Verweilen, ihre Koexistenz und Sukzession, ihre Konfiguration und Ordnung weisen zweifellos eine von uns unabhängig bestehende  Gesetzlichkeit  auf", so hat das der Phänomenalismus gar nie bezweifelt, sondern eben stets gerade dies behauptet. Noch viel weniger hat MACH jemals die ihm von PLANCK (10) zugemutete Ansicht geteilt (oder auch nur hierzu die geringste Veranlassung gegeben, daß man sie von ihm vermuten könnte), daß unsere Erfahrungen etwas willkürliches wären und zwei widersprechende Experimente Recht behalten könnten. Ein solcher Unsinn ist nur von der Naturphilosophie des HEGELschen Zeitalters ("Umso schlimmer für die Tatsachen"), wie es scheint allen Ernstes für wahr gehalten worden.

Insofern ist also die Formulierung der Aufgabe der Wissenschaft bei MACH und KÜLPE genau die gleiche (und auch etwa bei HERTZ, KIRCHHOFF, CORNELIUS, CLIFFORD, PEARSON); nur besteht allerdings in der Terminologie ein recht erheblicher Unterschied. Was KÜLPE der Philosophie als Aufgabe zuweist, erscheint bei den Naturforschern als Objekt der Naturwissenschaft; was KÜLPE "Realität" nennt, nennen alle Naturforscher "Hypothese" oder "Theorie" oder "Begriff" oder "Symbole" oder "Bilder", MACH auch "Gedanken".

Und die Aufgabe der Naturwissenschaft bietet sich nun, wie ich glaube, mit unübertrefflicher Klarheit unseren Augen dar (11). Zuerst kommt es darauf an, die Zusammenhänge im "Kommen und Gehen der Sinnesinhalte" festzuhalten; dazu gehört Beobachtung (unterstützt durch das Experiment). Daß es die Sinnesinhalte selbst sind, an denen man die gesetzlichen Beziehungen erkennt, hat MACH neuerdings mit Entschiedenheit betont (12) und auf ganz klare Fälle wie Spektrum, NEWTONsches Farbenglas und anderes hingewiesen. Dann kommt als zweiter Schritt die Wiedergabe der gemachten Erfahrungen durch die Hilfsmittel der Sprache, des Bildes und eventuell eigens erdachter Zeichensysteme (algebraische und chemische Formeln). Als dritter Schritt kommt die Operation mit den benutzten Symbolen, die neue Ergebnisse liefert, die sich wieder an den Empfindungen prüfen lassen; das Ergebnis ist entweder eine Bestätigung der Verwendbarkeit der Symbole oder die Notwendigkeit einer Korrektur oder selbst eines völligen Ersatzes durch ein anderes Zeichensystem.

Das ist der Weg, den die Naturwissenschaft seit jeher gegangen ist, und den MACH u. a. unter den Schlagworten  "Anpassung der Gedanken an die Tatachen"  und  "Anpassung der Gedanken aneinander"  beschrieben hat. So viel mir scheint, ist hier in großen Zügen die erkenntnistheoretische Stellung der Naturwissenschaft in endgültiger Weise festgestellt worden, und ich habe mich vergebens bemüht, die von KÜLPE befürchtete Schädigung der Naturwissenschaft durch "konszientalistische und phänomenalistische Grämlichkeiten" zu entdecken. Ich denke, die Erkenntnistheorie der Naturforschung hat gerade unter phänomenalistischer Führung die glänzendsten Erfolge davonzutragen gewußt, denen der philosophische Realismus heute noch nichts an die Seite zu stellen vermag, und gerade sie läßt auch die Bahn frei zu weiterer Forschung, während der Realismus - wie schon MAXWELL erkannte - durch seine vorgefaßten Ideen schädlich wirken kann.

Und wonach wird diese gerichtet sein? Was KÜLPE a. a. O. als Aufgabe der Erkenntnistheorie beschreibt, kommt nicht dieser zu, sondern der Naturwissenschaft, die "als ein Produkt von Erfahrung und Denken", die "Bilder" setzt um mich der Terminologie von HERTZ zu bedienen. Aber mit der obigen, dem Phänomenalismus eigentümlichen Formulierung sind nur gewisse grobe Umrisse gezogen, innerhalb deren die Ansichten verschiedener Denker noch recht weit auseinandergehen können. LOCKE, HUME, GOETHE, MACH, KIRCHHOFF, HERTZ, PEARSON, CORNELIUS, ZIEHEN, VERWORN sind alle im angeführten Sinn Phänomenalisten, und MAXWELL steht an der Schwelle zu dieser Auffassung unseres Verhältnisses zur Natur. Aber nun erhebt sich eine  zweite Frage:  Welcher Art sind denn die Konstruktionen, die HUME "Vorstellungen", HERTZ "Bilder", MACH, MAXWELL und KIRCHHOFF "Theorien" oder "Begriffe", ersterer auch einfach "Gedanken", KÜLPE unter Berufung auf PLATO "Gedankendinge" nennt?

Hier gehen die Meinungen der einzelnen Denker heute noch auseinander; hier vor allem wird die erkenntnistheoretische Forschung einzusetzen haben. KÜLPE polemisiert gegen das Recht der anderen hier angeführten Bezeichnungen, die doch wohl durch die Arbeiten der angeführten Denker genügend Bürgerrecht erworben haben, aber mit welchem Recht? Solange es gar nicht feststeht, was man unter Begriff zu verstehen hat, und in welchen Verhältnissen er zur Vorstellung steht, und was dieses Wort bedeuten soll usw., ist jede Diskussion darüber doch sinnlos. Aufgabe der zukünftigen Forschung wird es eben sein müssen, hier klare Verhältnisse zu schaffen, d. h. die Begriffe und die zu deren Bezeichnung dienenden Worte entsprechend abzugrenzen. KÜLPE bezeichnet die "Gedankendinge" als etwas "Drittes". Aber damit allein ist noch nichts gesagt, - ebensowenig wie z. B. durch KANTs Begriff der  Anschauung.  Man müßte hier eine ausführlichere Bestimmung abwarten, bevor sich überhaupt ein Urteil fällen läßt. Das ist die Aufgabe, die der Realismus lösen müßte, um seine Berechtigung zu erweisen.

MACH bemüht sich vor allem, die Verwandtschaft der Begriffe - wie wir hier kurz sagen wollen - mit den Sinnesempfindungen darzulegen; er nimmt in dieser Frage einen möglichst empirisch-sensualistischen Standpunkt ein; HERTZ läßt die Frage nach dem Wesen der Begriffe dahingestellt und begnügt sich mit dem Gegensatz: gegebene Empfindungen einerseits, vom menschlichen Geist ersonnene Begriffe andererseits. Von mathematischer Seite ist den Begriffen im allgemeinen eine erhöhte Selbständigkeit zugeschrieben worden. Ich habe in einem früheren Artikel (13) die Begriffe als Operationen bezeichnet, die durch ihre Kombination allenfalls zu einer anschaulichen Vorstellung führen können, aber nicht müssen.

Diese Anschauungsweise hängt zusammen mit einer Auffassung der Willenserscheinungen, wie sie z. B. EBBINGHAUS vertritt. Sie bilden danach nicht eine Klasse neben Empfindungen und Gefühlen; sondern, was an ihnen wahrnehmbar ist, gehört ganz in das Gebiet der Empfindungen und Gefühle. Aber mit dem, was an ihnen wahrnehmbar ist, erschöpft sich ihre Bedeutung noch nicht. Es gehen im menschlichen Organismus unzählige Vorgänge vor sich, die ansich gar nicht bewußt werden, die aber doch - auch für die Psychologie - äußerst wichtig sind. Was wir Willensvorgang nennen, ist ein Prozeß im Organismus, von dem einige Teile oder Seiten zum Bewußtsein gelangen. Und zu solchen Willenshandlungen rechne ich nun auch die mathematischen Begriffe. Die Mathematik ist nicht eine Wissenschaft von der Art der Naturwissenschaft; ja sie nicht nur eine Wissenschaft allein, sondern daneben auch eine Fertigkeit, Kunst, Technik oder wie man nun sagen will. Die Tätigkeit des Mathematikers besteht nämlich einerseits im Rechnen, d. h. in der beständigen Kombination gewisser Tätigkeiten, andererseits auch in der Betrachtung der Eigenschaften, welche die so geschaffenen Gebilde aufweisen. Ich nehme daher an der Bemerkung KÜLPEs (14), daß auch Begriffe ohne anschaulichen Inhalt verwendet werden, keinen Anstoß; nur glaube ich allerdings nicht, daß Druck oder Zug etwas anderes als sinnliche Empfindungen sind. Ihr Unterschied hiervon kann höchstens einen ganz geringen Grad von Abstraktion ausmachen. Der Begriff der Einfühlung scheint mir hier ganz überflüssig zu sein.

Doch welche Ansicht man auch über die Natur unserer Begriffe oder "Bilder" hegen mag, die phänomenalistische Anschauungsweise steht keiner dieser Auffassungsweisen im Weg; sie alle sind verträglich mit der Grundauffassung, daß der Mensch nur ein Zuschauer auf der Weltenbühne ist, daß sein  Denken  die Naturerscheinungen nicht zu  zwingen,  sondern nur in ihrem Verlauf zu  beschreiben  vermag. Das betrachte ich als den Kern der phänomenalistischen Anschauungsweise.

Nun werfen sich freilich gleich noch andere Fragen auf; zunächst die, wie die Beschreibung zu geschehen hat. MACH hat darauf zunächst in seinem Vortrag "Über der Prinzip der Vergleichung in der Physik" (15), dann in dem über *"Die ökonomische Natur der physikalischen Forschung" (16) geantwortet, KIRCHHOFF hat mit Rücksicht darauf die bekannte Definition der Mechanik (und die weniger bekannte der Wärme) aufgestellt, HERTZ spricht von einer "Zweckmäßigkeit" des Bildes. Der Sinn all dieser Äußerungen ist der gleiche. Die Ökonomie des Denkens ist einfach eine Tatsache, die sich an zahllosen Beispielen aus dem Leben der Forschung darlegen läßt. Daß verschiedene Theorien über dasselbe Tatsachengebiet möglich sind, das hat vor allem HERTZ in der Einleitung zu seiner Mechanik ausführlich auseinandergesetzt (17). Natürlich darf das nicht so verstanden werden, daß über ein und dieselbe  Einzel tatsache widersprechende Meinungen möglich wären. Sehr richtig bemerkte F.C.S. SCHILLER in seinem Vortrag auf dem Kongreß in Bologna:  "Only the whole truth can be wholly true."  Man kann speziell in der Physik jeden einzelnen Satz (wie z. B. das Energieprinzip, den Trägheitssatz und dgl.) umstoßen;  nur im System des Ganzen liegt Wahrheit So sagt auch VOLKMANN (18), daß jeder physikalische Satz eigentlich erst durch den Zusammenhang mit den anderen seine volle Wahrheit erhält.

Nun ist das aber durchaus nicht Phänomenologie, sondern Denkökonomie. Zwischen beiden besteht sozusagen eine Art Personalunion, die durch MACH, HERTZ und KIRCHHOFF repräsentiert ist, und wohl auch ein gewisser innerer Zusammenhang; immerhin wäre es aber denkbar, daß ein Denker z. B. nur Phänomenalist wäre, ohne sich weiter Gedanken über den ökonomischen Vorgang beim Denken gemacht zu haben. Es sind das zwei verschiedene Dinge, die sich einigermaßen gesondert, jedes für sich, betrachten lassen.

Wenn es trotzdem notwendig ist, in diesem Zusammenhang auch die Frage der Denkökonomie kurz zu berühren, so ist die Schuld daran ein peinliches Mißverständnis, das PLANCK (19) unterlaufen ist und sich auch in der philosophischen Literatur hier und da vorfindet. Es scheint nämlich, daß manche Menschen sich das Wort "Ökonomie" nicht anders als in Verbindung mit einem tüchtigen Geldsack vorstellen können. Die auch von PLANCK erwähnte Tatsache, daß die Physik praktischen Bedürfnissen entsprungen ist, hat nur einen mehr äußerlichen Zusammenhang mit dem Prinzip der Denkökonomie. Es ist eben eine Tatsache, daß jeder Physiker eine einfachere Theorie einer komplizierteren vorzieht, - ohne dabei aber an finanzielle Ersparnisse zu denken. Ein Beispiel mag als Beleg genügen. Als HERTZ seine Versuche über elektrische Wellen veröffentlichte und sie im Sinne eines optischen Bildes darlegte und deutete, da standen auch die Vertreter des bisher auf dem Kontinent geltend gewesenen alten elektrischen Bildes auf und zeigten, daß sich diese Erscheinungen sehr wohl auch von diesem Standpunkt aus deuten und erklären lassen (20). Trotzdem hat diese Anschauungsweie seither an Geltung verloren; die Physiker wandten sich dem neuen MAXWELL-HERTZschen Bild zu, eben weil es einfacher war. Das ist sozusagen eine biologische Tatsache, die sich aus der Funktionsweise unseres Organismus erklärt. Unser Organismus arbeitet beim Denken ebenso wie in der Technik oder in der Wirtschaft; diese weitgehende, das  ganze  menschliche Streben charakterisierende Analogie hat eben MACH aufgedeckt. Daß man durch das Ökonomieprinzip alle Metaphysik ausscheidet, hat meines Wissens MACH nirgends behauptet; aber allerdings bildet es eines der Fundamente, die zu einer natürlichen ametaphysischen Auffassung führen. Diesbezüglich verweise ich auf die Darstellung meiner Erkenntnistheorie (21), Seite 10f.

Was den von PLANCK so sehr betonten Unterschied zwischen Stabilität und Ökonomie betrifft, so ist derselbe tatsächlich nicht groß. Man kann ja erwarten, daß man schließlich das einfachste, zweckmäßigste Bild finden wird, und wenn dieses Ereignis einmal eingetreten sein wird, dann ist die Stabilität da. Wie immer man aber auch über die Chancen der Erreichung dieses Zieles denken mag, in absehbarer Zeit wird sie keinesfalls eintreten. Das liegt noch in weitester Ferne und es erscheint wenig opportun, schon jetzt darüber zu debattieren. Das kann künftigen Jahrtausenden überlassen bleiben. Vorläufig behält jedenfalls MACH recht; unser physikalisches Weltbild wird sich noch weiter entwickeln; es entwickelt sich ja schon jetzt unter unseren Augen weiter (elektromagnetische Weltanschauung, Relativitätstheorie), und es wird sich noch viel weiter entwickeln müssen, denn das heutige ist voller Widerspruch (22).

Schließlich ist es natürlich unsinnig, von einer erkenntnistheoretischen Auffassungsweise die Produktion physikalischer Erkenntnisse zu erwarten. Das ist und bleibt eben Sache der physikalischen Forschung; das einzige, was die Erkenntnistheorie an Hilfe leisten kann, ist, daß sie falsche Auffassungsweisen in den Grundlagen und Grundmitteln fernhält (23).

Ein zweiter Gesichtspunkt, der mit dem Phänomenalismus meist verknüpft erscheint, ist der des  Empirismus.  Auch hier begegnet uns in MACH, HERTZ, KIRCHHOFF eine Personalunion. "Und doch kann das, was aus Erfahrung stammt, durch Erfahrung wieder vernichtet werden", heißt es bei HERTZ (24). Es ist speziell das Hauptverdienst MACHs, die Unmöglichkeit eines a priori auf naturwissenschaftlichem Gebiet nachgewiesen zu haben. Ich glaube, daß hierin alle Physiker, auch PLANCK, eines Sinnes sind; dagegen bin ich nicht ebenso überzeugt, daß auch die Vertreter des philosophischen Realismus diesen Satz anerkennen. Gemeinsam mit dem erkenntnistheoretischen oder aprioristischen Idealismus, der den eigentlichen Gegenpol zum Empirismus darstellt, scheint auch dem Realismus ein gewisser Glaube an unabänderliche, allgemeine und notwendige Wahrheiten a priori eigen zu sein. Insbesondere teilt er mit seinem idealistischen Halbbruder den Glauben an den alten platonischen Wahrheitsbegriff. Wesentlich anders ist der empiristische oder relativistische Wahrheitsbegriff. Es ist unmöglich, von einem festen Punkt auszugehen und deduktiv ein geschlossenes System ansich wahrer Erkenntnisse zu entwickeln - etwa nach dem Vorbild von EUKLID. Ganz richtig ist dieser ganzen Richtung von SCHILLER vorgeworfen worden, daß sie außerstande ist, die Möglichkeit eines Irrtums zu begreifen. Sehr deutlich kann man bei KANT sehen, welchen ungeheuren Schwierigkeiten diese Aufgabe begegnet. Er sieht sich zu dem verzweifelten Ausweg gedrängt (25), die Möglichkeit eines Irrtums aus der Wechselwirkung von Sinn und Verstand herzuleiten; denn für sich allein muß jede Kraft der Natur ohne Ausnahme ihren Weg gehen. Das ist eben die Schwäche am Rationalismus. Erkenntnis und Irrtum sind in Wahrheit Brüder des gleichen Stammes, und gerade das bringt der Phänomenalismus, verbunden mit Empirismus, auf das Schönste zum Ausdruck: auf der einen Seite das Gegebene der Erfahrung, auf der andern die Konstruktionen des menschlichen Geistes. Letztere können ebensogut falsch wie richtig ausfallen, nachfolgende Erfahrung entscheidet hierüber.  Ein positives Wahrheitskriterium gibt es nicht, wohl aber ein negatives.  Die Bestätigung einer Theorie durch die Erfahrung beweist noch nicht deren Richtigkeit, wohl aber die Nichtbestätigung deren Falschheit. Unter der Wirksamkeit dieses negativen Wahrheitskriteriums findet nun eine  natürliche Auslese  der wahren und der falschen Theorien statt und so wächst die Wissenschaft heran.

Es gibt eine Verwandtschaftsbeziehung des Phänomenalismus der Spontaneität. Ebenso wie KANT betrachtet auch der Phänomenalismus die wissenschaftlichen Theorien als Schöppfungen der Verstandestätigkeit - und zwar als ziemlich freie Schöpfungen, die sich nicht etwa aus den Erfahrungen durch direkte logische Schlußfolgerungen oder Abstraktionen deduzieren lassen (26) - aber während der Kantianismus schon aus diesem subjektiven Ursprung allein die notwendige und allgemeine Gültigkeit der Theorie folgert, verlangt der phänomenalistische Empirismus erst deren Bestätigung durch die nachfolgende Erfahrung. Was aus dem Subjekt stammt, braucht gerade ebendeshalb noch nicht objektiv richtig zu sein. daß sich eben  jede  theoretische Anschauung hinterher durch die Erfahrung prüfen lassen muß, das hatten KANT und seine idealistischen Nachfolger eben nicht erkannt.

Aber die phänomenalistische Anschauungsweise bildet noch einen großen Vorzug gegenüber sämtlichen anderen Weltanschauungsformen; sie ist die einzige, die beim Übertritt auf das psychologische Gebiet nicht versagt. Nur, wenn man den Atomen, Kräften, Massen, Energien der Physik nicht die Bedeutung von ansich seienden Realitäten, sondern nur die von bloßen Denkmitteln, von Abstraktionen unseres Verstandes oder begrifflichen Konstruktionen unserer Phantasie beilegt, ist man imstande, Physisches und Psychisches in seinem gegenseitigen Verhältnis zu verstehen. Die Tatsachen des Bewußtseins bilden das Gegebene; aus ihnen formt man die physischen Begriffe wie die psychischen. Was ist Materie? HEINRICH HERTZ gibt darauf die Antwort: "Ein Masseteilchen ist ein Merkmal, durch das wir einen bestimmten Punkt des Raums zu einer gegebenen Zeit eindeutig zuordnen einem bestimmten Punkt des Raumes zu jeder anderen Zeit." Man vergleiche, um den tieferen Sinn dieses Satzes erfassen zu können, hiermit die Ausführungen von MAX VERWORN in seinem Vortrag: "Die Frage nach den Grenzen der Erkenntnis" (27) oder die von HANS CORNELIUS in seiner Antrittsvorlesung "Die Erkenntnis der Dinge ansich" (28). Materie bedeutet im wesentlichen soviel wie Funktionszusammenhang. Daß sich an einem bestimmten Ort Materie befindet, heißt, daß sich unter Einhaltung gewisser Bedingungen bestimmte Erscheinungen einstellen (29). Dieser konstante funktionelle Zusammenhang ist das Wesentliche am Begriff der Materie. Man könnte auch sagen: der Begriff der Materie bezeichnet die Knoten, in denen die Weltbilder verschiedener Personen miteinander verknüpft erscheinen.

Hat man sich in diese Auffassungsweise der Dinge einmal eingelebt, so wird man auch keinen unvereinbaren Gegensatz zwischen psychischen und physischen Begriffen mehr fühlen. Die persönlichen, subjektiven Erfahrungen werden sich an das der ganzen Menschheit gemeinsame Weltbild anfügen; der klaffende Spalt des Dualismus verschwindet; das dem psycho-physischen Parallelismus fehlende Band erscheint. Gerade dieser Umstand bildete für MACH die Veranlassung zur Aufstellung seines Weltbildes; er wollte einen Standpunkt einnehmen, den man beim Übergang in ein Nachbarfach nicht gleich wieder zu verlassen braucht. Seine frühzeitige Beschäftigung mit KANT und FECHNER mochte dieses Bedürfnis geweckt haben.

So sehen wir dann, daß gerade die phänomenalistishe Auffassungsweise der Dinge dem Bedürfnis größerer Wissensgebiete entgegenkommt. Nirgends ist auch nur eine Spur von Schranken zu erblicken, die sie der freien Forschung auferlegen würde; im Gegenteil, soweit als es in der kurzen Spanne Zeit ihrer Geltung ihren wenigen Anhängern möglich war, hat sie solche aus dem Weg hinweggeräumt. Die phänomenalistische Anschauung ist in gewissem Sinne eine Forderung der Exaktheit der Forschung; der einzelne Forscher mag sih ja bei seiner Tätigkeit dieses oder jenes mehr oder wenig gekünstelten Bildes bedienen: das ist seine Privatangelegenheit; aber eine Sache von allgemeinstem Interesse ist es, die sicheren Ergebnisse der Wissenschaft in möglichst hüllenloser Form vor sich zu haben (30). Und eben das ist der Zweck der phänomenalistischen Weltanschauung; insofern ist sie antimetaphysisch: Metaphysik Privatsache! Und das in der Philosophie wie in der Naturwissenschaft.

Blicken wir nun auf die Vorwürfe zurück, die gegen den Phänomenalismus erhoben worden sind, so müssen wir sagen: der Vorwurf, daß von ihm aus die Naturgesetzlichkeit nicht begriffen werden kann (31), ist völlig haltlos; hierfür ist nicht der Schatten eines Beweises erbracht worden. Auch nach phänomenalistischer Sicht gibt es eine vom Subjekt unabhängige Gesetzlichkeit der Natur. Diese abzubilden ist ja von MACH und HERTZ eben als Aufgabe der Naturwissenschaft erklärt worden. Was dieses Mißverständnis der MACHschen Ansichten hervorgerufen haben kann, erscheint mir unerfindlich; bei PLANCK dürfte der Schluß etwa der gewesen sein: nach MACH ist uns nur das Subjektive gegeben; das Subjektive unterliegt aber der Willkür. Demgegenüber ist natürlich zu betonen, daß "unsere Empfindungen nah MACH nichts Subjektives sind, sondern Subjektives und Objektives zugleich" (32). Zweitens folgt daraus, daß etwas subjektiv ist, noch lange nicht, daß es eine Sache der Willkür ist. Diese irrtümliche Gleichsetzung scheint bis auf KANT zurückzugehen.

Der zweite Vorwurf, den KÜLPE erhebt, daß die Sinnesdaten keinen genügend sicheren Boden geben, nimmt heute kaum ein Naturforscher, auch PLANCK nicht, ernst. Die Zeiten sind endgültig vorbei, wo es sich der Philosoph erlauben konnte, geringschätzig auf die Erfahrung herabzublicken. Sie ist die einzige Quelle naturwissenschaftlicher Einsicht und ihre Prophezeiung deren einziges Ziel.

Eine wirklich berechtigte Diskussion ist nur möglich über die Natur unserer Denkmittel. Diese Frage zur Lösung zu bringen, kann man im allgemeinen als philosophische Aufgabe betrachten. Aber der Phänomenalismus kann bestehen bleiben ganz unabhängig davon, wie diese Lösung ausfällt. Mit seinem Grundgedanken völlig verträglich ist die Annahme der Eigengesetzlichkeit, ja, ich möchte fast sagen: der Unabhängigkeit des Denkens von der Erfahrung. Das "Abbilden" ist nicht so zu verstehen, daß das Denken die Natur Tag für Tag kopiert; es schafft vielmehr Bilder, an die man die drei Forderungen von HERTZ zu stellen hat:
    1. daß sie logisch zulässig (widerspruchsfrei),

    2. daß sie richtig (d. h. mit der Erfahrung übereinstimmend sind) und

    3. daß sie zweckmäßig sind (was mit der Forderung der Ökonomie zusammenfällt).
In welchem Verhältnis nun die Begriffe zu den Empfindungen stehen, das ist die Frage. Ich glaube, auch MACH hat beide nicht gleichgesetzt. Aber es besteht wenigstens ein ähnliches Verhältnis wie zwischen Gold und Papiergeld; das letztere verliert allen Wert, wenn es nicht durch Gold gedeckt ist. Und bei vielen philosophischen Begriffen scheint mir dieser kritische Fall vorzuliegen; deshalb betonen Naturforscher, die noch den Zusammenbruch der Philosophie erlebt haben, die Notwendigkeit einer gehörigen Fundierung. Darin liegt auch der Grund, weshalb des Sprache in Begriffen denkt (und nicht in Empfindungen); es ist der gleiche, aus dem sich der Kaufmann des Schecks und des Wechsels bedient.

Völlig unzutreffend ist schließlich der Vorwurf von KÜLPE (33), der Phänomenalismus hätte, "statt dem Geist der gegebenen Naturerkenntnis unbefangen nachzugehen", es vorgezogen, sich ein Ideal der Wissenschaft zu konstruieren. Damit verhält es sich gerade umgekehrt. Der Phänomenalismus ist eben gerade aus der unbefangenen Betrachtung der Naturerkenntnis entstanden, während der philosophische Realismus von vornherein einen fixen Wissenschaftsbegriff an die Sache herangebracht hat. Deshalb hat sich ja MACH bemüht, die Wege zu studieren, welche die Wissenschaft wirklich geht, während KÜLPE auf dem Standpunkt steht, daß sich hieraus keine Berechtigung des wissenschaftlichen Verfahrens herleiten läßt (34).

So wie die Sachen heute liegen, bietet der Phänomenalismus die Möglichkeit einer einheitlichen und geschlossenen Weltanschauung, ohne doch, wie das bei philosophischen Anschauungen sonst so häufig der Fall ist, der Forschung vorzugreifen. Ebendeshalb scheint mir auf seiner Grundlage eine wissenschaftliche Philosophie möglich, die sich in Hypothesen über den sicheren Rahmen der Wissenschaft hinaus ergeben und so eine Anregung zu weiterer wissenschaftlicher Forschung geben mag. Eine solche Hypothese mag auch der Realismus sein; aber es wäre verkehrt, wenn man die von ihm erst zu konstruierenden Phantasiegebilde als "Realitäten" nehmen wolle, die etwa gar noch eine höhere Gewißheit haben sollten als die direkte Empfindung, die, wie ja KÜLPE richtig hervorhebt, eigentlich jenseits von Falsch und Wahr steht, und gerade ebendeshalb jenes Kriterium besitzt, das sie zur Grundlage des Wissens geeignet erscheinen läßt. Realitäten im Sinne des Realismus zu konstruieren, ist ansich ein berechtigtes Streben, aber man darf nie vergessen, daß die Erfahrung das letzte entscheidende Wort über ihre Setzung zu sprechen hat.
LITERATUR - Hans Kleinpeter, Zur Begriffsbestimmung des Phänomenalismus, Vierteljahrsschrift für wissenschaftliche Philosophie und Soziologie, 36. Jhg., Neue Folge, Bd. XI, Leipzig 1912
    Anmerkungen
    1) KLEINPETER, Die phänomenologische Naturanschauung und der philosophische Realismus, Jhg. 34, Seite 46f.
    2) OSWALD KÜLPE, Erkenntnislehre und Naturwissenschaft, Leipzig 1911. Derselbe: Die Philosophie der Gegenwart in Deutschland, fünfte Auflage, 1911. MAX PLANCK, Die Einheit des physikalischen Weltbildes, Physikalische Zeitschrift, Bd. 10, Seite 62. Derselbe: Zur Machschen Theorie der physikalischen Erkenntnis, diese Zeitschrift, Bd. 34, Seite 497. Vgl. hierzu ferner: ERNST MACH, Die Leitgedanken meiner naturwissenschaftlichen Erkentnislehre und ihre Aufnahme durch die Zeitgenossen, Scientia, Bd. 7, 1910. Derselbe: Sinnliche Elemente und naturwissenschaftliche Begriffe, Pflügers Archiv für die gesamte Physiologie, Bd. 136, 1910, Seite 263f.
    3) Hierüber urteilt PEARSON treffend: "Necessity belongs to the world of conceptions, not to that of perceptions" [Notwendigkeit gehört in die Welt der Begriffe, nicht in die der Wahrnehmung. - wp], Grammar of Science, second Edition, London 1900, Seite 134. Hatte schon HUE sich etwas ungeschickt über den Begriff der Ursache geäußert, so irrte KANT vollends, als er die Wahrnehmung der Aufeinanderfolge, die eine Sache bloßer, direkter Empfindung ist, aus einer Verstandeshandlung herzuleiten unternahm.
    4) Und zwar deshalb letzte Realität, weil er keine darüber hinausgehende kennt.
    5) Aber deshalb nicht immer im Bewußtsein gegenwärtig sein!
    6) Die sogenannte "Realität" der Natur existiert eben nur in der Einbildung der Philosophen und Physiker. Wirklich gegeben sind uns eben einzig und allein die Empfindungen. Natürlich darf man aber  subjektiv  nicht gleich  willkürlich  setzen, wie es PLANCK und KÜLPE zu tun scheinen (Philosophie der Gegenwart, Seite 32)
    7) W. K. CLIFFORD, Von der Natur der Dinge an sich, Leipzig, 1903
    8) MACH, Mechanik, sechste Auflage, Seite 505
    9) OSWALD KÜLPE, Erkenntnistheorie und Naturwissenschaft, Seite 14
    10) MAX PLANCK, Die Einheit des physikalischen Weltbildes, Physikalische Zeitschreift, Bd. 10. Seite 73
    11) Am prägnantesten hat HEINRICH HERTZ den Standpunkt des Phänomenalismus in der Einleitung zu seiner Mechanik sowie in der zu seinen elektrischen Arbeiten entwickelt. Es ist einigermaßen auffallend, daß PLANCK auf diese Schriften gar keinen Bezug genommen hat.
    12) MACH, Sinnliche Elemente und naturwissenschaftliche Begriffe, a. a. O.
    13) KLEINPETER, Vom Wesen des Begriffs, diese Zeitschrift, Bd. 33, Seite 455f
    14) OSWALD KÜLPE, Erkenntnistheorie und Naturwissenschaft, Seite 19
    15) MACH, Populärwissenschaftliche Vorträge
    16) MACH, Pop.-wiss. Vorträge
    17) HERTZ, Prinzipien der Mechanik, Gesammelte Werke, Bd. III
    18) PAUL VOLKMANN, Erkenntnistheoretische Grundzüge der Naturwissenschaft, Leipzig 1896
    19) Zur Machschen Theorie der physikalischen Erkenntnis, diese Zeitschrift, Bd. 34, Seite 499. "Die wissenschaftliche Physik ist, wie von allen Seiten anerkannt wird (von den idealistischen Philosophen nicht! Anm. H. K.), menschlich praktischen Bedürfnissen entsprungen; also, schließt MACH, ist die physikalische Erkenntnis im Grunde ökonomischer Art." Mit Verlaub, so schließt eben MACH nie und nirgends, sondern er hebt die ökonomische Funktion der physikalischen Begriffe hervor, die Erfahrung ersparen; siehe "Populärwissenschaftliche Vorträge", Seite 217 - 244. Die Entstehung der Physik aus praktischen Bedürfnissen hat damit gar nichts gemein, sondern ist eine Sache für sich.
    20) So z. B. JOSEF STEFAN, in den "Berichten der Wiener Akademie".
    21) KLEINPETER, Die Erkenntnistheorie der Naturwissenschaften, Leipzig 1903
    22) Siehe J. B. STALLO, Die Begriffe und Theorien der modernen Physik, Leipzig 1911. STALLOs Kritik ist eigentlich eine Kritik der konsequent weiter im Sinne des philosophischen Realismus entwickelten Naturanschauunge; sie ließe sich übrigens auch auf die modernsten Begriffe der heutigen Physik übertragen. Es gibt übrigens in der modernen Physik gar kein einheitliches Weltbild.
    23) PLANCK fügt außerdem noch eine Kritik einzelner physikalischer Lehren MACHs an, die mit dem Gegenstand in gar keinem Zusammenhang stehen. Es ist hier nicht der Ort, darauf näher einzugehen; Nichtphysiker möchte ich nur aufmerksam machen, daß auch hier Behauptungen vorgeführt werden, die zumindest eine nicht ganz ausreichende Kenntnis dieser Fragen betreffenden Literatur verraten.
    24) HERTZ, Mechanik, a. a. O., Seite 11
    25) KANT, in Anfang der Dialektik (Kritik der reinen Vernunft).
    26) Es scheint, daß KÜLPE den Ausdruck "Nachbildung von Tatsachen" zu wörtlich aufgefaßt hat. Das Nachbilden ist nicht als photographische Kopie aufzufassen; aber der  Zweck  naturwissenschaftlichen Denkens ist doch stets ein Ersatz der Tatsachen durch Gedankengebilde zum Zweck ihrer Vergegenwärtigung.
    27) MAX VERWORN, Die Frage nach den Grenzen der Erkenntnis, Jena 1908
    28) HANS CORNELIUS, Die Erkenntnis der Dinge an sich, Logos, Bd. 1, 3. Heft, Tübingen 1911
    29) Daher gebraucht VERWORN den Namen "Konditionalismus" für diese Richtung.
    30) Vgl. MAXWELL: "Wenn wir andererseits eine physikalische Hypothese wählen, so sehen wir die Erscheinungen wie durch eine gefärbte Brille und sind zu jener Blindheit gegen Tatsachen und einer Voreiligkeit in den Annahmen geneigt, welche eine auf einem einseitigen Standpunkt stehende Erklärung begünstigt." (Über Faradays Kraftlinien, übersetzt von BOLTZMANN, Leipzig 1895, Seite 4; gesprochen im Jahr 1855!! Ähnlich GOETHE, Weimarer Ausgabe, 11. Bd., II. Abteilung, Seite 132. Sollten MAXWELLs Worte nicht eine treffende Bestätigung an den modernen Physikern gefunden haben?
    31) Zum Beispiel KÜLPE, Philosophie der Gegenwart, Seite 32. Ähnlich bei PLANCK.
    32) MACHs Ansicht ist aus dem Idealismus hervorgegangen. Die objektive Bedeutung der Empfindungen findet sich in den ersten Schriften, die wohl einzi und allein PLANCK kennen gelernt haben dürfte, nicht nachdrücklich hervorgehoben. Es geschah dies aber später wiederholt.
    33) KÜLPE, Philosophie der Gegenwart, Der Positivismus: Ernst Mach, Seite 32
    34) KÜLPE, a. a. O. Seite 31.