tb-4 Simon KatzensteinRudolf E. MartinDomela Nieuwenhuis    
 
ALBERT R. PARSONS
Anarchisten vor Gericht
- der Haymarket-Prozeß Chicago 1886 -
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"Wenn wir nun nicht direkt mit dem Bombenwurf in Zusammenhang gebracht werden können, wo ist das Gesetz, welches besagt, daß  diese Leute  herausgesucht und bestraft werden sollen? Zeigen Sie mir das Gesetz, wenn es vorhanden ist. Falls der Standpunkt des Gerichtshofes richtig ist, dann müßte die halbe Stadt, die Hälfte der Bevölkerung unserer Stadt gehängt werden, denn sie ist ebensogut für jenen Vorfall vom 4. Mai verantwortlich, wie wir, und wenn die Hälfte der Bevölkerung von Chicago gehängt werden soll, dann zeigen Sie mir das Gesetz, nach welchem acht Männer herausgesucht und als Sündenböcke gehängt werden sollten. Sie haben kein solches Gesetz."

    BLACK sagt, sie seien Humanisten. Versuchen Sie nicht, meine Herren, die Frage zu umgehen.  Anarchie steht vor Gericht;  die Angeklagten werden wegen Hochverrat und Mord prozessiert."

    Herr BLACK: "Die Anklage lautet nicht auf Hochverrat oder doch Herr GRINNELL?"

    Herr GRINNELL: "Nein". [aus der Schlußrede des Staatsanwalts]
Erst durch dieses Zwiegespräch in den letzten Worten der Schlußrede des Staatsanwalt erfuhren die acht Angeklagten von der Anklagebehörde, daß Anarchie in diesem Prozeß involviert war, und weil sie sich zu dieser Doktrin bekannten, verlangten die Gegner das Todesurteil.

Diese Ankündigung kam den Angeklagten umso überraschender, als sie auf die vielfachen Angriffe hin, die man während des Prozesses auf sie als Sozialisten und Anarchisten gemacht hatte, von ihrem Anwalt verlangt hatten durch Zeugen nachzuweisen, was  Anarchie,  deren Schüler und Apostel sie waren, bedeutet und bezweckt. Weil sie Anarchisten waren, verlangte der Staatsanwalt ein Todesurteil, doch erst wenige Augenblicke bevor der Fall an die Geschworenen ging.

Herr FOSTER, der als Kriminaladvokat einigen Ruf in seinem bisherigen Wohnort genossen hatte und daraufhin hinzugezogen worden war, bestand darauf, den Fall als reinen Mordfall zu verhandeln und weiter nichts zu berücksichtigen, als was Bezug habe auf die Ermordung eines gewissen MATHIAS J. DEGAN; denn darauf lautete die Anklage.

Er wies die Idee, der Gerichtshof oder die Geschworenen könnten über die politischen Ansichten der Angeklagten zu Gericht sitzen wollen mit Entrüstung von sich. Er konnte nicht einsehen, wie man ihre Ansichten zu einem Kriminalfall stempeln und sie als soziale Ketzer mit dem Todesurteil bestrafen wollte. Captain BLACK war anderer Ansicht, wurde jedoch von der Majorität überstimmt und Herrn FOSTERs Ansicht siegte.

Um die Worte eines Herrn aus Eau Claire, Wisconsin, welcher für ein leitendes Chicagoer Blatt korrespondierte, zu zitieren:
    "Mitten im Prozeß, während diese Frage noch unentschieden war, kam eine Aufforderung aus Chicago an einen wohlbekannten Bürger von Eau Claire, auf einer Konferenz der Chicagoer Anarchisten zu erscheinen. Der ausgezeichnete Bürger war kein anderer als Stadtrat CHARLES L. JAMES, ein Mann, der über 20 Jahre in dieser Stadt lebt und stets als ein Vorbild des Fortschritts, des anarchistischen Sozialismus gegolten hat; der Mann, der die Literatur verschiedener Sprachen durchforscht hatte, um Belege für seine Theorien zu finden, welcher selbst ein Gelehrter, der jüngste Sohn keines Geringeren, als des Gelehrten und Literaten GEORGE P. R. JAMES war, des Geschichtsschreibers WILHELM IV., der Verfasser einer ganzen Bibliothek von Romanen, kein anderer als der  "Solitary Horseman." 

    Dank der  Beschränkungstaktik  des Herrn FOSTER wurde unter anderen auch der Versuch des Herrn JAMES, vor Gericht das Wesen unserer Propagand auseinanderzusetzen, unterdrückt. Er kam aus Chicago nach Hause, in seinem Herzen betrübt, daß man ihn nicht hatte sprechen lassen. Um sich selbst jedoch zu genügen, legte er in der "North American ReviewQ das nieder, was er vor Gericht hatte sagen wollen. Der Brief erschien in der Julinummer dieser periodischen Zeitschrift, welche nur Beiträge der besten Schriftsteller aufnimmt. Das Folgende ist ein Auszug und enthält das Wesentlichste dessen, was Herr JAMES den Geschworenen und dem Land über den Prozeß hatte sagen wollen und hätte sagen sollen:

"Ein Anarchist über Anarchie."

Die Konkurrenz unter den Kapitalisten setzt beständig den Preis der Waren auf den Preis der Herstellung herab. Mehr und mehr wird dadurch eine bis ins Kleinste gehende Arbeitsteilung notwendig. Die technische Fertigkeit und Schulung, welche den altmodischen Schuhmacher und Grobschmied unabhängig machte, gilt nichts mehr; die Arbeiter werden zu Teilen der Maschinen, an denen sie arbeiten, degradiert; die Konkurrenz unter den Beschäftigung suchenden Arbeitern wird immer größer; häufiger wiederholen sich die Zeiten, wo der Arbeiter außer Brot ist und anstatt behaglich zu leben zum Landstreicher wird. Ist es da nicht natürlich, daß solche Zustände dazu beitragen, die revolutionäre Unzufriedenheit der Gebildeten, die in Hoffnung und Genuß erzogen sind und sich hoffnungslos von jenen, die sie in keiner Weise als Höherstehende betrachten können, getrennt sehen, zu steigern? Die Kluft, welche unser Gesellschaftssystem in einen Abgrund zu stürzen droht, wird durch die Vernichtung der Kleinkapitalisten im Kampf der Konkurrenz, durch das Wachsen der Monopole noch beträchtlich erweitert. Diese Spaltung der Gesellschaft in zwei Lager hält gleichen Schritt mit der Verarmung der arbeitenden Klasse. Das Elend und die Gefahren, welche gerade durch die Natur des modernen Handels und Gewerbe bedingt sind, werden durch periodische Marktüberfüllungen noch verschlimmert. In den Zeiten der Spekulation werden mehr Produkte auf den Markt gebracht als die Käufer verlangen. Das Angebot ist größer als die Nachfrage, und notwendigerweise wendet sich das Kapital von diesem Geschäftszweig ab und anderem zu. Auf der traurigen Bahn dieser Übersiedlung geht es vorbei an Bankrotten, Stillstand, verminderter Produktion und verringertem Konsum, und Liquidation, bis die finanzielle Krise mit dem allmählichen Wiedererwachen des Geschäftslebens abschließt. Die Schwankungen und die Unsicherheit in der Währung, welche das Spekulationsgeschäft überall mit sich bringt, erhöhen den kritischen Charakter dieser zeitweiligen Rückschläge. Man hat diesem Übel soweit abzuhelfen versucht, indem man neue Absatzgebiete in den neuen Ländern, in Amerika, Ägypten, Indien, China etc. aufsuchte. Wenn aber auch das ein Ende nimmt und ein Handelssystem sich über die ganze Welt ausbreitet, dann, wenn nicht schon eher, werden Preise in Wirklichkeit auf die Produktionskosten reduziert sein und die Katastrophe der gewinnlosen Produktion bricht herein. Anarchie, wie sie die Anarchisten auffassen, ist somit das unvermeidliche Ende der jetzigen Strömung und Richtung, welche die Dinge nehmen.

Pfuscher mögen allerlei Mittel erfinden, um diese Katastrophe hinauszuschieben; die NAPOLEONs und BISMARCKs mögen sie eine Zeit lang im Blut ersticken, aber je länger dieselbe hinausgeschoben wird, umso fruchtbarer muß der Rückschlag sein, welcher sie schließlich hervorbringt. Das allein ist staatsmännische Weisheit, welche Institutionen, die dem Tod verfallen sind, auch sterben läßt. Das ist die einzige Reform, welche in weniger schmerzvoller Weise der Revolution vorgreift.

DYER D. LUM, C. S. GRIFFIN, Mrs. LUCY E. PARSONS, Mrs. HOLMES, Mrs. AMES, A. W. SIMPSON, JOHN A. HENRY, WILLIAM HOLMES und viele andere wohlbekannte Anarchisten, die 8 Anarchisten auf der Anklagebank eingeschlossen, suchten wiederholt im Laufe des Prozesses um die Erlaubnis nach, vor dem Gerichtshof und den Geschworenen erklären und definieren zu dürfen, was die spekulative Philosophie, welche als Anarchismus bekannt ist, bedeutet; die Verteidiger wiesen sie aber jedesmal mit dem Bemerken ab, daß es völlig nutzlos sei, da ihr Eintreten für die Doktrin der "Anarchie" gar nichts mit dem Prozeß zu schaffen hat. Daß Anarchie dennoch prozessiert wurde, erfuhr man zu spät, um eine Erklärung der Definition abgeben zu können. Gegen Ende des Prozesses kam die Anklagebehörde plötzlich mit einer neuen Sache gegen die Angeklagten heraus, etwas, wovon nichts in der Anklage stand. Diesen Angeklagten aber wurde die Erlaubnis sich dagegen zu verteidigen, verweigert.

In ihren Schlußreden erklärten die Ankläger: "Gesetz und Anarchie stehen sich vor Gericht gegenüber. Diese Leute sind von der Anklage herausgesucht, hervorgezogen, weil sie die Führer waren. Sie sind nicht mehr schuldig als Tausende, welche ihnen folgen. Verurteilen Sie diese Männer, meine Herren Geschworenen, statuieren Sie ein Exempel an ihnen, hängen Sie sie und Sie retten unsere Institutionen, unsere Gesellschaft."


Hauptsächlich, wenn nicht ganz und gar durch die Erklärung, welche der Staatsanwalt in der obigen zitierten Weise abgab, fühlt sich der Verfasser veranlaßt, dieses Buch zu schreiben und zusammenzustellen: Da man uns nicht erlaubte, unseren politischen Glauben zu verteidigen und zu erklären, da wir wegen sozialer Ketzerei verurteilt wurden, ohne daß man uns Gehör schenkte, so mag die Welt, unser höchster Richter, zu dem wir appellieren, wissen, - und sie hat ein Recht, zu wissen - worin unser Verbrechen bestand.


Die Ansichten der Gefangenen

Wir lassen hier Auszüge aus den Reden der acht Chicagoer Anarchisten folgen, Reden, welche sich mit dem Anarchismus beschäftigen und gehalten wurden, als Antwort auf die Frage, warum das Todesurteil nicht verhängt werden sollte. Das Kapitel schließt auch Auszüge aus anderen Schriften der Angeklagten ein.


August Spieß über Anarchie

Nach dem Zeugnis, welches er vorbrachte, mußte es den Anschein haben, als hätten wir in unseren Reden und Schriften nichts als Zerstörung und Dynamit gepredigt.

Der Gerichtshof sagte heute Morgen, es gebe in der Geschichte keinen Fall gleich diesem. Ich habe während dieses Prozesses gemerkt, daß die Herren vom Rechtsgeschäft (legal profession) in der Weltgeschichte schlecht Bescheid wissen. In allen historischen Fällen der vorliegenden Art ist die Wahrheit von den Priestern der jeweils herrschenden Gewalt verdreht worden.

Was haben wir in unseren Reden und Schriften gesagt?

Wir haben dem Volk seine Lage und seine Beziehungen zur Gesellschaft klar gemacht. Wir haben ihm die verschiedenen Erscheinungen und die sozialen Gesetze und Verhältnisse erklärt, unter welchen sie stattfinden. Wir haben auf dem Weg wissenschaftlicher Untersuchung unwiderleglich nachgewiesen und zur öffentlichen Kenntnis gebracht, daß das Lohnsystem die Wurzel der jetzigen sozialen Ungerechtigkeiten ist - so monströser Ungerechtigkeiten, daß sie zum Himmel schreien. Wir haben ferner gesagt, daß das Lohnsystem als spezielle Form der sozialen Entwicklung infolge logischer Notwendigkeit höheren Formen der Zivilisation Platz machen muß, daß das Lohnsystem den Weg bahnen und das Fundament liefern muß für ein System sozialer Kooperation, d. h. für den Sozialismus! - Wir sagten, daß diese oder jene Theorie, dieser oder jener Plan in Bezug auf die zukünftige Einrichtung der Dinge nicht eine Sache freier Wahl, sondern eine Sache geschichtlicher Notwendigkeit ist und daß es uns erscheint, als läge der Fortschritt in der Richtung des Anarchismus, worunter wir eine freie Gesellschaft ohne Könige, Kasten und Klassen, eine Gesellschaft von Souveränen (Selbstherrschern) verstehen, in welcher durch die Freiheit und ökonomische Gleichheit Aller ein unerschütterliches Gleichgewicht als Grundlage natürlicher Ordnung geschaffen wird.

Es ist nicht wahrscheinlich, daß die ehrenwerten Herrn BONFIELD und GRINNELL sich eine gesellschaftliche Ordnung vorstellen können, die nicht durch Knüppel und Pistole des Büttels zusammengehalten wird, noch auch eine freie Gesellschaft ohne Gefängnisse, Galgen und Staatsanwälte. In einer solchen Gesellschaft möchten sie vielleicht keinen Platz für sich selber finden. Ist das aber ein Grund, aus dem Anarchismus eine so verabscheuungswürdige und gefährliche Doktrin zu machen?

GRINNELL hat uns zu verstehen gegeben, daß hier der Anarchismus prozessiert wird. Die Theorie des Anarchismus gehört in den Bereich der spekulativen Philosophie. In der Heumarkt-Versammlung wurde keine Silbe über Anarchismus gesprochen. In jener Versammlung wurd das sehr populäre Thema der Verkürzung der Arbeitszeit besprochen. Aber: - "Der Anarchismus wird prozessiert!" schäumt Mr. GRINNELL. Falls das der Fall ist, Euer Ehren, sehr wohl, dann mögen Sie mich verurteilen, denn ich bin ein Anarchist. Ich glaube mit BUCKLE, mit PAINE, mit JEFFERSON, EMERSON, SPENCER und vielen anderen großen Denkern dieses Jahrhunderts, daß der Staat der Kasten und Klassen, daß der Staat, in welchem eine Klasse die andere beherrscht und von deren Arbeit lebt und wo man dies Ordnung nennt - ja, ich glaube, daß diese barbarische Form sozialer Organisation mit ihrem durch Gesetze geheiligten Plünderungs- und Mordsystem dem Tod geweiht ist und einer freien Gesellschaft, einer freiwilligen Assoziation Platz machen muß. Sie mögen mir das Todesurteil verkünden, aber lassen Sie es die Welt erfahren, daß im Jahre des Herrn 1886 im Staat Jllinois acht Menschen zum Tode verurteilt wurden, weil sie den Glauben an eine bessere Zukunft und den endlichen Sieg von Freiheit und Gerechtigkeit nicht verloren!

"Ihr habt die Vernichtung der Gesellschaft und der Zivilisation gepredigt," sagte GRINNELL, der Handlanger und Agen der Bankers and Citizens Association. Dieser Mensch hat noch zu lernen, was Zivilisation ist, sonst würde er nicht so sprechen. Es ist das alte, uralte Argument gegen der Fortschritt der Menschheit. Seht die Geschichte Griechenlands und Roms, lest diejenige Venedigs! Blickt auf die dunklen Blätter der Kirchengeschichte und verfolgt den dornigen Pfad der Wissenschaft: - Immer und ewig schrieen die herrschenden Klassen: "Kein Wechsel, keine Änderung! Ihr wollt die Gesellschaft und die Zivilisation vernichten!" - Sie befinden sich unter dem herrschenden System so behaglich, daß auch die kleinste Änderung sie mit Angst und Furcht erfüllt. Ihre Vorrechte sond ihnen so lieb wie ihr Leben, und jeder Wechsel bedroht diese Privilegien. Aber die Zivilisation ist eine Leiter, deren Sprossen Denkmäler solcher Änderungen sind. Ohne diese sozialen Änderungen, die sämtlich gegen den Willen und die Gewalt der herrschenden Klassen herbeigeführt worden sind, gäbe es heute keine Zivilisation. Was die Zerstörung der Gesellschaft anbetrifft, deren Anstrebung man uns beschuldigt, so klingt das wie eine AESOP'sche Fabel vom schlauen Fuchs. Wir haben unser Leben aufs Spiel gesetzt, um die Gesellschaft von ihrem Todfeind zu retten, von ihrem Todfeind, der sie bei der Kehle hält, der ihr Lebensblut aussaugt, der ihre Kinder verschlingt - wie wollen die blutenden Wunden heilen, wir wollen sie von den Fesseln befreien, in die man sie geschlagen hat, vom Elend, das Ihr über sie gebracht habt - und wir wären ihre Feinde?! Ehrenwerter Richter, hört Ihr das Hohngelächter der Hölle?!

Wir haben Dynamit gepredigt. Wir haben aus den Lehren der Weltgeschichte vorausgesagt, daß die herrschende Klasse von heute auf die Stimme der Vernunft nicht mehr hören würde, als ihre Vorgänger es getan haben; daß sie versuchen würden, der Flut des Fortschritts brutale Gewalt entgegenzusetzen. War das eine Lüge oder haben wir die Wahrheit gesagt? Werden die großen Industrien dieses Landes nicht jetzt schon unter die Aufsicht der Polizei, der Detektive, des Militärs, der Sheriffs betrieben - wie die Rückkehr zum Militarismus nicht augenscheinlicher von Tag zu Tag? Amerikanische Souveräne, man denke sich! arbeiten wie Galeeren-Sklaven unter militärischen Wachen! Wir haben das vorausgesagt und sage jetzt voraus, daß diese Zustände bald unerträglich werden müssen. Was dann? Der Tagesbefehl der Lehnsherren unserer Zeit lautet: "Sklaverei, Hunger, Tod!" Das ist in den letzten Jahren ihr Programm gewesen. - Wir haben den Arbeitern gesagt, daß die Wissenschaft eingedrungen sei in die Geheimnisse der Natur - daß dem Haupt des JUPITERs wiederum eine MINERVA: Dynamit, entsprungen sei. Falls diese Erklärung gleichbedeutend ist mit Mord, weshalb legt man das Verbrechen nicht Denen zur Last, welchen man die Erfindung verdankt?

Uns zu beschuldigen, wir hätten am 4. Mai einen Versuch gemacht, das gegenwärtige System gewaltsam zu stürzen, "um ein anarchistisches System einzuführen", ist eine zu absurde Behauptung, als daß sie selbst von einem politischen Ämter-Inhaber aufgestellt werden sollte. Falls GRINNELL glaubt, daß wir irgendetwas Derartiges versucht hätten, weshalb ließ der Doktor BLUTHARD nicht untersuchen, wie es mit unserem Geisteszustand aussieht? Nur Wahnsinnige hätten so einen gloriosen Plan erdenken können, und Wahnsinnige kann man nicht wegen Mordes prozessieren. Falls irgendetwas wie eine Verschwörung oder ein vorher arrangierter Plan existiert hätte, glauben Euer Ehren nicht, daß die Dinge an jenem Abend und später eine andere Wendung genommen hätten? - Diese Verschwörung wird auf eine Rede zurückgeführt, die ich am Jahrestag von WASHINGTONs Geburtstag vor länger als eineinhalb Jahren in Grand Rapids, Michigan, gehalten habe. Ich war zu diesem Zweck von den Arbeitsrittern eingeladen worden. Ich sprach darüber, daß unser Land lange nicht das ist, was die großen Revolutionäre des letzten Jahrhunderts gewollt haben. Ich sagte, daß diese Männer, falls sie heute lebten, den Augiasstall mit eisernen Besen auskehren würden, und daß man unzweifelhaft auch sie für "Sozialisten" erklären würde. Es ist nicht unwahrscheinlich, daß ich gesagt habe, WASHINGTON würde wegen Verrats gehängt worden sein, falls die Revolution fehlgeschlagen wäre. GRINNELL machte aus diesem "gotteslästerlichen" Ausspruch seinen Hauptpfeil gegen mich. Weshalb? Weil er beabsichtigte, den Geist des Knownothingtums gegen uns aufzustacheln. Wer aber wird die Richtigkeit der Behauptung bestreiten? Daß ich mich mit WASHINGTON verglichen hätte, ist eine gemeine Lüge. Falls ich es aber getan hätte, wäre das Mord? Ich mag dem Individuum, das hier als Zeuge aufgetreten ist, gesagt haben, daß die Arbeiter sich Waffen anschaffen sollen, da aller Wahrscheinlichkeit nach doch Gewalt die letzte Zuflucht sein würde. Ich mag gesagt haben, daß in Chicago so und so viele Bewaffnete sind. Daß wir aber die Soziale Revolution einleiten würden, habe ich sicherlich nicht gesagt. Lassen Sie mich hier sagen, daß man Revolutionen ebensowenig machen kann, wie Erdbeben und Wirbelstürme. Revolutionen sind die Wirkungen bestimmter Ursachen und Verhältnisse. Ich habe die Sozialwissenschaft seit länger als 10 Jahren zu meinem Spezialstudium gemacht und ich hätte keinen solchen Unsinn sprechen können. Ich glaube jedoch, daß die Revolution nahe vor der Tür steht, daß sie in Wirklichkeit schon begonnen hat. Aber ist der Arzt für den Tod des Patienten verantwortlich, weil er ihn vorausgesagt hat? Falls irgendjemand für die kommende Revolution verantwortlich ist, so ist es die herrschende Klasse, welche sich störrisch weigert, Zugeständnisse zu machen, sobald Reformen notwendig werden; die darauf beharrt, sie könne dem Fortschritt Halt zurufen und Stillstand gebieten den ewigen Mächten, deren winzige Geschöpfe auch sie selber nur sind.

Die Stellung, welche in diesem Fall im Allgemeinen eingenommen wurde, ist die, daß wir für den Aufstand vom 4. Mai moralisch verantwortlich sind.

Vor 4 oder 5 Jahren saß ich im selben Gerichtssaal als Zeuge. Die Arbeiter hatten versucht, sich auf gesetztlichem Weg Abhilfe zu verschaffen. Sie hatten abgestimmt und unter anderen ihren Stadtratskandidaten in der 14. Statopm gewählt. Aber der Mann gefiel der Straßenbahngesellschaft nicht. Das wußten zwei von den drei Wahlrichtern eines Bezirks und diese nahmen den Stimmkasten mit in ihre Wohnung, wo sie das Wahlergebnis so "korrigierten", daß die Konstituenten des erwählten Kandidaten ihres rechtmäßigen Repräsentanten beraubt wurden und der Sitz an eine der Straßenbahngesellschaft wohlwollende Kreatur fiel. Die Arbeiter gaben für die Verfolgung der Verüber des Verbrechens 2500 Dollar aus. Die Beweise gegen dieselben waren so überwältigend, daß sie eingestanden, das Ergebnis der Wahl geändert und die Wahllisten gefälscht zu haben. Richter GARDNER, welcher in diesem Gericht den Vorsitz führte, sprach sie frei, indem er angab, "die Angeklagten hätten öffenbar nicht in krimineller Absicht gehandelt." Ich will hierzu keinen Kommentar abgeben, aber wenn wir das Feld moralischer Verantwortlichkeit betreten, da eröffnet sich uns ein ungeheures Gebiet und auch jener Vorfall hat eine gewaltige Bedeutung. Jedermann, der in der Vergangenheit geholfen hat, die Bemühungen derer zu vereiteln, welche Reformen herbeiführen wollten, ist einfach mitverantwortlich dafür, daß es heute Revolutionäre in dieser Stadt gibt. Diejenigen aber, welche versucht haben, Reformen herbeizuführen, müssen von dieser Verantwortlichkeit freigesprochen werden, - und zu diesen gehöre auch ich. Falls der Wahrspruch auf der Annahme moralischer Verantwortlichkeit basiert, Euer Ehren, so führe ich dies als einen Grund an, weshalb das Urteil nicht gefällt werden sollte.

Falls die heute Morgen vom Gericht abgegebene Entscheidung gesetzlich richtig ist, dann gibt es in diesem Land niemand, der nicht gesetztlich gehängt werden könnte. Ich gebe die Versicherung, daß, falls ich der Vollstrecker des Gesetzes wäre, es in diesem Gerichtssaal keinen Einzigen geben sollte, der nicht "rechtmäßig unparteiisch und gesetzlich" nach genau denselben Gesetzen gehängt werden könnte, die heute Morgen in diesem Saal verlesen worden sind. Der Polizeiminister NAPOLEONs, FOUCHE, sagte zu seinem Herrn: "Geben Sie mir eine Zeile, die irgendjemand je geschrieben hat und ich bringe den Betreffenden auf das Schaffot." Dieses Gericht hat dem Sinn nach dasselbe gesagt. Nach dem angeführten Gesetz kann jede Person in diesem Land wegen Verschwörung und, je nach der Lage des Falles, wegen Mordes angeklagt werden. Jedes Mitglied einer Gewerkschaft, von Arbeitsrittern oder sonstigen Organisationen, kann danach der Verschwörung und in Gewaltfällen für die es gar nicht verantwortlich ist, des Mordes schuldig gesprochen werden, wie es uns geschehen ist. Wenn dieser Präzendenzfall einmal geschaffen ist, treibt Ihr die Massen, welche sich jetzt mit friedlicher Agitation befassen, zur offenen Revolution. Damit dreht Ihr das letzte Sicherheitsventil zu. Und das Blut, das dann vergossen wird, das Blut der Unschuldigen, - es komme über Euch!

"Sieben Polizisten sind gestorben," sagte GRINNELL, dabei verständnisvoll auf die Geschworenen blickend. - "Wir verlangen ein Leben für ein Leben," und damit sprach man eine gleiche Anzahl von Männern schuldig, von denen wahrheitsgemäß nicht gesagt werden kann, daß sie auch nur das Geringste mit der Tötung der Opfer BONFIELDs zu tun gehabt haben. Dieselben Rechtsgrundsätze finden wir bei den Wilden. Bei diesen werden Ungerechtigkeiten sozusagen ausgeglichen. Die Araber, Chinooks und andere Völker forderten für jeden der Ihrigen, der durch Feindes Hand gefallen war, das Leben eines der Feinde. Um die Personen kümmerten sie sich nicht viel, solange sie ein Leben für ein Leben erhielten. Dieser Grundsatz herrscht heute noch bei den Eingeborenen der Sandwich-Inseln.

Wenn wir nach diesem Grundsatz gehängt werden sollen, dann laßt es uns wissen, und laßt es die Welt wissen, welches zivilisierte und christliche Land es ist, in dem die GOULDs und VANDERBILTs, die STANFORDs und ARMOURs, die FIELDs und andere der Freiheit und Gerechtigkeit zu Hilfe eilen.

GRINNELL hat wiederholt betont, daß Intelligenz und Zivilisation in diesem Land herrschen. Wer würde das Angesicht dieses Wahrspruchs schon in Abrede stellen, nicht wahr?

Das Verdikt gegen uns ist das Anathema [Bannflucht - wp] der reichen Klasse über ihre beraubten Opfer - die große Armee der Lohnarbeiter und Bauern! Wenn Euer Ehren nicht wünschen, daß diese Schlußfolgerung von ihnen gezogen wird, wenn sie ihnen nicht den Glauben beibringen wollen, daß wir abermals beim Spartanischen Senat, dem Athener  Areopagus,  dem Venediger  Rat der Zehn  usw. angelangt sind, - dann dürfen Sie das Urteil nicht über uns verhängen.

Wenn Ihr glaubt, daß, indem Ihr uns henkt, Ihr die mächtige Arbeiterbewegung ausstampfen könnt - die Bewegung, von deren endlichem Sieg Millionen und Millionen der in den Staub getretenen und im Elend darbenden Lohnsklaven ihre Erlösung erwarten, wenn Ihr das glaubt, dann - henkt uns! ... Ihr tretet hier einen Funken aus, aber hier und da und überall schießen züngelnde Flammen empor. Sie gleicht einem unterirdischen Feuer, diese Arbeiterbewegung, das Ihr nicht löschen könnt. Der Boden brennt, auf dem Ihr steht! Ihr begreift und versteht das nicht. Ihr glaubt nicht mehr, wie Eure Urgroßväter, die Hexenverbrennung für eine zivilisierte Pflicht hielten, an Zauberei, aber Ihr glaubt an - Verschwörungen! Ihr glaubt, daß all diese Vorgänge der jüngsten Zeit das Werk von Verschwörern sind. Ihr gleicht dem Kind, das sein Bild hinter dem Spiegel sucht. Was Ihr seht und zu fassen trachtet, ist nur der täuschende Reflex der Kombinationen Eures bösen und angsterfüllten Gewissens.

Ihr wollt die Agitatoren ausstampfen und die Verschwörer! Wohlan, stampft nur zu: Ergreift jeden Landlord, der seine Schatzkammern mit dem abgepreßten Pachtzins seiner Opfer angefüllt hat; jede Maschine, welche die Industrie und den Ackerbau revolutioniert, die Produktion erhöht und den Arbeiter brotlos macht; die den allgemeinen Reichtum vermehrt, während der Schöpfer inmitten seiner Schätze steht und von den Tantalusqualen des Hungers gepeinigt wird! Vernichtet die Eisenbahnen, den Telegraph, das Telephon, den Dampf, das Dynamit und Euch selbst, - denn alles, alles atmet den Geist unserer revolutionären Zeit! -

Sie, meine Herren, sind die Revolutionäre! Sie rebellieren gegen die Wirkungen der sozialen Verhältnisse, aus welchen Sie wie durch FORTUNAs Hand in ein prächtiges Paradies geschleudert wurden. Sie bilden sich ein, daß auf diese Stätte außer Ihnen selbst niemand ein Recht hat. Sie behaupten, die Auserwählten zu sein, die alleinigen Eigentümer. ... Die Mächte aber, durch welche Sie in das Paradies gelangten, die industriellen Kräfte, sind noch immerfort an der Arbeit. Sie werden von Tag zu Tag stärker und tätiger. Ihr Streben ist, die ganze Menschheit auf dieselbe Stufe zu heben, unsere Erde für alle zu einem Paradies zu gestalten. In Ihrer Blindheit denken Sie, die Hochflut der Zivilisation und des menschlichen Freiheitsstrebens durch ein paar Polizisten, ein paar Gatlingkanonen und einige Regimenter Miliz, die Sie am Seeufer aufstellen, hemmen zu können. Sie glauben, Sie können die sich türmenden Wogen in die Tiefen zurückbannen, indem Sie ein paar Galgen aufstellen. Sie sind die wirklichen Revolutionäre, denn Sie hemmen den natürlichen Gang der Ereignisse! Sie, Sie allein sind die Verschwörer und Vernichter.

Gestern sagte der Gerichtshof bezüglich der Börsendemonstration: "Diese Männer zogen aus zu dem ausdrücklichen Zweck, die Börse zu plündern." Obgleich ich nicht einsehen kann, was für ein Sinn in einem solchen Unterfangen gelegen hätte und obgleich ich weiß, daß jene Demonstration einfach als Agitationsmittel gegen das, die dort betriebenen ehrenvollen Geschäfte legalisierende System angewendet wurde, will ich einmal annehmen, jene 3000 Arbeiter, die in der Prozession waren, hätten wirklich die Absicht gehabt, die Börse zu plündern. In diesem Fall würden sie sich von den ehrenwerten Börsianern nur darin unterschieden haben, - daß sie ihr gestohlenes Eigentum auf einem ungesetzlichen Weg wiederzuholen versuchten, während die anderen, die Börsianer, das ganze Land mit und ohne Gesetz plündern - denn das ist ihr erhabener Beruf. Dieses Tribunal des "Recht und der Gerechtigkeit, vor dem alle gleich sind und wo kein Ansehen der Person gilt," erklärt also den Grundsatz: "Wenn zwei dasselbe tun, so ist es nicht dasselbe." Ich danke dem Gerichtshof für dieses Bekenntnis. Es enthält dasselbe in zwei Worten alles, was wir gepredigt und weswegen wir gehängt werden sollen. Diebstahl, der von privilegierten Klassen begangen wird, ist ein anständiger Beruf. Er ist ein Verbrechen, wenn er von den übrigen Klassen in Selbsthilfe angewendet wird.

Raub, Mord, und Diebstahl bilden die  "Ordnung"  einer gewissen Klassen von Gentlemen, welche es vorziehen, ihren Lebensunterhalt auf diese Weise zu erwerben, statt ehrlich dafür zu arbeiten. ... Diese Art  "Ordnung"  - das ist wahr! - wurde von und bekämpft und ihre Vernichtung von uns angestrebt. Wir sind dieses Verbrechens geständig. ... Betrachtet Euch das wirtschaftliche Schlachtfeld! Schaut das durch Raub und Plünderung con christlichen Patriziern verheerte Land! Begleitet mich nach den Quartieren der Reichtum-Erzeuger dieser Stadt! Kommt mit mir zu den halbverhungerten Schatzgräbern des Hockingthals und weidet Euch am Anblick der Paria [Unberührbare - wp] im Monongahelathal! Fahrt auf den Bahnen des besten und gesetzliebendsten Bürgers dieses Landes, JAY GOULD, und dann sagt mir, ob diese  "Ordnung"  ihren Fortbestand mit Argumenten der Moral zu rechtfertigen vermag. Ich sage, der Fortbestand dieser Ordnung ist verbrecherisch, ist mörderisch! Ihr Fortbestand bedeutet den Fortbestand der systematischen Versklavung unserer Frauen und Kinder in den Fabriken; die Fortdauer der Zwangsfaulenzerei von Millionen arbeitswilliger Menschen und deren Degradierung. Ihr Fortbestand bedeutet den Fortbestand der Unmäßigkeit, sowie der geschlechtlichen und geistigen Hurerei; die Fortdauer des Elends, der Not und der Knechtschaft einerseits und der gefährlichen Anhäufung von Raubbeute, sowie Faulheit, Schweigerei und Tyrannei andererseits. Es bedeutet den Fortbestand des Lasters in jeder Form; die Fortdauer des Klassenkampfes, der Streiks, Aufstände und Bluvergießens.

Das ist  ihre  Ordnung, meine Herren! Ja, und Sie sind die würdigen Verfechter einer solchen Ordnung. Sie sind eminent qualifiziert für diese Rolle. Ich mache Ihnen mein Kompliment!

GRINNELL hat von VICTOR HUGO gesprochen. Was er sagte, brauche ich nicht zu wiederholen. Ich will ihm antworten in der Sprache eines unserer deutschen Denker: "Unsere Mastbürger errichten zu Ehren der Klassiker Denkmäler. Wenn sie ihre Werke gelesen hätten, würden sie sie verbrennen." Denn unter den hier verlesenen Artikeln der "Arbeiter-Zeitung", die der Staat als Belastung benutzte, um die Geschworenen vom gefährlichen Charakter der angeklagten Anarchisten zu überzeugen, befindet sich ein Zitat aus GOETHEs  Faust: 
    "Es erben sich Gesetz und Rechte
    Wie eine ew'ge Krankheit fort."
Und INGHAM hat in seiner Rede den christlichen Geschworenen erzählt, daß unsere Genossen, die Pariser Kommunisten, 1871 Gott den Allmächtigen entthront und an seine Stelle eine niedere Dirne gesetzt hätten.

Die Wirkung war wunderbar! Die guten Christen waren empört. Ich wünschte, Euer Ehren hätten die gelehrten Herrschaften davon unterrichtet, daß die erwähnte Episode sich vor nun fast einem Jahrhundert in Paris ereignete, und die tempelschänderischen Verbrecher die Zeitgenossen der Väter dieser Republik waren, und daß sich THOMAS PAINE unter ihnen befand. Auch war die Frau keine Prostituierte, sondern eine edle Bürgerin, welche bei jener Gelegenheit nur die Göttin der Vernunft allegorisch darstellte.

In Bezug auf MOSTs Brief, welcher hier verlesen wurde, sagte Mr. INGHAM:
    "Sie (er meinte MOST und mich) hätten Tausende von unschuldigen Menschen mit dem Dynamit umbringen können."
Ich habe alles, was ich über diesen Brief wußte, im Zeugenstand ausgesagt, aber ich will hier hinzufügen, daß ich vor 2 Jahren selbst als Korrespondent im Hockingthal war. Während meines Dortseins sah ich, wie Hunderte von Menschen langsam, stufenweise hingemordet wurden. Es war nicht Dynamit, noch waren es Anarchisten, die das teuflische Werk verrichteten. Es war das Werk einer Bande hochrespektabler Monopolisten, "gesetzesliebender Bürger", mit Ihrer gütigen Erlaubnis! Es ist unnötig für mich, zu sagen, daß  diese  Mörder niemals angeklagt wurden. Die Presse hatte darüber wenig zu sagen, und der Staat von Ohio stand ihnen bei.

Was für ein Entsetzen würde es wohl hervorgerufen haben, wenn die Opfer dieses teuflischen Komplotts Widerstand geleistet und einige dieser Halsabschneider in die Luft gesprengt hätten!

Als in East St. Louis JAY GOULDs gedungene Meuchelmörder ("die Männer mit Grütze!) 6 Männer und Frauen mit kaltem Blut niederschossen, hatte man sehr wenig darüber zu sagen, und die Grand Jury weigerte sich, diese "Gentlemen" anzuklagen. Dasselbe geschah in Chicago, in Milwaukee und an anderen Plätzen.

Ein Chicagoer Möbelfabrikant (BRUSCHKE) schoß und verwundete letztes Frühjahr zwei Arbeiter tödlich. Er wurde der Grand Jury überwiesen, doch dieselbe lehnte es ab, diesen "Gentleman" anzuklagen.

Als aber nun bei einer Gelegenheit ein Arbeiter in Notwehr den Mordversuchen der Polizei Widerstand leistete, eine Bombe warf und Blut auch einmal auf der anderen Seite floß, - da wurde ein riesiges Geheul im ganzen Land angestimmt, - "eine Verschwörung hat unsere heiligsten Einrichtungen angegriffen" - und acht Opfer werden dafür verlangt. Viel ist gesagt worden über die öffentliche Meinung, viel über die öffentliche Entrüstung. Nun, es ist eine Tatsache, daß kein Bürger es wagte, eine andere Meinung auszusprechen als die, welche von den Autoritäten des Staates diktiert wurde; hätten sie sich erlaubt, anderer Meinung zu sein, so hätte man sie einfach eingesperrt. Man hätte sie an den Galgen gebracht, wie man uns mit diesem so würdigen Urteil" an den Galgen bringen will.

Diese Leute, sagte GRINNELL, haben keine Prinzipien; es sind gewöhnliche Mörder, Räuber etc. Ich gebe zu, daß unsere Bestrebungen und Ziele prinzipienlosen Lumpen für immer unverständlich bleiben werden, doch dafür kann man uns nicht verantwortlich machen.

Wenn ich nicht irre, was diese Behauptung darauf basiert, daß wir das Eigentum vernichten wollten. Ob diese Verdrehung von Tatsachen wissentlich geschah, weiß ich nicht, doch will ich hier zur Richtigstellung unserer Doktrin konstatieren, daß diese Behauptung eine infame Lüge ist.

Artikel aus der "Arbeiter-Zeitung" und dem "Alarm" wurden hier verlesen, um den "gefährlichen Charakter" der Angeklagten zu veranschaulichen. Man hat die "Arbeiter-Zeitung" und den "Alarm" auf Jahre zurück durchschnüffelt. Die Artikel, die man sich herausgesucht hat, besprachen gewöhnlich Schandtaten der Polizei, welche sich dieselbe ggen streikende Arbeiter zuschulden kommen ließ. Andere Artikel wurden nicht verlesen, nur solche, die dem Staatsanwalt paßten. Und auf diese Artikel hin sagte der Staatsanwalt - wohl wissend daß er lügt - "diese Leute haben keinen Prinzipien."

Wenige Wochen vorher, ehe ich verhaftet und des Verbrechens angeklagt wurde, für welches ich nun verurteilt bin, wurde ich von den Geistlichen der Kongregationalistischen Kirche eingeladen, einen Vortrag über Sozialismus zu halten und mit ihnen zu debattieren. Dies geschah im Grand Pacific Hotel. Es kann also nicht gesagt werden, daß ich nach meiner Verhaftung, nachdem ich angeklagt und nachdem ich verurteilt wurde, diese meine Prinzipien angenommen hätte, um meine Handlungen zu rechtfertigen. Ich will es vorlesen, was ich damals gesagt habe.

Captain BLACK: "Sagen Sie uns das Datum der Zeitung."

SPIESS: 9. Januar 1886

Captain BLACK: Welche Zeitung ist es?

SPIESS: Der "Alarm".

SPIESS: (fortfahrend): Als ich bei dieser Gelegenheit gefragt wurde, was Sozialismus sei, erklärte ich denselben folgendermaßen: "Der Sozialismus ist nichts anderes als das Resume der auf ihre Ursachen geprüften und in einem kausalen Zusammenhang gebrachten Erscheinungen des gesellschaftlichen Lebens der Vergangenheit und der Gegenwart. Dasselbe beruth in der festgestellten Tatsache, daß die ökonomischen Verhältnisse und Einrichtungen eines Volkes, oder der Völker, die Grundlage aller gesellschaftlichen Einrichtungen, Anschauungen, ja sogar Religionen bilden, und ferner, daß alle Änderungen der ökonomischen Einrichtungen und jedweder Fortschritt aus dem Kämpfen hervorgingen, die sich zwischen den herrschenden und unterdrückten Klassen in den verschiedenen Zeitaltern abspielten.

Sie, meine Herren, können sich auf diesen Standpunkt empirischen Wissens nicht stellen; Ihr Gewerbe bedingt, daß Sie sich auf den entgegengesetzten, d. h. auf den Standpunkt stellen, der von dem, was ist, absolut nichts weiß und von Dingen, die für Menschen unbegreiflich sind, alles wissen will. Deshalb können Sie auch nicht Sozialisten sein. (Rufe: "Oho!")

Da ich befürchten zu müssen glaube, daß Sie mich nicht verstehen, so werde ich jetzt etwas deutlicher sprechen.

Es dürfte Ihnen nicht unbekannt sein, daß im Laufe dieses Jahrhunderts eine unendliche Menge von Erfindungen und Entdeckungen gemacht worden sind, welche große, ja ganz erstaunliche Umwälzungen in der Herstellung von Lebensbedürfnissen und Bequemlichkeiten hervorgerufen haben. Die Maschinenarbeit hat die des Menschen zum großen Teil ersetzt. Die Maschine hatte die Zusammenziehung von vielen Arbeitskräften und eine immer größere Arbeitsteilung zur Folge. Die Vorteile, die sich aus dieser Konzentrierung der Arbeitskräfte ergaben, waren solcher Art, daß man dieselbe immer mehr und mehr ausdehnte. Aus diesem Prozeß der Konzentrierung der Arbeitsmittel und Arbeitskräfte ergab sich unter Beibehaltung des früheren "Verteilungssystems", jenes Mißverhältnis, an dem die Gesellschaft krankt.

Die Produktionsmittel gelangten in die Hände von an Zahl stets weniger werdenden Personen, währenddessen die durch Maschinen erwerblos gemachten und enteigneten Arbeiter dem Pauperismus, der Vagabondage, dem sogenannten Verbrechen und der Prostitution anheimfielen - alles Übelstände, die Sie, meine Herren, mit Ihrem Gebetbüchlein aus der Welt zu schaffen beabsichtigen.

Die Sozialisten fassen Sie deshalb auch nicht mehr ernst, sondern nur scherzhaft auf. (Unruhe) Oder sagen Sie mir doch gefälligst, was Sie mit ihren christlichen Moralpredigten bisher bewirkt haben, um das Los der Elenden, die durch bittere Not zum Verbrechen und Laster getrieben wurden, zu lindern? (Mehrere springen auf: "Wir haben in einzelnen Fällen viel getan.") In einzelnen Fällen haben Sie vielleicht ein Almosen gegeben. Aber welchen Einfluß hat dies, wenn ich fragen darf auf die gesellschaftlichen Zustände und auf eine Umgestaltung derselben gehabt? Keinen - absolut keinen! Gestehen Sie es nur ein, meine Herren, denn Sie können mir nicht ein einziges Beispiel anführen. -

Also gut. Jene durch die Arbeitsersparnis der Großproduktion zu Elend und Hunger verdammten Proletarier, deren Zahl hier im Lande man auf mindestens eineinhalb Millionen schätzt - - es ist unwahrscheinlich, daß  sie  und die Tausende, die sich ihnen tagtäglich anschließen und die Millionen, die für erbärmliche Hungerlöhne arbeiten, ihre Vernichtung ruhig und mit christlicher Ergebung von der Hand der diebischen und mörderischen, dabei aber sehr christlichen Lohnherren erleiden werden. Sie werden sich zur Wehr setzen; es wird zum Kampf kommen. Die Notwendigkeit des Gemeinbesitzes der Arbeitsmittel wird zur Wirklichkeit und die Aera des Sozialismus, der allgemeinen genossenschaftlichen Arbeit, beginnt.

Die Enteignung der besitzenden Klasse, die Vergesellschaftlichung dieses Besitzes und die allgemeine genossenschaftliche Arbeit - nicht zu spekulativen Zwecken, sondern zur Befriedigung der Ansprüche, die wir an das Leben stellen: also gemeinschaftliche Arbeit zum Zweck der Erhaltung des Lebens und Genuß desselben - das ist in großen Umrissen  Sozialismus Nun ist dies aber nicht, wie Sie vielleicht annehmen, ein "schön ausgedachter Plan", dessen Verwirklichung wohl erstrebenswert wäre, wenn es nur ginge - nein, diese Vergesellschaftlichung der Produktionsmittel, der Verkehrswege, des Grund und Bodens etc. ist nicht nur etwas Wünschenswertes, sie ist zur gebieterischen  Notwendigkeit  geworden! Und wo immer wir in der Geschichte finden, daß einmal Etwas zur Notwendigkeit geworden ist, da finden wir auch stets, daß der nächste Schritt die Beseitigung der Notwendigkeit durch das Hervorbringen des logisch Erforderlichen war. Unsere großen Fabriken, Minen, Verkehrs- und Transportwege sind, von allem anderen abgesehen, für den Privatbetrieb längst zu umfangreich geworden. Der Einzelne kann sie nicht mehr kontrollieren. Überall, wohin wir unser Auge wenden, werden wir mit der Nase auf das Unnatürliche und Nachteilige der ungeregelten Privatproduktion gestoßen. Wir sehen, wie ein Mann, oder eine Anzahl von Männern nicht nur sämtliche Erfindungen auf technischem Gebiet in den Bereich ihres Privatbesitzes gebracht hat, sondern auch alle verwertbaren Naturkräfte wie Wasser, Dampf, Elektrizität für ihre ausschließliche Nutznießung mit Beschlag belegt haben. Jede neue Erfindung, jede Entdeckung gehört ihnen. Die Welt existiert nur für sie. Daß sie rechts und links ihre Nebenmenschen vernichten, bemerken sie kaum; daß sie sogar die Leiber kleiner Kinder von  ihren  Maschinen zu Goldstücken verarbeiten lassen, das halten sie für eine besondere Wohltat und ein echt christliches Werk. Man mordet, wie gesagt, kleine Kinder und Frauen durch schwere Arbeit und läßt derweilen kräftige Männer wegen Mangel an Arbeit verhungern. Diese Erscheinungen und hunderte von anderen fallen auf.

Man fragt sich, wie etwas derartiges möglich ist, und man erfährt, daß das Konkurrenzsystem die Schuld daran trägt. Der Gedanke des genossenschaftlichen, gemeinsamen, vernünftigen und geregelten Betriebs prägt sich dem Beobachter unwiderstehlich ein. Die Vorteile desselben sind so überzeugender Art, so in die Augen springend - und wo wäre denn auch ein anderer Ausweg?

Nach physikalischen Gesetzen bewegt sich ein Körper, bewußt oder unbewußt, stets nach der Richtung, wo er am wenigsten Widerstand findet. So auch die Gesellschaft als Ganzes. Die Bahn zur genossenschaftlichen Arbeit und Distribution ist durch die Konzentrierung der Arbeitsmittel unter das privatkapitalistische System geebnet; wir bewegen uns bereits auf derselben. Wir können nicht mehr zurück, auch wenn wir wollten. Die Macht der Verhältnisse treibt uns hinein in den Sozialismus."

"Und nun, Herr SPIESS, wollen Sie uns nicht sagen, wie Sie die Expropriation der besitzenden Klassen zustande bringen wollen?", fragte Reverend Dr. SCUDDER.

"Die Antwort liegt in der Sache selbst. Der Sturm, der augenblicklich durch das industrielle System rast, gibt Ihnen den Schlüssel zur Lösung. Betrachten Sie unsere Fabrikherren, unsere Grubenbesitzer, wie sie so kläglich an ihren Privilegien hängen, wie sie auch nicht einen Zoll breit nachgeben wollen. Blicken Sie auf die andere Seite hinüber und Sie sehen, wie halb verhungerte Proletarier an den Rand der Gewalt getrieben werden."

"Sie erkennen also Ihr Heilmittel in der Gewalt?"

"Heilmittel? Nun, lieber würde ich es sehen, könnte es ohne Gewalt vor sich gehen, aber Sie, meine Herren, und die Klasse, deren Vertreter Sie sind, tun schon ihr Möglichstes, daß es ohne dieselbe nicht geschehen kann. Nehmen wir an, die Arbeiter gingen heute zu ihren Arbeitsherren und sagten. "Hört! Eure Art und Weise, die Dinge zu behandeln, gefällt uns nicht mehr, sie führt zu traurigen Folgen. Während ein Teil von uns sich zu Tode arbeitet, verhungern die andern, weil sie keine Arbeit finden können; kleine Kinder werden in Fabriken zutode gewirtschaftet, während starke, kräftige Männer feiern müssen; die Massen leben in Elend, während eine kleine Klasse "Respektabler" Luxus und Wohlstand genießen; das alles sind Folgen Eurer Mißwirtschaft, die Euch selbst Unglück bringen wird; tretet ab und übergebt uns jetzt Euer Eigentum, das ja doch weiter nichts als unbezahlte Arbeit ist; wir wollen jetzt einmal unsere Hand daran probieren und wollen die Sache zur Zufriedenheit leiten, die Institutionen der Gesellschaft regulieren; wir wollen Euch freiwillig eine lebenslängliche Rente bezahlen." Glauben Sie wirklich, die  Bosse  würden den Vorschlag annehmen? Das glauben Sie selbst nicht. Gewalt wird also zu entscheiden haben - oder kennen Sie einen anderen Weg?"

"Sie sind also daran, eine Revolution zu organisieren?"

Das war kurz vor meiner Verhaftung. Ich antwortete: "So etwas läßt sich schlecht organisieren. Eine Revolution ist eine plötzliche Aufwallung - eine Konvulsion des fiebernden Gesellschaftskörpers.

Wir bereiten die Gesellschaft darauf vor, und dringen darauf, daß sich die Arbeiter bewaffnen und kampfbereit halten. Je besser bewaffnet, umso leichter der Kampf, desto geringer wird das Blutvergießen sein." "Wie denken Sie sich die Ordnung der Dinge in der neuen Gesellschaft?"

"Ich muß die Antwort auf eine solche Frage verweigern, denn bis jetzt ist es ja nur eine Sache der Spekulation. Es macht keine Schwierigkeiten, die Arbeit auf kooperativer Basis zu organisieren. Die großen Etablissements von heute können als Muster dienen. Diejenigen, welche die Frage zu lösen haben, werden es unverzüglich können, ohne unsere Vorschriften, wenn wir irgendetwas der Art aufstellen wollten, zu arbeiten. Sie werden sich durch die Umstände und Zeitverhältnisse, für die uns das Verständnis fehlt, leiten lassen. Darüber brauchen Sie sich nicht den Kopf zu zerbrechen."

"Aber, denken Sie nicht, mein Freund, daß ungefähr eine Woche nach der Teilung die Sparsamen alles, die Verschwender nichts mehr haben werden?"

"Die Frage gehört nicht hierher," unterbrach ihn der Vorsitzende. "Von Teilung ist überhaupt nicht gesprochen worden."

Professor WILCOX: "Glauben Sie nicht, daß die Einführung des Sozialismus alle Individualität aufheben wird?"

"Wie kann etwas, das gar nicht existiert, zerstört werden? Wir haben keine Individualität in unserer Zeit. Das kann sich nur im Sozialismus, wo die Menschheit wirtschaftlich unabhängig ist, entwickeln. Wo finden Sie denn heutzutage wirkliche Individualität? Schauen Sie sich selbst an, meine Herren! Sie wagen es nicht, irgendeine subjektive Meinung zu äußern, die Ihren Kunden und Brotgebern nicht behagen würde. Sie sind Heuchler (Unruhe); jeder Geschäftsmann ist ein Heuchler; überall stößt man auf Blendwerk, Unterwürfigkeit, Lug und Trug. Und die Arbeiter! Sie heucheln Besorgnis um deren Individualität; um die Individualität einer Klasse, die zu Maschinen herabgewürdigt ist - jeden Tag zehn oder zwölf Stunden als Zubehör der leblosen Maschinen benutzt werden! Um deren Individualität sind sie besorgt?

Klingt das - wie man mir vorwirft - als wenn ich zu jener Zeit eine Revolution, eine "soziale Revolution", organisiert hätte, welche sich am 1. Mai oder den nächstfolgenden Tagen ereignen sollte; klingt das, als wenn ich die Anarchie am 1. Mai anstelle der gegenwärtigen idealen Ordnung hätte setzen wollen? Ich glaube nicht.

Der Sozialismus verlangt nicht die Zerstörung der Gesellschaft. Der Sozialismus ist eine ordnende, eine konstruktive, und keine zerstörende, destruktive Wissenschaft. Während der Kapitalismus die Volksmasse eigentumslos macht, zugunsten der privilegierten Klasse - während der Kapitalismus jene Schule der Ökonomie ist, welche lehrt, wie eine Klasse von der Arbeit, d. h. dem Eigentum, der anderen lebt, lehrt der Sozialismus, wie Alle "Eigentümer" sein können, und lehrt weiter, daß Jedermann ehrlich arbeiten muß für seinen eigenen Unterhalt und nicht den "respektablen Geschäftsmann", "Bankier", "Börsianer" etc. spielen darf, wie die "Talesmen", die hier in der Jury-Box erschienen und erklärten, daß wir gehängt werden müßten. (Ich bezweifle durchaus nicht, daß dies die Ansicht der Herren war.) Kurz, der Sozialismus will ein allgemeines System der gemeinschaftlichen Arbeit einführen, und so jedem Mitglied der menschlichen Familie die Ergebnisse und Wohltaten der Zivilisation zugänglich machen, welche im Kapitalismus von einer bevorrechteten Klasse monopolisiert und nicht verwendet werden, wie sie sollten, zum allgemeinen Besten, sondern für den brutalen Eigennutz einer habgierigen Klasse. Im Kapitalismus sind die großen Erfindungen der Vergangenheit, fern davon ein Segen für die Menschheit zu sein, in einen Fluch verwandelt worden. Im Sozialismus würde sich die Prophezeigung des griechischen Gelehrten ANTIPORAS erfüllen, welcher bei der Erfindung der ersten Wassermühle ausrief: "Die ist der Emanzipator der männlichen und weiblichen Sklaven;" und ebenso die Prophezeiung des ARISTOTELES: "Wenn in Zukunft jedes Werkzeug seine Arbeit auf Befehl selbst besorgt, wie die Kunstwerke des DÄDALUS, oder wie die Dreifüße des HEPHAISTOS, die instinktmäßig an ihr heiliges Werk gehen - wenn so die Weberschiffchen von selbst weben, werden Herren und Sklaven nicht länger nötig sein."

Die Sozialisten behaupten, daß diese Zeit gekommen ist. ... Und können Sie es verneinen? "Ja", sagt Ihr, "Diese Heiden! was wußten die von Nationalökonomie, von Zivilisation und Christentum!" Ihr habt Recht. Sie hatten keine Ahnung davon, daß man mittels dieser arbeitsparenden Maschinen die Tagesarbeit verlängern und die Bürde der Sklaven noch unerträglicher machen kann. Sie entschuldigen die Sklaverei des Einen damit, daß dem Anderen dadurch Gelegenheit der menschlichen Entwicklung geboten wird. Aber die Sklaverei der Massen zu predigen, damit einige halbgebildete Emporkömmlinge "einflußreiche Fabrikanten", "fette Packhausbesitzer" oder "prominente Stiefelwichsfabrikanten" werden können, um dies zu tun, ermangelten sie des spezifisch-christlichen Organs.

Der Sozialismus lehrt, daß die Maschinen, die Transport- und Kommunikationsmittel das Resultat gemeinschaftlichen Wirkens der vergangenen und gegenwärtigen Gesellschaft sind, und deshalb auch unteilbar der Gesellschaft angehören, gerade wie der Grund und Boden, die Minen und alles von der Nation Geschaffene ihr angehören sollten. Diese Erklärung schließt ein, daß diejenigen, welche sich diesen Reichtum aneigneten, wenn auch in gesetzlicher Weise, jetzt von und zu Gunsten der Gesellschaft enteignet werden müßten. Die Expropriation der Massen durch die Monopolisten hat einen solchen Grad erreicht, daß die Enteignung der Enteigner eine unvermeidliche Notwendigkeit, ein Akt der Selbsterhaltung geworden ist. Die Gesellschaft wird ihr Eigentum zurückfordern und wenn Ihr auch einen Galgen an jeder Straßenecke errichtet! Und der Anarchismus - dieser schreckliche "ismus" - zieht den Schluß: daß unter Zuständen individueller Freiheit und ökonomischer Gleichheit der Staat - der politische Staat - als barbarische Antiquität verschwinden muß. Nur dann werden wir alle frei und nicht länger Herren und Knechte sein. Dann wird nicht mehr die Intelligenz mit der brutalen Gewalt zu kämpfen haben, dann werden Polizei und Miliz nicht länger gebraucht, um den sogenannten "Frieden und die Ordnung" zu erhalten, von der ein russischer General an seinen Zaren telegraphierte, nachdem halb Warschau massakriert wurde, "die Ordnung ist in Warschau wieder hergestellt."

Der Anarchismus bedeutet kein Blutvergießen, nicht Raub, Gift, Dolch etc. Letztere Ungeheuerlichkeiten im Gegenteil sind die charakteristischen Merkmale des Kapitalismus. Der Anarchismus bedeutet Friede und Wohlstand für Alle. Der Anarchismus und Sozialismus bedeuten die Reorganisation der Gesellschaft auf wissenschaftlichen Prinzipien und die Abschaffung der Ursachen, welche Laster und Verbrechen erzeugen. Der Kapitalismus erzeugt erst die sozialen Krankheiten und will sie dann mit Strafen kurieren.

Euer Ehren sagten heute morgen, Sie müßten unseren Zweck danach beurteilen, was wir gesprochen und geschrieben haben. - Wenn ich nun soviel Macht hätte wie der Gerichtshof, wenn ich ein gesetzesliebender Bürger wäre, würde ich den letzteren sicherlich verurteilen wegen Bemerkungen, die er während des Prozesses gemacht hat. Ich füge noch hinzu: Wenn ich am Anfang kein Anarchist gewesen bin, was ich hier gesehen und gehört habe, hätte mich zu einem solchen gemacht. Ich führe die exakte Sprache des Gerichtshofes an: "Es folgt nicht, daß alle Gesetze närrisch und schlecht sind, weil das bei vielen der Fall ist." Ist das nicht eine Verhöhnung des Gesetzes, nicht Hochverrat? Und dann vermag ich nicht einzusehen, wie man die guten und schlechten Gesetze unterscheidet. Nein, sicher nicht. Wenn ich einem schlechten Gesetz nicht gehorche, und vor einen schlechten Richter gebracht werde, werde ich unzweifelhaft bestraft werden.

In Bezug auf einen, heute Morgen ebenfalls verlesenen Bericht in der "Arbeiter-Zeitung", den Bericht über die Börsendemonstrationi will ich hier sagen - und das ist das Einzige, was ich zu meiner Verteidigung vorbringe, daß ich von diesem Artikel nichts wußte, bis ich ihn im Blatt sah. Der Mann, welcher ihn schrieb, schrieb ihn als Entgegnung auf einige von einem Morgenblatt gemachten Angriffe. Er wurde entlassen. Die in jenem Artikel gebrauchte Sprache würde niemals gestattet worden sein, wenn ich ihn vorher gesehen hätte.

Wenn wir nun nicht direkt mit dem Bombenwurf in Zusammenhang gebracht werden können, wo ist das Gesetz, welches besagt, daß "diese Leute herausgesucht und bestraft werden sollen?" Zeigen Sie mir das Gesetz, wenn es vorhanden ist. Falls der Standpunkt des Gerichtshofes richtig ist, dann müßte die halbe Stadt, die Hälfte der Bevölkerung unserer Stadt gehängt werden, denn sie ist ebensogut für jenen Vorfall vom 4. Mai verantwortlich, wie wir, und wenn die Hälfte der Bevölkerung von Chicago gehängt werden soll, dann zeigen Sie mir das Gesetz, nach welchem acht Männer herausgesucht und als Sündenböcke gehängt werden sollten. Sie haben kein solches Gesetz. Ihre Entscheidung, unsere Schuldigsprechung sind nichts als Willkürakte! Wahr ist, daß die Rechtswissenschaft keinen Präzendenzfall dieser Art kennt.

Wahr ist, daß wir das Volk aufforderten, sich zu bewaffnen. Wahr ist, daß wir wieder und wieder verkündet haben, der große Tag der Änderung der Dinge naht heran. Wir wünschten kein Blutvergießen, denn wir sind keine Bestien. Wir wären keine Sozialisten, wenn wir Bestien wären. Unser Menschlichkeitsgefühl trieb uns in diese Bewegung zur Emanzipation der Unterdrückten und Notleidenden.

Wahr ist, daß wir das Volk aufgefordert haben, sich zu bewaffnen, sich vorzubereiten für den kommenden Sturm. Das scheint der Grund zu sein, auf welchen hin das Verdikt aufrechterhalten werden soll. "... Wenn eine lange Reihe von Unzuträglichkeiten und Unterdrückungen, die unzweifelhaft demselben Ziel zusteuern - das Volk zu mißhandeln und dem absoluten Despotismus in die Arme zu führen, dann ist es das Recht und die Pflicht des Volkes, eine solche Regierungsform abzuschütteln und neue Sicherheitsmaßregeln für die Zukunft zu treffen." Dies ist ein Zitat aus der Unabhängigkeitserklärung. Haben wir irgendwelche Gesetze übertreten, indem wir dem Volk zeigten, daß diese Ungerechtigkeiten, welche in den letzten 20 Jahren an die Oberfläche gekommen sind, fortwährend ein Ziel verfolgt haben, nämlich das: eine Oligarchie in diesem Land zu errichten, so stark, so mächtig, so ungeheuerlich, wie sie je in einem Land gewesen ist? Ich begreife sehr wohl, weshalb der Mensch GRINNELL nicht in die Grand Jury gedrungen ist, uns des Hochverrats anzuklagen. Ich verstehe das ganz genau. Man kann nicht wohl Jemanden des Hochverrats beschuldigen, weil er die Verfassung gegen diejenigen verteidigte, welche sie mit Füßen traten. Das wäre kein so leichtes Stück Arbeit gewesen, Mr. GRINNELL, als diese Leute des Mordes zu beschuldigen.

Zum Schluß nun: dieses sind meine Ideen. Sie bilden einen Teil meiner selbst. Ich kann mich derselben nicht entäußern, und könnte ich es, so würde ich es dennoch nicht tun. Wenn Sie glauben, diese Ideen, welche täglich mehr Boden gewinnen, vernichten zu können, indem Sie uns an den Galgen schicken - wenn Sie doch einmal Leute dafür die Todesstrafe erleiden lassen wollen, daß sie die Wahrheit zu sagen wagten - dann haben wir nichts mehr zu sagen. Wir haben nichts als die Wahrheit gesagt.

Bezichtigen Sie uns doch nur einer Lüge! Und wenn auf der Verkündigung der Wahrheit die Todesstrafe steht, nun wohlan - stolz und trotzig werde ich den Preis bezahlen! Wahrheit - für sie starben SOKRATES, CHRISTUS, HUSS, GIORDANO BRUNO, GALILEI, für sie starben Legionen der Edelsten und Besten! Sie gingen uns voraus; wir sind bereit zu folgen!
LITERATUR: Albert Richard Parsons, Anarchismus - seine Philosophie und wissenschaftliche Grundlage, Chicago 1887