F. SteppuhnK. JoëlM. WeberW. WindelbandB. RussellG. Landauer | ||||
Die Natur als psychische Lebensmacht im antiken Phantasie- und Geistesleben
Fassen wir die ältesten Kulturvölker ins Auge, so werden wir die mächtige und persönliche Wirkung erkennen, die die Natur als inneren Lebensfaktor ausstrahlt, und wer genauer hinsieht kann dann verfolgen, wie dieses Gefühl fortwirksam ist bis in die Tage der Renaissance hinein, ja noch weiter. Noch unsere Zeit - ich erinnere nur an die vulgäre Naturbetrachtung - hat genug Reste dieses antiken Fühlens, Wollens und Empfindens mit herübergenommen und je nach dem Volkscharakter individuell verarbeitet. Natürlich tritt dies bei den zivilisierten Stämmen mehr oder weniger zurück, wenn auch hier besonders religiöse Einwirkungen beteiligt waren und dem alten Vorstellungskreis wieder günstigen Boden verschafft haben. Aber die wilden Völker von heute, sind es nun südafrikanische Buschmänner, südamerikanische und malayo-polynesische Stämme, Melanesier, Mongolen oder die höher entwickelten Schwarzen, sie zeigen uns ganz besonders eine ähnliche Art von Naturwertung und "-reflexion" wie sie am Anfang der Geschichte des geschichtlichen Menschen steht. Freilich zielloser, zufälliger und ohne jede Spur von historischer Einordnung. Auch der sittliche Gehalt ist gleich Null, was z. B. bei unseren ältesten Kulturvölkern Vorderasiens keineswegs der Fall ist. Die "Natur" dieser wilden Stämme ist so roh und ungeistig, so stumpf und grausam wie ihre religiösen Triebe, die sozusagen die Bänder vorstellen, um das Wirklichkeitsbild zusammenzuhalten. Aber wir wollen uns vorerst fragen, was eigentlich das älteste Naturgefühl und Naturbetrachten - in der bereits geschichtlichen Zeit - bestimmte? Unzweifelhaft Animismus, mythische Personifikationen, Dämonen und Naivität. Dabei ist immer der unkomplizierte Mensch selbst der Wertungsmaßstab, nach welchem die Natur geschätzt und erklärt wird. Die naive Naturbetrachtung steht also am Anfang. Später erst kommt die Natur, die Sinnbild des Geistigen ist, später auch sentimentale Schilderung, Stimmung und Idyll. Dann ist die Natur Selbstzweck und nicht der Mensch. Diese Reihenfolge zeigten nicht nur die griechischen - und dann die römischen Vorstellungen in Dichtung und Prosa, sondern auch die uralten vorderasiatischen Stämme können uns dessen belehren. Wer den Spuren babylonischer Naturforschung nachgegangen ist oder der feinen Naturpoesie Altisraels, den Ideenkreisen, die in Ägypten und im Parsismus lebendig waren, wird wiederholt auf Stufen der seelischen Verfassung gegenüber der Natur stoßen müssen. Ebenso in der tiefgründigen Dichtkunst der Inder (2) mit ihrer großen naturpoetischen und erotischen Gebärde. Klar ist, daß Differenzierungen des Naturfühlens und -wahrnehmens im Laufe der Zeit stattgefunden haben und die geistige und religiöse Kultur, wie auch ein zeitlich fixiertes Geschichtsbild, konnten da die nachhaltigsten Beeinflussungen hervorrufen. Wie riesenhafte, überirdische Mächte, die ursprünglich stumpfe und rohe Naturgewalten waren, allmählich verblaßten, d. h. anthropomorph wurden oder wie Gestirne, Feuer und Wasser nur noch den Namen für persönliche Götter hergaben, so geschah es auch mit der Natur als solcher, indem sie in steigendem Maße von der Peripherie menschlicher Einsicht mehr ins Zentrum, ins Intime, Vertraute, Subjektive rückte. Und das vollzog sich mit der feineren Kenntnis und Kultur der Seele, aber indem die Natur als mythische Totalerscheinung sich dabei immer rascher entselbstet, ziehen die unzähligen Götter herauf, angetan mit den Besten dieser untergegangenen Welt. Doch auch sie selbst müssen dann sterben als die Natur das Sinnbild des Geistigen wird und der individuelle und kritische Typus des Menschen an Festigkeit gewinnt. Das waren die frühesten Boten der Natur, die "nicht kalt staunenden Besuch erlaubt, sondern vergönnt in ihre tiefste Brust, wie in den Busen eines Freundes zu schauen." Dichtung und Wissenschaft gingen diese Wege, wenn auch nicht im gleichen Tempo. Ebenfalls die Kunst. FRIEDERICHS sagt irgendwo: "Die Natur muß ent seelt werden von Göttern, um durch die Empfindung des Künstlers neu be seelt zu werden." Wir versuchen das Wesen der ältesten Naturbetrachtung genauer zu zeichnen. Also Animismus, mythische Personifikationen, Dämonen und Naivität bestimmen es im Allgemeinen. Es gibt keinen Baum, in dem nicht ein geisterhaftes Wesen wohnt, keinen Stein, keine Bergspitze, keine Wegkreuzung von denen nicht zauberkräftige Mächte Besitz genommen haben; im Wald schleichen sie wie die Stille, die man hört und doch wieder nicht hört, und in den großen Naturvorgängen reden sie wie Menschen zu Menschen, deren schlaffes Leben ein kindisches Gaukelspiel bedeutet. Naturbetrachten, -Erklären und -Reflektieren waren dem antiken Volksgeist - und auch dem Urtypus des Naturforschers - Erzählen von dem, was die Außenwelt belebt. Aber das Belebende war ein Seltsames, ein Märchenhaftes, und zwar nicht das Belebende der Menschen und Tiere allein, auch der Dinge, die scheinbar starr und tot sind: alltägliche Gegenstände und Erscheinungen, Vorgänge im Wetter, pandemische Krankheiten, geographische Örtlichkeiten, Bäche, Ströme, Seen, Grotten und Waldlichtungen, die Zeit des Tages, wo die Sonne ihren höchsten Stand hat, und wieder die schleichende Wendestunde der Mitternacht. Und warum auch die Menschen, die doch schon Lebenskraft und Lebensauswirkung in sich tragen? Die sind doch schon beseelt? Ja, dieses Belebtsein meinten die ältesten Naturbetrachter auch nicht; ihr schaffende Phantasie suchte hinter all den Dingen, um die sich eine Fülle von Vorstellungen gruppierte, also auch hinter dem Eigenen, dem Menschlichen, ein Geheimnis, das stille Fremde, das man nicht kennt und das doch da ist - wie ein scheues Schweigen und eine düstere Frage. Und sogar Krankheit und Tod waren viele, viele Jahrhunderte (3) hindurch belebt. So haben sich Naturbetrachtung und phantasiekräftiges Märchen auch hier gefunden. Der Geist des Menschen konnte beide auch dann nicht vergessen, als es anders wurde, als aus inniger, immer persönlicherer Naturbetrachtung - sie war es so, wie wir sagten, allerdings erst auf den Höhen einer gesteigerten Kultur - die exakte, mathematisch-logische Formulierung der Außenwelt hervorging. Aber Geschichte der Kulturvölker bleibt doch immer auch Geschichte sehender Menschen, sie bleibt immer eine Geschichte des menschlichen Auges. Später wird sie dann die Geschichte des kritischen Sehens. Und die erstere beginnt sich schon bei den Urvölkern Vorderasiens mit seltener Triebkraft abzuspielen. Ihre Naturwissenschaft, wenn man es so nennen darf, war lediglich Volksglaube. Aus den Kulturgeschichten und den Um- und Neubildungen, die uns sorgsame Priesterhände oder sonst irgendwelche Literaten hinterlassen haben, schöpfen wir heute das Wesentlichste. Die Kosmogonien, d. h. die Lehren von der Erschaffung oder Entstehung der Welt, mit ihren Göttern, denen die Wünsche und Freuden, der Schmerz und die Sorge der Menschen eigen sind, die Kosmogonien mit ihren Chaossymbolen und Urwesen, mit Zauberglaube und Tierdienst, sind die ersten Quellen, denen wir die Kindheitsgeschichte der frühesten Naturbetrachtung entnehmen. Ich sagte schon, Naturwissenschaft im modernen Sinne war das ja nicht. Es war lediglich schaffende Phantasie, welche die Erscheinungen der unendlichen Außenwelt sich wunderlich aufbaut und verknüpft und Gedanken über Universum, Zeit und Raum, über Anfang und Ende des Menschen auf zahllose, jeder ursächlichen Verknüpfung fernstehende Sinnesbilder überträgt. Und in ihnen schillerten Leben und Tod, Krankheit, Feindschaft und Friede, Opfer und Aussöhnung, tausendfarbig nuanciert. Anfänglich waren solche Schilderungen ganz und gar sinnlich, grob bildlich und ohne die Kunst der Reflexion. Immer und immer wieder finden wir es in der Tiefe jener Betrachtung: die Natur war belebt von unendlich vielen geisterhaften Wesen, von Dämonen mit zauberkräftigen Mitteln, so daß der Mensch der Natur gegenüber sich immer umlauert und belauscht glaubte. Ein Gleichklang von Kindesseele und Urwesen der Naturbetrachtung!
Und soll ich letztlich noch einen Typus des antiken Naturbetrachtens hervorheben, in dem eine psychische Lebensmacht Phantasie- und Geistesleben nachhaltig berührte, so ist das die Zeit der synkretischen Systeme. Unserer Kultur waren sie Richtweisung. Die hellenistische und römische Philosophie hat sie vorbereitet, der Neupythagoreismus leitet ein und der jüdische Alexandrinismus PHILOs, die Gnosis, der Neuplatonismus und die Kirchenväterphilosophie sind das Wesen. Das ganze Kapital der antiken Hervorbringungen kam hier in Mischung: hellenische Weltkultur und Römertum, nachplatonischer Internationalismus in der Religion und babylonische astrologische Kulte, ägyptische und persische Vorstellungen und die erstaunliche Propaganda der Juden. Ein großer universalistischer Zug geht durch das Ganze. Neben dem Wunderlichen, Seltsamen steht das Sehnen nach einem Reich der Güte und Treue. Was ist es da mit der Natur? Wieder sind wir auf dem alten Boden angelangt, aus dem die kleine jüdische Sekte, die spätere Christenreligion, wie ein kräftiger Trieb aufschoß. Mitten in diesem Frühlingssturm einer neuen geistigen Welt. Das Kernhafte in der Anschauung ist geblieben, aber auch das Wunderhafte und Geheimnisvolle, das Exorbitante und Visionäre, das Beschränkte und Enge. Unten, ganz unten am Grund der jüdischen Seele flammte ein Heiteres und Frohes. Aber wie eine stechende und bangende Traumangst lagen Politik und dogmatische Theologie auf dem Volk. Als in die politische Wirrsal, in den patriotischen Rausch, in die großen und kleinen Hoffnungen Jesus hineintrat, in das Utopische der heißen Sehnsucht und das Nervöse eines sterbenden Geschlechts, als er - fußend auf dem Geschichtsbild seines Volkes - vom einzelnen Menschen erzählt mit ganz einfachen und doch neuen Worten, im Sprachton der altprophetischen Ethik und DANIELschen Apokalyptik, da ist wieder in seiner Rede der ganze Schatz jüdischer Naturbetrachtung wach geworden. Eine hinreißende Naturpoesie von den alltäglichen Dingen hat sich in seiner Seele reflektiert, die großen Lebensrythmen seines Volkes wob er hinein mit goldigen Fäden, so daß Bildersprache und Natur ein Einheitsband zusammenhält. Fabel, (d. h. Parabel im engeren Sinne), Beispielerzählung und Gleichnis waren die Form und nur die sinnbildliche Darstellung, die verhüllende Allegorie wird man nicht finden. In diesem Rahmen stand die Natur. Als Freundin und Heimstätte der Dämonen. Daß gerade letzterer Vorstellung eine eminent hohe Bedeutung im antiken Empfinden zukam, haben wir schon oben gesehen. Aber ganz besonders in dieser Zeit: Es ist interessant zu erörtern, wie dieser Vorstellungskomplex vom Dämonischen, diese Wahnideen mit ihren Schrecken und Freudenausbrüchen nach und nach mit neuen Beziehungen und Steigerungen vorwärts rückten. In der interessanten Johannes-Apokalyps, die unter Kaiser DOMITIAN in die Öffentlichkeit kam, liegt unsagbar stimmungsecht diese Welt der Angstvision und Erwartung. Dämonenbeschwörer, Ärzte gegen Besessenheit, Magier, Zauberer gab es schon, nicht nur in den ältesten und neueren Zeiten der orientalischen Völker und in den Tagen der klassischen Antike, sondern auch in jener bunten Epoche der Religionsmischungen und der Vorboten eines neuen Lebensaufschwungs, im Synkretismus [Synthese religiöser Ideen - wp]. Ein breiter Stom solcher Dämonenvorstellungen floß in das damals junge Christentum und dessen Propaganda: Ekstatische unverständliche Rede und Niederschrift, Heilungen und Wunder, Magie, Krampfzustände und ethischer Heroismus, Gehörs- und Gesichtsvisionen, Fernsehen, unwillkürliche Bewegungen, Entrücktwerden und Doppelbewußtsein und anderes. Wir können die Evangelien aufschlagen, den Hirten de HERMAS, die Apologeten, JUSTIN, ORIGENES, TATIAN, CYPRIAN, MINUCIUS FELIX und ganz besonders TERTULLIAN - man wird sie immer wieder antreffen, die bösen Geister, die ausgetrieben werden, und gegen die Jesus kämpft, die Dämonen, die in die Herde Säue fahren und wieder andererseits von der Tochter der kanaanäischen Frau Besitz nehmen. Wohl selten hat diese nervöse Vorstellungswelt Menschen so erschüttert und im Tiefsten aufgewühlt wie im zweiten christlichen Jahrhundert. Man erlebte an Jesus den gewaltigen Gegner und Streiter - "er ließ die Dämonen nicht reden, denn sie kannten ihn" ... Mit Recht wies man erst wieder vor kurzem auf den "Apologeticus" TERTULLIANs; wer einmal hineinblickt in diese Schrift, wird jene eigentlich doch märchenhafte Stimmung ahnen, durch die das werdende Christentum und seine Erkenntnis von Natur und Leben gegangen ist. Diese Zeit hat ganz vorzüglich der Alchemie und Astrologie neue Nuancen gegeben, denn Natur und Luftraum waren ja besonders eine Wohnstätte und Heim der dämonischen Mächte.
Das war der Grundton, und so hat man ihn auch meist ohne Einschränkung empfunden. Und wenn wir von dieser Zeit absehen, auch von Neuplatonismus, Mystik, christlich-polytheistischen Bildungen und Angelogieen des Mittelalters und anderem - dieses Urwesen der Naturbetrachtung wucherte immer wieder durch, auch in Zeiten als bereits eine neue Wissenschaft und Naturbetrachtung sich geltend zu machen wußte, in der Aufklärung und Weltlichkeit der Renaissance. Ihre Voraussetzungen in den antiken und mittelalterlichen Stimmungen brachten es zuwege, daß die Liebe zur Schönheit und zum Körperlichen in ihren Tiefen fatalistische und abergläubische Stücke barg und vieles andere solcher Art, das über Frühgotik, Liebesromantik des Rittertum und provenzalische Poesie in die sonnige Zeit der neuen Menschheitsbildung eingeströmt war. Der religiöse universale Theismus und der neue Geist im Norden konnten nur stückweise den Kampf gegen den antiken Dämonismus in der Naturanschauung aufnehmen. Eine neue Zeit und ein neuer Wert reiften. Es sind feine Brücken und Traversen [Träger - wp], auf denen der Drang zum Schauen, zum "Licht der Natur" herüberging, herüber zu einer neuen Schwelle, die auf der einen Seite zur werdenden modernen Naturforschung und Medizin geführt hat, auf der anderen zu den rationalistisch-metaphysischen Systemen eines DESCARTES, SPINOZA und empirisch-positivistischen Kündern LOCKE, SHAFTESBURY, BERKELEY, HUME.
1) Vgl. meine soeben erschienene Arbeit: Naturbetrachtung und Naturerkenntnis im Altertum. Eine Entwicklungsgeschichte der antiken Naturwissenschaften (Hamburg). In diesem Buch werden die hier nur angedeuteten Gedanken ausführlicher behandelt. 2) Zum Beispiel in dem Epos "Der Tod des Sisupala" von MAGHAS oder in KALIDASAs "Sakuntala" und "Urwasi". 3) Man denke an die grauenhaften Tage der Pest und Lustseuche und an deren Literatur: die furchtbare Beulenpest, wie sie in der Mitte des 14. Jahrhunderts durch zwei Jahrzehnte als "schwarzer Tod" ganze Länder entvölkert hat oder das gewiß epedemieähnliche Auftreten der Syphillis im 15. bis 16. Jahrhundert. Die Erscheinungen waren zu gewaltig, um da nicht ein Dämonhaftes herauszufinden. Eine ganz neue Literaturgattung ist damals entstanden, die nicht bloß wissenschaftliches Interesse in Anspruch nahm, sondern gerade auch volkstümlichen Zwecken dienen wollte, Zwecken der Aufklärung über Wesen, Behandlung und Vorbeugung der Epidemien. Diese Schriften redeten im Sprachton des gemeinen Mannes. Ich erinnere an das Arzneibuch des ORTOLFF von BAYRLANDT (etwa um 1400), an den viel älteren "Thesaurus pauperum", an den "Garten der Gesundheit" oder an die berühmten Volksbildungsmittel - die Kalender. Auch die damalige Syphillis hatte ihren großen Forscher und Schriftsteller, den Reformator der mittelalterlichen Medizin, PARACELSUS (1493-1541). Gerade er, der gewaltige Prediger vom "Licht der Natur" und induktive Forscher hat vielfach mit den Vorstellungen der Seele seiner Zeit gerechnet und das völlig Neue im Bild des Alten gesagt. Die Krankheit geht wie ein Landstreicher von Land zu land, von Stadt zu Stadt, wie ein Fahrender. Man kennt diese Personifizierungen auch aus den Werken der damaligen Malerei und erinnert sich wohl der oft krankhaften Wucherungen wilder Künstlerphantasie (Über Paracelsus vgl. meine Schrift: Theophrastus Paracelsus, sein Leben und seine Persönlichkeit. Ein Beitrag zur Geistesgeschichte der deutschen Renaissance, Leipzig 1903 4) EUGEN HEINRICH SCHMITT, Die Gnosis, Leipzig 1903 5) Im babylonischen Nationalepos von Gilgamesch findet sich z. B. die babylonische Ursage von der Sintflut. Sie lag bestimmt schon um 2000 v. Chr. vor. 6) Man darf nicht vergessen, daß das sogenannte mosaische Gesetz (d. i. Pentateuch und Buch Josua) aus verschiedenen Quellenschriften hervorgegangen ist. Ins 8. Jahrhundert etwa, also noch in die prophetische Epoche, fallen die ältesten Geschichtserzählungen "Jahwist" [J] und "Elohist" [E]. Die Benennungen kommen von der darin gebrauchten Wortanwendung Jahwe und Elohim. Daran kann man zeitlich die Gesetzesverordnung des Deuteronomium [D] anschließen. Sie fällt ins 7. Jahrhundert. Der Rest des Pentateuch stammt aus der Zeit des babylonischen Exils und der folgenden Epochen bis Esra (also die Gesetze der mittleren Bücher Exodus, Leviticus, und Numeri). Nachträgliche Zusätze erfolgten nun, so daß wir im 5. Jahrhundert die Quellenschrift Priesterkodex [P. K.] vor uns haben. Man vereinigte dann J. E. D. und P. C. - nach mannigfachem Umredigieren - zu den heutigen sogenannten fünf Büchern Moses. Andere Geschichtsbücher wie Richter, Samuel, Könige sind in der exilischen Zeit entstanden, der größte Teil der Psalmen ist nachexilisch. Vielleicht sind sie in die Makkabäerepoche (2. Jahrhundert) zu verlegen. 7) WILHELM BOUSSET, Das Wesen der Religion, dargestellt an ihrer Geschichte, Halle 1903, Seite 114 8) Polytheismus ist das nicht. "Denn die verschiedenen Objekte der Verehrung sind ihrer Art und ihrem Wesen nach zu wenig fest umschrieben, als daß sie auf den Namen von Göttern vollen Anspruch machen könnten. Doch sind sie auch nicht dasselbe wie die späteren Dsjinns (Dschinnen), wie wir sie bei den monotheistischen Arabern finden, denn ihnen wird ein wirklich göttlicher Charakter beigelegt. Die Ahnen sowohl wie Gegenstände am Himmel, auf Erden, unter dem Wasser, in Bäumen, Brunnen, Steinen, Bergen und dgl. mehr werden verehrt. Nicht das Objekt selbst wird als Gottheit angesehen, auch wird die besondere Offenbarung der göttlichen Macht nicht als solche personifiziert, keine Vergottung der Natur, keine Natur religion ist es, was wir hier antreffen. Vielmehr ist es so: Die ins Auge fallenden Naturereignisse lassen vermuten, daß sich dort, ein Dämon offenbart." (G. WILDEBOER: Jahwedienst und Volksreligion in Israel in ihrem gegenseitigen Verhältnis, Freiburg i. Br. 1899, Seite 26). Gewiß haben auch die Kultusformen des Ahnenglaubens und Totemismus in der alt semitischen Religion eine Rolle gespielt. 9) ALFRED BIESE, Die Entwicklung des Naturgefühls bei den Griechen, Kiel 1882, Seite 9 10) Ich erinnere an die Arbeiten von GLADSTONE, GEIGER und MAGNUS. 11) BIESE, a. a. O., Seite 22 12) ADOLF HARNACK, Die Mission und Ausbreitung des Christentums in den ersten drei Jahrhunderten, Leipzig 1902, Bd. 1, Seite 95 und 96. |