p-4H. SchwarzBrentanoMFKE. NimzMFKG. SimmelCondillac    
 
HUGO BERGMANN
Untersuchungen zum Problem der
Evidenz der inneren Wahrnehmung

[4/5]

"Staudinger scheidet deutlich Inhalt und Gegenstand, und das in folgender Art: Inhalt eines Begriffs ist etwas rein psychologisches und durchaus nicht identisch mit dem, wofür der Begriff gilt, das heißt wohl mit dem, worauf er anwendbar ist. Dies ist vielmehr der Gegenstand. Er ist der Zielpunkt, in Bezug auf den unser Denken gültige Urteile zu fällen den Anspruch macht. Diese beiden, Inhalt und Gegenstand, sind nun nicht identisch. Der Inhalt ist so oft, als das Vorstellen ist, der Gegenstand ist einer. Fragen wir nun aber nach der Beziehung zwischen dem Vorgestellten als solchem, dem Inhalt, und dem Gegenstand, so hören wir zwar von Staudinger, die Geltung sei eine solche Beziehung. Nicht den Gegenstand stellen wir vor, wir stellen nur ein geschriebenes Datum (Anschauung, Wahrnehmung, Begriff) vor den Gegenstand, auf den es bloß als Repräsentant und Wegweiser deutet. Und nur so schaffen wir aus psychischen Zusammenhängen - Erkenntnis." Denn die gegebenen Daten schaffen sie nicht, sie bedeuten nichts, die Bedeutung und damit der Gegenstand ist ihnen erst zu geben, und hier beginnt auch der Irrtum: in der Deutung."

"Solange man die Ansicht vertreten wird, in der Wahrnehmung sind nicht die realen Gegenstände anerkannt, nicht die Töne schlechthin, sondern nur die bewußten Gegenstände als solche, die Töne als gehörte, solange wird man immer behaupten dürfen, alles Gegebene sei gewiß und evident gegeben. Aber man wird damit immer nur die Evidenz der inneren Wahrnehmung umschreiben und kommt niemals zur Frage der Evidenz einer äußeren Wahrnehmung."


II. Abschnitt
Die Einwände gegen die Evidenz
der inneren Wahrnehmung

[Fortsetzung 2]

§ 26. Unsere bisherigen Ausführungen zur HUSSERLs Wahrnehmungstheorie richten sich zugleich gegen alle, welche, wo der Verfasser der "Logischen Untersuchungen" mit Absicht und ausdrücklicher Begründung die Klasse der Wahrnehmungen so weit ausdehnte, dies absichtslos und in einem lässigen Sprachgebrauch tun und davon sprechen, daß man Berge, Häuser und Wälder "wahrnimmt" und für die von diesem "Wahrnehmen" gründlich verschiedene innere Perzeption nun wiederum diese Bezeichnung beibehalten. Dieser Abusus [Mißbrauch - wp] wirkt umso verwirrender, je weniger absichtsvoll er eingeführt wird. Echte Wahrnehmung ist allzeit ein eingliedriges Urteil, ein anschaulicher, schlichter Akt. Sie hat nichts zu tun mit Benennung, Deutung, Klassifikation. (124)

Natürlich wollten wir, indem wir die Bezeichnung Wahrnehmung für ein uneigentlich Vorgestelltes ablehnten, nicht behaupten, alles eigentlich Vorgestellt ist Wahrnehmung. HUSSERL freilich, der das Wesen der Wahrnehmung in einem Mehr oder Weniger an eigentlichem Denken (Steigerungsreihen der Erfüllung) sieht, zählt alles eigentlich Vorgestellte zum Wahrgenommenen und steht nicht an, auch das Meinen der Abstrakt wie der Relationen der Identität, Verschiedenheit usw. als "Wahrnehmen" zu bezeichnen und ausdrücklich nicht schlichte ("fundierte") Akte in diese Klasse einzubeziehen.

Uns genügt die Feststellung:
    Husserls Begriff der Wahrnehmung ist viel weiter als der herkömmliche. Eine von diesem Standpunkt aus geführte Polemik gegen die Evidenz der inneren Wahrnehmung und für die Evidenz der äußeren beweist nichts gegen meine These.
§ 27. Wenn wir nun, nachdem der Gebrauch des Terminuns "Wahrnehmung" in den Logischen Untersuchungen im allgemeinen erörtert worden ist,, daran gehen, die einzelnen Beweise für evidente äußere und trügerische innere Wahrnehmungen zu prüfen, so steht aus dem bisherigen der Standpunkt des Autors fest: Er meint, BRENTANO habe die äußere Wahrnehmung gegenüber der inneren stiefmütterlich behandelt. Während er in der äußeren Wahrnehmung eine Interpretation zuließ, habe er in den auf diese Weise erhaltenen Objekten der Sinne leicht Widersprüche nachweisen können. Hätte er dies bei der inneren Wahrnehmung auch getan, so wäre er auch hier auf zahlreiche in der Interpretation begründete Irrtümer gestoßen. Uninterpretiert sei jede Wahrnehmung irrtumslos.

Darauf ist zu sagen:

1. Richtig ist, daß, wenn die Wahrnehmung der Interpretation gleichgesetzt wird, in der Tat trügerische Wahrnehmungen möglich sind. Denn jene Prädikationen, welche das Wesen der Deutung ausmachen, sind Quellen von Irrtümern (125). Und richtig werden für falsche Deutungen innerer Zustände Beispiele angeführt, wie, daß man den Zahnschmerz in den Zahn verlegt, die Angst in die Kehle und den Kummer in die Herzgegend lokalisiert. Sofern es sich hier nicht um poetische Metaphern und innere Sprachformen handelt, und nicht vielleicht auch um physische Phänomene, die die Gefühle begleiten, wäre eine solche Lokalisation psychischer Phänomene zweifellos falsch.

2. Unrichtig aber ist es, diese Deutung als innere Wahrnehmung anzusprechen.

3. Mit Recht tadelt HUSSERL, daß man gerade in der äußeren Wahrnehmung den Sprachgebrauch anders verwandte als bei der inneren (126) und besonders hier die Tragweite der Prädikatioinen und prädikativen Verknüpfungen in der Art verkannte,
    "daß man, wo eine solche vorlag, stattdessen eine Anschauung gegeben glaubte. Anschauungen ganz verschiedener Gattungen ließ man wieder zu Anschauungen (zusammengesetzte Anschauungen) verschmelzen, während in Wahrheit eine solche Zusammensetzung bloß eine prädikative Synthese oder nur eine assoziative Verkettung, in keinem Fall aber eine anschauliche Vereinigung sein kann". (127)
4. Irrtümlich scheint uns aber HUSSERLs Ansicht, daß man auch in der äußeren Wahrnehmung zur Untrüglichkeit gelangt, wenn man nur auf ihre Deutung verzichtet.
    "Indem wir uns über die Existenz des Hauses täuschen, täuschen wir uns über die Existenz des erlebten sinnlichen Inhalts schon darum nicht, weil wir gar nicht über ihn urteilen, weil wir ihn in dieser Wahrnehmung nicht wahrnehmen. Achten wir nachträglich auf diese Inhalte, ... abstrahieren wir von dem, was sie uns soeben und gewöhnlich bedeuteten, und nehmen wir sie einfach als das, was sie sind, dann nehmen wir sie allerdings wahr, aber nun nicht durch sie den äußeren Gegenstand. Diese neue Wahrnehmung hat offenbar genau denselben Anspruch auf Untrüglichkeit ..., wie nur irgendeine innere Wahrnehmung. Was ist und so gemeint ist, wie es ist, das zu bezweifeln, wäre evident unvernünftig ... Es gibt also evidente Wahrnehmungen physischer Inhalte, genau wie solche psychischer." (128)
Welches sollen nun jene physischen Inhalte sein, deren Existenz durch die evidente äußere Wahrnehmung verbürgt ist? Seite 712 gibt HUSSERL die Auskunft, bisher habe man die evidente Wahrnehmung beschränkt auf die Perzeption der eigenen Akte. Aber es gibt evident wahrnehmbare Erlebnisse, die keine Akte sind. BRENTANO habe sie fälschlich für Akte genommen, und darum irrtümlich dem innerlich Wahrnehmbaren zugerechnet. Und zwar sind es die Empfindungen und die niedrigen (sinnlichen) Gefühle, welche der für die Akte charakteristischen Beziehung auf ein Gegenständliches entbehren. Wo ihnen scheinbar ein intentionaler Charakter zukommt, ist das nur infolge einer gegenständlichen Deutung.
    "Sie selbst sind also nicht Akte, aber mit ihnen konstituieren sich Akte, nämlich wo sich intentionale Charaktere von der Art der wahrnehmenden Auffassung ihrer bemächtigen." (129)
Die Empfindungen selbst sind ohne jeden Hinweis auf ein eigenes Gegenständliches, wenn wir durch sie ein Haus, einen Baum meinen. Das Empfundene ist dann mit der Empfindung identisch (130). Es sind keine Akte und ihre Wahrnehmung wohl evident, aber als Wahrnehmung von Nichtakten keine innere. In nachträglicher Reflexion erst - wir hörten es schon - fällt das Meinen des Hauses fort und die Empfindungen werden eigene Akte.

Doch gibt der Autor keine Auskunft darüber, wie das, was ursprünglich nur "erlebt" war und keine Richtung auf Gegenständliches hatte, sie auf einmal erhalten soll. Freilich wird Seite 705 behauptet, die Interpretation mache erst aus, was wir "Erscheinen" nennen. Aber wie soll etwas interpretiert werden können, was, wie wir hörten, gar nicht wahrgenommen wird, und wie soll die Interpretation in das Gedeutete jene eigentümliche Doppelheit bringen, die das Bewußtsein kennzeichnet? (131)

Ich vermag mir durchaus keine Rechenschaft darüber zu geben, wie eine Deutung imstande wäre, einem Bewußtsein, das ursprünglich keine Richtung auf Gegenständliches hatte, eine solche zu geben; und noch weniger davon, wie auf diesem Weg ein evidentes Gegenstandsbewußtsein in uns überhaupt entstehen sollte, wenn niemals die Gegenstände, sondern immer unsere Interpretation erst das ausmachen würde, was man Erscheinen eines Gegenstandes nennt, und wir ohne diese Deutung nur in "Nichtakten" ohne gegenständliche Beziehung leben würden. Und wenn wir dann wieder fragen, was denn jene Nichtakte dennoch als "Erlebnisse" - sie sind kein Erlebtes, sondern offenbar ein Erleben - charakterisiert, so finden wir keine befriedigende Lösung. Sie ermangeln der Beziehung auf ein Gegenständliches, und dennoch sollen sie die Bewußtseinseinheit des jeweiligen psychischen Individuums konstituieren. In der Tat scheint diese schwierige Lage durch Bedenken zustande gekommen sein, die sich dem Verfasser der "Logischen Untersuchungen" gegen die Annahme eines intentionalen Objektes aufdrängten. HUSSERL hat richtig eingesehen, daß es sich beim Akt weder um ein reales Verhältnis zwischen Bewußtsein und Ding, noch um ein solches zwischen Bewußtsein und einem immanenten Objekt handelt. Er hat deutlich bemerkt und es nachdrücklich betont, (132) daß die Existenz eines intentionalen Gegenstandes nichts anderes heißt, als die Existenz der betreffenden Intention, des bezüglichen Bewußtseins, und daß der "immanente Gegenstand" weder im Geist, noch außerhalb, sondern nirgends existiert. Allein die Zweiheit, die in jedem psychischen Phänomen liegt, und die man bis dahin durch die Annahme eines mentalen Objekts in uns erklärt hatte, schien mit dieser Annahme zugleich fallen zu müssen. So mag der Forscher dazu gekommen sein, ein ursprünglich gegenstandesloses Bewußtsein anzunehmen. Darin lag nun freilich ein großer Rückschritt. Indem er den fiktiven Charakter des intentionalen Gegenstandes erkannte, wurde er zugleich am intentionalen, d. h. gegenständlichen Charakter jedes Bewußtseins irre. Nicht ungestraft! Denn indem er jenes ursprünglich gegenstandslose Empfinden dann auch in den Akt eingehen ließ, derart, daß wir durch es hindurch im Akt das wirkliche Haus oder den wirklichen Baum meinen, rückte er diese Nichtakte in eine bedenkliche Nähe (133) zu eben aufgegebenen immanenten Objekt, dem ja eine gleiche Aufgabe zugedacht war. Nur hatte man eine Adäquation und eindeutige Zuordnung zwischen intentionalem und wirklichem Objekt gelehrt, während zwischen den Empfindungen und den Objekten, die wir durch sie hindurch wahrnehmen, keine solche besteht. Derselbe Nichtakt soll ja das Wahrnehmen verschiedener Objekte ermöglichen.

Demgegenüber halten wir, HUSSERL in der Ablehnung des immanenten Objektes zustimmend, dennoch aufrecht, daß jedes Bewußtsein ein Bewußtsein von etwas ist.
    "Es gehört zum Wesen jeder psychischen oder Bewußtseinstätigkeit, ein Vorgang zu sein, der zur Folge hat, daß dadurch das psychisch Tätige primär etwas anderem als es selbst ideell konform wird. In diesem Verstand ist jedes Bewußtsein eine Beziehung des Ich zu einem Objekt." (134)
So scheiden wir dann auch ursprünglich Empfinden und Empfundenes. Die Wahrnehmung des Empfundenen, des physischen Objektes, ist äußere Wahrnehmung und weit entfernt, evident zu sein. Die Wahrnehmung des Empfindens dagegen ist die Wahrnehmung eines Aktes und als solche auch im Sinne HUSSERLs eine innere und evident (135). Wenn also CORNELIUS (136) erklärt, auch der Halluzinierende täuscht sich nicht über die wahrgenommenen Inhalte, sondern über deren Bedeutung; denn er
    "hat diese oder jene bestimmten - anormal verursachten - Gesichts- oder Gehörsempfindungen; er täuscht sich nicht über deren Vorhandensein, sie sind ihm als seine Bewußtseinsinhalte ebenso unmittelbar und zweifellos wie jeder normal bedingte Empfindungsinhalt gegeben" -
so hat er insofern recht, als auch durch halluzinatorische Vorgänge die Evidenz aller inneren Wahrnehmung nicht angetastet wird; daß der Halluzinierende die betreffenden Empfindungen erlebt, ist zweifellos: für die innere Wahrnehmung gibt es keine Halluzination. Aber ebenso sicher ist das Fürwahrhalten des Empfundenen bei der Halluzination wie beim gewöhnlichen Wahrnehmen falsch. Nicht nur dann täuscht er sich, wie CORNELIUS und HUSSERL glauben, wenn der "diese Inhalte ... als Erscheinungen von Dingen auffaßt", also das Erscheinende deutet, sondern schon dadurch, daß er das ihm in der äußeren Wahrnehmung Erscheinende als seiend, nicht nur als erscheinend anerkennt.

CORNELIUS meint, in der äußeren Wahrnehmung trete erst eine Täuschung ein, wenn wir z. B. das Wahrgenommene als grünes Blatt oder als grüne Kugel bestimmen, nicht aber, wenn wir einfach urteilen, die gesehene Farbe sei grün. Im letzteren Fall könne von einer Beziehung der "Inhalte unserer Wahrnehmung auf einen Gegenstand" nicht die Rede sein und wir gingen damit auch nicht "über die tatsächlich gegebenen Inhalte unserer Wahrnehmung hinaus." (137)

Wir antworten: Gewiß! Wenn wir ein gesehenes Grün als solches, das heißt aber (138) ein Grün-Sehen anerkennen, täuschen wir uns nicht - obwohl auch hier eine Gegenstandsbeziehung vorliegt, nur keine Beziehung auf ein Ding. Aber dieses richtige Urteil ist ein Urteil innerer Wahrnehmung, anerkennt es doch kein qualitativ-Örtliches. Machen wir aner Grün (schlechthin) zum Gegenstand unserer Affirmation [Zustimmung - wp] - und jeder Sehende tut das - dann haben wir die ganze mechanische Naturwissenschaft gegen uns (139) welche bestreitet, daß es so etwas wie ein Grünes überhaupt gibt. Vielleicht hat sie damit Unrecht - eine Evidenz aber für das Dasein von Farben besitzen wir jedenfalls nicht.

Wer freilich nicht nur leugnet, daß die Wahrnehmung Dinge wie Kugeln und Blätter zum Gegenstand hat, sondern ihr überhaupt den Charakter einer Gegenstandsbeziehung, das heißt einer wirklichen oder möglichen ideellen Verähnlichung zu einem Was abstreitet, der kann vom Unterschied der Farben und des Sehens, der Töne und des Hörens keine Rechenschaft geben, und nimmt dann die für das Empfinden gegebene Evidenz für eine Verbürgerung des Daseins der empfundenen Qualitäten schlechthin, er hält die Einsichtigkeit des inneren Wahrnehmens für eine solche des äußeren.

§ 28. Wir haben, um die Lehre, daß erst die Deutung das Erscheinen, das Gegenstandsbewußtsein ausmacht, kritisch zu beleuchten, gerade HUSSERLs "Logische Untersuchungen" herangezogen, weil uns eine weitgehende Übereinstimmung in den Ausgangspunkten des Philosophierens mit ihm verbindet, und umso eher eine Verständigung zu erhoffen ist. Indessen steht er mit dieser Ansicht durchaus nicht allein. CORNELIUS ist schon erwähnt worden. Aber auch viele zeitgenössische Anhänger KANTs sind hier zu nennen. Von besonderem Interesse hierfür sind die Auseinandersetzungen STAUDINGERs und *MESSERs in Bd. 8 und 9 der "Kant-Studien".

STAUDINGER scheidet deutlich Inhalt und Gegenstand, und das in folgender Art: "Inhalt" eines Begriffs ist etwas rein psychologisches und durchaus nicht identisch mit dem, wofür der Begriff gilt, das heißt wohl mit dem, worauf er anwendbar ist. Dies ist vielmehr der Gegenstand. Er ist "der Zielpunkt, in Bezug auf den unser Denken gültige Urteile zu fällen den Anspruch macht". (140) Diese beiden, Inhalt und Gegenstand, sind nun nicht identisch. Der Inhalt ist so oft, als das Vorstellen ist, der Gegenstand ist einer. Fragen wir nun aber nach der Beziehung zwischen dem Vorgestellten als solchem, dem Inhalt, und dem Gegenstand, so hören wir zwar von STAUDINGER, die Geltung sei eine solche Beziehung, aber das Wesen dieser Beziehung wird wie bei HUSSERL und CORNELIUS beschrieben. Nicht den Gegenstand stellen wir vor, wir stellen nur "ein geschriebenes Datum (Anschauung, Wahrnehmung, Begriff) vor den Gegenstand, auf den es bloß als Repräsentant und Wegweiser deutet. Und nur so schaffen wir aus psychischen Zusammenhängen - Erkenntnis." (141) Denn die gegebenen Daten schaffen sie nicht, sie bedeuten nichts (MESSER), die Bedeutung und damit der Gegenstand ist ihnen erst zu geben, und hier beginnt auch der Irrtum: in der Deutung. Man sieht hier die Übereinstimmung HUSSERLs mit STAUDINGER, der dies ausspricht. Und wir glauben den Verfasser der "Logischen Untersuchungen" zu hören, wenn STAUDINGER sagt (142)
    "Gewiß ist zunächst und im strengen Sinne alles, was unmittelbar gegeben ist. Der Ton, den wir hören, der Gedanke, den wir denken, sie sind uns gewiß, weil sie als solche ohne weiteres im Bewußtsein gegeben sind."
Es ist dieselbe Verwechslung äußerer und innerer Wahrnehmung, wie oben. Sie geht bei STAUDINGER auf das Festhalten an der Lehre vom immanenten Objekt zurück. Denn während in Wirklichkeit das Dasein des Vorgestellten als solchen (des gehörten Tons als gehörten", - was nichts anderes heißt als das Dasein des Vorstellens (Hörens) - durch die Evidenz der inneren Wahrnehmung gewährleistet ist, ist für die Anhänger der Lehre vom imanenten Objekt das Vorgestellte als solches, z. B. der Ton als gehörter der zweite Terminus der Korrelation Vorstellen - Vorgestelltes und Objekt der äußeren Wahrnehmung. Daher die Verwechslung. Solange man die Ansicht vertreten wird, in der Wahrnehmung sind nicht die realen Gegenstände anerkannt, nicht die Töne schlechthin, sondern nur die bewußten Gegenstände als solche, die Töne als gehörte, solange wird man immer behaupten dürfen, alles Gegebene sei gewiß und evident gegeben. Aber man wird damit immer nur die Evidenz der inneren Wahrnehmung umschreiben und kommt niemals zur Frage der Evidenz einer äußeren Wahrnehmung, die man in STAUDINGERs Terminologie formulieren müßte: Kann etwas unmittelbar gegeben sein, ohne zu sein?

Es scheint, daß viele, indem sie die obige Frage verneinten und so aller Wahrnehmung Evidenz zuerkannten, von dem Widerspruch verführt wurden, der scheinbar darin liegt, daß etwas Gegenstand ist, ohne zu sein. In der Tat wollen auch wir durchaus keine Unabhängigkeit des "Soseins vom Sein" anerkennen. Aber man vergesse nicht, daß "vorgestellt", "gegeben" hier modifizierte Prädikate sind und daß es ein anderes ist, sich auf einen Gegenstand zu beziehen d. h. Bewußtsein zu sein und etwas anderes, einem wirklichen Gegenstand adäquat zu sein. (143) "Ein vorgestellter Ton ist" heißt: "Ein Ton-Vorstellen ist ein Hören". Ob aber aus dieser durch innere Wahrnehmung verbürgten Behauptung folgt, daß ein Ton schlechthin ist [ansich existiert - wp], darüber ist nichts ausgemacht.

Wäre nun aber der Ton, dann wäre er eben und wäre vorgestellt. In diesem Sinne - auf das Seiende und Vorgestellte angewandt - ist "vorgestellt" kein modifizierendes Prädikat, sondern ein bereicherndes: Es prädiziert von einem Seienden, daß es zu einem Bewußtsein in einer gewissen Korrelation steht. Indem man übersah, daß "vorgestellt", "gegeben", "vorgefunden" usw. einmal modifizierende, einmal wahrhaft bereichernde Prädikate sind, schloß man entweder idealistisch: Etwas ist vorgestellt, also ist es nicht ansich. Man faßte also "vorgestellt" immer als modifizierendes Prädikat auf (144) und mit Recht konnten die Realisten dann mit WILHELM FREYTAG anworten: "Die Aufnahme eines Dings in die Prinzialkoordination, die Beziehung auf das denkende Ich ändert am Ding nichts." (145) Aber auch hier ging man dann auf der anderen Seite ins Extrem, indem man - "vorgestellt" für ein stets determinierendes Prädikat haltend - aus dem Vorgestelltsein das Sein unmittelbar erschließen zu können glaubte, als könnte nicht etwas bloß vorgestellt sein (146). So kommt man dazu, nicht nur jede Wahrnehmung für evidenz zu erachten, sondern gelangt noch über den extremen Realismus eines PLATO hinaus. MARTYs Untersuchungen haben erst Bewußtsein als Korrelat und Bewußtsein als relative Bestimmung scheiden gelehrt und damit die Äquivokation des Urteils "Ein vorgestellter Gegenstand ist" aufgedeckt, die immer und immer wieder Anlaß wird zu schweren Irrtümern.

§ 29.AUGUST MESSER hat in einem kürzlich erschienenen Buch (147) seine Ansichten vom Wesen des Bewußtseins weiter ausgeführt und sich nun auch ausdrücklich an HUSSERL angeschlossen. So steht dann auch ein ganzer Kreis von Forschern gegen uns mit der Behauptung:
    a) die Empfindung sei ursprünglich ohne Beziehung auf einen Gegenstand;

    b) diese werde erst hergestellt durch eine besondere, nicht weiter zurückführbare Funktion des Bewußtseins: die "Intention", den "Akt";

    c) bei den noch diese Funktion entbehrenden Bewußtseinstatsachen - also auch bei dem, was wir innere Wahrnehmung nannten - sei die Frage nach der Evidenz sinnlos;

    d) sie erhalte erst einen Sinn durch die sich im Akt vollziehende Deutung auf einen Gegenstand; hier aber sei die innere "Wahrnehmung" der äußeren gleichgestellt in Bezug auf ihren Erkenntniswert.
Demgegenüber halten wir daran fest, daß jedes Bewußtsein eine Subjekt-Objektbeziehung in dem oben (§ 4) erörterten Sinn ist und daß keinerlei "Intention" ihm sie geben könnte, wenn die Gegenstandsbeziehung nicht von vornherein da wäre. Die Behauptung, eine solche lasse sich aus Elementen aufbauen, die selbst nichts von einem Hinweis auf Gegenständliches enthalten, bedeutet einen Empirismus, dessen Unwahrscheinlichkeit weit größer ist als etwa die der äußersten empiristischen Raumtheorie.

Freilich muß man sich hier vor eine Äquivokation [Gleichlaut des Wortes bei Verschiedenheit der Bedeutung - wp] hüten. Unter "Gegenstand" ist hier jedes mögliche oder wirkliche Korrelat eines Vorstellens verstanden, nicht nur etwa die Dinge (Tisch, Haus, Pferd usw.). Von ihnen kann man STUMPFs Wort gebrauchen, daß sie erst durch Begriffe überhaupt für uns entstehen; (148) sie, deren Vorstellung die übliche falsche Abstraktionstheorie an den Anfang der Begriffsbildung stellt. (149) Die Äquivokation von "Ding" und "Gegenstand" scheint sich auch in MESSERs Darlegungen einzuschleichen. So führt er als Beispiel dafür, daß Empfindungen bisweilen keine gegenständliche Deutung erfahren, an (150): Er sei einmal, in einer fremden Stadt übernachtend, durch eine intensive Gehörsempfindung aus dem Schlaf geweckt worden. "Sie war eine Zeitlang nicht lokalisiert, auch nicht gegenständlich gedeutet; der Verstand steht "sozusagen still". Bis endlich die "objektive Deutung" erfolgt: es ist das Geräusch eines vorbeifahrenden Zuges.

Wenn man unter gegenständlicher Beziehung diese sich durch Assoziationen und Prädikationen mannigfachster Art vollziehende Einordnung eines Erlebnisses in die Gesamtheit unserer Erfahrung versteht, so hat MESSER sicher Recht, und wer die Gegenständlichkeit in diesem Verstand jeder Empfindung zuschreiben wollte, würde sich eines Zirkels schuldig machen. Allein nicht dies ist strittig: vielmehr ob jedes Hören das Hören eines Tones ist oder ob auch diese Beziehung zwischen Hören und Ton erst durch besondere Akte hergestellt wird. Offenbar nicht; und der Autor bezeugt dies selbst, indem er hervorhebt, die Empfindung sei nicht lokalisiert worden. Hier ist offenbar das Empfundene, der Ton gemeint - denn bezüglich des Empfindens hätte das Staunen über den Ausfall der Lokalisation keinen Sinn - und MESSER versichert uns selbst: daß er einen Ton gehört hat. Es kann also nicht mehr davon die Rede sein, daß sein Hören ohne Gegenstandsbeziehung war. Wohl aber fehlte die Bezugnahme auf die Dinge.

MESSER hat aus HUSSERLs Theorie der Akte noch eine Konsequenz gezogen, die wir hier noch beleuchten wollen. Die grundlegendste Einteilung des Bewußtseins sei, meint er, die Unterscheidung der Akte und Nichtakte. Dagegen hätten die bisher üblichen Klassifikationen, z. B. die TETENS-KANTische in Denken, Fühlen und Wollen nur die Akte eingeteilt; die Nichtakte haben in dieser Dreiteilung keinen Platz (151). Wenn dem so sein soll, so fragen wir: warum dann überhaupt die "Nichtakte" mit den "Akten" zur Klasse "Bewußtsein" gerechnet werden? Bisher hatte man dies getan, weil man in ihnen eine ähnliche Subjekt-Objekt-Beziehung sah wie in den von HUSSERL als objektivierend bezeichneten Akten. Das will MESSER nicht gelten lasen. Speziell bezüglich der Empfindungen bemerkt er, sie seien so wenig objektivierend, daß sie nicht einmal immer zum Aufbau des gegenständlichen Aktes dienen, vielmehr ihn einfach begleiten. So Spannungsempfindungen in der Stirn, welche den Vorgang des Denkens begleiten. (152)

Mich konnte diese Beweisführung nicht überzeugen. Denn sie beweist nichts bezüglich des strittigen Punktes: ob nämlich diese Spannungsempfindungen selbst Empfindungen von etwas sind. Und diese Frage wird zu bejahen sein: denn sonst wäre es unbegreiflich, wie man von ihnen als besonders charakterisierten Qualitäten sprechen kann. Doch unser Autor ist so weit entfernt, dies zuzugeben, daß er nicht einmal allen "Akten" zugesteht, sie seien eine Beziehung zum Gegenstand; Fühlen und Wollen sollen hier ausgenommen sein. Wir können auf diese Frage nicht weiter eingehen und verweisen auf die Erörterung in MARTYs "Sprachphilosophie" (153).

Während aber die Akte doch alle durch das gemeinsame Merkmal des intentionalen Charakters zu einer Klasse verbunden sein sollen, wird für die Zusammengehörigkeit der Akte und Nichtakte als Bewußtseinserlebnisse kein Kriterium angegeben. Daß sie alle Erlebnisse des Ich sind, kann nicht von vornherein als Gemeinsamkeitsmerkmal ausgegeben werden. Denn die Beziehung der Erlebnisse zum Ich weist allein auf keinen eigentümlichen phänomenologischen Befund zurück, wie HUSSERL richtig bemerkt hat (154). Das Ich, von dem der deskriptive Psychologe spricht, ist nichts, "das über den mannigfaltigen Erlebnissen schwebt". Etwas anderes muß es sein, das die Erlebnisse alle ("Akte" wie "Nichtakte") als solche charakterisiert.

Vielleicht meint jemand, das Bewußtsein als zusammenfassenden Ausdruck für alle Erlebnisse genügend charakterisieren zu können dadurch, daß diese sämtlich Objekt der inneren Wahrnehmung sind. Das sogenannte "unbewußt Psychische" wäre dann jedenfalls kein Teil dieses Bewußtseins. So muß es wohl auch MESSER verstehen, wenn er die unbewußten Spuren früherer Erlebnisse, auch wenn sie im Sinne BENNO ERDMANNs als psychisch zu betrachten wäre, nicht dem Bewußtsein beizählt (155). Allein wenn jemand in der inneren Wahrnehmbarkeit eine genügende Charakteristik aller Erlebnisse als solcher sehen wollte, so müßten wir doch dagegen sagen, daß - wie MESSER selbst hervorhebt (156) - die Unterscheidung innerer und äußerer Wahrnehmung nur durch die Unterschiede der Objekte bedingt ist und daher nicht geeignet sein kann, deren Differenzierung selbst zu begründen.

So können wir dann auch kein Kennzeichen finden, das die sogenannten Akte und Nichtakte gemeinsam charakterisieren würde. Daß sie die Einheitlichkeit der Klasse "Erlebnisse" nicht zu rechtfertigen vermag, erscheint uns als ein neues gewichtiges Bedenken gegen die von HUSSERL und MESSER vertretenen Ansicht.
LITERATUR - Hugo Bergmann, Untersuchungen zum Problem der Evidenz der inneren Wahrnehmung, Halle/Saale 19083
    Anmerkungen
    124) So auch FISCHER, Gesichtswahrnehmung, 1891, Seite 240; UPHUES, Psychologie des Erkennens, Seite 169; HÖFLER, Psychologie, Seite 271; MEINUNG, Erfahrungsgrundlagen, Seite 24 und viele andere. CORNELIUS meint irrtümlich, HUSSERL habe den Sprachgebrauch Wahrnehmung = Deutung von BRENTANO übernommen (Zeitschrift für Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane, Bd. 43, Seite 35f).
    125) Vgl. die "Prädikatstäuschungen" von CORNELIUS.
    126) Das Umgekehrte freilich tut THEODOR LIPPS (Bewußtsein und Gegenstände, 1907, Seite 36f). Er sondert ausdrücklich einen engsten Sinn des Terminus "Wahrnehmen" (der Künstler bestrebt sich, auf der Leinwand nur wiederzugeben, was er "wahrnimmt") und einen weiteren (ein Haus "wahrnehmen"), der schon eine "Auffassung" des schlicht Gegebenen - nach STUMPFs Terminologie, LIPPS sagt ein "Denken" - bezeichnet. Auch im inneren Bewußtsein kennt er das einfache "Erleben des Erlebens" und daneben ein "Beachten des Erlebnisses", ein "Denken". Doch behält er den Ausdruck "innere Wahrnehmung" nur für die letztere Tatsache, als entscheidet er sich hier für die weitere Bedeutung. "Die innere Wahrnehmung ist jederzeit ein Denken" (Seite 40). Wenn also LIPPS lehrt, die innere Wahrnehmung folge dem Erleben stets erst nach, so soll dies nicht von unserer Wahrnehmung im engsten Sinn gelten, sondern von jener Verarbeitung des schlicht Gegebenen, das er als Denken, Apperzipieren, Meinen (Leitfaden der Psychologie, 1903, Seite 56) des Gegenstandes im Inhalt bezeichnet. Im Übrigen scheint LIPPS dies gleich HUSSERL für eine deskriptiv nicht weiter zerlegbare Tatsache zu halten, wenn er auch genetisch den "Denk"akt als Resultat einer länger währenden "Zuwendung" hinstellt, zu der er sich verhält wie das Einschnappen der Klinge zu der darauf abzielenden Bewegung. Schon diese genetische Bemerkung weist darauf hin, daß wir es hier nicht mit einer phänomenologisch einfachen Tatsache zu tun haben dürften.
    127) MARTY, Über subjektlose Sätze, in der Vierteljahrsschrift für wissenschaftliche Philosophie, Bd. 19, Seite 81.
    128) Logische Untersuchungen II, Seite 709. Ganz übereinstimmend mit HUSSERL: CORNELIUS, Einleitung in die Philosophie, Seite 180
    129) BRENTANO, a. a. O. Seite 370
    130) Logische Untersuchungen II, Seite 330.
    131) HUSSERLs ANsicht zeigt sich hierin der oben angeführten von UPHUES verwandt, daß sich die Gegenstandsbeziehung aus einem ursprünglich gegenstandslosen Bewußtsein entwickelt hat.
    132) Logischen Untersuchungen II, Seite 398f.
    133) Noch mehr nähert sich der Lehre vom immanenten Objekt MESSER, der, wie wir gleich sehen werden, die "Intentionen" akzeptiert, wenn er (Empfindung und Denken, Seite 66) jeder "Funktion", auch dem "etwas als-bloß-vorgestellt-Meinen" ein Korrelat entsprechen läßt.
    134) ANTON MARTY, Sprachphilosophie I, Seite 423
    135) ERNST DÜRR leugnet (Grenzen der Gewißheit, Seite 56), daß die Gegenstände "farbig oder mit den sonstigen sinnlichen Qualitäten behaftet sind" und glaubt dennoch, daß die äußere Erfahrung ebenso unmittelbar gewiß ist wie die innere (ebd.). Diesen Widerspruch will er lösen, indem er "die erkennende Tätigkeit und den erkannten Gegenstand" unterscheidet. Dann ist aber doch wohl nur das Dasein der ersteren beim äußeren Wahrnehmungsakt gesichert und zwar gesichert durch die innere Wahrnehmung, deren Objekt sie ist.
    136) CORNELIUS, Psychologie a. a. O., Seite 316.
    137) CORNELIUS, Einleitung in die Philosophie, Seite 180 und 248.
    138) HUSSERL, a. a. O.: "Der Gegenstand ist ein bloß intentionaler heißt ... die Intention ... existiert."
    139) CORNELIUS selbst bestreitet a. a. O. Seite 260/1, daß es farbige Dinge gibt. Die Gegenstände, welche die äußere Wahrnehmung, deren Evidenz CORNELIUS vertritt, verbürgen soll, wären die immanenten (Der Empfindungsinhalt, nicht der physische Gegenstand, Zeitschrift für Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane, Bd. 43, Seite 22 [2psyprinz]). Aber deren Dasein folgt, wenn es - worüber die innere Wahrnehmung entscheide - ein Sehen und Hören gibt, für den Anhänger des immanenten Objekts analytisch, weil Korrelate nicht ohne einander sein können.
    140) Kant-Studien, Bd. 8, Seite 9
    141) Kant-Studien, Bd. 8, Seite 20. Vgl. auch F. E. O. SCHULTZE ("Erscheinungen und Gedanken", Archiv für die gesamte Psychologie, Bd. 8, Seite 336), der von einem immanenten Objekt als dem Hilfspunkt spricht, der die Funktion hat, über sich hinauszuweisen auf "jenes unendliche, nie realisierbare Ziel".
    142) Kant-Studien, Bd. 8, Seite 17
    143) Vgl. MARTY, Sprachphilosophie I, Seite 397, Seite 418. BOLZANO hat diese Unterscheidung angedeutet, wenn er davon sprach, eine "gegenstandslose" Vorstellung, z. B. die eines goldenen Berges "beziehe" sich auf einen Gegenstand, "habe" aber keinen. (Wissenschaftslehre I, Seite 316).
    144) So JULIUS BERGMANN (Die Gegenstände der Wahrnehmung, Zeitschrift für Philosophie und philosophische Kritik, Bd. 110, Seite 85): Ist es nicht unmittelbar evident, daß alle Wahrnehmungsinhalte ... eben nur Wahrnehmungsinhalte sind und nichts weiter, daß ihr Wahrgenommen-werden ... notwendig zu ihnen gehört? ... Vgl. dagegen SIGWART, Logik I, Seite 44, die Polemik BRENTANOs gegen BAIN (*Psychologie I, Seite 120f) und STUMPF, Erscheinungen etc., Seite 12f.
    145) WILHELM FREYTAG, Die Erkenntnis der Außenwelt, 1904, Seite 33. Realismus und Transzendenzproblem Seite 95f. Ebenso PFÄNDER, Einführung etc. a. a. O., Seite 213f. DÜRR wendet sich (Grundzüge einer realistischen Weltanschauung etc., 1907, Seite 13) dagegen, daß man mit dem Begriff des Gedachten den des "Nur Gedachten" verbindet. Freilich ist auf seinem Standpunkt - er hält an der Lehre vom intentionalen Objekt fest, indem er den Farben, den Tönen wohl die Realität abstreitet, aber nichtreale Wirklichkeit zuspricht (Seite 8) - nicht leicht zu verstehen, warum er (Seite 13) das Nur-Gedachte dem Nicht-Wirklichen gleichsetzt, d. h. nachdem a. a. O. angewandten Sprachgebrauch dem Nicht-Seienden, Fiktiven. Hält er doch sonst die Farben für wahrhaft seiend, aber nur für seiend in "Zuordnung zu einem erfahrenden Subjekt". Uns scheint es vielmehr richtiger, zu sagen: Entweder sind die Farben, dann sind sie real und ihr Sein unabhängig vom Vorgestellt-Sein. Oder das letztere ist unrichtig, die Qualitäten sind nur subjektiv, dann sind sie überhaupt nicht und es gibt nur ein die-Qualitäten-Vorstellen. Übrigens tritt DÜRR gleich FREYTAG den Irrtümern des modernen extremen Idealismus entgegen (Seite 28f, Grenzen der Gewißheit Seite 60). Vgl. auch MARBE in der Vierteljahrsschrift für wissenschaftliche Philosophie, Bd. 23, Seite 244.
    146) Dieser Irrtum hat auch außerhalb des Kreises fachmännischer Philosophen Anhänger gefunden. So führt GEORG CANTOR in der bekannten Abhandlung "Über unendliche, lineare Punktmannigfaltigkeiten" (5. Stück, § 8, Mathematischen Annalen, Bd. 21, Seite 562) als Beweis für das Dasein des Bestimmt Unendlichen an, daß es aufgrund von Definitionen in unserem Verstand einen ganz bestimmten Platz einnehme, von allen übrigen Bestandteilen unseres Denkens auf das Beste unterschieden. "Es unterliegt für mich keinem Zweifel, daß diese beiden Arten der Realität (die immanente und die transsubjektive) sich stets zusammenfinden in dem Sinne, daß ein in ersterer Hinsicht als existent zu bezeichnender Begriff immer ... auch eine transiente [vorübergehende - wp] Realität besitzt ..." Ähnlich argumentiert MESSER (Empfindung und Denken, Seite 129) für das Sein der allgemeinen Gegenstände, denn "wir können von ihnen sinnvoll reden, sie zum Gegenstand unserer Gedanken machen." Allein auch Widersprechendes machen wir zum Gegenstand unserer Gedanken, indem wir es z. B. verneinen. Ist es deshalb? Und wie will man überhaupt rechtfertigen, daß es berechtigte negative Urteile gibt, wenn alles ist, was wir zum Gegenstand unserer Gedanken erheben?
    147) AUGUST MESSER, Empfindung und Denken, 1908.
    148) CARL STUMPF, Einteilung der Wissenschaften, Seite 6
    149) MARTY, Sprachphilosophie I, Seite 727f
    150) MESSER, Empfindung und Denken, Seite 40f.
    151) MESSER, a. a. O., Seite 45
    152) MESSER, a. a. O., Seite 56
    153) MARTY, Sprachphilosophie I, Seite 423f und öfter. Vgl. zur ganzen Frage auch MARTYs Anzeige von STUMPF, Erscheinungen und psychische Funktionen in der "Deutschen Literaturzeitung" (1908, Nr. 26).
    154) HUSSERL, Logische Untersuchungen II, Seite 331.
    155) BENNO ERDMANN, Logik I, Seite 128f. MESSER, a. a. O., Seite 82.
    156) MESSER, a. a. O., Seite 8.