p-4 F. SchumannG. HeymansAugustinusA. DöringH. Bender    
 
HEINRICH BRÖMSE
Die Realität der Zeit
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"Jede Veränderung ist eine Aufeinanderfolge von Zuständen. Wollte man nun annehmen, daß eine Veränderung möglich wäre, ohne einen zeitlichen Verlauf darzustellen, so müßte die Welt des real Seienden zeitlos sein. Nun ist Zeitlosigkeit nur denkbar als ein Zustand beständiger Gegenwart ohne ein vorhergehendes und ohne ein nachfolgendes Sein, ein Zustand, den man mit anderem Ausdruck als Ewigkeit - wobei Ewigkeit selbstverständlich nicht als Gesamtsumme der Zeit zu fassen ist - bezeichnet hat. Entwicklung setzt aber ein Vorher und Nachher voraus, man müßte sonst annehmen, daß ein Zustand A und der in der Erscheinung nachfolgende B in Wirklichkeit zugleich wären. Wäre aber in der realen Veränderung alles zugleich, d. h. gäbe es keinen realen Zeitverlauf, so müßte A zugleich sein und nicht sein, was unmöglich ist."

"Wird mit Kant auch die Zeit zu einer ausschließlich subjektiven Vorstellungsform gemacht, so bleibt dem Verstand gar nichts mehr von jener Welt zu denken übrig, auf die er von Anfang an seine Erklärungsunternehmungen glaubte abzielen zu dürfen. Stürzt die metaphysische Zeit dahin, so sinkt auch alle im eigentlichen Sinne reale Veränderung, alles transzendentale Geschehen und damit alle Kausalverknüpfung und Naturgesetzlichkeit in einen bodenlosen Abgrund."


II. Nachweis der Zeit als
realer Form des Geschehens.

§ 8. Nachweis der realen Zeit für das Geschehen im Subjekt. - Wenn man nur einer solchen Erkenntnis metaphysische Gültigkeit zuschreiben wollte, die nicht nur in ihrer Form, sondern auch in ihrem Inhalt eine logische Notwendigkeit zeigt, so würde es in der Tat überhaupt kein Wissen geben. Denn wir finden in jedem Urteil und somit in jedem Schluß und Beweis, mögen sie in ihrem Aufbau noch so logisch gesetzmäßig sein, Tatsachen, die sich nicht weiter beweisen lassen, sondern als gegeben hingenommen werden müssen. Warum überhaupt das Seiende existiert, warum uns Objekte geboten werden, ist eine Frage, die sich ebenso sehr der Beantwortung entzieht, wie sie müßig erscheint. Die Summe der Tatsachen kann nicht begrifflich konstruiert, sondern nur durch Erfahrung gewonnen werden. Mag an dieser Erfahrung noch so scharfe Kritik geübt werden, die Existenz einer Tatsache als solcher läßt sich nicht aus logischen Gründen ableiten: sie ist nicht denk-, sondern naturnotwendig.

Die erste reale Tatsache, die die Grundlage des psychischen bewußten Lebens überhaupt bildet, wird immer in dem Sinne bezeichnet werden müssen, in dem DESCARTES sie als unverlierbaren Besitz des philosophischen Denkens ausgesprochen hat: Cogito ergo sum. [Ich denke also bin ich. - wp] Es kommt darauf an, dieses Prinzip richtig zu erklären. Nicht aus dem Denkinhalt, sondern lediglich aus der Denkhandlung oder vielmehr aus jeder mir bewußt werdenden psychischen Tätigkeit folgt für mein Bewußtsein als unmittelbare Gewißheit seine Existenz. Die eigene psychische Tätigkeit ist ein Selbsterlebnis, dessen Realität seiner Existenz nach nicht bezweifelt werden kann.

Es ist hiermit durchaus nicht ausgesprochen, daß das Ich überhaupt ein von ihm selbst völlig erkanntes Gebiet wäre. Selbst wenn das psychische Leben seinem Inhalt nach durchaus eine terra incognita [unbekanntes Land - wp] wäre, könnte man vernünftigerweise an der Existenz desselben nicht zweifeln. Die Existenz der psychischen Tätigkeit muß ihrem ganzen Umfang und ihrer ganzen Form nach als gewiß angesehen werden (9).

Nun ist das innere Leben als ein Verlauf psychischer Zustände gegeben. Man wird hier vielleicht einwenden, daß dies keineswegs der Fall ist, daß der unmittelbar bewußten Wirklichkeit nur die Gegenwart angehört und daß in dieser kein Verlauf gedacht werden kann. Es ist jedoch zu beachten, daß im Grunde die Gegenwart im Sinne eines Moments ohne irgendeinen Verlauf nichts als die Grenze zwischen Vergangenheit und Zukunft ist, eine Grenze, für die sich, wenn man schärfer zusieht, überhaupt kein positiver Wert ergibt, ähnlich wie sich als Grenze zweier aneinanderstoßender Flächen keine irgendwie ausgedehnte Raumgröße angeben läßt. In Wahrheit würde im Sinne dieses Einwands die Gegenwart gleich Null werden und daraus der ungeheuerliche Gedanke folgen, daß die gewiß feststehende, unmittelbar bewußte Wirklichkeit des Ich in diesem Nichts bestände, während doch die Wirklichkeit selbst nicht geleugnet werden kann. Hätten wir unmittelbare Gewißheit nur von der punktuellen Gegenwart, so würden wir allerdings mit so einer unmittelbaren Gewißheit keinen Verlauf von psychischen Zuständen wahrnehmen können, aber ebensowenig irgendeinen einzelnen psychischen Akt denn immer wird er, und wäre es auch der winzigste, eine solche Gegenwart, die nichts als Grenze ist, überschreiten. Wollen wir also nicht die unmittelbare Gewißheit überhaupt aufgeben, so müssen wir ihren Bereich über eine solche Gegenwart - die nach jener Theorie diesen Namen im Grunde überhaupt nicht mehr verdient, - ausdehnen. Die Grenzen fixieren zu wollen, wäre ein vergebliches Bemühen, da wir es wieder nur mit Hilfe psychischer Elemente erreichen, das zu Messende nur mit sich selbst messen können, für dieses Maß aber wieder ein Maß finden müßten und so einem endlosen Zirkelschluß anheimfallen. Man wird sich darauf zu beschränken haben, die Existenz desjenigen psychischen Inhalts, den unser Bewußtsein als gegeben enthält, festzustellen, mag man innerhalb desselben auch aus psychologischen Gründen in Bezug auf seinen Inhalt einen Zustand größerer und einen solchen geringerer Klarheit unterscheiden.

Der Zusammenhang psychischer Zustände ist nicht erst durch eine mittelbare Verstandestätigkeit zu erschließen, sondern ist eine unmittelbar gegebene Tatsache. Will man diese selbst zu erklären suchen, so gibt es keinen anderen Weg, als sie auf ein psychologisches Prinzip zu stützen, das freilich im Grunde nichts Neues bringt, sondern erst aus ihr gewonnen ist. Ein solches Prinzip läßt sich als synthetische Funktion des Geistes bezeichnen, ein Begriff, der wohl noch sprachlich spezialisiert, aber nicht mehr überschritten werden kann. Es ist dies eine der mannigfachen Grenzen, die sich überall da zeigen, wo wir den Versuch machen, die Existenz eines tatsächlich Gegebenen begrifflich zu erweisen.

Für den Satz, daß die Existenz eines Verlaufs psychischer Vorgänge eine unmittelbare Gewißheit hat, ließe sich noch mancherlei, namentlich auf dem Weg der indirekten Beweisführung, anführen, doch erscheint dies im Zusammenhang dieser Darstellung untunlich.

Innerhalb des wahrgenommenen und für wahr erkannten Verlaufs ist eine Permutation der einzelnen Glieder durchaus nicht möglich, vielmehr ist jedes Glied mit den früheren und späteren so unlöslich verknüpft, daß seine Herauslösung wohl auf dem Weg der Abstraktion erfolgen kann, daß damit aber das Ganze als solches in concreto aufgehoben wird. Die gesamte Kette des psychischen Lebens bildet ein Kontinuum, dessen Zusammenhang, wie SCHOPENHAUER und von HARTMANN unwiderleglich nachgewiesen haben (10), keineswegs durch eine durchgängige immanente Kausalität zu erklären ist. Die Annahme einer realen Zeit allein erklärt ihre Möglichkeit. Die Aufeinanderfolge der psychischen Zustände ist für sich nichts metaphysisch Reales, aber ungelöst von ihrem Inhalt nicht weniger real als dieser (11).

Hieraus ergibt sich klar die Bedeutung der Zeit für die Vorgänge in uns. Sie ist keinesfalls real als Substanz für sich oder als selbständiger Verlauf, ebensowenig kann sie als Eigenschaft einzelner oder mehrerer psychischer Elemente aufgefaßt werden, da sie sich ja nicht auf deren Inhalt, sondern auf ihre Existenz und deren Kontinuität bezieht. Die Zeit ist im psychischen Leben nichts anderes als die Form des Geschehens, durch die dieses als kontinuierliche Aufeinanderfolge ermöglicht wird. Dieser Form kann man aber keine geringere Realität als der Existenz der Vorgänge selbst zuschreiben. Ohne die ihren Inhalt bildenden Vorgänge läßt sich die Zeit weder als real beweisen, noch überhaupt als etwas Wirkliches denken, denn es ist unlogisch, die Ordnung von Ereignissen in dem Sinne als wirklich zu betrachten, daß sie ohne die Ereignisse für sich existieren soll. Sowie aber diese existieren, ist damit zugleich die Ordnung ihres Geschehens: die Zeit als metaphysisch real gesetzt (12).

Wäre man etwa versucht hiergegen geltend zu machen, daß nur das empirische Ich der Zeit unterworfen ist, nicht aber das hinter diesem liegende metaphysische, so würde das ein gänzlich haltloser Einwand sein. Zunächst ist zu betonen, daß sich dieser Einwand auf ein Phantasiegebilde stützt, denn jenes metaphysische Ich, das doch nichts anderes als die gesamte Individualität sein kann oder in ihr enthalten sein muß, ist unmöglich von dem Ich, das unser Selbstbewußtsein kennt, zu unterscheiden. Die Gründe hierfür sind von anderen ausführlich erörtert worden. Aber selbst wenn man ein solches höheres Subjekt annähme, so ist seine transzendentale Synthesis der Apperzeption nicht anders denkbar denn als Tätigkeit, diese aber kann nicht zeitlos sein. Wäre das metaphysische Ich in seiner Daseinsform nicht an die Zeit gebunden, so könnte man nicht einsehen, wie es überhaupt dazu kommt, uns als zeitliches Ich zu erscheinen. Dieses würde so getrennt von jenem sein, daß man kein Recht hätte das metaphysische Subjekt als Urgrund des empirischen anzunehmen. Es wären zwei Seelen in derselben Brust, von denen die eine ein Etwas ohne Realität, aber doch alleiniger Träger des ganzen psychischen Lebens wäre, während die andere zwar metaphysische Wirklichkeit, aber keinerlei Fähigkeit zu wirken besäße (13).

§ 1. Nachweis der realen Zeit für das Geschehen in der Außenwelt a) Reale Existenz der Außenwelt. - Wir sind genötigt außer uns eine Welt von Dingen ansich anzunehmen, da jede andere Ansicht zu unlösbaren Widersprüchen führt. Ein zwingender direkter Beweis für jene Annahme scheint allerdings kaum möglich zu sein. Der beste Weg zur Erklärung der Welt außerhalb von uns als metaphysischer Realität scheint mir in folgenden Erwägungen zu bestehen. Wir unterscheiden in uns solche Vorstellungen, die wir - ob mit Recht oder mit Unrecht - für wahr halten, und solche, die wir als Gebilde der Phantasie erkennen. Wir sehen, daß auf jenem Gebiet unsere Fähigkeit zur Bildung neuer Vorstellungen und Vorstellungsverbindungen geringer ist als auf dem der Phantasie. Diese Hemmung ist in uns nicht begründet, da unser Geist ja gerade durch die Einbildungskraft zeigt, daß er unbeschränkt in der Verbindung der verschiedensten Vorstellungen schalten kann, deren Verknüpfung ihren ganzen Grund in der verknüpfenden Tätigkeit des Subjekts hat. Wir verhalten uns hier also als Synthesis schaffende Wesen. Demgegenüber ist es uns auf einem anderen Gebiet, besonders bei den durch Sinneswahrnehmungen erzeugten Vorstellungen, nicht möglich, unsere Vorstellungen beliebig zu verbinden, sondern wir sind durch irgendeinen Zwang in dieser Souveränität unseres Geistes beschränkt. Woher kommen diese Schranken? Der am meisten einleuchtende Grund hierfür - obwohl er nicht für logisch zwingend erachtet werden kann - dürfte doch der sein, daß außerhalb von uns eine Welt von Dingen besteht, sodaß wir mit der Verknüpfung der auf ihrer Wahrnehmung beruhenden Vorstellungen auf ihre reale Verknüpfung angewiesen sind. Wir verhalten uns bei dieser Tätigkeit nicht als Synthesis schaffende, sondern als Synthesis erkennende Wesen.

Die Frage nach der realen Existenz einer Außenwelt ist eine so tiefgreifende, daß ich mich in diesem Zusammenhang auf Andeutungen beschränken muß. Außer dem eben angeführten Gedankengang, der in die Anerkennung von Dingen ansich mündet, lassen sich noch mehrere indirekte Beweise liefern. Ich erinnere hier nur an die Unmöglichkeit wahre und unwahre Vorstellungen, Sein und Schein zu unterscheiden, wenn man sich das Recht raubt, einer Anzahl unserer Vorstellungen Anspruch auf eine metaphysische Wahrheit zuzugestehen.

b) Entwicklungsfähigkeit der Dinge ansich. - Haben wir einmal diesen Schritt getan, haben wir die Realität einer Welt außerhalb von uns prinzipiell anerkannt, so können wir dabei nicht stehen bleiben, sondern müssen gleichsam dem so getauften Kind ein Patengeschenk mitgeben. Wäre das Sein der Dinge-ansich ein starres, ewig ruhendes, keiner Entwicklung fähiges, so ließe sich die Mannigfaltigkeit und der Wechsel derjenigen unter unseren Vorstellungen, deren Verknüpfungen nicht aus uns, sondern aus der Außenwelt erklärt werden muß, nicht begreifen. Es ließe sich aber auch unsere eigene Existenz nicht begreifen, denn es würde sonst ein unerträglicher Dualismus zwischen der Existenzform der Dinge-ansich und derjenigen der Subjekte herrschen. Uns selbst nämlich müssen wir gemäß der unmittelbaren Gewißheit eines Verlaufs physischer Vorgänge ein Dasein zuschreiben, das nicht ewige Ruhe, Starrheit und Entwicklungslosigkeit, sondern im Gegenteil eine beständige Aufeinanderfolge von Zuständen zeigt. Sofern wir nun unserer eigenen Existenz und Existenzform unmittelbar gewiß sind, hat unser Ich keinen geringeren Anspruch auf metaphysische Realität als die Dinge ansich. Es würde also, wenn das Dasein dieser der Veränderung unfähig wäre, eine doppelte Form des realen Seins bestehen: in der Außenwelt ein ewig ruhendes, ohne Entwicklung; ein beständig bewegtes in der Welt der Subjekte. Eine solche Sonderung ist aber nicht möglich, denn es gibt eine Klasse von Bestandteilen der Außenwelt, die zugleich als Subjekte anerkannt werden müssen: die übrigen Individuen. Räume ich diesen eine reale Existenz ein, so würde sich bei jener Unterscheidung des Seins ein innerer Widerspruch ergeben: sie würden der ersten Form des Daseins angehören, sofern sie Objekte meiner äußeren Erfahrung sind, sie würden dagegen der an zweiter Stelle genannten zuzurechnen sein, sofern sie Subjekte sind. Nun schließen sich offenbar die beiden angeführten Existenzformen kontradiktorisch aus, sodaß jener Widerspruch ein kontradiktorischer, der Wahrheit nicht entsprechender ist. Mithin müssen wir auch für die Welt der Dinge-ansich eine Entwicklungsfähigkeit annehmen und dürfen nicht bei der starren Unbeweglichkeit des eleatischen Seins verharren.

c) Die logischen Gesetze in Bezug auf die Dinge ansich - Die im Vorausstehenden gelieferte Beweisführung ist nur unter einer Voraussetzung möglich, und diese Voraussetzung bildet die zweite Bestimmung, die wir den Dingen ansich zuschreiben müssen. Der eben gegebene Beweis gipfelt in der Darlegung eines kontradiktorischen Widerspruchs bei Annahme des Gegenteils der Behauptung. Wie aber, wird man vielleicht fragen, wenn dieser Maßstab überhaupt nicht berechtigt ist, wenn die logischen Gesetze der Identität, des ausgeschlossenen Dritten, der Vermeidung des Widerspruchs keine Anwendung auf die Welt der Dinge ansich haben, sondern nur auf empirische Objekte bezogen werden dürfen? Allerdings ist in diesem Fall jener Beweis gänzlich hinfällig, nicht nur weil er sich auf ein logisches Gesetz beruft, sondern weil er überhaupt ein Beweis ist. Denn wenn das Gesetz der Identität und seine verschiedenen Gestaltungen keine Gültigkeit in der Welt des metaphysischen Seins haben, so ist jede Anwendung von Schlüssen und Beweisen auf sie unzulässig, da jegliche logische Operation jenem Zentralgesetz unterworfen ist. Daß die Dinge-ansich logisch begriffen werden können und müssen, ist überhaupt nicht begrifflich zu beweisen, denn jeder Versuch eines Beweises würde demselben Einwand ausgesetzt sein, daß er als Beweis notwendig logisch verfährt und demnach die Behauptung beständig voraussetzt. Schließlich wäre aber auch dieser Einwand ebenso hinfällig wie der Beweis, gegen den er gerichtet ist, weil er selbst von logischen Gesichtspunkten aus verfährt, weil er als Gegenbeweis selbst an den Schwächen des Beweises leidet, also auch keinen Anspruch auf Wahrheit für die Dinge ansich haben würde.

Aus diesem endlosen Labyrinth gegenseitiger Behauptung und Verneinung, die nichts beweisen können, weil sie gerade zu zeigen haben, daß die Möglichkeit des Beweisens vorhanden ist, rettet uns nur die Annahme, daß auch in der Welt des metaphysischen Seins das Gesetz der Identität herrscht, daß auch dort jedes Ding sich selbst gleich ist und alle logisch zulässigen Umformungen und Anwendungen dieses Gesetzes Gültigkeit haben.

Dies sind die beiden Bestimmungen, die wir, wenn eine reale Außenwelt angenommen ist, dieser in erster Linie zugestehen müssen: das Prinzip der Entwicklung, das eine starre Ruhe ausschließt, und die Gültigkeit logischer Gesetze, ohne die jene Annahme gleich Null würde, weil durch diese Gültigkeit erst jegliche Aussage über die Außenwelt als wahr oder falsch erkannt und festgestellt werden kann. Wollten wir die logischen Gesetze von den Dingen ansich ausschließen, so würden wir überhaupt kein Recht haben, reale Dinge anzunehmen; denn wenn in ihrem Reich etwas neben seinem kontradiktorischen Gegenteil möglich sein könnte, so wüßten wir ja nicht einmal, ob das Seiende, dessen Existenz wir als real annehmen, nicht zugleich sein und nicht sein könnte. Kurz: die Annahme einer realen Außenwelt hat nur Sinn, wenn sie den logischen Gesetzen nicht widerspricht, wie sie andererseits nur Sinn hat, wenn das Dasein der realen Dinge als entwicklungsfähig anerkannt wird. Durch jene Bestimmung wird die Form, durch diese der Inhalt des metaphysischen Seins überhaupt erst verständlich und somit ein für unsere Erkenntnis möglicher Gegenstand.

d) Die Zeit in der Welt der Dinge ansich - Nachdem somit das Gebiet der Außenwelt gesichtet ist, läßt sich die Frage beantworten, welche Bedeutung der Zeit in ihm zukommt. Aus jener Beweisführung für die Realität der Zeit im Reich der inneren Vorgänge läßt sich zunächst nichts Gewisses für dieses Gebiet folgern. Denn die Objekte der äußeren Erfahrung sind nicht die Dinge ansich in ihrer eigenen Daseinsform, noch im Gewand der Subjektivität, sondern nichts weiter als ihre Symbole und als solche Glieder des psychischen Lebens. Die unmittelbare Auffassung der Außenwelt zeigt uns eine reale Zeit also nur in der Verknüpfung von Erscheinungen, und eine Übertragung dieser Analogie auf die Dinge ansich würde kein Beweis heißen können. Auf dem Weg der unmittelbaren Erkenntnis läßt sich die Realität der Zeit für die Außenwelt nicht feststellen, denn es ließe sich bei diesem Analogieschluß der Einwand machen, daß die Dinge dadurch, daß sie Träger der Erscheinungen werden, die Form der Zeit annehmen, daß ihnen also diese ansich nicht zukommt. Wenn sie jedoch der unmittelbaren Erkenntnis für uns verschlossen sind, so sind sie es nicht der mittelbaren (14). Versuchen wir, ob dieser Schlüssel ihr Geheimnis öffnet!

Wenn wir jene zwei Bestimmungen als gültig für das reale Sein anerkennen, so läßt sich folgendermaßen schließen:

Jede Veränderung ist eine Aufeinanderfolge von Zuständen. Wollte man nun annehmen, daß eine Veränderung möglich wäre, ohne einen zeitlichen Verlauf darzustellen, so müßte das kontradiktorische Gegenteil für wahr gehalten werden: die Welt des real Seienden müßte zeitlos sein. Nun ist Zeitlosigkeit nur denkbar als ein Zustand beständiger Gegenwart ohne ein vorhergehendes und ohne ein nachfolgendes Sein, ein Zustand, den man mit anderem Ausdruck als Ewigkeit - wobei Ewigkeit selbstverständlich nicht als Gesamtsumme der Zeit zu fassen ist - bezeichnet hat. Entwicklung setzt aber ein Vorher und Nachher voraus, man müßte sonst annehmen, daß ein Zustand a und der in der Erscheinung nachfolgende b in Wirklichkeit zugleich wären. Das Wesen der Veränderung besteht aber darin, daß ein Zustand a durch einen anderen ersetzt wird, also selbst nicht mehr (außer als implizit) ist, wenn b eintritt. Er mag wohl noch als "Moment" in b angetroffen werden - wie die Knospe in der Blüte, - als konkrete Wirklichkeit hat er aufgehört zu sein. Wäre also in der realen Veränderung alles zugleich, d. h. gäbe es keinen realen Zeitverlauf, so müßte a zugleich sein und nicht sein, was unmöglich ist. Mit folgt die Realität der Zeit für die Dinge ansich.

Man kann hier nicht einwenden, daß diese Beweisführung deshalb hinfällig ist, weil in sie von vornherein durch den Satz: "wäre in der realen Veränderung alles zugleich," die Zeitlichkeit eingeschmuggelt ist. Denn soll man sich überhaupt irgendeine Vorstellung von einem ewigen Sein ohne Zeitverlauf machen, so kann es nur die sein, daß in ihm alles zugleich ist, woraus folgt, daß im Begriff des Zugleichseins überhaupt noch keine Zeitvorstellung liegt.

Man könnte sogar vielleicht meinen, daß die Anerkennung der Identität für die realen Dinge eine petition principii [es wird vorausgesetzt, was erst zu beweisen ist - wp] in Beziehung auf das Zeitproblem enthält, da in ihm wiederum von einem "Zugleich" gesprochen wird, eine Bestimmung ohne die dieses Gesetz gänzlich wertlos wird. Es kann nur wiederholt werden, daß hiermit kein zeitliches Sein gesetzt ist, da aus der Simultaneität keine Zeitlichkeit gefolgert werden kann. Aus ihr könnte ebensogut wie diese die Ewigkeit abgeleitet werden (15). Der Begriff der Zeit folgt erst durch Komposition mehrerer Glieder eines Verlaufs von Zuständen, wie es oben durch die Vergleichung der Zustände a und b geschehen ist. Nur daß wir uns überhaupt auf einen logischen Beweis aus einer solchen Vergleichung einlasen können, folgt aus dem Prinzip der Identität. -

Die bisherige Auseinandersetzung, die aus den inneren Vorgängen die Realität der Zeit mit unmittelbarer Gewißheit, aus den äußeren mit mittelbarer zu erweisen suchte, erhält eine wesentliche Vereinfachung in solchen Systemen, die die Welt der Dinge ansich für analog mit dem Geistesleben erklären. In diesem Fall ist nämlich jener Analogieschluß, der oben abgewiesen wurde, einleuchtender. Ist nämlich die Zeit als real für psychische Zustände anzunehmen, wie dies aus der unmittelbaren Gewißheit des Selbstbewußtseins folgt, und macht man die Annahme, daß den in Erscheinung tretenden räumlichen Bewegungen ebenfalls psychische Vorgänge zugrunde liegen, - wie LEIBNIZ dies tut, - daß demnach die Körperwelt eine verkappte Welt des Geistes ist, so ist man genötigt, jene Realität der Zeit aus dem Innenleben auf die äußeren Gegenstände zu übertragen. Denn wenn auch die Vorgänge in den psychisch gedachten Dingen ansich ein unbewußtes Geschehen bilden, so ist doch psychisches Leben überhaupt nicht ohne Zeitverlauf denkbar.

Diese Bemerkung nebenbei, denn sie hat natürlich nur relativen Wert, insofern sie eine durchgängige Analogie von Geist und Materie voraussetzt, sich also auf ein Problem gründet, das noch umstrittener als die Realität der Zeit ist.

Hiermit ist die eigentliche Beweisführung abgeschlossen. Nachdem ich versucht habe zu zeigen, welches überhaupt nur die Form der Realität sein kann, die man der Zeit zuschreiben muß, wenn sie als real erwiesen ist, bemühte ich mich diese Realität selbst auf doppeltem Weg zu beweisen. Diese Doppelheit bezog sich nicht auf dasselbe Objekt (16), sondern auf die beiden Gebiete, die unserer Erkenntnis gegeben sind: die Innenwelt und die Außenwelt. Bei jener konnte aus dem Bewußtsein auf die Realität der Zeit für das psychische Leben überhaupt mit unmittelbarer Gewißheit geschlossen werden. Bei der Außenwelt, die als solche keine unmittelbare Gewißheit gewährt, konnte die Realität der Zeit durch einen Vergleich mehrerer Zustände bewiesen werden; wobei als notwendige Voraussetzung der Gültigkeit des Gesetzes der Identität und überhaupt einer logischen Beweisführung für die Dinge ansich angenommen wurde.

§ 10. Beispiele aus der Geschichte der Philosophie. - Es drängt sich hier die Frage auf, ob es überhaupt philosophische Systeme gibt, die widerspruchslos die Realität der Zeit leugnen können. Die reinen Skeptiker, die, weil sie behaupten, daß man überhaupt nichts Sicheres wissen kann, natürlich auch die Realität der Zeit anzweifeln müssen, handeln von ihrer allgemeinen Voraussetzung aus durchaus folgerichtig. Nur ist diese Voraussetzung selbst so haltlos, daß mit ihr der ganze Bau zusammenbricht (17). Aus der Skepsis kann ernsthaft keine Gegenbeweis gegen die reale Zeit abgeleitet werden.

Andererseits ist im Laufe der Geschichte eine große Anzahl von Denkern aufgetreten, die zwar etwas Reales annahmen, aber die Realität der Zeit leugneten. Insbesondere scheint diese Leugnung mit der eleatischen Philosophie in Einklang zu stehen. In ihrem reinen, ewigen Sein ist allerdings ein zeitlicher Verlauf undenkbar, doch mußten die Eleaten, um eine Erklärung der Erscheinungswelt überhaupt möglich zu machen, einen Verlauf von Tatsachen annehmen, die in Wahrheit nebem dem Seienden nicht existieren, die aber zur Erklärung der Welt nötig sind und doch einen Hauch von Realität besitzen. Ein solcher Verlauf schließt aber die Annahme einer realen Zeit ein, wie gezeigt worden ist. Somit tritt in ihrem System diese an die Seite der Zeitlosigkeit oder Ewigkeit, ohne daß diese doppelte Existenzform irgendwie erklärlich wird.

Ähnlich verhält es sich mit SPINOZAs System. Als absolute Substanz steht sein Urwesen, deus sive natura [Gott oder die Natur - wp], außer oder über der Zeit, wie ja SPINOZA auch ausdrücklich die Realität der Zeit bestreitet. Nimmt man, wie es das Richtige zu sein scheint, die Attribute als Reale Ausdrucksweisen des absoluten Wesens, so stellt sich sofort bei den Veränderungen der ausgedehnten Dinge, wie bei den wechselnden geistigen Zuständen die Forderung ein, die Zeit für beide real zu fassen, da kein zeitloses Geschehen möglich ist. Wenn man, wie es von einigen Forschern geschehen ist, in den Attributen nur unsere Vorstellungsformen erblickt, so bleibt bei der Leugnung der Zeit in unlöslicher Rest: wie nämlich die Vorstellungen selbst vor sich gehen können, ohne daß wenigstens für sie, also für einen Teil der gesamten Wirklichkeit, ein zeitliches Geschehen anzunehmen ist.

Ganz haltlos wird die Leugnung der Zeit bei LEIBNIZ. Zwar erwecken einige seiner populär gehaltenen oder doch nicht streng metaphysischen Schriften den Schein, als ob die Zeit von ihm für ein reales Verhältnis erklärt würde, doch dürfte nach mehreren anderen Stellen (18) die metaphysische Meinung des Philosophen gewesen sein, daß Zeit und Raum durchaus phänomenal sind (19). Diese Ansicht aber ist, soweit sie den Raum betrifft, zwar mit seinem System wohl vereinbar, nicht jedoch in Bezug auf die Zeit. Denn die rastlose Tätigkeit der nie schlummernden Monaden ist nicht anders denn als ein reales Geschehen anzusehen, dieses aber nicht ohne zeitlichen Verlauf denkbar.

Ein ganz bestimmtes Ding ansich verlangt zwar nicht die Setzung einer realen Zeit, aber es ist selbst nur als Vorstufe des Begriffs einer metaphysischen Substanz zu betrachten, denn nicht nur überflüssig, sondern auch unmöglich würde es sein, wollte man sich mit der Anerkennung des Dings ansich den Eintritt in die Welt des metaphysisch Realen gestatten, bei diesem ersten Schritt aber stehen bleiben (20). Entweder muß man hier fortschreiten und dem Ding ansich die zu seinem Dasein notwendigen Bestimmungen geben, damit es nicht leich einem nackten Kind gänzlich erstarrt, oder man muß jenen Schritt als übereilt betrachten und dem reinen Idealismus huldigen. In diesem Sinne ist FICHTEs Philosophie die folgerichtige Konsequenz der kantischen; in jenem Sinn sind all die Verfahren, die, über KANT hinausschreitend, das Wesen der realen Welt zu ergründen suchten. Ohne eine dieser Konsequenzen ist das Ding-ansich eine nicht aufrecht zu erhaltende Halbheit.

§ 11. Zusammenfassung: Zeit und Geschehen. - Die in diesem Abschnitt gegebene Beweisführung wird eine richtige sein, wenn sich aus ihr zweierlei ergibt: erstens, daß jedes Geschehen nur in einer realen Zeit, zweitens, daß die Zeit nur mit einem Inhalt des Geschehens möglich ist. Nicht ist eins vom anderen abhängig, doch sind sie so zusammengehörig, daß eins ohne das andere undenkbar ist. Das Geschehen kann nicht anders denn als ein Verlauf von Ereignissen gedacht werden; die Regelmäßigkeit und Gleichförmigkeit dieses Verlaufs wird durch die Zeit dargestellt. Aus jenen beiden Sätzen folgen unmittelbar die Umkehrungen: Gegenstände, die nicht einem Geschehen unterworfen sind, sind zeitlos, d. h. ewig, sowie: Wo keine Zeit ist, ist auch kein Geschehen.


III. Die Zeitvorstellung

§ 12. Die Zeit als Realität und die Zeitvorstellung. - Die Frage, ob die Zeit eine Anschauung oder ein Begriff ist, würde weniger Schwierigkeit gemacht haben, wenn man sich stets des doppelten Charakters erinnert hätte, der ihr für das Ich zukommt. Zunächst ist sie die reale Form allen Geschehens, also auch des psychischen, die jenes als ein gleichförmig fortschreitendes ermöglicht. Als solche ist sie für das Subjekt nichts anderes als in der Außenwelt, nur insofern für unsere Erkenntnisweise verschieden, als wir sie dort unmittelbar, hier mittelbar als real erfassen. In beiden Fällen ist sie weder Anschauung, noch Begriff, noch überhaupt Vorstellung, sondern Realität.

Nun aber wird sie dadurch, daß wir sie erkennen, Objekt unserer Vorstellung, ohne damit ansich das Geringste von ihrer Realität aufzugeben. Denn wäre dies der Fall, so müßte das Gleiche bei allem Wirklichen, das Objekt der Vorstellung wird, zutreffen. Und selbst wenn man der Ansicht wäre, daß alles nur ein Objekt fürs Subjekt ist und daß keine Realität außer diesem angetroffen werden kann, so würde gerade die Zeit eine bevorzugte Stellung einnehmen, weil sie für das Geschehen im Subjekt, d. h. für das psychische Leben real angenommen werden muß. Es scheint mir auch keinerlei Schwierigkeit oder Widerspruch in dem Gedanken zu liegen, daß die Zeit etwas Reales ist und daß wir von ihr keine Vorstellung haben. Welcher Art diese Vorstellung ist, ob ein verschwommenes Phantasiebild von einem rastlos fließenden Strom oder einem alles verschlingenden Abgrund oder andererseits eine philosophisch begründete Vorstellung, das hängt nicht von ihr, sondern von dem sie vorstellenden Individuum ab. Immer bleibt dasselbe Verhältnis der Realität und einer mehr oder weniger klaren Vorstellung. Daß die letztere eine anschauliche ist, läßt sich kaum erreichen (siehe § 3), wohl aber ist es möglich, durch eine wissenschaftliche Analyse der Erkenntnis ihres Wesens näher zu kommen und von ihr eine Vorstellung zu gewinnen, die sich von anderen scharf unterscheidet und insofern auf Deutlichkeit Anspruch erheben kann.

§ 13. Zeitvorstellung, Zeitbegriff, Zeitanschauung. Es ist ein alter Streit, wo man die Grenze zwischen Vorstellung und Begriff zu ziehen hat. Ohne daß hier eine logische Untersuchung über diese Frage unternommen werden kann, sei doch in Bezug auf das vorliegende Problem Folgendes in aller Kürze bemerkt.

Das Natürlichste ist es, die beiden Ausdrücke "Vorstellung" und "Begriff" zunächst für sich zu betrachten. Dem Gegenstand steht als sein - genaueres oder ungenaueres - Abbild die Vorstellung gegenüber. Der Begriff scheint mir ursprünglich aus einem anderen Verhältnis hervorgegangen zu sein, aus dem der Bedeutung eines Wortes zu diesem, wie zur Vorstellung, die es wiedergibt. In diesem Sinn fasse ich bei KANT auch die Überschriften in § 2 und § 4 der transzendentalen Ästhetik [1781-1#aest], die einigen Kritikern so viele Schwierigkeiten bereitet haben. Und da der Sinn eines Wortes oder einer Vorstellung nicht durch die Sinne, sondern allein durch den Verstand erfaßt wird, so ist der Begriff ein Gegenstand der Logik, wie die Vorstellung als ein Abbild des durch die Sinne aufgefaßten Objekts zunächst auf Empfindung beruth, also Gegenstand der Psychologie ist. Weil aber einerseits das durch die Sinne Gegebene sofort vom Verstand verarbeitet wird, so wird die Vorstellung von diesem in Besitz genommen und gewinnt dadurch logische Bedeutung. Weil andererseits der Begriff durch eine beständige Rückbeziehung auf die Gegenstände als geistiger Ausdruck dieser erscheint, so vermengen sich beständig die Beziehungen, wie ja die Sprache in vielen Fällen keinen Unterschied zwischen Begriff und Vorstellung macht.

Es ist hiernach selbstverständlich, daß man das volle Recht hat, von einem Begriff der Zeit zu reden, wenn man darunter den wesentlichen Inhalt dessen versteht, was wir unter der Vorstellung Zeit begreifen (21). Nur würde es ein Grundirrtum sein, die reale Zeit selbst als Vorstellung oder Begriff zu fassen, da diese ansich vielmehr eine Form allen Geschehens, also auch der vorstellenden, Begriffe und Anschauung bildenden Tätigkeit des Ich ist.

Wenn man nur beachtet, daß die Zeit als Anschauungsform real ist, so mag man immerhin ihre Vorstellung als Anschauung bezeichnen. Sie selbst als Realität ist keine Anschauung, - ein Ausdruck, der ja ohne ein anschauendes Subjekt widersinnig wird, - geschweige denn eine reine Anschauung, da sie vielmehr ohne einen Inhalt des Geschehens überhaupt nicht vorgestellt werden kann. Unsere Auffassung von ihr ist nicht sie selbst, so wenig wie unsere Auffassung von der Welt diese selbst ist.

Wie in uns die Vorstellung von der Zeit zustande kommt, diese Frage läuft schließlich auf das Problem hinaus, wie das Empfinden und Denken gemacht wird, wie überhaupt Vorstellungen entstehen können, d. h. Abbilder von Dingen, die dadurch unberührt bleiben. Es ist oben (§ 2) als eine der Psychologie zufallende Aufgabe hingestellt worden, zu untersuchen, ob die Zeitvorstellung eine angeborene ist - was in dieser Form der Frage sicher zu verneinen ist - oder ob sie genetisch in uns entsteht.

Von dem Standpunkt aus, daß die Zeit real ist, wird das, was an der Zeitvorstellung a priori ist, nichts anderes sein, als daß diese in den Gesetzen, durch die überhaupt ein Bewußtsein ermöglicht wird, als eine notwendig sich vollziehende Evolution begründet. (22) "Aber so wenig wir zur Vorstellung eines Raumes ohne die Veranlassung der Sinnesreize kommen, so wenig kommen wir zur Vorstellung der Zeit ohne einen erlebten und in der Erinnerung behaltenen Inhalt." (23)


A n h a n g
IV. Kritik der kantischen Zeitargumente (24)

§ 14. Erstes Zeitargument. - Das Argument zerfällt in drei Abschnitte, die äußerlich durch die Punkte gekennzeichnet sind. Der erste Satz enthält die Thesis, der zweite den angeblichen Beweisgrund, der dritte eine Wiederholung des letzteren in positiver Form. Da KANT den zweiten Satz durch "denn" einleitet, dürfte er selbst diesen als Begründung des ersten betrachtet haben. Und doch ist er nichts weniger als dies. Er sagt aus, daß zeitliche Wahrnehmungen (Wahrnehmungen vom "Zugleichsein oder Aufeinanderfolgen") die apriorische Zeitvorstellung zur Voraussetzung haben. Dieser Gedanke wird hier in der Form eines irreal-hypothetischen Satzgefüges zum Ausdruck gebracht, im dritten Abschnitt, der nichts Neues hinzufügt, positiv ausgesprochen.

Wodurch ist KANT berechtigt, den Gedanken, daß die apriorische Zeitvorstellung die Bedingung zeitlicher Wahrnehmungen ist, als Beweis für die Behauptung auszugeben? Durch nichts, denn in dieser heißt es, daß die Zeit kein empirischer Begriff ist, - wobei der Nachdruck auf dem Adjektiv, nicht auf dem Substantiv: Begriff liegt. ALso soll die Zeit als nicht empirisch dadurch bewiesen werden, daß ihre Apriorität behauptet wird. Dies ist aber überhaupt kein Beweis, sondern - mit logischen Terminis bezeichnet - nichts weiter als ein Urteil nebst seiner Opposition: denn apriorisch hat keinen anderen Sinn als nicht-empirisch, ist also das kontradiktorische Gegenteil von empirisch. Das erste Zeitargument ließe sich also folgendermaßen formulieren:
    Die apriorische Zeitvorstellung ist die Bedingung für zeitliche Wahrnehmung (2. und 3. Satz).

    Also kann diese Zeitvorstellung nicht aus zeitlichen Wahrnehmungen abgezogen werden: ist nicht empirisch (1. Satz).
Im letzteren Satz wird das kontradiktorische Gegenteil des ersteren verneint; es handelt sich in diesem Zeitargument also keineswegs um einen Beweis, sondern um einen unmittelbaren Schluß. In Wirklichkeit enthält das ganze Argument nur einen einzigen Gedanken mit zwei logisch-sprachlichen Umformungen.

Genau derselbe Sachverhalt liegt übrigens beim ersten Raumargument vor, nur daß dort der dritte Satz eine sprachliche Umschreibung nicht des zweiten, sondern des ersten Satzes ist.

Nach dem Gesagten kann von einer Kritik des Beweises in diesem ersten Argument keine Rede sein, denn es liegt überhaupt kein Beweis sondern nur eine Behauptung vor. Was diese betrifft, so ist schon einiges darüber in Abschnitt III gesagt worden. Kurz zusammengefaßt gipfelt es in Folgendem:

Man hat ein Doppeltes zu unterscheiden: erstens die Zeit als Form allen Geschehens, deren Ausdruck die Kontinuität des Weltverlaufs ist. Hieran hat auch das geistige Geschehen teil, dessen ursprüngliche, reale Form die Zeit in demselben Sinn ist, wie wir sie als reale Form des Geschehens in allem Wirklichen erkennen. Zweitens findet sich unter unseren Vorstellungen eine solche von der Zeit. Diese Vorstellung ist nicht apriori, weil es überhaupt keine apriorische Vorstellung in dem Sinne gibt, daß sie ohne alle Erfahrung möglich wäre. Apriori ist nur die unbewußte Funktion der Zeitlichkeit, die sich in den einzelnen Zeitvorstellungen gleichsam betätigt. Versteht man dies im ersten Argument unter apriori, so hat es völlig recht. Soll es aber für die Zeitvorstellung selbst Gültigkeit haben - KANT hat offenbar erstere von der Funktion der Zeitlichkeit überhaupt nicht in der nötigen Schärfe getrennt - so ist es abzuweisen. Der Irrtum in diesem Argument ist kein anderer als der Hauptfehler der gesamten kantischen Ästhetik: die Vermengung der beiden gänzlich verschiedenen Probleme: Was ist die Zeit als Vorstellung? - Was ist die Zeit als Vorstellungsform? - Es bedarf nach den bisherigen Ausführungen kaum des Hinweise, daß die letztere Frage nur ein Spezialfall der allgemeineren ist: Was ist die Zeit als Form des Geschehens überhaupt?

Ein weiterer Einwand gegen KANTs Behauptung, daß die Vorstellung der Zeit apriorisch ist, ergibt sich aus folgendem Gedankengang. Vorausgesetzt, die Behauptung wäre richtig, so erhebt sich die Frage, wie denn, wenn die allgemeine Zeitvorstellung als grundlegende Form der inneren Anschauungen angenommen wird, hieraus die Vorstellungen irgendeines besonderen Zeitabschnittes oder -verhältnisses gewonnen werden können. Es ist freilich im ersten Argument nicht direkt ausgesprochen, daß die besonderen Zeitvorstellungen lediglich auf der allgemeinen beruhen; diese wird nur die Voraussetzung jener genannt, was - dem Wortlaut nach - ebensogut auf eine allein wirkende Ursache wie auf eine Teilursache oder Bedingung zu einer auch auf anderen Ursachen beruhenden Tatsache bezogen werden kann. Eine kurze Überlegung ergibt jedoch, daß hier nicht der letztere, sondern nur der erstere Fall gemeint sein kann. Denn läge in der (kantischen) Materie der Anschauung irgendein Moment, das die zeitliche Auffassung des Vorstellungsinhaltes veranlaßt, so würde ja außer der einen allgemeinen apriorischen Zeitvorstellung noch eine aposteriorische existieren, was KANT doch gerade widerlegen will. Es bleibt somit für die Erklärung des ersten Zeitarguments nichts übrig, als alle besonderen Zeitvorstellungen allein aus der allgemein apriorischen entstehen zu lassen.

Hier ergibt sich nun aber die unlösbare Schwierigkeit, wie aus dieser irgendein Einteilungsprinzip gewonnen werden kann, das von der allgemeinen Zeitvorstellung zur besonderen führt.

Zu dieser Schwierigkeit kommt eine weitere: wollte man wirklich zugeben, daß dieses Problem gelöst ist, so würde es höchst rätselhaft bleiben, wie die aus der allgemeinen Zeitanschauung gewonnenen apriorischen Einzelzeitvorstellungen mit dem aposteriorisch [im Nachhinein - wp] erfaßten Inhalt - der "Materie" - der Einzelvorstellungen in Einklang gesetzt ist, da doch jedes Gemeinsame in der Erkenntnis fehlt. Dieses Gemeinsame besteht in Wirklichkeit in einem metaphysisch realen Geschehen, dessen Inhalt die (kantische) Materie ausdrückt, dessen Form die Zeit ist. Da es aber nur durch Erfahrung erfaßt werden kann, so muß man, wenn man KANTs Theorie folgt, eine höchst wunderbare prästabilierte [vorgefertigte - wp] Harmonie zwischen Form und Inhalt der Anschauung annehmen, eine von höherer Macht bewirkte ständige Übereinstimmung zwischen beiden für sich gänzlich zusammenhangslosen Erkenntnissphären. Erkennt man dieses Wunder nicht an, da das von ihm Bewirkte auf weit einfachere Art erreicht werden kann, dann muß man anerkennen, daß KANTs Zeittheorie sich selbst aufhebt, da sie in diesem Fall genötigt ist, um das Apriorische auf nicht übernatürlichem Weg denkbar zu machen, es durch Zutaten aus dem Aposteriorischen zu vernichten.

§ 15. Zweites Zeitargument. - Die Apriorität der Zeitvorstellung wird hier aus ihrer Nichthinwegdenkbarkeit gefolgert. Es besteht unter den Kantkommentatoren eine große Meinungsverschiedenheit über dieses Argument - noch mehr über das zweite Raumargument, - ob als Beweisgrund die subjektive, absolute oder die objektive, relative Notwendigkeit dienen soll (25). Nach der ersten Ansicht ist der Kern des Beweises daß Raum und Zeit überhaupt nicht im Subjekt aufzuheben sind (26). Dagegen bedeutet die objektive, relative Notwendigkeit nur, daß Raum und Zeit in den Objekten unserer Vorstellung nicht aufzuheben sind.

Im zweiten Zeitargument der zweiten Auflage ist offenbar nur von dieser relativen Notwendigkeit die Rede. Aber auch die Fassung der ersten Auflage spricht nicht unbedingt für die absolute Notwendigkeit, läßt sich vielmehr mit demselben Recht für jene in Anspruch nehmen (27). Es ist mir sogar wahrscheinlich, daß KANT hier nur von einer relativen Notwendigkeit redet. Der Gedankengang des Arguments ist nämlich offenbar folgender:

Die Apriorität der Zeitvorstellung soll dadurch erwiesen werden, daß die Zeit "in Anbetracht der Erscheinungen überhaupt" nicht aufzuheben ist, während umgekehrt diese wohl aus der Zeit weggenommen werden können. Dies ist es eben, was oben als relative Notwendigkeit bezeichnet wurde. Aus dieser wird die Apriorität gefolgert, wodurch jene Notwendigkeit nunmehr als absolute auftritt, denn was apriori im Geist ist, ist für KANT ein notwendiger Besitz des Geistes. Was in diesem Argument noch folgt ("In ihr allein" bis zum Schluß) ist nichts als eine Wiederholung des zweiten Satzes. Daß KANT selbst die absolute Notwendigkeit - vielleicht mit Ausnahme des Schlußsatzes der ersten Auflage (siehe Anmerkung 1) - gar nicht ausdrücklich hervorhebt, bestätigt, daß er als vollgültigen Grund für die Apriorität die relative betrachtet. Jene ergibt sich unmittelbar aus dieser, sobald man die Apriorität erkannt hat.

Es ist übrigens zu beachten, daß dieses Argument selbst ein aposteriorisches ist, insofern es von einem Experiment mit Vorstellungen, die durch die Erfahrung gegeben sind, ausgeht. Mit diesen wird ein doppelter Versucht gemacht: erstens, aus ihnen das der Erscheinung Angehörende wegzudenken; zweitens, unter Beibehaltung der Erscheinung die Zeit aufzuheben. Jenes gelingt nach KANT, dieses mißlingt. Somit ist die Zeit Bedingung für die Möglichkeit der Erscheinungen und daher als apriorir gegeben anzusehen. Daß sie darum ein notwendiger Besitz des Subjekts ist, ist darin implizit enthalten (28).

So viel zur Erklärung des zweiten Arguments, zur Kritik Folgendes:

Ist es wirklich möglich, die Erscheinungen aus der Zeit wegzunehmen, so daß nur diese übrig bleibt? Keineswegs, denn die Zeit ist nichts anderes als die Form des Geschehens und von diesem untrennbar. Man kann wohl in Gedanken von den Erscheinungen abstrahieren, aber jene Form nicht als abstrakten Begriff zu denken, sondern als wirklich isoliert vom Inhalt vorzustellen ist unmöglich. Inhalt und Form des Geschehens sind, wie oben gezeigt ist, unlösbar miteinander verknüpft. Soll ich wirklich in Gedanken alle Erscheinungen aufheben, - obwohl diese Forderung nie völlig durchgeführt werden kann - so würde nichts übrig bleiben als das Ich ohne psychische Veränderung. Natürlich läßt sich dies überhaupt nicht ausdenken, da der Gedanke, der jene Forderung auszuführen beabsichtigt, ihr durch seine eigene Existenz widerspricht. Immerhin mag man begrifflich diese Abstraktion von allen Vorstellungen annehmen, dann verschwindet auch die Zeit und gerade ihr Gegenteil ergibt sich:
    "Dann bleibt nicht die Zeit, sondern die einfache Empfindung des Ich als seiend, aber ohne Aufeinanderfolge, ohne Verlauf und merkliche Unterschiede; das ist aber vielmehr die Idee der Ewigkeit, diese in einem wirklichen Sinn aufgefaßt und nicht mit der Unendlichkeit der Zeit verwechselt." (29)
§ 1. Viertes Zeitargument. - (30) Während die ersten beiden Argumente die Aufgabe haben, die Apriorität der Zeit zu erweisen, dienen die letzten beiden dazu, zu zeigen, daß die Zeit kein Begriff, sondern Anschauung ist.

Im vierten Argument wird ausgeführt: Da verschiedene Zeiten nur Teile eben derselben Zeit sind, mithin nur eine einzige Zeit vorgestellt werden kann (31), so ist die Zeit nicht Begriff, sondern Anschauung, denn eine nur durch ein einziges Objekt gegebene Vorstellung ist eben eine Anschauung.

Man kann gegen diese Beweisführung kaum etwas einwenden, sobald man die Bezeichnung "Begriff" von den Einzelvorstellungen ausgeschlossen und diesen den Namen "Anschauungen" gegeben hat. Denn das ist klar, daß von einzelnen Zeiten, die gemeinsam den Kollektivbegriff Zeit ergeben, keine Rede sein kann. Daß KANT hier in der Tat die Gegenüberstellung von Kollektiv- (bzw. Gattungs)begriffen und Einzelvorstellungen im Auge hat, scheint mir durch die von VAIHINGER (a. a. O., Bd. II, Seite 204) angeführte Stelle aus den Nachgelassenen Werken XXI, Seite 590 bestätigt zu werden, in der er vom Raum sagt, daß dieser z. B. nicht nota repraesentatio pluribus communis [allgemeingültige Vorstellung - wp], sondern repraesentatio singularis [Vorstellung des Einzelnen - wp] ist.

Soweit kann man KANT durchaus beistimmen, und es erscheint überflüssig, dieses Verhältnis, das besonders von KUNO FISCHER scharf und klar erörtert wird, weiter zu besprechen.

Doch ist dabei zweierlei zu beachten. Erstens würde dasselbe für alle Vorstellungen folgen, in denen gleichartige Elemente zur Einheit verbunden werden, z. B. für die Materie oder die Kraft. Für die besondere Natur von Raum und Zeit ergibt sich aus ihrer Einzigkeit also nichts. Dies ist von HERBART, RIEHL und anderen scharfsinnig entwickelt worden (32).

Zweitens ist zu bemerken, daß KANTs Unterscheidung nur solange Gültigkeit hat, als man seine Nominaldefinition von "Anschauung" und "Begriff" billigt. Nun ist in der Logik nicht gerade selten der Ausdruck "Begriff" auch auf diejenigen Vorstellungen ausgedehnt worden, die keine Gattung oder ein Kollektivum, sondern ein Einzelobjekt bezeichnen, so wenn man vom Begriff der Welt, Gottes usw. redet. Noch weniger kann man diesen Namen den im vorigen Absatz erwähnten Objekten bestreiten, in denen gleichartige Elemente zu einer Einheit verbunden werden. Und somit ist KANT darin zuzustimmen, daß die Zeitvorstellung eine Vorstellungseinheit ist, aber man ist dadurch nicht genötigt, ihr die Bezeichnung "Begriff" vorzuenthalten; - wie es ja KANT selbst nicht getan hat. -

Zu diesen Einwänden, die mehr formeller Natur sind, kommt ein sachlicher gegen den tieferen Sinn des Arguments. In kaum einem anderen Argument hat KANT die Zeitanschauung und die Zeit als Form der Anschauung mehr vermengt. Alle die bisherigen Ausführungen in diesem Abschnitt können sich nur auf die Anschauung oder Vorstellung der Zeit beziehen und gehören ins Gebiet der Logik. Man würde aber KANT einen schlechten Dienst erweisen, wollte man die Meinung, die er in diesem Argument vertritt, auf die logische Seite beschränken. Ob man die Raum- Zeitvorstellung logisch so oder anders benennt, das ist nicht das Grundproblem für KANT, sondern dies: was Raum und Zeit selbst sind. Aus jener logischen Unterscheidung zwischen Begriffen und Anschauungen folgt nur für die Zeitvorstellung, daß sie zu diesen, nicht zu jenen gehört. Für die Zeit selbst folgt daraus überhaupt nichts, aber KANT wirft beides: Zeit und Zeitvorstellung völlig zusammen. Von jener spricht er im ersten Satz des Arguments, wo er sie die "reine Form der sinnlichen Anschauung" nennt; von der Natur der Zeitvorstellung dagegen handelt das Weitere. Mit anderen Worten: dort wird von der psychologischen Geltung, hier von der logischen Bedeutung gesprochen. Wollte man diese auf jene anwenden, so würde das ähnlicher Art sein, als ob man aus irgendwelchen logischen Beziehungen des Begriffs "rot" Schlüsse auf den psychologischen Gehalt der Empfindungsqualität "rot" machen wollte. (33)

§ 17 . Fünftes Zeitargument. - Betrachten wir zunächst das fünfte Argument der ersten Auflage! Sein Gedankenkern läßt sich nach VAIHINGER (a. a. O. II, Seite 375) auf folgenden Syllogismus bringen:
    Eine Vorstellung, von der die Teile nur durch Einschränkung möglich sind, ist nicht Begriff, sondern Anschauung.

    Die Zeit ist eine solche Vorstellung, von der die Teile nur durch Einschränkung möglich sind.

    Also ist die Zeitvorstellung nicht Begriff, sondern Anschauung.
Die im Untersatz - der bei KANT voransteht - ausgedrückte Eigentümlichkeit der Zeit wird mit der Unendlichkeit in Verbindung gebracht und zwar so, daß jene Eigentümlichkeit als Grund dieser bezeichnet wird. ("Daher" ...) Im Grund ist allerdings beides dasselbe: die Unmöglichkeit, die Teile der Zeit anders als durch Einschränkung zu finden und ihre Unendlichkeit oder Uneingeschränktheit - wie ja KANT hier selbst sagt: "Die Unendlichkeit der Zeit bedeutet nichts weiter als" usw. - und so läßt sich allerdings die Unendlichkeit sehr wohl als Beweisgrund anführen, ohne daß dadurch der Sinn des Syllogismus wesentlich geändert wird. (anders VAIHINGER a. a. O.)

Was nun die Richtigkeit des Arguments betrifft, so ergibt eine kurze Überlegung, daß das Irrtümliche des vorigen Arguments hier wiederkehrt.

Zunächst läßt sich der in § 16 erwähnte Einwand HERBARTs wiederholen. Wenn alle Vorstellungen, deren Teile nur durch Einschränkung gewonnen werden können, deren Objekt also ein unendliches ist, nicht Begriffe, sondern Anschauungen sind, so gehören nicht nur Raum und Zeit hierher, sondern auch noch Vorstellungen wie Materie, Realität usw. Für die besondere Art der Zeitvorstellung ergibt sich also auch aus diesem Syllogismus nichts. Aus der Unendlichkeit läßt sich keine einzigartige anschauliche Natur der Zeit- (und Raum-)vorstellung folgern (34).

Ferner finden wir in diesem Argument die Zeit von ihrer Vorstellung ebensowenig geschieden wie im vorigen. Dieses Argument kann nur für die Zeitvorstellung ergeben, daß sie Anschauung ist, wie dies in dem oben wiedergegebenen Syllogismus VAIHINGERs zum Ausdruck kommt.

Ebenso wie beim vierten Argument begnügt sich KANT aber nicht mit der rein logischen Bestimmung der Zeitvorstellung. Ihm ist es darum zu tun, die Zeit selbst als Anschauung zu erweisen, wie dies aus dem ersten Satz des Arguments, der den Untersatz des Syllogismus enthält, klar hervorgeht. Hier wird von der Zeit selbst behauptet, daß sie unendlich ist oder daß ihre Teile nur durch Einschränkung gefunden werden können.

Und so liegt in Wirklichkeit eine quaternio terminorum [Fehlschluß etc. - wp] mag man nun den Schlußsatz als Aussage von der Zeitvorstellung oder von der Zeit ansehen. Für KANT ist beides dasselbe; seine Absicht aber ist, die Zeit selbst, deren Apriorität er in den ersten beiden Argumenten darlegen will, in den letzten beiden als Anschauung zu erweisen. Diese beiden auf die Zeitvorstellung allein zu beziehen wäre nur für die Logik von Interesse, erkenntnistheoretisch aber belanglos. -

Im fünften Zeitargument der zweiten Auflage ist, so geringfügig die Änderung erscheint, doch der Gedankenzusammenhang des letzten Satzes beträchtlich verschoben, wie VAIHINGER (a. a. O., II, Seite 379f) klar erwiesen hat. Der den Kern des Arguments bildende Syllogismus jedoch wird kaum betroffen. Da es mir hier nur um diesen zu tun ist, verweise ich für jene Änderung auf VAIHINGERs Kommentar. Am Wahrheitsgehalt des Arguments wird durch sie nichts geändert, und so bleibt die Kritik gegen dasselbe auch für die Fassung der zweiten Auflage auf ihrem Standpunkt bestehen.

Der gemeinsame Irrtum der letzten beiden Argumente ist die Vermengung der Zeit mit ihrer Vorstellung oder, was in diesem Fall dasselbe ist, der Zeit als Anschauungsform und als Anschauung. Denn jene gehört nicht selbst zu den Vorstellungen, sondern ist nichts anderes als die reale Form des psychischen Geschehens im Ich, deren Realität hier keine größere oder geringere wie beim Geschehen überhaupt ist.

Von der Vorstellung der Zeit kann man diese Argumente - unter Berücksichtigung der erwähnten "formellen" Einwände - viel eher gelten lassen, aber man muß sich dessen bewußt sein, daß, wenn man diese Einschränkung macht und in Bezug auf die Zeit selbst die Geltung der beiden Argumente bestreitet, diese einen recht harmlosen Charakter - einen nur logischen - annehmen, den KANT ihnen sicherlich nicht hat geben wollen.

Für ihn ist die Zeit als reine Anschauung und als Form der Anschauung identisch, für ihn besteht kein Unterschied zwischen der Zeit und ihrer Vorstellung.

Es würde sehr unvorsichtig und respektlos sein, dies als logische Ungenauigkeit des großen Denkers zu bezeichnen. Vielmehr hängt es auf das Engste mit seinem metaphysischen und erkenntnistheoretischen Standpunkt zusammen. Denn aus der Überzeugung, daß die Zeit metaphysisch real ist, ergibt sich sofort, daß von ihr anders denn als Vorstellung keine Rede sein kann. Denn auch eine Form der Vorstellung bedeutet für KANT nicht eine reale Form des psychischen Geschehens, das für ihn ja selbst empirisch ist und die Kategorie der Kausalität voraussetzt, sondern bedeutet eine andere Vorstellungen ordnende Vorstellung.

Auf diese Weise wird bei KANT von den beiden Seiten: Zeit und Zeitvorstellung jene ganz eliminiert. Daß er allerdings jenen Ausdruck als gleichbedeutend mit diesem anwendet, ist eine Vorwegnahme des Ergebnisses seiner Untersuchung, aus der ja erst die metaphysische Realität der Zeit folgen könnte - freilich nicht folgt.
LITERATUR Heinrich Brömse, Die Realität der Zeit, Zeitschrift für Philosophie und philosophische Kritik [Neue Folge], Bd. 114, Leipzig 1899
    Anmerkungen
    9) Treffend äußert ÜBERWEG (System der Logik, 5. Auflage, Seite 103): "Auf diese Auffassung (einer meiner Empfindungen oder überhaupt eines meiner psychischen Gebilde) kann die bei der äußeren Wahrnehmung berechtigte und notwendige Unterscheidung der Wahrheit im "empirischen" und im "transzendenten" Sinne nur durch eine falsche Analogie übertragen werden. Es hat einen guten Sinn, nicht nur nach den äußeren, sondern auch nach den inneren Bedingungen der Entstehung eines psychischen Gebildes zu fragen; aber es hat keinen Sinn, falls das psychische Gebilde als solches das Objekt meiner Auffassung ist, das Sein desselben in meinem Bewußtsein (für mich) und das Sein desselben außerhalb meines Bewußtseins (ansich) zu unterscheiden."
    10) SCHOPENHAUER, Über die vierfache Wurzel des Satzes vom zureichenden Grunde, § 23: Bestreitung des von KANT aufgestellten Beweises der Apriorität des Kausalitätsbegriffes. - von HARTMANN, Kritische Grundlegung des transzendentalen Realismus, V. Transzendente und immanente Kausalität.
    11) MAX EYFFERTH sucht in seiner Schrift "Über die Zeit" den bisher eingeschlagenen Weg der Untersuchung von vornherein zu versperren, indem er (Seite 12) erklärt: "Aus der Aufeinanderfolge unserer Vorstellungen, meinten viele Philosophen, bildet sich uns der Begriff der Zeit. Durch Abstraktion wäre dies allerdings möglich, aber sie bedachten nicht, daß doch niemandem eine Aufeinanderfolge von Vorstellungen mit der Erfahrung direkt gegeben ist ..." (Vergangenheit und Zukunft und mit ihnen) "eine Aufeinanderfolge von Vorstellungen können erst aus einer Vergleichung der vielen gegenwärtigen Erscheinungen durch den Verstand gebildet oder erschlossen werden." Letztere Schlußfolgerung, die nur eine mittelbare Kenntnisnahme von einer Aufeinanderfolge von Vorstellungen zuläßt, erscheint mir nicht als richtig, da die Voraussetzung, daß die direkte Erfahrung jene Aufeinanderfolge nicht hat, unzutreffend ist. Das freilich wäre widersinnig zu behaupten, daß die Aufeinanderfolge gleichzeitig - im selben Augenblick der Gegenwart - unmittelbar wahrgenommen wird. Aber jene "direkte Erfahrung" ist keineswegs an diese Punktualität geknüpft. Vielmehr ist das Gegenteil der Fal, daß keine Vorstellung als solche unmittelbar, sondern nur in einem Komplex psychischer Elemente zu Bewußtsein kommt und daß zur Fixierung der Einzelvorstellung eine Abstraktion durch mittelbare Verstandestätigkeit erforderlich ist.
    12) Vgl. den etwas paradox klingenden Satz von AFRIKAN SPIR ("Denken und Wirklichkeit", Bd. 2, Seite 9: "Eine Zeit, in welcher nichts geschieht, ist gar keine Zeit."
    13) siehe LUDWIG BUSSE, Philosophie und Erkenntnistheorie, I. Abteilung, Seite 80f. von HARTMANN, Kritische Grundlegung, a. a. O., Seite 42f.
    14) Jener Einwand ist allerdings keineswegs unwiderleglich, aber nicht aufgrund unmittelbarer Erkenntnis, sondern nur durch mittelbare Verstandestätigkeit zurückzuweisen. Der Gegenbeweis hat von der transzendenten Kausalität auszugehen, die in der Welt der Dinge ansich herrscht und wie überhaupt für das Geschehen in ihr, so auch für ihr Wirken auf das Subjekt, ihr Objektwerden, anerkannt werden muß. Der Kern dieses Gegenbeweises ist nichts als ein Spezialfall der weiter unten gegebenen Ausführung, die von einem Geschehen überhaupt ausgeht und von dieser allgemeineren Grundlage die Realität der Zeit für die Außenwelt zu beweisen sucht.
    15) Ich halte es daher auch für unangebracht, in der Simultaneität eine sogenannte zweite Dimension der Zeit neben der Aufeinanderfolge zu erblicken. Wollte man die Möglichkeit, daß in demselben Zeitpunkt mehrere Zustände zugleich oder neben einander sind, als eine Dimension der Zeit ansehen, so könnte man mit demselben Recht das entsprechende Verhältnis, daß an demselben Ort mehrere Zustände nach einander sind, als Raumdimension betrachten. Wir letzteres auf den ersten Blick ungereimt erscheint, ebensowenig kann ersteres anerkannt werden, d. h. die Simultaneität als zweite Dimension gelten. Ich kann demnach auch nicht EYFFERTH zustimmen, der ("Über die Zeit", Seite 19 die Gleichzeitigkeit "ganz ebenso ein Zeitverhältnis" wie die Zeitfolge nennt, beide als "verschiedene Arten eines höheren Begriffs betrachten und diesen Begriff Zeit nennen" will. Es handelt sich keineswegs um "verschiedene Arten eines höheren Begriffs". Bedingung der Zeit überhaupt ist das Geschehen, d. h. die Folge von Zuständen, aus dieser ergibt sich die einzige Dimension der Zeit. Ob dagegen in demselben Zeitpunkt nur ein Zustand oder gleichzeitig mehrere anzutreffen sind, ist - prinzipiell genommen - für den Zeitbegriff belanglos.
    16) Aus der Doppelheit des Objekts folgt aber nirgends und auf keine Weise eine Doppelheit der in beiden Gebieten herrschenden Zeit. Diese ist gleich real für die Außen- wie für die Innenwelt, eine Ansicht, die ebensoviele Gegner wie Anhänger zählen dürfte, so daß es nutzlos erscheint, sich in diesem Punkt auf Autoritäten zu berufen. - - - Einen besonderen Standpunkt vertritt EYFFERTH (a. a. O., Seite 134 und öfter), der die Zeit "weder in der Welt der Dinge ansich, noch in der Welt der Erscheinungen" findet, sondern als einen der Fäden betrachtet, "welche sich verbindend zwischen beiden hinüber- und herüberlaufen". "Die Zeit verknüpft" - nach EYFFERTH - "ein Ding und viele Erscheinungen. Dabei ordnen sich diese Erscheinungen in zwei Dimensionen" usw. Daß diese Bemerkungen unzutreffend sind, wird, wie ich hoffe, aus der bisherigen Darstellung zur Genüge hervorgehen.
    17) Ich verweise auf die Ausführungen von LUDWIG BUSSE, a. a. O., Seite 1f.
    18) vgl. z. B. Réponse aux réflexions de M. Bayle: "Je reconnais que le temps, l'étendue, le mouvement ne sont que des choses idéales." [Ich erkennen, daß Zeit, Ausdehnung und Bewegung nur ideale Dinge sind. - wp] (Philosophische Schriften, hg. von C. J. GERHARDT, Bd. 4, Seite 568
    19) vgl. meine Abhandlung "Das metaphysische Kausalproblem bei Leibniz", Seite 30f.
    20) "Wird mit Kant auch die Zeit zu einer ausschließlich subjektiven Vorstellungsform gemacht, so bleibt dem Verstand gar nichts mehr von jener Welt zu denken übrig, auf die er von Anfang an seine Erklärungsunternehmungen glaubte abzielen zu dürfen. Stürzt die metaphysische Zeit dahin, so sinkt auch alle im eigentlichen Sinne reale Veränderung, alles transzendentale Geschehen und damit alle metaphysische Kausalverknüpfung und Naturgesetzlichkeit in einen bodenlosen Abgrund." (ERNST LAAS, Kants Analogien der Erfahrung.
    21) Auch WUNDT (Logik, zweite Auflage, Bd. I, Seite 487) hält es nicht für berechtigt, der Zeit, die KANT nach ihm "ganz passend" als eine Anschauungsform bezeichnet, die begriffliche Natur abzusprechen. "Der Zeitbegriff unterscheidet sich von anderen Begriffen nur dadurch, daß das Bild der Zeit stets ein einzelner Zeitverlauf ist, kein willkürliches Zeichen, welches der Natur des Begriffs fremd wäre. Dieser Umstand hat KANT zu der Behauptung veranlaßt, die reine Zeit selbst sei eine sinnliche Anschauung, während solches doch nur vom einzelnen Zeitverlauf gilt, in welchem sich freilich stets der Begriff der Zeit in unserem Bewußtsein entwickelt." - - - Siehe auch GIDEON SPICKER, "Kant, Hume und Berkeley", Seite 56: "Raum und Zeit können nicht bloß reine Formen der sinnlichen Anschauung, sondern müssen auch Begriffe sein. Ließen sich Raum und Zeit bloß anschauen und nicht auch begrifflich vorstellen, so könnten sie bloß konstruiert, nicht aber theoretisch dargestellt werden."
    22) SIGWART, Logik, Bd. II, Seite 79
    23) Eine genaue Erörterung der in diesem Abschnitt berührten Fragen ist nicht ohne eine Auseinandersetzung mit KANTs Lehre möglich. Zur Vermeidung von Wiederholungen verweise ich für die Punkte, die oben mit Absicht möglichst knapp behandelt sind, auf den nächsten Abschnitt, der eine Kritik der kantischen Zeitargumente, des wichtigsten Teils seiner Zeitlehre, zu liefern versucht.
    24) Kritik der reinen Vernunft, Seite 58 und 59
    25) HANS VAIHINGER, Kommentar zu Kants Kritik der reinen Vernunft, Bd. II, Seite 193f und 370f.
    26) OTTO LIEBMANN, Kant und die Epigonen Seite 21: "Mit Raum und Zeit würde nicht nur die empirische Welt, sondern zugleich auch unser Intellekt, ja unser Ich wegfallen, von ihm selbst weggedacht werden, was unmöglich ist."
    27) Die Abweichung der zweiten von der ersten Auflage besteht in der Einschiebung der Worte: "als die allgemeine Bedingung ihrer Möglichkeit" im letzten Satz. Durch diese Einschiebung wird die relative Notwendigkeit klar ausgesprochen. Es scheint mir aber der Schlußsatz ohne jede Einschiebung ebenso gedeutet werden zu können, denn er enthält offenbar eine Gegenüberstellung der Erscheinungen (vgl. "diese") und der Zeit. Diese Gegenüberstellung legt es sehr nahe, jene Einschiebung, die in der zweiten Auflage ausdrücklich hinzugesetzt ist, auch bei der ersten in Gedanken zu machen. Dies umso mehr, als dieser Sinn durch den zweiten Satz ("Man kann" ...) bestätigt wird.
    28) Es erscheint notwendig, mit ein paar Worten auf das zweite Raumargument einzugehen, da das Verständnis wie bei allen Argumenten, so besonders bei diesem durch eine Betrachtung der parallelen Sätze wesentlich gefördert wird. Ich glaube, daß auch hier der nächste Grund für die Apriorität der Raumvorstellung die relative Notwendigkeit ist. Im Mittelsatz, aus dem viele die absolute Notwendigkeit herauslesen, findet sich ähnlich wie beim Zeitargument eine bestimmte Gegenüberstellung von den Gegenständen der äußeren Anschauung und vom Raum. Es ist daher sehr wohl die Interpretation möglich: In Beziehung aufeinander kann man jene aufheben, diesen nicht. Auch ist zu beachten, daß beim zweiten Raum-, wie beim zweiten Zeitargument im ersten Satz direkt auf die relative Notwendigkeit, d. h. auf das Verhältnis von Raum und Zeit zu Anschauungen hingewiesen wird. Andererseits steht fest, daß die absolute Notwendigkeit der Sachgrund für die relative ist, aber diese ist Erkenntnisgrund für jene: dies ist meiner Meinung nach die Grundlage im zweiten Raum- wie im zweiten Zeitargument. - Ich kann nach dem Gesagten nicht mit VAIHINGER (a. a. O., Seite 370) das zweite Raumargument für logischer aufgebaut als das zweite Zeitargument erachten; das Umgekehrte scheint mir vielmehr der Fall zu sein. Von den beiden Fassungen des zweiten Zeitarguments verdient die der zweiten Auflage wegen ihrer größeren Deutlichkeit den Vorzug.
    29) JULIUS BAUMANN, "Raum, Zeit und Mathematik", Bd. II, Seite 667
    30) Nach VAIHINGERs Vorgang (a. a. O., Seite 371) scheide ich aus dieser Kritik das dritte Zeitargument aus, denn es gehört seinem Inhalt nach nicht zu den übrigen Argumenten, sondern in die "transzendentale Erörterung" (§ 5). "Es ist eine bloße Ungenauigkeit Kants, daß er nicht den Parallelismus mit der zweiten Auflage der metaphysischen Erörterung des Raums soweit herstellte, um auch diesen Abschnitt hier wegzunehmen, und demgemäß dann auch den § 5 entsprechend umzuarbeiten". (VAIHINGER, a. a. O.)
    31) Diese Folgerung, die aus dem parallelen Raumargument leicht zu ergänzen ist, wird befremdenderweise im vierten Zeitargument nicht direkt ausgesprochen.
    32) siehe VAIHINGER, a. a. O., Seite 213
    33) siehe auch Abschnitt III
    34) Es ist wiederholt darauf aufmerksam gemacht worden, daß der kantische Ausdruck: "Daher muß die ursprüngliche Vorstellung Zeit als uneingeschränkt gegeben sein" unrichtig ist. Denn damit ist die Uneingeschränktheit oder Unendlichkeit, insofern sie gegeben sein soll, als ausführbare Vorstellung hingestellt, während doch in Wirklichkeit diese uneingeschränkte Vorstellung nichts als "ein begriffliches Postulat ist, welches hier notwendig entstehen muß, weil alle unsere Wahrnehmungen die Zeitanschauung mit sich führen". (WUNDT, Logik, zweite Auflage, Bd. I, Seite 487) In dieser Auffassung allein dürfte auch der Schlüssel zur Lösung der ersten Antinomie liegen.