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DIETRICH HEINRICH KERLER
Jenseits von Optimismus
und Pessimismus


"Es ist gar keine Kunst, gemeinverständlich zu sein, wenn man dabei auf alle gründliche Einsicht Verzicht leistet, das Haschen nach Popularität bringt meist einen ekelhaften Mischmasch von zusammengestoppelten Beobachtungen und halbvernünftelnden Prinzipien zum Vorschein bringt, daran sich schale Köpfe laben, weil es doch etwas gar Brauchbares fürs alltägliche Geschwätz ist."

"Für Aristoteles ist es gleichfalls selbstverständlich, daß in der Glückseligkeit das Endziel aller menschlichen Bemühung zu sehen ist und daß die Tugend, zu der nach Aristoteles allerdings noch äußere Güter, besonders Schmerzlosigkeit hinzutreten müssen, den Weg zum wahren Glück bedeutet. Dieses Glück liegt nun nicht im Genuß, sondern in der Tätigkeit und zwar in der höchsten, die es für Menschen gibt, in der Vernunfttätigkeit."


Vorwort

Worin das Spezifische dieses Buches zu sehen ist, das kommt in seinem Untertitel zum Ausdruck. Es wird der Versuch gemacht, die Frage nach dem Sinn des Leben unter einem prinzipiellen Verzicht auf Untersuchungen über das Wesen der Wirklichkeit, also im Gegensatz zu aller offenen und versteckten Metaphysik (1), genausogut aber auch zu allem Positivismus rein aus den Tatsachen der Ethik heraus zu beantworten. Die Lebensanschauung, die sich dabei herausbildet, nenne ich Impersonalismus (2). Der Impersonalismus hat sich mir schon ganz im Sinn, in dem er hier vorgetragen wird, aufgrund selbständigen Nachdenkens zu einer Zeit ergeben, als ich ausschließlich mit den Problemen der reinen Logik beschäftigt, von der ethischen Literatur noch so gut wie gar nichts kannte. Die Denker, bei denen mir verwandte Anschauungen entgegentraten, sind von den Älteren besonders FÉNÉLON, erst in weit fernerer Linie KANT, mehr dann schon wieder FICHTE unter den Neueren und Modernen, abgesehen von NIETZSCHE, der mehr seinem ganzen Lebensgefühl nach als rein wissenschaftlich hierher gehört, PLANCK, dann WUNDT, DORNER, SCHWARZ und vor allem COHEN. Ich war bemüht, überall, wo die Forschungen der genannten Denker mit den meinigen koinzieren, dies gewissenhaft zu verbuchen. Doch konnte ich, gerade was die allerletzten und entscheidensten die denkbar radikalste "Umwertung" bedeutenden Momente meiner Lebensphilosophie betrifft, keinen Vorgänger auffinden. Daß in der Tat ein absoluter, bis zum Äußersten konsequenter Impersonalismus bisher keinen Vertreter gefunden hat, das bestätigt wohl auch die Bemerkung EDUARD von HARTMANNs, der den seinem Vollgehalt nach nicht auch nur geahnten Impersonalismus mit den Worten abtut, daß ihm ein ernstgemeinter Versuch zur Durchführung dieses "Einfalls" nicht bekannt ist (3). HARTMANN weiß also nichts davon, daß es mit NIETZSCHE zu reden, höhere Probleme gibt, als alle Lust-, Leid- und Mitleidsprobleme, und daß jene Philosophie, die nur auf diese hinausläuft, eine Naivität ist. Bei FÉNÉLON hätte HARTMANN freilich zumindest diesbezügliche Andeutungen finden können.

Es handelt sich, und das kann Mißverständnissen gegenüber, wie ich sie jetzt schon voraussehe, nicht nachdrücklich genug betont werden, hier nicht um eine "Anweisung zum seligen Leben", nicht um eine "Anleitung zu Lebensversuchen", nicht um ein Lebensbuch á la TRINE oder EMERSON, noch weniger um einen "Pragmatismus", sondern um eine Theorie, um eine Deutung des Lebens. Diese Theorie baut sich auf auf einer Untersuchung des Wesens des Sittlichen und sie wird gewonnen durch eine Analyse des Inhalts der sittlichen Idee und durch eine Entwicklung der mit diesem Inhalt gegebenen Konsequenzen. "Alle kritische Philosophie", sagt STERNBERG sehr richtig, "ist Begriffsanalyse" (4), Begriffsanalyse, so füge ich hinzu, aber nimmermehr, wie es der Psychologismus will, Bewußtseinsanalyse. Ist das der Fall, dann wird es zur Pflicht, den Begriff des Sittlichen in seiner vollen Reinheit herauszustellen. KOPPELMANN hält es für unecht, "Steine auf Leute zu werden, die in (schwierigen Lagen der sittlichen Forderung nicht gerecht werden, z. B.) von der Wahrheit abweichen." (5) Dazu ist zu sagen, daß man in der Ethik überhaupt nicht mit Steinen wirft. Der Ethiker ist keine Art RHADAMANTYS, der Seligkeit oder Verdammnis über die Menschen verhängt. Der Ethiker will nichts als Erkenntnis des Wesens des Sittlichen, er treibt Begriffsanalyse, aber etwas präziser, als es vielfach zu geschehen pflegt.

Von der Wirklichkeit ausgehend versuchen wir, in "ideirender Abstraktion" die bei aller Mannigfaltigkeit und Gegensätzlichkeit der ethischen Anschauungen identische reine Form des Sittlichen unter Abstraktion von allem Inhalt, also da s, worin alle sonst noch so verschiedenen Moralanschauungen, sofern sie eben alle "Moral" sind, übereinstimmen müssen, zu gewinnen (6). Im Besitz dieses Wesensbegriffs, der uns nicht durch "Abstraktionen aus Wolkenkuckucksheim", sondern durch eine Theoretisierung von Tatsachen geworden ist, erheben wir uns zu einem Standort, von dem aus alles Vergängliche, alles bloß Wirkliche nur wie ein Gleichnis daliegt. Wenn uns in der Anschauung der Ideen, die, obwohl aus der Wirklichkeit abstrahiert, trotzdem einer unendlich höheren und reineren Sphäre, als das Wirkliche angehören, das Gefühl der Ehrfurcht vor der Wirklichkeit verloren geht, so hat das mit Spiritismus oder anderen metaphysischen Luftballonfahrten nichts gemein. Vielmehr verehren wir unser leuchtendes Vorbild in der Mathematik. "More geometrico" suchen wir zu einer Erkenntnis der Wahrheit zu gelangen. PLATO, der Göttliche hat zum erstenmal diesen Weg gewiesen. Er war durchdrungen von der Überzeugung, daß nicht s, wie die Geometrie auf "wesenhaftes, unveränderliches Sein" zu schauen nötigt, daß nichts, wie sie den Blick abzieht von dem in der Zeit Werdenden und wieder Vergehenden. Vom Sichtbaren, Irdischen, Unreinen, wenden wir uns zur begrifflichen Anschauung der Wesenheit des Guten". Dann, wenn wir nur in Achtsamkeit und Treue unseren Pfad wandeln, muß uns eine absolute, den Sätzen der Mathematik an Evidenz und Unumstößlichkeit ebenbürtige Erkenntnis zuteil werden, muß uns der Sinn des Lebens in seinem durch alle Ewigkeit unveränderlichen Wesen aufgehen. Ich werde für jede "immanente" Kritik dankbar sein.

Eine derart streng logische Methode, ein solches "Fädeln und Knüpfen und Weben und Wirken der Strümpfe des Geistes" kann freilich in einer Zeit, die sich auf eine naturwissenschaftlich-soziologische Behandlung besser gesagt Verballhornung der geisteswissenschaftlichen Probleme so viel zu gut tut, auf wenig Sympathie rechnen. Und was die "Gebildeten" betrifft, so bleibt ihre Devise: "Simplex sigillum veri." Die leichtere Denkweise, wie NIETZSCHE bemerkt, siegt über die schwierige. Man darf aber wohl mit KANT sagten, daß "es gar keine Kunst ist, gemeinverständlich zu sein, wenn man dabei auf alle gründliche Einsicht Verzicht leistet", daß das Haschen nach Popularität meist "einen ekelhaften Mischmasch von zusammengestoppelten Beobachtungen und halbvernünftelnden Prinzipien zum Vorschein bringt, daran sich schale Köpfe laben, weil es doch etwas gar Brauchbares fürs alltägliche Geschwätz ist." (7)

Denn es erfüllt die gebundenen Geister ein blühender Hass gegen das rein theoretische Denken mit seiner unerbitlichen Folgerichtigkeit. Vollends, wenn die Moralbegriffe auch nur in begriffliche Diskussion gezogen, geschweige enn in Frage gestellt werden, hört bei sonst ruhigen Menschen einfach die Gemütlichkeit auf. Wahrhaftig hat NIETZSCHE hat recht: "die Allermeisten finden es nicht verächtlich, dies oder jenes zu glauben und danach zu leben, ohne sich vorher der letzten und sichersten Gründe für und wider bewußt worden zu sein." Nicht die Wahrheit wollen sie, sondern "guten Schlaf und mohnblumige Tugenden dazu." "Die Welt" heißt es in MOLIERES "misanthrope", "verlangt zwar Tugend, doch mit Maß". Nur keine Konsequenz! Das gilt als pedantisch, geschmachslos.

OTTO LUDWIG schließt seine Erzählung "Zwischen Himmel und Erde" mit den Worten: "Laß ich vom Verstand leiten, aber verletze nicht die Heilige Schranke des Gefühls. Kehre dich nicht tadelnd von der Welt, wie sie ist; suche ihr gerecht zu werden, dann wirst du gerecht. Und in diesem Sinne sei dein Wandel zwischen Himmel und Erde." In diesem Geist ist das vorliegende Buch nicht geschrieben.
    "Den reinen Gedanken zutage zu förden, oder ihn anzuhängen, das ist, so denken wir eher, Jugendlust und alle Lichtgestalten der Gedankenwelt, wie Wahrheit, Freiheit, Menschentum erleuchten und begeistern die jugendliche Seele."
Erst im Mann befestigt sich die erbärmliche Meinung, "daß man mit der Welt nach seinem Interesse verfahren muß, nicht nach seinen Idealen." (STIRNER)

Möge mein Buch vor Lesern bewahrt bleiben, die, mit HEBBEL zu reden, es nicht verstehen und, was das Schlimmste wäre, doch zu verstehen glauben. An philosophisch gebildete Leser, wie an meine ernsthaften Kritiker, erlaube ich mir, die Bitte zu richten, sich nicht ans Beiwerk zu halten, worunter ich die einerseits mehr zur Jllustration, andererseits zur schärferen Geltendmachung meines eigenen Standpunkts eingestreuten historischen Darlegungen, die nicht etwa eine Geschichte der Ethik bedeuten wollen, verstehe. Ich weiß es leidern nur zu gut, daß ich kein Historiker bin. Der Schwerpunkt des Buches liegt in den prinzipiellen und überhaupt begrifflichen Partien. Gegen sie bitte ich, mit umso größerer Unnachsichtlichkeit vorzugehen. Endlich sei mir die Bemerkung nicht verübelt, daß Niemand meinem Buch bloß auf die Lektüre des Vorworts hin oder einzelner Stichproben und herausgegriffener Kapitel gerecht werden kann. Das Ganze bildet eine Einheit, die in stufenweiser Entwicklung von Kapitel zu Kapital organisch werdend, erst am Schluß des Buches in ihrer Totalität überschaubar wird.



I. Die Entwicklung zum
impersonalistischen Gedanken


1. Kapitel
Der Subjektivismus.
Außersittliche Lebensprinzipien.

Wer sich in Vergangenheit und Gegenwart danach umsieht, was man über das Leben gedacht hat und denkt, was man vom Leben erwartet, was man dem Leben schuldig zu sein glaubt, dem tritt eine große Mannigfaltigkeit der Erscheinungen entgegen. Es ist nicht die Absicht des Kapitels, dieselben in ihrer Vollzähligkeit vorzuführen. ES soll hier lediglich zur plastischern Abhebung des Lebensprinzips, auf dessen Gewinnung diese Ausführungen hinstreben, die Charakterisierung einzelner Typen versucht werden.

Der Verzicht auf jede selbständige und kritische Lebensanschauung und Lebensgestaltung ist kennzeichnend für den altorientalischen Geist. Durchdrungen von dem Gefühl der eigenen Ohnmacht und Nichtigkeit verehrte er die Naturmächte und vorgefundenen Lebensordnungen als das unbegreiflich Erhabene, Ehrfurch und Anbetung Gebietende, schlechthin Unterwerfung und Unterdrückung jeder persönlichen Bestimmung Forderne. Erst Griechenland soll zur Geburtsstätte geistiger Selbständigkeit werden. Mit dem glänzenden Aufschwung, den die Perserkriege in politischer Hinsicht für Hellas gebracht hatten, erwachte auch der Geist zum Bewußtsein seiner Freiheit (8). In der Tat äußert sich das Freidenkertum in dieser Jugendperiode der Philosophie bereits mit außerordentlicher Kühnheit. Die jüngeren Sophisten vertreten den erkenntnistheoretisch, wie den ethischen Subjektivismus in extremer Form.
    "Wenn für Jeden wahr ist, was ihm wahr zu sein scheint, so muß auch für Jeden recht und gut sein, was ihm recht und gut scheint. Jeder hat das natürliche Recht, seiner Willkür und seinen selbstsüchtigen Neigungen zu folgen." (9)
Eben dieselbe Lehre, nur weit großzügiger ausgestaltet und tiefer begründet, tritt in der Neuzeit wieder auf. Mit MAX STIRNER spitzt sich der Subjektivismus zum äußersten Radialismus zu:
    "Mir geht nichts über micht", "Ich bin Eigentümer von Allem, dessen ich brauche und habhaft werden kann."
Der Glaube, Pflichten zu haben, zu etwas Höherem berufen zu sein, ist törichter Wahn.
    "Mensch, es spukt in deinem Kopf; Du hast einen Sparren zuviel!" "Ob ein armer Narr des Tollhauses von dem Wahn besessen ist, er sei Gott Vater, Kaiser von Japan, der heilige Geist usw. oder ob ein behaglicher Bürger sich einbildet, es sei seine Bestimmung, ein guter Christ, ein loyaler Bürger, ein tugendhafter Mensch usw. zu sein - das ist beides ein und dieselbe fixe Idee". (10) "So lächerlich es wäre, der Erde die Aufgaben zu stellen, ein "rechter Stern" zu sein, so lächerlich ist es, mir als Beruf aufzubürden, ein "rechter Mensch zu sein." (11)
Damit ist nicht gesagt, daß ich nicht den Menschen auch Liebe entgegenbringn kann.
    "Aber die Liebe ist kein Gebot, sondern, wie jedes meiner Gefühle, mein Eigentum."Was mir das Teuerste ist, kann ich für den anderen in die Schanze schlagen, mein Leben, meine Wohlfahrt, meine Freiheit. Es macht ja meine Lust, mein Glück aus, mich an seinem Glück zu laben. Aber mich selbst, opfere ich ihm nicht, sondern bleibe Egoist und - genieße ihn. Opfere ich einer Leidenschaft eine andere, so opfere ich darum noch nicht mich." (12).
Diene ich keinem Ideal, keinem höheren Wesen mehr, beuge ich mich weder dem "Geist", noch der Vernunft oder der Pflicht,
    "so findet sichs von selbst, daß ich auch keinem Menschen mehr diene, sondern - unter allen Umständen - Mir. So aber bin ich nicht bloß der Tat oder dem Sein nach, sondern auch für mein Bewußtsein der - Einzige." (13)
Wie man sieht, handelt es sich beim absoluten Subjektivismus um die vollendete Willkür, die jede Unterwerfung unter ein wie auch immer geartetes positives Lebensprinzip zurückweist. Es wird nicht etwa, wie von den Kynikern, die Lust, der Genuß zum Grundsatz erhoben. STIRNER hat gar nichts dagegen einzuwenden, wenn es jemandem Spaß macht, sich für irgendeine Person oder Sache aufzuopfern, sich einer Pflicht hinzugeben. Nur besteht keinerlei Pflicht zu so einer Pflicht. Die Pflicht hat nicht mich, sondern ich habe sie als mein Eigentum, das ich für meine Zwecke verbrauche. Subjektivismus ist noch nicht Hedonismus. Der Hedonismus ist bereits ein dogmatisches, positives, freilich außersittliches Prinzip. Der ältere ARISTIPP empfiehlt, nur nach sinnlicher Augenblickslust zu streben, da sie die edleren geistigen Freuden an Intensität weit übertrifft. Die Gegenwart soll man "genießen, um Zukunft und Vergangenheit sich nicht kümmern, unter allen Umständen seine Heiterkeit bewahren." (14) Doch schon ARISTIPP der Jüngere und THEODORUS machen auf die Minderwertigkeit brutaler Sinneslust gegenüber den differenzierteren Schwingungen des Gefühls und auf die Notwendigkeit, über den Moment hinaus die Zukunft zu bedenken und mit Rücksicht auf späteres Leid auf vorübergehenden Kitzel zu verzichten, aufmerksam. Ähnlich lehrt SOKRATES. Mit voller Entschiedenheit tritt dann EPIKUR für die geistige Lust im Gegensatz zur sinnlichen ein. Nur die geistigen Genüsse sind rein, nur sie führen zum höchsten Gut, das dem Menschen erreichbar ist, nämlich zur Ruhe des Gemüts, zur "Ataraxie". Diese Bevorzugung der geistigen Lustgefühle vor den sinnlichen bedeutet bereits den Übergang vom Hedonismus zur Glücksethik, mit der wir uns gleich zu befassen haben werden. In späterer Zeit hat HOBBES den individuellen Nutzen zur Richtschnur des Handelns gestempelt. Das allgemeine Wohl sei nur insoweit anzustreben, als es das individuelle bedingt oder sonst fördert. HOBBES ist der erste Vertreter (15) des egoistischen Utilitarismus, der als Spielart des Hedonismus angesehen werden kann.

Zu den außersittlichen Lebensprinzipien ist auch, allerdings mit bestimmten Einschränkungen, das ästhetische Lebensideal zu rechnen. In OSCAR WILDEs "Das Bildnis des Dorian Gray" hat es wohl seinen hinreißendsten Ausdruck gefunden. "Die Farbe des Lebens zu schlürfen" und das eigene Leben zum Kunstwerk zu gestalten, macht hier den wahren Lebensgehalt aus. Man unterläßt eine gemeine Handlung, nicht weil sie unsittlich, sondern weil und wenn sie häßlich, abstoßend ist. Ist die unethische Handlung nicht zugleich unästhetisch, so besteht für den Ästhetik auch keine Veranlassung, sich ihrer zu begeben. "Ist Unaufrichtigkeit etwas so schlimmes? Ich denke nicht; sie ist nur ein Mittel unser Wesen zu vervielfältigen", sagt gelegentlich Lord Henry. Es ist nicht durchaus ausgeschlossen, daß dem Schönheitsideal mit demselben Maß an Selbstlosigkeit, mit derselben inneren Glut, mit demselben heiligen Ernst gehuldigt wird, wie das für das sittliche Ideal wesentlich ist. Dann geht das Ästhetische ins Ethische über. Bei SCHILLER, in den Briefen über die ästhetische Erziehung des Menschen, sind beide Prinzipien anerkannt, doch so, daß ein feindlicher Gegensatz zwischen ihnen nicht angenommen wird. Wesentlich aber ist dem ästhetischen Ideal dieser Einklang mit dem ethischen nicht. In der Regel verzichtet der Ästhetizismus, wie EUCKEN mit Recht betont (16), auf "alles kraftvolle Eingreifen. Sinnliches und Geistiges wird verwischt". "Fast spielend läßt er das Dasein durch seine Hände gleiten". Dabei nimmt er eine stille Überlegenheit der Welt gegenüber ein." (17). Und ein ethischer Rigorismus, der unerbittlich die Konsequenzen zieht und vor schroffen Konflikten nicht zurückscheut, wird ihm vielfach geschmacklos und pedantisch erscheinen müssen. (18)

Nicht wenig verbreitet ist ferner eine andere außerhalb des Sittlichen fallende Lebenstendenz, die Pseudo-Persönlichkeitskultur. Mit dem Ideal der sittlichen Persönlichkeit hat sie gar nichts zu tun. Es handelt sich für ihre Vertreter vielmehr darum, das eigene Ich stets zur Durchsetzung zu bringen, jeder Situation gewachsen, in allen Sätteln gerecht zu sein, mit Allem und Allen fertig zu werden. Das Selbstgefühl, das so die Brust schwellen macht, ist für diese Naturen die höchste Lebenslust. Um Selbstgenuß ist es ihnen zu tun und damit schließen sie sich aus der Sphäre des sittlichen Lebens aus. Am unteräglichsten wird diese Lebenserscheinungen, wenn sie sich auch noch des Ethischen bemächtign, d. h. sich sittlich gebärdet, in Wahrheit aber nur das ihre sucht und eben nur überall ihre Rolle spielen und allem und edem ihren Stempel aufzudrücken sich bemüßigt fühlt. Es sind dies Äußerungen des "Willens zur Macht", von dem NIETZSCHE gesagt hat, daß in Wahrheit er und nicht der Selbsterhaltungsdrang oder das Glücksstreben den eigentlichen Grundtrieb ausmacht. Gerade bei sonst wertvollen durchaus sittlich eingestellten Menschen gewinnt er oft in verhäntnisvoller Weise die Oberhand und kann das sittliche Leben in schwere Gefahren bringen.

In mehr formaler Weise hat BENEKE in seiner Ethik ein Prinzip zur Ausgestaltung gebracht, das gleichfalls den außersittlichen beizuzählen ist. Sittlich ist nach BENEKE, wer nach seiner wahren Wertgebung handelt (19), d. h. danah, was ihm höchste Lust ist. Worin einer seine höchste Lust sieht, ist gleichgültig. Er kann sie z. B. im Menschenfressen finden (20). Dann besteht seine Sittlichkeit darin, durch keine andersgeartete Begierde und Leidenschaft sich aus dem Geleis bringen zu lassen. Unsittlich handelt, z. B. der Lebemann, dem Sinneslust höchstes Gut ist, wenn er bei einer Erkrankung aus Furcht vor Schmerzen sich einer Operation entzieht, die ihm den Sinnengenuß, der doch eben seiner Wertgebung entspricht, wieder aufs Neue ermöglicht. Ansich ist es aber durchaus nicht unsittlich, dem Sinnesgenuß zu fröhnen. In der Praxis des Lebens weist diese Lebensmethode keine kleine Anhängerschaft auf. Spezifisch Sittliches hat die Forderung einer Herrschaft über die Begierden nicht ansich. Sie greift weit über das sittliche Gebiet hinaus, für das in erster Linie das Motiv, die Gesinnung wesentlich ist. Wie BENEKE aber selbst gezeigt hat, können die unsittlichsten Motive zur Zügelung der Leidenschaften veranlassen, können die unsittlichsten Werte" zum Objekt der Wertung werden.


2. Kapitel
Der Individualeudämonismus

Die skizzierten Lebensrichtungen stimmen darin überein, daß ihnen allen die Selbstbefriedigung des Subjekts höchstes Ziel des Strebens ist. Sie sind somit nichts anderes als Spielarten des Egoismus. Es liegt uns völlig fern, jetzt etwa den Egoismus "widerlegen" zu wollen. Ein solches Unternehmen wäre, wie die Untersuchungen des dritten Buches zeigen werden, aussichtslos. Es ist uns nur darum zu tun, die Lebensanschauungen des ersten Kapitels ausdrücklich als egoistischer Natur zu kennzeichnen und festzustellen, daß sie jenseits der sittlichen Welt liegen.

Um nichts anderes als um subjektive Befriedigungszustände ist es auch dem Individualeudämonismus zu tun. Doch weicht diese Theorie insofern erheblich von den außersittlichen Lebensprogrammen ab, als sie das wahre Glück, die wahre Befriedung eben im ethischen Verhalten erblickt, in der Hingabe an ein Höheres, Reineres, Heiliges (21). Dieses Moment der Hingabe ist charakteristisch für das sittliche Wesen, wie andererseits nichts die außersittliche Lebensrichtung mehr kennzeichnet, als der Mangel an hingebender Verleugnung des bloß sinnlichen Menschen und die Befangenheit in der Sphäre des Selbstischen. Aber das Allerheiligste des Ethischen ist mit einer Hingabesittlichkeit, die letzten Endes eben doch wieder nach einer persönlichen Befriedigung trachtet, noch nicht erreicht. Immerhin steht sie zumindest im Vorhof des Sittlichen. Ohne Vollständigkeit anzustreben, wollen wir nun einen flüchtigen Blick auf die Formen werfen, in denen der Eudämonismus auftritt.

Der Individualdämonist sucht sein Glück in einer objektiv wertvollen Beschaffenheit der eigenen Persönlichkeit. So geht bei PLATO im "Staat" die ganze Argumentation auf den Nachweis aus, daß Tugend und Glückseligkeit notwendig verbunden sind. (22) Die Tugend ist für Plato ein Mittel zur Glückseligkeit. (23) Den objektiv höchsten Wert des Menschen, den zu realisieren seine Bestimmung ist, sieht PLATO - und darin ist er wie später ARISTOTELES ein echter Repräsentant des griechischen Geistes überhaupt -, in harmonischer überall dem Maß gerecht werdender Lebensgestaltung, in Vernunft und Einsicht, in der Pflege der Wissenschaften und Künste (24). Höchster Wert und zugleich höchste Lust (25) ist ihm die absolute, göttliche Erkenntnis: die Abwendung vom sinnlichen Wesen und die Zurückziehung auf die reine Betrachtung. Für ARISTOTELES ist es gleichfalls selbstverständlich, daß in der Glückseligkeit das Endziel aller menschlichen Bemühung zu sehen ist (26) und daß die Tugend, zu der nach ARISTOTELES allerdings noch äußere Güter, besonders Schmerzlosigkeit (27) hinzutreten müssen, den Weg zum wahren Glück bedeutet. Dieses Glück liegt nun nicht im Genuß, sondern in der Tätigkeit und zwar in der höchsten, die es für Menschen gibt, in der Vernunfttätigkeit. (28) Näher charakterisiert sich dann die Tugend dadurch, daß sie die Mitte zwischen zwei Fehlern darstellt (29): so liegt zwischen den Extremen Feigheit und Tollkühnheit die Tugend des Muts, zwischen Verschwendung und Geiz die Freigiebigkeit usw.

Den ethischen Eudämonismus vertreten auch die Stoiker. Höchstes Gut ist die Glückseligkeit, die nur in der Tugend gefunden werden kann. Die Tugend ist das mit den Gesetzen der allgemeinen Weltvernunft und der vernünftigen Menschennatur im Einklang befindliche Leben. (30) Alles, was nicht Tugend ist, Ehre, Leben, Reichtum, Schwachheit, Krankheit, Tod gehört zu den "Adiaphora", dem Belanglosen, um das sich kein Weiser kümmert. EPIKUR empfiehlt gleichfalls die Tugend als "Mittel zur Lust" (31), insofern sie von Unruhe, Furcht und Gefahr befreit. PLOTIN kritisiert die Stoa: weder in der Gemütsruhe, noch so schlechthin im naturgemäßen Leben liegt das Glück, sonst müßten ja auch die Pflanzen glücklich sein, sondern im vollkommenen Leben, dem nichts zu seinem Begriff fehlt und dies ist das Denken. (32)

Im tiefsten Grund eudämonistisch ist auch die religiöse Botschaft BUDDHAs. Durchdrungen vom Gefühl der Nichtigkeit und der Wertlosigkeit des Daseins predigt BUDDHA die unermeßliche Seligkeit des Nirwana. Nirwana ist
    "der Untergang der Gier, des Hasses, des Wahns". "Kein Ding ist der Mühe wert." "Alles Seiende ist voll Leid - wer mit Weisheit dies erkennt, den ekelt bald vor des Daseins Leid. - Dies ist der Weg zur Läuterung." "Wenn Du von Lust und Hass Dich befreit, gehst Du ins Nirwana ein."
Denn die Begierde ist die Quelle allen Leids.
    "Wie ein Schlinggewächst wächst die Lust beim Menschen, der leichten Sinnes dahinlebt. Er stürmt von einem Sein zum anderen, wie ein Affe, der im Wald nach Früchten sucht."
Nur die gänzliche Vernichtung des Begehrens bringt die Erlösung.
    "Nichts besitzen wir dann mehr; wie leben wir glücklich. Göttern gleich sind wir von Freude gesättigt." (33)
Da unter den buddhistischen Tugneden der Nächstenliebe, überhaupt der Liebe zu allen Lebewesen, große Bedeutung beigelegt wird, kann man darüber streiten, welcher Art des Eudämonismus, ob dem Invidual- oder Sozialeudämonismus, diese Lehre zuzurechnen ist. Daß die Mystik des christlichen Mittelalters ebenfalls ausgesprochen eudämonistischen Charakter hat, wird sich später herausstellen.

In der neueren Zeit ist es SPINOZA, bei dem der Individualeudämonismus wieder auftritt. Durchaus kommt es ihm auf das Heil an, auf die Glückseligkeit, die uns aber nur dann zufallen kann, wenn wir geistige Werte in uns Wirklichkeit werden lassen. Zu diesen Werten gehört vor allem das Erkennen und zwar das absolute Erkennen, das Erkennen Gottes. Gotteserkenntnis ist zugleich reinstes Glück. Wir, die Träger so einer beglückenden Erkenntnis sind damit Erzeuger derselben. Als solche lieben wir uns selbst. Denn Liebe ist nach SPINOZA "Lust verbunden mit der Idee einer äußeren Ursache." (34) Als Urheber unserer Erkenntnis lieben wir uns. Da wir selbst aber, wie alles Existierende, Gott zur Ursache haben, lieben wir in Wahrheit ihn, als letzte Ursache unseres und allen Seienden. Demnach fällt unsere tiefste Befriedigung, die absolute Erkenntnis Gottes, d. h. der Natur, ihrer Harmonie und Gesetzmäßigkeit, zusammen mit der Liebe zu Gott, mit dem "amor intellectualis dei", in dem des Menschen höchste Seligkeit liegt. (35) Der Eudämonismus des LEIBNIZ kommt zu dem Ergebnis, daß Vollkommenheit unser Lebensziel sein muß. Unvollkommenheit ist bei LEIBNIZ ein Mangel an Realität. Mit jedem Schritt, den wir der Vollkommenheit entgegentun, wächst das Maß unserer Glückseligkeit. Die Vollkommenheit der menschlichen Seele besteht in der Ausbildung derjenigen Kräfte, welche sie vor der Tierseele voraus hat. (36) Das Wesentliche ist für LEIBNIZ, wie ja die ganze Tendenz der Theodizee zeigt, die Glückseligkeit, die einer solchen Vollkommenheit entspringt. (37) Ähnlich denkt WOLFF. Vornehmste Sorge des Menschen soll der Fortgang zu immer größeren Vollkommenheiten sein. (38) Damit fällt dem Menschen die Seligkeit zu. Da wir ferner nicht nur aus unserer eigenen, sondern auch aus fremder Glückseligkeit Vergnügen schöpfen", so haben wir den Nächsten zu lieben wie uns selbst. (39) In der Gegenwart tritt als ethischer Individualeudämonist LIPPS auf: "Das sittliche Wollen zielt darauf ab, daß die sittliche Persönlichkeit sich beglückt auslebt." (40)

War es den bisher betrachteten Eudämonisten um das schon hier auf Erden aus dem sittlichen Tun entspringende Glück zu tun, so legt THOMAS von AQUIN, der das geistige Leben des Mittelalters beherrscht, das Hauptgewich auf die im zukünftigen Leben zu erwartende Seligkeit, deren wir uns durch Übung, insbesondere der sogenannten theologische, übernatürlichen Tugenden, Glaube, Liebe, Hoffnung würdig machen. Verwandte Anschauungen haben die englischen Moralphilosophen PALEY, HARTLEY und LOCKE. Nach PALEY ist die ewige Seligkeit der Zweck des Handelns und HARTLEY fordert gleichfalls für den Tugendhaften den Lohn in "einem entfernten zukünftigen Zustand" (41). Auch LOCKE ist überzeugt, daß ein gutes Leben auf Erden eine "ausgesuchte und endlose Glückseligkeit im anderen Leben zur Folge hat." (42)

Wir wenden uns nun zur Kritik des Individualeudämonismus. Daß er keine im vollen Sinn ethische Theorie ist, daß er ganz streng genommen zu den außersittlichen Lebensanschauungen gehört, liegt auf der Hand. Denn eingestandenermaße ist es ihm um Sittlichkeit, überhaupt um geistige Werte nur insofern zu tun, als sie höchste Glückseligkeit vermitteln. Wir wollen es ganz dahingestellt sein lassen, ob wirklich ausschließlich ein Leben in Sittlichkeit dem Menschen die Denkbar tiefste Befriedigung gewährleistet. KANT meint ja allerdings:
    "Worin jeder seine Glückseligkeit zu setzen hat, kommt auf jedes sein besonderes Gefühl der Lust und Unlust an und selbst in ein und demselben Subjekt auf die Verschiedenheit des Bedürfnisses, nach den Abänderungen dieses Gefühls." (43)
Daß ein bestimmt gearteter Glückszustand, der sich aus einem sittlichen Verhalten ergibt, für jedermann das Glücksmaximum ausmacht, läßt sich schlechterdings nicht beweisen. Und doch steht und fällt der Eudämonismus mit diesem Satz. Wahr ist nur, daß wenigstens beim normalen Menschen in der Regel der Übel größtes die Schuld ist. Daraus folgt aber noch nicht, daß, wie IBSEN in "Rosmersholm" Pastor Rosmer sagen läßt, "Glück zuerst und vor allem das stille, frohe, sichere Bewußtsein der Schuldlosigkeit ist." Für dieses Bewußtsein hat zwar wohl der Schuldige Sinn, insofern er es schmerzlichst entbehrt, nicht notwendig aber der Schuldlose, der meist kaum lange bei ihm verweilen wird, und trotz sittlicher Tadellosigkeit totunglücklich sein kann. Jesu Seele war gerade auf dem Höhepunkt ihres sittlichen Seins "betrübt bis in den Tod". Bleiben Bedürfnisse rein menschicher, gesellschaftlicher, ästhetischer und geistiger Art unbefriedigt, dann kann, wenn auch vielleicht intensivstes sittliches und religiöses Erleben Momente höchstgesteigerten Glücksgefühls mit sich bringt, auf die Dauer wirkliche Befriedigung, ganz zu schweigen höchste Glückseligkeit, wohl kaum aufkommen. Wenn PLATO bewiesen zu haben glaubte, der Weise sei 729 Mal vergnügter als der Tyrann (44), so bemerkt ARISTOTELES, daß ohne äußere und auch physische Güter vollkommene Glückseligkeit nicht denkbar ist, wer aber einen Mann, der auf dem Rad gefoltert wird oder ins größte Unglück hineingerät, für glückselig erklärt, weil er tugendhaft ist, der stellt absichtlich oder unabsichtlich einen ganz nichtigen Satz auf (45). Und der Optimist DÜHRING läßt das bittere Weh, das der Verlust teurer Angehöriger über uns bringt, als den schwerwiegendsten Einwand gegen das Leben gelten. Am Tiefsten hat aber wohl NIETZSCHE gesehen, wenn er sagt:
    "Die Tugend gibt nur denen Glück und eine Art Seligkeit, welche den guten Glauben an ihre Tugend haben, nicht aber jenen feineren Seelen, deren Tugend im tiefen Mißtrauen gegen sich und alle Tugend besteht. (46)

    "Solches ist aber nicht für lange Ohren gesagt, das sind feine, ferne Dinge, nach denen sollen nicht Schafsklauen langen".
Der Individualeudämonismus, der ganz von der Kongruenz von Glück und Sittlichkeit abhängt, steht somit schon psychologisch, hinsichtlich der Glücksfrage auf tönernen Füßen. Aber sehen wir ganz davon ab und setzen wir rein hypothetisch den Fall, daß eines Tages der Mensch, oder ein Kreis von Menschen, oder auch nur ein einzelnes Individuum, sein Glück eben nicht oder nicht mehr in der Sittlichkeit findet, dann ist damit für den Eudämonisten jede Veranlassung zu einem sittlichem Leben aufgehoben und er wird, sofern er an seinem Glücksprinzip festhält, notwendig eine außersittliche Lebensrichtung einschlagen, womit dargelegt ist, daß es dem Eudämonismus in Wahrheit gar nicht auf Sittlichkeit ankommt, sondern auf Glück, daß er also seinen Anspruch, als ethische Lebensanschauung zu gelten, verwirkt hat. Der springende Punkt ist, daß bei einer Programmfassung, die die Erreichung des höchsten Glückszustandes als vornehmste Sorge festsetzt, es notwendig erst in zweiter Linie in Frage kommt, womit und worin man zum Glück kommt. Auf dieser Konsequenz gilt es, mit aller Unerbittlichkeit zu bestehen, weil sich gegen sie der Eudämonist am heftigsten sträubt. Denn "konsequenz zu sein, ist zwar die größte Obliegenheit eines Philosophen, doch wird sie am seltensten angetroffen", sagt KANT. Soll also der Mensch keine höhere Bestimmung haben, als die der Glückseligkeit, dann befinden wir uns wieder mitten im Subjektivismus. Jeder jagt seiner Liebe nach und der Eudämonismus steht ohnmächtig mit gebundenen Händen dabei, ja er muß sogar folgerichtigerweise noch seine Zustimmung geben.
LITERATUR - Dietrich Heinrich Kerler, Jenseits von Optimismus und Pessimismus, Ulm 1914
    Anmerkungen
    1) So sind die Schriften JOHANNES MÜLLERs zur Pflege des persönlichen Lebens trotz aller ansich berechtigten Ablehnung der Weltanschauungsproblem von Grund auf metaphysisch durchsetzt. Von einer solchen Lebensphilosophie unterscheidet sich dieses Buch auf das Nachdrücklichste.
    2) In wesentlich anderem Sinn verwendet SCHWARZ ("Das sittliche Leben") diesen Terminus.
    3) EDUARD von HARTMANN, Das sittliche Bewußtsein, zweite Auflage, Seite 666, Anm.
    4) STERNBERG, Beiträge zur Interpretation der kritischen Ethik, Seite 19
    5) KOPPELMANN, Kritik des sittlichen Bewußtseins, Seite 98.
    6) Man hat früher der "logica scholastica docens" eine "logica naturalis" entgegengesetzt. So könnte man auch von einer "ethica naturalis" sprechen.
    7) KANT, Grundlegung der Metaphysik der Sitten (Reclam) Seite 41.
    8) ZELLER, Philosophie der Griechen I, zweite Auflage, Seite 721
    9) ZELLER, a. a. O, Bd. I, Seite 779
    10) MAX STIRNER, Der Einzige und sein Eigentum, Seite 56
    11) STIRNER, a. a. O., Seite 213.
    12) STIRNER, a. a. O., Seite 339.
    13) STIRNER, a. a. O., Seite 422.
    14) ZELLER, a. a. O., Bd. II, Seite 314
    15) JODL, Geschichte der Ethik I, Seite 122.
    16) RUDOLF EUCKEN, Grundlinien einer neuen Lebensanschauung
    17) BORCH, Einführung in die Geistesgeschichte, Seite 83.
    18) OSCAR EWALD sieht in seinem geistvollen Werk "Gründe und Abgründe" das Wesen des Aestheten darin, daß er alles in einen Schein aufzulösen bestrebt ist und die Grenzen zwischen Wirklichkeit und Traum zerstört. Dann ist eben ausschließlich das kontemplative Moment berücksichtigt.
    19) BENEKE, Grundlegung zur Physik der Sitten, Seite 92.
    20) Man kann als DORNER nicht beipflichten, wenn er sagt, der Eudämonismus geht von den Naturtrieben aus ("Das menschliche Handeln"). Das gilt nur vom Hedonismus.
    21) Man kann als DORNER nicht beipflichten, wenn er sagt, der Eudämonismus geht von den Naturtrieben aus ("Das menschliche Handeln"). Das gilt nur vom Hedonismus.
    22) vgl. besonders Buch X Schlußwort.
    23) ZELLER II, a. a. O., Seite 742 (dritte Auflage)
    24) PLATO, Philebus § 160-61
    25) PLATO, Staat, Buch IX, Philebus § 1
    26) ARISTOTELES, Nikomachische Ethik I, § 2.
    27) ARISTOTELES a. a. O. I. § 11. VII. § 14
    28) ARISTOTELES. a. a. O., I. § 6 und 9.
    29) ARISTOTELES, a. a. O. II. § 6.
    30) ZELLER III, 1. I. Seite 195
    31) ZELLER III. 1. Seite 407.
    32) ZELLER III. 2. II. Seite 534.
    33) REGENER, Worte Buddhas, Seite 82 etc.
    34) SPINOZA, Ethik, 3. Teil, 13. Lehrsatz Anm.
    35) SPINOZA, a. a. O., fünfter Teil, Lehrsatz 36.
    36) BENEKE, Leibniz als Ethiker, Seite 16.
    37) JODL, Geschichte der Ethik I, Seite 363.
    38) CHRISTIAN WOLFF, Vernünftige Gedanken von des Menschen Tun und Lassen.
    39) WOLFF, a. a. O., Seite 545.
    40) LIPPS, Ethische Grundfragen, zweite Auflage, Seite 89 und 90.
    41) HARTLEY, Betrachtungen über den Menschen (deutsch Rostock 1772).
    42) LOCKE, Über den menschlichen Verstand (deutsch von SCHULZE), Bd. I, Seite 352, Buch II, Kap. XXI, § 70.
    43) KANT, Kritik der praktischen Vernunft, Reclam, Seite 29.
    44) PLATO, Staat, Buch IX, 11.
    45) ARISTOTELES, Nikomachische Ethik, Buch VII, 14. Buch I, 3.
    46) NIETZSCHE, Werke, Taschenausgabe, Bd. VI, Seite 220.