H. Gomperzvon KirchmannE. Lask | |||
Kritik der sogenannten praktischen Erkenntnis [2/3]
Kapitel II ÜBER DIE GRUNDLAGE FÜR EINE CHARAKTERISTIK DER HAUPTTYPEN DER PRAKTISCHEN ERKENNTNIS 1. Die traditionellen Unterscheidungen werden als für den Zweck der Untersuchung ungeeignet verworfen. Man pflegt innerhalb der ethischen Systeme zwei Hauptunterscheidungen aufzustellen, indem man annimmt, daß diese fundamentalen Eigentümlichkeiten derselben zum Ausdruck bringen. Die eine ist die Unterscheidung zwischen aprioristischer und empiristischer Ethik; die andere Unterscheidung zwischen formalistischer und materialistischer Ethik. Für den Zweck der Untersuchung eignet sich indessen keine dieser beiden dazu, dieser Darstellung zugrundegelegt zu werden. Die Unterscheidung zwischen aprioristischer und empiristischer Ethik ist eine Unterscheidung nach dem Erkenntnisprinzipg, das als Grundlage für die praktische Erkenntnis angenommen wird. Es ist in Wirklichkeit also eine erkenntnistheoretische Unterscheidung, die Unterschiede der erkenntnistheoretischen Ausstattung des praktischen Denkens zum Ausdruck bringt, nicht aber des praktischen Vorstellungsmaterials selbst. Dazu kommt, daß die Unterscheidung in Wahrheit eine Unterscheidung nach den Intentionen der Systeme und nicht nach ihrem wirklichen Gedankenstoff ist, da alle sogenannte praktische Erkenntnis, wie oben I, 2 gezeigt, notwendig auf metaphysischen Voraussetzungen beruth, daher also überempirische Erkenntnisprinzipien voraussetzt. Doch gerade der Gedankenstoff selber interessiert uns. Die Unterscheidung zwischen formalistischer und materialistischer Ethik beruth darauf, daß als ursprüngliche Träger der moralischen (praktischen) Qualifikation angegeben wird:
b) das außerhalb des "Willens selber" liegende Objekt, auf das hin der Wille gerichtet ist; oder der Inhalt (Gegenstand, Materie) des Willens. Nun scheint es indessen schwer zu sein, zu verstehen, was der "Wille selber" als Gegensatz zu seinem Inhalt bedeuten soll. Auf dieselbe Weise wie das Bewußtsein von Etwas wohl von diesem Etwas selber verschieden ist, und es doch unmöglich ist, sich ein "reines" Bewußtseins als etwas vom "Bewußtsein von Etwas" Verschiedenes zu denken; in derselben Weise scheint es auch unmöglich zu sein, sich einen "reinen" Willen oder den "Willen selbst" als etwas vom "Willen zu etwas" Verschiedenes vorzustellen, selbst wenn der Wille zu etwas von diesem etwas selbst verschieden ist. Ebenso wie sich das Bewußtsein in seinem Inhalt oder seiner Intention erschöpft, ebenso scheint auch der Wille in und mit seiner Richtung auf ein Objekt (1) völlig erschöpft zu sein. Keiner hat den formalistischen Charakter der Ethik stärker behauptet als KANT. Die folgende Analyse darüber, welche Vorstellungen dem Begriff von der Form des Willens zugrunde liegen, beziehen sich deshalb besonders auf KANTs Ethik. Die Vorstellung vom "Willen selber" oder der Form des Willens als etwas, das von der materiellen Bestimmung des Willens verschieden ist, hat seinen Grund in einer eigentümlichen Zweideutigkeit der allgemeinen Auffassung vom Wesen des Willens. Der Ausgangspunkt ist, daß der Wille eine schöpferische Entwicklung, eine fortlaufende Aktivität ist, die in einer fortgesetzten Folge von Stadien fortschreitet, und die dadurch, daß sie fortwährend das gegenwärtige Stadium aus dem vorausgehenden entwickelt und das Kommende aus dem Gegenwärtigen neu schafft eben zum schöpferischen Verlauf (Aktivität) in diesen Stadien, aber nicht zu diesen Stadien selber wird, weder einzeln, noch ihre Summe (Der Strom ist nicht die Summe der Tropfen usw.). Aber in dieser zusammengesetzten Vorstellung wird bald der Gedanke vom Verlauf als einem ausgedehnten zeitlichen Kontinuum, bald der Gedanke von einer im einzelnen Stadium angegebenen momentanen Richtung hervorgehoben. "Der Strom" kann sowohl der Verlauf des Stromes als die Richtung desselben sein. Wird das erstere hervorgehoben, denkt man sich den Willen als eine perdurierende psychische Kraft, als einen durch sich selber bestimmten Verlauf innerhalb des Psychischen, wie einen Strom von psychischen Stadien in der Person (besser: der die Person selber bildet). Man spricht also dann vom Willen einer Person als einer andauernden Einheit; der Wille nach dieser Auffassung könnte der intransitive Willensverlauf genannt werden. Hebt man dagegen das letztere Moment hervor: die Richtung in einem gegebenen Augenblick, so tritt der Wille eher als die situationsmäßige Einstellung gegenüber etwas außerhalb des "Willens selber" (Verlaufs) liegendem auf, als Zweck, Gegenstand, Inhalt oder Materie desselben. In diesem Fall wird der Wille eine Relation zwischen Ich und Umwelt und kann mit einer Richtungslinie von einem Punkt der psychischen Kurve (die den Verlauf des intransitiven Willensverlaufs bezeichnet) in die Ebene hinaus verglichen werden. Der Wille in dieser Auffassung kann die transitive Willenssituation genannt werden. Nun muß man jedoch bemerken,
2) daß unmittelbar in der Erfahrung nur transitive Willenssituationen bekannt sind. Der Wille als Bewußtseinsphänomen ist immer eine Situation. Ich sagte, daß nach dem Grundgedanken der formalistischen Ethik der Träger der moralischen Qualität unmittelbar "der Wille selbst" (oder die Form des Willens) und nicht der Wille durch seinen Gegenstand ist, daß aber andererseits der Willensakt sich in seiner Richtung auf den Gegenstand zu erschöpfen scheint. Nach dem Vorhergehenden versteht man, daß der "Wille selbst" infolge der gewöhnlichen Auffassungsweise nichts anderes bedeuten kann, als den unbewußten, intransitiven, sich selbst hervorbringenden Willensverlauf. Der empirische Willensakt ist nicht durch seinen materiellen Zweck moralisch qualifiziert (gut oder böse), sondern dadurch, daß er durch den "inneren", autokreanten- autonomen Willen bestimmt ist (oder nicht bestimmt ist), also durch sich selbst. Der Wille ist gut, wenn die situationale Willensrichtung mit der eigenen autonomen Bewegung des Willens harmoniert, wenn der empirische Wille, der in der Sinnenwelt notwendig durch eine Materie bestimmt ist, trotzdem gleichzeitig (in Freiheit) metaphysisch formell bestimmt ist durch Übereinstimmung mit sich selbst, d. h. mit der übersinnlichen, autonomen Entfaltung des Willens. Das ist der Formalismus, wie er KANTs Lehre vom autonomen Willen als Prinzip der Sittlichkeit zugrunde liegt. Er baut sich auf die überwiegende anschauliche Vorstellung vom Willen als einer schaffenden Aktivität auf, als einer sich selbst entwickelnden Bewegung, die den Kern in der gewöhnlichen Auffassung des Willens bildet. Bei KANT findet sich indessen auch eine andere, begriffsmäßigere Entwicklung des Formalismus. Falls eine Willenshandlung durch eine konkrete Situation eben in ihrer vollen Konkretheit betrachtet bestimmt ist, falls ich z. B. gerade der Person A eine Gabe gerade unter diesen individuellen Umständen habe geben wollen, so wird es unmöglich sein, diese Willenshandlung mit anderen zusammen in einer Einheit zu denken. Falls dagegen eine Willenshandlung materiell durch gewisse allgemeine oder begriffsmäßig bestimmte Eigenschaften bei der genannten Situation begründet ist, falls ich z. B. A als einer würdigen Person, die sich in Not befindet, eine Gabe habe geben wollen; falls also von allgemeinen Grundsätzen aus gehandelt worden ist, d. h. von einem Begriff, einer Regel oder einer Maxime aus, so wird es möglich sein, diese Willenshandlung mit anderen in einer Einheit zu denken, so daß die einzelnen Handlungen nur als durch die Verhältnisse bedingte Spezifikationen ein und desselben Willensverlaufes auftreten. Diese Maxime kann nun wiederum - nach KANT seinem Inhalt nach entweder als allgemeines Gesetz denkbar sein oder nicht. Diese Eigenschaft der Maxime, also ihre Denkbarkeit oder Nicht-Denkbarkeit als allgemeines Gesetz, ist die Form des Willens. Der Formalismus ist hiernach der Ausdruck dafür, daß nicht die äußeren Umstände, die den Willen bestimmt haben, sondern alleine die Form des Willens, d. h. die Allgemeingültigkeit seiner Maxime (Nicht-Allgemeingültigkeit) für die moralische Qualifikation entscheidend ist. Indem jede Willenshandlung, deren Maxime die Allgemeingültigkeitsforderung erfüllt, mit allen anderen Willenshandlungen in einem Einheitswillen gedacht werden kann, dessen Einzelmanifestationen von den äußeren Umständen bedingt, aber niemals bestimmt sind, deshalb also bloß durch sein eigenes Prinzip oder sich selbst bestimmt ist, führt diese Bestimmung des Formalismus zu der ersten zurück. Doch, ob nun die Form des Willens auf die eine oder andere Weise bestimmt wird, in beiden Fällen ist sie ein bloßes Phantasieprodukt (intellektuelle Phantasie), und die Unterscheidung zwischen formalistischer und materialistischer Ethik ist deshalb sinnlos, was den wirklichen Vorstellungsgehalt angeht. (Die Unterscheidung hat nur Sine, was ihre Prätentionen angeht). Es verhält sich nämlich so, daß die gewöhnliche Auffassung vom Willen als einer schaffenden Aktivität, als eines unbewußten, intransitiven Verlaufs hinter den Bewußtseinsphänomenen, d. h. die Vorstellung eines reinen oder autonomen Willens, sinnlos ist. Hiervon später mehr (Kapitel X). Die Sinnlosigkeit des Formalismus erhellt sich auch daraus, daß jede Maxime notwendig als ein allgemeines Gesetz gedacht werden kann, aus dem einfachen Grund nämlich, daß im ersteren Begriff nicht mehr oder anderes enthalten ist, als im letzteren, nämlich das Bestimmtsein durch allgemeine Merkmale oder durch Begriffe. Die "Forderung" der Allgemeingültigkeit der Maxime stellt deshalb keinerlei Forderung an den Inhalt der Maxime, wodurch die formalistische Ethik selbst inhaltslos wird. Auch davon soll im weiteren ausführlich gesprochen werden (VIII, 2d). Haupttypen der praktischen Erkenntnis. Die gebräuchlichen Einteilungen der Ethik beruhen alle auf der Voraussetzung, daß die verschiedenen Systeme alle Exemplifikationen ein und derselben Wissenschaft, der Ethik bilden, und zwar in dem Sinne, daß sie denselben Gegenstand oder dieselbe Aufgabe für die Erkenntnis haben, nämlich das Moralische. Der Unterschied zwischen den verschiedenen Typen sollte danach allein in einem Unterschied entweder zwischen den Erkenntnisprinzipien, die der moralischen Erkenntnis zugrunde gelegt werden; oder im Inhalt der Erkenntnis selber bestehen können. Das Resultat ist, daß die aufgestellten Unterscheidungen entweder allgemeiner erkenntnistheoretischer Art sind oder nur aus einer Registrierung verschiedener Gesichtspunkte innerhalb der praktischen Erkenntnis bestehen. Auf diese Weise werden die fundamentalen Unterschiede der Anschauung von der Natur der praktischen Erkenntnis, d. h. der Grundkategorie des Praktischen selber, beseite geschoben. Die Voraussetzung, von der man ausgeht, kann auch folgendermaßen ausgedrückt werden. Man meint, wie die verschiedenen Lichttheorien zwar uneinig darüber sind, was ein Lichtphänomen eigentlich ist, jedoch nicht darüber streiten, was man unter einem Lichtphänomen im Unterschied z. B. von einem Schallphänomen versteht; so sind auch die verschiedenen ethischen Systeme, abgesehen von ihrer Uneinigkeit darüber, war moralisch ist, doch einig darüber, was mit dem Begriff des Moralischen gemeint ist, oder was es bedeutet, daß etwas - gleichgültig was - moralisch genannt wird, (zum Unterschied z. B. davon, daß man es oval oder wahr nennt). Dies kann man auch anders ausdrücken: man geht davon aus, daß abgesehen von der Uneinigkeit in der synthetischen Wissensaussage darüber, was moralisch ist, doch Einigkeit in der analytischen Definition dessen, was der Begriff des Moralischen bedeutet, herrscht. Oder ganz einfach: man geht davon aus, daß die verschiedenen ethischen Systeme von ein und demselben sprechen, Ethik in ein und demselben Sinn sind. Aber das ist eben gerade nicht der Fall. Die verschiedenen ethischen Systeme arbeiten überhaupt nicht von derselben Grundkategorie des Moralischen aus. Das wird sich aus der folgenden Darstellung ergeben, wo ich eine Einteilung nach der grundlegenden Vorstellung selbst, die man sich vom Gegenstand der praktischen Erkenntnis macht, versuchen will, welche also für den Sinn selber, mit dem man überhaupt etwas moralisch nennt, bestimmend ist. Die verschiedenen Vorstellungen haben jedoch das gemeinsam, daß sie alle Spezifikationen der allgemeinen Vorstellung vom Praktisch-Gültigen sind, so wie sie oben (I. 2) analysiert wurde. Ich will auf dieser Grundlage die praktische Erkenntnis zwei Haupttypen einteilen, die bestimmt werden durch die Kategorie des Guten (Wertes) und die Kategorie der Pflicht. In Übereinstimmung hiermit wird von der Wertethik und der Pflichtethik gesprochen. Innerhalb der ersteren werden zwei Untergruppen ausgeschieden: der Utilitarismus und die Potenzethik. Als ein spezieller Fall der letzteren versetzt mit gewissen eigentümlichen Ingredenzien, tritt das Naturrecht auf. Man wird vielleicht finden, daß dieser Aufstellung ein systematischer und erschöpfender Charakter fehlt (2). Das ist richtig, stimmt aber, nach meiner Meinung, eben mit der Natur der Aufgabe überein. Es ist nicht meine Absicht, eine systematische Aufstellung der logisch denkbaren Standpunkte zu geben, um durch eine Ausschließung der falschen die wahre Ethik herauszustellen. Meine Aufgabe ist im Gegenteil, eine Analyse der Grundvorstellungen, mit denen man tatsächlich in der sogenannten praktischen Erkenntnis operiert. Von diesem Standpunkt aus kann natürlich von einer erschöpfenden Systematik nicht die Rede sein, sondern nur von einer charakterisierenden Typik. Andererseits ist es indessen nicht meine Absicht, lediglich eine Beschreibung von verschiedenen Gedankenwelten in ihren individuell-eigentümlichen oder real-typischen Gestalten zu geben. Auf die gleiche Weise wie man ein idealtypisches Bild eines Amerikaners aufstellen könnte, ohne daß es vielleicht in Wirklichkeit einen einzigen 100%-igen Amerikaner in diesem Sinne gibt; so sind auch die hier aufgestellten Typen Idealtypen , die vielleicht in keinem ethischen System jemals rein repräsentiert sind. In der Idealtype werden die elementaren Bestandteile rein ausgeschieden und zusammengestellt, aus denen die wirklich vorkommenden Typen mehr oder weniger unreine Mischungen sind, indem einige hauptsächlich durch das eine, andere durch ein anderes Element charakterisiert sind. ALLGEMEINE ANALYSE DER IDEE DES GUTEN UND DER DARAUF AUFGEBAUTEN ETHIK 1. Einleitung Der Wertbegriff hat bekanntlich in der Philosophie der letzten Jahrzehnte eine ständig steigende Rolle gespielt. Nachdem er ein rein nationalökonomischer Begriff gewesen ist, hat er sich dazu entwickelt, die Grundlage für eine besondere philosophische Disziplin, "die Wertphilosophie" abzugeben, die bereits eine umfassende Literatur besitzt. Man hat ihn nicht allein innerhalb der Ethik und Ästhetik, sondern auch innerhalb der Logik und Erkenntnistheorie zu einem Grundbegriff machen wollen. Man hat nicht nur "Gut" und "Schön", sondern auch "Wahrheit" und "Wirklichkeit" zu Werten machen wollen. "Wertphilosophie" ist gelegentlich identisch mit Philosophie überhaupt geworden. Aber es ist natürlich nicht meine Absicht, hier das Wertproblem in seiner ganzen Ausdehnung zu behandeln. Hier soll das Wertproblem nur insofern behandelt werden, als es als ein unmittelbar praktischer Begrif in der oben I. 2 angegebenen Bedeutung, oder als die "Idee vom Guten" auftritt. Das heißt: hier wird der Wertbegriff insofern behandelt, als er als ein Bestimmungsgrund für den Willen gedacht ist, oder die Eigenschaft von etwas zu Begeherendem, zu Wünschendem, von etwas Erstrebens würdigem, Liebens wertem (im eigentlichen Sinn des Wortes) ausdrückt. Hiermit ist z. B. der Wert als ästhetischer Wert von der Betrachtung ausgeschlossen. Denn, wenn man auch möglicherweise finden wird, daß es gut ist oder einen Bestimmungsgrund für den Willen bilden kann, das Schöne hervorzubringen und zu lieben, so enthält das Prädikat schön oder ästhetisch wertvoll keine unmittelbare Aufforderung zu einer solchen Bestrebung. Weiterhin will ich vorläufig nicht die Frage danach, was damit gemeint ist, wenn etwas wertvoll oder gut genannt wird behandeln. Diese begriffslogische Frage wird später diskutiert werden. Dagegen frage ich hier danach, welche psychologische Sachlage im Erlebnis von Wert oder in einem Wertbewußtsein vorliegt. Man wird diese Problemstellung vielleicht eigentümlich finden. Man fragt ja z. B. nicht besonders danach, welche psychologische Sachlage im "Erlebnis" eines runden Tisches oder im Bewußtsein desselben vorliegt. Dieser Unterschied beruth darauf, daß man gerade in der Werterkenntnis eine eigenartige Erkenntnis sehen will, die durch andere psychologische "Organe" fungiert, als die Wirklichkeitserkenntnis, und in dem Wertbewußtsein ein eigenartiges Bewußtsein, das anders aufgebaut ist, als das Wirklichkeitsbewußtsein. Wenn man von einem Wert erlebnis spricht, so beruth dies darauf, daß der Wert durch eine emotionale Lage erkannt oder bewußt werdend gedacht wird, und daß dieses Emotionale gerade das ist, was vor allem das Gepräge des Unmittelbaren oder des Erlebens trägt. Man "erlebt" deshalb ein Wertbewußtsein oder kurz einen Wert, wie man Pflicht, Angst, Schrecken, Lust und andere emotionale Qualitäten oder Situationen erlebt. Man kann die wertpsychologischen Theorien (3) in zwei große Gruppen scheiden, die objektive und die subjektive. Beide sind einig darin, daß das Wertbewußtsein in einer gewissen emotionalen Lage besteht. Von allen wird eingeräumt, daß für einen reinen Intellekt, in der Bedeutung eines vollständig emotionsneutralen, nur vorstellenden (urteilenden) Bewußtseins, für ein Bewußtsein, für das alles, was Lust und Unlust, Gefühl und Streben, Begehr und Abscheu fremdes Gebiet ist, alles Reden von Wert, Wertlosigkeit, Wertnegativität unverständlich sei (4). Sonst aber ist man uneinig. Die objektiven Theorien meinen und suchen zu erklären, daß im Wertbewußtsein ein echtes, objektives Bewußtsein des Wertes als eines objektiv Gegebenen vorliegt, so daß der Wert in oder für das Wertbewußtsein gegeben ist, genau wie das Wirklichkeitsobjekt in oder für die Vorstellung oder das Urteil gegeben ist. Dieses objektive Gegebensein im Bewußtsein wird oft als Intention bezeichnet. Natürlich liegt darin nicht, daß jedes Wertbewußtsein eo ipso objektiv wahr oder richtig ist, indessen macht die Objektivität des Wertbewußtseins diese Prädikate auf sich anwendbar. Das Objektive prätendiert allgemein, nicht nur für das Subjekt zu "gelten". Es ist der Grundgedanke der objektiven Theorien, daß der Mensch im Gefühl (Streben) ein Organ für Werterkenntnis habe, das dem Verstand als Organ für die Wirklichkeitserkenntnis nebengeordnet ist (an die Seite gestellt wird) (5). Ebenso wie sich die Welt der Wirklichkeit nach und nach dem forschenden Verstand öffnet, so öffne sich die Welt der Werte nach und nach dem Gefühl, und auch auf diesem Gebiet könne man von einer Entwicklung und einem Erkenntnisfortschritt in der Geschichte der Menschheit sprechen (SCHELER) (6). Die subjektiven Theorien dagegen nehmen an, daß das Wertbewußtsein nur ein rein subjektives oder Zustandsbewußtsein sei, d. h. ein Bewußtsein, in dem gewisse Zustände (Emotionen) im Subjekt selber und nichts anderes erlebt werden, sodaß der Wert nur eine Bezeichnung für die Relation sei, in der das Objekt zu diesem Zustand im Subjekt stehe. Diese wird nämlich trotz ihres subjektiven Charakters doch als Lust an oder Streben nach einem Objekt gedacht. Dem Objekt wird Wert beigelegt, wenn wir danach streben oder auf näher bezeichnete Art Lust daran empfinden. Aber, wenn dieser subjektive Zustand verschwindet, verschwindet auch der Wert selber. Er ist also keine echte objektive Qualität, sondern dem Objekt nur als eine Projektion unserer eigenen subjektiven Emotionen in die Umwelt beigelegt. Wir selber verleihen den Dingen Wert durch unser eigenes Gefühl und nehmen ihnen wiederum dieses Kleid. Das heißt: der Wert ist nichts Objektives, keine Gegenstandssphäre neben der der Wirklichkeit. Der Wert gilt nur für das Subjekt, d. h. er ist selbst etwas Subjektives. Man kann auch zwischen den Theorien unterscheiden danach, ob sie die Wertungen auf ein Gefühl oder auf ein Streben fundieren. Man pflegt diese Richtungen auf MEINONG, bzw. auf EHRENFELS zurückzuführen. (7) Da in neuerer Zeit indessen die Tendenz auf eine Verwischung dieser Unterscheidung geht (MEINONG selber macht der entgegengesetzten Anschauung große Zugeständnisse) (8) und da die Gegensätze jedenfalss für die Probleme, die uns in diesem Zusammenhang interessieren, von keiner entscheidenden Bedeutung sind, wollen wir uns nicht weiter dabei aufhalten. Als Repräsentant für die objektiven Theorien kann statt vieler ALEXIUS MEINONG genannt werden, der Grundleger der modernen Wertpsychologie, der mir seinem nachgelassenen Werk "Zur Grundlegung der allgemeinen Werttheorie" (1923) noch immer einer ihrer vornehmsten Vorkämpfer ist. Nach MEINONG besteht die Wertungslage, in der das Objekt O gewertet wird, in einer intellektuellen Auffassung von O verbunden mit einem Lustgefühl. Die Frage besteht also darin, was dieses Gefühl im Unterschied von anderen näher charakterisiert. In dieser Beziehung ist es nun (nach MEINONG) nichts Besonderes, hervorzuheben, daß das Gefühl auf den Gegenstand gerichtet also Lustgefühl an etwas ist. Denn es gilt von allen Gefühlen, daß sie unselbständige, psychische Erlebnisse sind, die notwendig auf einem intellektuellen Untergrund wachsen, aus dem sie ihren intentionalen Gegenstand holen. Das Lustgefühl ist Lust an O, indem es sich in der intellektuellen (vorstellungs- oder urteilsmäßigen) Intention auf O fundiert. (9). Dagegen ist es - immer nach MEINONG - etwas Eigentümliches für das Wertgefühl, daß es ein Existenzgefühl ist, d. h. daß es auf die Existenz oder Nicht-Existenz eines Objekts, das Bestehen oder Nichtbestehen eines Verhältnisses gerichtet ist oder dieses zu seinem Gegenstand hat. (10) Ein Musiker, der ein feines und seltenes Musikinstrument wertet, fühlt Lust an der Wirklichkeit desselben, oder daran, daß es sich wirklich so verhält, daß das Instrument in seinem Besitz ist, dagegen nicht an der bloßen Vorstellung eines solchen Instruments. Das bedeutet nicht, daß ein ernsthafter Glaube an die Wirklichkeit des Gegenstandes vorzuliegen braucht. Auch eine bloß angenommene oder erphantasierte Wirklichkeit, z. B. in einem Roman, kann Objekt für die Wertung sein. Notwendig ist aber in allen Fällen der Gedanke an die Wirklichkeit. Hierdurch unterscheidet sich das Wertungsgefühl sowohl von den bloß sinnlichen, als von den bloß ästhetischen Gefühlen. Das Gefühl der Behaglichkeit, das sich an die Wärme in meiner Stube knüpft, ist ein Lustgefühl direkt an der Temperatur empfindung selber, nicht am Gedanken an die Wärme als etwas Wirklichem (11). Die ästhetische Lust, die sich an ein Kunstwerk knüpft, ist eine Lust am bloßen Vorstellungs inhalt, abgesehen davon, ob er als wirklich gedacht wird oder nicht. (12) Das Wertungsgefühl ist also ein Gefühl, das auf eine Wirklichkeit gerichtet ist, oder eine gedachte (ernsthafte oder nur angenommene) Wirklichkeit zu seinem Gegenstand hat. Die wichtige Frage erhebt sich, wie das Gefühl "mit" der Wirklichkeit des Objekts "verbunden" ist oder "auf" dieselbe "gerichtet" ist, oder wie dieser Gegenstand "für" das Gefühl oder "in" demselben "gegeben" sein kann. (13) Wie die primitive Reflexion geneigt ist, sich die Relation der Sinneswahrnehmung zu ihrem Objekt als kausal vorzustellen, sodaß also die Wahrnehmung die Auffassung der Ursache des Eindrucks auf die Sinne bedeutet, so könnte man auch hier geneigt sein, zu meinen, daß die Verbindung zwischen dem Wertungsgegenstand und dem Gefühl kausaler Natur wäre. MEINONG weist mit Recht eine solche Konstruktion zurück. Das gewertete Objekt wird als ebenso unmittelbar im Wertgungsgefühl gegeben angenommen, wie das wahrgenommene Objekt in der Wahrnehmung. (14) Das Problem ist, wie ein Gefühl als etwas Subjektives "an eine dem Subjekt äußere Wirklichkeit gleichsam heranreicht". (15) Nach MEINONG liegt die Lösung darin, daß das Gefühl sozusagen die Intention der intellektuellen Grundlage, des Urteils oder der Annahme leiht, um dadurch den gedachten Gegenstand zu seinem angeeigneten Gegenstand zu machen. (16) Das intellektuelle Objekt ist das angeeignete Objekt des Gefühls. Insofern wächst das Gefühl parasitisch auf der intellektuellen Grundlage. Aber der Gegenstand des Gefühls ist damit nicht entleert. Außerdem existiert eine besondere emotionale Präsentation und ein entsprechender eigener Gegenstand für das Gefühl neben dem angeeigneten Gegenstand. Als Beispiel für unmittelbar emotional präsentierte Gegenstände werden "angenehm", "unangenehm", "schön", "häßlich" genannt - und im Wertungsgefühl "wert" und "unwert". (17) Indem nun der emotional präsentierte Gegenstand um den intellektuell präsentierten oder angeeigneten Gegenstand prädiziert wird, liegt das Wertbewußtsein vor. (18) Die nachfolgende Kritik von MEINONGs Theorie geht nur insoweit von derselben aus, als sie bestimmte, für die objektiven Theorien gemeinsame Voraussetzungen zum Ausdruck bringt. Die Kritik zielt also, durch MEINONG, weiter. Übrigens muß bemerkt werden, daß eine Kritik des Glaubens an die Objektivität der Werte schwieriger ist als wohl gemeinhin angenommen wird. Die Sache ist durchaus nicht dadurch erledigt, daß man darauf hinweist, daß Gefühle etwas Subjektives sind und deshalb keine Grundlage für eine Erkenntnis des Objektiven abgeben können. Darauf kann der Objektivist antworten, daß, wenn man mit "subjektiv" nur meint, daß ein Gefühl ein Erlebnis in einem Subjekti ist, dieses in gleichem Maße von der Vorstellung gilt; alle Erkenntnis, sagt man, ist ja Erkenntnis durch ein Subjekt. Und, wenn man mit der Subjektivität des Gefühls mehr meint, nämlich, daß das Gefühl im Gegensatz zur Vorstellung keine "Objektreferenz" besitze, sondern sozusagen in sich selbst ruhe, so ist dies jedenfalls vorläufig ein bloßes Postulat, das das voraussetzt, was zur Diskussion steht und bewiesen werden sollte. Wenn POINCARÉ sagt, daß eine "morale scientifique" aus dem rein grammatischen Grund ausgeschlossen sei, weil die Prinzipien der Wissenschaft und deshalb auch alle ihre Konklusionen im Indikativ und nicht im Imperativ stehen, (19) so drückt er sich zwar sehr elegant aus, führt aber eigentlich kein Argument zur Unterstützung seiner Anschauung an. Denn die Streitfrage besteht ja gerade darin, ob wirklich alle Sätze der Wissenschaft im Indikativ stehen; oder jedenfalls, ob es nicht für die Wissenschaft (im Indikativ) möglich wäre, gewisse Imperative als ansich gültig zu bestimmen. Wie es aus dem Folgenden hervorgehen wird, fordert eine Kritik des Glaubens an die Objektivität der Werte und die wissenschaftliche Erkenntnismöglichkeit derselben wirklich eine recht eingehende und schwierige philosophische Analyse. Wenn man nichtsdestoweniger bei modernen, kritisch eingestellten, wissenschaftlich begabten Fachmännern und Laien häufig ein gesundes und richtiges Verständnis dieses Verhältnisse antrifft - natürlich ohne Kenntnis der subtileren Argumentation - so beruth dies wohl darauf, daß die "objektiven Werte", wie so viele andere spekulative Erfindungen, eigentlich ihre Wurzel nicht im wissenschaftlichen Denken selber haben, sondern in religiösen und praktischen Bedürfnissen, die außerhalb desselben liegen, weshalb ihre Überwindung weniger in der Weise vor sich geht, daß sie "ad absurdum geführt" werden, als dadurch, daß die Entwicklung sie einfach überspringt, im gleichen Maße, wie sich das wissenschaftliche Interesse von seinen praktisch-emotionalen Parasiten befreit. Streng genommen ist wohl auch niemals APOLLOs Nicht-Existenz jemals bewiesen worden. Ist eigentlich - so könnte man fragen - vernünftiger Grund dafür vorhanden, eine größere Argumentation gegen die "Objektivität der Werte" zu mobilisieren? Bedeutet es in Wirklichkeit nicht vergeblich verschossenes Pulver für eine Aufgabe von gleicher Dimension und Bedeutung, wie die, APOLLOs Nicht-Existenz zu beweisen? Indessen glaube ich, daß das Material, das ich in diesem Buch behandeln werde, selbst Beweis genug dafür sein wird, daß eine ernsthafte Kritik nötig ist. Mit Beschämung muß nämlich eingeräumt werden, daß die Philosophie als Fach auf diesem Punkt bedeutend zurücksteht gegenüber, nicht allein der fachwissenschaftlichen, sondern auch der allgemeinen nicht-fachlichen Intelligenz. Die Zeit scheint vorbei zu sein, wo die Philosophie, wie sie in BRUNOs Tagen, die kühne Vorkämpferin des kritischen Denkens war; jetzt scheint sie eher als Wächterin der metaphysischen Traumschätze angestellt zu sein. Selten erlebt man es, daß die Philosophie die Fachwissenschaft wirklich stützt und führt; eher verhält es sich umgekehrt; die Fachwissenschaft ist an die Spitze marschiert und hat unserer Erkenntnis neue Horizonte eröffnet, und die Philosophie ist hinterhergehinkt und hat sich leiten, manchmal mißleiten lassen. (Es scheint in HEGELs Wort, daß MINERVAs Eule ihren Flug erst in der Dämmerung beginnt, ein anderer Sinn als beabsichtigt zu liegen). So hat auch die Wertmetaphysik immer noch ihre beste Stütze in der Philosophie; denn wer ist besser als die "Philosophen" dazu imstande, die Armut der Gedanken hinter einem Schleier von sinnreichen Begriffskonstruktionen zu verstecken? Die "Philosophen" sind wie die Weber in ANDERSENs Märchen von des Kaisers neuen Kleidern: sie weben und weben, und niemand wagt aus Angst, für unbegabt angesehen zu werden, einzuräumen, daß nichts auf den Webstühlen ist. Die Menge von logischen, ethischen, rechtsphilosophischen, wertphilosophischen, religionsphilosophischen Werken ist unzählig in denen der für die praktischen Aspirationen des Menschen so erbauliche Glaube an den objektiven, absoluten und ewigen Charakter der Werte und Ideale verteidigt und metaphysisch begründet wird. Es kann mit größerer oder geringerer, manchmal mit wirklich großer Tüchtigkeit geschehen sein. Aber die Portion gewöhnlicher, kritischer Menschenintelligenz, die in diesen Konstruktionen enthalten sind, ist in allen Fällen geringer als die, die man in einem Roman von ALDOUS HUXLEY oder ROSE MACAULAY finden kann. Dazu kommt, daß die praktische Dogmatik in objektiven Termini in einem so hohen Grad sowohl das allgemeine Bewußtsein, als die rechtliche, ethische, ökonomische, politische Begriffsbildung durchsäuert hat, daß selbst die ehrlichste fachwissenschaftliche Überzeugung, alle Werte und Wertbetrachtungen außerhalb des Wissenschaftsgebietes zu halten, oft nur eine leere, wenn auch wohlgemeinte Proklamation bleibt, die an die Spitze einer wissenschaftlichen Darstellung gestellt wird, die aber im weiteren Verlauf ein Spott über das Prinzip ist. (20) Es muß deshalb mehr als Grund genug vorhanden sein, den Glauben an die Objektivität der Werte ernsthaft zu kritisieren. Teils zum Nutzen für die Philosophie selber; teils, weil es vielleicht auf diese Weise noch einmal für die Philosophie möglich sein könnte, einen fruchtbaren Einfluß auf die Fachwissenschaft auszuüben. Das Zentrale in MEINONGs Wertpsychologie ist das, was notwendig aus der objektiven Grundvoraussetzung selber folgt, daß es ein durch das Gefühl (das Emotionale) vermitteltes objektives Bewußtsein gewisser spezifischer Qualitäten gibt, der Werte, die den Dingen anhaften, die sonst als Gegenstände für die Wirklichkeitserkenntnis des Verstandes auftreten. Hierin sind wieder folgende Annahmen enthalten:
B) daß das Gefühl gleichzeitig "Objektreferenz zu" oder "Intention auf" die Objekte des Vorstellungsbewußtseins hat; und C) daß die im Gefühl gegebene spezifische Wertqualität im Wertbewußtsein objektiv um das Objekt des Vorstellungsbewußtseins prädiziert wird. Hierzu muß gesagt werden: Zu B) Der Gedanke, das emotionale Bewußtsein, insofern es Lust an etwas, Liebe zu etwas, Haß gegen etwas ist, partizipiert an oder ist fundiert in der intellektuellen Objektsintention in der Vorstellung von diesem Etwas, ein Gedanke, der bekanntlich zuerst in BRENTANOs Lehre von der Einteilung des Psychischen entwickelt worden ist, ist eine unmögliche Konstruktion, die einer falschen Auffassung vom Wesen der "Intention" entspringt. Wir wollen, um diese Behauptung zu unterstützen, etwas genauer betrachten, was in einem Gedanken an ein Objekt liegt, und auf welche Weise sich "das Bewußtsein" auf sein Objekt referiert (die "Intention") (21). Der Objektgedanke ist der Gedanke einer Einheit und Identität, der nicht nur qualitativ ist. Ein solcher wird durch das Schema des Raums und der Zeit vermittelt. Denn, was zur selben Zeit dieselbe Lage im Raum hat, wird als dasselbe angesehen, eben als das Objekt. Alle Qualitäten, die auf den gleichen Zeit-Raum-Ort bezogen werden, machen deshalb, trotz ihrer qualitativen Vielheit und Differenz eine Einheit und Identität aus; ein identisches Rot-Rund (einen Tisch), wo das Rote rund ist, und das Runde rot ist, (trotzdem ja das Rote vom Runden verschieden ist). Diese Einheit und Identität ist das Objekt. Im Objekt sind die verschiedenen Qualitäten nicht nur assoziiert, sondern sie penetrieren einander in einer Einheit. Der Gedanke an das Objekt ist ein Gedanke an Einheit. Deshalb ist die Vorstellung des Rot-Runden eine Einheitsvorstellung und nicht aus der Vorstellung des Roten und der Vorstellung des Runden zusammengesetzt. (22) Dies bedeutet, daß die "Objektreferenz" oder die "Intention" in der Vorstellung nicht aufgefaßt werden darf als eine Relation zwischen einerseits dem Bewußtseinsinhalt ansich und andererseits dem Objekt als etwas davon verschiedenem, auf welches sich der Bewußtseinsinhalt kraft irgendeiner merkwürdigen "Hindeutung" oder "Intention" bezieht. Das Objekt ist schlechthin nichts anderes als die Einheit des Bewußtseinsinhaltes oder der Inbegriff der Eigenschaften, die durch die integrierenden Qualitäten des Vorstellungsinhaltes bestimmt werden. "Die Referenz" oder "Intention" bedeutet also bloß, daß jede Qualität in der Vorstellung als Eigenschaft am Objekt, als integrierendes Moment einer Einheit gedacht werden. Aber in diesem Fall ist es unmöglich, daß andere Bewußtseinsqualitäten, nämlich diejenigen, die im Gefühl (Lust, Unlust usw.) vorliegen, die eine Vorstellungsintention "leihen" können, "sich dieselbe aneignen", "sich darauf fundieren", daran "partizipieren" können, um dadurch das Vorstellungsobjekt zu seinem angeeigneten Objekt zu machen. Sollte nämlich das Gefühl an der Vorstellungsintention partizipieren, könnte das nichts anderes bedeuten, als daß die Gefühlsqualität (Lust, Unlust etc.) mit den anderen Qualitäten (Rot, Rund etc.) um das Objekt prädiziert wird; denn daß sich etwas auf ein Objekt "referiert" oder "Intention auf" ein Objekt hat, bedeutet einfach, daß es mit anderem zusammen um dieses prädiziert wird. Aber von so etwas kann ganz absolut nicht die Rede sein. Selbst wenn es - was ich übrigens nicht glaube (23) - richtig sein sollte, daß alle Lust Lust an etwas ist, so kann doch die Verknüpfung mit dem Objekt, die durch die Präpositioin "an" ausgedrückt wird, unmöglich eine "Intention" gleicher Art sein wie die, die im intellektuellen Oberbewußtsein durch die Präposition "von" (Vorstellung von) zum Ausdruck gebracht wird. Das Bewußtsein der Lust ist vom Objektbewußtsein verschieden, die Lust vom Lust erweckenden Gegenstand. Es liegt ein zusammengesetztes Bewußtsein vro, nicht ein unzusammengesetztes Bewußtsein eines zusammengesetzten Objekts. Und ebensowenig wie das Bewußtsein von A - B in das Bewußtsein von A und das Bewußtsein von B dissoziiert werden kann, ebensowenig kann es aus diesen beiden Bewußtsein assoziiert werden. Wenn auch eine noch so starke subjektive Assoziation zwischen diesen beiden Bewußtsein besteht, so entsteht doch hieraus niemals das Bewußtsein einer objektiven Einheit. Hiermit stimmt auch der sprachliche Ausdruck überein. Lust ist Lust an etwas, aber Farbe ist nicht Farbe an einem Ding, sondern die Farbe eines Dings. Die Präposition "an" drückt eine subjektive Assoziation aus, nicht eine objektive Penetration. Es kann deshalb unmöglich gesagt werden, daß das Gefühl das intellektuelle Objekt als indirektes oder angeeigneten Gegenstand hat; - das Gefühl kann unmöglich ein Objekt in derselben Bedeutung wie die Vorstellung "meinen"; die Gefühlsintention kann unmöglich ein Überbau über der primären intellektuellen Intention sein. Die Grundlage für die Vorstellung vom Emotionellen als einer eigenartigen Intention, die doch an der primären intellektuellen Intention partizipiert oder über derselben gelagert ist, ruht wie bereits angedeutet in der BRENTANO'schen Psychologie, indem es sich wohl ganz einfach so verhält, daß diese Psychologie mehr oder weniger unbewußt den Forderungen des objektiven Wertbewußtseins angepaßt worden ist. Man kann jedenfalls wohl sagen, daß die Wertpsychologie diese Psychologie selbst erfunden haben müßte, wenn sie sie nicht vorgefunden hätte. Es ist deshalb Grund dafür vorhanden, einen Blick auf BRENTANOs Lehre von der Einteilung des Psychischen zu werfen, um die oben durchgeführte Kritik besser zu unterbauen. Laßt uns überdenken: Falls ein Dreieck eine dreiseitige Figur ist, so kann dieser Begriff nur dadurch spezifiert werden, daß andere Begriffsmerkmale zu dieser Bestimmung hinzugefügt werden. Ein gleichseitiges Dreieck z. B. ist 1) eine dreiseitige Figur + 2) eine gleichseitige Figur. Ein rechtwinkliges Dreieck ist 1) eine dreiseitige Figur + 2) eine rechtwinklige Figur. Zur allgemeinen Begriffsbestimmung sind also hier die anderen Begriffsbestimmungen: Gleichseitigkeit, Rechtwinkligkeit, hinzugefügt worden. Dagegen würde es natürlich unmöglich sein, den Dreiecksbegriff durch eben diesen Begriff selber zu spezifizieren, so daß der Unterschied ein Unterschied der Art und Weise sein sollte, auf die das Dreieck Dreieck ist. Ein rechtwinkliges Dreieck ist nicht auf eine besondere Art ein Dreieck. Es ist ein Dreieck in derselben Art und Weise wie alle anderen Dreiecke, ist aber zugleich eine rechtwinklige Figur. (24) Hieraus leite ich die klare Regel ab: ein Begriff kann nur durch andere Begriffe spezifiziert werden, nicht durch sich selbst. Aber diese Forderung ist in BRENTANOs Lehre von der Einteilung des Psychischen nicht erfüllt. "Die psychischen Phänomene" sagt BRENTANO, "unterscheiden sich von allen physischen durch nichts so sehr als dadurch, daß ihnen etwas gegenständlich innewohnt. Und darum ist es sehr begreiflich, wenn die am tiefsten greifenden Unterschiede in der Weise, in welcher ihnen etwas gegenständlich ist, zwischen ihnen selbst wieder die vorzüglichsten Klassenunterschiede bilden. Je mehr sich die Psychologie entwickelte, umso mehr hat sie auch gefunden, daß sich an die fundamentalen Unterschiede in der Weise der Beziehung zum Objekt mehr als an irgendwelche andere gemeinsame Eigentümlichkeiten und Gesetze knüpfen." (25) Auf dieser Grundlage stellt BRENTANO bekanntlich seine Unterscheidung der drei Intentionsarten auf: Vorstellung, Urteil und Gemütsbewegung (Phänomene des Liebens und Hassens), von denen die beiden letzteren über der ersten aufgebaut oder in ihr fundiert sind. Hier soll also "Beziehung zum Objekt" zugleich das allgemeine Kennzeichen oder der Begriff des Psychischen sein (26) und der spezifizierende Begriff, zugleich Dividend und Divisor. Die einzelnen Unterarten des Psychischen sollen auf besondere Weise "Beziehung zum Objekt" sein, ganz, als wenn ein rechtwinkliges Dreieck auf eine besondere Weise Dreieck wäre. Dies ist unmöglich. Wie PHALÉN genauer aufgezeigt hat, ist es BRENTANO deshalb nicht gelungen, seine Einteilung durchzuführen. Die Intention, die spezifiziert werden sollte, wird in Wirklichkeit mit der Vorstellungsintention identisch, und das Emotionale wird etwas Psychisches, das nicht Bewußtsein von etwas ist, sondern ein Zustand im Subjekt (oder jedenfalls auch dieses) (27). Der letzte Grund für den Fehler in BRENTANOs Lehre liegt vermutlich darin, daß die "Intention" für BRENTANO "Intention auf eine Objekt" im Gegensatz zu einem Subjekt bedeutet, wodurch in den Begriff des Psychischen (wenn auch unbewußt) Zugehörigkeit zu einem Subjekt hineingedacht worden ist, das also wie das Objekt (logisch) vor dem Psychischen oder dem Bewußtsein gegeben sein muß. Sowohl das Subjekt als auch das Objekt sind hierdurch bewußtseinstranszendent geworden. Dies führt notwendig zu Metaphysik und logischem Widerspruch. Ein haltbarer Standpunkt kann nur dadurch gewonnen werden, daß das Objekt und das Subjekt als Produkte des unmittelbar Gegebenen und nicht als Voraussetzungen desselben aufgefaßt werden. Wir müssen davon ausgehen, daß der unmittelbare Befund, das schlechthin Gegebene, nur neutrale Qualitäten enthält, d. h. solche ohne Objekts- oder Subjektsreferenz. Hier liegt keine Differenz, kein Objekt und kein Subjekt, keine Welt und kein Ich, nur ein zeitloses Datum. Ich habe oben versucht zu zeigen, wie der Gedanke an ein Objekt hieraus entsteht: dadurch, daß eine Vielheit von verschiedenen Qualitäten im zeiträumlichen Schema in eine Einheit und Identität zusammengebracht wird. Aber was ist dann der Gedanke an eine Subjekt oder an das Psychische? Es würde zuweit führen, in diesem Zusammenhang genauer darauf einzugehen. Ich will nur erwähnen, daß im Gedanken an das Subjekt, soweit ich sehen kann, zwei ganz verschiedene Vorstellungen liegen. Zuerst und am unmittelbarsten ist das Ich der Inbegriff verschiedener Qualitäten und der gedachte gemeinsame Zurechnungspunkt derselben, nämlich all derer, die sich in dem zeiträumlichen Schema nicht objektivieren lassen. So z. B. das Gefühl der Freude, der Angst usw., kurz: alles Emotionalen. Der Mensch lernt sich selber erst durch seine Sorgen und Freuden, seine Sehnsucht und seine Entbehrungen, seine Genüsse und Lüste, sein Streben und sein Wollen kennen. Diesem Ich-Begriff entsprechend bezeichnet "das Psychische" die entsprechenden, nicht objektivablen Qualitäten. Von diesem materiellen oder qualitativen Ich verschieden ist das formale Ich, d. h. der Inbegriff alles Gegebenen als schlechthin Gegebenem und der gedaachte gemeinsame Zurechnungspunkt desselben. Man lernt in der Reflexion zu unterscheiden zwischen dem bloß vorgestellten oder angenommenen Inhalt und dem, dem man wirklich Vertrauen schenkt. Ich kann mir einen goldenen Berg vorstellen, und dieser ist als genau wie das Haus, das "ich vor meinen Augen sehe" gegeben. Dieses "Gegebensein überhaupt", das auch "Bewußtsein von" (etwas) genannt werden kann, ist das Psychische im formellen Sinn, und der gedachte gemeinsame Zurechnungspunkt dafür ist das Ich im formellen Sinn. Selbstverständlich ist "Gegebensein überhaupt" oder "Bewußtsein von" ansich nichts. Der Sinn ist, daß alles Gegebene, jeder Inhalt als solcher, der mit Abstraktion davon inwieweit wir demselben Vertrauen schenkt oder nicht, betrachtet wird, psychisch ist. In diesem Sinne ist natürlich das Gefühl als Gefühlsinhalt, die Qualität Lust, Unlust usw. nichts Psychisches, sondern nur seiner Form nach als Gegebensein überhaupt oder Bewußtsein von der Lust. Ferner ist es klar, daß sich diese beiden Begriffe nicht in einen vereinigen lassen. Sie legen nämlich nicht in der gleichen logischen Ebene, sondern verhalten sich zueinander, wie spezieller Inhalt zu allgemeiner Form. Aber im gewöhnlichen Begriff des Psychischen, bestimmt durch die Zugehörigkeit zu einem Subjekt, welcher Erkenntnis, Gefühl und Wille umfaßt, fließen die beiden Begriff nichtsdestoweniger ohne Unterschied ineinander. In der Erkenntnis wird nämlich das Psychische formell als "Bewußtsein von"; im Gefühl und Willen dagegen materiell als qualitative Modifikationen (Zustand und Bewegung) innerhalb des psychischen Subjekts gedacht. Die scheinbare Einheit wird dadurch erreicht, daß das Ganze in ein transzendentes Subjekt als intentionale Zustände desselben hineingedacht wird. Hieraus entstehen indessen die allerverderblichsten Folgen, die sich, wie man voraussehen kann, auf doppelte Weise einfinden: teilweise dadurch, daß man gezwungen wird, dem Formal-Psychischen, der Erkenntnis, den Charakter des Materiell-Psychischen oder des Zustands in einem Subjekt zuzulegen; teils dadurch, daß man umgekehrt gezwungen wird, dem Materiell-Psychischen oder der Gefühlsqualität, der Lust und Unlust, den Charakter des "Bewußtseins von" (etwas) zuzuschreiben. (28) Die erstgenannte Verfälschung besteht also darin, daß man, um die Erkenntnis in ein transzendentes Subjekt hineinzudenken, gezwungen wird, die Erkenntnis als vom Objekt hervorgerufene qualitative Modifikation im "Subjekt selbst" zu fassen, wodurch das Problem entsteht, wie Erkenntnis überhaupt möglich ist; wie nämlich die im Subjekt liegende Modifikation Wissen von einem außerhalb des Subjekts liegenden Objekt vermitteln kann; wie das Subjekt jemals "an das Objekt heran" gelangen kann. Dieses Problem, das sogenannte erkenntnistheoretische Problem, das einen sehr bedeutenden Teil der philosophischen Spekulation veranlaßt hat, übrigens nicht den wertlosesten, ist ein Scheinproblem, das aus einem unklaren Begriff des Psychischen entstanden ist. Die letztgenannte Verfälschung, die in diesem Zusammenhang von besonderem Interesse ist, äußert sich also auf diese Weise, daß man meint, daß der Gefühlsinhalt (Lust, Unlust etc.) als psychisches "Bewußtsein von" (etwas) sein muß, womit gesagt ist: von etwas anderem als der Lust selber. In der Lust soll etwas gegeben sein, soll etwas gemeint, intentioniert sein, genau wie in der Vorstellung. Da es indessen Schwierigkeiten macht, ein selbständiges neues intentionales Objekt für das Gefühl zu finden, läßt man das Gefühl klüglich "an" der Vorstellungsintention "partizipieren". Hieraus entsteht die BRENTANOsche Lehre von der Einteilung des Psychischen und vom Aufbau der Intentionen. (Zur näheren Beleuchtung des Zusammenhangs zwischen dem erkenntnistheoretischen Subjektivismus, der Zweideutigkeit des Begriffs vom Psychischen und der Intentionslehre, speziell in der Theorie überb die Objektsintention des Gefühls, wird auf den in den Schluß dieses Kapitels eingefügten Exkurz verwiesen, mit dem man sich schon in diesem Zusammenhang vertraut machen sollte). Hiermit sind wir durch BRENTANOs Psychologie zur tiefsten Wurzel der unter B) kritisierten Vorstellung vorgedrungen, daß das Gefühl, insofern es Gefühl an etwas ist etc. an der intellektuellen Objektsreferenz gegen dieses etwas partizipiert. - - - Die hier vorgebrachten Einwendungen vermeidet MAX SCHELER, der die BRENTANO'sche Lehre von der fundierten Vorstellungsintention verwirft. SCHELER unterscheidet zwischen dem nicht-intentionalen "Gefühlszustand" und dem intentionalen "Fühlen", in dem die Werte gegeben sind, und er nimmt an, daß diese Intention im Gefühl ebenso selbständig und ursprünglich ist, wie die intellektuelle Intention. Es besteht eine primäre "Wertnehmung" neben der "Wahrnehmung". (29) SCHELER schreibt: "Völlig verschieden von diesen Verknüpfungen (nämlich eines nicht-intentionalen Gefühlszustandes mit einer Objektsvorstellung) aber ist diejenige des intentionalen Fühlens mit dem, was darin gefühlt wird. Diese Verknüpfung aber ist bei allem Fühlen von Werten vorhanden. Hier besteht ein ursprüngliches Sichbeziehen, Sichrichten des Fühlens auf ein Gegenständliches, auf Werte. Dieses Fühlen ist nicht ein toter Zustand oder ein Tatbestand, der assoziative Verbindungen eingehen oder der bezogen werden, oder Anzeichen sein kann, sondern es ist eine zielbestimmte Bewegung - wenn auch durchaus keine vom Zentraum ausgehende Tätigkeit - (und gar keine zeitlich ausgedehnte Bewegung). Es handelt sich um eine punktuelle, je nachdem vom Ich aus gegenständlich gerichtete, oder auf das Ich zukommende Bewegung, in der mir etwas gegeben wird und zur Erscheinung kommt. Dieses Fühlen hat daher genau dieselbe Beziehung zu seinem Wertkorrelat wie die von Vorstellung und Gegenstand; eben die intentionale Beziehung. Hier wird nicht das Fühlen unmittelbar mit einem Gegenstand, oder mit einem Gegenstand durch eine Vorstellung hindurch (die sich mechanisch zufällig oder durch ein bloß denkendes Beziehen mit dem Gefühl verband) äußerlich zusammengebracht, sondern das Fühlen geht ursprünglich auf eine eigene Art von Gegenständen, eben die Werte" (30). Aber wenn sich auch SCHELER auf diese Weise gegen die Einwände schützt, die BRENTANO treffen, so setzt er sich nur anderen ebenso schwerwiegenden aus. Wenn die Gefühlsintention "genau dieselbe Beziehung zu seinem Wertkorrelat wie die von Vorstellung und Gegenstand" sein soll, so ist damit gesagt, daß die Gefühlsintention mit der Vorstellungsintention identisch ist, "Wertnehmen" mit "Wahrnehmung", "Fühlen" mit "Vorstellen". (31) "Fühlen kann dann von einem anderen "Vorstellen" nur durch sein Objekt verschieden sein, genau wie die Vorstellung der Qualität Grün von der Vorstellung der Qualität Rot unterschieden werden kann. (32) Abgesehen von den Einwänden, die dagegen erhoben werden können, daß dem Gefühl überhaupt ein intentionaler Charakter beigelegt wird, schwindet damit jedenfalls jede Grundlage dafür, den Wert zu einer besonderen "Gegenstandssphäre" zu machen, zu einer besonderen Welt neben der Natur mit ihrem eigenen Apriori. Die Berechtigung dazu konnte ja nur in der Besonderheit der Intention gesucht werden. Aber es ist deutlich, daß die Werte in der Natur nicht objektiv existieren. Falls man auf der anderen Seite den Gedanken von den Werten als einer selbständigen, in einer eigenartigen Intentionalität gegründeten Gegenstandssphäre festhält, so wird es, wenn sich diese Intentionalität nicht in der intellektuellen fundiert, unfaßbar, wie die Werte jemals dem Gegenstand des Wirklichkeitsbewußtseins "anhaften", "sich darin offenbaren" oder auf andere Art die allergeringste Verbindung mit diesem erreichen können. Abgesehen davon, daß ich nicht wie SCHELER dazu imstande bin, mit dem aller Wirklichkeit entkleideten, reinen Wert (Angenehmheit, Güte, Schönheit etc. an und für sich) (33) irgendeinen Sinn zu verbinden, bleibt jedenfalls der Begriff "Gut" ("Güter", nicht "das Gute"), d. h. der Begriff eines Naturdings, in dem der Wert wirklich geworden ist, völlig unfaßbar. zu A) (siehe oben): Der Gedanke, daß im Gefühl ein eigenartiges Objekt präsentiert wird, der Eigengegenstand des Gefühls im Gegensatz zu seinem nur angeeigneten Gegenstand oder der Wert ansich, ist im Vorhergehenden bereits kurz kritisiert worden. Es ist erwähnt worden, daß dieser Gedanke einer Vermischung eines formellen und eines materiellen Begriffs vom Psychischen entstammt. Man denkt sich, daß im Gefühl wie in der Vorstellung ein "Gegenstand" gegeben ist, während das wirkliche Verhältnis so ist, daß im Gefühl eine Qualität (oder "Bewußtsein von" dieser) gegeben vorliegt, die wegen irhes Widerstrebens in der Reflexion in einem zeit-räumlichen Schema objektiviert zu werden, gerade für das "Psychische" oder das Subjekt im materiellen Sinn konstituierend wird, sodaß also das im Gefühl Gegebene durchaus nicht der objektive Gegenstand, sondern im Gegenteil das Subjektive ist, gegen welches das Objektive überhaupt erst Objekt oder Gegenstand (das Entgegenstehende) wird. Wir wollen zur Bestätigung dieser Behauptung den Unterschied zwischen Sensation und Gefühl etwas genauer betrachten. (34) Hauptsächlich in Übereinstimmung mit HÄGERSTRÖMs, PHALENs und TEGENs ebenfalls in den Hauptsachen übereinstimmender Auffassung wird angenommen, daß der Unterschied, der der natürlichen Unterscheidung zwischen Sensation und Gefühl zugrunde liegt, ein Unterschied in der Objektivierung des Bewußtseinsinhaltes ist, d. h. in der Lokalisierung und Temporalisierung in der Reflexion. Ich kann deshalb das Gefühl als eine Qualität definieren, die, wenn sie unmittelbar reflektiert wird, nur unbestimmt auf den eigenen Körper bezogen wird oder überhaupt nicht objektiviert, d. h. gar nicht lokalisiert und temporalisiert wird. Vielleicht noch stärker als es diese Philosohen getan haben, muß hervorgehoben werden, daß der Unterschied ein Gradunterschied ist. (35) Es ist, wie auch EINAR TEGEN hervorhob (36), möglich, eine Reihe nach der abnehmenden Objektivierung aufzustellen. Sie fängt mit den ausgesprochen objektivierten Gesichtswahrnehmungen an. Schon der Schall ist weniger bestimmt zum Äußeren lokalisiert. Weder beim Gesicht noch beim Gehör kommen unter normalen Umständen auch Empfindungen vor, die auf den Körper bezogen werden. Geruch ist recht unbestimmt zum Äußeren lokalisiert und wird bei größerer Intensität leicht mit Organempfindungen verbunden. Geschmack, Berührung, Kälte und Wärme werden außerhalb des Körpers referiert, werden gleichzeitig immer von Organsensationen begleitet. Die Organsensationen selber werden mehr oder weniger bestimmt auf den eigenen Körper referiert, und mit zunehmender Unbestimmtheit beginnt die Beziehung auf die Gefühle. Die äußerliche Berührung und der äußere Druck ist deutlich lokalisiert, ebenso der Schmerz (Wollust), Hunger, Durst, Müdigkeit liegen auf der Grenze. In ihren intensiveren Formen können sie mit ziemlich ausgesprochener Lokalisation auftreten und werden dann als Organsensationen aufgefaßt (Schmerz im Magen, Brennen im Hals, Klopfen und Schnurren in den Gliedern). In ihren weniger intensiven Formen verliert sich die Lokalisierung, und sie werden dann beinahe als Gefühle aufgefaßt, die auf das "Ich" bezogen werden. Ich bin (es, der) hungrig, durstig (ist), fühle mich müde. Dasselbe gilt in noch höherem Grad von Nüchternheit, Mattsein und der entsprechenden dimunitiven [verringernden - wp] Form für Durst, für die der Sprache das Wort fehlt; ferner auch von körperlichem Wohlbefinden. Solange noch eine gewisse, wenn auch unbestimmte Lokalisation im Körper besteht, werden diese Gefühle als etwas Körperliches empfunden, und das Ich, auf das sie bezogen werden, ist nicht das eigentliche, geistige Ich, sondern das körperliche Ich. Erst das stark diffuse "Allgemeinbefinden" kommt nahe an "Stimmung" oder "Laune" heran, als etwas echt Psychisches, das zum geistigen Ich gerechnet wird. In den Affekten besteht eine enge Verschmelzung von Gefühlen und Organempfindungen (die von starken Impulsen begleitet werden). Am dichtesten am subjektiven Pol liegt der vollständig unlokalisierte und nichttemporalisierte Bewußtseinsinhalt: die "höheren" Gefühle wie die innere Freude, Zufriedenheit, (Glückseligkeit), Ruhe, Entspannung usw. mit den entsprechenden Gegenstücken Trauer, Unzufriedenheit, (Unglückseligkeit), Unruhe, Spannung, die gar nicht auf den Körper bezogen werden, und ebenfalls nicht temporalisiert werden. Das heißt es ist ganz unmöglich, der Freude, der Trauer, der Glückseligkeit usw., irgendeine Bedeutung außerhalb des aktuellen Erlebnisses zuzulegen. Sie haben keinen Ort im Raum und keinen in der Zeit, d. h. sie sind immer aktuell und können nicht erinnert oder erphantasiert werden. Ich kann mich zwar daran erinnern oder mir denken, "daß ich glücklich war", daß ich ein gewisses "behaviour" bezeugte - aber das Glück selber läßt sich nicht erinnern oder denken, nur (wieder) erleben. Aus diesen raum- und zeitlosen Gefühlen entsteht die (materielle) Ichvorstellung in seinen höchsten Formen wird der Glaube an die Unsterblichkeit der Seele nicht als Glaube an eine fortgesetzte Existenz in der Zeit ausgelegt, sondern als Glaube an eine Existenz außerhalb der Dimensionen der Zeit. In der Personalisierung oder im Gedanken an ein Ich liegt noch korrelativ der Gedanke an ein Objekt, also an Raum und Zeit. In den exaltiertesten Gefühlszuständen erlebt der Mystiker das vollkommen raum- und zeitlose und damit unpersonalisierte Datum. zu C) (siehe oben). Ganz abgesehen von dem, was man von der Möglichkeit eines Eigengegenstandes für das Gefühl meint (vgl. B), kann jedenfalls nicht eingesehen werden, wie es möglich gedacht werden soll, diesen Eigengegenstand, die Wertqualität, um den dem Gefühl angeeigneten Gegenstand zu prädizieren also um den in der Vorstellung angeeigneten Gegenstand zu prädizieren also um den in der Vorstellung intentionierten Naturgegenstand. "Prädizieren" bedeutet, wie wir gesehen haben, (oben unter A) zu objektiver Einheit zusammendenken. Aber wie könnte man die nicht räumliche und nicht zeitliche Wertqualität mit dem zeit-räumlichen Naturding in objektiver Einheit denken? Wie will man die notwendige Identität vermitteln? Das ist ganz einfach unmöglich. Aus diesen verschiedenen Gesichtspunkten geht hervor, daß sich die objektive Werttheorie in einem Dilemma befindet, aus dem kein Ausweg herausführt. Infolge des Ausgangspunktes ist es gegeben, daß die Werte nicht auf gewöhnliche Weise zu beobachtende oder zu bestimmende Objekte in der Natur sind. Man ist deshalb dazu gezwungen, die Werte zu einer eigentümlichen "Gegenstandssphäre", zu einer Welt für sich - jenseits der Natur - zu machen, zu einer Welt, die in einem eigenartigen Bewußtsein, durch eine besondere Intentionalität erfaßt wird. Wenn man nun Ernst mit diesem Gedanken macht, so müßte das Resultat notwendig dahin führen, daß man auf der einen Seite die Naturwelt hätte, auf der anderen Seite die Wertewelt, ohne daß zwischen diesen beiden irgendeine Verbindung, Berührung, Gleichheit, Gemeinschaft oder Relation bestünde. Sie müssen absolut verschieden, absolut unverbunden sein. Aber man hat augenscheinlich für eine solche Wertewelt praktisch keine Verwendung, ganz abgesehen davon, ob man mit einer solchen Welt jenseits der Natur-Wirklichkeit irgendeinen Sinn verbinden könnte. Wenn der Wertbegriff überhaupt praktische Bedeutung haben soll, muß der Wert die Welt der Naturwirklichkeit berührend gedacht werden, sodaß diese wertvoll wird oder der Wert naturwirklich. Dies ist auch ohne Zweifel die gewöhnliche Auffassung. Und auch wenn man, um diese Schwierigkeiten zu vermeiden, diesen Gedanken abweisen würde und das Verhältnis so auffassen würde, daß im sogenannten Wertvollen kein in der Natur realisierter Wert vorläge, sondern nur eine durch Vergleich herausgefundene Übereinstimmung zwischen der Welt der Natur und der der Werte, würde das doch kein Ausweg sein. Man kommt trotzdem nicht drum herum: damit man überhaupt von einem Vergleich und einer Übereinstimmung zwischen Wert und Wirklichkeit sprechen könne, müßte der Wert in Termini ausgedrückt werden, durch Qualitäten bestimmt sein, die diejenigen der Wirklichkeit sind. Dies wird auch im Wertbewußtsein klar vorausgesetzt. Das, was als Wert angenommen wird, muß jedenfalls als wirklich vorgestellt werden können, auch wenn nicht angenommen wird, daß es jetzt wirklich sei oder jemals wirklich werden würde. Das heißt die Qualitäten, die den Wert ausmachen, müssen dieselben sein wie die der Wirklichkeit. Aber wir können noch weiter gehen: der Gedanke an einen Wert ist gerade der Gedanke an die Wirklichkeit von etwas, auch wenn diese Wirklichkeit augenblicklich nicht behauptet wird, sondern nur gedacht oder angenommen wird. Das, was einen Wert ausmacht, ist nicht die bloße Vorstellung eines gewissen Verhältnisses, nicht der bloße Gedanke einer gewissen Handlungsart, sondern dieses Verhältnis, diese Handlungsart als wirklich (dies hängt mit dem praktischen Charakter des Wertbegriffs zusammen: nur das Wirkliche hat praktische Bedeutung). Dies bedeutet, daß man nicht dazu imstande ist, die Vorstellung von den Werten als einer spezifischen Gegenstandssphäre in absoluter Disparität mit der der Wirklichkeit aufrechtzuerhalten. Man wird dadurch dahin gebracht, dem Wertbewußtsein auch eine Vorstellungsintentionalität zuzulegen, wodurch die oben unter A) und C) hervorgehobenen Schwierigkeiten entstehen. Trotzdem es streng genommen erst in ein späteres Kapitel gehört, wo von der Pflichtethik und ihren Voraussetzungen gesprochen wird, wird es doch praktisch sein, schon hier anzuführen, daß ganz dasselbe Räsonnement, das hier für das Verhältnis zwischen Wert und Wirklichkeit ausgeführt worden ist, auch für das Verhältnis zwischem dem Seinsollenden und dem Seienden gilt. Man hat hierbei noch kräftiger die absolute Disparität zwischen "Sollen" und "Sein" als Denkformen oder Intentionen mit entsprechenden unabhängigen Gegenstandssphären herausstellen wollen. Die Anwendung von Kunstausdrücken wie "Sollen" und "Sein" erleichtern diese Konstruktion, indem sie verwischt, daß das, was als "gesollt" gedacht wird, gerade als sein-sollend, d. h. als wirklich sein sollend gedacht wird. Oft wird die wahre Bedeutung und Konsequenz eines allgemeinen philosophischen Gedankens am deutlichsten durch eine spezielle Anwendung hervortreten. So auch in diesem Fall. Die Bedeutung der absoluten Disparität zwischen "Sollen" und "Sein" tritt am allerbesten durch KELSENs bekannten Versuch, das positive Recht durch eine normative Gültigkeitssphäre zu bestimmen, zutage, wobei diese Gültigkeitssphäre von der Welt der Naturwirklichkeit absolut verschieden ist, indem dieser Gegenstandsunterschied sich wieder auf den methodischen Unterschied zwischen "Sein" und "Sollen" als absolut disparaten Denkformen gründet. Es ist von KELSENs Kritikern oft behauptet worden, daß die Konsequenz hiervon sein würde, daß KELSEN sich jede Möglichkeit nimmt, das positive Recht als ein sozial-faktisches Phänomen zu fassen, oder überhaupt irgendeine Verbindung zwischen dem Recht und der sozialen Wirklichkeit zu etablieren. Ich kann nur die Berechtigung dieser Einwände anerkennen. Ich will mich indessen in diesem Zusammenhang nicht auf eine Diskussion dieses Problems in seinen speziellen rechtsphilosophischen Aspekten einlassen, (37) sondern mich damit begnügen, einen Versuch zu erwähnen, den KELSEN gemacht hat, die absolute Relationslosigkeit zwischen "Sollen" und "Sein" allgemein philosophisch zu überwinden. Es ist hier ein großer Vorteil, es mit einem so konsequenten Denker wie KELSEN zu tun zu haben. Er verwischt die Schwierigkeiten nicht. KELSEN selbst hat in seiner Polemik mit BINDER mit großem Nachdruck betont: solange wir uns im Denkmodus der Wirklichkeit ("Sein") bewegen, kann diese Wirklichkeit ("Sein") unmöglich als ein Wert erkannt werden, und umgekehrt: sobald von Wert die Rede ist (einem "Sollen"), kann dieser unmöglich als eine Wirklichkeit erkannt werden (als ein "Sein"). Die Konstruktionen: eine wertvolle Wirklichkeit oder ein wirklicher Wert sind beide gleich unmöglich. "Die Frage: ist eine bestimmte Wirklichkeit wertvoll oder wertwidrig ist - unter der Voraussetzung eines grundsätzlichen Dualismus zwischen Sein und Sollen, Wirklichkeit und Wert - sinnlos." Indessen ist es für KELSEN unmöglich, dabei stehen zu bleiben, da demnach jede "Deutung" der Wirklichkeit im Verhältnis zu einem Normensystem ausgeschlossen sein würde, und die Rechtserkenntnis mit aller sozialer Wirklichkeit absolut inkomparabel würde. KELSEN versucht um diese Schwierigkeit herumzukommen dadurch, daß er einen für "Sein" und "Sollen" gemeinsamen, "neutralen" Inhalt (Substrat) annimmt, der die Vergleichsgrundlage abgeben soll. "Obgleich Sein und Sollen zwei voneinander gänzlich verschiedene, aufeinander nicht rückführbare Denkformen sind, können sie doch gleiche Inhalte aufnehmen. Menschliches Handeln ist vorstellbar als Inhalt des Seins, als ein Stück Natur oder Geschichte, d. h. als Gegenstand der Natur- oder Geschichtswissenschaft, oder als gesollt, als Inhalt von Normen und somit als Gegenstand der Rechtswissenschaft. Nur wegen dieses gemeinsamen - an sich indifferenten und in dieser Abstraktion gar nicht vorstellbaren - "Substrates" läßt sich ein tatsächliches Geschehen bewerten, speziell rechtlich beurteilen." Es ist nämlich in diesem Sinne möglich, daß "der Inhalt des Seins mit dem Inhalt des Sollens in einen Vergleich gesetzt wird." (38) Diese Erklärung hat schon auf den ersten Blick vieles von einer Konstruktion ad hoc. Wenn diese merkwürdigen Substrate überhaupt nicht in einer Abstraktion von den Denkformen "Sein" und "Sollen" vorgestellt werden können, versteht man nicht, wie es möglich sein kann, einen Vergleich zwischen ihnen vorzunehmen, ohne gleichzeitig die Formen "Sein" und "Sollen" zu vergleichen, was als unmöglich zugegeben wird. Dieses Substrat dürfte indessen nicht bloß nicht abstraktt vorstellbar, sondern überhaupt undenkbar, nur eine Fabel sein. Sollte ein solches Substrat überhaupt gedacht werden können, müßte es in einer Denkform - entweder als "Sollen" oder als "Sein" gedacht werden - was entweder zum Widerspruch oder zum unendlichen Regress führt. Das heißt, es ist sinnlos "hinter" einem "Sollen" oder "Sein" ein neutrales Substrat anzunehmen. Es läßt sich überhaupt nicht denken, was dieses Substrat sein sollte. Aber damit fällt gleichzeitig jede Möglichkeit für das Etablieren einer Verbindung zwischen den beiden Reichen fort. Dieses Resultat ist nicht erstaunlich. Denn eine einfache Analyse der normativen Aussage: "A soll sein", wird zeigen, daß das, was darin als "gesollt" gedacht wird, gerade die Wirklichkeit von A ist und kein mystisches Substrat. Schon aus dem Ausdruck A soll sein ergibt sich, daß das "Sein" von A "gesollt ist. Dies wird durch Reflexion bestätigt. Man denkt sich darunter notwendig, daß die Existenz von A auf irgendeine Weise gefordert, gesollt, bestimmt durch ein Gesetz ist. Was sollte es sonst sein? Es kann nicht die bloße Vorstellung von A sein, ebensowenig wie ein undenkbares "Substrat" von A.
1) Es besteht hier kein Grund für ein kritisches Eingehen auf die Psychologie des Willens. Der Zweck der Aufgabe geht im Gegenteil darauf aus, daß wir uns (jedenfalls bis auf weiteres) an die gewöhnliche Auffassung des Willens als einer besonderen Bewußtseinsform, nämlich die aktive, halten. 2) Vergleiche jedoch hierzu unten XIII. 2. 3) Die in den letzten Jahren herausgekommenen wertpsychologischen Untersuchungen auf experimenteller Grundlage - TH. HAERING, Untersuchungen zur Psychologie der Wertung (1913); WERNER GRUEHN, Das Werterlebnis (1924); und G. E. STÖRRING, Experimentelle Untersuchung über das Werterlebnis (1929) - scheinen nichts wesentlich Neues zutage gefördert zu haben. Eher scheinen sie die Skepsis zu bestärken, die wir von Anfang an gegen den Wert experimenteller Untersuchungen auf Gebieten, wo es sich in erster Linie um die Klärung fundamentaler Begriffe und Kritik der Vorstellungsweise des allgemeinen Bewußtseins handelt, zu nähren geneigt sind. Da das "Experiment" in diesem Fall darin besteht, daß Versuchspersonen durch gewisse "Reizwörter" nach ihren Erlebnissen ausgefragt werden, so werden die Versuchsprotokolle in Wirklichkeit in erster Linie zu einer Sammlung von Ausdrücken für die unkritische Begriffsbildung des gewöhnlichen Bewußtseins. Was auf diese Weise konstatiert wird, sind nicht so sehr ursprüngliche Fakta, als die in den Versuchspersonen - und dem Versuchsleiter! - vorliegende intellektuelle, vorausgefaßte Anschauung von der Struktur des Werterlebnisses. Wir bekommen ein deutliches Bild dafür, wie man tatsächlich denkt, mit welchen Begriffen man tatsächlich das Wertungsbewußtsein deutet, doch keine kritische Analyse desselben. Dies wird durch die "merkwürdige" Übereinstimmung, die sich zwischen der allgemeinen psychologischen Orientierung des Versuchskreises und den "Tatsachen", die in den Versuchen "beobachtet" werden, bestätigt. YOUNG schreibt, nachdem er eine Reihe von amerikanischen experimentellen Untersuchungen über die Psychologie des Gefühls besprochen hat: "Looking back over the studies one principle stands out prominently, the relativism of facts of observation to methodes and postulates. Two observers - a behaviourist and a Tichenerian psychologist - were placed in the same experimental situation (Part III) and each reported consistently with his own theoretical bases. Again, two groups of Titchenerians - one in 1918 and another ten years later - in the same laboratory gave wholls different results. What follows? The only fair conclusion ist that the facts of affective psychology are largely made before experimentation ist commenced, made by the training, education, theoretical views of the subjects". (YOUNG, Studies in affective Psychology, American Journal of Psychology, No. 38, 1927, p. 157) 4) Etwas anderes ist es, daß man, wie von GRUEHN, Werterlebnis (Seite 129-130, 203) hervorgehoben wird, zwischen einer ursprünglichen Neu-Wertung und einem späteren darin begründeten Wertwissen unterscheiden muß. Daß Nächstenliebe etwas gutes ist, werden die meisten von uns von Anfang an bestätigen, ohne eine (neue) Wertung zu erleben. Wir "wissen" das, d. h. wir sind, entweder auf Grund früherer eigener Wertung, oder, weil wir es von andern gelernt haben, darauf eingestellt, uns in dieser Richtung auszusprechen. 5) "Im Gefühl für den Wert der Dinge besitzt unsere Vernunft eine ebenso ernst gemeinte Offenbarung, wie sie in den Grundsätzen der verstandesmäßigen Forschung ein unentbehrliches Werkzeug der Erfahrung hat", LOTZE, Mikrokosmus I, Seite 275, zitiert nach MESSER, Wertphilosophie, Seite 1. 6) MAX SCHELER, Formalismus, Seite 267f, 314f, 338. 7) Übersicht über die Anhänger dieser beiden Richtungen bei KRAUS, Grundlagen, Seite 5. 8) MEINONG räumt den "Begehrungen" als "Nebenwerterlebnissen" einen Platz neben den Gefühlen als "Hauptwerterlebnissen" ein (Zur Grundlage, Seite 45-46). Eine große Anzahl Philosophen (wie z. B. BRENTANO, MARTY, MAIER, URBAN, KRAUS, PERRY) verwenden neutrale Ausdrücke (wie z. B. "Lieben und Hassen"), "affective-volitional meaning", "motor-affective life"), indem sie entweder keinen Wesensunterschied zwischen Gefühl und Willen annehmen, oder ihm jedenfalls keine Bedeutung für die Wertlehre beilegen. 9) MEINONG, Zur Grundlegung ..., Seite 50 und 74 10) MEINONG, a. a. O., Seite 54-55. 11) MEINONG, a. a. O., Seite 50 und 51 12) MEINONG, a. a. O. Seite 54. - Über den Unterschied des Wertungsgefühls vom "Wissensgefühl" siehe MEINONG, a. a. O., Seite 62-63. 13) MEINONG, a. a. O., Seite 56f 14) MEINONG, a. a. O., Seite 56-60. Auch SCHELER gibt eine treffende Kritik des Gedankens, daß die Verbindung zwischen Wert und Wertungsgefühl kausal sein könnten (Formalismus, Seite 248f). 15) MEINONG, a. a. O. Seite 60 16) MEINONG, a. a. O., Seite 60 und 77 17) MEINONG, a. a. O., Seite 77 und 78 18) MEINONG, a. a. O., Seite 169 19) HENRI POINCARÉ, Derniére Pensées, Seite 225 20) Beispiele hierfür aus der Nationalökonomie sind bei MYRDAL, Vetenskap och politik i nationalekonomien, Seite 16f, angeführt. 21) Ich bemerke, daß die Betrachtungsart im folgenden rein analytisch ist, nicht historisch-genetisch. Es wird also nicht behauptet, daß sich das Objektbewußtsein zeitlich aus dem unmittelbaren Befund entwickelt. - Vgl. zum folgenden HÄGERSTRÖM, Kritiska punkter, Seite 21. 22) Daß das Bewußtsein von etwas Zusammengesetzten nicht selbst zusammengesetzt ist, vgl. PHALEN, Psyke, 1914, Seite 159. 23) Sowohl die pathologische, als auch die normale Psychologie kennt unzweifelhafte Fälle von Gemütsbewegung ohne intentionalen Charakter, z. B. die normale "Stimmung", die namenlose Angst; vgl. STÖRRING, Experimentelle Untersuchungen zur allgemeinen Gefühlslehre, Seite 311. 24) Vgl. hierzu PHALÉN, Zur Bestimmung des Begriffs des Psychischen, Seite 513-514. 25) BRENTANO, Psychologie, Seite 32-33. 26) Wie PHALÉN gewiesen hat, ist "Beziehung zum Objekt" für BRENTANO kein Kennzeichen unter vielen, sondern bestimmt den Begriff des Psychischen selber, PHALÉN, Zur Bestimmung etc. Seite 512. 27) PHALÉN, Zur Bestimmung etc. Seite 488-489. 28) Die fehlende Einheit im gewöhnlichen Begriff des Psychischen verrät sich ebenfalls in einer Schiefheit in der Weise, in der das Intellektuelle bzw. das Emotionale als psychisch oder subjektiv im Gegensatz zum Objektiven auftritt. Meine Vorstellung des Rot-Runden, das mein Tisch ist, unterscheidet sich qualitativ nicht von diesem Tisch selber als objektive Wirklichkeit. Also kann es nur ein gewisser eigentümlicher Unterschied in der Form des Gegebenseins sein, der denselben Inhalt teils als psychisch, teils als physisch auftreten läßt. Wenn dagegen mein Gefühl der Trauer psychisch oder subjektiv genannt wird, so ist der Gedanke ein ganz anderer. Das Gefühl der Trauer ist nicht die subjektive Form des Gegebenseins einer Qualität, die gleichzeitig auch eine objektive Wirklichkeit bedeuten kann. Das Gefühl der Trauer steht im Gegensatz zum Objektiven kraft eines Unterschiedes im Gegebenen selber als solchem. 29) SCHELER, Formalismus, Seite 262f; vgl. Seite 30f und 34 mit der Anmerkung und Seite 249 und 259. 30) SCHELER, Formalismus, Seite 264-265. 31) In Übereinstimmung hiermit spricht SCHELER von einer durch "Fühlen" vermittelten "Wert er kenntnis", Wert erfahrung" einer gegebenen "Wertgegenständlichkeit" oder "Wertwelt", die sich erst allmählich der Gefühls-Erkenntnis offenbart, wie sich auch die Welt der Natur allmählich der Verstandeserkenntnis offenbart. Ebenso nennt er "Ekel" und "Appetit" Erkenntnisfunktionen. Er sagt, daß die Erkenntnis der sittlichen Welt wegen ihrer engen Verbindung mit Wille und Interesse leichter zu Verwirrung führt als die theoretische (SCHELER, Formalismus, Seite 267, 314f, 330, 338. Die Intellektualisierung des Gefühls kann kaum deutlicher zutage treten. 32) Etwas ganz Entsprechendes gilt analog von SCHELERs dritter Intentionsart: "Streben" mit dem Korrelativ "Widerstände" (Formalismus, Seite 135). 33) Nach SCHELER existieren "echte Wertqualitäten", die ohne ihre Träger in der Wirklichkeit bewußt sein können, d. h. ohne als "Wertdinge" oder "Güter" aufzutreten (Formalismus, Seite 4f; vgl. 104). 34) Es ist zwecklos, sich an die vorliegende psychologische Fachliteratur zu wenden, um Auskunft darüber zu bekommen, was das Gefühl als psychischen Vorgang bezeichnet. Unter dem Namen "Gefühlstheorie" werden die verschiedenartigsten Probleme behandelt, ohne daß man sich des Unterschieds bewußt zu sein scheint. Dadurch verliert die Diskussion für einen großen Teil jeden Sinn. Es fehlt ein Übersichtswerk mit einer Erläuterung der verschiedenen Standpunkte und Probleme, wodurch die Argumentation planmäßig gemacht werden könnte. (Relativ am besten scheint das Sammelwerk "Feelings and Emotions" ed. by CARL MURCHISON, 1928 zu sein). Die folgende Darstellung zielt allein auf die rein phänomenologische Charakteristik des Gefühls als Bewußtseinsinhalt ab, berührt also nicht die Fragen nach dem physiologischen Korrelat des Gefühls, nach seiner "Fundierung" in einer biologischen Teleologie oder in einem ursprünglichen, unbewußten seelischen Streben, nach seiner Funktion in psychischen Prozessen (besonders die Frage, ob ein Lustgefühl ein Gegenstand des Strebens ist, ein Produkt des Strebens, oder die Ursache eines Strebens), oder andere Fragen, die das Gefühl angehen, die oft mit der phänomenologischen Charakteristik durcheinandergebracht werden. 35) TEGEN, Viljandet, Seite 223; HÄGERSTRÖM, Till den obj. rättens begrepp, Seite 46f; Handlingar, Seite 113-115; PHALÉN, Begriff des Psychischen, Seite 485f, besonders 521, 536-537, 541-542. So auch KIESOW, der schreibt: "What is common to all the experiences included in this concept (of feeling) is that they are not referred to objects of the outer world, of which one's own body is regarded as a part, but remain, as it were, in consciousness, forming a necessary basis for the processes of the will and the empirical ego ... Just as we designate as sensations the ultimate constituents of which objectifiable complexes of consciousness are composed according to the principle of psychic synthesis, so we call those which form the basis oft the unobjectifiable feeling-complexes elementary feelings." (KIESOW, "Feelings and Emotions", Seite 89-90). In derselben Richtung geht JAMES WARD, Psychological Principles, Seite 245; vgl. Seite 44. - Wenn einige Psychologen, z. B. NAFE, American Journal of Psychology, Bd. 35, 1934, Seite 535, einen Anlauf zu einer mehr oder weniger bestimmten Lokalisation der Gefühle wahrgenommen zu haben meinen, kann man dagegen mit YOUNG, ebd. Bd. 38, 1927, Seite 164 einwenden, daß sowohl die reale Grenze als auch der Sprachgebrauch fließend sind, und daß es deshalb anzunehmen wäre, daß die Versuchspersonen oft das Wort "feeling" für Sensationen brauchen. 36) EINAR TEGEN, Viljandet, Seite 242 37) Vergleiche hierzu ALF ROSS, Theorie der Rechtsquellen, Kap. X, Nr. 9; Recht und Wirklichkeit, Juristische Blätter 1930, Seite 245; Virkelighed og Gyldighed i Retslären, Tidsskrift for Retsvidenskap, 1932, Seite 81. 38) KELSEN, Problem der Souveränität, Seite 99, Anm. 1; vgl. Zeitschrift für öffentliches Recht, 1922, Seite 211f. |