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HUGO BERGMANN
Bertrand Russells
"Erkenntnis der Außenwelt"


"Es ist falsch, von einer Sinnestäuschung zu sprechen. Es gibt keine Jllusion der Sinne. Jllusorisch ist nur der  Schluß, den wir an die geträumten Qualitäten knüpfen, die logische und psychologische Umgestaltung, falsch. Wenn wir einen Gegenstand betrachten und dabei unseren Augapfel drücken, sehen wir ihn doppelt. Sinnestäuschung? Nein. Im Gesichtsfeld  sind zwei Bilder. Und wer etwa behaupten wollte, daß doch  in Wirklichkeit nur ein Gegenstand vorhanden ist, übersieht, daß diese Wirklichkeit nur eine logische Grundlegung der gegebenen Inhalte ist und daß diese gegebenen Qualitäten die logische Grundlegung verifizieren oder widerlegen, nicht aber durch sie widerlegt werden können."

Dasjenige philosophische Werk, welches in England während der Kriegszeit - und bis heute - im Mittelpunkt der philosophischen Erörterung stand, ist BERTRAND RUSSELLs "Our knowledge of the external world as a field for scientific method in philosophy" (1), acht Vorlesungen, die RUSSELL als  Lowell-Lectures im Frühjahr 1914 in Boston gehalten hat. Das Buch hat alle Vorzüge der vielen Bücher, die RUSSELL geschrieben hat: eine leichte Darstellung, die den Humor nicht verschmäht, Klarheit der Begriffe und Schärfe der Argumentation; und wie fast in allen philosophischen Büchern RUSSELLs, finden wir auch diesmal neuerlich eine Darlegung der neuen mathematischen Lehren über das Unendliche und ihrer philosophischen Bedeutung (2).

Ich glaube nicht, daß für die deutsche Philosophie, nach der klärenden Auseinandersetzung des Kritizismus mit dem Phänomenalismus, insbesondere mit MACH, das neue Buch RUSSELLs eine wesentliche Anregung bringen wird, aber dennoch ist es nicht uninteressant, RUSSELL auf dem Weg eines extremen Positivismus und einer scheinbaren Eliminierung des Begriffs des reinen Raumes und der reinen Zeit zu folgen.

RUSSELLs Ziel ist, die Sinnenwelt mit einem Minimum von Annahmen zu erklären und alle die Zwischenglieder fallen zu lassen, die durch "Ockhams Rasiermesser": "Entia non sunt multiplicanda praeter necessitatem" [Die Beschreibung der Dinge soll nicht über das Notwendige hinaus vermehrt werden. - wp] als überflüssig dargetan werden können. In dieser Absicht sucht er zunächst zu denjenigen Daten unserer Erfahrung vorzudringen, auf welche keine Theorie verzichten kann. Er unterscheidet zwischen logischer und psychologischer Primitivität. Es kann eine Annahme, die wir machen, psychologisch abgeleitet sein, obwohl dieser Ableitung kein  logischer  Schluß zugrunde liegt. Wenn wir aus dem Gesichtsausdruck eines Menschen sein Inneres erraten, so mag dies dem psychologischen Mechanismus der Assoziationen zugeschrieben werden, der uns einen logischen Schluß erspart. Überall dort nun, wo sich nachweisen läßt, daß psychologisch kein primitives Datum vorliegt, daß aber dennoch logisch kein Schluß vollzogen wurde, hat die Kritik das Recht zu verlangen, daß die psychologische Ableitung durch einen logischen Schluß ersetzt wird, und dort, wo dieser Ersatz nicht glückt, ist das Resultat der - bloß psychologischen - Ableitung fallen zu lassen. So ist der Glaube an die Permanenz der Außenwelt beim nichtphilosophierenden Menschen logisch primitiv, aber psychologisch abgeleitet und darum in seiner Berechtigung problematisch.

Auf solche Weise können die Daten, die wir in der Analyse unserer Erfahrung vorfinden, geschieden werden in unerschütterliche (hard) und erschütterliche (soft).

Die unerschütterlichen letzten Gegebenheiten  sind die Axiome der Logik und die unmittelbaren Sinnesdaten, die Qualitäten

Natürlich bedarf besonders der letztere Punkt, der die Evidenz der äußeren Wahrnehmung beeinhaltet, der Verteidigung. RUSSELL hat sowohl in seinem Buch wie in der Abhandlung "Constituents of matter" (in Mysticsim and logic) Angriffe auf seine Lehre abgewehrt und die üblichen Argumente gegen die Verläßlichkeit der äußeren Wahrnehmung mit Glück kritisiert. Es ist falsch, von einer Sinnestäuschung zu sprechen. Es gibt keine Jllusion der Sinne. Jllusorisch ist nur der  Schluß,  den wir an die geträumten Qualitäten knüpfen, die logische und psychologische Interpolation [Umgestaltung - wp], falsch. Wenn wir einen Gegenstand betrachten und dabei unseren Augapfel drücken, sehen wir ihn doppelt. Sinnestäuschung? Nein. Im Gesichtsfeld  sind zwei  Bilder, und alles was wir sagen können, ist, daß die Korrelation von Gesicht und Tastsinn unterbrochen ist. Diese Korrelation läßt sich durch gewisse Annahmen wieder herstellen, aber diese Annahmen beweisen nicht die sogenannte Subjektivität der Sinnesqualitäten, sondern nur gewisse kausale Abhängigkeiten der Qualitäten untereinander. Und wer etwa behaupten wollte, daß doch "in Wirklichkeit" nur ein Gegenstand vorhanden ist, übersieht, daß diese Wirklichkeit nur eine logische Substruktion [Grundlegung - wp] der gegebenen Inhalte ist und daß diese gegebenen Qualitäten die logische Substruktion verifizieren oder widerlegen, nicht aber durch sie widerlegt werden können. Und die oft herangezogene physiologische Abhängigkeit der Qualitäten vom Nervensystem (Einfluß von Alkohol, Haschisch etc.) ist schon deswegen nicht stichhaltig, weil wir ja von Nerven usw. nur durch die Sinnesqualitäten wissen; und sie beweist nicht, was sie beweisen sollte: eine Abhängigkeit des Wahrgenommenen vom Wahrnehmenden, sondern gibt nur kausale Zusammenhänge  innerhalb  der Qualitäten wieder. In dieser Rechtfertigung der äußeren Wahrnehmung folgt RUSSELL dem Neorealismus in England (SAMUEL ALEXANDER) und Amerika, der eine kausale Abhängigkeit der Objekte vom Akt, in dem sie erscheinen, bestreitet.

Wenn wir also die Sinnesqualitäten als Ausgangspunkt anzunehmen berechtigt sind, welches ist das Minimum von Annahmen, die wir machen müssen, um die Welt zu erklären? RUSSELL stellt als allgemeines Prinzip hin, daß alle Angaben der Wissenschaft und des gesunden Menschenverstandes, die sich als wahr bewähren sollen, sich ausdrücken lassen müssen als Beziehungen sinnlicher Gegebenheiten. Zu diesem Zweck deutet RUSSELL die Grundannahmen der Physik um un in dieser Umdeutung liegt das eigentlich Originelle seines Buches.

Ich gebe zunächst die allgemeine Verfahrensweise dieser Umdeutung an, um sie dann an Raum, Zeit und Materie zu exemplifizieren. Im allgemeinen verfährt RUSSELL folgendermaßen: Gesetzt wir finden in der üblichen Auffassung der objektiven Welt eine angenommene Realität  X,  welche über die sinnlich gegebenen Qualitäten hinausgeht, so ersetzt er dieses  X  durch die sogenannte "Konstruktion von X", das heißt eine Gruppe sinnlich  gegebener  Elemente, die, obwohl von  X  verschieden, dennoch bis zu einem gewissen Grad die Eigenschaften von  X  haben und zwar gerade bis zu dem Grad, der für die Erklärung der Erfahrung durch das  X  notwendig ist. Was dann von  X  wegfällt, war eben ein unberechtigtes Plus; anstelle des  X  gesetzt, gibt die "Konstruktion von X" eine neue und weniger zweifelhafte Interpretation der Gesetze, für die  X  ein Ausdruck sein sollte. Die physikalischen Aussagen werden von einer überflüssigen Zugabe gereinigt und sind nun nicht mehr als Aussagen über hypothetische Realitäten, sondern als solche über sinnliche Qualitäten zu verstehen. Dabei ermöglicht es aber die Ersetzung der hypothetischen Realität  X  durch die nicht hypothetische "Konstruktion von X", daß der bequeme Sprachgebrauch des täglichen Lebens beibehalten werden kann.

Jllustrieren wir das Gesagte an RUSSELLs Auffassung des  Raumes Der absolute objektive Raum ist ein solches  X,  das fallen gelassen wird. An dessen Stelle tritt eine "Konstruktion des Raumes" in folgender Weise: Die verschiedenen Räume eines Individuums (Sehraum, Tastraum usw.) lassen sich alle zusammenfassen in einen "Privatraum" des Betreffenden. (RUSSELL nennt ihn auch, mit einer leichten, hier zu übergehenden Änderung der Bedeutung: "Perspektive".) Die Privaträume verschiedener Personen lassen sich aufeinander beziehen. Es läßt sich zwischen den Punkten der Privaträume verschiedener Personen eine Korrelation durch Ähnlichkeit herstellen. Zwei Menschen, die z. B. im selben Zimmer sitzen, haben sehr ähnliche "Perspektiven", sodaß sie fast "dieselben" Gegenstände sehen. Wenn die Ähnlichkeit zweier Perspektiven sehr groß ist, sagen wir, daß die Lichtpunkte, von denen aus die beiden Perspektiven gesehen wurden, einander "im Raum" sehr nahe sind. Aber  dieser  Raum hat mit dem Raum der "Perspektive" nichts zu tun. Er bedeutet eine Beziehung zwischen den Perspektiven und befindet sich in keiner von ihnen. Niemand kann diesen Raum wahrnehmen, er ist nur erschlossen. Wir können zwischen zwei einander ähnlichen Perspektiven eine Reihe noch ähnlicherer einschieben und auf solche Weise weitere Lichtpunkte gewinnen, d. h. der Raum, der aus Beziehungen zwischen den Perspektiven besteht, kann stetig und - wenn wir eine solche Anordnung der Lichtpunkte wählen - dreidimensional gedacht werden. Wir gewinnen also auf diese Weise einen (dem bisherigen objektiven entsprechenden) Raum, in welchem die einzelnen "Perspektiven" oder "Privaträume" als Elemente auftreten. Dieser Perspektivenraum (perspective space) ist das System der Sichtpunkte oder das System der Perspektiven.  Anstelle des objektiven Raumes tritt somit der Inbegriff sämtlicher Perspektiven Jede Perspektive ist ein Element oder "Punkt" im Perspektivenraum.

Die Anordnung der "Punkte" im Perspektivenraum erhalten wir durch eine Anordnung der Perspektiven. Gehen wir z. B. von einer Perspektive aus, in welcher ein Penny rund erscheint, so können wir durch eine "Entfernung" von diesem Penny oder durch eine "Annäherung" eine Reihe von Perspektiven bilden, in welcher der Penny als kreisrunde Scheibe von verschiedener Größe erscheint. Wir sagen von den Perspektiven, in denen der Penny als rund erscheint, daß sie auf einer geraden Linie im Perspektivenraum liegen und die Ordnung der "Punkte" (d. h. der Perspektiven) im Perspektivenraum entspricht der Größenanordnung der verschiedenen Penny-Aspekte. Auf diese Weise können wir die Relationen der Perspektiven im Perspektivenraum fixieren und die Erfahrung zeigt, daß wir von verschiedenen gesehenen Gegenständen ausgehend doch immer zur selben Ordnung der Perspektiven kommen.

Welches ist nun aber der "Punkt", in welchem "die Dinge selbst" im Perspektivenraum liegen? Dies erweist sich wiederum am Beispiel des Penny. Wir bilden die "gerade Linie" der Perspektiven, in welchen der Penny rund erscheint und die "gerade Linie" der Perspektiven, in welchen er als Gerade einer gewissen Dicke erscheint und bringen diese beiden "Linien" in einem gewissen "Punkt" zum Schnitt. Dies ist der "Punkt", wo der Penny im Perspektivenraum zu lokalisieren ist. "Punkt" bedeutet hier natürlich wie überall im "Perspektivenraum" eine Perspektive. Der sogenannte objektive Raum wird ja ersetzt durch den Begriff der Perspektiven.

Jedem wahrgenommenen Ding sind zwei Punkte im Perspektivenraum, d. h. also zwei Perspektiven zugeordnet: Der Punkt, "wo" das Ding liegt, gefunden auf die beschriebene Weise, und der Punkt, "von wo aus" das betreffende Ding aktuell wahrgenommen wird, d. h. diejenige Perspektive, in welcher es so und nicht anders erscheint. Dementsprechend lassen sich die verschiedenen Aspekte "desselben" Dings und verschiedene Dinge in Klassen ordnen, von denen die eine ("von wo aus") den Psychologen, die andere ("wo") den Physiker angeht.

So tritt also anstelle des objektiven Raumes die "Konstruktion des Raumes", in welcher er sich als eine Mannigfaltigkeit der erlebten, bzw. erlebbaren "Privaträume" der Wahrnehmenden erweist.

Auf diese Weise werden nun, ähnlich wie der Raum, auch Zeit und Materie als logische Funktionen der Sinnesdaten abgeleitet. Im Prinzip geht die ganze RUSSELLsche Umdeutung der Welt des gesunden Menschenverstandes auf das "Prinzip der "Abstraktion" in der mathematischen Logik zurück:
    "Wenn eine Gruppe von Objekten die Art von Ähnlichkeit besitzt, die wir dem Besitz einer gemeinsamen Eigenschaft zuschreiben, so kann man, wenn diese Eigenschaft nicht bekannt ist, sie ersetzen durch die Klasse der ähnlichen Objekte selbst."
So erklärt der gesunde Menschenverstand die Ähnlichkeit der verschiedenen Perspektiven (z. B. "desselben" Tisches) durch die gemeinsame Eigenschaft der Teilhabe am objektiven Raum. RUSSELL ersetzt den objektiven Raum durch den Inbegriff der Perspektiven. Im selben Sinn setzt dann RUSSELL anstelle eines bestimmten objektiven Dings, z. B. des Tisches den Inbegriff der Erscheinungen dieses Dings. Dies ist natürlich  keine  Zirkeldefinition, sondern die Ersetzung eines Begriffes, dessen Realität fraglich ist, durch einen anderen, dessen Realität unfraglich ist und der die wesentlichen Eigenschaften des andern aufweist. Auch der naive Realist kann ja, um zu zeigen, welche Perspektiven "denselben" Tisch wahrnehmen, nicht auf den objektiven Tisch ansich greifen, sondern muß gewissen Ähnlichkeiten der betreffenden Perspektiven aufweisen, infolge deren er sie Perspektiven desselben Tisches nennt. RUSSELL bleibt nun bei diesen phänomenalen Ähnlichkeiten stehen und bestreitet, daß der Rückgang auf den "Tisch ansich" notwendig und zulässig ist. Das "Ding" ist vielmehr zu ersetzen durch das System aller einander entsprechenden Objekte in allen Perspektiven.  Ein  Aspekt des "Dinges" ist also ein Glied jener Klasse von Aspekten, die zusammen (als Klasse) das Objekt  sind.  Alle Aspekte des Dings sind real, das Ding selbst bloß eine logische Konstruktion: der Inbegriff dieser Aspekte.

In diesem Sinn definiert dann RUSSELL einen "Zeitpunkt" durch die Klasse der Erscheinungen, welche in einem betreffenden Zeitpunkt stattfinden. Auch dies ist natürlich keine Zirkeldefinition. Das "Stattfinden in einem gewissen Zeitpunkt" ist ja eine objektive, physikalisch am Phänomen nachweisbare Eigenschaft; der Inbegriff der Phänomene, welche sie teilen, ist der Zeitpunkt. Der Anschein der Zirkeldefinition wird nur durch die Sprache erweckt. Während RUSSELL sich bestrebt, die Fixierung einer neuen Entität zu vermeiden, ersetzt die dem gesunden Menschenverstand folgende naive metaphysische Ansicht, dem OCKHAMschen Satz zuwider, eine (transitive und symmetrische) Relation - "gleichzeitig" durch die Setzung einer neuen Entität: der objektiven Zeit.

Soweit die RUSSELLsche Theorie: eine ebenso geistvolle wie sehr einfache Darstellung des Phänomenalismus; ihre Kritik trifft tödlich jede Theorie, welche entgegen dem OCKHAMschen Satz daran festhalten will, daß Raum, Zeit und Materie mehr sind als Relationen von Sinnesqualitäten. Die kritische Theorie hat dies niemals getan. Sie hat immer daran festgehalten, daß die sogenannte Absolutheit des Raumes und der Zeit nichts anderes ist als die Wahrheit und Gültigkeit gewisser Relationen. Wenn RUSSELL mit Recht gegenüber der Besorgnis, daß die physikalische Relativitätstheorie am philosophischen Zeitbegriff rüttelt, bemerkt, es bleibe doch auch nach EINSTEIN die Möglichkeit, verschiedene Zeiten verschieden bewegter Systeme einander  zuzuordnen  und darum habe die Theorie nicht so weitreichende  philosophische  Tendenzen, wie gewöhnlich angenommen wird - so kann das gleiche gegenüber RUSSELL selbst nicht gesagt werden.  Die Objektivität der Relationen  bleibt bestehen und damit der Punkt, der den philosophischen Kritizismus gegenüber dem Phänomenalismus scheidet. RUSSELL preist MACH und POINCARÉ wegen ihrer Kritik des Absolutismus, aber er bemerkt in seiner Freude darüber, daß er den Absolutismus des gesunden Menschenverstandes und der naiven Physik überwunden hat, nicht, daß er an einem Absolutismus festhält: der absoluten Geltung der Relationen. Der Raum verwandelt sich aus dem objektiven Behälter der vorkritischen Auffassung in einen Inbegriff von Wahrheiten über die Zusammenhänge verschiedener Wahrnehmungen.

Kritiker RUSSELLs haben bemerkt, seine Theorie sei dem verheerenden Einfluß der Entwicklung der nicht-euklidischen Geometrie zuzuschreiben, die den Unterschied zwischen Wahrheit und Fiktion vollständig verwirkt hat. Ich glaube nicht, daß dies richtig ist und daß wir RUSSELL nunmehr zu den Philosophen des Als ob zu rechnen haben. Nimmt er doch selbst als unerschütterliche Elemente unserer Erkenntnis neben den Sinnesqualitäten  die  Geltung gewisser apriorischer Wahrheiten an, ist also von einem extremen Phänomenalismus weit entfernt. Man muß eben neben den apriorischen Wahrheiten das empirisch gegebene Element auch genügend weit fassen: nicht nur Sinnesqualitäten sind empirisch gegeben, bzw. erschließbar, sondern auch geltende Beziehungen zwischen diesen Qualitäten.

An die eigentliche erkenntnistheoretische und metaphysische Grundfrage aber rührt RUSSELL nicht: ob die Gegebenheit dieser Relationen zwischen Qualitäten, d. h. also letztlich doch die Gegebenheit einer  Ordnung  der empirischen Inhalte selbst  a priori  ist oder eine bloße Tatsache. Hier aber beginnt erst die eigentliche Scheidelinie zwischen dem konsequenten Empirismus und einem Apriorismus.
LITERATUR - Hugo Bergmann, Bertrand Russells "Erkenntnis der Außenwelt", Kant-Studien, Bd. 25, Berlin 1920
    Anmerkungen
    1) The Open Court, 1914, Seite 245
    2) RUSSELL hat seit Kriegsbeginn eine ganze Anzahl neuer Bücher veröffentlicht, u. a.: On scientific method in philosophy (Spencer-Lecture). - Mysticism and logic (Eine Sammlung von Essays). - Principles of social construction. - Roads to freedom: Socialism, anarchism and syndicalism.