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Die Erkenntnistheorie von Tetens [2/3]
II. Die Denkgesetze, der Satz vom unmittelbaren Bewußtsein und die Formen der Verhältnisgedanken b) Die einzelnen Verhältnisgedanken 1. Einerleiheit und Verschiedenheit Von den einzelnen Verhältnisgedanken wollen wir zunächst die Verhältnisse der Einerleiheit und Verschiedenheit behandeln. Das Denkgesetz der Identität wurde übrigens, wie man sich entsinnt, so gefaßt, daß es mit diesem Verhältnis der Einerleiheit von Dingen identisch ist. Die Grundlage der Ideen der Einerleiheit und Verschiedenheit haben wir kennen gelernt: bei der Idee der Verschiedenheit außer dem Gefühl des Übergangs zwei absolute Modifikationen, herrührend vom Verschwinden einer Vorstellung und dem Entstehen einer anderen; bei der Idee der Einerleiheit eine weit geringere Qualität von Veränderung. Nach TETENS bestehen die Ideen der Verhältnisse in der Wahrnehmung der absoluten Modifikationen, welche durch die Verhältnisgedanken hervorgerufen werden. Da sieht man hier allerdings eine eminente Differenz zwischen der Wahrnehmung dieser absoluten Veränderungen, der inneren Empfindungen und dem klar und deutlich auftretenden Verhältnisgedanken hervortreten. Man muß hier eine Deutung der inneren Empfindungen, welche bei den Vergleichungen entstehen, durch die Erfahrung in Anspruch nehmen, wenn man dem Tatbestand gerecht werden will. Es liegt allerdings andererseits ein Verdienst von TETENS darin, daß er erkannt hat, daß der Verhältnisgedanke mit dem Verhältnisgefühl oder besser mit diesen durch den Übergang beim Vergleichen entstehenden absoluten psychischen Veränderungen nicht identisch ist. Wir erörtern bei der Behandlung der räumlichen und zeitlichen Beziehungen zunächst die psychologische Frage nach ihrer Genesis und sodann die erkenntnistheoretische nach ihrer Gültigkeit. Für diese Behandlung kommen bei TETENS folgende Stellen in Betracht: er handelt darüber zuerst im 2. Versuch, wo er "über das Gefühl, über Empfindungen und Empfindnisse" spricht (I 199-201), sodann im 3. Buch, welches das Wahrnehmen behandelt (I, 277f), im 4. Buch, wo er die Denkkraft und das Denken untersucht (I, 359, 398), und im 7. Buch, Von der Notwendigkeit der allgemeinen Vernunftwahrheiten (I, 513). Zunächst die Genesis unserer Raumvorstellungen. Die räumlichen Beziehungsideen entwickeln sich im Anschluß an Empfindungen des Gesichts und des Gefühls" (1) und bestehen darin, daß wir "die mehreren einzelnen Gefühle und Empfindungen in ein Ganzes zusammennehmen". Bleiben wir bei dieser Feststellung zunächst einmal stehen. Wir wollen genauer bestimmen, einmal
- wodurch dieses "Zusammennehmen" bewirkt wird, und zuletzt - Was durch dieses "Zusammennehmen" zustande kommt.
Die Frage weiter, wodurch dieses Zusammennehmen der verschiedenen Empfindungen zu einem Ganzen bereitet wird, beantwortet sich leicht. Es ist unsere "beziehende Tätigkeit" nach TETENS. "Sie vereinigt die mehreren Gefühle zu einem Ganzen." (4) Diese Beziehung muß man scheiden von einer anderen Beziehung, die sich dieser ersteren da anschließt, wo diese Gefühle -sagen wir deutlicher die Bewegungsempfindungen - mit Empfindungen wahrgenommener Gegenstände kompliziert sind. Da werden letztere auf das zusammengenommene Ganze der Bewegungsempfindungen bezogen.
Wie aus diesem Stoff zur Idee der räumlichen Beziehung die Idee der räumlichen Beziehung selbst wird, brauchen wir hier nicht weiter auszuführen. Wir verweisen auf das über die Entstehung von Verhältnisideen im allgemeinen Gesagte. Über die Entstehung der Verhältnisideen der räumlichen Verhältnisse ist noch das Eine nachzutragen, daß diese Verhältnisideen (gerade so wie die der zeitlichen Verhältnisse) sich bilden können ohne Ideen der sich aufeinander beziehenden Objekte, wobei dann die Aktion des Beziehens klar wahrgenommen wird, nicht aber die gedachten Objekte. (7) Aus den Ideen von einzelnen Räumen entsteht sodann der "Gemeinbegriff" vom Raum, der Gemeinbegriff von "Einem ganzen alles umfassenden unendlichen Raum". (8) Was nun die erkenntnistheoretische Frage nach der objektiven Gültigkeit der Raumvorstellung betrifft, so bestätigt die soeben entwickelte Genesis der Ideen von räumlichen Beziehungen zunächst das über die Verhältnisideen im allgemeinen Gesagte. Auch diese Verhältnisideen entspringen aus dem Verstand, aber diese räumlichen Verhältnisgedanken und Verhältnisideen sind doch eine Wirkung der ideellen Objekte auf uns.
Die Anschauung über die Raumvorstellung, die vTETENS entwickelt, tritt vielleicht noch klarer hervor, wenn ich mit einigen Worten auf einige Irrtümer eingehen, die einer von den Autoren, die sich mit der Erkenntnistheorie von TETENS beschäftigt haben, in der Auffassung der beiden Anschauungen von TETENS begangen hat. Dieselben sind dadurch bedingt, daß TETENS bei der Entwicklung seiner Anschauung über die Raumvorstellung die Bekanntschaft mit seinen Anschauungen über Verhältnisgedanken, Verhältnisideen und Verhältnisbegriffe voraussetzt und eine Orientierung über letztere nicht so leicht zu gewinnen ist. OTTO ZIEGLER (10) meint, TETENS definiert den Raum (und die Zeit) als Begriff. Das ist ein sehr grobes Versehen. Man erkennt leicht, daß der Raum für TETENS in erster Linie eine Verhältnisidee ist; Verhältnis ideen haben wir in den einzelnen klaren räumlichen Auffassungen vor uns. Diese setzen einen Verhältnis gedanken voraus und auf sie gründet sich ein Gemein begriff von Raum, ein "Begriff", der eine solche Bestimmung findet, daß er den Charakter des Begriffs fast ganz verliert: wir sehen TETENS sprach von einem ganzen einheitlichen Raum, dessen Teile in den einzelnen Verhältnisidee erfaßt werden. Sodann sollen nach TETENS die unklaren Empfindungen des Gesichts und Gefühls mit klaren Empfindungen von wahrgenommenen Gegenständen zu einem Ganzen der Raumauffassung vereinigt werden. Hier wird dann gefragt, auf welche Weise die klaren Empfindungen mit den unklaren in einen Zusammenhang zu bringen sind, wie "dieses Gemisch von Vorstellungen, die alle nur qualitativ verschieden sind, die Vorstellungen sowohl vom Raum (als auch von der Zeit) an uns bewirken sollen". Wir sahen aber, daß TETENS nur die Empfindungen, die wir als Bewegungsempfindungen charakterisieren zu dürfen glaubten, durch einen Aktus der Beziehung zusammenfassen läßt und daß er dann hinterher etwaige wahrgenommene Gegenstände auf dieses Ganze bezogen werden läßt. Zuletzt soll die Entwicklung, daß die Raum- (und Zeit-)vorstellung ohne Wahrnehmung von aufeinander bezogenen Objekten zustande kommen kann, als ein der TETENS'schen Anschauung heterogenes Element von KANT entlehnt sein, diese Auffassung soll gar nicht zu den übrigen Anschauungen TETENS stimmen. In Wirklichkeit hängt diese Anschauung aber auf das Engste mit der TETENS'schen Lehre von den Verhältnissen zusammen. Wir wissen, daß die Verhältnisideen Verhältnisgedanken voraussetzen, daß Verhältnisgedanken nicht ohne Vorstellungen möglich sind, die in Beziehung zueinander gesetzt werden, und daß durch Wahrnehmungsprozesse aus den betreffenden Vorstellungen Ideen und aus den Verhältnisgedanken Verhältnisideen werden (11). Nun setzt aber die Wahrnehmungstätigkeit unter den einen Bedingungen zuerst bei den Verhältnisgedanken, unter den anderen zuerst bei den Vorstellungen an, auf welche sich dieselben beziehen. Das ist nicht nur hier der Fall, sondern bei allen Verhältnissen. TETENS sagt:
Die Entstehung der zeitlichen Beziehung weicht nach TETENS von der der räumlichen nur in zwei Punkten ab. Die Ideen von räumlichen Verhältnissen entwickeln sich im Anschluß an Empfindungen im Gebiet des Gesichts und "Gefühls, die Ideen von zeitlichen Verhältnissen entwickeln sich in "allen unseren Gefühlsarten" (13), bei den "Aktus des Gesichts und des Denkens" (14), d. h. also bei allen psychischen Akten. Das ist das Eine. Eine spezielle Bedingung für die Entwicklung der zeitlichen Auffassung bei den beschriebenen Prozessen des Zusammennehmens (und Wahrnehmens) ist nun in folgender Stelle angedeutet: "es sind erforderlich in uns fortgehende Aktus des Gefühls, die ihre Sukzession und Länge haben." Hier ist die Ausdrucksweise von TETENS offenbar sehr unbestimmt. - Kritisch ist gegen die Raumauffassung von TETENS zunächst zu sagen, daß die behauptete Beziehung der betreffenden Empfindungen zu einem Ganzen durch eine Funktion der "Denkkraft" gar nicht vorliegt. Das ist einfach eine intellektualistische Ausdeutung eines gegebenen psychischen Tatbestandes. Sodann begreift man nicht, wie aus dem durch eine Aktus der Beziehung gewordenen Ganzen der Empfindung, aus den zu einem Ganzen zusammengefaßten Bewegungsempfindungen durch die einfache Wahrnehmung eine räumliche Auffassung, etwas dem Inhalt nach qualitativ davon ganz verschiedenes werden kann. Zuletzt hätte man vielleicht erwarten können, daß besonders hervorgehoben wurde, daß bei dieser Art von Verhältnissen die Materie zu den Verhältnisideen nicht etwa eine bloße innere Empfindung eines Verhältnisgedankens ist, wie uns das in der allgemeinen Entwicklung klar gemacht wurde, sondern hier ist die Materie ein Ganzes, welches die Wirkung eines Verhältnis gedankens in dem Sinne ist, daß durch den Verhältnisgedanken die Empfindungen zu einem Ganzen vereinigt werden und als ein solche Ganzes Materie für die Entwicklung der Verhältnisidee ist. Interessant ist aber, daß TETENS' Entwicklung selbst diese differenten Abhängigkeitsbeziehungen nachweist, wenn diese Differenz auch nicht besonders hervorgehoben ist. TETENS gibt eine psychologische Genesis der Idee der ursächlichen Verknüpfung und eine erkenntnistheoretische Rechtfertigung dieser Idee. Wir behandeln zunächst die psychologische Genesis der Idee der kausalen Verbindung. TETENS entwickelt seine Auffassung hierüber im Anschluß an die Besprechung der Behandlung dieses Problems von Seiten HUMEs. Er referiert von HUME, daß er Rechenschaft gegeben hat über die Genesis der Idee der kausalen Verknüpfung durch den Hinweis darauf, daß bei einer beständigen Folge gewisser Erscheinungen sich eine Assoziation zwischen den Vorstellungen dieser Erscheinungen ausbildet, die an Innigkeit mit der Häufigkeit steigt und aufgrund deren nun bei der Empfindung oder Vorstellung des Antecedens (dessen, was wir Ursache nennen) sich uns die Vorstellung des Consequens (dessen, was wir Wirkung nennen) aufdrängt. "Indem wir nun diese Folge der Ideen außerhalb von uns in die Objekte übertragen", so entspringt der Gedanke, "wenn einer von jenen Gegenständen vorhanden ist, auch der zweite vergesellschaftet sein wird", das heißt, wir stellen uns das Eine wie die Ursache, und das Andere wie die Wirkung vor und denken eine verursachende Verbindung zwischen ihnen." Welche Stellung nimmt nun TETENS zu dieser Entwicklung HUMEs ein? Zunächst gibt er HUME darin recht, daß er den Gedanken: ein Ding ist die Ursache von einem anderen, auf eine Verbindung der Vorstellungen von diesen Größen gegründet sein läßt. Wir werden später sehen, daß TETENS nur eine andere Art der Verbindung der Vorstellungen für die Entstehung dieses Gedankens in Anspruch nimmt. (15) Zweitens erkennt TETENS an, daß wir "die beständige Folge der Empfindungen der Dinge als einen Charakter ihrer ursächlichen Beziehung gebrauchen. Er fügt aber noch ergänzende Bedingungen dazu: dieses Merkmal ist nur dann ein "völlig zuverlässiges", wenn in dem, was wir als Ursache ansprechen, etwas angetroffen wird, was wir Tätigkeit nennen, und sodann, wenn wir uns versichern können, daß nicht etwa noch eine andere Veränderung vorliegt, die als Ursache angesprochen werden könnte. Eine sichere Garantie dafür, daß dies nicht der Fall ist, wird uns da gegeben, wo wir mit der Behinderung oder dem Aufhören des betreffenden Antecedens das Consequens zurückbleiben oder aufhören sehen. Man sieht, hier ergänzt TETENS die logischen Feststellungen HUMEs bezüglich der Kausalbeziehung in ähnlicher Weise, wie das später von JOHN STUART MILL geschehen ist. MILL forderte neben der Unveränderlichkeit der Folge der Veränderungen, noch die Unbedingtheit dieser Folge. Hier wird von TETENS schon die ähnliche Forderung erhoben, wenn er fordert, "daß sonst außer jener Ursache nichts vorhanden ist, was die erfolgte Wirkung hervorbringen kann." Wir handeln hiervon später genauer. Drittens hat TETENS zur Entwicklung HUMEs zu bemerken, daß von der Tatsache, daß wir die Wirkung durch die Ursache hervorgebracht auffassen, nicht genügend Rechenschaft gegeben wird, wenn man dieselbe durch die assoziative Beziehung der betreffenden Ideen erklärt. Der dadurch erzeugte assoziative Zwang von der Vorstellung des Antezedens [das Vorhergehende - wp] auf die Vorstellung des Consequens [das Nachfolgende - wp] überzugehen, kann diese Tatsache nicht begreiflich machen. In manchen Fällen hat allerdings "die Verbindung zwischen den Ideen von Ursache und Wirkung allein in der Assoziation der Einbildungskraft ihren Grund" - das sei der Fall bei den meisten einfachen Grundsätzen der Naturlehre - aber andererseits gilt doch auch für die Fälle, "daß wir in unserem Urteil über die Dependenz voneinander uns noch etwas mehreres unter ihrer ursächlichen Verknüfung vorstellen als die Assoziatioin in den Ideen und die bloße Mitwirklichkeit in den Objekten." In solchen Fällen "setzen wir demnach in uns selbst voraus, daß noch eine andere reelle Verknüpfung zwischen den Objekten vorhanden ist." (16) Daß die Assoziation der betreffenden Vorstellungen die Idee der reellen Verknüpfung der Vorgänge nicht verursacht, ist deutlich daraus zu erkenne, daß, "sobald wir einsehen, daß jene Verbindung der Ideen nichts mehr ist, als eine Assoziation der Einbildungskraft, und daß es eine bloß subjektive Notwendigkeit ist, womit eine auf die andere folgt", das "Urteil des Verstandes" wegfällt, wodurch die Objekte für abhängig voneinander erklärt werden. Die HUMEsche Zurückführung der Idee der ursächlichen Verknüpfung von Vorgängen, auf eine Übertragung der assoziativen Beziehung der bezüglichen Vorstellungen auf die Objekte, können mithin unmöglich zu recht bestehen. Man könne zwischen den Ideen von Ursache und Wirkung leicht eine notwendige Beziehung, eine notwendige Folge, konstatieren. Die Idee der notwendigen Folge beruth also nicht auf einem assoziativen Zwang, sie mag im übrigen sein, was sie will, möge auch über ihre Berechtigung denken, wie man will, darauf kommt es hier noch nicht an. (17) Ist dieser Einwand gegen HUMEs Ausführung berechtigt? HUME würde auf diese Einwand die Antwort geben können: In diesem Argument ist vorausgesetzt, daß die Idee der kausalen Verknüpfung als auf dem assoziativen Zwang, von der Vorstellung dessen, was wir Ursache nennen, zur Vorstellung dessen, was wir Wirkung nennen, überzugehen, beruhend aufgefaßt würde. Die Idee der kausalen Verknüpfung kann aber sehr wohl auf einem assoziativen Zwang, von der Vorstellung dessen, was wir Ursache nennen, auf die Vorstellung dessen, was wir Wirkung nennen, überzugehen, beruhen, ohne als darauf beruhend aufgefaßt zu werden. Das setzt er nie voraus. Und das setzt er in der Tat nicht voraus. Der subjektiv empfundene Zwang wird ohne weiteres in die objektiven Vorgänge hineingedacht. TETENS könnte ja deshalb doch noch HUME gegenüber Recht haben in der Verwerfung der Assoziation der Ideen als genügendem Erklärungsgrund für die Entstehung der Idee der ursächlichen Verknüpfung, und durch diese Verwerfung veranlaßt sein, zufriedenstellendere Rechenschaft über die in der Rede stehende Genesis zu geben. Beides ist in der Tat der Fall, wie sich im folgenden herausstellen wird. In dieser Kritik HUMEs stecken die Keime zur Auffassung der psychischen Genesis der Idee der kausalen Verknüpfung von TETENS. Zwei Faktoren sind es nach TETENS, welche die Entstehung der Idee der kausalen Verknüpfung bedingen; den einen gewinnt er aus der Kritik der HUMEschen Annahme einer beständigen Folge von Veränderungen als objektiver Voraussetzung - diese ergänzende Kritik haben wir kennen gelernt -, den andern aus der Verfolgung des Gedankens, daß die subjektive Voraussetzung der notwendigen Verknüpfung von Ursache und Wirkung für die Entstehung des Gedankens in etwas anderem liegen muß als in der bloßen Assoziation von Vorstellungen. Die Idee der notwendigen Verknüpfung entsteht zunächst aus gewissen Erscheinungen des Willenslebens, bei denen sich uns über die bloße Folge der Empfindungen hinaus Modifikationen im Consequens bei Variationen des Antezedens aufdrängen. Gemeint ist die Beziehung des "eigenen Bestrebens" zu dessen Wirkungen. Wir fülen ein Bestreben und eine Tätigkeit bei demselben (18) und wir empfinden die Wirkung dieses Bestrebens.
"Eine Folge von Eindrücken empfinden, und auch beständig die nämliche Folge empfinden, dies gibt zwar einige von den wesentlichen Zügen des Begriffs her, aber nicht alle Grundteile desselben." "Diesen aus unserem Selbstgefühl genommenen Begriff tragen wir auf die äußeren Gegenständen über" - oder, nach den eigenen Bestimmungen von TETENS, daß in der Ursache eine Tätigkeit (21) angetroffen wird und die Wirkung immer ein werdendes oder entstehendes Ding ist (22), besser gesagt - auf die äußeren Veränderungen. Veranlassung zu dieser Übertragung ist für uns da gegeben, wo wir eine Folge von Empfindungen bemerken und wo wir - das muß in den meisten Fällen hinzukommen (23) - "sonst nichts wahrnehmen, dem die Hervorbringung der Wirkung zugeschrieben werden könnte". (Wenn hier von Hervorbringung der Wirkung gesprochen wird, so ist das eine ungenaue Bezeichnung, wie man sie bei TETENS häufig konstatieren kann. Von einer Hervorbringung dürfte TETENS hier eigentlich noch gar nicht reden: von dieser Seite des Begriffs der Kausalbeziehung hat er bis jetzt keine Rechenschaft gegeben.) Überall wo uns nur eine Folge von Empfindungen und etwa nach das Fehlen einer anderen Veränderung, die für die Wirkung in Anspruch genommen werden könnte, gegeben ist und wir den Begriff der ursächlichen Beziehung anwenden, da legen wir mehr in die äußeren Objekte hinein, nämlich diesen aus den Tatsachen des Willenslebens gewonnenen Begriff von der ursächlichen Verknüpfung. (24) Die soeben dargestellt Verwertung von Tatsachen des Willenslebens für die Entstehung des Begriffs der ursächlichen Verknüpfung ist von RIEHL und auch von mir selbst in der oben erwähnten Preisschrift dahin mißverstanden worden, daß es sich um eine Verwertung der Willensphänomene handelt in einem ähnlichen Sinn, wie dieselbe von HUME widerlegt oder vielmehr zu widerlegen versucht worden ist. RIEHL läßt nämlich (25) TETENS hier folgende Anschauung aussprechen:
Übrigens scheint mir das Mißverständnis von RIEHL durch TETENS selbst verschuldet zu sein. TETENS drückt sich einmal in einer von uns auch schon zitierten Stelle sehr breviloquent [kurz im Ausdruck - wp] folgendermaßen aus: "Diesen aus unserem Selbstgefühl genommenen Begriff tragen wir auf die äußeren Gegenstände über." (26) Voraufgegangen ist die genauere Auseinandersetzung darüber, welche Art von Beziehung zwischen Antecendens und Consequens uns in der Beziehung unseres Strebens zu den Wirkungen desselben entgegentritt. Hier faßt TETENS die Gefühle und Empfindungen (gefühlt wird nach ihm das Bestreben, empfunden die entfernteren Wirkungen desselben), auf deren Relationen sich der Begriff der ursächlichen Verknüpfung gründet, zusammen unter den Terminus des Selbstgefühls. Daß er hier vom Selbst gefühl redet, entspricht seiner etwas laxen Terminologie, indem er die Ausdrücke Gefühl und Empfindung häufig promiscue [mehrdeutig - wp] gebraucht (mit dem Terminus Gefühl hebt er mehr die Empfindungs tätigkeit, mit dem Terminus Empfindung mehr den Empfindungs inhalt hervor). Vom Selbst gefühl zu sprechen, wird er hier durch den Gegensatz zu den äußeren Gegenständen veranlaßt. Einen ähnlichen Sprachgebrauch findet man z. B. Seite 404 und 405. - Zuletzt sagt TETENS nicht, daß das Selbstgefühl auf die äußeren Gegenstände übertragen wird, sondern der aus dem Selbstgefühl genommene Begriff. In die kritische Würdigung dieser Auffassung von TETENS wollen wir erst nach der Besprechung des zweiten Faktors eintreten, welcher zur Entstehung des Begriffs der ursächlichen Verknüpfung führt. Der psychologisch (und erkenntnistheoretisch) wertvollste Fall der Kausalbeziehung ist uns nach Tetens in unseren Schlußprozessen gegeben, in der Beziehung der Prämissen zum Schlußsatz (27) Welcher Art ist diese Beziehung? Wenn wir aus zwei Vordersätzen einen Schlußsatz ziehen, haben wir es da vielleicht mit der Wirkung einer Assoziation einer dritten Idee an die beiden voraufgegangenen zu tun? Das auf keinen Fall. Denn häufig sind die betreffenden Gedanken noch gar nicht in einer assoziativen Beziehung zueinander getreten. Sodann ist der Schlußsatz aus den Prämissen zu "begreifen". Damit ist eine eigenartige Beziehung bezeichnet, die gar nichts mit Assoziation zu tun hat.
Zu dieser Auffassung des Schließens als eines exquisiten Falls von Erfahrung und Verursachung bemerkt RIEHL: "Er (Tetens) hält den begrifflichen Zusammenhang von Grund und Folge für einen Fall von Verursachung, während er ein Fall von Identität ist." (31) Doch auch vorausgesetzt, daß im Schließen nur Identitätsbeziehungen gesetzt werden, so werden sie doch eben gesetzt. Der psychische Prozeß des Setzens von Identitätsbeziehungen kommt doch wohl nicht anders als durch ein kausales Geschehen im Denken zustande. Den aus dem erlebten Verhältnis der Prämissen zum Schlußsatz gewonnenen Begriff von der ursächlichen Verknüpfung übertragen wir nun auf das äußere Geschehen. Diese Übertragung findet da statt, wo wir die Wirkung aus der Ursache für begreiflich halten oder wo wir zumindest etwas am Eintreten der Wirkung zu begreifen glauben und begreifen. Nicht immer halten wir die Wirkungen aus Ursachen begreiflich.
Die in Rede stehende Übertragung vollzieht sich aber nicht nur aufgrund einer Verwechslung der Begreiflichkeit mit der assoziativen Verknüpfung, sondern sie gründet sich in anderen Fällen auf eine partielle Begreiflichkeit der Wirkung aus der Ursache, nie aber auf eine völlige Begreiflichkeit der Wirkung aus der Ursache. Eine partielle Begreiflichkeit liegt vor bei mechanischen Wirkungen.
Sodann entwickelt TETENS, daß wir das Trägheitsgesetz nicht ganz auf Induktion gründen können.
Wir vermissen in dieser Ausführung eine Angabe darüber, ob nicht hier in diesen Fällen eine völlige Begreiflichkeit angenommen wird, auch wenn sich nur eine partielle rechtfertigen läßt. Das beruth ohne Zweifel auf einem Hineinspielen der logisch-erkenntnistheoretischen Betrachtungsweise in die psychologische. Eine völlige Begreiflichkeit der Wirkung aus der Ursache liegt nach TETENS niemals vor. Wir haben vorhin eine solche Behauptung bezüglich der allgemeinen Bewegungsgesetze gehört und einzelner konkreter Fälle. TETENS sagt das aber auch allgemein: "Wir begreifen bei den wirklichen Verursachungen manches, aber keine von ihnen völlig!" (44) Tatsächlich liegt also nur eine partielle Begreiflichkeit der Wirkung aus der Ursache vor. Die völlige Begreiflichkeit der Wirkung aus der Ursache ist eine Voraussetzung, ein "Postulat" für einen Verstand, der sich die objektive Beziehung "im nötigen Licht deutlich und vorstellt". Wir wollen diese interessante Stelle aus TETENS zu zitieren nicht unterlassen. Er sagt:
Wir wollen nun kritisch zu dieser Theorie der Genesis unserer Vorstellung der kausalen Beziehung Stellung nehmen. Die angeführten Tatsachen aus dem Willensleben scheinen uns nicht geeignet, die Idee der kausalen Verknüpfung zu erzeugen. Wenn wir erfahren, daß allemal dann, wenn unser Bestreben aufhört, die auf dasselbe folgende Veränderung aufhört und daß, wenn unser Bestreben vorhanden ist, auch die betreffende Veränderung entsteht, so ist uns hierin noch nichts gegeben, was uns die Idee der Notwendigkeit der Verknüpfung über die HUME'sche Ableitung hinaus gibt. Es entsteht allerdings bei einer Bedingung aufgrund dieses Tatbestandes in uns die Idee der notwendigen Verknüpfung des Consequens mit dem Antecedens: nämlich unter der, daß der Satz gilt: "Nichts entsteht ohne Ursache." In einem Individuum, welches die Gültigkeit des allgemeinen Kausalsatzes unwillkürlich in seinem Denken voraussetzt, entsteht allerdings unter den angegebenen Bedingungen die Idee einer (bestimmten) notwendigen Beziehung zwischen Antecedens und Consequens. Glaubt man aber, daß mit diesen Bedingungen die Bedingungen für die Entstehung einer Idee der notwendigen Verknüpfung eines Antecedens mit einem Consquens für das hier vorauszusetzende Subjekt gegeben ist, so macht man sich eines typischen Intellektualistischen Fehlers schuldig. So verstehen wir auch, daß in der angeführten Parallelstelle die Betrachtung eine rein logische ist (46) - TETENS sucht da die Bedingungen anzugeben, unter denen wir es mit einem "völlig zuverlässigen Merkmal" des Vorhandenseins einer ursächlichen Beziehung zu tun haben -, und so verstehen wir weiter, daß an der für uns unmittelbar in Betracht kommenden Stelle keine bestimmte Angabe über die Verwertung eines Tatbestandes in psychologischer Hinsicht gemacht ist. Der Mangel an Scheidung des logisch-erkenntnistheoretischen Gesichtspunktes vom psychologischen hat es auch bedingt, daß TETENS die von HUME verworfene Verwertung des Willenslebens für unser Problem nicht zu rechtfertigen wußte. Wenn jemand behauptet, daß wir bei unserer äußeren Willenstätigkeit zu erfahren glauben, daß das Antecedens das Consequens hervorbringt, und daß das hier gegebene Gefühl des Strebens sich auf die Vorstellung der Beziehung eines konstanten Antecedens zu einem Consquens überträgt, so daß auch hier das Consequens aus dem Antecedens mit Notwendigkeit zu folgen scheint, so kann man ihn nicht dadurch widerlegen, daß man zeigt, daß die Vorstellungsweise, daß wir in diesen Tatsachen des Willenslebens das Hervorkommen der Wirkung aus der Ursache erleben, falsch ist. Wenn man diesen Versuch macht, so verwechselt man die psychologische mit der erkenntnistheoretischen Betrachtungsweise. Eine andere Frage wäre dann immer noch die, ob in diesem Faktor der einzige gegeben ist, welcher die naive Auffassung von der Kausalbeziehung bedingt. Es ist interessant, zu sehen, wie die verschiedenen Autoren bei der Rechenschaftsablegung über die hier in Rede stehende Genesis entweder nur den einen oder nur den andern als wirkend zu Recht bestehen lassen. Ich glaube, man macht hier denselben Fehler, den man früher bei der Deutung der Bewegungsempfindungen beging. Der Eine sagte: es handelt sich hier um Hautsinnempfindungen, der Andere: nein, um Muskelsinnempfindungen, der Dritte: um Gelenkempfindungen, der Vierte: um Innervations[Nervenimpulse - wp]empfindungen, während in Wirklichkeit diese Faktoren (wenn man die 4. Behauptung etwas modifiziert) zusammenwirken. Es handelt sich hier um eine falsche Anwendung des Prinzips der Sparsamkeit in der Verwendung von Erklärungsprinzipien. Denn die Existenz der hier in Betracht kommenden Faktoren ist nicht bloß angenommen, sondern sie sind als causa verae gegeben, und zwar - was eigentlich bei den causa verae scharf voneinander geschieden werden sollte - nicht etwa als irgendwo wirklich vorkommend nachzuweisen, sondern hier in diesem Fall gegeben! Doch kehren wir zu unserem Thema zurück. Wenn wir in der von TETENs vollzogenen Wertung des Willenslebens für die Entstehung der Idee der kausalen Verknüpfung einen intellektualen Fehler konstatieren zu müssen glaubten, so scheint uns dagegen in seiner Entwicklung über die Bedeutung des Schließens für die Genesis unserer kausalen Auffassung eine Erkenntnis von bleibender Bedeutung gegeben zu sein. Wir halten TETENS' Behauptung für zu Recht bestehend, daß uns in unserem Schließen die kausale Beziehung in der ausgeprägtesten Gestalt gegeben ist und daß wir die hier erfahrene Notwendigkeit der kausalen Beziehung in gewisse Vorgänge in der Außenwelt (und der sonstigen Innenwelt) hineindenken. Es liegt die Annahme nahe, daß sich die hier erlebte Art von Notwendigkeit besonders auf solche Fälle von kausaler Beziehung überträgt, wo die Wirkung aus der Ursache partiell zu begreifen ist, oder wo überhaupt bei unserer psychischen Behandlung der Beziehung zwischen Ursache und Wirkung unsere eigentliche Denktätigkeit in stärkerem Maß in Anspruch genommen wird. Historisch genetisch ist diese Theorie von Tetens, wie wir gezeigt haben, hervorgewachsen aus der kritischen Betrachtung der Hume'schen Entwicklungen über dieses Problem. Wir sahen, daß der eine Teil seiner Theorie aus der kritischen Behandlung der von HUME angegebenen subjektiven Bedingungen für die Entstehung dieser Beziehung hervorging. Mit den Anschauungen der Wolffianer hat diese ganze Entwicklung von TETENS nichts zu tun, da diesen die Kausalbeziehung angeboren ist. - Wir können uns nun zur erkenntnistheoretischen Behandlung des Kausalproblems nach TETENS wenden. TETENS wirft hier die Frage auf, ob es unter unseren Urteilen über die wirkende Verbindung von Ursache und Wirkung nicht auch einige gibt, die mit demselben Grad von subjektiver Notwendigkeit gefällt werden, mit dem der Schlußsatz aus seinen Prämissen abgeleitet wird. Welches sind die Bedingungen für die logisch gültige Entstehung des Gedankens: "Ein Ding ist die Ursache, die ein anderes hervorbringt?" Dieser Gedanke
Später müssen wir auf die erkenntnistheoretische Bedeutung der zitierten Feststellung von TETENS noch zurückkommen. Wenn wir nun Kausalurteile über bestimmte Veränderungen fällen wollen, die subjektiv notwendig sind, so muß einmal (abgesehen von den leicht zu kontrollierenden Bedingungen, die oben aufgeführt wurden) die Annahme begründet sein, daß Nichts aus Nichts wird - auf diese Annahme gehen wir später näher ein, wir wollen hier zunächst vorwegnehmen, daß diese Annahme eine durchaus subjektiv notwendige ist -, sodann muß es sicher sein, daß die entstandene Sache nicht anderswoher ihren Ursprung hat. Wir müssen nur dann notwendig annehmen, daß die entstandene Sache nicht anderswoher entstanden ist,
Nehmen wir den Fall einer äußeren Willenstätigkeit. Wenn auf unseren Willen eine bestimmte gewollte Bewegung des Körpers folgt, da sind die geforderten Bedingungen realisiert und da handelt es sich um einen subjektiv notwendigen Gedanken. Aber sobald dieser Gedanke subjektiv notwendig ist, bringen der Harmonist und der Idealist es fertig, die Bewegung im Körper in Gemäßheit des Willens als andersher, nämlich aus den Kräften des Körpers entstanden zu denken. So wird durch "Spekulation oder Empfindung oder Instruktion", was es auch ist,
So ist also das Urteil über "diese oder jene besondere" ursächliche Verbindung beim Realisiertsein der angegebenen Bedingungen nicht schlechthin notwendig. Wir sprechen deshalb hier von "subjektiv bedingt notwendigen Urteilen". Anders stellt sich die Sache, wenn (außerdem oder allein) die Wirkung aus der Ursache begreifbar ist. Dann sind bestimmte Kausalurteile subjektiv schlechthin notwendige Urteile. Wenn die Begreiflichkeit zu den obigen Merkmalen hinzukommt, so ist das Kennzeichen der Abhängigkeit des Einen vom Andern untrüglich. Wo die Begreiflichkeit vollständig ist, da ist "sie allein Kennzeichen genug von einer wahren Verursachung". (50) (Man vergleiche übrigens die mißverständliche Ausdrucksweise von TETENS Seite 497 und 498 und vergleiche sie mit der im Laufe dieser selbigen Untersuchung Seite 499 getroffenen Bestimmung: er verabsäumt es wieder, sich hypothetisch auszudrücken!) Nun wird die Frage aufgeworfen, ob die Begreiflichkeit aber auch wirklich eine wahre, vollständige ist. Diese Frage wird, wie wir schon wissen, in folgender Weise beantwortet: "Wir begreifen bei den wirklichen Verursachungen manches, aber keine von ihnen völlig." (51) Also gibt es nach TETENS keine bestimmten Kausalurteile, die schlechthin notwendig sind (52). Diese Tatsache macht TETENS
Man kann diesem Satz auch die Form geben: ein werdendes oder gewordenes Ding hat eine Ursache. Hier könnte nun aber Jemand geneigt sein zu sagen: wenn das richtig wäre, wenn der angegebene Satz ein subjektiv notwendiger wäre, dann müßte ich mir kein werdendes oder gewordenes Ding vorstellen können, ohne es als verursacht aufzufassen. Das ist aber tatsächlich nicht der Fall: es kann ein werdendes oder gewordenes Ding vorgestellt werden, ohne daß man es zugleich als verursacht auffaßt. Darauf antwortet TETENS: Es ist ein großer Unterschied, ob Jemand sich ein werdendes oder gewordenes Ding vorstellt oder ob er es sich als ein werdendes oder gewordenes vorstellt. Bei der ersten Vorstellungsweise mag allerdings der Gedanke an das Verursachtsein nicht auftreten; sobald wir uns aber ein werdendes oder gewordenes Ding als werdend oder geworden vorstellen, da müssen wir eine Ursache hinzudenken.
Diese Auffassung besteht aber nicht zu Recht. Denn die Erfahrung zeigt uns so häufig ein Entstehen, ohne daß wir vorangehende Ursahen beobachten können, daß man, wenn die Erfahrung hier das Entscheidende wäre, geradesogut die Entstehung des Gedankens: "Etwas entsteht ohne Ursache" erwarten könnte. Die hier vorliegende Notwendigkeit kann also nicht gegründet werden auf ein "Beisammensein in den Empfindungen"; man muß, um Rechenschaft von derselben zu geben, tiefergehen in der Natur unserer Denkkraft. Hier kommt ein besonderer Fall des "Gesetzes des Beifalls" (55) zur Anwendung:
Wenn man aber auch diese Auffassung psychologisch anerkennen könnte, so müßte man sich weiter orientieren, ob die gedachte Übertragung erkenntnistheoretisch zu Recht besteht, ob nicht etwa eine einfach psychische Notwendigkeit und keine Denknotwendigkeit uns zu dieser Übertragung veranlaßt, und dürfte die so entstandene Auffassungsweise nicht ohne weiteres als zu den "natürlich notwendigen Denkarten" gehörig bezeichnen. Hier ist die einfache psychische Notwendigkeit (das, was man gewöhnlich psychologische Notwendigkeit nennt) nicht von der Denknotwendigkeit geschieden. Bei der Behandlung der Inhärenzbeziehung fragen wir wieder zuerst nach der Entstehung dieses Beziehungsgedankens und dann nach seiner erkenntnistheoretischen Berechtigung. Wie kommen wir zu dem Gedanken, daß Etwas eine Beschaffenheit in einem Ding, in einem Objekt, eine Akzidenz [Merkmal - wp] in einer Substanz ist? Wann fassen wir Etwas als ein Ding auf?
Diese Empfindung mag aus einer Menge, und aus einer unzähligen Menge von kleineren Gefühlen bestehen, die aufeinanderfolgen; und jedes auf einmal vorhandene Gefühl mag mehrere einfachere gleichzeitige in sich enthalten, so ist es doch für mich ein Gefühl, und ein und derselbe Aktus des Bewußtseins, womit ich diese Summe von Gefühlen, oder was es ist, zusammennehme, und daher als eine Empfindung unterscheide. Ich bemerke keine Mannigfaltigkeit in diesem Aktus, und keine Folge, und keine Teile, oder wenn ich sie auch nachher bemerke, so sondere ich solche nicht voneinander ab. Sie machen ein vereinigtes Ganzes in der Empfindung und in der Wiedervorstellung aus, dessen Teile in Verbindung miteinander vorhanden sind." Später hebt TETENS aber noch einen Faktor hervor, wovon die Auffassung dieser Größe als eines Ganzen bedingt ist. Da, wo wir von einem Ding sprechen, liegt ein "unzertrenntes Ganzes" vor, "dessen Bestandteil durch die Koexistenz vereinigt waren". Also Bedingung für die Entstehung der Idee von einem Ding ist zunächst das Vorhandensein eines Empfindungskomplexes, durch den uns ein "unzertrenntes" Ganzes, dessen Bestandteil koexistieren, gegeben ist, sodann die Erfaßbarkeit dieses Komplexes in einem Akt des Bewußtseins. Dazu kommt dann noch die Unterscheidung dieses Ganzen von anderen Ganzen hinzu. Wir haben zunächst weiter zu fragen: wie kommen wir dazu, Etwas als eine Beschaffenheit von einem Ding aufzufassen? Dazu ist nötig, daß in einem charakterisierten Ganzen "ein unabgesonderter, mit dem übrigen vereinigter Zug sich vor anderen an leichterer Apperzeptibilität ausnimmt." Die Denkkraft unterscheiden dann diesen Zug in diesem Ganzen.
Hier bleiben wir zunächst beim Dingbegriff in seiner Beziehung zum Begriff der Beschaffenheit stehen und behandelnd nach der Besprechung der Genesis des Begriffs der äußeren Dinge den des Seelendings, wie man frei nach TETENS sagen könnte. HUME sah das Ich als eine Verbindung unserer Empfindungen und Vorstellungen zu einem ganzen mittels der Phantasie an. Daraus zog er dann erkenntnistheoretisch den Schluß, daß die Seele nichts anderes ist als ein Inbegriff von Beschaffenheiten und Veränderungen, nicht etwa ein Ganzes, "ein wirkliches Ding". So leugnete er die Existenz der Seele und erkannte nur die Existenz unserer Gedanken an. Dazu bemerkt TETENS interessanterweise: "Allerdings war dies die äußerste Grenze im räsonnierenden Skeptizismus." TETENS gibt hier einen Hinweis auf die erkenntnistheoretischen Bedeutung der psychologischen Auffassung von HUME, weil er glaubt, psychologisch einen Tatbestan aufweisen zu können, der unmittelbar eine gerade entgegengesetzte erkenntnistheoretisch-metaphysische Folgerung zuläßt. Wenn ich irgendeine Vorstellung habe oder irgendeine andere klarbewußte psychische Funktion, so kann ich, wenn ich genauer zusehe, außerdem in mir noch etwas anderes konstatieren, nämlich einen dunklen psychischen Hintergrund, von dem sich eben die betreffende psychischen Funktion als ein hervorstechender Zug abhebt, der sich gegen diesen hervorstechenden Zug "wie die Fläche des Landes gegen den Fuß eines hervorragenden Berges verhält". Die klarbewußte Funktion stellt sich uns dar als ein hervortretender Zug "in einem viel größeren, ausgebreiteteren, stärkeren, obgleich in seinen übrigen Teilen dunklen oder doch wenig klaren Gefühl". Dieser dunkle Grund und seine Beziehung zu einer klar bewußten Funktion bringt mich nun nach TETENS auf die nämliche Art auf den Gedanken,
Wenn wir den hier psychologisch festgestellten Tatbestand mit den Behauptungen HUMEs in Beziehung setzen wollen, so müssen wir sagen, daß HUME sich im Widerspruch mit den Tatsachen befindet, indem er das Ich als eine Sammlung von einzelnen Vorstellungen auffaßt, zusammengefaßt durch die Phantasie; nicht durch die Phantasie ist die Vereinigung dieses Ganzen zustande gebracht, "die Vereinigung liegt in der Empfindung selbst, in der Natur, nicht in einer selbstgemachten Vereinigung".
Die psychologische Genesis des Dingbegriffs nach TETENS werden wir kritisch behandeln, nachdem wir seine Auffassung über die Genesis des Objekt- und Substanzbegriffs kennen gelernt haben. Wir sahen ja, daß TETENS den Dingbegriff außergewöhnlich eng faßt, es erscheint uns deshalb die gesonderte kritische Würdigung seines Dingbegriffs nicht zweckmäßig. Die Inhärenzbeziehung tritt nach ihm da auf, wo in einem Empfindungskomplex, der in uns die Dingvorstellung erweckt, ein abgesonderter Zug sich an leichter Apperzeptibilität auszeichnet. Da wird dieser Zug als in einem Ganzen enthalten aufgefaßt. Dagegen haben wir nichts einzuwenden. HUME gegenüber hat TETENS in der psychologischen Ausführung ohne Zweifel darin recht, daß nicht die Einbildungskraft die einzelnen Vorstellungen zu einem Ganzen vereinigt, welches wir als unser Ich auffassen, sondern daß hier eine "Vereinigung in der Empfindung selbst" liegt. Daß dunkelbewußte psychische Größen, welche mit unseren klarbewußten psychischen Akten gleichzeitig gegeben sind, mit ihnen in der Empfindung selbst verbunden sind, in unserem Ichbewußtsein eine Rolle spielen, ist sicher. Dahin gehören vor allem die Empfindungen des eigenen Körpers. Nun finden wir aber bei TETENS keine nähere Charakterisierung dieses dunklen Grundes des klarbewußten psychischen Akte. Dunkelbewußte Vorstellungen können nicht gut damit gemeint sein, da dies ja variable Elemente sind und sich als Materials zur Entwicklung der Idee der Identität des Ich wenig eignen würden. Neben jenen Empfindungen des eigenen Körpers kämen dann noch Gefühle (im jetzigen Sinn des Wortes) in Frage. Wir haben aber nicht das Recht, weder die Einen noch die Anderen als die von TETENS gemeinten zu bezeichnen. Es scheint hier vielmehr, daß in diesem dunklen Grund der Empfindungen, Vorstellungen, Willens- und Denkakte die leibhaftige Seele selbst gegeben ist! Denn das hier gegebene Ich wird der Seele gleichgesetzt. Dann versteht man auch, wie HUME durch die gegebene Ausführung erkenntnistheoretisch widerlegt sein soll, wenn man dabei noch außerdem voraussetzt, daß diese Entwicklung der naiven Vorstellungsweise zugleicht berechtigt ist. Die Sache stellt sich allerdings nach den Ausführungen von TETENS im 2. Band über die Phänomenalität der uns gegebenen psychischen Zustände etwas anders. Danach ist das Ich, welches wir fühlen, eine Wirkung des Seelenwesens und des Gehirns.
Wir können uns jetzt zur Besprechung der erkenntnistheoretischen Behandlung der Inhärenzbeziehung wenden. Die psychische Entstehung dieser Beziehung besteht ebenso wie die Entstehung der Idee des Dings erkenntnistheoretisch, wie wir sahen, nach TETENS zu Recht. Die angegebenen Bedingungen zur Entstehung der Beziehungsidee sind zugleich auch die logischen Bedingungen für die Rechtfertigung derselben. Nun bleibt aber nach TETENS erkenntnistheoretisch noch Rechenschaft darüber zu geben, "warum wir uns die Bewegung, die Farbe, die Figur, den Gedanken usw. nicht anders als in der Gestalt der Akzidenzien vorstellen, die ein Subjekt voraussetzen, worin sie existieren." (66) Wir haben es hier, wie man leicht sieht, mit einer analogen Beziehungstätigkeit zu tun wie da, wo wir ein als entstehend aufgefaßtes Ding auf eine Ursache beziehen. Der Idee des entstehenden Dings "klebt die Beziehung auf eine Ursache an", der Idee der Beschaffenheit "klebt die Beziehung auf ein Subjekt an". Hier wie dort haben wir es mit einer "subjektiv notwendigen" Denkungsart zu tun. Die hier vorliegende Notwendigkeit des Denkens ist ferner keine unbedingte, (67) das beweist die Behauptung HUMEs, man könne sich Gedanken vorstellen, ohne sich zugleich auf eine Seele als ihr Subjekt zu beziehen. Die natürliche Notwendigkeit des Denkens kann gehemmt werden, indem durch eine "starke Absonderung in Gedanken" die Akzidenzien "substantifiziert" werden. Wir erinnern uns an die bedingt subjektiv notwendigen Urteile in der analogen früheren Betrachtung. Worauf gründet sich nun aber diese bedingt subjektiv-notwendige Denkungsart?
Den zuletzt besprochen Inhärenzsatz, sowie den Kausalsatz: "Nichts wird ohne Ursache" zählt TETENS zu dem materiell notwendigen Sätzen, zu den Sätzen, deren Notwendigkeit in der Materie des Urteils begründet ist. (70)
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1) 4. Versuch, Seite 359. 2) 4. Versuch, Seite 359 3) 2. Versuch, Seite 199 und 200. 4) 4. Versuch, Seite 359 5) 4. Versuch, Seite 360. 6) 4. Versuch, Seite 360 7) 4. Versuch, Seite 357-359 8) 4. Versuch, Seite 360. 9) 2. Versuch, Seite 201; siehe auch 3. Versuch, Seite 279 10) OTTO ZIEGLER, Tetens in Beziehung zu Kant, Leipzig 1888. 11) 4. Versuch, Seite 356. 12) 4. Versuch, Seite 357, siehe auch 358. 13) 4. Versuch, Seite 359. 14) 4. Versuch, Seite 398 15) 4. Versuch, Seite 315. 16) 4. Versuch, Seite 317 17) 4. Versuch, Seite 317 und 318 18) 4. Versuch, Seite 315 19) 4. Versuch, Seite 324 20) 4. Versuch, Seite 324 21) 4. Versuch, Seite 315 22) 7. Versuch, Seite 494 23) 4. Versuch, Seite 324 24) 4. Versuch, Seite 325 25) RIEHL, Kritizismus I, Seite 189f 26) 4. Versuch, Seite 324 27) 4. Versuch, Seite 322f und 325f 28) 4. Versuch, Seite 325 29) 4. Versuch, Seite 325 und 326 30) 4. Versuch, Seite 323 31) RIEHL, Kritizismus I, Seite 190 32) 4. Versuch, Seite 324 33) 4. Versuch, Seite 326, 327 34) 4. Versuch, Seite 498f 35) 4. Versuch, Seite 499 36) 4. Versuch, Seite 327 37) 4. Versuch, Seite 327 38) 4. Versuch, Seite 318 39) 4. Versuch, Seite 318 und 319 40) 7. Versuch, Seite 500 41) 4. Versuch, Seite 329 42) 4. Versuch, Seite 321,322 43) 4. Versuch, Seite 322 44) 4. Versuch, Seite 499 45) 4. Versuch, Seite 327 46) 4. Versuch, Seite 315 und 316 47) 7. Versuch, Seite 494 48) 7. Versuch, Seite 495 49) 4. Versuch, Seite 315 und 316 50) 7. Versuch, Seite 498 51) 7. Versuch, Seite 499 52) 7. Versuch, Seite 515 und 516 53) 7. Versuch, Seite 500 54) 7. Versuch, Seite 502 und 503 55) 7. Versuch, Seite 504 56) 7. Versuch, Seite 506 57) 7. Versuch, Seite 507 58) 5. Versuch, Seite 390 59) 5. Versuch, Seite 390 60) 5. Versuch, Seite 391 61) 5. Versuch, Seite 394 und 395 62) 5. Versuch, Seite 393 63) 13. Versuch, Seite 169 und 170 64) 13. Versuch, Seite 171 65) 13. Versuch, Seite 172 66) 7. Versuch, Seite 509 67) 7. Versuch, Seite 510 68) 7. Versuch, Seite 511 69) 7. Versuch, Seite 506 70) 7. Versuch, Seite 515 71) 7. Versuch, Seite 515 72) 7. Versuch, Seite 513 73) 7. Versuch, Seite 494 |