cr-4LeibnizTetensMendelssohn    
 
CHRISTIAN WOLFF
(1679 -1754)
Vernünftige Gedanken von den
Kräften des menschlichen Verstandes

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"Wo man gründliche Erkenntnis liebt, kommt es hauptsächlich auf deutliche Begriffe und ordentliche Beweise an. Ich weiß wohl, daß es Leute gibt, die beides verwerfen. Sie verachten, was sie nicht nachtun können. Und sie tun wohl daran: weil sie nichts weiter als Ansehen bei Unverständigen suchen, das ihnen einträglicher ist, als ein wohlbegründeter Ruhm bei Verständigen: allein da bei mir die Wahrheit über alles geht; so kann ich sie wohl bei ihren fünf Sinnen lassen, werde aber nimmermehr aus  interessierten Absichten von gründlicher Erkenntnis ablassen."


Vorrede
Geneigter Leser

§ 1. Der Mensch hat nichts vortrefflicheres von  GOtt  empfangen, als seinen Verstand: denn sobald er nur in demselben verrückt wird, so bald wird er entweder ein Kind oder ärger als ein wildes Tier, und ist also ungeschickt  GOtt  zu ehren und den Menschen zu dienen. Solchergestalt kann einer umso vielmehr ein Mensch genannt werden, je mehr er die Kräfte seines Verstandes zu gebrauchen weiß. Und dann sollte ein jeder, besonders aber der ein Gelehrter sein oder werden wollte, mit rechtem Eifer danach streben, wie er so zu hurtigem Gebrauch der Kräfte seines Verstandes gelangen möchte, als nur immer möglich sit. Allein daran gedenken die wenigsten, und die meisten machen aus der Gelehrsamkeit ein bloßes Gedächtniswerk, fliehen vor dem Nachsinnen ärger als vor einer Schlange. Daher ist ihnen alles verhaßt, was Nachdenken erfordert, und sie zu fertigem Gebrauch ihres Verstandes bringt: hingegen angenehm, was sie als eine Mähr halb schlafend fassen können und sie bei der Art zu denken läßt, welche sie von Kindheit an mit ungelehrten Leuten gemein gehabt haben. Man kann aber die Kräfte des menschlichen Verstandes nicht anders, als durch die Erfahrung erkennen, indem wir sie gebrauchen. Solchergestalt können diejenigen, welche nur die Gedanken anderer zusammenschreiben und sich niemals im Erfinden geübt haben, auch Zeit ihres Lebens keine demonstrierte, das heißt keine recht gründlich ausgeführte Wahrheit begriffen haben, wenig oder gar nichts von den Kräften des Verstandes und ihrem Gebrauch wissen, es sei denn, daß sie etwas in tauglichen Büchern davon gelesen haben. Allein die Bücher sind in dieser Materie eben nicht in allen Buchläden zu finden, und ich fürchte, wenn auch einer, der noch nicht in gründlichen Wissenschaften erfahren ist, eines antrifft, er wird das wenigste davon verstehen. Also ist kein anderes Mittel zu dieser Erkenntnis zu gelangen, als wenn man gründlich demonstrierte Wahrheiten recht begreifen lernt und danach untersucht, wie sie hätten können erfunden werden, und wenn man dadurch eine Fähigkeit nachzusinnen erlangt, Sachen zu suchen sich bemüht, die uns noch unbekannt sind, ja auch wohl noch sonst von niemandem erfunden worden sind: schließlich genau zu erforschen sich angelegen sein läßt, was die Ursache ist, daß wir von demonstrierten Wahrheiten so deutlich überführt werden, und wie es zugeht, daß man aus einigen bekannten Wahrheiten andere noch verborgene herleiten kann. Nun wäre derjenige entweder höchst unverschämt, oder überaus einfältig, welcher vorgeben wollte, man könnte außer der Mathematik ebenso gründlich erwiesene oder demonstrierte Wahrheiten und so richtige Erfindungen antreffen wie in derselben. Denn außer der Mathematik schreibt man entweder nach einer ganz anderen Methode, als in derselben gewöhnlich ist, oder man befleißigt sich die mathematische Methode anzubringen. Im ersten Fall sehen Verständige eine sehr große Verwirrung: denn bald beklagen sie sich, daß die Wörter gar nicht, oder doch selten für tauglich erklärt, viele Sachen ohne Beweis angenommen, und andere nicht genug, öfters gar unrichtig erwiesen werden. Im anderen Fall aber ist es zur Zeit wohl noch keinem gelungen, der mathematische Demonstrationen in anderen Disziplinen, als der Mathematik, vorbringen wollen. DESCARTES, obgleich er ein großer  Mathematicus  war, hat die Schwäche seines Beweises, daß ein  GOtt  ist, niamls mehr sehen lassen, als da, wo er sich von MERSENNE, einem überaus gelehrten Mönch in Frankreich, bereden ließ, auf geometrische Art denselben vorzutragen. SPINOZA in seiner  Ethica  und RAPHSON in seiner "Demonstratione de Deo" haben sich im Demonstreieren sehr schlecht aufgeführt, obgleich es beiden nicht an Verstand gefehlt hat, auch beide in der Mathematik nicht unerfahren gewesen sind. Sie erklären viele Wörter durch andere gleichgültige, nehmen unbewiesen an, was öfters am meisten hätte sollen erwiesen werden, ja verbinden auch bisweilen gar die Schlüsse nicht miteinander, wie es billig geschehen sollte. Deswegen bleiben bloß die mathematischen Wissenschaften übrig, daraus man den richtigen Gebrauch der Kräfte des Verstandes ersehen kann. Und in dieser Absicht habe ich in meinen Anfangsgründen der mathematischen Wissenschaften mich bemüht, alles auf eine solche Art, soviel wie möglich vorzutragen, wie es hätte erfunden werden, und befleißige mich auch in meinen  Collegiis  dergleichen Anmerkungen einfließen zu lassen, damit ich, soviel an mir ist, meine Zuhörer zum Nachsinnen anführe, da ihnen ohnedem viele Hindernisse in den Weg gelegt werden. Es darf aber niemand das gemeine Sprichwort: ein jeder Schäfer lobt seine Keule, auf mich applizieren: denn wer mich kennt und nicht wider sein Gewissen reden will, wird nicht umhinkönnen, mir das Zeugnis zu geben, daß die Liebe zur Wahrheit bei mir über alles geht, und soll sich keiner getrauen mir ins Gesicht zu sagen, daß ich aus interessiertem Gemüt etwas rede, vielweniger schreibe. Vielmehr enthalte ich mich öfters die Wahrheit zu sagen, und vermisse lieber den Profit, den ich rechtmäßigerweise haben könnte, so oft ich sehe, es könnte Anlaß geben, mich für interessiert zu halten. Deswegen will ich auch lieber hier das Zeugnis anderer anführen, als micht auf meine eigene Erfahrung berufen. Man hält hier an unseren Orten LOCKEs Werk vom Verstand des Menschen insgemein für überaus sinnreich, so, daß auch diejenigen, welche alle seine Landsleute schimpflich verachten, ihn dennoch erheben. Allein, lieber! wem schreibt LOCKE die Fähigkeit seines Verstandes zu, und was rekommendiert [empfiehlt - wp] er für ein Mittel um scharfsinnig zu werden? Man schlage auf unter den Werken, die zu London 1706, nach seinem Tod herauskommen, den Traktat von der Leitung des menschlichen Verstandes, Seite 32f, so wird man finden, daß er seine Scharfsinnigkeit der Mathematik zuschreibt, und vielmehr Rühmens von der Mathematik, besonders der Algebra macht, als einem Mittel zum rechten Gebrauch des Verstandes zu gelangen, als ich wegen tief eingewurzelter Vorteile und Affekte ihrer viele nicht tun wollte. Andere Zeugnisse will ich hier nicht wiederholen, weil sie in der Vorrede über den Unterricht von der mathematischen Methode in meinen Anfangsgründen der mathematischen Wissenschaften angeführt wurden. Und dieses ist eben eine von meinen Hauptabsichten gewesen, warum ich mich mit Ernst auf die Mathematik gelegt habe, nicht, daß ich sie als ein Handwerk um Brot zu verdienen gelernt habe: denn es ist wohl niemals mein rechter Ernst gewesen, einen Professor  Matheseos  abzugeben, als ich die erste  Vocation  [Berufung - wp] dazu erhielt, welche ich als einen göttlichen Wink ansah. Was ich nun bei der Durchlesung mathematischer Schriften und bei vielfältigem eigenen Nachsinnen vom Gebrauch der Kräfte des menschlichen Verstandes anmerkte, davon habe ich das leichteste und was am zuerst zu wissen nötig ist, in kurze Regeln verfassen wollen. Denn wenn ich alles schreiben sollte, was ich durch mein Nachdenken erkennen lernte, würde ich wenigen von meinen Deutschen dienen, weil den meisten bald das als Grillen vorkommen würde, wenn sie ein wenig zu lange Gedanken beieinander halten sollen, und es würde sich auch nicht für Anfänger schicken, denen zuliebe ich die gegenwärtigen Gedanken dem Druck anvertraue. Und dies ist eben mit eine Ursache, warum ich es deutsch geschrieben habe, indem unter den Ausländern viele sind, die auf eine gründliche Erkenntnis viel geben, denen zu Gefallen bei anderer Gelegenheit etwas vollständigeres von dieser Materie in lateinischer Sprache mitgeteilt werden soll, gleichwie ich in die lateinische Auflage meiner  Elementorum Matheseos  mehr  theoretica  einfließen habe lassen, als in die deutsche hat kommen dürfen. Ich kann aus meiner Erfahrung versichern, daß die gegebenen Regeln mir gute Dienste tun, wenn ich entweder etwas Erfundenes beurteilen, oder durch eigenes Nachsinnen etwas herausbringen soll. Ich zweifle auch nicht, daß andere ein gleiches befinden werden. Jedoch kann ich nicht verhehlen, daß ich zum hurtigen Gebrauch dieser Regeln viel beitragen werde, wenn sie mit Fleiß auch nur meine Anfangsgründe der mathematischen Wissenschaften durchgehen und dabei Acht geben werden, wie man daselbst die Regeln angebracht hat. Denn die Fertigkeit kommt durch die Übung: die Übung besteht darin, daß man richtig erwiesene Sachen viel überlegt. Man lasse sich den besten Fechtmeister die herrlichsten Maximen vom Fechten sagen; so wird man deswegen doch nicht gut fechten, wenn man niemals die Hand angelegt hat. Viel weniger aber wird man fechten lernen, wenn einer, der vom Fechten Regeln geben will, der selbst niemals gefochten hat. Es wird zwar die Jugend heutzutage bei uns Deutschen wenig zu gründlichen Wissenschaften angehalten, besonders an solchen Orten, wo die Lehrer der Unwissenheit überhand nehmen, und da man es als eine sonderbare Klugheit ausgibt, wenn man das Studieren zu einem bloßen Handwerk macht: allein da hierdurch nicht tüchtige Handwerker, sondern nur eingebildete Stümper gezogen werden; so werden doch schließlich einmal auch denen die Augen aufgehen, die jetzt in ihrer Blindheit nichts sehen können. Man lasse einen etwas Gründliches in der Mathematik und Weltweisheit studieren, wenn er auf  Universitäten  kommt, und erst dann, wie unseres Allergnädigsten Königs und Herrn aus landesväterlicher Fürsorge erteiltes Reskript [Rechtsgutachten - wp] (1) es mit Nachdruck anbefohlen, zu den höheren Fakultäten (daß ich nach unserer deutschen Mundart rede) schreiten; so wird man finden, wie geschwinder und besser sie ihr Handwerk lernen werden. Ich könnte es mit meiner eigenen Erfahrung bestätigen, wenn ich nicht bei Widriggesinnten einen, obwohl unverdienten Verdacht auf mich laden durfte. Es ist aber auch nicht nötig: denn es haben schon andere rechtschaffene Leute sich auf ihr Exempel in diesem Stück öffentlich auf mich berufen und werden es auch ins Künftige tun. Und wer meinen Worten glaubt, der wird es in der Tat erfahren, daß sie Wahrheit sind. Zum Schluß muß ich noch eines erinnern. Wenn jemand eines und das andere von meinen Gedanken für bedenklich halten möchte; so wird mir nicht zuwider sein, wenn er entweder in einem besonderen Schreiben an micht, oder auch, wenn er es für so wichtig hält, in einer gedruckten Schrift, seine Gedanken eröffnen wird. Jedoch bitte ich mir Bescheidenheit aus: denn sonst werde ich einen, der Lust zu schelten hat, so lange schelten lassen, wie er will, gleichwie ich es anderen, die aus solchem Gebäck gemacht sind widerfahren ist, weil kluge und verständige Leute zur Genüge sehen werden, das dergleichen teils aus Bosheit, teils aus Einfalt herrührt. Finde ich aber Einwürfe, die untersucht zu werden verdienen, und die verlangte Bescheidenheit dabei; so werde auch ich nicht umhinkönnen, ihnen mit solcher Bescheidenheit zu antworten, wie ich anderen Gelehrten in England und Frankreich auf ihre Einwürfe geantwortet habe. Ich hoffe auch, sie werden mit mir ebenso wie diese zufrieden sein. Schließlich muß ich auch bekennen, daß, wie ich im Anfang meines Nachsinnens über die Kräfte des Verstandes mich in vieles nicht recht finden konnte, auch in einigen Stücken ohne Not auf Umwege geraten war, mir des Herrn von LEIBNIZ sinnreiche Gedanken von der Erkenntnis der Wahrheit und den Begriffen in den Leipziger Actis, 1684, Seite 573 unverhofft ein großes Licht gegeben, so, daß mich wundert, warum andere, die von der gleichen Materie nach der Zeit zu schreiben sich überwunden, nicht darauf acht gegeben haben. Ich wünsche, daß Lehrbegierige Gemüter aus meiner vorigen Arbeit den Nutzen ziehen mögen, den ich ihnen von Herzen gönne. Wenn mein Wunsch erfüllt wird; so werde ich mit desto größerer Lust und desto mehrerem Eifer danach streben, wie ich ihnen in den anderen Teilen der Weltweisheit ebenso ein helles Licht anzünde.

Halle, den 18. Oktober 1712



Erinnerung
wegen der andern Auflage

Man hat erst für nützlich gefunden mehrere Exempel aus allen Arten der Wissenschaften zur Erläuterung den Regeln beizufügen, damit auch diejenigen, welche die Erklärung bei mir nicht anhöhren, sich desto leichter darin einfinden können: indem jedermann bekannt ist, daß die Exempel nicht allein dienen, die Regeln besser zu verstehen, sondern auch zeigen, wie man sie an gehörigem Orte anbringen soll. Dieses ist besonders im ersten Kapitel von den Begriffen geschehen, weil dieses eine Hauptmaterie ist, daran sehr viel gelegen ist, und die man in anderen Büchern nicht so ausgeführt antrifft. Und habe ich die Hoffnung, es werde hieraus ein jeder sehen, daß meine Regeln allgemein sind, und nicht allein in der Mathematik, sondern überall gelten, wo man nach einer gründlichen Erkenntnis strebt. Weil ich im Kapitel von den Schlüssen zeige, daß man im Erfinden sich der förmlichen Schlüsse bedienen muß, wenn man ordentlich denken und ohne Fehltritte fortgehen will; so habe ich nicht undienlich zu sein erachtet, daß es gleich hinter das Kapitel von den Sätzen kommt, vor die beiden Kapitel, darinnen gezeigt wird, wie die Sätze teils aus der Erfahrung, teils aus den Erklärungen und andern vorhin erkannten Sätzen gezogen werden. Auf solche Weise geht vorher, was in den nachfolgenden Kapiteln gebraucht wird. Das erste Kapitel von den Begriffen und das vierte von den Schlüssen sind die beiden wichtigsten. Denn wo man gründliche Erkenntnis liebt, kommt es hauptsächlich auf deutliche Begriffe und ordentliche Beweise an. Ich weiß wohl, daß es Leute gibt, die beides verwerfen. Sie verachten, was sie nicht nachtun können. Und sie tun wohl daran: weil sie nichts weiter als Ansehen bei Unverständigen suchen, das ihnen einträglicher ist, als ein wohlbegründeter Ruhm bei Verständigen: allein da bei mir die Wahrheit über alles geht; so kann ich sie wohl bei ihren fünf Sinnen lassen, werde aber nimmermehr aus  interessierten  Absichten von gründlicher Erkenntnis ablassen. Wer die Regeln von deutlichen Begriffen und ordentlichen Beweisen ohne Anstoß brauchen will, der muß, wie ich schon öfters erinnert habe, die Mathematik dabei studieren. So werden sie ihm klar und leicht werden, und wird ihn nicht mehr ein jeder Wind der Lehre bald hierher, bald dorthin treiben dürfen, wie wir sehen, daß denjenigen widerfährt, die ihre fünf Sinne anstatt des Verstandes brauchen wollen.

Halle, den 5. März 1719



Erinnerung
wegen der dritten Auflage

Was in diesem kleinen Büchlein steht, habe ich jederzeit mit unter das Beste gerechnet, was ich weiß: denn ich habe den Nutzen der darin gegebenen Regeln in Untersuchung und Beurteilung der Wissenschaften, selbst der mathematischen, vielfältig erfahren, und erfahre ihn noch täglich, indem ich damit beschäftigt bin. Ich kann auch sagen, daß ich auf keine Sache mehr Zeit aufgewendet habe, als auf die Hauptmaterien, die ich in diesem Buch vorgetragen habe und welche der Grund der übrigen sind, und schließlich nach vielen Umwegen und vielfältiger Überlegung befunden und festgestellt, was ich hierin vorgebe. Gleichwie ich aber für meine Person mich um diese wichtigen Wahrheiteen von der Leitung des Verstandes in Erkenntnis der Wahrheit bloß zu dem Ende bekümmert bin, damit ich in den Stand kommen möchte, die Wahrheit gründlich und mit Gewißheit zu erkennen, und andern einen ebenen Weg zu bahnen, darauf sie sicher ohne Anstoß und Umweg zu nützlicher Erkenntnis gelangen möchten; so habe ich sie aus dieser Absicht bekannt gemacht, damit andere gleichfalls den Nutzen genießen können den ich davon überflüssig genieße. Ich erfreue mich demnach nicht wenig, daß ich aus dem häufigen Abgang dieses Büchleins und vielen von allerhand Orten erhaltenen Nachrichten erlerne, wie andere den Nutzen meiner Regeln eingesehen und sie so wert als ich zu halten beginnen. Sie werden aber auch mit so gutem Fortgang wie ich, sich derselben bedienen können, wenn sie sich in den mathematischen Demonstrationen zu üben Zeit und Gelegenheit haben, oder, im Fall daß die Umstände es nicht leiden wollen, die von mir herausgegebenen Schriften von der Weltweisheit danach mit Fleiß untersuchen. Damit sie dieses desto leichter bewerkstelligen möchten; so habe ich ihnen in dieser neuen Auflage einige Anleitung dazu geben wollen. In dieser Absicht sind die Grundregeln mit mehreren Exempeln erläutert worden, damit man sie desto besser verstehen lernt, und dabei habe ich angezeigt, wo man Materien in meinen Schriften findet, dadurch diese Regeln erläutert werden. Und dieses ist die Ursache gewesen, warum ich bei dieser dritten Auflage noch auf einige Vermehrung gedacht habe. Es ist wohl freilich nur was weniges, was hin und wieder dazu gekommen ist: allein dieses wenige ist höher zu schätzen, als das wenige Geld, was man für ein so kleines Büchlein zu geben pflegt. Die Einteilung der Kapitel und dieser in ihr Paragraphen ist völlig wie in der vorhergehenden Auflage geblieben, aus eben der Ursache, warum ich in diesem Stück keine Änderung in der neuen Auflage meiner Gedanken von  GOtt,  der Welt und der Seele des Menschen vorgenommen. Gleichwie ich aber gleich anfangs in dieses Büchlein nichts gebracht habe als dasjenige, was von gewissen Nutzen ist und einer die ganze Zeit seines Lebens zu behalten vonnöten hat, wenn er in Wissenschaften glücklich fortgehen will; so finde ich auch keine Ursache, warum ich jetzt meine Meinung ändern soll. Denn ungeachtet dessen, daß noch viel mehreres hätte hineingebracht werden können, das auch seinen Nutzen hat, aber nicht einem jeden so unentbehrlich ist wie dasjenige, was ich vorgetragen habe (2); so schickt es sich doch nicht zu dem gegenwärtigen Vorhaben und würde ich dadurch das Büchlein für viele unbrauchbar gemacht haben. Es wird sich künftig schon Gelegenheit geben, da ich diese Materien für die, welche in Regeln unersättlich sind, noch weiter ausführen werde und mit vielem vermehren, was für die gehört, die weiter gehen wollen, als insgemein zu geschehen pflegt. Jetzt vergnüge ich mich mit dem, was höchst nötig ist, zumal da ohnehin es in Erkenntnis der Wahrheit nicht auf viele Regeln, sondern auf oftmaligen Gebrauch weniger Regeln ankommt. Die Übung muß mehr tun als die Regeln. Wer wenige Regeln recht brauchen lernt, kann nach diesen selbst mehrere finden, wenn er sie vonnöten hat. Wer die Algebra auf eine solche Weise studiert, wie ich sie vorzutragen gewohnt bin, wird meinen Worten gleich völligen Glauben geben, und die andern werden mit der Zeit durch die Erfahrung überführt werden, daß ich die Wahrheit rede: welches ich einem jeden, der nach der Wahrheit dürstet, von Herzen wünsche. Halle, den 10. Februar 1722



Erinnerung
wegen der vierten und fünften Auflage

Als anno 1725 die vierte Auflage zum Vorschein kam, gaben mir die damaligen Umstände Gelegenheit an die Hand im 14. Kapitel zwei Punkte zu berühren, an welche ich in den vorhergehenden nicht gedacht hatte. Nämlich weil ich aus eigener Erfahrung lernte, daß man die liederliche Konsequenzenmacherei mit dem  methodo demonstrandi per indirectum  verwirrte und gleichwohl viel daran gelegen ist, daß man in Widerlegung anderer beides wohl voneinander unterscheidet so zeigte ich den Unterschied auf das deutlichste, wiewohl ich nach diesem in dem klaren Beweise Seite 107f, denselben noch handgreiflicher vor Augen legte. Ja, weil ich nicht weniger inne wurde, daß man Schutzschriften mit Streitschriften vermengte und auf jene deuten wollte, was ich von diesen in dem angeführten Kapitel geschrieben hatte; so hielt ich für ratsam, auch diesen Irrtum dem Leser zu benehmen und fügte demnach zum Beschluß desselben bei, wie man Verfolgern zu begegnen hat, welches ich nach diesem gleichfalls in dem klaren Beweis Seite 227f weiter auszuführen Gelegenheit bekam. Da man nun den Nutzen dieses Buches einsieht, daß ich zu der fünften Auflage (3) schreiten muß; so habe ich es auch noch fruchtbarer zu machen gesucht und dann nicht allein hin und wieder etwas weniges, jedoch wichtiges, eingerückt, sondern auch das ganze 16. Kapitel von neuem hinzugesetz, darin ich zeige, wie man zu einer Fertigkeit die Logik auszuüben gelangen soll. Unter dasjenige, was von neuem mit eingerückt worden ist, gehört, was ich im 1. Kapitel § 48 vom Unterschied des Wesentlichen und der Eigenschaften erinnert habe, weil es zum rechten Verstand der Erklärungen nicht wenig dient, und ich gefunden habe, daß man aus Mangel dieser Erkenntnis sich in wohl eingerichtete Erklärungen gar nicht zu finden weiß. Auch wenn man mich aber gleich in diesem Stück aus Unwissenheit sehr nachteilig angefallen hat; so habe ich es doch bloß auf eine solche Art, gleichwie auch die vorhin berührten Punkte eingerückt, daß der Leser nicht anders vermeinen kann, als wenn es gleich am Anfang wäre dabei gewesen. Denn ich bleibe bei meiner Art, daß ich für Scheltworte Unterricht erteile, und Zank und Streit, so viel mir nur immer möglich ist, zu vermeiden suche. Im übrigen ist alles geblieben, wie es vorher von der erstem Auflage an bis hierher gewesen ist: denn ich habe nichts geschrieben, was ich nicht schon dazumal, wie dieses Buch das erste mal ans Licht trat, durch eigene Erfahrung vielfältig als wahr befunden hatte. Und eben dieses erfahren alle diejenigen, welche sich dasselbe zu ihrem Führer in ihrem Studieren erwählen. Ich wünsche, daß es noch viele erfahren mögen; so wird Verstand und Tugend unter den Menschen zunehmen und ich werde das Ziel erreichen, das ich mir in meinen vielen und weitläufigen Bemühungen vorgesetzt habe.

Marburg, den 5. April 1727



Vorbericht von der Weltweisheit

§ 1. Die Weltweisheit ist eine Wissenschaft aller möglichen Dinge, wie und warum sie möglich sind.

§ 2. Durch die Wissenschaft verstehe ich eine Fertigkeit des Verstandes alles, was man behauptet, aus unwidersprechlichen Gründen unumstößlich darzutun. Welche Gründe unwidersprechlich sind und wie man etwas auf eine unumstößliche Weise dartut, wird in gegenwärtigen Gedanken vom Gebrauch der Kräfte des Verstandes in Erkenntnis der Wahrheit dargetan werden.

§ 3. Möglich nenne ich alles, was sein kann, es mag entweder wirklich sein oder nicht.

§ 4. Weil von nichts sich nichts gedenken läßt, so muß alles, was sein kann, einen zureichenden Grund (oder eine  raison)  haben, daraus man ersehen kann, warum es vielmehr ist, als nicht ist: welches an seinem Ort (§ 30 und 31) weiter erwiesen wird.

§ 5. Solchergestalt muß ein Weltweiser nicht allein wissen, daß etwas möglich ist, sondern auch den Grund anzeigen können, warum es sein kann. Es ist z. B. nicht genug, daß ein Weltweiser weiß, es könne regnen, sondern er muß auch sagen können, wie es zugeht, daß es regnet, und aus was für Ursachen es regnet.

§ 6. Hierdurch wird die gemeine Erkenntnis von der Erkenntnis eines Weltweisen unterschieden. Nämlich einer, der die Weltweisheit versteht, kann wohl auch aus der Erfahrung vieles lernen, was möglich ist: allein er weiß nicht den Grund anzuzeigen, warum es sein kann. Zum Beispiel: er lernt aus der Erfahrung, daß es regnen könnte, kann aber nicht sagen, wie es zugeht, daß es regnet, noch die Ursachen anzeigen, warum es regnet.

§ 7. Nun könnten wir zwar meinen, die gemeine Erkenntnis sei zulänglich genug um die Glückseligkeit des menschlichen Lebens zu befördern: allein, da alle Dinge nur unter gewissen Umständen angehen; so kann derjenige, der nur eine gemeine Erkenntnis davon hat, öfters einen Umstand übersehen, und alsdann für allgemein ausgeben, was nur in gewissen Fällen eintrifft. Die Erfahrung lehrt solches zur Genüge. Zum Beispiel: Man sieht, daß man gegen einen Notleidenden mitleidig wird, wenn man seinen Jammer erkennt und bildet sich daher als allgemein ein, so man einen mitleidig machen will, müsse man ihm nur die Not des Elenden vorstellen. Gleichergestalt sieht man in den Gärten, daß der Rosmarin fortgepflanzt wird, wenn man junge Zweiglein abschneidet und mit dem unteren Teil in die Erde steckt. Man würde sich aber sehr betrügen, wenn man solches mit allen Gewächsen, die beständig sind, vornehmen wollte. Hingegen ein Weltweiser darf sich nicht fürchten, daß er seine Sätze unrecht anbringt, indem der die Ursache weiß, warum und wenn sie zutreffen müssen, wie in dem ersten Exempel, daß die Vorstellung der Not des Elenden alsdann erst mitleidig macht, wo das Gemüt vorher geneigt ist an des andern Glück sich zu vergnügen; und im anderen Exempel, daß ein Zweiglein, wenn es in die Erde gesteckt wird, Wurzeln schlägt, wenn ein Knoten in die Erde kommt und das Zweiglein nicht leicht verwelkt und die Rinde von den durchbrechenden Wurzeln sich leicht durchbohren läßt. Er kann überdies aus den erkannten Wahrheiten andere unbekannte erfinden, und schöpft aus seiner Erkenntnis ein so süßes Vergnügen, dergleichen uns nichts anderes in der Welt gewähren kann.

§ 8. Vielleicht werden sich einige verwundern, daß sich die Weltweisheit auf alle möglichen Dinge erstrecken soll, da doch der Allerweiseste unter der Sonne sich nicht weiter rühmen kann, als habe er nur einen ganz geringen Teil davon begriffen. Wäre es also nicht besser, daß man die Beschreibung der Weltweisheit nicht so hochmütig einrichtete?

§ 9. Wem diese Gedanken einfallen, dem gebe ich zu bedenken, daß es allerdings viel ratsamer ist, man richte die Beschreibung der Weltweisheit nach ihrer größten Vollkommenheit ein, die sie in sich haben kann, als entweder nach seinem eigenen, oder eines anderen Mannes Begriff, den er davon erlangt. Denn auf solche Weise werden dem Wissen keine unnötigen Schranken gesetzt, wodurch viele abgehalten werden den Sachen weiter nachzudenken, und demnach viele nützliche Erfindungen zurückbleiben: wie es diejenigen Zeiten zur Genüge ausweisen, da man glaubte, ARISTOTELES habe in der Weltweisheit das weiseste Beispiel erreicht, dahin menschlicher Verstand gelangen kann. Vielmehr wird ein jeder aufgemuntert weiter als seine Vorgänger zu gehen, indem er sieht, daß noch gar viel zu erfinden übrig ist: wie es die gegenwärtigen Zeiten sonderlich bei den  Mathematicis  zeigen. Man wird auch zugleich gedemütigt, daß man sich seiner vermeinten hohen Gaben nicht überhebt, indem man erkennt, der größte Teil desjenigen, das wir wissen, sei der geringste von den Dingen, die wir noch nicht wissen. Und überhaupt ist bekannt, daß man die Sachen, welche verschiedene Grade haben können, jederzeit allgemein, ohne auf einen gewissen Grad seine Absicht zu richten, zu erklären pflegt. Zum Beispiel: unter denen, die mäßig sind, besitzt nicht ein jeder die Mäßigkeit in einem gleichen Grad. Wenn man nun die Mäßigkeit erklären soll: richtet man sich nicht nach dem Grad, in welchem die Mäßigkeit bei diesem oder jenem Mann anzutreffen ist, sondern man erklärt sie so, wie sie sein soll, wenn sie den höchsten Grad erreicht, damit nichts weiter daran auszusetzen ist.

§ 10. Wenn wir auf uns selbst achthaben, so werden wir überführt, es sei in uns ein Vermögen zu gedenken was möglich ist, welches wir den Verstand zu nennen pflegen. Allein wie weit sich dieses Vermögen erstreckt, und wie man sich desselben bedienen muß sowohl durch eigenes Nachsinnen die uns verborgene Wahrheit zu erkennen, wie die von anderen ans Licht gestellte vernünftig zu beurteilen, fällt nicht gleich einem jeden in die Augen. Deswegen damit wir wissen, ob wir zur Weltweisheit geschickt sind, oder nicht; soll dies unsere erste Arbeit sein, daß wir die Kräfte des menschlichen Verstandes und ihren rechten Gebrauch in Erkenntnis der Wahrheit erkennen lernen. Der Teil der Weltweisheit, darin dieses gezeigt wird, heißt die Logik, oder Vernunftkunst, oder auch Vernunftlehre.

§ 11. Unter den Dingen, die möglich sind, muß eines notwendig selbständige sein, denn sonst wäre etwas möglich, davon man keinen Grund anzeigen könnte, warum es ist, welches dem zuwider liefe, so wie bereits oben bestätigt worden ist. Das selbständige Wesen  GOtt:  die anderen Dinge, welchen ihren Grund, warum sie sind, in einem selbständigen Wesen haben, heißen  Kreaturen.  Da nun die Weltweisheit den Grund zeigt, warum etwas sein kann; so muß billig die Lehre von  GOtt,  oder dem selbständigen Wesen erst vorgenommen werden, ehe man sich auf eine genaue Erkenntnis der Kreaturen legt, die man bis auf die ersten Gründe hinaus führt oder vielmehr aus ihnen herleitet, auch wenn wir nicht leugnen, daß einer eine gemeine Erkenntnis derselben zuvor haben muß, die er aber nicht nötig hat aus der Weltweisheit zu holen, indem wir durch die tägliche Erfahrung von Jugend auf dazu gelangen. Der Teil der Weltweisheit, darin von  GOtt  und dem Ursprung der Kreaturen von ihm gehandelt wird, heißt die  natürliche Theologie  oder  Gottesgelehrtheit. 

§ 12. Die Kreaturen äußern ihre Tätlichkeit entweder durch Bewegung, oder durch Gedanken. Jene nennen wir Körper; diese Geister. Da nun die Weltweisheit sich bemüht von allen Dingen richtigen Grund anzuzeigen; muß sie sowohl die Kräfte und Wirkungen derer Dinge untersuchen, welche das ihrig durch Bewegung verrichten, als der anderen, welche durch ihre Gedanken ihnen selbst bewußt sind. Also zeigt sie, was in der Welt möglich ist, sowohl durch die Kräfte der Körper, wie der Geister. Derjenige Teil der Weltweisheit, darin man erklärt, was durch die Kräfte der Geister möglich ist, wird die  Pneumatologie  oder  Geisterlehre  genannt: der andere hingegen, darin man zeigt, was durch die Kraft der Körper möglich ist, bekommt den Namen der  Physik  oder  Naturwissenschaft  oder  Naturlehre. 

§ 13. Das Wesen, welches in uns denkt, nennen wir die  Seele.  Da nun die Seele unter die Zahl der Geister gehört und außer dem Verstand auch einen Willen hat, davon viel in der Welt herrührt; so muß in der Weltweisheit auch gewiesen werden, was durch den Willen der Seelen möglich ist: wohin alles dasjenige gehört, was insgemein vom Recht der Natur, der  Ethik  oder  Sittenlehre  Politik  oder  Staatskunst  etc. gesagt wird.

§ 14. Weil alle Dinge, sie mögen Körper oder Geister oder Seelen betreffen, in einigen Stücken einander ähnlich sind; so hat man auch zu erwägen, was allen Dingen überhaupt zukommt und worin der allgemeine Unterschied derselben anzutreffen ist und nennt man den Teil der Weltweisheit, darin die allgemeine Erkenntnis der Dinge abgehandelt wird, die  Ontologie  oder  Grundwissenschaft,  Geisterlehre und natürliche Gottesgelehrtheit machen die  Metaphysik  oder  Hauptwissenschaft  aus.

§ 15. Unsere Erkenntnis steht entweder still, wenn wir wissen, durch was für Kräfte etwas in der Natur gewirkt werden kann, oder sie geht weiter fort und mißt sowohl die Größe der Kräfte, als auch der Wirkung auf das genaueste aus, damit sich augenscheinlich erhelle, daß eine Wirkung von gewissen Kräften herrühren kann. Wie zum Beispiel: ich lasse mich entweder vergnügen, wenn ich weiß, die mit Gewalt zusammengepreßte Luft kann das Wasser in einem Springbrunnen sehr hoch treiben, oder ich bemühe mich genau zu erfahren, wie stark das Vermögen der Luft zunimmt, nachdem sie in den halben oder dritten, vierten Teil des vorigen Raums gepreßt worden ist und wieviel Fuß hoch sie in jedem Fall das Wasser treiben kann. Der letztere Grad der Erkenntnis erfordert, daß man alle Dinge, die eine Größe haben, auszumessen weiß: aus welcher Absicht die  Mathematik  erfunden wurde. Von deren unterschiedenen Teilen habe ich in den Anfangsgründen der mathematischen Wissenschaften und in dem daraus gemachten Auszug gehandelt.

§ 16. Solchergestalt bringt uns die Mathematik zu der allergenauesten und vollkommensten Erkenntnis, welche zu erlangen möglich ist.

§ 17. Da aber nicht jedermanns Werk ist sich mit der Weltweisheit so weit einzulassen; so werden wir uns um diesen vollkommenen Grad in gegenwärtigen Anfangsgründen nicht bemühen, sondern damit zufrieden sein, daß wir die Kräfte der Dinge richtig erkennen und daraus urteilen lernen, was durch sie in der Natur möglich ist. Die aber nach dem weiter zu gehen gesonnen sind, denen soll, wo  GOtt  will, bei anderer Gelegenheit mit dienlichem Unterricht aufgewertet werden: ganz zu schweigen, daß sie in meinen mathematischen Schriften, sonderlich denen, die in lateinischer Sprache herausgekommen sind, schon gute Anweisung dazu finden.


- Ende des Vorberichts -
LITERATUR: Christian Wolff, Vernünfftige Gedancken von den Kräfften des menschlichen Verstandes und ihrem richtigen Gebrauche in Erkäntniß der Wahrheit, Halle 1742
    Anmerkungen
    1) Der Inhalt eines der königlichen Reskripte ist dieser: Es sollen alle Professoren, welche auf unserer Universität Halle sich aufhalten und von ihren eigenen Mitteln studieren, sie mögen sein, wer sie wollen, diensame Vorstellung tun, daß sie das erste Jahr vornehmlich auf die  studia philosophica elegantiorem litterarum  sich befleißigen, hernach aber, wenn sie gute  fundamenta  geleget, alsdenn zu  ad superiores Facultates  [höheren Fähigkeiten - wp] schreiten möchten. Diejenigen aber, welche unsere eigenen, oder in unseren Landen fundierten Stipendien und vor einiger Zeit neu aufgerichtete Freitische genießen, nicht minder alle  Conventualen  unseres nach Halle transferierten Klosters Hillersleben, habt ihr mit Ernst und Nachdruck dahin anzudeuten, daß sie zuvörderst die  studia philosophica  und  politiorem litteraturam  zumindest ein Jahr lang allein traktieren, und hernach nebst dem  studio theologico  damit fortfahren: ... wenn sie aber darin nachlässig befunden, solche  collegia praevia exhortatione  versäumen würden, sie sofort des  benefici  verlustig gehen und andere an ihre Stelle angenommen werden sollen.
    2) Man kann dieses an dem lateinischen Werk sehen, welches 1728 unter dem Titel: "Philosophia rationalis, sive Logica, methodo scientifica pertractata" herauskommt.
    3) Und nun anno 1730 zu der sechsten.