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GUSTAV STÖRRING
Einführung in die Erkenntnistheorie
[Eine Auseinandersetzung mit dem Positivismus
und dem erkenntnistheoretischen Idealismus]

[ 3 / 4 ]

"Die kausale Betrachtung hat also zunächst keine beweisbare Berechtigung innerhalb des Erfahrungsgebietes. Die ganzen Erfahrungswissenschaften stützen sich folglich auf eine Annahme, zu der uns nichts als ein blinder Naturinstinkt treibt."

"Der gewöhnliche Mensch hat gar nicht die Auffassung, die sich aus einer solchen Vernunftoperation ergibt, er scheidet nicht den Wahrnehmungsinhalt vom Objekt der Außenwelt als Ursache dieser Wahrnehmungsinhalte, er glaubt vielmehr in der Wahrnehmung die Objekte der Außenwelt selbst leibhaft zu erfassen."

"Ist die Idee der dauernden Existenz und die Idee der von unseren psychischen Vorgängen gesonderten Existenz nicht aus den Sinnen und auch nicht aus der Vernunft entstanden, dann muß sie aus der Einbildungskraft entsprungen sein."


I. TEIL
Die erkenntnistheoretische Skepsis
[Fortsetzung]

2. Abschnitt
Die Hauptpunkte der modernen Skepsis

§ 1. Humes skeptische Behandlung
der Kausalität

Die neuere erkenntnistheoretische Skepsis ist von weit größerer Bedeutung für den gegenwärtigen erkenntnistheoretischen Betrieb und für die Einführung in denselben. Wir wollen hier auf einige Vorstellungsweisen von HUME und JOHN STUART MILL näher eingehen, vor allem auf HUMEsche Betrachtungen.

Von grundlegender Bedeutung für die ganzen Entwicklungen HUMEs ist seine Lehre vom Ursprung der Vorstellungen. Vorstellungen, Ideen sind zu scheiden von Impressionen, Empfindungen. Sie unterscheiden sich von den Impressionen durch ihre weit geringere Intensität. Die lebhafteste Idee ist immer noch schwächer als die matteste Empfindung.
    "Alle Farben der Dichtkunst, wenn sie auch noch so glänzend sind, können doch natürliche Gegenstände niemals so abbilden, daß man die Beschreibung für die Landschaft selber halten müßte."
Von Impressionen sind nach HUME zwei Arten zu unterscheiden: aus der Sinneswahrnehmung und aus der Selbstwahrnehmung stammende Impressionen (1). Mit den letzteren sind "Affekte, Begierden und Gefühlsbewegungen" gemeint (2).

Alle Ideen sind sodann als Kopien unserer Empfindungen anzusprechen. Beim Ausfall gewisser Arten von Empfindungen fallen immer die entsprechenden Vorstellungen aus: so hat der Blinde keine Farbvorstellung und der Taube keine Tonvorstellung. Also müssen die Empfindungen die Ursachen dieser Vorstellungen sein. Es steht aber nicht bloß so, daß jede Art von Empfindungen entsprechende Arten von Vorstellungen nach sich zieht, HUME behauptet darüber hinaus, daß es keine Vorstellung, keine Idee, keinen Gedanken (was ihm dasselbe ist) gibt, der nicht aus Empfindungen entsprungen ist.

Diese Feststellung über die Beziehung der Idee zu den Impressionen wird von HUME überall da verwertet, wo es ihm darauf ankommt, eine komplexe Idee zu analysieren und nach ihrer Gültigkeit zu fragen. Es sagt sich, wenn man es mit einer Vorstellungsweise zu tun hat, die nicht recht klar ist, da gibt es kein besseres Mittel, sie klar und deutlich zu machen, als die ihr entsprechenden Impressionen aufzusuchen. Der Aufweis der einer komplexen Idee entsprechenden Impressionen wird zugleich die Frage nach der Gültigkeit dieser Idee entscheiden helfen.

Mit solchen komplexen Ideen, die nicht so ohne weiteres scharf zu bestimmen sind und über deren Gültigkeit man streitet, haben wir es bei der Idee der kausalen Verknüpfung und der Idee der Substanz zu tun.

Die Idee der Beziehung von Ursache zu Wirkung ist die einzige Beziehung, die über Wirklichkeiten belehrt, welche über das den Sinnen Gegenwärtige hinausliegen (3). Es ist also von größter Bedeutung, uns Klarheit über den Inhalt und die Gültigkeit dieser Vorstellungsweise zu verschaffen. Wollen wir das aber, so müssen wir nach den vorangegangenen Auseinandersetzungen nach dem Ursprung der Idee der Beziehung von Ursache und Wirkung fragen, damit wir in die Lage gesetzt werden, die Impressionen zu finden, welche dieser komplexen Idee entsprechen.

Bis zu einem gewissen Punkt läßt sich die Analyse der Vorstellung der Ursächlichkeit und die Aufweisung der entsprechenden Impressionen oder der Beziehungen zwischen ihnen leicht führen. Überall, wo wir von Ursächlichkeit sprechen, finden wir die als Ursache und Wirkung bezeichneten Gegenstände in der Beziehung der Kontiguität. [Angrenzung, Berührung - wp] Ich finde in erster Linie, daß Gegenstände, welche als Ursachen bzw. Wirkungen anderer betrachtet werden, zeiträumlich miteinander unmittelbar zusammenhängen, daß nichts in einem Ort oder Zeitpunkt wirken kann, der, sei es auch noch so wenig, von dem Ort oder Zeitpunkt entfernt wäre, in dem es sich befindet. Wenn es auch bisweilen so scheint, als ob entfernte Gegenstände einander hervorbringen, so findet man doch bei näherer Untersuchung jedesmal, daß sie durch eine Kette von Ursachen verbunden sind, welche untereinander und mit den voneinander entfernten Gegenständen räumlich unmittelbar zusammenhängen; und wenn wir in einem bestimmten Fall diesen Zusammen nicht entdecken können, so nehmen wir doch an, daß er vorhanden ist. (4)

Für die Beziehung von Ursache zu Wirkung ist sodann wesentlich die zeitliche Priorität der Ursache. Wollte man nämlich die Wirkung als mit der Ursache gleichzeitig setzen, so würde man nicht verstehen können, daß sich das ursächliche Geschehen zeitlich abspielt. Wenn nun Wirkung W1 gleichzeitig mit einer Ursache U1 wäre, so wäre sie auch gleichzeitig miteiner Wirkung dieser Wirkung, mit W2 usw.
    "Die Folge hiervon wäre nichts geringeres als die Aufhebung der Aufeinanderfolge von Ursachen, die wir in der Welt beobachten und damit eine völlige Vernichtung der Zeit."
Nun ist aber leicht zu erkennen, daß zwei Vorgänge in der Beziehung der Kontiguität stehen können (5), und der eine dem anderen vorausgehen kann, ohne daß wir von Ursache und Wirkung sprechen. Es muß noch etwas hinzukommen, wenn wir von Ursächlichkeit sprechen sollen und das ist die notwendige Verknüpfung. (6)

Wie steht es nun mit der Impression oder den Impressionen, aus denen die Vorstellung der notwendigen Verknüpfung entsprungen ist? Auf diese Frage ist nicht so leicht eine Antwort zu geben. HUME geht so vor, daß er zunächst zwei Fragen zu beantworten sucht, die an unser Problem grenzen, Fragen, welche ihm leichter beantwortbar erscheinen, in der Hoffnung, nach ihrer Beantwortung mit größerer Aussicht auf Erfolg unser Problem behandeln zu können. Diese Fragen sind folgende:

Erstens: Aus welchem Grund erklären wir es für notwendig, daß jedes Ding, dessen Existenz einen Anfang hat, auch eine Ursache hat?

Zweitens: Weshalb schließen wir, daß eine bestimmte Ursache notwendig bestimmte Wirkungen hat; und welcher Art ist der Schluß von jener auf diese, und der Glaube an die Richtigkeit des Schlusses? (7)

Beginnen wir mit dem ersten Grundsatz: alles was anfängt zu existieren, muß eine Ursache haben. Man hat diesen Grundsatz als intuitiv gewiß ausgegeben, oder man hat ihn für eine demonstrative Wahrheit erklärt, aber beides mit Unrecht. Denn wir können einen Gegenstand in einem Augenblick als nicht existierend, im anderen als existierend denken, ohne ihn als verursacht aufzufassen. Folglich ist die tatsächliche Trennung der Gegenstände möglich, d. h. sie schließt keinen Widerspruch in sich. Sie kann nicht durch eine Überlegung, die bloß auf der Natur der Vorstellungen beruth, als unmöglich erwiesen worden sein; ohne dies aber besteht keine Möglichkeit, die Notwendigkeit einer Ursache zu demonstrieren. (8)

Diese Feststellung wird dadurch bestätigt, daß die für diesen Satz erbrachten Argumente sich als hinfällig erweisen.

So hat man gesagt: jedes Ding, das anfängt zu existieren, muß eine Ursache haben, sonst müßte es aus Nichts hervorgebracht sein. Aber es ist leicht zu sehen: indem man behauptet, "sonst müßte es aus Nichts hervorgebracht sein", setzt man ja schon voraus, daß jedes Ding, das zu existieren beginnt, eine Ursache haben muß.

Oder man hat in folgender Weise argumentiert: Alles, was anfängt zu existieren, muß eine Ursache haben; denn wenn es keine Ursache hätte, so müßte es sich selbst hervorbringen, also existieren, ehe es existiert. Aber wenn etwas keine Ursache hat, so kann es auch nicht Ursache seiner selbst sein. Sodann ist hier wieder in der Behauptung, daß dieses Etwas Ursache seiner selbst sein muß, das zu Beweisende vorausgesetzt. (9)

Eine weitere Argumentation ist nicht glücklicher. Sie behauptet, daß es schon im Begriff der Wirkung liegt, daß sie eine Ursache hat. Also hat notwendig alles, was anfängt zu existieren, seine Ursache. Darauf erwidert HUME: daß jede Wirkung eine Ursache hat, ist nicht zu bezweifeln, aber damit ist doch noch nicht gesagt, daß alles, was anfängt zu existieren, seine Ursache haben muß. Es fragt sich eben, ob man alles, was anfängt zu existieren, den Begriff der Wirkung anzuwenden das Recht hat! HUME illustriert das sehr schön, er sagt, das Gefolgerte folgt tatsächlich aus dem Begriff der Wirkung ebensowenig wie daraus, daß jeder Ehemann eine Frau haben muß, folgt, daß auch jeder Mann eine Frau haben müßte (10).

Da also die Überzeugung von der Gültigkeit des Satzes: "alles was anfängt zu existieren, muß eine Ursache haben", sich nicht auf Intuition gründet und auch nicht auf Demonstration, so muß es wohl auf Beobachtung und Erfahrung gegründet sein. Eine nähere Bestimmung des Wie? gibt HUME bei der Erörterung des zweiten oben aufgeworfenen Problems.

Wir nehmen an, daß bestimmte Ursachen notwendig bestimmte Wirkungen haben. Wie kommen wir dazu?

Das ergibt sich jedenfalls nicht aus der Vernunft allein. Wir können nicht durch bloßes Denken a priori aus einer bestimmten Ursache eine bestimmte Wirkung ableiten. Man könnte das am ehesten noch für solche Fälle annehmen, wo es sich um Vorgänge handelt, die uns außerordentlich häufig in der Erfahrung begegnen, Vorgänge,
    "mit denen wir seit unserem Eintreten in die Welt vertraut sind, welche mit dem ganzen Lauf der Natur große Ähnlichkeit haben und die vermeintlich nur von einfachen Eigenschaften der Dinge abhängen und nicht von einem verborgenen Zusammenhang der Teile."
Hier meint man, durch bloße Tätigkeit des Verstandes und ohne Erfahrung die Wirkung entdecken zu können. Doch nehmen wir einmal einen solchen Fall.
    "Wenn ich ... eine Billardkugel sich gerade gegen eine andere bewegen sehe, so mag mir vielleicht der Gedanke kommen, daß die Bewegung der zweiten das Ergebnis der Berührung oder des Stoßes ist; aber kann ich nicht ebenso gut hundert andere Wirkungen aus dieser Ursache voraussetzen? Könnten beide Kugeln nicht in völliger Ruhe bleiben? Kann die erste Kugel sich nicht gerade zurückbewegen oder in irgendeiner Richtung seitlich von der zweiten abspringen? Alle diese Annahmen sind möglich und denkbar. Weshalb soll man da der einen den Vorzug vor der anderen geben, die ebenso möglich und denkbar ist wie jene? Alle unsere Gründe a priori können uns nie einen Anhaltspunkt für einen solchen Vorzug liefern." (11)
Wir müssen aber noch eine weitere negative Bestimmung machen: selbst wenn wir die Erfahrung zu Hilfe nehmen, können wir doch nicht schließen, daß auf bestimmte Ursachen bestimmte Wirkungen folgen müssen. Wir haben erfahren, daß auf gewisse Vorgänge gewisse andere, die wir ihre Wirkungen nennen, gefolgt sind. Wir nehmen an, daß auf diese bestimmten Ursachen auch diese bestimmten Wirkungen immer folgen werden. Wir setzen also den Satz voraus: Gleiche Ursachen haben gleiche Wirkungen. Dieser Satz, von dessen Richtigkeit folglich die Gültigkeit unserer ganzen Tatsachenschlüsse abhängt, läßt sich aber nicht beweisen. Was garantiert uns die Unveränderlichkeit des Naturlaufs? Die Annahme der Veränderung desselben schließt doch keinen Widerspruch in sich! Weiter können wir aber auch keinen Tatsachenbeweis für diesen Satz beibringen. Denn Tatsachenbeweise in Bezug auf zukünftiges Geschehen setzen die Gültigkeit dieses Satzes bereits voraus. Wir würden uns bei einem solchen Tatsachenbeweis also im Zirkel drehen.

Wir werden also bei der Untersuchung über das Bedingtsein unserer Erwartung bestimmter Wirkungen bei bestimmten Ursachen zu der Bestimmung geführt, daß die Quelle dieser Erwartung nicht im Denken liegt (12) - weder im Denken allein, noch in einem auf Erfahrung sich gründenden Denken.

Da aber der Übergang von der Vorstellung oder der Wahrnehmung bestimmter Ursachen zur Vorstellung bestimmter Wirkungen stets in gleicher Weise vollzogen wird, so muß dieser Übergang durch Assoziation der Vorstellung des Antezendenz [Vorhergehenden - wp] mit der Vorstellung des Konsequenz [Nachfolgenden - wp] bedingt sein.
    "Man nehme an, ein Mensch von vorzüglichem Verstand und Überlegung tritt plötzlich in die Welt. Er würde sofort eine stetige Folge von Dingen und Ereignissen wahrnehmen, aber nichts weiter. Er würde durch kein Überlegen die Vorstellung von Ursache und Wirkung sogleich gewinnen. ... Man setze nun, daß er mehr Erfahrung gewonnen hat, daß er so lange in der Welt gelebt hat, um zu bemerken, daß ähnliche Dinge und Vorgänge immer miteinander verbunden sind, was folgt aus dieser Erfahrung? Er schließt sofort vom Erscheinen des einen auf das Eintreten des anderen. Dennoch hat er mit all seiner Erfahrung keine Vorstellung oder Kenntnis von den geheimen Kräften gewonnen, durch welche das eine das andere hervorbringt. Auch ist er durch keinen Grund der Vernunft genötigt, diesen Schluß zu ziehen, und obgleich er überzeugt ist, daß diese Vernunft keinen Teil an diesem Schließen hat, so wird er doch in dieser Weise zu denken beharren, es besteht also ein anderes Prinzip, was ihn zu dieser Folgerung bestimmt. Dieses Prinzip ist die Gewohnheit der Übung." (13)
Wir haben bis jetzt verständlich gemacht, wie bei Gegebensein der Vorstellung oder Wahrnehmung bestimmter Ursachen stets ein Übergang erfolgt auf die Vorstellung bestimmter Wirkungen. Aber wir haben bezüglich der Erwartung bestimmter Wirkungen bei Gegebensein bestimmter Ursachen noch nicht verständlich gemacht, wie es kommt, daß wir das Eintreten dessen, was wir Wirkungen nennen, glauben. Wenn wir bestimmte Veränderungen unter bestimmten Bedingungen erwarten, so sind wir doch vom Auftreten dieser Wirkungen überzeugt, wir glauben an das Auftreten dieser Wirkungen.

Wir müssen also die Überzeugung, das Fürwahrhalten, den Glauben noch zum Gegenstand einer näheren Untersuchung machen.

Wenn ich an die Existenz Gottes glaube, so fügt der Glaube an die Existenz Gottes keine neuen Vorstellungselemente zu der bloßen Idee der Existenz Gottes hinzu.
    "Wenn ich an Gott denke, wenn ich an ihn als existierend denke und wenn ich an seine Existenz glaube, so ist meine Vorstellung von ihm nicht das eine Mal reicher oder ärmer als das andere Mal. Nichtsdestoweniger besteht zweifellos ein großer Unterschied zwischen der einfachen Vorstellung der Existenz Gottes und dem Glauben an dieselbe." (14)
Da der Unterschied zwischen dem Glauben an die Existenz Gottes und der bloßen Idee der Existenz Gottes aber nicht in der Zusammensetzung der Vorstellungen liegt, die beim Glauben an die Existenz Gottes vorhanden sind, so liegt sie in der Art, wie wir sie vollziehen.

Wenn aber das Fürwahrhalten, der Glaube nur die Art und Weise ändert, wie die Vorstellungen vollzogen werden, so kann nichts geändert werden als die Lebhaftigkeit und Stärke der Vorstellungen. Also ist das Fürwahrhalten, der Glaube zu bestimmen als:
    "eine lebhafte Vorstellung, die mit einem unmittelbar gegenwärtigen Eindruck in Beziehung steht oder assoziiert ist." (15)
Nachdem wir so festgestellt haben, worin das Fürwahrhalten, der Glaube, besteht, müssen wir nun weiter fragen, wie das Fürwahrhalten, der Glaube verursacht ist.

Was die Ursache des Phänomens des Fürwahrhaltens, des Glaubens anlangt, so müssen wir dafür eine nahe Beziehung zu einer Impression annehmen. Eine Impression gibt solchen Vorstellungen, die mit ihr in naher Verbindung stehen, einen Teil ihrer Lebhaftigkeit und Stärke ab. (16)

Hier sind die verschiedenen Arten assoziierter Beziehungen zwischen Vorstellungen wirksam: Die Ähnlichkeitsbeziehung, die Kontiguitätsbeziehung und die ursächliche Beziehung.

Wenn die Anhänger der katholischen Kirche die Zeremonien derselben verteidigen wollen, so werden sie sagen, daß die Gegenstände ihres Glaubes durch die Verwendung sinnlicher Bilder sich ihnen lebhafter darstellen als bei rein geistiger Betrachtung derselben. - Die Wirkung der ursächlichen Beziehung läßt sich dadurch illustrieren, daß die eigenen Werke der Heiligen den Gläubigen die wertvollsten Reliquien sind. -
    "Wenn ich einige Meilen vom Haus entfernt bin, so berührt mich alles, was auf meine Heimat Bezug hat, mehr als wenn ich zweihundert Meilen davon entfernt bin, obgleich auch bei der letzteren Entfernung der Gedanke an das, was der Umgebung, in der meine Freunde und meine Familie leben, angehört, natürlicherweise eine Vorstellung von ihnen in mir wachruft." (17)
Somit ist uns an der Erwartung bestimmter Wirkungen nach bestimmten Ursachen nicht bloß der Übergang von der Vorstellung der Ursachen zur Vorstellung der Wirkungen verständlich geworden, sondern auch die Überzeugung, daß diese Wirkungen eintreten werden. Eins bedarf aber noch der Erklärung. Wir glauben an eine notwendige Verknüpfung dieser bestimmten Ursachen mit diesen bestimmten Wirkungen, und damit kommen wir auf die Behandlung unseres zuerst aufgeworfenen Problems zurück.

Wir treten also jetzt in die Behandlung der Frage ein, welches die Ursache der Idee der notwendigen Verknüpfung ist. Wir sind durch unsere bisherigen Untersuchungen in die Lage gesetzt, dieses Problem einer Lösung entgegenführen zu können.

Über die Entstehung der Idee der notwendigen Verknüpfung machen wir zunächst negative Bestimmungen. Diese Idee stammt weder aus unserem Denken, noch aus den Wahrnehmungen. Sie stammt nicht aus dem Denken. Denn wir sahen ja, daß wir durch bloßes Denken keine Bestimmungen über die Beziehung von Ursache und Wirkung machen konnten, daß wir durch bloßes Denken weder zu der Feststellungen gelangen können, daß alles, was anfängt zu existieren, eine Ursache hat, noch in der Lage waren, Voraussagen darüber zu machen, welche Wirkungen aus bestimmten Ursachen sich ergeben müssen. - Letzteres selbst dann nicht, wenn wir die Erfahrung früherer ähnlicher Fälle zu Hilfe nehmen.

Aber die Idee der notwendigen Verknüpfung stammt auch nicht aus der Wahrnehmung und zwar weder aus der äußeren noch aus der inneren Wahrnehmung. Sie stammt nicht aus der äußeren Wahrnehmung. Wir mögen die Vorgänge der Natur noch so genau beobachten, wir finden nie etwas von einem Band, welches das Antezedenz mit dem Konsequenz verbindet und wir können auch nichts von einer Kraft bemerken, welche die Wirkung hervorbringt: was wir konstatieren können ist allein regelmäßiges Auftreten bestimmter Folgeerscheinungen nach bestimmten vorangehenden. - Nun haben manche Philosophen geglaubt, daß die innere Erfahrung uns Fälle darbietet, in denen wir das notwendige Hervorgehen der Wirkung aus der Ursache erleben und solche Fälle sollen gegeben sein im Willensleben. Sehen wir aber näher zu, so ergibt sich uns, daß auch diese Vorstellungsweise nicht zu recht besteht, auch im Willensleben sind uns nur regelmäßige Aufeinanderfolge gewisser Vorgänge gegeben, von einer Verknüpfung der voraufgehenden mit den regelmäßig nachfolgenden Erscheinungen wird nicht erlebt. HUME sagt, wir brauchen nur zu erwägen,
    "daß der Wille, der hier als Ursache bezeichnet wird, ebensowengi in der auffindbaren Verknüpfung mit seinen Wirkungen steht, wie eine beliebige materielle Ursache mit ihrer Wirkung. Weit entfernt, daß wir die Verknüpfung zwischen einem Willensakt und der Bewegung (unmittelbar) wahrnehmen, ist vielmehr, wie man zugibt, jeder Versuch, die Wirkung des Willens auf den Körper aus den Kräften und dem Wesen des Denkens und der Materie zu begreifen, aussichtsloser, als der Versuch irgendeiner sonstigen Wirkung, sich unmittelbar verständlich zu machen; und die Wirkung des Willens über unseren Geist ist um nichts begreiflicher." (18)
Soweit die negativen Bestimmungen in der Frage der Genesis der Idee der notwendigen Verknüpfung. Zu positiven Bestimmungen werden wir geführt, wenn wir beachten, daß das wiederholte Erleben regelmäßiger Sukzessionen unsere Auffassung der Vorgänge modifiziert. Die in Betracht kommenden Vorgänge mögen A und B sein. Bei den ersten von uns erlebten Sukzessionen A1, B1 mag nur eine Sukzession erlebt werden. Haben wir danach eine Sukzession A2, B2; A3, B3 erlebt und tritt uns nun eine Sukzession An, Bn entgegen, wobei n eine für diese Verhältnisse große Zahl ist, so wird die Sukzession An, Bn als notwendige erlebt.

Wie kommt das? Diese Änderung ist auf das Konto der Wiederholung zu setzen. Aber wie hat die Wiederholung die Veränderung der Auffassung bedingt? Hat sie etwas Neues an den Objekten erkennen lassen oder hat sie etwas Neues hervorgerufen? (19). Sie hat sicherlich nichts Neues an den Objekten erkennen lassen:
    "denn wir können keinen Schluß aus der Wiederholung ziehen, noch dieselbe zum Gegenstand einer Demonstration oder einer Wahrscheinlichkeitsschlußfolgerung machen, wie bereits gezeigt worden ist." -
Es muß also durch die Wiederholung etwas Neues hervorgerufen werden. Wo finden wir nun dieses Neue, das durch die Wiederholung hervorgerufen ist, an den Gegenständen oder im Geist? An den Gegenständen wird nichts geändert,
    "denn es wird ohne weiteres zugegeben, daß die verschiedenen Fälle einer Verbindung ähnlicher Ursachen und Wirkungen voneinander vollkommen unabhängig sind." (20)
Also wird das Neue im Geist hervorgerufen. Es entsteht durch die Wiederholung etwas Neues im Geist. Was ist aber dieses Neue, wenn uns nach den Sukzessionen A1 B1, A2 B2 ... ein An entgegentritt, wobei n eine relativ große Zahl ist und wir nun den Eintritt von Bn erwarten? Dieses Neue ist ein Gefühl des Zwangs, der Nötigung, von der Vorstellung oder Wahrnehmung von An auf die Vorstellung von Bn überzugehen und dieses Zwangsgefühl ist assoziativ bedingt. Dieses Neue ist also ein assoziativ bedingtes Zwangsgefühl. (21) In diesem Gefühl der Nötigung ist die Impression gegeben, welche der Idee oder notwendigen Verknüpfung zugrunde liegt.

Man beachte, daß also die Wiederholung zwei Effekte im Geist nach sich zieht: ein assoziativ bedingtes Gefühl der Nötigung und - was wir früher bei der Besprechung des Fürwahrhaltens entwickelt haben - die stärkere Hervorhebung der Vorstellung der Wirkung (Bn). Deshalb sagt HUME auch:
    "Wir fühlen im Geist eine Nötigung, vom einen Gegenstand auf seinen gewöhnlichen Begleiter überzugehen und diesen wegen jener Ähnlichkeit in hellerer Beleuchtung vorzustellen." (22)
Die Impression zur Idee der notwendigen Verknüpfung haben wir nun also aufgefunden. Haben wir jetzt geleistet, was zu leisten war? Die Verknüpfung, die wir aufgewiesen haben, ist eine subjektive, eine Verknüpfung im Geist; wir glauben es bei der kausalen Verknüpfung aber mit einer objektiven Verknüpfung zu tun zu haben; mit einer Verknüpfung zwischen den als Ursache und Wirkung aufeinander bezogenen Objekten. Davon haben wir also noch Rechenschaft zu geben.

Das macht aber HUME keine Schwierigkeiten. Der Geist hat, wie sich auf verschiedenen Gebieten des psychischen Lebens zeigte, die Neigung "sich selbst in die Gegenstände der Außenwelt zur projizieren". (23) So setzen wir hier die gefühlte Nötigung in die bezogenen Gegenstände hinein.

Aus der subjektiven Notwendigkeit ist so eine objektive geworden, und wir hätten vom vorliegenden Tatbestand hiermit eine psychogenetische Rechenschaft gegeben.

Die Idee der notwendigen ursächlichen Beziehung hat also ihren Grund in einer subjektiven assoziativen Verknüpfung von Vorstellungen. Objektiv wird dazu nichts anderes erfordert als eine beständige Folge gewisser Vorstellungen.

An diese Orientierung über die Genesis unserer Idee der notwendigen Verknüpfung von Ursache und Wirkung schließt HUME erkenntnistheoretische Folgerungen an. Es hat sich gezeigt, daß diese Idee weder im Denken noch in der Wahrnehmung einen Anhaltspunkt findet. Sie ist nicht aus dem Denken, nicht aus der Wahrnehmung hervorgegangen, sondern eine durch Assoziationsprozesse bedingte Auffassung. HUME bezeichnet sie deshalb als hervorgegangen aus der "Einbildungskraft". Von objektiven Faktoren wird dabei nur vorausgesetzt eine "beständige Verbindung" gewisser Vorstellungen. Die hier vorliegende Notwendigkeit wird nur fälschlich als eine objektive angesprochen, sie ist rein subjektiv und nicht etwa eine rein subjektive Denknotwendigkeit, sondern ein logisch-erkenntnistheoretisch nicht weiter positiv zu verwertender assoziativ bedingter Zwang (24). "Wir haben deshalb gar keine Garantie dafür, daß der Lauf der Natur gleichförmig derselbe bleibt."

Die kausale Betrachtung hat also zunächst keine beweisbare Berechtigung innerhalb des Erfahrungsgebietes. Die ganzen Erfahrungswissenschaften stützen sich folglich auf eine Annahme, zu der uns nichts als ein "blinder Naturinstinkt" treibt!

Die Kausalbeziehung kann noch viel weniger Anwendung finden außerhalb des Erfahrungsgebietes, etwa zum Zweck des Beweises der Existenz der Außenwelt. Vom Dasein eines Vorgangs auf einen andern können wir, wenn überhaupt, nur "schließen" mittels der Kausalbeziehung. Es würde uns allerdings logisch-erkenntnistheoretisch nicht viel helfen, wenn die hier näher charakterisierte Schlußweise hier angängig wäre. Aber das ist nicht einmal der Fall. Wir können nur Assoziationen zwischen Vorstellungen haben, es können sich aber nicht Vorstellungen mit Objekten assoziieren, weil uns diese als solche gar nicht entgegentreten.

Das sind die skeptischen Konsequenzen, die HUME aus seinen psychogenetischen Bestimmungen über die Idee der Kausalbeziehung zieht.


§ 2. Humes skeptische Behandlung
der Idee der Substanz

Charakteristisch für die skeptischen Betrachtungsweisen ist auch HUMEs Lehre von der Idee der Substanz.

Die Lehre HUMEs von der Idee der Substanz gründet sich auf seine Bestimmung über Bedingungen des Identitätsurteils im Sinne des Urteils, daß ein Ding, das zu der einen Zeit existiert, mit sich selber einerlei ist, wenn es zu einer anderen Zeit existiert. Über die Bedingungen dieses Urteils spricht sich HUME in folgender Weise aus:
    "Wenn wir annehmen, daß ein Gegenstand, auf den wir unseren Gedanken richten, eine Zeitlang derselbe bleibt, so heißt dies offenbar, wir nehmen an, es finde ein Wechsel nur in der Zeit statt. Wir brauchen uns dann nicht zu bemühen, ein neues Bild oder eine neue Vorstellung des Gegenstandes in uns hervorzurufen. Die geistigen Vorgänge ruhen gewissermaßen und leisten nur soviel Arbeit, als erforderlich ist zur Festhaltung der Vorstellung, die wir bereits besitzen und die, ohne Veränderung und Unterbrechung, bleibt, was sie ist. Der Übergang vom einen Zeitmoment zum anderen, wird kaum von uns verspürt, weil er keinen Unterschied von Wahrnehmungen oder Vorstellungen, deren Auffassung eine verschiedene geistige Tätigkeitsrichtung erfordert, in sich schließt." (25)
Nun ist das psychische Verhalten, worauf sich unser Urteil, daß wir es mit ein und demselben Gegenstand zu tun haben, gründet, ähnlich, wenn wir einen Gegenstand in seinen aufeinanderfolgenden Veränderungen stetig verfolgen, als wenn wir einen unveränderlichen Gegenstand einige Zeit betrachten. Deshalb fällen wir auch im Fall der stetigen Verfolgung der Veränderungen eines Gegenstandes gerade so gut das Urteil, daß es ein und derselbe Gegenstand ist.
    "Der Umstand, daß das Denken hier ebenso ungehemmt und ununterbrochen (von Element zu Element) fortgeleitet, wie bei dem Objekt, das tatsächlich unverändert dasselbe bleibt, täuscht den Geist und veranlaßt uns, der Aufeinanderfolge miteinander verknüpfter Eigenschaften trotz ihrer Veränderung gleichfalls Identität zuzuschreiben." (26)
Ein anderes Urteil fällen wir aber über einen sich ändernden Gegenstand, wenn wir zwei auseinanderliegende Zeitpunkte zugleich zum Gegenstand unserer Betrachtung machen. Da geschieht der Fortschritt des Vorstellens sprungweise und wir werden so zu einem Urteil der Verschiedenheit der Wahrnehmungsobjekte geführt. Diese differente Betrachtungsweise sich ändernder Gegenstände führt also zu differenten Urteilen, zu einem Widerstreit. Diesen Widerstreit der Gedanken schlichtet die Einbildungskraft, indem sie ein Unbekanntes und Unsichtbares erdichtet, welches sie sich in allen jenen Veränderungen als sich gleich bleibend denkt.

Zu einer ähnlichen Erdichtung werden wir bei der Betrachtung eines zusammengesetzten Gegenstandes geführt, dessen koexistente Teile eng miteinander verknüpft sind, wie bei einem Pfirsich Farb, Geschmack, Gestalt, Festigkeit und andere Eigenschaften. Wie man einen einfachen unteilbaren Gegenstand mit einem Blick übersieht, so genügt auch eine "einmalige Anstrengung der Vorstellungstätigkeit" zur Erfassung solcher zusammengesetzter Gegenstände und verleitet uns zu der Auffassung, daß wir es mit einem Gegenstand zu tun haben. Andererseits sind wir auch in der Lage, die einzelnen Eigenschaften solcher Gegenstände für sich zu betrachten, wodurch wir dann die Eigenschaften als verschieden erkennen. Der so entstehende Widerstreit der Auffassung, der darin besteht, daß man den Gegenstand einmal als einen erklärt und sodann wieder als vieles, wird so gelöst, daß man die verschiedenen Eigenschaften als verschieden anerkennt, die Einheit hinter den sich darstellenden Eigenschaften sucht in einem unbekannten Etwas, in einem "die Einheit oder den Zusammenhang herstellenden Prinzip". (27)

Unter ganz ähnlichen Bedingungen wie die Idee einer äußeren Substanz entwickelt sich nach HUME die Idee einer seelischen Substanz, eines Ichs, einer Seele, welche als Träger der geistigen Vorgänge angesprochen wird. (28)

So steht es also um die Entstehung der Idee der äußeren Substanz und der seelischen Substanz.

Erkenntnistheoretisch läßt sich nach HUME zu dieser Vorstellungsweise leicht Stellung nehmen, man muß eben die Verschiedenheit der verschiedenen Eigenschaften anerkennen, zur Auffassung des Komplexes als eines unveränderlichen Dings lag eine psychische Ursache, aber keine logische Berechtigung vor; die leichte Erfaßbarkeit des Komplexes hat uns seine Einheit und Unveränderlichkeit vorgetäuscht. So haben wir also keine Berechtigung zur Annahme von materiellen und geistigen Substanzen.
    "Da jede Eigenschaft ein von der anderen unterschiedenes Etwas ist, so kann sie als für sich existierend vorgestellt werden und (demnach tatsächlich) für sich und ohne anderes existieren; nicht allein ohne eine andere Eigenschaft, sondern auch ohne jene unfaßbare Chimäre, die man als Substanz bezeichnet."(29)

§ 3. Humes skeptische Behandlung
des Glaubens an die Außenwelt.

Wie bei der Behandlung der Kausalität und der Substanz psychogenetische Entwicklungen die Grundlage für die erkenntnistheoretische Stellungnahme HUMEs bilden, so auch bei der Behandlung des Glaubens an die Außenwelt.

HUME findet bei einer Analyse des Glaubens an die Außenwelt, daß darin enthalten ist die Idee der dauernden Existenz und die Idee der von unseren psychischen Vorgängen verschiedenen Existenz von Größen (30). Von der Genesis dieser Ideen ist also Rechenschaft abzugeben.

Welche Möglichkeiten bestehen für die Entstehung dieser Ideen? Sie könnte durch die Sinne, oder die Vernunft oder durch die Einbildungskraft entstanden sein. Gehen wir die einzelnen Möglichkeiten durch.

Was zunächst die Möglichkeit anlangt, daß diese Ideen durch die Sinne vermittelt wären, so müssen wir zunächst sagen, daß die Idee der dauernden Existenz jedenfalls nicht aus den Sinnen stammt. Denn dauernd bieten sich den Sinnen Objekte nicht dar, und die Sinne können uns nicht über die Existenz von Größen belehren, die nicht wahrgenommen werden.

Die Sinne geben uns aber auch weiter nicht die Idee einer von unseren psychischen Vorgängen verschiedenen Existenz. Denn es gilt, daß alle "sinnlichen Wahrnehmungen vom Geist so aufgefaßt werden, wie sie wirklich sind." (31) Eine wirkliche Vorstellung kann deshalb uns nicht als etwas von der Vorstellung Verschiedenes erscheinen. Den Sinnen ist es nicht möglich uns zu täuschen.

Aus den Sinnen stammen also die abzuleitenden Ideen nicht.

Ist denn die Vernunft als Quelle der Idee der dauernden Existenz von Größe und der Idee der von unseren psychischen Vorgängen verschiedenen Existenz von Größe anzusehen?

Die Philosophen glauben im Allgemeinen durch die Vernunft die Realität der Außenwelt beweisen zu können, indem sie vom Vorhandensein der Wahrnehmungen auf außer uns liegende Ursachen derselben schließen. Ist der gewöhnliche Mensch auf ähnliche Weise zum Glauben an die Außenwelt gekommen? Das kann nicht der Fall sein. Denn der gewöhnliche Mensch hat gar nicht die Auffassung, die sich aus einer solchen Vernunftoperation ergibt, er scheidet nicht den Wahrnehmungsinhalt vom Objekt der Außenwelt als Ursache dieser Wahrnehmungsinhalte, er glaubt vielmehr in der Wahrnehmung die Objekte der Außenwelt selbst leibhaft zu erfassen.

Ist die Idee der dauernden Existenz und die Idee der von unseren psychischen Vorgängen gesonderten Existenz nicht aus den Sinnen und auch nicht aus der Vernunft entstanden, dann muß sie aus der Einbildungskraft entsprungen sein.

Vergleichen wir diejenigen Eindrücke, welche auf die Außenwelt bezogen werden, mit den inneren Eindrücken, so finden wir, daß das, was sie von letzteren unterscheidet, nicht im Charakter der Unabhängigkeit vom Willen liegt; denn auch Leidenschaften können sich uns aufdrängen gegen unseren Willen; auch nicht in der Intensität, denn Gemütsanregungen stehen an Intensität, Empfindungen nicht nach. Das, was die auf die Außenwelt bezogenen Eindrücke von den inneren unterscheidet, ist zunächst der Charakter der relativen Beständigkeit.

Wir fragen nun, wie es kommt, daß Beständigkeit und Kohärenz diese Auffassung bedingen.
    "Jene Berge, Sträucher, Bäume, die sich jetzt eben meinem Blick zeigen, sind mir stets in derselben Ordnung entgegengetreten, und wenn ich die Augen schließe oder den Kopf wende und sie dadurch aus dem Gesicht verliere, so sehe ich sie doch gleich darauf ohne die geringste Veränderung vor mir." (32)
Sie weisen sodann den Charakter der Kohärenz auf, den Zusammenhang bei allen Veränderungen.

Wir fragen nun, wie es kommt, daß Beständigkeit und Zusammenhang diese Auffassung bedingen.

Beginnen wir mit der Kohärenz:
    "Ich sitze hier in meinem Zimmer, mit meinem Gesicht dem Feuer zugewandt; Gegenstände, die auf meine Sinne einwirken, befinden sich in einem Umkreis von wenigen Yards um mich herum. Zugleich gibt mir die Erinnerung noch von der Existenz mancher anderen Objekte Kunde; aber diese Kunde erstreckt sich nur auf die frühere Existenz derselben; weder meine Sinne noch mein Gedächtnis legen Zeugnis ab von ihrem jetzigen Dasein. Indem ich nun so dasitze und jenen Erinnerungen nachgehe, höre ich plötzlich einen Lärm wie von einer Türe, die sich in ihren Angeln dreht, und ein wenig später sehe ich einen Briefträger auf mich zukommen. Dies gibt mir Veranlassung zu allerlei neuen Reflexionen und Schlüssen. Erstens habe ich niemals beobachtet, daß ein solches Geräusch von etwas anderem als der Bewegung einer Tür herrührt; danach urteile ich, daß dieses gegenwärtige Phänomen in Widerspruch stünde mit allen früheren Erfahrungen, wenn nicht die Tür, die sich, wie ich mich erinnere, an der anderen Seite des Zimmers befindet, noch existieren würde. Weiterhin habe ich stets gefunden, daß der menschliche Körper eine Eigenschaft besitzt, die ich Schwere nenne und die ihn daran hindert, in die Luft emporzusteigen. Dies müßte der Briefträger, um zu meinem Zimmer zu gelangen, getan haben, wenn etwa die Treppe, deren ich mich erinnere, in meiner Abwesenheit vernichtet worden wäre. Aber dies ist nicht alles. Ich erhalte einen Brief und beim Öffnen desselben erkenne ich an der Handschrift und Unterschrift, daß er von einem Freund stammt, der mir sagt, er sei zweihundert Meilen von mir entfernt. Offenbar kann ich diese Tatsache nicht übereinstimmend mit meiner in anderen Fällen gewonnenen Erfahrung erklären, ohne in meinem Geist die ganze See und den Kontinent zwischen uns auszubreiten und die Wirkungen und die dauernde Existenz von Straßen und Überfahrtsgelegenheiten meiner Erinnerung und Beobachtung gemäß vorauszusetzen. ... Kaum ein Augenblick meines Lebens verfließt, ohne daß ich Ähnliches erlebe. ... Ich sehe mich so in natürlicher Weise dazu getrieben, die Welt als etwas Reales und Dauerndes zu betrachten, als etwas, das im Dasein beharrt, auch wenn es für meine Wahrnehmung nicht mehr besteht." (33)
So führt uns der Zusammenhang unter den Eindrücken zum Glauben an eine Welt, die eine dauernde Existenz hat und unabhängig von uns existiert.

Wie steht es nun mit der Gültigkeit dieser Betrachtung? Handelt es sich hierbei nicht um Kausalschlüsse? Das allerdings, aber man muß dabei beachten, daß es zumeist Kausalschlüsse besonderer Art sind, die uns zum Glauben an diese Existenzen führen; hier ist die kausale Betrachtung über die Erfahrung hinaus ausgedehnt: wir setzten doch in den vorigen Betrachtungen zumeist kausale Betrachtungen zwischen Größen, die uns nicht gegeben sind. Das ist aber ein durchaus unstatthaftes Verfahren. Die Lehre von den Kausalbeziehungen innerhalb des Bereiches der Erfahrung konnten wir schon nicht wissenschaftlich rechtfertigen, wieviel weniger solcher außerhalb des Erfahrungsbereichs! Wie kommt es denn, daß uns ein solches Verfahren einen plausiblen Eindruck macht?

Hier ist zu beachten, daß, wenn die Einbildungskraft einmal in bestimmter Weise tätig ist, sie in dieser steten Tätigkeit zu beharren tendiert, auch wenn die Objekte keinen Anlaß dazu bieten,
    "daß sie wie ein Schiff, das einmal durch die Ruder eine Bewegung erlangt hat, ihren Weg ohne einen neuen Anstoß fortsetzt".
Die Gegenstände zeigen schon eine gewisse Kohärenz; diese wird noch weit vollständiger, wenn wir annehmen, daß die Gegenstände eine dauernde Existenz besitzen. Die Gegenstände veranlassen also den Geist, Gleichförmigkeit anzunehmen. Ist er aber auf diese Betrachtungsweise einmal eingestellt, ist er "im Zuge", so macht er die Gleichförmigkeit möglichst vollkommen. (34)

Der Charakter der relativen Beständigkeit der äußeren Eindrücke wirkt nach derselben Richtung, nur daß aus diesem primär die Idee der dauernden Existenz von Größen und sekundär die der von uns unabhängigen Existenz von Größen entsteht.

Betrachte ich die Möbel meines Zimmers und schließe dann die Augen, so sind die Wahrnehmungsobjekte verschwunden; öffne ich sie wieder, so stellen sich mir Wahrnehmungsobjekte dar, die ich für dieselben, wie die früheren halte. Die tatsächliche Ähnlichkeit solcher Wahrnehmungsobjekte, die ich zu verschiedenen Zeiten unter gleichen Bedingungen habe, bedingt die Neigung, die betreffenden Wahrnehmungsobjekte als identisch zu setzen. Andererseits erkennen wir, daß diese Wahrnehmungen verschieden sind "wegen der unterbrochenen Art ihrer Existenz". Die Unterbrechungen in der Erscheinung dieser Wahrnehmungen sind so lang und so häufig, daß es unmöglich ist, sie zu übersehen. Wir haben einmal die Tendenz, diese Wahrnehmungsobjekte als identisch, andererseits sie als verschieden zu setzen. Wir helfen uns aus der Verlegenheit, indem wir ein dauerndes Dasein erdichten, welches die Intervalle zwischen den Wahrnehmungen ausfüllt.

Diese Erdichtung bekommt Lebhaftigkeit und wird geglaubt durch die nahe Beziehung dieser Vorstellungsweise zu Impressionen.

Hier sind die erkenntnistheoretischen Folgerungen noch viel näher gelegt als im früheren Fall. Hier tritt uns in der Psychogenesis schon deutlich hervor, daß die Betrachtungsweise, welche für wahr gehalten wird, im Grunde nichts anderes als eine Erdichtung ist. Es ist doch eine "grobe Täuschung" (35) anzunehmen, daß die einander ähnlichen Wahrnehmungen, die unter den angegebenen Bedingungen entstanden sind, numerisch identisch seien.

So ist nach HUME der skeptische Zweifel das natürliche Ergebnis eines gründlichen erkenntnistheoretischen Nachdenkens über die Realitätsprobleme. Das hält ihn nicht ab, im gewöhnlichen Leben mit der Betrachtungsweise des gewöhnlichen Menschen zu operieren.


§ 4. John Stuart Mills skeptische
Lehre vom Syllogismus.

Bei MILL finden wir eine ähnliche Betrachtung bezüglich des Syllogismus, wie sie uns bei den alten Skeptikern entgegengetreten ist. Auch er vertritt die Anschauung, daß wir es in dem, was man gewöhnlich als Syllogismus bezeichnet, mit einer petitio principii [es wird vorausgesetzt, was erst zu beweisen wäre - wp] zu tun haben, daß man dabei im Obersatz als richtig voraussetzt, was man beweisen will. Er sagt: Es muß zugegeben werden, daß, als ein Argument betrachtet, das den Schluß beweisen soll, in einem jeden Syllogismus eine petitio principii liegt. Wenn wir sagen:
    Alles Menschen sind sterblich,
    Sokrates ist ein Mensch
    daher
    Ist Sokrates sterblich;
so bestehen die Gegner der syllogistischen Lehre auf der unwiderlegbaren Behandlung, daß das Urteil, Sokrates ist sterblich, in der allgemeinen Annahme, alle Menschen sind sterblich, schon vorausgesetzt liegt; daß wir nicht von der Sterblichkeit aller Menschen überzeugt sein können, wenn wir nicht schon der Sterblichkeit aller individuellen Menschen gewiß sind; daß, wenn es noch zweifelhaft ist, ob Sokrates oder irgendein anderes genanntes Individuum sterblich ist oder nicht, derselbe Grad von Ungewißheit der ganzen Behauptung, alle Menschen sind sterblich, eigen ist; daß der allgemeine Grundsatz, anstatt als Beweis für den besonderen Fall zu dienen, nicht eher für unbedingt wahr gehalten werden kann, bis ein jeder Schatten eines Zweifels bezüglich eines jeden in ihm enthaltenen Falles durch einen Beweis aliunde [anderswoher - wp] bestätigt worden ist; und was bleibt dann dem Syllogismus zu beweisen übrig? Kurz: daß das Schließen vom Allgemeinen aufs Besondere als solches nichts beweisen kann, da man aus einem allgemeinen Satz keine anderen besonderen Sätze folgern kann, als die der Hauptsatz schon als bekannt voraussetzt." (36) MILL unterscheidet sich aber dadurch von den alten Skeptikern, daß er nicht die Möglichkeit jeglichen Schließens in Abrede stellt. Kein Mensch wird doch leugnen können, daß man durch Schlüsse in der Wissenschaft der Erkenntnis gefördert wird. Er sagt, tatsächlich bin ich doch überzeugt, daß der und der mit mir lebende Mensch, etwa der Herzog von WELLINGTON, sterblich ist. Wie komme ich zu dieser Überzeugung? Darauf muß ich antworten, weil ich annehme, daß alle Menschen sterblich sind. Wie komme ich aber zu dieser Behauptung, daß alle Menschen sterblich sind? Weil wir erfahren haben, daß ganze Generationen von Menschen ohne Ausnahmen in einem durch gewisse Grenzen bestimmten Lebensalter gestorben sind. Der eigentliche Schluß liegt nun, sagt MILL, im Übergang von der Erfahrung einzelner Fälle auf die Behauptung des allgemeinen Satzes. Nichts anderes als die Erfahrung, daß ganze Generationen von Menschen ohne Ausnahmen in einem bestimmten Lebensalter gestorben sind, berechtigt mich zur Aufstellung der allgemeinen Behauptung, daß alle Menschen sterblich sind. Der Übergang von der allgemeinen Behauptung (alle Menschen sind sterblich) auf den besonderen Fall (der Herzog von WELLINGTON ist sterblich) stellt keinen Schluß mehr dar, sondern mit diesem Übergang tue ich nichts anderes, als daß ich meine allgemeinen Notizen, die sich auf einen früheren Schluß stützen, entziffere.

Und anstatt von einzelnen Fällen auf einen allgemeinen Satz zu schließen, kann ich auch direkt von einzelnen Fällen auf andere einzelne Fälle schließen:
    "Wenn wir berechtigt sind, aus unserer Erfahrung von Johann, Thomas etc., die einst gelebt haben und nun tot sind, zu schließen, daß alle Menschen sterblich sind, so hätten wir ganz gewiß ohne logische Inkonsequenz aus diesen Fällen geradezu schließen können, daß auch der Herzog von Wellington sterblich ist. Die Sterblichkeit von Johann, Thomas und Kompanie ist am Ende doch nur der einzige Beweis, den wir für die Sterblichkeit des Herzogs von Wellington haben. Durch das Einschalten eines allgemeinen Urteils wird dem Beweis kein Jota hinzugefügt. Da die individuellen Fälle den ganzen Beweis ausmachen, den wir besitzen können, einen Beweis,, den keine logische Form größer machen kann als er ist; und da dieser Beweis entweder an und für sich genügend ist, oder wenn er es für den einen Zweck nicht ist, es auch für den anderen nicht sein kann, so bin ich nicht imstande zu sehen, warum wir den Weg von diesen genügenden Prämissen zum Schluß nicht abschneiden dürfen, und durch das fiat [es werde - wp] der Logiker gezwungen sein sollen, die a priori-Hochstraße zu wandeln. Ich vermag nicht einzusehen, warum es nicht möglich sein sollte, von einem Platz nach dem andern zu reisen, ohne "den Berg hinaufzumarschieren und dann wieder hinabzumarschieren". Es mag der sicherste Weg und auf dem Gipfel des Berges mag ein Ruheplatz sein, der eine Aussicht auf die Umgebung darbietet, aber für den bloßen Zweck, an das Ziel unserer Reise zu gelangen, steht uns die Wahl des Weges frei; es ist nur eine Frage der Zeit, der Mühe und der Gefährlichkeit." (37)
Es wird sich uns später bei kritischer Betrachtung der positiven Entwicklungen MILLs zeigen, daß der gedachte Schluß von einzelnen Fällen auf einen allgemeinen Satz oder von einzelnen Fällen auf andere einzelne Fälle nicht ohne weitere Voraussetzungen gezogen werden kann, wenn auch dieser Übergang ein sich dem Psychologen häufig darbietender Tatbestand ist. Dann würden wir aber wieder in die Skepsis bezüglich unserer Fähigkeit, Schlüsse zu ziehen, zurückfallen, wenn es uns nicht gelingt, zu zeigen, daß die Entwicklungen der Skeptiker bezüglich der petitio principii im gewöhnlichen Syllogismus unrichtig sind. Das wird sich aber zeigen lassen.
LITERATUR - Gustav Störring, Einführung in die Erkenntnistheorie, Leipzig 1909
    Anmerkungen
    1) Hume, Traktat über die menschliche Natur, übersetzt von Köttgen, Seite 17.
    2) a. a. O. Seite 18
    3) a. a. O., Seite 100 und 101.
    4) a. a. O., Seite 101 und 102.
    5) a. a. O., Seite 103
    6) a. a. O., Seite 104
    7) a. a. O., Seite 105
    8) a. a. O., Seite 106 und 107
    9) a. a. O., Seite 108
    10) a. a. O., Seite 109f
    11) Hume, Untersuchungen über den menschlichen Verstand, Ausgabe "Philosophische Bibliothek", Seite 32 und 33.
    12) Hume, Traktat, Seite 123 und 124.
    13) Hume, Untersuchungen etc. Seite 44
    14) Traktat, Seite 127.
    15) Traktat, Seite 129.
    16) Traktat 134 und 135.
    17) Traktat, Seite 137.
    18) Traktat, Seite 218.
    19) Traktat, Seite 222 und 223
    20) Traktat, Seite 223
    21) Traktat, Seite 223.
    22) Traktat, Seite 223.
    23) Traktat, Seite 226
    24) Untersuchungen, Seite 75 und 76.
    25) Traktat, Seite 270.
    26) Traktat, Seite 289.
    27) Traktat, Seite 290
    28) Traktat, Seite 325
    29) Traktat, Seite 292.
    30) Traktat, Seite 251.
    31) Traktat, Seite 253
    32) Traktat, Seite 259.
    33) Traktat, Seite 261 und 262.
    34) Traktat, Seite 264
    35) Traktat, Seite 286
    36) John Stuart Mill, Logik, Bd. 1, übersetzt von Schell, Seite 229.
    37) a. a. O., Seite 233.