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Theorie der Rechtsquellen [Ein Beitrag zur Theorie des positiven Rechts auf Grundlage dogmengeschichtlicher Untersuchungen] [3/3]
Kapitel Kapitel IV Englische Doktrin (1) 1. Wer, mit kontinentalem Rechtsdenken vertraut, mit der angelsächsischen Jurisprudenz Bekanntschaft macht, wird sich wundern, eine Literatur zu finden, die in ihrem Wesen, ihren Traditionen und ihrer Methode von dem, was er gewohnt ist, grundverschieden erscheint. Er wird einen Gedankengang finden, der sich im Großen und Ganzen unter erstaunlich geringem Einfluß vom Kontinent entwickelt hat. Dies gilt besonders in England im engeren Sinne. In Schottland fand wohl das metaphysische Naturrecht am Ausgang des vorigen Jahrhunderts im Edinburgher Professor JAMES LORIMER einen gläubigen Anhänger; aber es ist charakteristisch, daß er von englischen Verfassern als ein isoliertes Phänomen und seine Lehre als Kuriosität behandelt wird, auf die man nicht näher eingeht. (2) In Amerika übte andererseits die deutsche historische Schule einen nicht geringen Einfluß aus (3). Vielleicht, wie WILLOUGHBY (4) annimmt, aus politischen Gründen. Der nordamerikanische Freistaat war durch eine Volkserhebung gegen eine "souveräne" Macht entstanden, und es war vielleicht deshalb natürlich, daß man eher zu einer Rechtstheorie neigte, die das Volk als rechtschaffene Macht betonte, als zu einer, die - wie die englische analytische Schule - lehrte, daß alles Recht vom "Souverän" ausgeht. Es kann auch erwähnt werden, daß in moderner Zeit die besonders von Frankreich ausgehende soziologisch orientierte Rechtswissenschaft in Amerika Verbreitung gefunden hat (5). In England selbst hat dagegen weder die naturrechtliche, noch die deutsche historische Schule einen Einfluß ausgeübt. Naturrechtliche Systeme finden sich überhaupt nicht in der englischen Literatur. HOLLAND (6) drückt sicher die allgemeine englische Auffassung aus, wenn er "Naturrecht" als "Jurisprudence in the air" charakterisiert. Auch die deutsche historische Schule war nicht imstande, eine nennenswerte Macht über die Gemüter zu gewinnen. Soweit man überhaupt etwas von ihr weiß, ist es Brauch SAVIGNY mit einer artigen Referenz (7) zu nennen und im Übrigen unangefochten einen Weg zu gehen, der den Dogmen der deutschen historischen Schule diametral entgegengesetzt ist. England hat seine eigene historische Schule, die von MAINE begründet wurde (8). Sie ist von der deutschen Schule so verschieden, wie die Umstände ihrer Entstehung von denen jener. Die deutsche historische Schule erwuchs als eine Reaktion gegen die naturrechtlichen Spekulationen, enthält aber eben deshalb einen gut Teil nicht überwundene naturrechtliche Rudimente; als Rechtstheorie betrachtet, ist sie ebenso naturrechtlich wie positiv. Die englische Schule dagegen entstand in Kontinuation der positiven, analytischen Schule (9). Sie will nicht revolutionieren, sondern supplieren [ergänzen - wp]. Ihr innerster Charakter ist deshalb auch positivistisch und nicht naturrechtlich. Die beiden Gesichtspunkte, der analytische und der historische, gehen dann auch in unserer Zeit oft Seite an Seite, ohne sich zu bekämpfen (10), indem jeder von ihnen am rechten Platz angewendet wird. Es ist deshalb oft unmöglich, zu sagen, ob man einen Verfasser wesentlich zur analytischen oder zur historischen Richtung rechnen soll. Die beiden sind in Wirklichkeit zu einem Strom geworden. Auf der anderen Seite übte die englische, analytische Schule - bis in die allerneueste Zeit - so gut wie gar keinen Einfluß auf den Kontinent aus. AUSTINs Name blieb unbekannt. Der gegenseitige Mangel an Kontakt zwischen englischen und kontinentalem Rechtsdenken spiegelt sich bei englischen Verfassern in der Unwissenheit, dem Sichfremdfühlen, der Unbereitwilligkeit wieder, die man gegenüber der kontinentalen, besonders der deutschen Rechtsphilosophie zeigt (11).
Wollte man eine generalisierte Charakteristik der englischen "Jurisprudenz" im Verhältnis zur kontinentalen Rechtsphilosophie versuchen, so werden besonders zwei Züge hervorzuheben sein. Erstens ihr unsystematischer, "praktisch-realistischer" Charakter (14), zugleich ihre Stärke und ihre Schwäche. Ihre Schwäche insofern, als keine bedeutsame Einsicht gewonnen werden kann, ohne daß man den Mut hat, über das unmittelbar Praktische und "Reale" hinauszublicken. Ihre Stärke, insofern als die englische Theorie, wenngleich sie weniger weitspannend und hochfliegend ist, stets einen inneren Kontakt mit der Rechtswirklichkeit bewahrt hat, die zu erklären sie berufen ist. Gegenüber einer einseitigen Betonung des englischen Sinns für das "Reale" (was vielleicht dänische Leser besonders begeistert) muß doch festgestellt werden, daß AUSTIN, der Begründer der englischen wissenschaftlichen Jurisprudenz, eine ausgeprägt "theoretische" Begabung war (15). Ironisch wandte er sich gegen Leute, die glaubten, etwas anderes gegen eine Theorie einwenden zu können, als daß sie unwahr ist. (Die bekannte Redensart: "das ist wohl in der Theorie richtig, taugt aber nichts in der Praxis) (16). Zugleich sah er ein, daß der Rechtsbegriff sich nicht empirisch-induktiv bestimmen läßt, was ja auch nicht ganz zu "gesunden realen Gesichtspunkten paßt. Der andere Zug, der in der englischen Jurisprudenz besonders hervorzuheben ist, hängt mit dem ersten zusammen. Es ist die bewundernswerte Methodenreinheit, die seit AUSTINs Zeit - wenngleich bei seinen Nachfolgern in geringerem Grad, wie bei ihm selbst - in der Literatur geherrscht hat. Nicht ganz mit Unrecht stellt daher SALMOND die englische Theorie in einen Gegensatz zur kontinentalen und sieht in ihr eine Vermengung von Ethik und Politik. Wir haben oben gesehen, in wie hohem Maße das bei der französischen Theorie der Fall ist (GENY!). Unten soll gezeigt werden, daß der Entwicklungskampf in Deutschland im letzten Jahrhundert die Richtung genommen hat, daß er das positiv rechtliche Problem von dieser Verkettung mit Politik ausschließt. Es ist kein Zufall, daß das einzige Werk, welches Austin zu Lebzeiten herausgegeben hat, den Titel "Province of jurisprudence determined" hatte. Als Motto für AUSTINs unermüdliche Bemühung, die Positivität des Rechts auszudrücken, als Ausdruck für den Standard, den er damit dem künftigen englischen Rechtsdenken aufstellte, kann man folgende Worte AUSTINs anführen:
Der Unterschied zwischen englischer und kontinentaler Rechtstheorie ist so augenscheinlich genug. Indessen ist in neuerer Zeit eine gewisse Annäherung zwischen den beiden Systemen erfolgt. So hat AUSTIN einen sehr bedeutenden Einfluß auf den ungarischen Rechtstheoretiker FELIX SOMLÓ ausgeübt (Juristische Grundlehre, 1917) und durch ihn wieder auf andere, z. B. KARL WOLFF (Grundlehre des Sollens, 1924). Es wäre vielleicht zu hoffen, daß diese neuen deutschen Richtungen, die in ihrem Wesen mit AUSTINs Gedankengang eng verwandt sind, wieder einen Einfluß auf die englische Jurisprudenz üben können. 2. Die englische Jurisprudenz zerfällt in drei Phasen:
b) Austin c) Austins Nachfolger. Die Rechtstheorie vor AUSTIN findet ihren typischen Ausdruck bei BLACKSTONE (19). Seine "Commentaries on the Laws of England", die im Jahr 1765 erschienen sind, sind naturrechtlich beeinflußt. BLACKSTONE beginnt "Section the second, On the laws in general" mit einer Scheidung zwischen Gottes Gesetzen, oder "the laws of nature" und den Gesetzen der Menschen. Und er stimmt in die allgemeine Huldigung vor dem Naturrecht, Gottes Gesetz, mit ein. Es heißt (20a), daß das Naturrecht auf dem ganzen Globus in allen Ländern und zu allen Zeiten bindend ist: "no human laws are of any validity, if contrary to this." [Kein menschliches Gesetz hat irgendeine Gültigkeit, sofern es im Gegensatz dazu steht. - wp] Daß dies indessen mehr Redensarten sind, die der Zeitgeist mit sich brachte, als Ausdruck für eine wirkliche Naturrechtsdoktrin, das geht aus BLACKSTONEs unmittelbar nachfolgender Definition des positiven Rechts, "The municipal law", hervor.
BLACKSTONEs Rechtsquellenlehre, wie sie in "Section the third, On the Laws of England", dargestellt wird, beruth auf der römisch-germanischen Scheidung zwischen lex scripta und lex non scripta, wie sie ursprünglich an einigen Quellenstellen bei JUSTINIAN vorgenommen und später von der deutschen historischen Schule entwickelt wurde. Lex scripta, das Gesetz, wird direkt vom Volk und ausdrücklich durch die gesetzgebenden Organe gegeben; leges non scripta, das Gewohnheitsrecht, beruhen dagegen auf der stillschweigenden Billigung des Volkes durch die Gewohnheit;
Ist aber so die Grundlage auch die römisch-germanische, so ist es doch charakteristisch, daßß die Lehre in BLACKSTONEs Händen eine ganz andere Wendung erhält als sie üblich ist, und sie später von der deutschen historischen Schule ausgebildet wurde. BLACKSTONE unternimmt eine bedeutsame Scheidung zwischen den generellen und den partikulären Gewohnheiten, je nachdem, ob sie in "the whole realm" [im ganzen Reich - wp] befolgt werden, oder nur in "particular districts". Was nun die partikularen Gewohnheiten angeht, so macht BLACKSTONE auch mit der Theorie von ihrem volksgeschaffenen Charakter Ernst. Auf ähnliche Weise wie die deutsche historische Schule stellt er eine Reihe Bedingungen auf, wann "a good custom" [eine gute Gewohnheit - wp], für den Richter bindend, vorliegt (20a). Diese Bedingungen sind, daß die Gewohnheit "has been used so long that the memory of men runneth not to the contrary" [wird schon so lange in Gebrauch ist, daß sich niemand an was anderes erinnert - wp], daß sie "continued" [weitergeführt - wp] worden ist; daß sie "peacable", "reasonable", "certain", "compulsary" [friedlich, vernünftig, gewiß, zwingend - wp] ist, endlich müssen die Gewohnheiten "consistent with each other" [miteinander in Einklang - wp] sein. Hierbei machen wir besonders auf die Bedingung aufmerksam, daß die Gewohnheit "compulsary" sein soll, was augenscheinlich dasselbe ist, wie die römisch-germanische Forderung einer opinio necessitatis [Überzeugung der Zweckmäßigkeit - wp]. Was dagegen die generellen Gewohnheiten angeht, so führt BLACKSTONE - hier in entschiedenem Gegensatz zu PUCHTA - keine Bedingungen für ihre rechtlich verbindende Kraft an. Das beruth nicht auf einem Vergessen. Er erhebt selber die Frage:
Die Quintessenz von BLACKSTONEs Lehre läßt sich folgendermaßen zusammenfassen: Auf das praktische Postulat gegründet, daß der Richter nicht Recht schaffen kann, sondern nur bereits existierendes anwenden, das zu finden seine Aufgabe ist, gelangt BLACKSTONE dazu, die römisch-germanische Scheidung zwischen Gesetz und Gewohnheit anzunehmen. Aber diese Scheidung nimmt doch in ihrer näheren Ausgestaltung einen ganz besonderen Charakter an, der von der Lehre der späteren deutschen Schule verschieden ist, und auf die spätere englische Doktrin hindeutet. Er gibt nämlich - im Gegensatz zu PUCHTA - keine Bedingungen dafür an, wann eine generelle Gewohnheit verpflichtend ist. Er legt alles in die Hände des Richters, macht ihn zum einzigen lebenden autoritativen Orakel dafür, was das Volk als Recht geschaffen hat. Hiermit ist in Wirklichkeit die Rede von der rechtschaffenden Macht des Volkes recht illusorisch geworden; hiermit ist faktisch dem Gewohnheitsrecht sein extrajudizieller Charakter genommen, und es ist nur noch ein kleiner Schritt zu AUSTINs Lehre vom Gewohnheitsrecht als judge-made law [richtergemachtes Recht - wp]. 3. Die Rechtswissenschaft als eine Normwissenschaft bestimmt zu haben, den Entwurf für eine allgemeine, formale Normlehre gegeben zu haben, weiter die Kriterien angegeben zu haben, die die verschiedenen Normarten differenzieren, und damit die rechtlichen Normen von den ethischen und konventionellen geschieden und so eine erkenntnistheoretische Grundlage für die Lehre von der Positivität des Rechts gegeben zu haben - diese Großtat, die eines KANT würdig gewesen wäre, und die faktisch auch in allerneuester Zeit auf anderen Gebieten als immanente Frucht seines Denkens zutage getreten ist, wurde von dem Engländer JOHN AUSTIN in einer Reihe Vorlesungen der Jahre 1828 - 1832, die nur wenige Menschen hörten, vollbracht, und wurde bald - für eine lange Zeit - vergessen. Von AUSTINs Leben soll nur erwähnt werden, daß seine produktiv-wissenschaftliche Tätigkeit sich nur über die vier Jahre 1828 - 1832 erstreckt. Zu der Zeit war er Professor am neu gegründeten University College in London. Da mit dieser Stellung aber kein anderes Honorar verbunden war, als was durch die Vorlesungsgebühren der Studenten hereinkam, und da er nur sehr wenige Hörer hatte (22), so zwangen seine pekuniären Rücksichten ihn, seine Dozententätigkeit aufzugeben. Die einzige juristische Arbeit, die er zu Lebzeiten herausgab, waren seine ersten "lectures", die, auf sechs zusammengedrängt, im Jahre 1832 unter dem Titel "Province of Jurisprudence determined" herauskamen. Aber wenngleich sich unter seinen Hörern Männer von hervorragender Begabung befanden, die später auf den verschiedensten Gebieten leitende Stellungen einnahmen, und wenngleich mehrere von diesen - z. B. JOHN STUART MILL - von dem starken Eindruck erzählt haben, den AUSTIN auf sie machte, so wirkten seine Gedanken doch nicht befruhtend auf das juristische Denken der Zeit. Sein Buch blieb einsam, ohne Kritik oder Nachfolge zu finden. Die übrigen Vorlesungen gelangten zu seinen Lebzeiten niemals zur Veröffentlichung. Als er im Jahre 1859 starb, war er ein vergessener Mann. Nicht einmal die juristischen Zeitschriften erwähnten seinen Tod. Auch auf dem Kontinent blieb er unbekannt. Sein Name findet sich nicht in einem Werk wie HOLTZENDORFFs "Rechtslexikon", das doch Notizen über jeden obskuren mittelalterlichen Juristen bringt. Aber gerade um die Zeit seines Todesjahres begann ein Umschlag. In den Jahren 1861-1863 gab seine Witwe SARAH AUSTIN mit bewundernswerten Fleiß eine neue Ausgabe der "Province of Jurisprudence determined" heraus, denen die übrigen unveröffentlichten Vorlesungen beigegeben waren, soweit es sich machen ließ; das Ganze gesammelt unter dem Titel "Lectures on Jurisprudence or the Philosophy of positive Law". (Wer an AUSTINs "Lectures" Kritik üben will, darf nicht vergessen, daß sie nur in Form vorläufiger Entwürfe, als Fragmente vorliegen, die er selber niemals der Herausgabe für würdig befunden hat.) Im Jahre 1863 schrieb JOHN STUART MILL einen Artikel in der "Edinborgh Review", der zum erstenmal mit Autorität der englischen juristischen Welt erzählte, daß sie in JOHN AUSTIN einen großen Juristen verloren hatte. Last but not least hielt MAINE gerade in diesen Jahren seine Vorlesungen, in denen er mit großer Kraft darauf aufmerksam machte, was England, ja die ganze Welt AUSTIN verdankt.
Eine der Ursachen dafür, daß AUSTINs Gedanken so langsam und schwer vordrangen, kann vielleicht - außer dem allgemeinen Mangel an theoretischem Interesse - der schwer zugänglichen Form zugeschrieben werden, in der seine "Lectures" vorliegen. Einerseits sind sie, wie gesagt, nur ein vorläufiger Entwurf, andererseits macht ihre sprachliche Form sie nicht anziehend. Eine bis zum äußersten getriebene, bedenkliche Ängstlichkeit, kein Problem fahren zu lassen, solange es nicht bis zum letzten Punkt geklärt und analysiert ist, hat ermüdende Wiederholungen und einen schleppenden Stil zur Folge, der nicht vom Fleck kommt. Lange Ausführungen über die englische Utilitätsmoral, dazu in ihrer langweiligsten Form, die quantitativ einen großen Teil von AUSTINs Werk füllen, wenngleich ohne organische Verbindung mit seiner Rechtstheorie, trugen sicher auch dazu bei, eine Abneigung gegen ihn auf dem Kontinent zu wecken. Aber wie ermüdend AUSTINs Stil auch sein mag, er zeugt - im Gegensatz zu so vieler journalistischer Schönrederei - von ausdauernder wissenschaftlicher Gewissenhaftigkeit bis zum Letzten. Außer KANT hat niemand ein schöneres Bild intellektueller Redlichkeit geboten, will mir scheinen. AUSTIN selbst war sich nicht klar darüber, daß er eine neue Wissenschaft begründete, nämlich die juristische Grundlehre. Auch über das wahre Wesen und den Umfang seiner Untersuchungen war er sich nicht klar. Er bezeichnete sein Werk als "general jurisprudence", ohne die prinzipiell wichtige Scheidelinie zu bemerken, die die formalen und notwendigen Begriffe der juristischen Grundlehre von den materialen und positiv bedingten Rechtsinhalten scheidet, die durch weitgehende Generalisation von einem oder mehreren Rechtssystemen gewonnen wird. AUSTINs Werk behandelt dann auch nebeneinander einerseits notwendige und formale Begriffe, wie Rechtsnorm, Rechtspflicht, Rechtsquelle, Staat und dgl., andererseits bloß bedingte Begriffe, wie dingliche Rechte, res publicae [öffentliche Angelegenheiten - wp], quasi-servitutes [Als-ob-Dienstbarkeiten - wp], emphyteusis [Leihverhältnis an Grundstücken - wp] u. a. m., die alle zu mehr oder weniger allgemeinen Teilen eines oder mehrerer positiven Rechtssystemen gehören. Auf der anderen Seite zeigt sich, daß diese Scheidung AUSTIN vorgeschwebt hat, ohne daß er doch zur Klarheit gelangt wäre. Einzelne losgelöste Sätze können völlig korrekt klingen (26). Im dem besonderen Abschnitt "On the Study of Jurisprudence" unternimmt er eine Scheidung zwischen notwendigen und nicht notwendigen Begriffen (27). Aber einerseits wird die Trennlinie falsch gezogen, da er viel bloß rechtsinhaltsmäßige Begriffe unter die notwendigen reiht, andererseits legt er der Scheidung nicht ihre rechte methodische Bedeutung als Grundlage für die Scheidung zwischen juristischer Grundlehre und allgemeiner Rechtslehre bei. Das hängt damit zusammen, daß er bei Notwendigkeit mehr an praktische als an theoretische Notwendigkeit denkt, mehr an die, die aus dem Einfluß äußerer Lebensverhältnisse entspringt, als an die, die aus einer formalen Normlogik stammt. AUSTIN ist nicht ohne Vorgänger. HOBBES und nicht minder JEREMY BENTHAM haben einen bedeutenden Einfluß auf ihn ausgeübt. Vielleicht kann man sogar von diesen eine Linie bis BODIN (28) zurückziehen. BENTHAMs Einfluß spürt man besonders bei AUSTINs ethischen Theorien. Sein oberflächlicher und platter Utilitarismus ist ganz nach BENTHAMs Maß zugeschnitten. AUSTINs eigentlicher Einsatz dagegen, seine stringente Scheidung zwischen Recht und Moral, ist sein Eigentum. Da es gerade die Pointe in AUSTINs Lehre ist, daß die ethischen Prinzipien rechtswissenschaftlich irrelevant sind, so soll der Einfluß der Moralphilosophen deshalb nicht weiter verfolgt werden. 4. AUSTINs Methode zur Bestimmung des Rechtsbegriffs ist apriorisch und deduktiv nicht empirisch und induktiv. "Province of Jurisprudence determined" beginnt folgendermaßen:
2. Positive Gesetze: das heißt Gesetze, die einfach und streng so genannt werden und den entsprechenden Gegenstand der allgemeinen und besonderen Rechtsprechung bilden. 3. Positive Moral, Regeln positiver Moral oder positive moralische Regeln. 4. Gesetze metaphorischer oder bildlicher Natur oder lediglich metaphorischer oder bildlicher Natur. Die göttlichen Gesetze und positiven Gesetze werden korrekterweise so genannt. (29a) AUSTINs Methode kann von mehreren Gesichtspunkten aus folgendermaßen interpretiert werden. Der Kern in dem oben angeführten Zitat ist, daß "laws properly so called" von "laws improperly so called" geschieden werden, d. h. daß ein Begriff für echte Normen aufgestellt wird. Wenn dann diese als "commands" bezeichnet werden und dieser Begriff näher analysiert wird (siehe unten), so bedeutet das ein Entwurf zu einer formalen Norm-Grundlehre. Wenn endlich die besonderen Kriterien angegeben werden, die die rechtlichen Normen von anderen scheiden, so ist dies dasselbe wie ein Versuch einer speziellen, rechtlichen, formalen Normlehre. Der Begriff "command" [Befehl - wp] wird näher so bestimmt:
"Das Übel, das wahrscheinlich entsteht, wenn einem Befehl nicht Folge geleistet wird oder (um einen äquivalenten Ausdruck zu verwenden) wenn eine Pflicht gebrochen wird, wird häufig als Sanktion oder Erzwingung des Gehorsams bezeichnet." (29c)
Die Trennung zwischen den einzelnen Normarten erfolgt, da Befehl einen Befehlenden voraussetzt, von dem Gesichtspunkt aus, wer sie gesetzt hat. Nimmt man weiter die unechten Normen mit, die, die nicht Befehle sind, so erhält man folgende Gruppen (31):
2. "laws set by men to men", menschliche Gesetze (human laws) zerfallen wieder in zwei Abteilungen:
Diese beiden ersten Gruppen sind echte Normen (Befehle). 3. uneigentliche Gesetze, die aufgrund enger Analogie so genannt werden, nämlich Regeln, die durch bloße Meinung festgelegt und durchgesetzt werden (Ehrenregeln, Mode, Konvention) 4. Gesetze, die nur metaphorisch so genannt werden, z. B. Naturgesetze AUSTIN geht dann dazu über, jede dieser Gruppen genauer zu charakterisieren, um auf ihrer Grundlage "the province of jurisprudence" abzugrenzen. Es ist zu bedauern, daß er deshalb soviel Kraft und Raum verschwendet, um näher den Begriff "the laws of God" zu bestimmen. Diese langwierigen Ausführungen über den englischen Utilitarismus, die Lecture 2-4 füllen, sind für einen modernen Leser völlig ohne Interesse. Durch einen naiven und augenscheinlichen Zirkel - indem er das Utilitätsprinzip als Gottes Willen postuliert, weil Gott gut ist - gelingt es ihm, die ethischen Normen als "laws of God" zu konstruieren. Die Regeln der positiven Moralität unterscheiden sich von den rechtlichen dadurch, daß sie (abgesehen von der weniger bedeutungsvollen Gruppe 2b) "sind Gesetze, die durch die allgemeine Meinung festgelegt oder auferlegt werden, das heißt durch die allgemeine Meinung einer Klasse oder einer Gruppe von Personen" (32) Die rechtlichen Normen dagegen werden von "politischen Machthabern" gesetzt oder, wie es auch ausgedrückt wird, von einem Souverän, oder einem souveränen Kreis von Personen. Hiermit sind wir zum Kernpunkt in AUSTINs Lehre gekommen: dem Souveränitätsbegriff. Dies wird genauer so bestimmt:
1. Die Masse der gegebenen Gesellschaft hat die Gewohnheit sich einem bestimmten gemeinsamen Machthaber zu unterwerfen und ihm gehorsam zu sein: Dieser allgemeine Machthaber kann eine bestimmte Einzelperson oder eine bestimmte Körperschaft oder Ansammlung einzelner Personen sein. 2. Bestimmte Individuen oder eine bestimmte Gruppe von Individuen haben nicht die Angewohnheit, irgendwelchen Vorgesetzten zu gehorchen. ... Daraus folgt, daß man es mit einer verkürzten Ausdrucksform zu tun hat, wenn man eine Gesellschaft als unabhängig bezeichnet. Die wirklich unabhängige Partei ist nicht die Gesellschaft, sondern der souveräne Teil der Gesellschaft." (33) (In Übereinstimmung hiermit gebraucht Austin das Wort Staat synonym mit the sovereign.) Der Souveränitätsbegriff ist der Kern in AUSTINs Rechtsbegriff. Das Leitmotiv durch alle seine Untersuchungen ist das Bestreben, einen reinen Rechtsbegriff zu bilden, der Ausdruck für eine Rechtswirklichkeit ist.
5. Für AUSTIN bedeutet die Quelle einer Norm (eines Befehls) dasselbe wie der Befehlsgeber. Von AUSTINs Standpunkt aus ist das konsequent. Er hat damit richtig eingesehen und durchgeführt, daß der Quellenbegriff in Übereinstimmung mit dem Normbegriff und den Kriterien, nach denen die verschiedenen Normarten geschieden werden, bestimmt werden muß. Denn hiermit wird die Quelle als Erkenntnisgrund Ausdruck für die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Normart. Wird deshalb eine Norm als ein Befehl bestimmt, und wird das entscheidende spezifizierende Kriterium formalerweise in den Befehlserteiler gesetzt, muß auch der Quellenbegriff formal sein und auf die erwähnten Verhältnisse abzielen. AUSTIN vermied hiermit einen Fehler, dem seine Nachfolger verfielen. Dieser besteht darin, daß man außer einem formalen Quellenbegriff, der für die Form des Rechts, seine Autorität entscheidend ist, einen anderen materiellen aufstellt, der für den Inhalt der Rechtsregel entscheidend ist. Man übersieht hierbei, daß Form und Inhalt nicht zwei verschiedene Existenzen haben, vielmehr nur durch Abstraktion von ein und derselben Existenz geschieden werden können. Hat man deshalb die formale Quelle des Rechts - z. B. den Souverän als Befehlenden angegeben, so hat man damit auch zugleich, so gewiß Form nicht ohne Inhalt existieren kann, den Inhalt des Rechts, nämlich, was der Souverän befiehlt, angegeben. Umgekehrt ist es unmöglich, nach der Quelle für den Inhalt des Rechts, abgesehen von seiner Form oder Autorität, zu fragen. Denn abgesehen von dieser Form kann der Inhalt als solcher überhaupt nicht als Recht erkannt werden. Um zu wissen, daß überhaupt eine Rechtsregel vorliegt und nicht bloß eine Regel irgendeiner anderen Art muß man ihre Form erkennen; und damit ist ihr Charakter als Recht erschöpfend bezeichnet. Ein materieller Quellenbegriff, der einem formalen zur Seite gestellt wird, ist deshalb eine Sinnlosigkeit. In Wahrheit liegt hier eine methodische Vermengung ganz verschiedener Probleme vor. Bei den materiellen Quellen des Rechts denkt man an die soziologischen Ursachen, nach denen ein gegebenes Recht existiert. Dieses soziologische Problem wird mit der theoretischen Frage nach dem Erkenntnisgrund dafür, daß etwas als Recht angesehen wird, vermengt. AUSTIN gestaltet die Quellenlehre folgendermaßen näher aus (35). Da alle Rechtsregeln letzten Endes Befehle vom Souverän sind, ist dieser insofern die einzige Rechtsquelle. Aber nicht alle Rechtsregeln sind unmittelbar vom Souverän als Befehle ausgegangen. Einige sind unmittelbar von anderen, wenngleich mittelbar vom Souverän ausgegangen. Wenn man das Verhältnis kennt, das zwischen dem Souverän und dem unmittelbaren Befehlenden besteht, wird es deshalb für die Kennzeichnung des Rechtscharakters einer Regel genügen, anzugeben, wer sie unmittelbar befohlen hat. Es lohnt sich deshalb, einen neuen Rechtsquellenbegriff, den "unmittelbaren Befehlserteiler", einzuführen. Je nachdem ob der "unmittelbare Befehlserteiler" einer Rechtsregel der Souverän selbst ist oder ein anderer, so daß der Souverän nur mittelbarer Befehlserteiler ist, kann man zwischen unmittelbarem und mittelbarem Recht unterscheiden.
2. Unmittelbar gesetztes, indirekt entstandenes Recht. Diese Gruppe spielt eine unbedeutende Rolle, da sie nur gedacht werden kann soweit die souveräne Macht urteilend auftritt, was - jedenfalls heutzutage - nicht der Fall zu sein pflegt. Austin nennt keine Beispiele. 3. Mittelbar gesetztes, direkt entstandenes Recht. Hierunter fällt alle delegierte subordinierte Gesetzgebung. Austin nennt die regulae praxis der englischen Gerichtshöfe, die arrêts der französischen Parlamente und die Edikte der römischen Prätoren. 4. Mittelbar gesetztes, indirekt entstandenes Recht: Recht, das durch die urteilende Tätigkeit der Gerichte entstanden ist, judicary law; (siehe hierüber im Folgenden) 6. Das Zentrale in AUSTINs Quellenlehre liegt in dem, was man die volle Bewahrung der Positivität nennen kann. Das für den Rechtsbegriff einmal angenommene formale Kriterium - Ursprung vom Souverän - wird konsequent für alle Arten von Rechtsquellen festgehalten. Hiermit wird die Positivität des Rechts bewahrt, da (wie oben erwähnt) jeder andere Quellenbegriff zur Annahme anderer Rechtskriterien und damit zur Sprengung des Rechtsbegriffs oder zur Vermengung von Recht mit anderen Normarten führen würde. Etwas anderes ist es, daß man mit AUSTIN in der Bestimmung des Rechtsbegriffs uneinig sein kann. Aber man muß in jedem Fall konsequent sein. Soweit man, was die gewöhnliche Annahme ist - das Gesetz als Rechtsquelle von dem Gesichtspunkt aus anerkennt, daß sie von einem Souverän (einer "kompetenten Behörde", der Staatsmacht, oder wie man das nun in den verschiedenen Varianten ausdrückt) herrührt, muß man auch bei den anderen Rechtsquellen diesen selben Gesichtspunkt durchführen. AUSTIN sucht dann auch zu beweisen, daß die vier Formen des Rechts, die er angegeben hat, imstande sind, auch die gewöhnlich angeführten und als von der souveränen Macht unabhängig angenommenen Rechtsquellen zu umfassen. Diese Rechtsquellen sind besonders drei: Gewohnheit, die Meinung und Praxis privater Juristen und die Natur der Sache, die Vernunft oder dergleichen. Die drei Arten Recht, denen gewöhnlich eine Existenz unabhängig von der souveränen Macht beigelegt wird, sind entsprechend: Gewohnheitsrecht, Recht, das sich auf private Autorität gründet und Naturrecht. AUSTIN zeigt nun, daß sie alle als Recht der vierten Form, judiciary law, richterschaffendes Recht, aufgefaßt werden müssen. Hier soll besonders das Gewohnheitsrecht besprochen werden, da AUSTIN von ihm ausging, als er sich polemisch gegen BLACKSTONE wandte, und da über dieses später Streit unter seinen Nachfolgern entstand. Aber was hier vom Gewohnheitsrecht gesagt wird, gilt im Übrigen entsprechend vom Naturrecht und dem Recht, das sich auf private Doktrin, "Wissenschaft" oder dgl. gründet. AUSTIN geht davon aus, daß eine Gewohnheitsregel als solche, d. h. abgesehen von eventueller Autorität, die ihr von einem Souverän beigelegt wird, unter die Normart fällt, die er als positive Moralität charakterisiert hat.
AUSTINs Lehre von der Gewohnheit - und den anderen vermeintlich selbständigen Rechtsquellen - bezeichnet einen entscheidenden Wendepunkt in der englischen Quellentheorie. Es ist hier zum erstenmal ausgesprochen, daß der Richter, in seiner Eigenschaft als Organ des Souveräns, Recht schaffen kann und Recht schafft. Was BLACKSTONE hinderte, dies einzusehen, sagt AUSTIN:
AUSTINs Kritik der Theorie BLACKSTONEs gilt in noch höherem Grad der Lehre der historischen Schule. Diese hebt nämlich noch stärker als BLACKSTONE den extrajudiziellen Charakter des Gewohnheitsrechts hervor. Sie geht sogar so weit, dem Gewohnheitsrecht ein gewisses mystisches erhöhtes Gepräge zu geben, als sei es heimlich aus einer gewissen mystischen Volksseele erwachsen. Diese feierliche Rede beeinflußt AUSTINs unbarmherzig ehrlichen und unromantischen Gedankengang nicht.
Was hier von der Gewohnheit als Rechtsquelle gesagt ist, gilt entsprechend von der Wissenschaft, der "Natur", oder was man sonst für "inhaltsmäßige" Quellen aufstellen mag. Sie sind nur Teile eines richtergeschaffenen Rechts. Recht sind sie nur, wenn und in dem Umfang wie sie vor Gericht Anwendung finden. AUSTINs Rechtsquellenlehre hängt intim mit seiner allgemeinen Rechtstheorie zusammen. Die Pointe ist in beiden dieselbe. Seine Rechtsquellenlehre ist, wie aus dem Vorhergehenden sich wohl ergibt, eine konsequente Durchführung und Aufrechterhaltung des reinen positiven Rechtsbegriffs, der den Gegenstand für seine Rechtstheorie bildet. Und das Ziel ist bei beiden, die Erkenntnis einer reinen Rechtswirklichkeit zu ermöglichen. 7. AUSTINs Werk wurde für alle nachfolgende englische Rechtstheorie entscheidend. Besonders in zwei Punkten. Erstens hatte er eine theoretische Grundlage für die Erkenntnis einer reinen Rechtswirklichkeit geschaffen, d. h. er hatte das Recht aus seiner Vermengung mit Ethik und positiver Moralität herausgelöst. Die englische Literatur hat dadurch zu einem großen Teil die methodischen Verwirrungen naturrechtlicher Art vermieden, die die Folge einer solchen Vermengung sind, und die in hohem Grad in den Literaturen des Kontinents Verheerungen angerichtet haben und noch anrichten. Die englische Theorie hat mehr als irgendeine andere ein positives, methodenreines Gepräge bewahrt. Hiernach wird es verständlich, daß englische Juristen sich oft im Gegensatz zu kontinentaler Rechtsphilosophie fühlen, die für sie - wenngleich in unrichtiger Verallgemeinerung - als ethisch und metaphysisch geprägt erscheint. Englische Juristen (47) haben dann auch zu wiederholtenmalen es als AUSTINs großes Verdienst hervorgehoben, daß er eine Rechtstheorie geschaffen hat, die von allen ethischen Spekulationen unabhängig ist - und die von einem Hindu, einem Mohammedaner, und einem Christen, einem absoluten Monarchisten und einem Revolutionärem in gleicher Weise angenommen werden kann.
AUSTINs Werk wurde für alle spätere englische Jurisprudenz entscheidend. Andererseits ist nach seiner Zeit auch nichts wesentlich Neues geschaffen worden. Man hat AUSTIN nicht verlassen oder überwunden, ist aber auch nicht über ihn hinaus gelangt. Man hat hier und da geflickt, ihn im einen oder anderen Punkt kritisiert. Aber das Grundfundament für AUSTINs Lehrgebäude - die Etablierung der Rechtswirklichkeit in einem machtvollen Willen - wurde niemals klar ausgearbeitet und einer durchgreifenden Kritik unterworfen. Nicht einmal MAINE und die historische Schule lieferten etwas wesentlich Neues für das Verständnis des Wesens des Rechts. Was noch schlimmer ist, seit AUSTINs Zeit ist ein entschiedener Rückgang erfolgt. Viel von dem, was AUSTIN aufgebaut hatte, ist wieder zusammengestürzt oder in Vergessenheit geraten. Wo er mit seiner stringenten Analyse Klarheit gebracht hatte, hat sich seitdem Unklarheit und Verwirrung eingeschlichen. Das gilt von beiden erwähnten Hauptpunkten: dem Rechtsbegriff und der Rechtsquellenlehre. Nicht einmal in Bezug auf diesen zentralen Punkt selber, den positiven Charakter des Rechtsbegriffs, die Scheidung des Rechts von einer "höheren" ethischen Rechtfertigkeit, glückte es AUSTINs Nachfolgern, seinen Standard zu halten. Es schwebte immer den Geistern vor, daß irgendeine Verbindung zwischen Recht und Ethik bestehen müßte. Der Drang, bloß ein kleines Stückchen der immer so verführerischen höheren Rechtfertigkeit einzubeziehen, wurde zu groß. In mehr oder weniger bildlichen Ausdrücken suchte man aufs Neue etwas Rechtfertigkeit in die "Province of Jurisprudence" einzuschmuggeln. (siehe hierüber Näheres im Exkursus A) Da auch (wie im Folgenden ausführlicher gezeigt werden soll) AUSTINs Rechtsquellenlehre verfiel, und seine Lehre von den vier Formen allen Rechts ganz in der Literatur vergessen wurde, da ferner der Begriff einer formalen, juristischen Grundlehre, der AUSTIN vorgeschwebt hatte, in der späteren Literatur vollständig zugunsten des Begriffs "general jurisprudence" verschwindet, kann man im Großen und Ganzen sagen, daß das theoretische Lehrgebäude, das AUSTIN aufgeführt hatte, mehr und mehr in den Händen seiner englischen Nachfolger dahinschwindet. Dem ungarischen Rechtslehrer FELIX SOMLÓ blieb es vorbehalten, AUSTINs Gedanken und sein System wiederaufzunehmen und ihm ein neues Leben zu geben, indem er auf ihrem Grund eine juristische Grundlehre aufbaute. Wenn auch die Rechtsquellenlehre bei AUSTINs Nachfolgern mehr und mehr verschwand, so lag das vielleicht an einem gewissen Mangel bei AUSTIN selber. Wohl hatte AUSTIN einen Quellenbegriff angenommen, der die methodischen Forderungen erfüllte, die man an diesen Begriff stellen mußte, nämlich Konformität mit dem Rechtsbegriff. Wohl hatte er auch aus diesem Grund es abgelehnt, anders bestimmte Quellenbegriffe gelten zu lassen, nämlich den sogenannten materiellen, oder inhaltsdeterminierenden Quellenbegriff. Aber er hatte nicht hinreichend die Gründe klargemacht, die dazu führen, daß der Quellenbegriff auf diese Weise bestimmt werden muß, und damit hat er die formale Bedeutung des Quellenbegriffs nicht hinreichend festgelegt. Der Grundfehler bei seinen Nachfolgern ist gerade, daß sie so gut wie ohne Ausnahme kein Verständnis für die formale Bedeutung des Quellenbegriffs haben und mit einer Reihe verschiedener, methodisch disparater Quellenbegriffe arbeiten, die das tiefere, zusammenhängende Verständnis des Quellenproblems ausschließen. Die innere Verwirrung spiegelt sich auch in dem äußeren Umstand, daß das, was zur Bestimmung des Begriffs Rechtsquelle gesagt wird, nicht bei zwei Verfassern übereinstimmt. Der am meisten in die Augen fallende Fehler, der, in verschiedener Formulierung, bei ihnen allen wiederkehrt, ist, daß man statt eines Einheitsquellenbegriffs zwei verschiedene, voneinander unabhängige, einen formalen und einen materialen, wie sie in der Regel genannt werden, annimmt.
Der Grund zu dieser radikalen Verwirrung liegt darin, daß die Scheidung selbst zwischen formaler und materialer Rechtsquelle unmöglich ist, so gewiß, wie Form und Inhalt nicht als zwei, sondern nur als abstrakte Seiten ein und derselben Existenz angesehen werden können. Hat man den souveränen Willen als formale Quelle des Rechts angegeben, so ist damit auch seine materiale Quelle bestimmt, nämlich als Inhalt dieses Willens. Das Rechtsquellenproblem besteht in diesem Fall darin, zu zeigen, wie der souverände Wille - als Form des Rechts wenn man will - seinen Inhalt in einer Reihe determinierender Akte entfaltet. Materiale Quellen ohne Verbindung mit dem souveränen Willen aufzustellen, hat dagegen keinen Sinn (natürlich stets von der Voraussetzung aus, daß darüber Einigkeit herrscht, daß der souveräne Wille die "formale" Quelle des Rechts ist). Man kann hier höchstens an die Ursachen (kausal-naturwissenschaftlich) denken, weshalb der Souverän eine Regel von diesem oder jenem Inhalt als Recht gesetzt hat. Aber dieses soziologisch-kausale Problem kann natürlich nicht neben oder im Gegensatz zum "formalen" Quellenproblem gesetzt werden. Die beiden Fragen sind absolut inkommensurabel. Die Haupteinteilung, auf der später die englische Quellentheorie beruth, ist deshalb eine methodische Unmöglichkeit, die in höchstem Grad geeignet ist, Mißverständnisse zu erzeugen. So muß zuerst und vor allem jede rationale Einteilung der Quellen unmöglich gemacht werden. Es ist in dieser Hinsicht charakteristisch, daß die Einteilung AUSTINs allen Rechts in vier Gruppen (siehe oben) in den Werken der Epigonen ganz verschwindet, um einer zufälligen und oberflächlichen Einteilung Platz zu machen, die sich meist von einer Ableierung nicht unterscheidet. Sodann muß die Falschheit der Grundeinteilung Anlaß zu falschen Gegensätzen geben. Wenn z. B. die Gewohnheit als materiale, "precedent" als formale Quelle angesehen wird, muß das zu der Auffassung Veranlassung geben, daß das Gewohnheitsrecht kein richtergeschaffenes Recht ist, eine Auffassung, die die meisten Verfasser sonst bekämpfen. 8. Während so die Beiträge zur allgemeinen Theorie der Rechtsquellen gering waren und mehr dazu dienten, AUSTINs Theorien zu verwässern, als sie zu fördern, sammelte sich die Diskussion mit umso größerer Kraft um einen einzelnen Punkt in AUSTINs Quellenlehre, nämlich seine Theorie vom Gewohnheitsrecht als vom Richter geschaffenen Recht, wenn und in dem Umfang wie dieser durch ein Urteil den Stempel der staatlichen Anerkennung auf eine bereits existierende, aber nur unter "positive morality" gehörende Gewohnheitsregel drückt. AUSTIN hatte sich kritisch gegen die Fiktion BLACKSTONEs gewandt, daß der Richter Recht nicht schaffen, sondern nur anwenden kann. In diesem negativ-kritischen Teil, der die positive Behauptung involviert, daß der Richter Recht schaffen kann und faktisch schafft, gewann AUSTIN in der späteren englischen Doktrin allgemeine Zustimmung. In der englischen Literatur im engeren Sinn hat sich nicht eine einzige Stimme mit Autorität (58) in diesem Punkt gegen AUSTIN erhoben. In Amerika, das stets stärker von der deutschen historischen Schule beeinflußt war, haben dagegen verschiedene Verfasser (59) vom Standpunkt dieser Schule aus die Selbständigkeit des Gewohnheitsrechts behauptet. Zuletzt und mit stärkstem Nachdruck CARTER in einer Rede (60), die er vor der American Bar Association gehalten hat, und dann in einem größeren Werk "Law, its Origin, Growth and Function". CARTER bestreitet im Anschluß an BLACKSTONE und die historische Schule, daß der Richter Recht schaffen kann. Er stützt seine Behauptung besonders auf zwei Argumente. Erstens auf eine psychologische Untersuchung darüber, wie der Richter selbst seine Richterfunktion auffaßt (61). CARTER schildert, wie dieser niemals selber den Anspruch erhebt, rechtschaffend aufzutreten. Wenn eine Sache vorliegt, wird erst das Gesetz und ein Präzendenzfall befragt. Aber in den meisten Fällen wird man dabei keine vollbefriedigende Antwort finden.
Im Ganzen kann man also sagen, daß AUSTINs Kritik an BLACKSTONE unbedingte Anerkennung bei seinen Nachfolgern gefunden hat. Anders dagegen war es mit seiner positiven Lehre, daß das Gewohnheitsrecht vom Richter geschaffen wird, wenn und in dem Umfang wie eine Gewohnheit als Voraussetzung für eine Urteilsbildung Anwendung findet. Die Diskussion hierüber wurde dadurch veranlaßt, daß man glaubte, die Konsequenz der Theorie AUSTINs nicht akzeptieren zu können, daß die Gewohnheiten nicht Recht sind, bevor sie bei einem Gericht Anwendung finden. Man behauptete dem gegenüber, daß die Gewohnheitsregeln, ebenso gut wie das Recht, das aus dem Gesetz stammt, als Gesetz des Landes gelten kann, auch bevor es bei einem Urteil Anwendung gefunden hat. Man führte verschiedene Argumente dafür an (65a). Zuerst und vor allem, daß der Richter ebenso gut gebunden und verpflichtet ist, gewisse Gewohnheiten zu respektieren, wie das Gesetz, es steht nicht in seinem Belieben, ob er gewisse Gewohnheitsregeln anwenden will oder nicht, und von diesem muß man daher sagen, daß sie auch vor der Anwendung Recht sind. Weiter wurde angeführt, daß die Anerkennung einer Gewohnheitsregel durch den Richter retrospektiv wirkt (66). Die Handlungen, die vor dem Augenblick der Urteilsfällung liegen, werden nach der Gewohnheitsregel beurteilt, die daher schon im Augenblick der Handlung Recht sein muß. Ganz richtig hat BROWN repliziert, daß dieses Argument nicht entscheidend ist, da die retrospektive Anerkennung der Gewohnheitsregel nicht von dem Fall wesensverschieden ist, daß ein Gesetz mit "rückwirkender Kraft" gegeben wird. Als Recht existiert es erst jetzt, es findet aber doch Anwendung auf frühere Tatsachen. Drittens hat man den Spruch und die Auffassung des Richters angeführt, die darauf hinausgeht, daß mit der Rechtsregel bereits geltendes Recht angewendet wird. Die Unhaltbarkeit dieses Arguments ist schon im Vorhergehenden nachgewiesen; was ein Richter bekennt oder zu tun glaubt, und was er wirklich tut, ist keineswegs immer dasselbe. Für eine nähere Betrachtung bleibt von den drei Argumenten daher nur das erste. Es geht darauf aus, daß der Richter verpflichtet ist, gewisse Gewohnheiten anzuwenden, gerade so wie er verpflichtet ist, das Gesetz anzuwenden. Wie man darüber nun auch denken mag, es könnte scheinen, als ob die Behauptung, daß Gewohnheitsregeln Recht vor der Richteranwendung sind, diese Verfasser in innere Widersprüche verwickeln müßte. Auf der einen Seite stimmen sie AUSTIN zu, daß die Gewohnheitsregel als solche nicht rechtlichen Charakters ist, sondern nur zu dem gehört, was AUSTIN "positive morality" nannte; andererseits behaupten sie doch, daß die Regel, die ansich nicht Recht ist, vor der Anerkennung durch den Richter Recht ist und den Richter rechtlich bindet. KISS (67) hat dann auch in einem Artikel über englische Rechtsquellentheorie diesen vermeintlichen Widerspruch als Achillesferse der Theorie, als ihre nie aufgelöste Antinomie bezeichnet, die er von den neuesten Ergebnissen der kontinentalen Quellentheorie aus zu lösen sucht. Überflüssig, dann man kann nicht mit Recht behaupten, daß diese scheinbare Antinomie von englischen Juristen ungelöst gelassen wäre (67a). Man muß endlich zugeben, daß die Lösung, die sie selbst gegeben haben, erheblich besser ist, als die, die KISS zum Ersatz heranführt. Die Antinomie ist nämlich nur scheinbar. Auf der einen Seite heißt es, daß die Gewohnheitsregel nicht als Gewohnheitsregel verbindend ist, auf der anderen Seite, daß gewisse Gewohnheiten doch rechtlich vor ihrer ersten konkreten Anwendung als Grundlage für ein Urteil binden. Hieraus kann man schließen, daß es in einem solchen Fall nicht die konkrete Richteranwendung ist, die der Gewohnheitsregel ihren Rechtscharakter gegeben hat, wie AUSTIN lehrte. Aber zeigt man, daß die Gewohnheitsregel auf andere Weise vor der konkreten Anwendung vom bloß Moralischen zum Rechtlichen transformiert wurde, dann verschwindet damit jeder Schein von Widerspruch. So sagt HOLLAND:
Im Gegensatz zu diesen englischen Lösungen bei BROWN und HOLLAND versucht KISS, die rezipierende Rechtsregel in das Gesetz hineinzupressen. Wenn sich jetzt in einem Rechtssystem eine ausdrückliche Gesetzesregel dieses Inhalts findet, ist die Sache klar (72), wenn sich eine solche - wie z. B. im englischen Recht - nicht findet, will KISS die rezipierende Rechtsregel auf "ein im Gesetz zwar nicht ausgesprochenes, ihm doch innewohnendes Grundprinzip: das aequm et bonum [Angemessenes und Gutes - wp], d. h. das Prinzip der aequitas, in der englischen Rechtssprache Equity genannt" gründen (73). Hieraus will nämlich KISS ableiten,
Wir sind ausführlich auf die Theorie von KISS eingegangen, weil sie an einem interessanten Punkt den Unterschied zwischen kontinentaler und englischer Rechtstheorie veranschaulicht, zugleich an einem Punkt, wo KISS der englischen Jurisprudenz mit den "neuesten Resultaten unserer kontinentalen Rechtswissenschaft" zu Hilfe kommen will. Die Gewohnheitstheorie der späteren englischen Literatur läßt sich kurz folgendermaßen resumieren: Abgesehen von ganz vereinzelten Verfassern, die unter dem Einfluß der deutschen historischen Schule standen, gewann AUSTINs Kritik der Lehre BLACKSTONEs unbedingte Anerkennung und es wurde die allgemeine Ansicht, daß Richter Recht schaffen können und schaffen, wie auch, daß das Gewohnheitsrecht eben eine Art richtergeschaffenes Recht ist. Einige Verfasser stimmten auch der positiven Behauptung AUSTINs zu, daß das Gewohnheitsrecht vom Richter geschaffen wird, wenn und in dem Umfang, wie die Regel, die eine Gewohnheit impliziert, einer Entscheidung zugrunde gelegt wird. Andere Verfasser nahmen dagegen an, daß die Gewohnheitsregel bereits vor ihrer konkreten Anwendung Recht ist; sie begründeten dies damit, daß der Richter verpflichtet ist, gewisse Gewohnheitsregeln anzuwenden, und sie erklärten es damit, daß durch eine richtergeschaffene Rechtsregel eine antizipierte, bedingte en-bloc Rezeption von Gewohnheitsregeln erfolgt ist. ![]() ![]()
1) A: vor Austin: Hale, History of the Common Law of England, 1713; Blackstones Commentairies, 1765; Stephen, New Commentairies 1841; B: Austin und Nachfolger: Austin, Lectures on Jurisprudence 1832, 1861-1863; Amos, Science of Jurisprudence 1872; Markby, Elements of Law 1871; Holland, Jurisprudence 1880; Salmond, Jurisprudence 1900; Brown, The Austinian Theory 1906; Gray, Nature and Sources of Law 1909; Hearn, Theory of Legal Duties and Rights 1883; (Harrison, On Jurisprudence 1919; Goadby, Introduction to the Study of Law, 1921; Lightwood, Nature of Positive Law 1883; Rattigan, Science of Jurisprudence 1888; Willoughby, Nature of the State 1896; Clark, Practical Jurisprudence 1883.) Die in Klammern stehenden Autoren stehen zugleich mehr oder weniger unter Maines Einfluß. C: Maine und seine Nachfolger: Maine, Ancient Law 1861 und Early History of Institutions 1875; Bryce, Studies in History and Jurisprudence 1901; Vinogradoff, Historical Jurisprudence 1923; Pulszky, Theory of Law and Civil Society 1888 (aus dem Ungarischen übersetzt); ferner die unter B in Klammern aufgeführten. 2) Pollock gibt seinen Eindruck von Lorimers Buch so wieder: "As I came to the last page I said to myself with an mental gasp and shiver, Ugh Ugh, now I know, what Naturrecht is." [Als ich auf der letzten Seite angelangt war sagte ich zu mir selbst mit einem geistigen Keuchen und Zittern, Uff Uff, jetzt weiß ich, was Naturrecht ist." - wp] (Essays 20) 3) In der neueren amerikanischen Literatur ist dieser Einfluß besonders bei Carter zu spüren; die ältere Literatur habe ich nicht direkt kennengelernt; ich stütze mich in dieser Hinsicht besonders auf Willoughby, Nature of State, Seite 165. 4) siehe Anmerkung 3. 5) Besonders Pound, der in Pierre Lapaulle einen französischen Schüler gefunden hat. 6) Holland, Jurisprudence, Seite VIII. 7) Zum Beispiel Austin, Lectures, 15; Pollock, First Book, Seite VII; Holland, Jurisprudence, Seite 8; Salmond, Jurisprudence, Seite 12f 8) Maine, Ancient Law; Early History. 9) Es ist in dieser Hinsicht bemerkenswert, daß Maine, der Begründer der historischen Schule, zugleich der ist, der zuerst Austin recht bekannt gemacht hat (vgl. Anmerkung 3) 10) siehe Anmerkung 1. 11) Eine charakteristische Äußerung bei Holland; er hatte erwartet, bei der Ausarbeitung seiner "Jurisprudence" in der Literatur des Kontinents Hilfe zu finden; er wurde aber sehr enttäuscht "und nach einer allgemeinen Untersuchung der Angelegenheit entschied der Autor, sich eine eigene Meinung zu bilden". (Jurisprudence, Seite VII, VIII) 12) Die Kenntnis der englischen Verfasser von der kontinentalen Literatur ist durchgehend gering. Salmond - einer der am besten orientierten - führt in seinem Verzeichnis von Verfassern folgende deutsche Verfasser an: Arndts, Berolzheimer, Bierling, Bruns, Dernburg, Gareis, Gierke, Jhering, Jellinek, Kohler, Merkel, Puchta, Savigny, Windscheid. Lightwood, der in seiner "Nature of Positive Law" ein besonderes Kapitel über "the Modern German School of Jurisprudence" gibt, zeigt nur geringes Verständnis dafür (Seite 262f). Hastie gab im Jahre 1887 unter dem Titel "Outline of Jurisprudence" eine so ungeschickt wie nur möglich gemachte Auswahl in Übersetzung heraus: Puchta, Friedländer, Falck und Ahrends "Enzyklopädie", dagegen nichts von seinem Meisterwerk "Das Gewohnheitsrecht". 13) Salmond, Jurisprudence, Seite 10-11. 14) Das hängt mit dem ausgeprägt praktischen Charakter der juristischen Ausbildung zusammen. Diese erfolgt hauptsächlich bei den Gerichten, the Inns of Court. Universitätsausbildung spielt keine oder nur eine geringe Rolle und geht historisch nicht weiter zurück, als bis ins 19. Jahrhundert. Das erste englische Professorat für Prozeßrecht wurde 1884 in Edinburgh errichtet, vgl. Jesper Simonsen, Dommeruddanelse i England und Coldstream, The teaching of law. Ausführliche und interessante Aufklärungen über die Geschichte der "Inns of Courts" findet man bei Dillon, Laws and Jurisprudence, besonders Seite 34f und 81. 15) Austin sagte ironisch von sich selber, daß er "eher ein Schullehrer im 12. Jahrhundert oder ein deutscher Professor sein sollte". Aus Sarah Austins Vorwort zu Austins "Lectures". Lectures, Seite 13. 16) Lectures, Seite 118-119. 17) Lectures, Seite 220. 18) Zum Teil hat bereits Austin, Lectures, Seite 293, Anmerkung und Salmond, Jurisprudence, Seite 9-10, darauf aufmerksam gemacht. 19) siehe auch früher: Hale, History of the Common Law of England 173 und später Stephen, New Commentaries, der als ein teilweiser Nachdruck von Blackstone mit supplierenden Bemerkungen erscheint. Die Grundgesichtspunkte sind die von Blackstone. Stephen besonders "New Commentaries", Seite 46-47. 20a) Blackstone, a. a. O., Seite 41 20b) Blackstone, a. a. O., Seite 44 20c) Blackstone, a. a. O., Seite 45, 46 20d) Blackstone, a. a. O., Seite 64 20e) Blackstone, a. a. O., Seite 73-74 20f) Blackstone, a. a. O., Seite 76-78 20g) Blackstone, a. a. O., Seite 69 20h) Blackstone, a. a. O., Seite 69 20i) Blackstone, a. a. O., Seite 69 20k) Blackstone, a. a. O., Seite 69, 71. 21) Vgl. auch Blackstones Definition des allgemeinen Gewohnheitsrechts: "allgemeine Sitten oder Gewohnheitsrecht ... dies ist das Gesetz, nach dem Verfahren und Entscheidungen in den ordentlichen Gerichtshöfen des Königs geleitet und geleitet werden". (Stephens, Commentaries, Seite 68) 22) Die Anzahl der Hörer ging auf fünf zurück. Über Austins Leben siehe Sarah Austins hübsche Schilderungen in der Einleitung zu den "Lectures"; ferner John Macdonell in Stephens "Dictionary of National Biography", London 1885; Markby in "Encyclopedia Britannica" (1911); John Stuart Mill, Austins intimer Freund, in "Edinburgh Review", Oktober 1863. Mrs. Janet Ross - die Tochtertochter Austins - in "Atlantic Monthly" 1892 und "The fourth Generation" London 1912, passim. Die folgenden Ausführungen sind diesen Quellen entnommen. 23) Maine, Early History, Seite 343. 24) Campbell, "An Analysis of Austins Lectures on Jurisprudence, London 1877; Brown, The Austinian Theory of Law; Eastwood, Introduction to Austins Theory. 25) Endlich kann auch erwähnt werden, daß ein umfassendes französich-schweizerisches Werk, Ernest Roguin, "La science juridique pure", Paris-Lausanne 1923, auf Austins Bedeutung aufmerksam gemacht (Vorwort Seite XIX) und eine Darstellung seiner Theorie gegeben hat (Bd. 1, Seite 1-53). Es ist nur bedauerlich, daß Roguin so wenig von den großen Linien in Austins Werk erfaßt hat, so daß diese Darstellung eher wie eine Verzerrung, als wie eine Wiedergabe wirkt. 26) Lectures, Seite 33: "Sie (allgemeine Rechtsprechung) befaßt sich direkt mit Grundsätzen und Unterscheidungen, die verschiedenen Systemen des Partikularrechts und des positiven Rechts gemeinsam sind; und was jedes dieser verschiedenen Systeme unweigerlich (von mir hervorgehoben) mit sich bringt ...“ 27) a. a. O., Seite 1108, 1109. 28) siehe hierüber Harrison, On Jurisprudence, Seite 10 29a) Austin, a. a. O., Seite 81 29b) Austin, a. a. O., Seite 91 29c) Austin, a. a. O., Seite 91-92 29d) Austin, a. a. O., Seite 94 29e) Austin, a. a. O., Seite 99 30) unten XIV, 2. 31) Lectures, Seite 88-89 32) a. a. O., Seite 187. 33) a. a. O. Seite 226-227 34) von mir hervorgehoben. 35) Lectures, Seite 525f. 36) a. a. O., Seite 530 37) a. a. O., Seite 547. Die Scheidung muß aber korrekt nicht in Bezug auf das subjektive Ziel, sondern nach dem objektiven Auftreten der Regel geschehen; entweder ist die Regel direkt ausgedrückt, oder sie muß erst indirekt durch einen Schluß als Voraussetzung für eine (oder mehrere) Einzelentscheidung(en) gewonnen werden. 38) a. a. O. Seite 530, 538, 539. 39) a. a. O., Seite 553. 40) a. a. O., Seite 353 - 354. 41) a. a. O., Seite 554 42) a. a. O., Seite 561 43) a. a. O., Seite 655 44) vgl. Brown, Seite 291 und 42. 45) Lectures, Seite 560 46) a. a. O., Seite 558-559 47) Außerdem, wie unten erwähnt, Dillon, siehe auch Markby, Elements of Law, Seite 5 und Harrison, On Jurisprudence, Seite 14-15. 48) Laws and Jurisprudence, Seite 6 49) In einer Anmerkung zu seiner Ausgabe von Maine, Ancient Law, Seite 46. 50) "Jurisprudence", Seite 164 51) vgl. Markby, Elements of Law, Seite 37; Holland, Jurisprudence, Seite 55; Goadby, Introduction, Seite 55; Gray, "Nature and Sources of Law" bestimmt den Quellenbegriff nicht genauer, aber die Scheidung folgt aus seinem System. Für ihn ist alles Recht richtergeschaffen, auch das Gesetz (Seite 125). Die einzige "formale" Quelle ist deshalb der Richterbeschluß. Alle anderen Quellen sind "materiale" Quellen zum Inhalt des Richterbeschlusses (Seite 123-125); Hearn, "Legal Duties and Rights", Seite 37f. Nur Amos, "Jurisprudence", Seite 52, definiert ganz gut die Rechtsquelle als "die unmittelbare Gruppe von Umständen, durch die eine Rechtsnorm ihren wesentlichen Charakter als solche erhält." 52) Vgl. Exkursus A. Goadby, Seite 85, gibt indessen an, daß Gewohnheit und Religion in früheren Zeiten die "formale" Quelle des Rechts gewesen sind und in einigen Ländern noch sind; das hängt damit zusammen, daß er fehlerhaft den Rechtsbegriff in Übereinstimmung mit dem bestimmt, was die populäre Anschauung bei einem gegebenen Volk für den verpflichtenden Grund des Rechts ansieht (Seite 46f). Was sich wohl die Eskimos unter Recht denken? 53) "Elements of Law", Seite 37, 41, 45, 65. 54) Jurisprudence, Seite 164f. 55) Nature and Sources, Seite 152f, 198f, 260f, 282f. 56) Introduction, Seite 89. 57) Jurisprudence, Seite 55f. 58) Clark, Practical Jurisprudence, Seite 152 und 332, schließt sich in Bezug auf das Gewohnheitsrecht Savigny an und meint, daß Gewohnheit Recht schafft aufgrund eines "common feeling of obligation" [allgemeines Gefühl der Verpflichtung - wp] (Seite 333), Rattigan, Science of Jurisprudence, gibt einige vollständig sich widersprechende Ausführungen, Seite 76 heißt es: "Courts of Justice do not make law; their province is to ascertain and declare what the law is," [Gerichte machen keine Gesetze; ihre Aufgabe ist es, festzustellen und zu erklären, Recht ist - wp] womit er sich zu Blackstones Fiktion bekennt; im vollen Widerspruch hierzu spricht er auf der nächsten Seite (Seite 77) vom judge-made law als indirekter Gesetzgebung und sagt von den Richtern,, daß, wenn weder Gesetz, noch Gewohnheit eine Regel bietet "they are obliged to invent a rule" [sind sie verpflichtet, eine Regel zu erfinden - wp]. 59) Außer Carter, siehe auch Hammond in den Anmerkungen zu seiner Ausgabe von Blackstones "Commentaries und Wharton, "Commentaries on American Law"; diese beiden Verfasser sind mir nur indirekt bekannt durch Gray (119, 222) bzw. Willoughby (343, 170-171). 60) "The Ideal and Actual in Law". 61) "Law", Seite 183 und "Ideal and Actual", Seite 758-759. 62) "Ideal and Actual", Seite 758. 63) vgl. Brown, Austinian Theory, Seite 289. 64) "Law", Seite 186. 65) Im Übrigen erinnert Carters Rechtsquellenlehre sehr an die der historischen Schule. Er betrachtet die Gewohnheit als die letzte Quelle allen Rechts, vermengt hiermit aber eine soziologische Kausalerklärung, weshalb ein gewisses Recht existiert und befolgt wird, mit der analytisch-rechtstheoretischenn Frage, wie sich erkennen läßt, daß eine Rechtsregel als Recht existiert. Die Gleichheit der Lehre Carters mit der Savignys ist sicher zufällig, ist aber darin begründet, daß er, ebenso wie jener, sich gegen eine Kodifikation in praktischer Agitatioin erhoben hat. Von Carter sagt Gray (Seite 233): "Herr Carter war zu einem früheren Zeitpunkt seines Lebens ein energischer Gegner der Annahme des Zivilgesetzbuchs von Herrn David Dudley Fields durch den Staat New York. Mit seiner Opposition hatte er Erfolg. ... Die Erinnerung an diesen großen Kampf war immer in seinem Kopf und war, da bin ich mir sicher, der raison d'être [Rechtfertigungsgrund - wp] seines Aufsatzes und seines Buches und hat seinen gesamten Standpunkt beeinflußt." Wenn ein Code - womit eine willkürliche Veränderung im bestehenden Rechtszustand beabsichtigt wird - unter Debatte steht, wird die Lehre, daß der Wille des Souveräns oder sein Befehl der Erkenntnisgrund des Rechts ist, leicht die mißverstandene Form annehmen, daß das Recht ohne andere Ursache als den freien und willkürlichen Willen des Souveräns geschaffen wird. Der Erkenntnisgrund des Rechts wird mit den Ursachen verwechselt, aus denen ein Recht dieses Inhalts existiert. Widersacher eines Code gelangen da unwillkürlich dazu zu betonen, daß das Recht nicht durch den launenhaften Willen eines Souveräns geschaffen wird, sondern tiefere Ursachen zu seiner Existenz hat. Es ist eigentümlich, daß das Verbum, das die Code-Gegner in Bezug auf das Verhältnis des Rechts zum Souverän anwenden, auf Deutsch und Englisch dasselbe ist: machen und to make; es wird behauptet, daß das Recht nicht vom Herrscher "gemacht" oder "made" ist. So richtig das alles auch ist, so führt es doch zu einer methodischen Verfälschung des Quellenproblems. 65a) Holland, Jurisprudence, Seite 60f; Brown, Austinian Theory, Seite 288f; Salmond, Jurisprudence, dritte Auflage, London 1910, Seite 156f; Greer, Custom in Common Law, Seite 158; Cardozo, Nature of Judicial Process, Seite 131-132. 66) Besonders Holland, siehe Anmerkung 65a. 67) Theorie der Rechtsquellen, Seite 283. 67a) Die einzige, sehr schwache Grundlage, die Kiss für seine Charakteristik anführen kann, sind einige Ausführungen bei Salmond, Jurisprudence, a. a. O., Seite 156f, die indessen in der letzten Ausgabe abgeschliffen sind; Greer, Custom in Common Law, Seite 199. Jedenfalls kann der Mangel nicht auf dieser Grundlage der englischen Rechtswissenschaft als Ganzem zugeschrieben werden. 68) Jurisprudence, Seite 61. 69) Jurisprudence, Seite 62 70) Brown, Austinian Theory, Seite 329. "Auf die Frage, warum Gewohnheit Gesetz ist, kann keine bessere Antwort gegeben werden, als daß die Richter sie als solches behandeln. Die Sitte des Volkes ist Gesetz, soweit sie kraft der Gewohnheit der Gerichte Gesetz ist." 71) So Dillon, Laws and Jurisprudence, Seite 5 und besonders Willoughby, Nature of the State, Seite 175, der behauptet, daß man offen zugeben soll, daß die Gesetzgebung ex post facto vorliegt. 72) Diese kann doch nur als Referat von Kiß verstanden werden. 73) Theorie der Rechtsquellen, Seite 287 74) a. a. O., Seite 293. |