F. EulenburgBöhm-BawerkA. Bilimovic.R. Stammler | |||
(1835-1910) Naturgesetz und Wirtschaftsgesetz [3/3]
III. G e g e n s ä t z l i c h e s u n d A n a l o g e s Zunächst eine Vorbemerkung. In der Physiologie hielt man, wie schon berührt ist, das Auffinden von Naturgesetzen in organischen Vorgängen solange für ausgeschlossen, wie man den Einfluß einer "Lebensseele" annahm. Denn die Äußerungen dieser schienen sich jener "kausalen" Erfassung zu entziehen, ohne die Gesetze im eigentlichen Sinne undenkbar sind. Wie viel schwerer - so kann man nun von vornherein einwenden - müssen Bedenken dieser Art da wiegen, wo wie in volkswirtschaftlichen Dingen Gesetze vorzugsweise auf psychische Einflüsse zurückgeführt werden sollen! Über dieses Bedenken ist nicht leicht hinwegzukommen, und namentlich eines hier von vornherein zuzugeben: daß nämlich die Möglichkeit exakter Gesetze auf wirtschaftlichem Gebiet ausgeschlossen ist. Gesetze dieser Art haben das Walten bestimmter Ursachen von stets gleicher Wirksamkeit zur Voraussetzung. Und eben hieran fehlt es, wie auch schon von HELMHOLTZ gelegentlich betont worden ist, auf dem Gebiet der "Geisteswissenschaften" durchaus.
exakter wirtschaftlicher Gesetze Der Begriff des Eigennutzes, wirtschaftlichen oder geschäftlichen, kann sehr verschieden aufgefaßt werden. Doch wird niemand bestreiten, daß Eigennutz überhaupt eine Erscheinung des Selbst- oder Eigeninteresses, d. h. jenes Empfindens ist, das sich auf die Wahrung eigenen Interesses richtet. Und ebenso zweifellos ist, daß nicht jedes Selbstinteress Eigennutz ist. Denn wer z. B. allein darauf ausgeht, das Seinige zu schonen, ohne jemandem hierbei zu nahe zu treten, erscheint nach allgemeinem Sprachgebrauch, obwohl vom Selbstinteresse geleitet, doch nicht als eigennützig. Und der wissenschaftliche Sprachgebrauch steht in dieser Beziehung mit dem allgemeinen in Übereinstimmung. Eigennützig kann also nur sein, wer dem Selbstinteresse folgend mit den Interessen anderer in Konflikt gerät. Und er ist es, sobald er hierbei diese Interessen hintansetzt. Nur kann dies freilich in zweifacher Weise geschehen. Entweder sind nämlich persönliche Interessen bestimmend. Dann haben wir den persönlichen Eigennutz vor uns. Oder die vorangestellten Interessen sind nicht persönliche, sondern gehen wie z. B. Familienfürsorge, Freundestreue, Anwaltspflicht usw. aus altruistischen Motiven hervor. dann ist der Eigennutz ausschließlich geschäftlicher Art und nicht selten sogar mit persönlichen Opfern verknüpft. Immer aber ist - persönlich oder geschäftlich - eigennützig, wer die von ihm vertretenen Interessen den Interessen jener voranstellt, die ihm im bezüglichen Fall, Geschäft etc. gegenüberstehen. Daraus ergibt sich bereits die unendliche Mannigfaltigkeit der als Eigennutz bezeichneten Empfindungen. Denn eigennützig ist demnach, wer unbedeutende eigene Interessen besonders dringlichen Interessen anderer vorzieht. Eigennützig ist aber auch, wer (wie allgemein gebilligt wird), geringfügigen Interessen anderer dringliche eigene voranstellt. Und daß Empfindungen und Handlungsweisen von solcher Mannigfaltigkeit nicht so bestimmte Dinge sind, daß aus ihnen exakte Gesetze hervorgehen könnten, scheint von vornherein klar. Derartiges hatte wohl auch RÜMELIN im Sinn, wenn er im zweiten der beiden oben erwähnten Aufsätze über "Gesetze" sagte: Von einem echten physikalischen Gesetz fordern wir, daß es nicht nur im allgemeinen einen Zusammenhang, eine kausale Beziehung zwischen zwei Arten von Vorgängen behauptet, sondern zugleich ein festes Maßverhältnis, eine quantitative Begrenzung angibt, in welcher jene kausale Beziehung sich verwirklicht ... (2) Die Wirkung im Einzelfall wird dadurch zum Gegenstand der Berechnung. Im Bereich unseres Seelenlebens aber läßt sich nichts zählen, nichts messen und nichts berechnen. Dann alles Zählen hat zu seiner Voraussetzung den Begriff der Einheit. Unsere ganze innere Einrichtung bietet uns aber keinen einzigen Vorgang, den wir in dem Sinne als einfach, als ein eins betrachten könnten, daß irgendein anderer Vorgang als dessen Mehrfaches oder Bruchteil erschiene. Und ähnlich CAIRNES (3).
Das ist jedoch ein Grad der Vollkommenheit, den die Politische Ökonomie niemals erreichen wird. Ein Teilgebiet dieser Wissenschaften und zwar der Teil, der bei wirtschaftlichen Überlegungen ständig ins Spiel kommt, setzt sich aus Prinzipien der menschlichen Natur zusammen, welche die Menschheit in ihrem Streben nach Reichtum beeinflussen. Obwohl nun der allgemeine Charakter dieser Prinzipien ihrer Natur nach nicht als wägbar oder meßbar betrachtet werden können, wie die Elemente und Kräfte der materiellen Welt, sie also keinen arithmetischen oder mathematischen Ausdrücken entsprechen, wird es passieren, daß überall da, wo die positive oder relative Kraft dieser Prinzipien fehlt, eine unfehlbare Präzision und Sicherheit nicht erreicht werden kann. Die Politische Ökonomie scheint also in diesem Bereich definitiv aus dem Bereich der exakten Wissenschaften ausgeschlossen." Auf wirtschaftlichem wie auf anderem Gebiet, so führt z. B. MENGER aus, habe man neben der historischen oder individuellen Forschungsrichtung noch zwei andere zu unterscheiden, die zwar beide als Richtungen "genereller" oder "theoretischer" Forschung zu bezeichnen seien, von denen es aber die eine mit der Wirklichkeit, die andere mit der Ermittlung exakter idealer Gesetze zu tun habe. Jene historische Forschung suche nämlich das individuelle Wesen und den individuellen Zusammenhang der Dinge zu erfassen, die theoretische dagegen haben es mit der über die unmittelbare Erfahrung hinausreichenden Erkenntnis des generellen Wesens und generellen Zusammenhangs der Erscheinungen zu tun. Sie strebe, wie MENGER an einer Stelle sagt (5), die "Typen und die typischen Relationen der Erscheinungen" zu erkennen. Und eben dieses kann in zweifacher Weise geschehen. Das zunächst liegende sei, jene Typen und typischen Relationen so zu erforschen, wie sie sich "in ihrer vollen, empirischen Wirklichkeit, also in der Totalität und der ganzen Komplikation ihres Wesens darstellen" Diesem Gedanken entspreche die realistisch-empirische Richtung der theoretischen Forschung. Indessen "strenge Typen" und "streng typische Relationen" oder "Naturgesetze" seien auf diesem ersten Wege nicht zu gewinnen. Denn "Phänomene in ihrer vollen empirischen Wirklichkeit wiederholen sich erfahrungsgemäß in gewissen Erscheinungsformen, jedoch keineswegs mit vollkommener Strenge, indem kaum jemals zwei konkrete Phänomene, geschweige denn eine größere Gruppe von solchen eine durchgängige Übereinstimmung aufweisen." Und so seien auch in volkswirtschaftlichen Dingen auf "realistischem Weg" zwar "empirische Gesetze" zu gewinnen, die "uns die faktischen (indessen keineswegs verbürgt ausnahmslosen) Regelmäßigkeiten in der Aufeinanderfolge und in der Koexistenz der realen Phänomene zu Bewußtsein bringen". Daneben aber gebe es einen zweiten Weg. Von jeher habe der Menschengeist neben jener realistisch-empirischen Richtung der theoretischen Forschung noch eine andere verfolgt, die - MENGER glaubt sie die exakte nennen zu dürfen - in der Tat die Feststellung von "strengen Gesetzen" zum Ziel habe, d. h. "Regelmäßigkeiten in der Aufeinanderfolge der Phänomene festzustellen suche, welche sich nicht nur als ausnahmslos darstellen, sondern mit Rücksicht auf die Erkenntniswege, auf welchen wir zu denselben gelangen, geradezu die Bürgschaft der Ausnahmslosigkeit in sich tragen" (Seite 38). Und die diese Ausnahmslosigkeit verbürgende Erkenntnisregel ist MENGER der Satz, daß "was immer auch nur in einem Fall beobachtet wurde, unter genau den nämlichen tatsächlichen Bedingungen stets wieder zur Erscheinung gelangen müsse." Diese Regel gelte vom Wesen und vom "Maß der Erscheinungen"; ihr gegenüber erschienen "Ausnahmen" dem kritischen Verstand geradezu undenkbar, und somit habe jene exakte Richtung zunächst "die einfachsten Elemente" alles Realen zu ergründen, müsse Dinge suchen, die, eben weil sie "die einfachsten Elemente sind, streng typisch gedacht werden müssen"; und habe sodann namentlich zu untersuchen, wie aus diesen "einfachsten, zum Teil geradezu unempirischen Elementen der realen Welt in ihrer (gleichfalls unempirischen) Isolierung von allen sonstigen Einflüssen sich kompliziertere Phänomene entwickeln." Bei steter Berücksichtigung dieses exakten (gleichfalls idealen) Maßes gelange man so zu Gesetzen, die "gar nicht anders, als ausnahmslos gedacht werden können, d. h. zu exakten Gesetzen." Und da all das auf wirtschaftswissenschaftlichem Gebiet ebenso gilt, wie auf anderen, so sei auch dort die Aufgabe der exakten Richtung zunächst die Erforschung elementarster einfachster Elemente und sodann die Entwicklung jener "Gesetze, nach welchen kompliziertere Erscheinungsformen sich aus jenen einfachsten Elementen entwickeln." Bei alledem hat MENGER nun aber das Wichtigste übersehen, nämlich daß es seine Aufgabe gewesen wäre nachzuweisen, ob solche "einfachste" Elemente typischer Art, wie er sie voraussetzt, in den hier in Rede stehenden Dingen überhaupt möglich sind, was zwar hie und da angenommen, aber doch von beachtenswerten Seiten auch bestritten ist. Gelänge MENGER dieser Nachweis (6), so könnte man ihm beistimmen, könnte sagen, daß da aus gleichen Ursachen ansich allerdings gleiche Folgen hervorgehen müssen, auch die hier in Betracht kommenden gleichen Dinge, gleichen Gefühle, gleichen Empfindungen usw. in ihrer Isolierung von allem Fremdartigen, allem Wechselnden und Verschiedenen gedacht zu ausnahmslos gleichen Folgen: "strengen Gesetzen" führen müssen. Indessen jener Vorfrage wendet MENGER wenig Aufmerksamkeit zu und scheint sich insbesondere dem Glauben hinzugeben, daß man über sie hinwegkommen könne, indem man sich vorstellt, was nicht vorhanden ist. In diesem Sinne spricht er wiederholt von "einfachsten Elementen" als solchen, die eben weil sie die einfachsten sind, streng typisch gedacht werden müssen", schließt hieran auch die Bemerkung, daß in anderer Weise, als "bei der Annahme streng typischer Elemente" und ihrer vollständigen "Isolierung von allen sonstigen verursachenden Faktoren" das Ziel exakter Forschung", die Feststellung strenger Gesetze nicht zu erreichen sei, und bezieht sich besonders auf das Beispiel der Naturwissenschaften, in denen man auch nur durch Abstraktion von empirisch faßbaren Dingen die Kenntnis von Kräften und Gesetzen zu gewinnen vermöge. Auch die Gesetze der Physik und Chemie - heißt es da - seien nicht das Ergebnis empirischer Forschung, die Elemente der Chemie "in ihrer vollen Reinheit" sogar gänzlich unempirisch, zum Teil nicht einmal künstlich darstellbar, desgleichen gehe die "neuere Mechanik" z. B. von der willkürlichen und unempirischen Annahme aus, daß die Körper sich im luftleeren Raum bewegen usw. Indessen beweisen alle diese Parallelen nicht, was sie beweisen sollen. Denn was MENGER empfiehlt, um zu exakten Gesetzen zu gelangen, und was in den Naturwissenschaften zu diesem Zweck geschieht, sind durchaus verschiedene Dinge. In beiden Fällen - das ist zuzugeben - wird abstrahier, abstrahier von demjenigen, was Beobachtung und empirische Forschung an die Hand gibt. Aber während der Naturforscher dieses Verfahren wählt, um vorhandene meßbare Dinge wie z. B. jene Kräfte der Anziehung und der Trägheit zu erkennen, sollen auf dem von MENGER empfohlenen Weg, um zu exakten Gesetzen der Wirtschaftlichkeit zu gelangen, Dinge gedacht werden, die, soweit unsere Kenntnis reicht, nicht vorhanden sind. Dort besteht Typisches, aus dem wieder Typisches hervorgehen und als Typisches erforscht werden kann. Hier soll derart Typisches gedacht, d. h. fingiert werden. Und während man dort das ansich richtig Erkannte umso mehr bestätigt finden muß, je vielfältiger man mit Umsicht prüft, muß was sich aus jener Fiktion ergibt, um so verschiedener ausfallen, je weniger verbürgt ist, daß es wirklich das Gleiche ist, was sich A, B, C, D etc. fingieren. Man mag also MENGER beistimmen, wenn er sagt, daß eine Forschung, die nicht von der Annahme streng typischer Elemente ausgehe, "das Ziel der exakten Forschung, die Feststellung strenger Gesetze niemals zu erreichen vermöchte." Wenn er diesen Worten aber hinzufügt, daß man "bei einer solchen Annahme" zu ausnahmslos geltenden exakten Gesetzen gelange, so darf wohl bemerkt werden, daß es richtiger gewesen wäre, gerade das Gegenteil auszusprechen, nämlich zu sagen, daß man bei so wenig gesicherten, dem Vorstellen des Einzelnen so weiten Spielraum gebenden Voraussetzungen zu durchaus unsicheren, willkürlichen und schwankenden Ergebnissen gelangen müsse. Damit stimmt dann auch, daß es trotz aller Mühe MENGER so wenig wie irgendeinem andern bisher gelungen ist, ein exaktes Gesetz wirtschaftlichen Charakters zu entdecken. Wohl aber ist belehrend, was als Voraussetzung solcher Gesetze gelegentlich hingestellt wird. Denn es zeigt, welche Vorstellungen sich an Worte wie "streng", "exakt", "genau determiniert" usw. hie und da knüpfen. Hier nur ein Beispiel allgemeineren Charakters, das sich unmittelbar an das soeben Gesagte anschließt. (7) Aufgabe der exakten Richtung auf dem Gebiet der Wirtschaftsphänomene soll nach MENGER, wie schon berührt ist, die Erforschung der "ursprünglichsten, elementarsten Faktoren menschlicher Wirtschaft", die Feststellung "des Maßes der bezüglichen Phänomene" und die Erforschung der Gesetze sein, nach welchen sich "komplizierte Erscheinungsformen der menschlichen Wirtschaft aus jenen einfachsten Elementen entwickeln." Und als ursprünglichste Faktoren dieser Art glaubt nun MENGER in der Tat Dinge gefunden zu haben, die "in letzter Linie unabhängig von der menschlichen Willkür" durch die jeweilige Sachlage "streng gegeben" seien. Es erscheinen ihm als Dinge dieser Art nämlich einerseit die Bedürfnisse der Menschen, andererseits die diesen "unmittelbar von der Natur gebotenen Güter, sowohl die bezüglichen Genuß- als Produktionsmittel" und endlich das Streben nach möglichst vollständiger Befriedigung der Bedürfnisse, möglichst vollständiger Deckung des Güterbedarfs. Denn - so deduziert er - "streng gegeben sind die unmittelbaren Bedürfnisse eines jede wirtschaftenden Subjekts durch seine eigentümliche Natur und bisherige Entwicklung (seine Individualität)" und die ihm unmittelbar verfügbaren Güter "durch die jeweilige ökonomische Sachlage." Beides seien "in Rücksicht auf jede Gegenwart" der Willkür entrückte, gegebene Tatsachen und somit "der Ausgangs- und der Zielpunkt jeder konkreten menschlichen Wirtschaft in letzter Linie durch die jeweilige ökonomische Sachlage streng determiniert" (Seite 263). Da es aber zwischen "streng determinierten Punkten" wenn auch viele tatsächlich betretene Wege, so doch sicher nur einen Weg gebe, der der ökonomische, d. h. der zweckmäßigste sei, so sei auch er streng determiniert. Und die exakte Richtung der Volkswirtschaftslehre, die es mit den Erscheinungen der Wirtschaftlichkeit, d. h. eben des ökonomisch Zweckmäßigen zu tun habe, untersuche also streng determinierte Phänomene und könne aus diesem Grund, wenn auch nicht zu exakten Gesetzen der "realen" Erscheinungen, so doch zu einem "exakten Gesetz der Wirtschaftlichkeit" gelangen, deren "formale Natur" keine andere sei, als jene der Gesetze aller übrigen exakten Wissenschaften und der exakten Naturwissenschaften insbesondere" (Seite 266, vgl. auch Seite 44f). Von dem, was man sonst unter exakt, bestimmt, streng etc. zu verstehen gewohnt ist, weichen nun alle diese Annahmen so erheblich ab, daß es nicht ganz leicht ist, ihnen gegenüber Stellung zu nehmen (8). Immerhin sei bemerkt, daß es erstens schwer zu begreifen ist, wie man jenen "Güterbedarf wirtschaftender Subjekte", zumal wenn man zu ihm (wie es seitens MENGERs geschieht) auch z. B. den Bedarf an Luxusartikeln, Gegenständen des Komforts und der Bequemlichkeit rechnet (9), zu der Willkür entrückten oder gar zu den streng determinierten Dingen rechnen kann, daß es zweitens nicht leichter verständlich ist, weshalb die "jedem wirtschaftenden Menschen unmittelbar verfügbaren Güter" ... "streng gegeben" sein sollen, da doch selbst in Verhältnissen so ausgebildeten Privateigentums wie den gegenwärtigen, im allgemeinen jeder mehr zur Verfügung hat, wenn er das Seinige mehr schont und zu Rate hält, was von Ort zu Ort und Zeit zu Zeit in sehr verschiedenem Maß geschehen kann, und daß endlich drittens ganz unbewiesen und, soweit sich hierüber bei so schwer begreiflichen Unterlagen überhaupt urteilen läßt, auch ganz unbeweisbar der Satz ist, daß es zwischen jenen zwei Punkten, mögen sie nun "streng determiniert" sein oder nicht, nur einen Weg geben soll, der der zweckmäßigste ist. (10) Weshalb in aller Welt sollten den zwischen zwei (nach MENGERscher Ausdrucksweise) noch so "fest bestimmten" Punkten nicht auch zwei oder mehr Wege möglich sein, die zugleich die zweckmäßigsten sind?? Auf anderen Gebieten ist das keineswegs ganz ausgeschlossen. Also weshalb ansich unhaltbare Dinge mit schwachen Gründen stützen wollen?! Geben wir Jenen, denen Volkswirtschaftslehre nur als Geschichte oder Wirtschaftspolitik erscheint, ohne Ausland zu, daß exakte Gesetze auf dem hier in Rede stehenden Gebiet ebenso ausgeschlossen sind wie in allen andern vom menschlichen Willen beherrschten Dingen. Wir können das umso leichteren Herzens tun, als es, wie wir sahen, auch naturwissenschaftliche Gesetze gibt, die als exakte entweder gar nicht oder doch insofern nicht genannt werden dürfen, als ein genauer Zahlenausdruck auf sie anwendbar ist (11). Und wir müssen uns zu jener Anerkenntnis verstehen, da eben hiermit zwei andere Dinge in Zusammenhang stehen, die von Bedeutung sind: erstens nämlich, daß wirtschaftliche Gesetze eben wegen ihrer Abhängigkeit von physischen Vorgängen mit dem Fortschreiten der Kultur einem Wandel unterliegen, der bei Naturgesetzen ausgeschlossen ist, und zweitens, daß infolge dieser Entwicklungsfähigkeit direkt und indirekt auch durch Kulturmittel auf jene Gestaltungen ein Einfluß geübt werden kann, von den Naturgesetzen gegenüber ebenfalls nicht die Rede sein kann. Ansich ist beides ja unbestreitbar. Wirtschaftliche Tätigkeiten, wie sie hier in Frage stehen, sind solche, die sich auf Erwerb oder Erhaltung jener äußeren Dinge beziehen, die man heute am kürzesten etwa als Vermögensobjekte bezeichnen kann, und unter denen die mittelbar oder unmittelbar dem physischen Bedarf dienenden obenan stehen. (12) Niemand aber wird behaupten, daß Tätigkeiten dieser Art eben desselben Charakters sind im Zeitalter des modernen Verkehrs wie in den Kulturstadien mittelalterlicher Abgeschlossenheit oder gar zu jenen Zeiten, da selbst örtliche Gemeinwesen und örtliches Ineinandergreifen von Beschäftigungen jener Art nicht existierten, jeder gewissermaßen sein und der Seinigen eigener Versorger war. Vielleicht auf keinem Gebiet sind in den Beziehungen der Einzelnen zueinander durchgreifendere Wandelungen vor sich gegangen als auf diesem, und gesetzmäßige Erscheinungen heutiger Art, wie wir sogleich sehen werden, erst entstanden, als jene Isolierung, aber auch jene örtliche Abgeschlossenheit überwundene Dinge waren. Ebensowenig aber kann es keinem Zweifel unterliegen, daß auf diese Fortschritte und die ihnen zugrundeliegenden Motive die Träger unserer Kultur: Staat, Kirche, Gemeinde usw. direkt und indirekt von großem Einfluß sind und stets sein werden. - Der Gegensatz zwischen diesen aus psychischen Ursachen hervorgehenden, wechselnden Kultureinflüssen unterliegenden und sich selber stetig wandelnden Erscheinungen einerseits und jenen Naturgesetzen andererseits ist also in der Tat ein bedeutender. Und nehmen wir das andere hinzu, daß ebenfalls um dieses Einflusses psychischer Momente willen bei jenen Erscheinungen Einheit, Maß und Messen ausgeschlossen sind, während bei den Naturgesetzen gerade diese Dinge zu so hervorragender Rolle berufen sind, daß man als echte oder wahre Naturgesetze nicht selten ausschließlich jene bezeichnet hat, die genauem numerischem Ausdruck zugänglich sind, so ist es leicht erklärlich, daß viele den Ausdruck Gesetz auf wirtschaftlichem und sozialem Gebiet überhaupt ausgeschlossen sehen wollen. Und doch dürfte hiermit das Richtige nicht getroffen sein. Gerade diese Gleichstellung von volkswirtschaftlichen und sozialen Gesetzen ist zu verwerfen, und der Nachweis der Berechtigung des Ausdrucks "wirtschaftliches Gesetz" vorzugsweise auf den Nachweis eines Unterschiedes zwischen jenen beiden zu stützen. Ehe das indessen versucht wird, ist hier noch bei einem anderen angeblich wichtigen Unterschied zwischen Natur- und wirtschaftlichen Gesetzen zu verweilen, der sich auf die Methode der Behandlung bezieht und mit den bisher berührten Gegensätzen in enger Beziehung steht. sogenannten historischen Methode (13) Dinge, die einem steten Wandel unterliegen, sind anscheinend nicht so einfach und jedenfalls nicht mit denselben Mitteln festzustellen wie jene, die allem Wechsel entzogen sind. Und deshalb müssen sich, so sollte man meinen, auch für die Ermittlung wirtschaftlicher Gesetze manche Schwierigkeiten ergeben, von denen Naturgesetzen gegenüber nicht die Rede ist. Indessen kommen die Anhänger exakter wirtschaftlicher Gesetze über diese Schwierigkeiten leicht hinweg. Um ihr Ziel zu erreichen, "denken" sie sich eben das Erforderliche, d. h. sie "denken" sich dem Wandel entzogene oder wie es z. B. bei MENGER heißt, solche "einfachste konstitutive Faktoren menschliche Wirtschaft", die durchaus bestimmt, "streng determiniert" sind. (14) Und danach "übt" dann "die Tatsache der Entwicklung der realen Phänomene keinen Einfluß auf die Art und Weise aus, in der die exakte Forschung das theoretische Problem zu lösen unternimmt." (Seite 115). Nur die größere oder geringere Strenge der realistischen, nicht auch der exakten Ergebnisse der theoretischen Forschung wird, so hören wir, durch "die Tatsache des Wandels der Phänomene und ihre interlokalen Divergenzen" beeinflußt. (Seite 116) Und demgemäß soll auch die "Geschichte der Volkswirtschaft", da sie die "konkreten Kulturentwicklungen und Zustände" zu erforschen hat, für die Theorie, welche das generelle Wesen der Dinge zu erfassen sucht, zwar eine Hilfswissenschaft, aber eben nur eine solche sein. Ja, es soll ein großer, zu den verwirrendsten Konsequenzen führender und den Fortgang der Wissenschaft in der verderblichsten Weise beeinträchtigender Irrtum der historischen Schule sein, daß sie Geschichte und Theorie verwechselnd "glaubt an der Theorie der Volkswirtschaft zu bauen", indem sie "durch Heranziehung der Geschichte, bzw. der Theorie der Volkswirtschaft zum Verständnis konkreter Tatsachen und Entwicklungen der Volkswirtschaft zu gelangen und dieses Verständnis zu vertiefen unternimmt" (Seite 19) usw. Stellt man sich auf den hier vertretenen Standpunkt, wonach durch ein "Denken" jener Art nur sehr unsichere Resultate zu erzielen sind, die sich namentlich nach der Individualität des Denkenden sehr verschieden gestalten müssen und mit exakten Gesetzen nichts gemein haben, so ist einem großen Teil dieser Vorwürfe der Boden bereits entzogen. Denn bezüglich der von MENGER sogenannten empirischen oder realen Gesetze gibt er ja selber zu, daß sie "in den Fluß der Zeiten gestellt" sind, und daß deshalb Gesetze, die "für bestimmte Stadien" festgestellt worden sind, keineswegs für alle Phasen der Entwicklung ihre Geltung behaupten (Seite 107). Diesen Gesetzen gegenüber ist doch also eine "historisch-realistische" Forschung, sollte man meinen, gerechtfertigt, ja geboten. Und MENGER selbst gibt das in gewissem Sinne zu, indem er historische Erkenntnis als das Material bezeichnet, aufgrund dessen man Entwicklungsgesetze der Volkswirtschaft festzuhalten haben, in jener Geschichte sogar eine höchst wertvolle empirische Grundlage der Theorie erblickt usw. (15) Der ganze Streit dreht sich also - abgesehen davon, daß das Gewicht historische Forschung natürlich desto größer wird, je mehr man den Gedanken an nicht historisch zu erfassende exakte Gesetze aufgegeben hat allein darum, ob man berechtigt ist, gewisse zum "Ausbau der Theorie" ansich notwendige Forschungen wie die hier in Rede stehenden aus jener auszuschließen und lediglich "Hilfswissenschaften" derselben zu überweisen. Dies aber muß durchaus in Abrede gestellt werden. Die von MENGER oft wiederholte Behauptung (16), daß zwischen Geschichte und Theorie feste Grenzen bestehen sollten, daß die eine und die andere "streng zu unterscheidende Wissenschaften" sind, daß "in Rücksicht auf die Aufgaben und Ziele der Forschungen jene strengen Grenzen" zwischen den Wissenschaften bestehen, "welche nicht verwischt werden dürfen, ohne der Verwirrung und dem flachsten Dilettantismus Tür und Tor zu öffnen, daß nur ein "unkundiger Beurteiler" zu schließen vermöchte, "daß zwischen den einzelnen Wissenschaften überhaupt keine festen Grenzen bestehen" usw., sind nicht frei von Untertreibungen. (17) Daß ansich die hier in Rede stehenden Wissenschaften verschiedene Aufgaben zu verfolgen haben, daß in diesem Sinne z. B. nicht jeder Nationalökonom Historiker und nicht jeder Historiker Nationalökonomi ist, wird jeder einräumen, dem über Volkswirtschaftslehre und Geschichte etwas bekannt geworden ist. Indessen steht nicht minder fest, daß es zwischen je zwei Wissenschaften vielfach auch Grenzgebiete gibt, die weder ausschließlich der einen noch der anderen, sondern eben beiden zugleich angehören und mit Erfolg auch von Vertretern beider gepflegt werden. Theologie und Jurisprudenz z. B. sind sicherlich verschiedene Wissenschaften, und Jurisprudenz und Geschichte, desgleichen Theologie und Geschichte ebenfalls. Wer sich aber als Theologe oder Jurist mit Erfolg z. B. kirchenrechtlichen Studien widmet, wird hierbei die Rechtswissenschaft keineswegs nur als Hilfswissenschaft ansehen und ebensowenig die Theologie, sondern wird annehmen dürfen, beiden Wissenschaften zu dienen, unmittelbar in beiden zu arbeiten. Desgleichen hören Juristen und Theologen deshalb nicht auf in der Rechtswissenschaft bzw. der Theologie tätig zu sein, weil sie sich z. B. der Rechts- oder der Kirchengeschichte widmen. Auch ihnen ist dann die eine oder die andere jener Wissenschaften nicht lediglich Hilfswissenschaft, aber ebensowenig die Geschichte. Nein. Sie sind selber an der Geschichtsforschung tätig, und in der Jurisprudenz, bzw. der Theologie nicht minder. Ganz ähnlich steht es auch mit dem Verhältnis von Nationalökonomie und Geschichte. Auf Teile der ersteren mag es zutreffen, daß sie nicht geschichtlicher Erforschung bedürfen. Und auf viele Teile der Geschichte trifft es sicherlich zu, daß sie nicht nationalökonomischen Charakters sind. Aber daraus darf keineswegs geschlossen werden, daß es nicht daneben noch weite andere Gebiete gäbe, auf denen man beiden Disziplinen zugleich zu dienen vermag. (18) Ja, in wenigen Beziehungen möchte sich eine engere Verwandtschaft zwischen den hier in Rede stehenden Dingen und den naturwissenschaftlichen als gerade darin zeigen, daß jene wie diese in vielen Teilen eine fortgesetzte Vereinigung deduktiver und "konkrete" einzelne Dinge als solche verfolgender induktiver Forschung erheischen. Wie der Physiker nicht nur den höchsten Lohn seiner Bemühungen darin findet, durch Beobachtungen "konkreter" Dinge bestätigt zu sehen, was er vorher durch Rechnung gewonnen, oder umgekehrt in seinen Rechnungen eine Bekräftigung dessen zu erhalten, was er vorher beobachtet hat, sondern Vergleiche dieser Art auch fort und fort vorzubereiten und durchzuführen hat und Schiffbruch litte, wenn er diese seine Rechnungen zur Stütze dienenden Beobachtungen "konkreter Dinge" Andern überlassen oder gar nur bezüglichen Hilfs wissenschaften entnehmen wollte - gerade so geht es jenem, der das Studium der Volkswirtschaftslehre sich zur Aufgabe gemacht hat. Es ist nicht nur zulässig, sondern vielfach geradezu geboten, daß man bei der Bearbeitung dieser Theorie auch dem Studium der entsprechenden "konkreten" Erscheinungen seine Aufmerksamkeit zuwendet und diese Forschungen als Nationalökonom selber unternimmt, sie nicht dieser oder jener "Hilfswissenschaften" oder deren Vertretern überläßt. (20) Erscheinungen z. B. der Preisbildung, die sich dem Theoretiker deduktiv aus dem Eigennutz ergeben, muß er in Dingen, welche die Geschihchte und Statistik der Groß- und Kleinhandelspreise, die Geschichte der Kanal- und Bahntarife, die Geschichte der Beiträge, Gebühren, Steuern usw. an die Hand geben, selber verfolgen, muß, was er auf diesem Weg Neues findet, mit dem durch Deduktion Gefundenen vergleichen, beides in Einklang zu bringen suchen, den Ursachen der Differenzen nachgehen und hieraus für die Theorie Gewinn ziehen. Und ebenso ergeben sich die Grundsätze der Besteuerung z. B. in Fragen der Steuerprogression, der höheren Belastung fundierter Bezüge, niedrigeren Belastung von Haushaltungen mit großer Familie usw. dem Theoretiker einerseits deduktiv aus jenen Grundsätzen distributiver Gerechtigkeit, deren oben schon mehrfach gedacht ist, andererseits aber auch induktiv aus der Geschichte der Besteuerung. Das eine hat wieder das andere zu ergänzen. Und nur die Vereinigung beider Untersuchungsmethoden, nicht ein Zurückgreifen auf Dinge, die uns so oder so von Hilfs wissenschaften geboten würden, sichert den Erfolg. (20) Mag man es also mit Recht tadeln, daß vor ansich verdienstlicher "realistischer" Forschung "theoretische Vertiefung" lange Zeit allzu sehr vernachlässigt war. Mag man es namentlich bedauern, daß jene Theorie nicht selten unterschätzt, ja als solche geradezu verhöhnt und belächelt worden ist. In all dem wird man MENGER umso mehr beistimmen, je klarer es zutage treten wird, wie sehr eine solche Oberflächlichkeit jenem Sozialismus nützte, dem MARXscher Scharfsinn und MARXsche Sophismen gewissen kritiklos übernommenen "Theorien" jener Realisten und ihrer Schützlinge weit überlegen erscheinen mußten. Zu jenen weiteren Annahmen aber, daß Geschichte und Wirtschaftstheorie "fundamental verschiedene" Dinge sind, daß die erstere ausschließlich Hilfs wissenschaft der zweiten ist, daß es ein verderblicher Irrtum der historischen Schule sei, wenn sie "glaubt, an der Theorie der Volkswirtschaft zu bauen ... indem sie durch Hereinziehung der Geschichte, bzw. der Theorie zum Verständnis konkreter Tatsachen und Entwicklungen der Volkswirtschaft zu gelangen und dieses Verständnis zu vertiefen unternimmt" - lag kein Anlaß vor. Mit der Art über das Ziel hinausgehender Angriffe wird - von allen persönlichen Gehässigkeiten abgesehen - mehr geschadet als genützt, da sie die Position des Angegriffenen eher befestigen als schwächen. (21) und anderen sozialen Gesetzen (22) Daß viel von wirtschaftlichen und wenig von anderen sozialen Gesetzen gesprochen wird, und daß insbesondere eine Wissenschaft von letzteren nicht erstand, dürfte vorzugsweise zwei Umständen zuzuschreiben sein, die auch auf die nahen Beziehungen zwischen volkswirtschaftlichen und Naturgesetzen einiges Licht werfen: der besonderen Erfaßbarkeit wirtschaftlicher Vorgänge und der Macht, die letzteren eigentümlich ist. Das erstere erklärt sich leicht. Womit jene wirtschaftlichen Gesetze zu tun haben, sind vorzugsweise jene sichtbaren Vermögensobjekte, die wir materielle Dinge nennen (23). Und in diesen walten einerseits jene physischen Gesetze, welche wie z. B. die des Wachstums, Gedeihens und Verderbens der einzelnen Dinge oder die des Wandels der Tages- und Jahreszeiten usw. indirekt beitragen, auch den wirtschaftlichen Gesetzen Halt und Stütze zu geben. Insbesondere aber bieten gerade jene materiellen Dinge selbst auch einen vorzüglichen Anhaltspunkt, um das Walten dieser letzteren Gesetze zu erfassen. Verfolge ich den Einfluß einzelner Motive auf nicht wirtschaftliche, z. B. politische, ethische oder religiöse Dinge, so kann ich meinen, wähnen, vermuten, kann auch wohl andere zu überzeugen bemüht sein; zu beweisen aber sind weder die bezüglichen Folgen noch ihre Ursachen. Handelt es sich dagegen um Vorgänge der Produktion oder des Austausches von materiellen Dingen oder auf sie bezüglichen Rechten, so steht direkt Erfaßbares vor Augen. Die Ergebnisse sind unmittelbar durch Beobachtung zu ermitteln, und bei geschicktem Vorgehen kann es auch gelingen, die auf sie bezüglichen ursächlichen Zusammenhänge außer Zweifel zu stellen. Ja, sind die niedrigsten Kulturstufen überwunden, so haben wir namentlich im Geld und in manchen Geldsurrogaten allgemeine Preis- und Wertmaßstäbe, die uns die Dinge besonders gut und leicht beherrschen lassen. Auch dann bleiben wir natürlich außerstande, Motvie und Folge in ein bestimmtes Zahlenverhältnis zu bringen, da insbesondere ersteren gegenüber eine numerische Erfassung, wie wir sahen, ausgeschlossen ist, und können deshalb auch zu exakten wirtschaftlichen Gesetzen niemals gelangen. (24) Indessen vermögen wir jedoch jene Folgen ansich in Zahlen zum Ausdruck zu bringen, können bestimmt behaupten, daß z. B. diese oder jene Preise, Löhne, Renten usw. um so oder so viel Proznt gesunken oder gestiegen sind, und schon hiermit ist natürlich viel erreicht, um auch jener Zusammenhänge Herr zu werden. Daß also viel von wirtschaftlichen Gesetzen und wenig von politischen, ethischen und religiösen oder gar von Gesetzen der Eltern- oder Geschwisterliebe, von Gesetzen freundschaftlichen oder nachbarlichen Verkehrs usw. gesprochen und gelehrt worden ist - erklärt sich schon aus diesem äußerlichen, auf die Erfassung des Objekts bezüglichen Umstand. Und wie schon bemerkt, zeigen eben hierin wirtschaftliche und physische Vorgänge viel Gemeinsames. Noch viel wichtiger indessen ist jenes Zweite: die Macht, die in günstiger und in ungünstiger, in begehrter und in gefürchteter Weise wirksam - jenen wirtschaftlichen Zusammenhängen eigentümlich ist, an die bei Gebrauch des Ausdrucks: wirtschaftliches Gesetz heute vorzugsweise zu denken ist. Um das zu zeigen, muß freilich etwas weiter zurückgegriffen werden. Daß wirtschaftliche Tätigkeiten es vorzugsweise mit dem Erwerb jener Dinge zu tun haben, die wir heute Vermögensobjekte nennen, wurde bereits mehrfach berührt (25). Selbstverständlich sind diese Dinge nun freilich zu verschiedenen Zeiten verschiedenen Charakters, stützen sich auf eine mehr oder minder ausgebildete staatliche Satzung, dienen teils dem Bedürfnis, teils der Habsucht, umschließen teils sichtbare Dinge, teils unsichtbare wie namentlich Rechte - immer aber sind es vorzugsweise materielle und zum Leben notwendige Dinge, auf die sie direkt oder indirekt Bezug haben. Und da diese nicht im Überfluß, sondern "nur beschränkt geboten", bzw. nur durch Arbeit zu gewinnen sind, so entsteht jene allgemeine Abhängigkeit von wirtschaftlichen Dingen, mit der wir beim Verhältnis des Menschen zur äußeren Natur" zu rechnen haben. Und eben um dieser Abhängigkeit willen muß sich, wie berührt, die allgemein menschliche Empfindung des Selbst- oder Eigeninteresses in wirtschaftlichen Dingen regelmäßig zum Eigennutz, d. h. zu jenem mit den Interessen Anderer kollidierenden Interesse gestalten, auf dem die Macht jener Gesetze vorzugsweise beruht. Andere "Güter" kann man sich aneignen ohne jemand zu nahe zu treten. Ja, was der eine erwirbt, sichert da nicht selten den gleichen Erwerb auch den andern oder erleichtert ihn doch. Denn wer sich z. B. Tugenden wie Festigkeit und Aufrichtigkeit oder Bescheidenheit, Pietät, Vaterlandsliebe zueigen macht, nimmt diese Dinge sicherlich niemandem fort, trägt aber umgekehrt gerade dadurch, daß er sie sich erwirbt, vielleicht nicht wenig dazu bei, daß sie auch bei andern eine Stätte finden, während Vermögensteile dem einzelnen regelmäßig desto reichlicher zuteil werden, je mehr andere daran einbüßen. Daß diese Regel viele Ausnahmen erleidet, wird niemand verkennen. Geht doch in vielen Fällen das wirtschaftliche Selbstinteresse mehrerer Hand in Hand, wobei es dann freilich gemeinsam regelmäßig wieder in Kollision mit dem Interesse Dritter kommt. In anderen Fällen zügelt namentlich im "Kleinverkehr" Pflichtgefül und Rücksichtnahme auf Herkommen und Sitte, auch wohl Gesetz und Recht den Eigennutz. In wieder anderen werden wirtschaftliche Dinge und wirtschaftliche Tätigkeiten jenem Eigennutz ganz und gar entzogen und zu "öffentlichen", d. h. Gegenständen des öffentlichen Interesses gemacht. (26) Immerhin bleibt es, sofern nicht eine weitgehende sozialistische Unterbindung privater Erwerbstätigkeit Platz greifen sollte, namentlich modernem Großverkehr gegenüber die Regel, daß die wirtschaftlichen Vorgänge der Eigennutz beherrscht wie kaum ein anderer Faktor. Diese Tatsache kann nun zunächst als eine sehr betrübende erscheinen. Denn von nahe liegenden sittlichen Bedenken abgesehen, muß ja schon wegen der natürlichen Ungleichheit der Kräfte und der Bedürfnisse der Ausgang eines solchen Kampfes der Interessen in vielen Fällen ein unseren Billigkeitsgefühlen durchaus widersprechender sein. Wer durch Not geschwächt am dringlichsten einer Sache bedarf, kommt nur zu leicht in Gefahr, eben weil er der geschwächte Teil ist, den teuersten Preis zahlen, bzw. mit dem billigsten Lohn sich begnügen zu müssen. Die niedrigsten Arbeiten werden, wie oft gezeigt, am wenigsten bezahlt, weil sie von jenen geleistet werden, die sich wegen ihrer bedrängten Lage eine schlechte Bezahlung am ehesten gefallen lassen müsen. Und wenn man das früher oft übersah und gerade den aus einem dieser Art "freiem" Kampf sich ergebenden Preis als den natürlichen und gerechten bezeichnete, so mag das außer in gewissen Lichtseiten freien Mitbewerbens insbesondere in dem Umstand seine Entschuldigung finden, daß man jene Freiheit eben nicht kannte, ihre Folgen nicht übersah, und wie es oft geschieht, das am wenigsten Erprobte am höchsten schätzte. In Wahrheit erinnern solche Bezeichnungen aber lebhaft an das seit geraumer Zeit viel weniger gefeierte Wort, daß der Stärkere Recht hat. Und die Resultate jenes Interessenkampfes würde auch früh schon geradezu unerträglich geworden sein, wenn nicht manche Schattenseiten durch Gewöhnung und durch die schon berührten anderen Motive: Billigkeitsgefühl, Rücksichtnahme auf Sitte und hergebrachte Preise usw. insbesondere im Kleinverkehr eine wesentliche Milderung gefunden hätten. (27) Verschärft aber sind dieselben in neuerer Zeit durch zwei Umstände: erstens durch das immer weitere Zurücktreten der Bedeutung jenes kleinen Verkehrs vor dem des Individuums weniger achtenden großen, und sodann durch die oft beklagte und oft bestrittene, aber dennoch unaufhaltsam fortschreitende Steigerung des Gegensatzes zwischen Arm und Reich. Schon das Eigentum als solches tendiert in mancher Beziehung dahin, die aus der Verschiedenheit der Kräfte sich ergebende Unbilligkeit zu steigern. Denn zur Ungleichheit dieser "natürlichen Waffen" fügt es in weitem Umfang jene des Rechts, und letztere kann insbesonder augenblicklichem Bedarf gegenüber noch sehr viel schwerer ins Gewicht fallen als jene. [...] Daß aber Härten dieser Art (von Heilmitteln wie Gewerkvereinen, Fabrikgesetzgebung usw. natürlich abgesehen) zu steigen tendieren, je mehr mit der Zunahme der großen Vermögen die Macht Weniger und zugleich die Zahl Jener wächst, die bei diesen Arbeit zu suchen genötigt sind, liegt auf der Hand. Und dazu tritt nun jenes Zweite, daß mit der dahin schwindenden Bedeutung des Kleinverkehrs nämlich der Eigennutz auf immer größeren Gebieten zur Herrschaft gelangt. Gerade in jenem Kleinverkehr herrschen, wie bemerkt, in großem Umfang noch Motive, die mit dem Selbstinteresse nichts zu tun haben. Wie man auf anderen Gebieten menschlichen Verkehrs regelmäßig nicht gerade vorzugsweise eigennützig, sondern vorzugsweise gerecht und billig denkend ist, ähnlich auch im wirtschaftlichen. Rücksichten auf Angemessenheit wie auf bisher gezahlte Preise sind da von größerer Bedeutung als eine die verschiedenen Verkehrsgestaltungen nicht immer ausreichend sondernde Theorie seit der Zeit der Materialisten und Physiokraten vielfach angenommen hat. Anders freilich schon in jenem Markt verkehr, auf dem sich persönlich fern Stehende einander gegenübertreten. (28) Aber anders namentlich im modernen Groß verkehr. Persönliche Beziehungen jener Art, die angemessene oder doch anständige Behandlung erfordern, fehlen dort in nicht seltenen Fällen ganz und gar. Statt mit physischen Personen hat man es sogar vielfach nur mit jenen "juristischen" zu tun, denen gegenüber menschliche Rücksichtnahme fast ganz und gar ausgeschlossen erscheint. Namentlich aber wird dort nicht für den "unmittelbaren Bedarf", den eigenen Ge- und Verbrauch, sondern zum Zweck des Absatzes gehandelt. Und so kann es dem Erwerber füglich überlassen bleiben, wird ihm auch regelmäßig überlassen und gelingt ihm nicht selten, die ihm zugemutete Last auf andere "abzuwälzen". Wer schließlich der Geschädigte ist oder sein wird - weiß niemand. Man fordert hohe, nach "kleinbürgerlicher" Vorstellung geradezu unverschämte oder unanständige Preise. Aber ob hierdurch geschädigt wird, wie sehr geschädigt wird, und wer den Schaden schließlich trägt oder tragen wird - ist nicht zu übersehen, kommt gar nicht in Frage! Und dazu noch Eines. Gerade in jenem Großverkehr ist wie bekannt und leicht erklärlich auch die Konkurrenz eine besonders scharfe, da sie, örtlichen Schranken entzogen, jedermann offen steht, und sich Viele und Geldmächtige an ihr beteiligen, die wegen engagierten großen Kapitals schon in einem kleinen Prozentsatz viel gewinnen und viel verlieren können. Danach aber sind die Chancen des Gewinns dort mehr als im übrigen unsichere, große Verluste nicht selten. Und um die Bilanz nicht zu ungünstig zu gestalten, ist man also gerade dort auch gewissermaßen genötigt, wo sich nur ein Gewinn zu bieten scheint, diese Gelegenheit wahrzunehmen, d. h. den Eigennutz walten zu lassen. Allerdings stehen den Schattenseiten eigennützigen Verkehrs, die hiernach mehr als früher Beachtung erlangen, andererseits auch Lichtseiten gegenüber. Und insbesondere diese interessieren hier. Dabei ist erstens zu beachten, daß jener sogenannte eigennützige Verkehr, wie schon oben berührt wurde, keineswegs vom Eigennutz im üblichen Sinn des Wortes beherrscht wird. Was vorzugsweise in Frage kommt, ist vielmehr jener dort charakterisierte geschäftliche Eigennutz, der, wie schon zu zeigen versucht ist, nicht allein aus Selbst- oder Eigeninteresse, sondern auch aus einer Fürsorge für hilfsbedürftige Andere: Kinder, Frauen, Mündel, Klienten, Verwandte usw. - kurz aus altruistischen Motiven hervorgeht und nicht selten sogar mit großen persönlichen Opfern verbunden ist. Zum zweiten darf nicht außer Acht bleiben, daß viele Dinge dem Eigennutz - persönlichen oder geschäftlichen - überhaupt entzogen und als Objekte öffentlichen Interesses ganz und gar anderen Motiven unterstellt sind, und der Umkreis dieser Dinge, wie er in neuester Zeit bereits beträchtlich gewachsen ist, eben wegen jener Gefahren eigennützigen Verkehrs so auch in Zukunft sich noch erheblich vergrößern wird. In diesen Beschränkungen aber erscheint, wie oft gesagt ist, von außerordentlichen Fällen abgesehen (29), eine auf eigennütziger Interessenverfolgung basierte Wirtschaft zu erheblich besserer allgemeiner Versorgung zu führen als eine solche, bei der nicht jeder zuerst für sich und die Seinen, sondern zuerst für andere zu sorgen hätte, daher auch nicht selber die Früchte seines Fleisses genießen, sondern sich in dieser Beziehung vorzugsweise auf andere verlassen müßte, die seinem Bedarf wahrscheinlich weniger guten Willen und sicherlich weniger gutes Verständnis entgegenbringen, als er selber. Und eben diese zu erwartende bessere wirtschaftliche Versorgung muß dann auch der Entwicklung persönlicher Freiheit zugute kommen, schon insofern sie dem Einzelnen den "Kampf ums Dasein" erleichtert. Nötigt uns die Natur, indem sie uns Bedürfnisse, aber nicht auch die entsprechenden Befriedigungsmittel auf den Weg gab, zu stetem Kampf, so schlägt sie uns hiermit auch in dauernde Fesseln. Und diese werden gemildert, geben der Möglichkeit freier Entwicklung umso größeren Raum, je leichter uns jene Sorge wird. Zu alledem tritt nun endlich aber noch eines, was hier besonders interessiert: jene Stetigkeit wirtschaftlicher Entwicklung nämlich, die gerade in der gesicherten Herrschaft des Eigennutzes ihre Befestigung erhält. Daß im einzelnen heute Mangel an Eigennutz nicht selten größere Wunden schlägt, als letzterer selbst - dafür sind jedem, wenn nicht aus eigener Erfahrung, so doch aus der Beachtung der ihn umgebenden Dinge Beispiele genug bekannt. Wie vielfach hört man, daß z. B. vor dem Konkurs besonders große Geschäfte nicht nur den ihnen nahe stehenden Kreisen sondern weit darüber hinaus argen Schaden dadurch gebracht, daß sie aufhörten, ihr Interesse und das ihrer Gläubiger wahrzunehmen und aus dieser oder jener Rücksicht z. B. Dinge von großem Wert zu Schleuderpreisen losschlugen. Ähnliches vernimmt man hie und da ja auch von reichen Villenbesitzern, die zum Schaden von Grundeigentümern und Bauspekulanten aus Laune und Willkür ihren Besitz ohne die vorausgesetzte Wahrung ihres Interesses hingaben usw.! In der Tat ist jene Stetigkeit, die sich trotz mancher Schwankungen anderer Art daraus ergibt, daß man darauf zählen darf: es werde jeder sein, bzw. sein Geschäftsinteresse nicht schädigen, sondern wahrzunehmen bemüht sein - ein Faktor von nicht zu unterschätzendem Gewicht. Und eben auf dieser Stetigkeit und Macht wirtschaftlicher Zusammenhänge beruth zum großen Teil die Bedeutung wirtschaftlicher Gesetze. Was befähigt, so fragen wir, z. B. heute eine Zettelbank, auf längeres Fernbleiben ihrer Noten von der Einlösungsstätte unter übrigens gleichen Umständen (bei gleicher Sicherheit, gleichem Kredit usw.), desto mehr rechnen zu können, je kleiner der Nominalbetrag jener Noten im einzelnen ist? Was setzt sie demgemäß in den Stand, ihr bezügliches Emissionsprivileg mit so und so viel Millionen mehr zu bezahlen, je mehr ihr in demselben gestattet wird, neben den großen auch mittlere oder kleine Stücke in Umlauf zu setzen? - Offenbar nichts anderes als das Vertrauen, daß im allgemeinen jeder geneigt sein wird, sein Interesse wahrzunehmen, und aus diesem Grund große Noten erheblich rascher zur Einlösung bringen wird als jene geringeren Zinsverlust mit sich bringenden kleinen. Und was verbürgt, um einen eben hiermit in Zusammenhang stehenden Vorgang öffentlichen Interesses zu berühren, was verbürgt großen Zentralbanken jene Segen bringende Macht, die sie in den Stand setzt, "den Geldumlauf eines Lndes" und die gesamte Aus- und Einfuhr desselben in gewünschter Weise zu regeln? Was anders, als jenes selbe Vertrauen auf den Eigennutz und seine Macht! - Ihm allein ist es zuzuschreiben, daß wenn eine Bank wie jene von England oder des deutschen Reichs nach ihrem Ermessen den Diskontsatz für ihre Geschäfte steigen oder sinken läßt, sie fast mit Sicherheit darauf zählen kann, daß andere Banken ihr hierin folgen werden. Auch letztere sind frei. Aber sie folgen, und man weiß, daß sie folgen werden. Man weiß auch, daß wenn so das Geld "verteuert" oder "verbilligt" ist, die Neigung zu Warenkäufen im allgemeinen sinken, bzw. steigen wird, weiß nicht mindern, daß sobald letzteres geschehen ist, die allgemeinen Warenpreise ebenfalls sinken, bzw. steigen werden, und weiß namentlich, daß alle diese Vorgänge den Landesimport und -export in jener Weise beeinflussen werden, die man eben für wünschenswert oder geboten hält. Mit jenem einen Federstrich also, der den Diskontsatz einer Bank für ihre Geschäfte sich ändern läßt, werden wir durch physische Gewalt oder militärische Order Hunderttausende in Bewegung gesetzt, Hunderttausende bestimmt, so oder so zu handeln, zu kaufen oder zu verkaufen, zu importieren oder zu exportieren, zu transportieren oder aufzuspeichern usw., und das alles trotz größter wirtschaftlicher Freiheit, ja im Grunde eben wegen solcher, und wegen der durch sie dem Eigennutz gegebenen Gewalt. Wer sich die Härten dieser Macht vergegenwärtigen will, der beachte z. B. den nicht seltenen Fall, daß Arbeitgeber genötigt sind, ihnen selber ungerecht erscheinende Löhne zu zahlen, um überhaupt zu bestehen zu können. Sie wissen und empfinden, daß unbillig ist, was sie bieten. Aber sie wissen auch, daß sie nicht mehr zahlen können, wenn sie nicht durch die dem Eigennutz und der Konjunktur gegebene Macht samt den Arbeitnehmern in den Abgrund gerissen werden wollen. Indessen neben solchen Härten ist, ähnlich wie jenen Natur vorgängen gegenüber, auch der Segen zu beachten, den jene Macht, jener Zwang insofern mit sich bringen, als gerade sie die Möglichkeit schaffen, Kommendes vorauszusehen, mit der Zukunft zu rechnen und auf Abhilfe bedacht zu sein. Und eben diese hiernach in zweifacher Beziehung den Naturvorgängen ähnliche Gewalt ist es, die man im Auge hat, wo von "unbeugsamen Naturgesetzen des Verkehrs" wie z. B. jenem "von Angebot und Nachfrage" die Rede ist. Nicht der Eigennutz allein schafft diese sondern er im Verein mit jenem insbesonders der neueren Zeit eigentümlichen Zwang wirtschaftlicher Zusammenhänge. - Alledem ist nun auch in der Definition jener Gesetze Rechnung zu tragen. Um zuerst an früher Gesagtes anzuknüpfen, so sind diese jenen physischen Gesetzen, die oben als kausale und zwar als kausale abgeleitete Gesetze der Sukzession bezeichnet wurden, darin ähnlich, daß auch sie der Ausdruck für eine Wiederkehr von Erscheinungen sind, deren Ursachen sich in mehr oder weniger bestimmter Weise angeben lassen. Eigentümlich ist jenen wirtschaftlichen Gesetzen aber das Hervorgehen einerseits aus psychischen Ursachen, andererseits aus der Macht wirtschaftlicher Zusammenhänge. Und so dürften sich dieselben am besten etwa so charakterisieren lassen, daß sie sind
Rekapitulieren wir nun, um Analoges und Gegensätzliches in Kürze einander gegenüber zu stellen, so zeigen sich Disharmonien zwischen volkswirtschaftlichen Gesetzen und jenen ihnen zur Seite zu stellenden "abgeleiteten" der Naturwissenschaften darin, daß erstens die letzteren dem Einfluß menschlichen Willens entzogen sind, die anderen nicht, und zweitens und drittens infolge dieses Gegensatzes die einen mit der Kultur sich selber stetig wandeln, die andern nicht, die einen auch vom Machtgebot solcher Kulturträger wie Staat, Gemeinde, Kirche usw. direkt und indirekt getroffen werden können, die andern nicht. Viertens und insbesondere aber besteht ein Gegensatz darin, daß die einen zum großen Teil (als sogenannte wahre Naturgesetze) Maß und Messen gestatten, in diesem Sinne also exakte sind und daher in der Tat eine gleichmäßige Wiederkehr der Erscheinungen zum Ausdruck bringen, während bei den andern nur entweder von regelmäßig zu erwartenden Vorgängen oder von regelmäßig zu erwartenden Tendenzen die Rede sein kann. Andererseits zeigen sich Analogien erstens in jener Gliederung in zwei Arten von Gesetzen (Tendenzen und "wirkliche" Gesetze), Gliederungen, die zwar keineswegs, wie wir sahen, auf derselben Basis ruhen, aber wie im Namen so auch im Wesen manches gemein haben, zweitens und namentlich aber darin, daß Natur- und wirtschaftliche Gesetze eine Wiederkehr von Erscheinungen zum Ausdruck bringen, die nach gegenwärtigen Kulturverhältnissen (nur von diesen ist hier die Rede) mit so zwingender Gewalt an uns herantritt, daß sie uns einerseits in unserer Freihei wesentlich beschränkt, als eine drohende, ja in nicht seltenen Fällen geradezu unheilvolle Gewalt erscheint, andererseits aber auch die Basis der Voraussicht und Basis der Beherrschung kommender Ereignisse werden kann. Und eben hiernach ist dann beiderlei Gesetzen drittens auch bezüglich der Methode der Erfassung, insbesondere bezüglich des Erfordernisses steter Verbindung induktiver und deduktiver Forschung vieles gemein, gemeinsam viertens daß der Grad ihrer Bedeutung im einzelnen große Verschiedenheiten zeigt, und gemeinsam schließlich, daß viele und gerade die wichtigsten unter den Natur- wie unter den wirtschaftlichen Gesetzen nur jene Tendenzen zum Ausdruck bringen, die mit einem deutschen Wort nicht anders als "Gesetz" bezeichnet werden können, da unserer Sprache kein anderer Ausdruck hierfür zu Gebote steht. Nach alldem dürfte diese Bezeichnung also obwohl nicht ohne Bedenken, doch im Grund geboten sein. Freilich könnte nun gerade gegen den letzten Teil dieser Ausführungen eingewandt werden, daß sie einen Widerspruch mit zuvor Bemerktem in sich schließen. Zuerst, so wird man vielleicht sagen, sei hervorgehoben, daß neben den aus dem Eigennutz abgeleiteten Gesetzen auch solche zu beachten seien, die anderen Motiven entsprängen, und Gesetze letzterer Art voraussichtlich sogar mehr und mehr in den Vordergrund treten würden. Später aber sei gerade für die neuere Zeit und die Zukunft eine Befestigung jener auf Eigennutz basierten Gesetze angenommen und dies daraus hergeleitet, daß eben letzterer Faktor bei zunehmendem Großverkehrt immer mehr zur Herrschaft gelangen müsse. Ein Widerspruch ist das indessen nicht. Neben den Gesetzen des Eigennutzes sind bisher hier zweierlei Gesetze berührt. Und sie allein kommen in Betracht, da sie allein es mit jener Macht wirtschaftlicher Zusammenhänge zu tun haben, die Grundlage wirtschaftlicher Gesetze ist. Die einen, die (wie mit den Worten von ARISTOTELES gesagt ist) aus Empfindungen "entgeltender" Gerechtigkeit hervorgehen und eine angemessene Gegenleistung nach dem Verhältnis von Wert und Kosten zum Ziel haben, werden zum Teil an die Stelle dessen treten, was die klassische Nationalökonomie als die natürliche und gerechte Preisgestaltung zu bezeichnen liebte, und zwar voraussichtlich desto mehr, je mehr es erstens der öffentlichen Ordnung gelingt auf manchen Gebieten frei waltendem Eigennutz wieder Zügel anzulegen, je mehr Staat und Gemeinde ferner z. B. durch die Übernahme großer Verkehrsanstalten selbst als Wirtschafter auftreten, und je mehr endlich und namentlich in "geschlossenen Personenkreisen", Verbänden, Genossenschaften usw. unter Vereinigung entgegenstehender Interessen Preisgestaltungen dauernder Art Platz greifen, die fluktuierendem Eigennutz den Boden entziehen. Indessen in noch höherem Maße dürfte sich auf Kosten des letzteren das Herrschaftsgebiet jener dritten Kategorie von Gesetzen ausdehnen, die auf die Forderungen "austeilender" Gerechtigkeit begründet, Leistung und Leistungsfähigkeit in Harmonie zu setzen tendieren. Denn mit jener Steigerung der aus dem Eigennutz drohenden Gefahren, die sich, wie wir sahen, aus einer fortschreitenden Verflechtung der wirtschaftlichen Interessen und einer damit zusammenhängenden Verschärfung des Gegensatzes von Groß und Klein, Reich und Arm ergeben muß, wird bei fortschreitender Einsicht und fortschreitendem Einfluß der minder begüterten Klassen immer mehr auch das Bedürfnis zutage treten, wichtige Kulturmittel der Zeit, die bisher nur nach jenem Verhältnis von Leistung und Gegenleistung oder gar nur zu jenen sogenannten "natürlichen" d. h. aus dem wirtschaftlichen Übergewicht der einen über die anderen hervorgehenden Preisen zu erringen waren, zu "öffentlichen" in dem Sinn machen, daß statt eben dieser Verhältnisse ebenso wie anderen Objekten öffentlichen Interesses gegenüber jene Pflichten entscheiden, die der Wohlhabende dem minder Begüterten gegenüber insbesondere in Fällen der Bedrängnis zu beachten hat. Unentgeltlicher Elementarunterricht und unentgeltliche Lehrmittel wie unentgeltliche Fortbildungsschulen anderer Art, unentgeltliche Lesesäle und Bibliotheken, unentgeltliche kirchliche Leistungen und unentgeltliche sanitäre Fürsorge, aus Staats- oder Gemeindekassen gewährte Zuschüsse zur Invaliden- und Altersversicherung und ein unentgeltliches Begräbnis - all das erscheint ja im Grunde nur als Vorläufer einer in mancher Beziehung gefährlichen, aber im Grunde gebotenen und in gewissen Schranken dem allgemeinen Wohl förderlichen Versorgung der Gesamtheit durch die Gesamtheit nach jenen Grundsätzen "austeilender" Gerechtigkeit. (33) Indessen selbst bei der Art immer weiterer Beschränkung des dem Eigennutz unterstellten Gebietes wird letzteres ansich ein großes bleiben. Und auf demselben wird jene Herrschaft des Eigennutzes mit der immer weiteren Verflechtung wirtschaftlicher Interessen und der hieraus hervorgehenden Steigerung der Macht wirtschaftlicher Zusammenhänge sich in gewissem Sinne noch immer mehr befestigen, so daß die hieraus sich ergebenden Gesetze allem Erwarten nach noch lange die Basis bleiben werden, auf die gestützt es wirtschaftlicher Einsicht gelingen kann, die Zukunft zu beherrschen: kommende Dinge vorauszusehen und drohenden Gefahren die Spitze zu bieten.- Will man aber anstelle jener den Schriften von ARISTOTELES entlehnten Ausdrücke der alten Zeit solche treten lassen, die speziell auf dem hier in Rede stehenden wirtschaftlichen Gebiet den Bedürfnissen der Gegenwart entsprechen, und will jene drei Kategorien von Gesetzen zugleich logisch der Art gliedern, daß sich ergibt, weshalb sie vorzugsweise in Frage kommen, so dürfte Folgendes zu beachten sein.
(II) Andererseits ist es Pflicht, diesem Eigennutz und den nach der Macht wirtschaftlicher Zusammenhänge aus ihm sich ergebenden Konsequenzen Schranken zu setzen. Und dieser mit der Größe der oben berührten Gefahren, wie leicht erklärlich, immer mehr sich befestigenden Tendenz wird entsprochen teils durch Beschränkung zum Zweck eines gerechten Interessenausgleichs, also nach den Grundsätzen jener sogenannten entgeltenden Gerechtigkeit den Interessen Dritter gegenüber, teils durch eine Beschränkung anderer Art, d. h. ohne Rücksicht auf eine solche Interessenwahrung, aus Empfindungen jener Pflicht, die man insbesondere Bedrängten gegenüber hat. Und eben daher nun jene zweifachen Gesetzen neben denen des Eigennutzes
2) Aus jenen Gefühlen der Pflicht Andern gegenüber aber entstehen die oben mit den Empfindungen "distributiver Gerechtigkeit" in Beziehung gebrachten Gesetze gerechter Interessenbeschränkung, die man, da sie vorzugsweise aus Rücksichten öffentlicher Art im eigentlichen Sinn dieses Wort Platz greifen, auch wohl als "Gesetze öffentlicher Interessenbeschränkung" bezeichnen könnte, und die wir heute vorzugsweise im Staatssteuerwesen Platz greifen sehen, nachdem sie (wie an einem anderen Ort zu zeigen versucht ist) aus anderen Gebieten z. B. jenem der ärtzlichen Gebührentaxen, Zahlungen zur öffentlichen Brandversicherung etc. zum Teil aus wohl berechtigten Gründen mehr und mehr verdrängt worden sind. -
1) Vgl. HELMHOLTZ, Über das Verhältnis der Naturwissenschaften zur Gesamtheit der Wissenschaft, Vorträge und Reden, Bd. 1, Braunschweig 1896, Seite 130 2) Über Einwendungen, die sich hiergegen erheben lassen, vgl. oben 3) CAIRNES, Method of political economy, Seite 78f. Daß in mancher Beziehung auch CAIRNES zu weit geht ist weiter oben berührt. Vgl. auch KNIES, Politische Ökonomie, 1885, Seite 500. 4) CAIRNES selbst nimmt auf MacLEOD und JENNINGS (Normal elements of political economy) Bezug, hätte sich aber auch z. B. auf COURNOT, JOHN STUART MILL, GOSSEN, und CHERBULIEZ beziehen können. [...] 5) Vgl. MENGER, Die Methode der Sozialwissenschaften und der politischen Ökonomie, 1833, Seite 33f. 6) Vgl. auch SCHMOLLER, der aber in seinen Konzessionen MENGER gegenüber wohl zu weit geht, wenn er sagt: Darin hat er (MENGER) Recht; hat man die einfachen Elemente einer Wissenschaft, dann ist alles andere verhältnismäßig leicht ... Aber diese einfachen Elemente ... sind in keiner Wissenschaft vom menschlichen Denken, Fühlen und Handeln schon so untersucht und klargestellt, daß man aus ihnen nur zu schließen braucht ... deshalb haben alle tieferen wissenschaftlichen Anläufe seit 50 Jahren ... nach einer verbesserten psychologischen Grundlage der Nationalökonomie gesucht. Dieses Suchen war nur deshalb (?) bis jetzt so wenig fruchtbringend, weil die Betreffenden ... nicht wagten, sich an die Quelle, d. h. an die wissenschaftliche Psychologie sich zu wenden." Bezweifelt muß werden, ob selbst das erfolgreichste Studium letzterer Wissenschaft uns zu jenen Elementen derart führen könnte, daß wir mit ihnen rechnen und zu exakten Gesetzen gelangen könnten. Viele die sich dieser Annahme zuneigen, denken dabei weniger an ein Rechnen mit den bezüglichen Ursachen und den aus ihnen sich ergebenden Folgen (Tendenzen), als an ein Rechnen mit manchen Symptomen (Preisen, Werten usw.), in denen sich jene beiden Dinge ihrerseits äußern. 7) Auf einzelne angeblich "exakte Gesetze" einzugehen würde hier zu weit führen. MENGER versichert, daß es leicht zu zeigen wäre, daß "in zahllosen anderen Fällen" die exakten Gesetze von den analogen empirischen schon in der äußeren Form Verschiedenheiten aufweisen" ... (Seite 58), ist indessen in der speziellen Bezeichnung einzelner solcher exakten Gesetze zurückhaltend. Was er als einzelnes Beispiel jenen Worten direkt vorangehen läßt, ist Folgendes: Es erscheint ihm als empirisches Gesetz, daß auf eine Steigerung des Bedarfs eine solche der realen Preise tatsächlich der Regel nach folge, dagegen als exaktes Gesetz, daß "unter bestimmten Voraussetzungen einer dem Maß nach bestimmten Steigerung des Bedarfs eine dem Maß nach genau bestimmte Steigerung der Preise folgen müsse." Indessen tritt doch eine "Steigerung des Bedarfs" nach üblicher Auffassung auch z. B. dann ein, wenn etwas "intensiver" als bisher begehrt wird. Und die Steigerung von Empfindungen dieser Art entzieht sich eben der Messung. Für sie gibt es keine Einheit, also auch kein Maß und keinen Zahlenausdruck. Wie man nicht eindreiviertelmal höflicher oder liebenswürdiger geworden sein kann, ebensowenig kann sich jemandes Begehr nach einem Ding eindreiachtelmal intensiver gestaltet haben als bisher. Das sollte man doch endlich einmal einsehen. 8) Hierin dürfte SCHMOLLER beizustimmen sein, wenn er sagt: "Es gehört - nach meiner subjektiven Empfindung - eine ganz weltflüchtige, stubengelehrte Naivität dazu, im Ausgehen von den menschlichen Bedürfnissen oder vom Erwerbstrieb oder vom Eigennutz letzte einfache Elemente im wissenschaftlichen Sinn zu sehen." (Jahrbuch 1883, Seite 243, Zur Methodologie der Staatswissenschaften) 9) Bezüglich dieses Widerspruchs und mancher anderer sei es dem Verfasser gestattet, auf seine Kritik MENGERscher Anschauungen in seinen "Grundlagen der Volkswirtschaftslehre, 1888, Seite 49 und in der Lehre von den Grundbegriffen (Tübinger Handbuch, 3. Auflage, 1890, Seite 148f) zu verweisen. 10) Bei alledem seien auch die guten Seiten der MENGERschen Ausführungen hervorgehoben: Nicht nur betont er richtig manche Einseitigkeit historisch-realistischer Richtung (vgl. z. B. Seite 108f, a. a. O.), sondern gibt auch, abgesehen von Schwächen wie den berührten und abgesehen namentlich von hie und da sehr lästiger Breite der Ausführung (bei der anstelle zutreffender Gründe nicht selten endlose Wiederholungen treten) manche Anregung und insbesondere einen zur ersten Einführung in diese schwierigen Dinge wohl geeigneten Überblick. In den Vorwürfen gegen jene historische Richtung geht er freilich viel zu weit. Aber eben das erklärt sich zum Teil aus jenem Irrtum bezüglich der Existenz exakter Gesetze. 11) Allerdings vermag man für einen großen Teil dieser Gesetze, wie zu zeigen versucht ist, einen approximativ zutreffenden Zahlenausdruck zu finden. Und bei andern ist wenigstens die Hoffnung nicht ausgeschlossen, daß man zum letzteren Ziel oder sogar zu jenem genauen numerischen Ausdrucks gelangen könne, während den hier in Rede stehenden Dingen gegenüber auf diese und jene Hoffnung verzichtet werden muß, wie das gerade in der deutschen Literatur oft hervorgehoben ist. So gegenüüber der sogenannten "mathematischen Richtung" namentlich von KNIES (Politische Ökonomie vom geschichtlichen Standpunkt II, 1883, Seite 500) und RÜMELIN a. a. O. 12) Weiteres in jenen Grundlagen (1889), Seite 11f. Bei den üblichen anderen Definitionen von Wirtschaft muß man allerdings zu anderen Resultaten kommen. Aber gerade der vorliegende Fall dürfte zeigen, wie wichtig es ist, sich über Grundbegriffe der hier in Rede stehenden Art klar zu werden oder dies doch zu versuchen, wozu vor allem gehört, daß man prüft, was in diesen Dingen entscheidet, wie weit der Sprachgebrauch Norm ist, und wie weit das Interesse der Wissenschaft, der gegenüber jene Begriffe Mittel des Verständnisses, Bausteine des Wissens sein sollen. 13) Hierauf, auf die Frage nach der Gliederung der Wissenschaft und einige schwer zu qualifizierende neuere Angriffe bezüglich der vom Verfasser im Wesentlichen schon seit 1872 vertretenen Auffassungen von subjektivem und objektivem Wert, die er jetzt sogar den von ihm mißachteten Lehren vom Grenzwert, Seltenheitswert usw. entnommen haben soll, gehe ich an einem anderen Ort näher ein. 14) Die exakte Forschung führt die realen Erscheinungen auf ihre einfachsten, streng typisch gedachten Elemente zurück ... Die Erscheinungsformen, mit denen sie operiert, sind indessen nicht nur im Hinblick auf räumliche, sondern auch auf zeitliche Verhältnisse streng typisch gedacht". (Seite 115) 15) Vgl. zum Beispiel Seite 29 a. a. O. "Historische Erkenntnisse können ... stets nur das Material sein, aufgrund dessen wir Gesetze der Erscheinungen (z. B. Entwicklungsgesetze der Volkswirtschaft) festzustellen vermögen." Auch bezüglich der von MENGER angenommenen "einfachsten" und "streng typisch gedachten" Elemente" lesen wir übrigens Seite 41: Sie (die Theorie) sucht die einfachsten Elemente alles Realen zu ergründen ... Sie strebt nach der Feststellung dieser Elemente auf dem Weg einer nur zum Teil empirisch-realistischen Analyse etc. 16) Vgl. namentlich: Irrtümer des Historizismus, 1884, Seite 12f. Vorsichtiger: Methode der Sozialwissenschaften, Seite 5f. Doch finden sich auch dort solche Äußerungen wie z. B. Seite 18: Das Verständnis der konkreten Erscheinungen der Volkswirtschaft durch die Theorie ... "all dies sind vielmehr Aufgaben des Historikers" (weshalb denn nicht auch des Nationalökonomen, der gerade durch Erweiterung solchen Verständnisses der Theorie dienen, diese fördern kann?!). 17) MENGER selbst scheint dies übrigens zu fühlen, indem er hie und da wesentliche Einschränkungen eintreten läßt, z. B. Seite 24: - indessen doch in jedem Fall eine ganz bestimmte Grenze (bei MENGER selbst gesperrt), "wie eine solche zwischen Wissenschaften eben zu bestehen vermag." Ob aber eine ganz bestimmte Grenze dazu bestehen vermag - das ja gerade die Frage. 18) Vgl. zu diesen Fragen auch die Schriften DIETRICH SCHÄFERs: Das Arbeitsgebiet der Geschichte, 1888, und Geschichte und Kulturgeschichte, eine Erwiderung, 1891 (inbesondere Seite 20f) 19) Daß die Geschichte solchen Anforderungen in vielen Fällen auch gar nicht zu entsprechen vermöchte und in Gefahr käme, ihr selber gestellte wichtigere Aufgaben darüber zu vernachlässigen - darüber trefflich SCHÄFER a. a. O. 20) Man denke an die schon berührte historische Tatsache, daß überbürdete kleine Staaten und Gemeinden die Steuerprogression regelmäßig eher bei sich heimisch gemacht haben als wenig belastete große, daß in vielen Gemeinden Haushaltungen mit großer Familie contra legem niedriger besteuert wurden und werden als andere usw. Wie sehr hat gerade die Beobachtung solcher Tatsachen beigetragen, eine "theoretische" Vertiefung zu fördern, und wie sehr hat eben die letztere wieder dazu gedient, das Auge für jene Beobachtung "konkreter Tatsachen" zu schärfen, die dem Geschichtsschreibe in vielen Fällen gar nicht zugemutet werden darf. Danach ist dann auch unerheblich der hie und da erhobene Einwand, daß, wenn "histiorische" Forschungen dieser Art zugleich theoretische sein sollen, ihre Ergebnisse direkt zur Bereicherung der Theorie Verwendung finden müßten. Derartiges ist hier ebensowenig Erfordernis, wie in den Naturwissenschaften. Wer sich z. B. der "mathematischen Physik" widmet, muß um Erfolg zu haben selbst "Experimentalphysiker" sein (obwohl "mathematische" und Experimentalphysik doch verschiedene Disziplinen sind). Und nicht selten wird, was Jener an "Material" gefunden hat, erst in viel späterer Zeit von ihm oder aber von Anderen nutzbar gemacht. Trotzdem ist "mathematischer Physiker", wer zum Nutzen dieser jenes Beobachtungs material sammelt. Ja, es ist wohl kaum irgendjemandem eingefallen dies in Zweifel zu ziehen. 21) Wären die Methoden entscheidend, so hätte MENGER auch in der anderen Annahme Recht, daß Wirtschafts theorie und Wirtschafts politik durchaus zu scheidende Dinge sind. Indessen dem Interesse unserer Erkenntnis scheint es nach jetzigem Stand derselben mehr zu entsprechen, daß man die Lehre z. B. von der Theorie des Preises zugleich mit der Frage behandelt, ob und welche Maßnahmen der Staat bezüglich der Preisgestaltung zu ergreifen haben möchte, daß man ebenso die Lehre von der Theorie und volkswirtschaftlichen Bedeutung der Eisenbahnen und Kanäle oder die Lehre von der Theorie und volkswirtschaftlichen Bedeutung des Geldes, der Münzen, Noten usw. mit der Lehre vom besten Verhalten des Staates allen diesen Dingen gegenüber verbindet. Und ganz dasselbe gilt namentlich von Objekten der Finanzwissenschaft, die keineswegs, wie Fanatiker der "Methode" annehmen, bloß "Kunstlehre" sein darf, weil sie "Kunstlehre" ist. Gerade die gemeinsame Behandlung jener Objekte auf historisch- statistischem Weg und von einem rechtlichen und politischen Standpunkt aus sichert, wie die Erfahrung bestätigt hat, am besten den Erfolg. Und wenn MENGER, indem er "zwei Grundrichtungen theoretischer Forschung" von anderen Forschungen zu isolieren unternimmt, sich dem Glauben hingibt, daß seine Untersuchungen, wie er selber bemerkt, "in mehr als einer Rücksicht ein helles Licht auf die erkenntnistheoretischen Probleme unserer Wissenschaft werfen" (Methode der Sozialwissenschaft, Seite 32), so dürfte dies in der hier in Rede stehenden Beziehung ebenso ein Irrtum sein, wie bezüglich der von ihm versuchten Verteidigung "exakter Gesetze" und "exakter Theorie" neben den überkommenen. Weiteres vorbehalten. 22) Auf die Geschichte des Begriffs eines sozialen Gesetzes gebe ich an einem anderen Ort ein. Eine Übersicht bei RUDOLF EUCKEN: Geschichte und Kritik der Grundbegriffe der Gegenwart, 1. Auflage 1878 (vgl. namentlich Seite 115f), 2. Auflage 1892. Vgl. auch RÜMELIN, a. a. O. (1881) Seite 118f und GIDE, Principes, 1889, Seite 15. 23) "Wirtschaftliche Gesetze" immer im Sinn von volkswirtschaftlich. 24) Anders jene Verfechter exakter Gesetze, unter denen wohl JEVONS obenansteht. 25) Weiteres gegenüber manchen anderen Auffassungen des Begriffs der Wirtschaft in meinen "Grundlagen der Volkswirtschaft", 1889, Seite 11f 26) Über diese Vorgänge selbst und den Begriff des öffentlichen Interesses habe ich mich in dem Werk "Die Steuer und das öffentliche Interesse", 1888, verbreitet. 27) Der Einfluß jener Gewöhnung und der aus dieser sich ergebenden Vorstellung von der Angemessenheit der bezüglichen Vorgänge läßt sich kaum besser schildern als in BELLAMYs Worten, der die heutige Gesellschaft mit einer riesenhaften Kutsche vergleicht, vor welche die Massen durch den Hunger gespannt sind. "Die Decksitze waren und luftig und angenehm ... und der Mitbewerb um dieselben war sehr hitzig, da jeder es als seine erste Lebensaufgabe betrachtete, einen Sitz auf dem Wagen für sich selbst zu erlangen und ihn seinem Kind zu hinterlassen .. Wenn man aber fragt: ob nicht ihr Luxus ihnen selber dadurch unerträglich geworden wäre, daß sie ihn mit dem Los ihrer Brüder und Schwestern verglichen, die an den Wagen gespannt waren" usw., so müsse man zwei Tatsachen erwägen, die diese Abgestumpftheit zum Teil erklären. "Erstens wurde fest und aufrichtig geglaubt, daß es keine andere Weise gäbe, in welcher die Gesellschaft vorwärts komme." Und sodann bestand bei den auf dem Verdeck des Wagens Befindlichen regelmäßig die "sonderbare Einbildung", daß sie "ihren Brüdern und Schwestern, welche am Strick zogen, nicht genau glichen, sondern aus feinerem Ton wären und gewissermaßen zu einer höheren Klasse von Wesen gehörten, welche mit Recht erwarten dürfte, gezogen zu werden. Das sonderbarste bei dieser Einbildung war, daß diejenigen, welche soeben erst vom Boden zu einem Sitz aufgeklettert waren, davon ergriffen wurden ... diejenigen aber, deren Eltern und Großeltern bereits so glücklich gewesen waren, ihre Sitze auf dem Wagen zu behaupten, waren fest überzeugt, daß ein wesentlicher Unterschied zwischen ihrer Art des Menschentums und dem gemeinen Artikel bestände. (EDWARD BELLAMY. Looking Backward, deutsch von Gizicki, Kap. 1). 28) Hierüber vgl. MAINE "Village Communities", Lektion VI, Early history of price, Seite 175f, worauf BRENTANO Bezug nimmt, auch BRENTANO selber (Klassische Nationalökonomie, Vortrag von 1888, Seite 20). Letzteren namentlich bezüglich des Fortschreitens des "Handelsgeistes" in England, z. B. in der Landwirtschaft seit dem 18. Jahrhundert. Was MAINE von Indien mitteilt, daß sich ein "Unterschied zwischen dem Handel unter den Dorfgenossen und dem mit Fremden" erhalten habe, ist auch in Deutschland durchaus nicht selten und z. B. in Schwaben noch zu finden. 29) Über erfolgreichen Sozialismus vgl. NORDHOFF, Communistic societies, 1875 30) Zu jenen Zusammenhängen zählen natürlich auch aus der Rechts ordnung sich ergebende. [...] 31) Wonach wirtschaftliches Gesetz im eigentlichen Sinn also: der Ausdruck für eine infolge der Macht wirtschaftlicher Zusammenhänge aus gewissen Motiven sich ergebende regelmäßige Wiederkehr wirtschaftlicher Tendenzen ist. 32) Daß zwischen diesen "wirklichen" und den "wirklichen" der Naturwissenschaften unterschieden werden muß, ist oben bereits berührt. 33) Weiteres in meinem Aufsatz "Gestaltung des Preises", 1890, Seite 252f. Vgl. auch z. B. PAULSEN, Ethik, Seite 743f. |