G. CasselR. LiefmannW. Sombart | ||||
Wertfreie Sozialökonomik
Diesem Mangel scheint nun neuerdings eine Abhilfe entstanden zu sein. Es sind in den letzten Jahren nicht weniger als sieben kleinere bzw. größere Lehrbücher oder Grundrisse der allgemeinen Volkswirtschaftslehre erschienen. Sie unternehmen es in verschiedener Absicht und von verschiedenen Ausgangspunkten, den Stoff zu meistern und in ihrer Art darzustellen. Es sind GRUNTZEL, "Grundbegriffe"; SCHWIEDLAND, LIEFMANN, WICKSELL, GELESNOFF, CASSEL; dazu von WIESER im "Grundriß der Sozialökonomik". Über LIEFMANNs großes Werk, welches das ganze System auf einer neuen Grundlage aufzubauen versucht, wird an dieser Stelle noch ausführlich zu sprechen sein, nachdem es sowohl begeisterte Zustimmung wie zum Teil eine vernichtende Ablehnung (von ESSLEN und AMONN) erfahren hat. Über GRUNTZEL und SCHWIEDLAND an dieser Stelle zu berichten, liegt kaum ein besonderer Anlaß vor, da beide höheren wissenschaftlichen Ansprüchen nur wenig entsprechen. Die Darstellung von WIESER ist darum wichtig und interessant, weil sie es zum ersten Mal in Deutschland unternimmt, vom Standpunkt der österreichischen Schule das Ganze der Volkswirtschaft zu erfassen. Seite dem Torso von MENGER aus dem Jahr 1871 war das nicht mehr der Fall, wenn auch SCHUMPETER die Hauptprobleme der Theorie in seinen beiden Werken behandelt hat. Ob der Versuch WIESERs wohl als gelungen zu betrachten ist? Ich glaube kaum. Er ist dazu nicht nur für die Studierenden viel zu schwer und abstrakt. Er bringt auch als systematische Darstellung keineswegs eine befriedigende Lösung. Vor allem gibt gerade WIESERs Darstellung kein adäquates und anschauliches Bild des modernen Wirtschaftssystems sowie des Ineinandergreifens der Elementarvorgänge. Vergebens wird man die Theorie der modernen Verkehrswirtschaft in diesem System wiederzuerkennen vermögen, abgesehen davon, daß einzelne Teile sehr ungleich behandelt sind. Dabei enthalten manche Ausführungen allerdings sehr viele logische und formelle Feinheiten, sie helfen aber doch über die Hauptmängel nicht hinweg. Wenn dies das letzte Wort der österreichischen Schule darstellen soll, so hat sie versagt, und man hat nicht ohne Grund von ihrem Bankrott gesprochen. So ist es das Eigentümliche, daß in Deutschland Werke auswärtiger Forschung eine Übersetzung und auch Nachfrage gefunden haben, weil tatsächlich ein Bedürfnis nach neuen Darstellungen des ganzen Systems vorhanden ist. Es sind WICKSELLs (in Lund) "Vorlesungen über Nationalökonoimie auf Grundlage des Marginalprinzips"; es ist GELESNOFFs (in Moskau) "Grundzüge der Volkswirtschaftslehre"; schließlich die jüngst erschienene "Theoretische Sozialökonomie" CASSELs, die als zweite Abteilung des von POHLE und CASSEL herausgegebenen Lehrbuchs der allgemeinen Volkswirtschaftslehre vom Professor der Universität Stockholm verfaßt ist. Erfüllen nun diese Werke ihren Zweck und werden sie das Bedürfnis nach einer zusammenfassenden Darstellung des Systems befriedigen? Von den Vorlesungen WICKSELLs wird man das am allerwenigsten sagen dürfen. Nach den früheren Untersuchungen des Verfassers über "Wert, Kapital und Rente" sowie über "Kapitalzins und Güterpreise", von denen die letztere das Problem der Quantitätslehre sehr vertiefte, wird man vom neueren Werk einigermaßen enttäuscht sein. Es enthält formell die Lehre von der Bevölkerung, die Wertlehre, die Produktions- und Verteilungslehre, sowie die der Kapitalbildung, die Geld- und Kreditlehre steht noch aus. Aber der vorliegende erste Band läßt doch ein Urteil darüber zu, daß dem Verfasser die Aufgabe im ganzen nicht gelungen ist. Was vor allem fehlt, ist ein erkennbarer organischer Zusammenhang der einzelnen Teile und die Aufzeigung des volkswirtschaftlichen Prozesses als einer Einheit. Darüber hilft die durchgehend mathematische Behandlung des Stoffes nicht hinweg. Sie verwendet allenthalben das Grenzprinzip THÜNENs und der Österreicher als methodologisches Hilfsmittel der Beweisführung. Aber die einheitliche Methode des Marginalprinzips vermag in keiner Weise die Einheit eines Gesamtaufbaus der Volkswirtschaft zu ersetzen, so geistvoll sich auch mancher Ansatz wohl gibt. Die Erörterungen führen an die eigentlich modernen Probleme kaum heran. Die Lehre der Bevölkerung ist ein Lieblingsthema des Verfassers, das er ganz im Sinne von MALTHUS zu beantworten unternimmt, aber der Beweis ist sehr dürftig und geht auf die Frage des Lebensunterhaltes überhaupt nicht ein. Die Lehre von der Produktion wird im ganzen Werk nicht behandelt. Nur die eine Seite des Bevölkerungsproblems - noch dazu mit so dürftigem Material - und die andere gar nicht zu behandeln, hat doch wenig Zweck. In den übrigen Ausführungen schließt er sich in der Hauptsache eng an BÖHM-BAWERK an, ohne doch die Theorie der Grundrente und des Arbeitslohns ganz darauf aufbauen zu können. Die langen mathematischen Auseinandersetzungen können über die völlige Anschauungsleere des Ganzen nicht gut hinweghelfen. Vor allem ersieht man nicht deutlich, mit welcher Wirtschaft man es eigentlich zu tun hat. Ob mit der "reinen Ökonomie" von WALRAS oder mit der modernen Verkehrswirtschaft. Die vereinfachten Schemata passen auf letztere in keiner Weise. Die Ableitung des Verteilungsproblems in der "kapitallosen Wirtschaft" beruth zudem auf einer logisch nicht zulässigen Annahme, auf einer petitio principii [es wird vorausgesetzt, was erst zu beweisen ist - wp], die einen Widerspruch in sich enthält: nämlich auf dem Begriff eines funktionslosen "Kapitals". Die theoretischen Voraussetzungen entfernen sich durchgehend so stark von der Wirklichkeit (Tausch von nur ein oder zwei Waren auf dem Markt), daß ein Zurückfinden zu ihr nur schwer möglich ist. WICKSELL selbst zumindest hat es kaum versucht. Die Schwierigkeit beginnt gerade dort, wo seine Betrachtungen aufhören, wo z. B. eine Vielheit von Waren und ein Geldverkehr auf dem Markt auftreten. Das Problem der Kapitalbildung schließlich, das ebenso wie das der Bevölkerungslehre in die Dynamik gehört, erfährt nur eine recht dürftige Behandlung. Das ganze Werk hinterläßt in der jetzigen Form einen unbefriedigenden Eindruck und den einer methodologischen Verwilderung trotz de mathematischen Gewandes, in das es sich hüllt. Anders das Buch von GELESNOFF. Aus Vorlesungen vor einem Kreis älterer Hörer entstanden, ist es vorwiegend als volkswirtschaftliches Lesebuch zu betrachten. Es ist tatsächlicn der der Übersetzung recht gut und behandelt eine Menge Probleme der Theorie wie der Sozialpolitik. Im ganzen auf gemäßigt marxistischem Standpunkt stehend, bringt der Verfasser durchgehend auch abweichende Ansichten zur Geltung. Er benutzt die französische und englische, besonders aber auch die deutsche Literatur im umfassenden Maß und ist in ihrer Verwendung von großer Objektivität und Unbefangenheit. Aber der Titel wird nun der Darstellung keineswegs ganz gerecht. Es sind nichts weniger als "Grundsätze", die er bietet. GELESNOFF behandelt unter anderem Verkehrswesen und Handel besonders ausführlich; sodann die Arbeiterfrage, die verschiedenen Gewerbesysteme, Wohnungswesen, soziale Gesetzgebung und Sozialreform: die innere Notwendigkeit dieser Behandlung leuchtet immer ein. Oft wird der theoretische Gedankengang durch diese speziellen Darlegungen unterbrochen, indem historische und politische Ausführungen von größerem Umfang eingeschoben werden. Darüber kommt der eigentlich theoretische Teil wesentlich zu kurz. Vor allem stehen die einzelnen Lehren über Kapital, Arbeitsteilung, über Wert und Preis, über Arbeitslohn und Kapitalzins etwas unvermittelt nebeneinander. Nicht nur, daß sie nicht aus einem letzten Prinzip erklärt werden, ist bedenklich. Vielmehr, daß man nicht recht sieht, wie denn das ganze System der modernen Wissenschaft eigentlich funktioniert: wie die Teile zusammengehalten werden und eine innerliche Einheit bilden. Kurz, man erhält keinen vollen Einblick in den volkswirtschaftlichen Gesamtprozeß. GELESNOFF gibt bei der Darstellung der einzelnen Lehren dankenswerterweise auch die hervorragendsten Theorien eingehend wieder. Vor allem die subjektive Wertlehre findet eine eingehende Würdigung, ebenso die verschiedenen Zins- und Grundrententheorien. Dafür ist nun die eigene Stellungnahme, die zumeist an MARX anknüpft und ihn vorwiegend zur Geltung bringt, keineswegs eine ganz bestimmte. Hinzukommen dann ausführliche Einschübe und Exkurse über praktische Probleme, die den Gang der Betrachtung auf weite Strecken unterbrechen und von einer einheitlichen Auffassung wieder wegführen. Vom Standpunkt eines systematischen Lehrbuches sind das gewiß Mängel, die in der Eigenart des Verfassers begründet sind. Aber es sind doch auf der anderen Seite wieder Vorzüge, indem die Wirklichkeit des Lebens dadurch erfaßt wird und sich mannigfache Ein- und Ausblicke auf dem Nachbargebiet eröffnen. Jedenfalls zeichnet sich das Werk durch eine Vielseitigkeit der Gesichtspunkte vor manch anderem vorteilhaft aus. Gerade auch wegen der mehr eklektischen Art der Behandlung kann man das Werk den Studierenden und Nichtfachleuten als Einführung und Lesebuch wärmstens empfehlen. Der Leser bekommt ein Verständnis für die hauptsächlichsten Theorien, für wesentliche Probleme der Wirtschafts- und Sozialpolitik, dazu eingehende Kenntnisse und Einblicke in die neue Literatur, ohne schon nach einer bestimmten Seite gebunden zu werden. Offenbar aber entspricht GELESNOFF nicht den Ansprüchen, die man an eine geschlossene Darstellung des Systems stellen könnte. 2. Vielleicht vermöchte dem nun das dritte von einem ausländischen Verfasser herrührende Lehrbuch zu genügen? Die beiden Herausgeber POHLE und CASSEL haben eine Arbeitsteilung derart vorgenommen, daß der Deutsche den entwicklungsgeschichtlich-soziologischen Teil übernommen hat, während CASSEL die eigentlich theoretische Sozialökonomie bearbeitete. Dieser zweite Band liegt nunmehr vor. Ein Urteil über das Ganze wird sich erst abgeben lassen, wenn auch der von POHLE bearbeitete Band erschienen ist. Dann wird sich erst sagen lassen, ob man wirklich ein vollständiges Lehrbuch der allgemeinen Volkswirtschaftslehre vor sich hat. Nach dem vorliegenden Band ist das stark zu bezweifeln. Freilich eine Anerkennung wird man dem Verfasser von vornherein zugestehen: die Darstellung geht von einem einheitlichen Standpunkt aus und ist dadurch eigentlich fundiert. Ja, mehr noch - alle diejenigen Partien, die sich nicht dem Standpunkt unterordnen lassen, werden nicht behandelt. Das Ganze ist daher im Grunde nicht als "theoretische Sozialökonomie" zu bezeichnen, nicht als ein Versuch, ein ganzes System der modernen Verkehrswirtschaft zu geben, sondern mehr als eine Monographie über Preisbildung. Die Aufgabe einer systematischen Darstellung der Volkswirtschaft erscheint mir nicht erfüllt, oder sie war gar nicht beabsichtigt. Allerdings hat der Verfasser den Gegenstand von vornherein beschränkt, indem er erklärte, daß die Aufgabe der theoretischen Sozialökonomie sich in der Theorie der Preisbildung erschöpft. Einen Beweis für diese These hat er jedoch nicht versucht, vor allem nicht gezeigt, warum das ganze Produktionsproblem nicht in die theoretische Sozialökonomie gehört. Der Umstand, daß jenes Problem von den österreichischen Volkswirten ebenso wie von RICARDO und MARX gleichfalls nicht behandelt wird, ist noch kein Grund, es mit Stillschweigen zu übergehen. Auch der Umstand, daß sich für SCHUMPETER und AMONN Objekt und Inhalt der Volkswirtschaftslehre sich im Wert- und Verteilungsproblem erschöpfen, kann noch keinen Anlaß abgeben, die Fragestelle von vornherein zu beschränken. Es dürfte vielmehr künftig notwendig sein, den Gesamtinhalt der Volkswirtschaftslehre wieder zu umreißen. Sonst droht die Hauptsache, nämlich die Darstellung des Gesamtprozesses der Reichtumsbildung, ganz zu kurz zu kommen. Möglich, daß hier der erste Band von POHLE eine Ergänzung bringt. Wir können uns nur an das halten, was bisher vorliegt und nach der Ansicht des Verfassers den Inhalt der theoretischen Sozialökonomie bilden soll. CASSEL hatte bereits vor Jahren in zwei Aufsätzen "Grundriß einer elementaren Preislehre" und "Ausgangspunkt der theoretischen Ökonomie" einen Versuch in dieser Richtung unternommen. In seinem "Recht auf den vollen Arbeitsertrag" sowie der Schrift "Nature and Necessity of interest" hatte er sodann einige weitere Probleme behandelt. Inzwischen hat seine Auffassung eine wesentliche Vertiefung erfahren und ihn zu einer einheitlichen Darstellung der Lehre vom Preis geführt, die auch die Lehre vom Einkommen einschließt. Er faßt die Einkommensarten Zins, Grundrente und Arbeitslohn als "Preisbildung der Produktionsfaktoren" auf und läßt diese sich organisch der allgemeinen Theorie der Preisbildung anschließen. Nach einem allgemeinen Überblick über die Volkswirtschaftslehre, die das erste Buch bildet, macht das den umfangreichsten Teil des ganzen Werkes aus. Es folgt die andere Seite der Preisbildung, die "Lehre vom Geld" als drittes Buch; ihm schließt sich ein letztes über die "Theorie der Konjunkturbewegungen" an. 3. Welches ist nun der Ausgangspunkt CASSELs und worin beruth die Eigenheit seiner Theorie, daß es sich lohnt, etwas ausführlich auf das Unternehmen einzugehen? Das Eigentümliche in der besonderen Lehre CASSELs besteht kurz gesagt: einmal in der Entfernung jedes Wertbegriffs aus der theoretischen Sozialökonomik, sodann in der Ableitung der Preisbildung aus dem Prinzip der Knappheit. Die ganze alte sogenannte Wertlehre mit ihren unendlichen Wortstreitigkeiten und ihrer unfruchtbaren Scholastik gehört ihm zum auszumusternden Ballast der theoretischen Ökonomie. Es verdient bemerkt zu werden, daß, nachdem ein Menschenalter die Wertlehre die theoretische Sozialökonomik beherrscht hatte, nunmehr wieder der umgekehrt Weg beschritten zu werden scheint. Denn LIEFMANN wie auch SOMBART haben den Begriff des Wertes nicht mehr unter die Elementarbegriffe aufgenommen und ihn ausdrücklich als überflüssig bezeichnet. CASSEL nennt "wirtschaften diejenigen Tätigkeiten, die unter der Voraussetzung einer begrenzten Möglichkeit der Bedürfnisbefriedigung betrieben werden". Die Wirtschaft steht danach unter dem Prinzip der Knappheit: ihre ganze Aufgabe besteht darin, die nötige Übereinstimmung zwischen den Bedürfnissen und den Mitteln zu ihrer Befriedigung in möglichst vorteilhafter Weise auszuführen. Dies kann geschehen: entweder durch eine angemessene Begrenzung der Bedürfnisse selbst oder durch bestmöglichste Anwendung der zur Verfügung stehenden Mittel oder schließlich durch gesteigerte persönliche Leistungen. Die beiden ersteren fallen zusammen mit der Forderung der Wirtschaftlichkeit. Die theoretische Voraussetzung der Untersuchung bildet die geschlossene und nach außen isolierte Wirtschaft. Dabei gehören die Dienste, das sind neben persönlichen Leistungen auch sachliche Nutzungen dauerhafter Güter, selbst zu den Gütern. Die Produktion hebt nun die Knappheit ansich nicht auf, sondern führt sie nur auf die Knappheit der Produktionsmittel zurück, deren es die bekannten drei gibt. Im Gegensatz zur stationären, bei der es nur auf die Aufrechterhaltung der Materialien, Halbfabrikate und Verbrauchsgüter ankommt, setzt die fortschreitende Wirtschaft voraus, daß gewisse Teile der Produktionsmittel zu einer stetigen Vermehrung des Realkapitals verwendet werden. Das heißt also: dieses letztere muß den sonst möglichen Bedürfnisbefriedigungen entzogen oder die persönlichen Leistungen müssen über das für die gegenwärtige Bedürfnisbefriedigung nötige Maß gesteigert werden. Man nennt eine solche Beschränkung sparen: sie beginnt mit der Vermehrung des Realkapitals. Diese Kapitalbildung ist mithin eine Bedingung für jede fortschreitende Wirtschaft; sie ist schon aus dem Grund der Bevölkerungszunahme unbedingt nötig. Nach den einleitenden Bemerkungen wendet sich CASSEL der Hauptfrage zu - nämlich der Bestimmung der Tauschwirtschaft, auf welcher die Gesetze der Preisbildung beruhen. Das Geld erscheint hierbei lediglich in seiner Funktion als gemeinsame Rechnungsskala für alle wirtschaftlichen Schätzungen: dafür bleibt es freilich unentbehrlich. Es sei ein verhängnisvoller Fehler, den die Anhänger der Grenznutzenlehre begehen, eine Tauschwirtschaft mit direktem Tausch ohne Geld anzunehmen. Eine solche gedachte "reine Tauschwirtschaft" bildet die Grundlage der subjektiven Wertlehre; sie sei dadurch in unvermeidliche Schwierigkeiten und unfruchtbare Auseinandersetzungen geraten. Denn dadurch werde sie veranlaßt, die Faktoren, welche den Güteraustausch regeln, unter Absehen vom Geld zu untersuchen. Sie konnte darum auch nicht die in Geld ausgedrückten Schätzungen der Güter zum Gegenstand der Untersuchung machen. Dem verdankt die Wortkasuistik der ganzen Schule ihren Ursprung. Sie mußte unklar und dehnbar bleiben und konnte niemals die Schärfe der arithmetisch ausgedrückten Größenbegriffe erlangen. Die bleibt allein der Geldrechnung vorbehalten. Für das praktisch-wirtschaftliche Handeln vollends kommt die Intensität der Bedürfniserfüllung nur soweit in Betracht, als sie in Geldschätzungen hervortritt. Auch die Wirtschaft kann die subjektiven Momente nur dann erfassen, wenn sie sich in solchen Geldschätzungen ausdrückt. Die theoretische Darstellung muß darum die sogenannte Wertlehre vollständig ausmustern und von Anfang an das Geld in Betracht ziehen. Sie muß also im wesentlichen eine Lehre der Preisbildung werden. Nach dem Prinzip der Knappheit hat die Preisbildung die ökonomische Aufgabe, die Ansprüche auf die Güter soweit zu beschränken, daß sie mit den zur Verfügung stehenden Mitteln befriedigt werden können. Das Prinzip der Knappheit besteht für die Tauschwirtschaft in der Notwendigkeit, die Konsumtion durch den Druck der Preisbildung in Übereinstimmung mit einer ansich knappen Güterversorgung zu bringen. Durch die Elastizität der Nachfrage ist das allenthalben möglich. Sie drückt sich, kurz gesagt, darin aus, daß die Steigerung der Preise einen Rückgang der Nachfrage veranlaßt und umgekehrt. Dabei ist es für die Wirtschaftslehre gleichgültig, warum sich die Nachfrge so oder so gestaltet. Es ist darum auch ganz überflüssig, wie es die Grenznutzenlehre tut, die Gestlatung der Nachfrage aus einem einzigen Prinzip ableiten zu wollen. Vielmehr mißt die Tauschwirtschaft die Wichtigkeit der verschiedenen Bedürfnisse nach der Geldsumme, die für ihre Befriedigung seitens der Kaufenden geboten wird. Auch die Produktionsmittel werden in der Richtung verwendet, wo sie die zahlungskräftigsten Bedürfnisse befriedigen. Sonach umfaßt der ganze Prozeß der Preisbildung gleichzeitig sowohl die elementaren Produktionsmittel (Boden, Kapital und Arbeit) wie auch die für den Konsum fertigen Produkte, dazu alle Güter auf den dazwischenliegenden Stadien des Produktionsprozesses. Die Preise der fertigen Produkte, die dem Gesamtpreis aller für ihre Herstellung in Anspruch genommenen Produktionsmittel entsprechen, sind ihre "Kosten". Sie stellen also einen rein tauschwirtschaftlichen Begriff dar - im Unterschied zum sonst üblichen Kostenbegriff. Es ist zudem auch ein rein objektiver Begriff (dagegen LIEFMANN!), eben als ein Ergebnis des Preisbildungsprozesses. Bei ihm ist nur die Knappheit des betreffenden Produktionsmittels eine wesentliche Voraussetzung. Die Produktionskosten haben keine selbständige Existenz, sondern werden von den Preisen der Produktionsmittel bestimmt, die ebenso wie die der Fertigprodukte durch den großen einheitlichen Preisbildungsprozeß festgestellt werden. Das "Kostenprinzip" besagt nur, daß jede Nachfrage die vollen Kosten ihrer Befriedigung trägt und jedes fertige Gut einen Preis bekommt, der seinen Produktionskosten entspricht. Der Gegensatz wäre das Gratisprinzip. Es stehen nun im Wirtschaftsleben alle unbekannten Faktoren zueinander in Abhängigkeit. Sie werden erst durch die Lösung des Preisbildungsproblems selbst gleichzeitig bestimmt. Methodologisch geht man indessen so vor, daß man die einzelnen Faktoren (somit auch Einkommen und Nachfrage) als gegeben annimmt und untersucht, unter welchen Bedingungen bei dieser Preislage die Nachfrage durch die Produktion gedeckt ist. Den Ausgangspunkt für das Studium der Tauschwirtschaft bildet sonach das Kostenprinzip. Es ist sozusagen jeder Art Tauschwirtschaft immanent, welche Form diese auch annehmen mag. Dazu gehört auch die sozialistische; als Gegensatz könnte wohl nur eine kommunistische Bedarfsdeckungswirtschaft gedacht werden, bei der es nicht gelten würde. Dieses Prinzip ist jedoch unter der Annahme der freien Konkurrenz keineswegs schon gewährleistet. Dazu müßte einmal die beliebige Beweglichkeit aller Produktionsmittel vorausgesetzt werden, also ihre mögliche Überführung in eine andere Produktion, sodann auch die Existenz des freien Marktes. Beides trifft nun aber unter modernen Verhältnissen mitnichten zu, z. B. nicht dort, wo die Betriebseinheit im Verhältnis zum Gesamtbedarf sehr groß ist. Ebensowenig besteht beim Arbeitslohn noch die Voraussetzung der freien Konkurrenz. Sie ist wesentlich unvereinbar mit der für die modernen wirtschaftlichen Verhältnisse sehr bedeutungsvollen Erscheinung der Überlegenheit des Großbetriebes. So rechtfertigt es sich für die Theorie, die ja die allgemeinen Erscheinungen zu erfassen hat, zum Ausgangspunkt nicht die freie Konkurrenz zu wählen. Vielmehr ist das Kostenprinzip gleichsam der Normalzustand jeder Tauschwirtschaft überhaupt, um den die wirkliche Preisbildung sich bewegt. Die Preisbildung aufgrund des Kostenprinzips befindet sich dabei in Übereinstimmung mit dem Prinzip der Knappheit und den viel supplementären Prinzipien der Preisbildung, wie dem Differentialprinzip, dem der sinkenden Durchschnittskosten und den anderen, die wir hier übergehen. Übrigens würde auch eine sozialistische Gesellschaft sich durchaus als Tauschwirtschaft mit Geldrechnung darstellen. Auch sie müßte die Preise nach dem Prinzip der Knappheit berechnen, weil sonst keine Übereinstimmung zwischen der Nachfrage und den zur Verfügung stehenden Quantitäten herzustellen wäre. Nach all dem genügt also das Prinzip der Knappheit an Produktionsmitteln vollständig, um den Mechanismus der Preisbildung eindeutig zu bestimmen. Denn seine Aufgabe besteht eben ein für allemal darin, die Nachfrage soweit zu beschränken, daß sie mit den zur Verfügung stehenden Gütermengen befriedigt werden kann. Die Bestimmungsgründe der Preise lassen sich nun in einem System von simultanen Lineargleichungen darstellen. Dabei wird man objektive und subjektive Bestimmungsgründe unterscheiden. Die ersteren werden gebildet durch die gegebene Knappheit der Produktionsmittel, die letzteren durch die Nachfrage, die sich selbst wieder als eine Funktion der Preise der gesamten Produktionsmittel darstellt. Es besteht demnach eine gegenseitige Abhängigkeit der Produktionskosten eines Gutes von der Nachfrage nach den übrigen Gütern; ebenso eine solche der Nachfrage nach einem Gut von den Preisen der übrigen. Die verschiedenen Einkommen der Mitglieder der Tauschwirtschaft werden selbst erst wieder durch den Preisbildungsprozeß bestimmt. Das so verallgemeinerte Preisbildungsproblem schließt mithin die wirtschaftliche Verteilung als einen besonderen Fall in sich. Liegen die subjektiven Bestimmungsgründe in der Art der Abhängigkeit der Nachfrage nach fertigen Produkten von deren Preisen, so bestehen die objektiven teils in den technischen Bedingungen der Produktion, teils in den Mengen der zur Verfügung stehenden Produktionsmittel selbst. Die technischen Bedingungen haben die meisten und wichtigsten Veränderungen der Preise herbeigeführt. Andererseits ist natürlich auch die mehr oder weniger reichliche Ausstattung der Tauschwirtschaft mit Produktionsmitteln (Boden, Kapital und Arbeit) von wesentlichem Einfluß auf die Preise. Da die Preise der letzteren als fest angenommen werden dürfen, so kann man behaupten, daß die Preise der fertigen Güter in einem direkten Verhältnis zu deren Produktionskosten stehen, sich also auch gegenseitig in diesem Verhältnis austauschen. Indem aber die Menge der Produktionsmittel als gegeben und mithin als objektiver Faktor angesehen wird, so fragt es sich nunmher, wie denn die Preise der Produktionsmittel bestimmt werden? 4. Die Preise von Arbeit, Boden und Kapital, die CASSEL in alter Weise wieder als Produktionsfaktoren annimmt, müssen nun so hoch sein, daß die Nachfrage nach ihnen mit der zur Verfügung stehenden Menge in Einklang steht. Es entspricht das einfach dem Prinzip der Knappheit. Diese Preisbildung bestimmt auch die wirtschaftliche Verteilung des Einkommens. Während das sogenannte Zurechnungsproblem die gerechte Verteilung zu ermitteln versucht, ist das rein wissenschaftliche Problem vielmehr dahin zu charakterisieren: "wieviel bei der jeweiligen wirtschaftlichen Lage nach tauschwirtschaftlichen Grundsätzen jedem der verschiedenen Produktionsfaktoren zukommt". Es bestehen also auch hier durchaus einheitliche Grundsätze. Solange sich das Privateigentum auf die materiellen Produktionsmittel erstreckt, fallen die Anteile, die dem Boden und Kapital im Preisbildungsprozeß zugerechnet werden, dem Besitzer eben dieser Produktionsfaktoren zu. Dabei bedeutet Kapital "die Geldsumme, die für den Augenblick in einem gewissen konkreten Realkapital verkörpert ist, die aber zu jeder beliebigen Zeit durch Verkauf und Ankauf eines anderen eine neue und beliebige Form annehmen kann". Das Gesamtkapital der geschlossenen Wirtschaft wird ausschließlich durch das Realkapital und den Grund und Boden dargestellt. Andererseits gilt der Satz, daß das Einkommen der Gesamtwirtschaft in jeder gegeben Periode hinreicht, um das ganze Ergebnis der Produktion zu kaufen. Es kommt also nur darauf an, die drei Einkommensarten als Preise der Produktionsfaktoren zu erklären. Der Zins bestimmt sich mit Rücksicht auf das Angebot des Kapitals als der Preis, der für das Warten bezahlt wird. Dieser Preis muß so hoch sein, daß auf der einen Seite ein genügendes Angebot hervorgelockt, andererseits aber die Nachfrage hinreichend beschränkt wird. CASSEL nennt das mit einem etwas seltsamen Wort "Kapitaldisposition", das ist die zeitweise Überlassung des Verfügungsrechts über eine Wertsumme und damit der vorläufige Verzicht auf eine Bedürfnisbefriedigung. CASSEL nähert sich hiermit der alten Auffassung von J. B. SAY und der Abstinenztheorie der Engländer, die bereits den Ausdruck "waiting" hatten. Die Höhe des Zinses wird ebenfalls durch die Knappheit des Kapitals bestimmt. Andererseits ist aber die Funktion des Wartens eine notwendige Voraussetzung dafür, daß überhaupt das Gut produziert werden kann. Ohne eine gewisse Kapitaldisposition ist die Produktion gar nicht möglich. Dementsprechend bildet diese eine notwendige und natürliche Bedingung jeder Gütererzeugung überhaupt. Der Grund ist darin zu suchen, daß die Ausnutzung dauerhafter Produkte Zeit in Anspruch nimmt. Den Peis, der für die Kapitaldisposition während der Zeit der Nutzung bezahlt wird, nennen wir den Zins. Seine Aufgabe ist es auch, die Nachfrage nach den Diensten der dauerhaften Güter zu beschränken. Er muß darum in jeder Wirtschaft vorhanden sein und kann nicht verschwinden. Wäre der Zinsfuß gleich Null, so würde die reine Nutzung dauerhafter Güter den Menschen ganz umsonst zur Verfügung stehen. Es müßten wohl Unterhaltungen und Erneuerungen bezahlt werden, die Nutzung als solche würde aber ein freies Gut sein. Dies widerspricht jedoch dem Prinzip der Knappheit, das es verhindert, ein wirtschaftliches Gut gratis zur Verfügung zu stellen. Dabei kann sich allerdings die Nachfrage nach Kapitaldisposition vermindern. Die Verkürzung des Produktionsprozesses bedeutet eine solche Verminderung des Bedarfs an Kapitaldisposition für die eigentliche Produktion; sie muß darum eine Erniedrigung des Zinsfußes herbeiführen. Die Kapitalbildung selbst geschieht durch Sparen. Sie steigt zwar, aber wahrscheinlich nicht so schnell wie die Produktin und die Ansprüche, welche diese an die Kapitaldisposition stellt. Mithin rechtfertigt es sich, den Zins in erster Linie auf die Notwendigkeit, die Nachfrage einzuschränken, zurückzuführen. Umgekehrt hängt nun aber auch das Angebot an Kapitaldisposition selbst wieder von der Höhe des Zinsfußes ab. Die Notwendigkeit dieser Aufgabe des Zinsfußes liegt wiederum in der Knappheit der zur Verfügung stehenden Kapitaldisposition. Die Schwankungen des Zinsfußes erklären sich aus der wechselnden Nachfrage nach dauerhaften Gütern, also in der wechselnden Produktion von festem Realkapital. Es besteht ein gewisser Zusammenhang zwischen Zinsfuß und Lebensdauer des Menschen (ein Satz, der sich historisch jedenfalls nicht begründen läßt!). Aber auch die sozialistische Gesellschaft dürfte ihrer ganzen Leitung der Produktion einen bestimmten Zinsfuß zugrunde legen. Täte sie das nicht, so würde sie sich den unersättlichen Ansprüchen der Konsumenten gegenübergestellt sehen. Sie muß darum eine genaue Produktionskostenrechnung vornehmen und durch Preisaufschläge auf die festen Güter eine Unterkonsumtion der Mitglieder der Gesellschaft herbeiführen. Nur dadurch vermag sie für die Vermehrung des Realkapitals zu sorgen. Auch die Preisbildung der Bodennutzung hat die Aufgabe, die Nachfrage nach den fertigen Produkten zu beschränken und die indirekte Nachfrage nach dem Boden in Übereinstimmung mit der zur Verfügung stehenden Menge zu bringen. Die Bodenrente ist also der Regulator des wirtschaftlich richtigen Aufwandes von Kapital und Arbeit auf den Boden. Sie müßte in einer sozialistischen Gesellschaft prinzipiell dieselbe sein wie in der bestehenden. Damit wird auch dieses Problem in die allgemeine Preisbildung eingeschlossen und RICARDOs Grundrententheorie im Grunde verlassen. Vor allem ist nunmehr auch der Boden ein Element in den Produktionskosten geworden wie Kapital und Arbeit, während bei RICARDO bekanntlich die Bodenrente erst eine Folge der Preisbildung ist. Von der Bodennutzung trennt CASSEL die Preise der Naturalmaterialien. Sie sind rein als Knappheitspreise zu charakterisieren. Der Preis hat auch hier die Aufgabe, die Nachfrage so einzuschränken, daß ein gewisser Grad von Gleichmäßigkeit in ihrer Versorgung zumindest für eine gewisse Zeit gewonnen wird. Aber auch der Arbeitslohn läßt sich in das allgemeine Schema der Preisbildung bequem einreihen. Er ist nur als ein Preis dieses Produktionsfaktors im allgemeinen Preisbildungsprozeß anzusehen. Die Arbeitstheorien von RICARDO und MARX lehnt CASSEL darum ab, weil sie auf unrichtigen und unwirklichen Annahmen beruhten: dazu gehört die Rückführung der verschiedenen Arbeitsarten auf eine einzige, dazu auch die Forderung einer Proportionalität der Kapitalanwendung mit der Arbeitsmenge. Auch der Preis der Arbeit, der ja nur der Entgelt für die Verfügung über eine Arbeitskraft bestimmter Qualität während einer bestimmten Zeit ist, wird durch ihre relative Knappheit bestimmt, das heißt durch das Angebot von Arbeit im Verhältnis zur Nachfrage nach ihr. Seine Höhe wird wesentlich durch die Konkurrenz der gesellschaftlichen Kaufkraft um die Arbeit bestimmt: er ist der Ausdruck für die Schätzung der betreffenden Arbeit seitens der Konsumenten. Darum verstärkt jeder Umstand, welcher die Effektivität der gesellschaftlichen Produktion steigert, indirekt (auf dem Weg der Einkommensbildung) auch die allgemeine Nachfrage nach Arbeit. Sie wirkt damit in der Richtung einer Erhöhung des allgemeinen Lohnniveaus. Es ist demnach nicht das Kapital, sondern das Einkommen die (letzte) Quelle der gesellschaftlichen Nachfrage nach Arbeit und der gesellschaftlichen Kaufkraft für die Arbeit. Ein gesteigerte Kapitalreichtum beeinflußt allerdings diese Nachfrage wesentlich durch eine Steigerung der Produktion und damit der Geldeinkommen der Tausenden. Daneben aber wirkt jener auch auf die relative Verbesserung der Marktlage für die Arbeit, die er durch eine Vermehrung eines konkurrierenden Produktionsmittels zustande bringt. Das Prinzip der Knappheit verschafft sich insofern Geltung, als das Angebot von Arbeit bestimmt wird durch die Zahl der Arbeitenden, aber auch durch die Begrenzung der Arbeitsleistung pro Arbeiter. Die letztere hängt einmal ab von der Höhe des Arbeitslohnes, sodann aber von der Arbeitszeit, also von einem Faktor, der außerhalb des Preisbildungsprozesses steht. In einer sozialistischen Gesellschaft, die eine bestimmte Einkommensverteilung durchsetzen will, wäre es nicht möglich, gleichzeitig die Freiheit der Konsumtion, der Berufswahl, der Ortswahl und der Fortpflanzung, also überhaupt die Freiheit des Angebotes, zu gewährleisten. Hier würde dies sozialistische Gesellschaft wesentliche Eingriffe vornehmen müssen. 5. In der Geldlehre folgt CASSEL der Funktionentheorie: das heißt der Begriff des Geldes wird nicht durch die Eigenschaft eines Dings, sondern durch die Funktionen des Geldes bestimmt. Danach ist jedes allgemeine Zahlungsmittel, das als solches anerkannt wird, "Geld". Die Tauschwirtschaft beruth von vornherein auf der primären Notwendigkeit der Preisrechnung. Gerade darum hat die Analyse des Geldwesens für die Theorie eine besondere Bedeutung. Dabei regelt sich der Münzwert ebenfalls nach dem Prinzip der Knappheit und dem Differentialprinzip. Auch die Markwährung ist nur eine abstrakte Rechnungsskala, die allerdings durch die Bindung an das Gold näher fixiert wird. Aber die Preisskala hat eine selbständige Existenz und stellt eine rein abstrakte Einheit dar, nicht etwa eine gewisse Gewichtsmenge Gold. Die Fixierung der Preisskala erfolgt nicht immer durch Bestimmung eines Zahlungsmittels, das in der Preisskala unbeschränkte gesetzliche Zahlungskraft hat. Die Papierwährung ohne jede Verbindung mit einem metallischen Zahlungsmittel ist als die theoretisch einfachste Währung anzusehen. Die Depositen [Einlagen - wp] erhalten den Charakter von selbständigen, das Geld ersetzenden Zahlungsmitteln, der Bedarf an solchen verteilt sich darum auf Geld und Depositen zugleich. Durch die Vorschußbedingungen vermögen die Banken den Depositen eine gewisse Knappheit und damit eine gewisse grobe Wertparität mit dem Geld geben. Dadurch kann dann eventuell eine absolute Parität der Depositen mit dem Geld hergestellt werden. Auch die Noten gehören zu den Bankzahlungsmitteln. Die Versorgung des Verkehrs mit solchen wird lediglich durch die Bedingungen, unter denen sie dem Verkehr zur Verfügung gestellt werden, reguliert. Das geschieht normalerweise durch die Diskontpolitik. Die Aufgabe des Zinsfußes ist es auch hier, die Nachfrage nach neuer Kapitaldisposition in Übereinstimmung mit dem Angebot, also mit den neuen Sparmitteln, zu regulieren. Man sieht, es besteht hier eine Annäherung an die neueren Theorien von KNAPP und BENDIXEN, zumindest was die Geldqualität anbetrifft. Entscheidend für die Theorie ist die Frage des Geldwertes. Die Anschauungen CASSELs waren bereits aus seinen früheren Veröffentlichungen, besonders aus seiner Schrift über die "Widerstandskraft Deutschlands" bekannt. Er gibt nun eine ausführliche theoretische Begründung. Die Schwankungen des allgemeinen Preisniveaus werden bei unveränderten Realumsätzen durch die gesamte Goldmenge sowie durch den Gebrauch von Bankzahlungsmitteln und die Ausnutzung der Goldreserve und des Goldfonds bestimmt. CASSEL konstruiert zu diesem Zweck den Begriff der "relativen Goldmenge", das ist der Quote zwischen faktischer und normaler Goldmenge. Danach beträct die "normale Goldvermehrung", die das Preisniveau in einer gewissen Zeit unverändert läßt, etwa 3 Prozent; die faktische weicht natürlich davon ab. CASSEL findet, daß das allgemeine Preisniveau der relativen Goldmenge direkt proportional ist. Dagegen wirkt die Goldproduktion nicht auf die ganz unbestimmten Produktionskosten, sondern nur auf die Quantität des Goldes, die beim geltenden Preisniveau gewonnen werden kann. Die sekundären Variationen des allgemeinen Preisniveaus sind in der Hauptsache auf die Variation der relativen Goldmenge, im übrigen auf gewisse Unregelmäßigkeiten bei der im allgemeinen gleichmäßigen Steigerung der Goldnachfrage zurückzuführen. Die Goldmenge wirkt dabei nur mittelbar auf das allgemeine Preisniveau: nämlich dadurch, daß sie die Bank in ihrer Regulierung der Zahlungsmittelversorgung beeinflußt. Dementsprechend ist es in jedem gegebenen Augenblick die Bankpolitik allein, die auf der monetären Seite unmittelbar für die Veränderung des allgemeinen Preisniveaus verantwortlich zu machen ist. Da nun die Vorschußbedingungen der Banken wesentlich durch den Bankzins beeinflußt werden, so ist es die Diskontrate, die in jedem Augenblick auf der monetären Seite die Bewegung des allgemeinen Preisniveaus beeinflußt. CASSEL gehört sonach zu den Anhängern einer modifizierten Quantitätstheorie. Er glaubt, daß die Erfahrungen des Krieges in einem Punkt nicht vorausgesehen werden konnten: daß nämlich die Neuschaffung von Zahlungsmitteln und die Verstärkung der gesellschaftlichen Kaufkraft mittelbar eine proportionale Steigerung des allgemeinen Preisniveaus hervorruft. Erst die Papierwährung als die theoretisch einfachste Währungsform vermag unmittelbar diese Abhängigkeit des Preisniveaus von der Veränderung der Geldmenge zu erklären. Ja, CASSEL glaubt sogar arithmetisch die Preissteigerung gleich der Quote zwischen dem relativen Zirkulationszuwachs und der relativen Veränderung der Warenmenge bestimmen zu können. Während in normalen Zeiten die willkürliche Vermehrung der Kaufkraft durch die Schaffung neuer Bankzahlungsmittel mit Hilfe der Diskontpolitik verhindert werden kann, fällt diese Selbstregulierung im Krieg fort. 6. Ein besonderes Gesicht erhält CASSELs Werke durch seine durchgeführte Theorie der Konjunkturbewegung. BÖHM-BAWERK hat einmal erklärt, daß jede Konjunktur- und Krisenlehre nur das letzte Kapitel eines geschriebenen oder ungeschriebenen Systems der Volkswirtschaft sein kann. Aber es ist nun eigentümlich, daß in diesem letzten Buch vom Verfasser eine völlig andere Betrachtungsweise und Methode eingeschlagen wird. Hatte besonders im ersten Kapitel das rein deduktive Verfahren vorgeherrscht, so geht CASSEL in diesen Abschnitten anders zu Werk. Er unternimmt es nämlich, die seit 1870 zutage getretenen Symptome der Konjunkturbewegungen anhand von Statistiken und darauf fußenden graphischen Darstellungen zu erfassen. Er untersucht besonders aufgrund von deutschem Material den Einfluß der Konjunkturen auf die Hauptzweige der Produktion, die Arbeiterzahl und die in einem Beruf beschäftigten Personen, auf die Ausnutzung der dauerhaften materiellen Produktionsmittel, auf die Preis-, Einkommens- und Kapitalbildung, schließlich auf Kapitalumsatz und Kapitalmarkt (Zinsfuß und Effektenkurs). Die Ergebnisse selbst sind keineswegs neu und brauchten kaum in der ausführlichen Weise induktiv an einem einzelnen Material aufgezeigt zu werden. Denn die theoretischen Grundgedanken können durch das Material höchstens eine Bestätigung und Unterstützung, aber kaum einen Beweis erhalten, wenn nicht die Gedanken selbst stichhaltig sind. Das Ergebnis ist, daß eine Disproportionalität zwischen Anlage in festem Kapital, also der Kapitalproduktion, und der übrigen Produktion, also der Konsumgutherstellung, besteht. Es findet in der Hochkonjunktur eine Überschätzung des Kapitalangebots und der Menge der Sparmittel statt, die zur Übernahme des produktiven Realkapitals zur Verfügung stehen. Umgekehrt wird die Krise durch einen absoluten Mangel an Kapital (also an Sparmitteln) zur Übernahme des produktiven Realkapitals gekennzeichnet. In der Depression werden die dauerhaften Produktionsmittel nicht voll ausgenutzt, die in der Hochkonjunktur eine Steigerung über das normale Maß hinaus erfahren haben. Jene Knappheit der Kapitalangeboten kann wohl in der Zeit der Hochkonjunktur zeitweise verschleiert werden. Sie tritt aber nachher, wenn die Banken zur Einschränkung der Zahlungsmittelversorgung schreiten, deutlich zutage. Die wechselnden Konjunkturen sind danach das Ergebnis des Wechselspiels der Unternehmertätigkeit und der großen, in der wirtschaftlichen Knappheit wurzelnden Regulatoren der Volkswirtschaft: der Materialpreise, des Arbeitslohns und des Zinsfußes. Auch eine sozialistische Gesellschaftsordnung würde der Gefahr einer zu starken Investierung und Produktion von festem Kapital nicht enthoben sein. - Ich kann nicht finden, daß das letzte Buch in einem engen Zusammenhang mit dem vorangegangenen Inhalt steht. Schon die induktive Methode, die CASSEL hier befolgt, zeigt, daß er nicht imstande war, sie aus den vorangehenden Prämissen abzuleiten. Ansich ist diese ganze Abhandlung interessant genug. 7. So fragt es sich dann, welches unser Urteil über das Werk im Ganzen sein kann, dessen Gedankengänge wir so objektiv wie möglich, zum Teil mit den eigenen Worten des Verfassers, wiederzugeben versuchten. Daß es kein Lehrbuch im eigentlichen Sinn darstellt, dürfte schon aus der Inhaltsangabe deutlich hervorgehen. Es ist im Grunde eine ausführliche Monographie über Preisbildung im weitesten Sinne mit einem Anhang über die Konjunkturbewegungen. Damit erübrigt sich die Frage, ob das Werk den Aufriß eines volkswirtschaftlichen Systems gibt; das heißt, ob es die gesetzmäßigen Zusammenhänge der Tauschwirtschaft und das Ineinandergreifen der einzelnen Elementarerscheinungen als einen einheitlichen Gesamtprozeß aufzeigt. Nach allem Vorhergehenden ist es offenbar nicht der Fall. Die Ableitung der einzelnen Einkommensarten aus dem Prinzip der Knappheit bezüglich der Wirtschaftlichkeit ist gewiß eine hervorragende Leistung: nur ein organisch zusammenhängendes System der Volkswirtschaft erhalten wir dadurch nicht. Wir sehen nicht das organische Funktionieren des Ganzen, nicht also den volkswirtschaftlichen statischem Prozeß selbst. Schon darum nicht, weil die Lehre von der Güterhervorbringung, die Grundlage und Ausgangspunkt jedes wirtschaftlichen Systems sein muß, überhaupt nicht behandelt wird. Warum sich die theoretische Sozialökonomie auf das Preisbildung beschränken muß, wird nicht gesagt: Warum soll nur der Umlauf der Güter, nicht aber ihre Bildung einer theoretischen Behandlung bedürftig, aber auch fähig sein? Der Umstand, daß das heutige System auf dem Tausch beruth, schließt das Problem der Reichtumsbildung und deren Gesetze nicht aus. Mithin wird auch deren Darstellung unter den besonderen Bedingungen der Verkehrswirtschaft nötig werden. Dann erst wird die Frage der realen Verteilung und des Umlaufs der Güter ganz lösbar, wenn das zu Verteilende und das Umlaufende selbst in ihrer Statik und Dynamik erfaßt werden. Es ist gewiß ein gestatteter, ja zum Teil sogar notwendiger methodologischer Kunstgriff, die Gütermenge als gegeben zu betrachten, um die Gesetze der Preisbildung erörtern zu können. Auch ist es ein öfter wiederkehrender Gedanke CASSELs, die Rückwirkung der Preise auf das Angebot zu untersuchen, also den Preis als eine inverse Funktion der Produktionsfaktoren zu betrachten. Dabei werden die tauschwirtschaftlichen Beziehungen ausschließlich unter statischen Gesichtspunkten bei gegebenen Bedingungen, also bei gegebener Gütermenge und Produktion verfolgt. Soweit ganz gut. Aber darum darf man dochvon einer Diskussion der Produktionsfaktoren selbst nicht so Abstand nehmen, wie dieses Lehrbuch es tut. Sonst werden eben der Gesamtprozeß der volkswirtschaftlichen Reichtumsbildung und seine Veränderungen nicht erkennbar. Gerade weil CASSEL sich die Aufgabe stellt, das System einer geschlossenen Volkswirtschaft vorzuführen, darf die Lehre von den Produktivkräften wie die Frage der Kapitalakkumulation und ihrer Wirkungen nicht fehlen. Die Charakterisierung der heutigen Wirtschaft als Tauschwirtschaft genügt nicht, um von vornherein die Eigentümlichkeit der Güterhervorbringungen und des Güterverbrauchs zu erfassen, wenn man diese nicht selbständig darstellt. Jene Charakterisierung trifft nur eine Seite des herrschenden Systems, das zwar stillschweigend vorausgesetzt, aber selbst nicht erklärt wird. Einmal übt der Kredit eine eigentümliche Wirkung auf die Güterhervorbringung aus und beeinflußt den Produktionsprozeß von Grund auf, der sich aus der bloßen Tatsache des Tausches noch nicht ergibt. Sodann schafft die Zusammenfassung der Produktionsfaktoren zu der neuen Einheit der "Unternehmung" eine Verbindung mit ganz anderen Folgen. Schon der Umstand, daß MARSHALL, mit dem sich ja CASSEL mehrfach auseinandersetzt, die "Organisation" als selbständigen Produktionsfaktor einführt, weist auf die Notwendigkeit einer anderweitigen Behandlung des Gegenstandes hin. Die Produktionsfaktoren stehen in dieser Behandlung völlig isoliert nebeneinander, obwohl sie durch gesellschaftliche Kräfte miteinander verbunden sind: sie hängen vom gemeinsamen Realertrag der Volkswirtschaft ab, der gerade erst durch ihre Verbindung hervorgebracht wird. Die Charakterisierung als "Verkehrswirtschaft" erscheint darum richtiger, weil der Tausch nur das einzelne Moment eines allgemeineren Vorgangs darstellt. Daß sich CASSEL in der Auswahl der Schriftsteller nicht sehr zurückhält, will ich nicht groß kritisieren; daß sich über KARL MARX z. B. nur ein wegwerfendes Urteil findet, ohne es näher zu begründen; über die grundlegenden abweichenden Auffassungen werden wir daher nicht genügend unterrichtet. Daß CASSEL mehr Schriftsteller kennt, als er hier benutzt oder bekämpft, weiß man aus seinen früheren Arbeiten. Zudem hat er ausdrücklich in seinem Vorwort erklärt, daß er literarischen Auseinandersetzungen in der Regel aus dem Weg gehen will. Etwas anderes aber ist es, ob man die Probleme, die bei jenen behandelt werden oder gar im Vordergrund stehen, selbst miterfaßt. Das ist zu Teil eben nicht der Fall. Dann wird jene Unterlassung allerdings bedenklich. Die Frage der Kapitalbildung, die sich in der modernen Wirtschaft nicht auf das Sparen allein zurückführen läßt, die Rückwirkung des Güterverbrauchs auf die Produktion und ihr Tempo, der ganze Umlaufprozeß des Kapitals, der Zusammenhang andererseits zwischen Güterproduktion und -verteilung sowie die Reproduktion des Reichtums fallen in der Hauptsache fort. Das sind doch nun aber Grundprobleme der theoretischen Sozialökonomie - abgesehen von der Preisbildung. Die ganze MARXsche Fragestellung besteht für ihn überhaupt nicht, wenn er sie auch gelegentlich berührt. Um diese Fragestellung kommt man aber für das Verkehrswirtschaft nicht herum. Man erkennt die Mängel von CASSELs Sozialökonomie am deutlichsten, wenn man sie mit MARSHALLs Handbuch vergleicht, mit dem sie sonst mehrfache Berührungspunkte hat. Ebenso wie aus WIESERs Grundriß vermag man auch aus CASSEL ein Gesamtbild der verkehrswirtschaftlichen Vorgänge nicht zu erlangen. Das gilt sogar vom Anhang, der Theorie der Konjunkturbewegungen, der aus dem Rahmen des Ganzen herausfällt. Schon methodologisch ist dies der Fall. Der Verfasser hatte zwar gelegentlich historische Exkurse über die Entwicklungen der einzelnen Theorien eingeflochten, im Ganzen aber doch eine stationäre (geschlossene) Volkswirtschaft zugrunde gelegt. Hier aber handelt es sich um ein dynamisches Problem, das auf einem ganz anderen Boden steht. Es hätten dann auch die andere Probleme der Dynamik - eben Güterhervorbringung, Kapitalbildung, Reproduktion und Güterverbrauch - in ihrer Rückwirkung auf Tausch und Güterverteilung mit behandelt werden sollen. Zur Methodologie der theoretischen Sozialökonomik ist CASSEL gerade darum lehrreich, weil der disen Fragen naiv gegenübersteht und zwiespältig zu Werke geht, ohne sich dessen ganz bewußt zu sein. 8. Wir müssen uns also an das halten, was wirklich vorliegt - das ist an die Monographie über Tauschwirtschaft und Preisbildung. Wie steht es damit? Das Charakteristikum der neuen Lehre ist die völlige Ablehnung des Wertbegriffs. Wir haben es tatsächlich nur mit einer "wertfreien" Theorie in des Wortres eigentlichem Sinn zu tun. Der Versuch wir in der künftigen Diskussion nicht zu übersehen sein. CASSEL hat zunächst darin recht, daß es für die Theorie nicht darauf ankommen kann, die psychologischen Motive und Erwägungen zu beachten, die sich im Innern des Menschen hinter den äußeren Erscheinungen abspielen. Diese sind für die Wirtschaftslehre letzte Gegebenheiten. Sie darf sie als feststehend annehmen und deren Untersuchung auf andere Wissenschaften und Hilfsfächer abschieben. Zumal dann muß es der Fall sein, wenn die Psychologie so fragwürdig ist wie bei der subjektiven Wertlehre. Ebenso hat der Verfasser darin recht, daß die Wertberechnung in Wirklichkeit auf eine Preisberechnung in Geld hinausläuft, ja überhaupt auf ihr beruth. Wir nehmen die angeblichen Wertvergleiche erst darum vor, weil wir das Geld als Maßstab schon besitzen. Die Wertschätzung ist in Wirklichkeit nur die Vorwegnahme einer Preisschätzung. In der Geldwirtschaft hat das Gut für den Produzenten überhaupt gar keinen Wert, sondern bedeutet nur einen Aufwand an Kosten, die sich im Preis ausdrücken. Wir schätzen in der Tauschwirtschaft die Dinge nicht mehr nach dem subjektiven Wert eines gegebenen Vorrates gleicher Güterarten, sondern nach dem Geld. Die ganze Schwäche der subjektiven Lehre erweist sich sofort, wenn sie versucht, die Theoreme der "reinen" Ökonomie auf die Geldwirtschaft zu übertragen. Ohne die Preisberechnung nehmen wir gar keine Schätzungen wirtschaftlicher Vorgänge vor. Der Mann der Grenznutzenlehre, der alle Erwägungen nach dem subjektiven Gebrauchswert überschlägt, ist im Grunde der moderne Geldmensch, nur ohne Geld gedacht: er bringt von vornherein die Skala der in Geld ausgedrückten Preise mit, erklärt aber die Sache im Grunde gar nicht aus einer Wertschätzung. Es ist also ungefähr das Gegenteil jener Lehre einer "Entstehung der Preise aus subjektiven Wertschätzungen" für die Verkehrswirtschaft Wirklichkeit. Die isolierte Wirtschaft andererseits kennt die "Nutzkomputationen", um WIESERs Ausdruck zu gebrauchen, überhaupt nicht. Es gibt somit auch logisch keinen "natürlichen Wert". Die Voraussetzung eines solchen ist, wie WIESER, "Der natürliche Wert" (Seite 37), bemerkt, eine wirtschaftlich hoch entwickelte Gesellschaft ohne Tausch und Preis. Eine solche kann aber logisch nicht gedacht werden, da beides eben Stücke jeder "hochentwickelten" Wirtschaft sind. Dieser Gedanke CASSELs berührt somit das Grundproblem der subjektiven Wertlehre; er ist früher schon von EUGEN DÜHRING, neuerdings von OTTO CONRAD, ausgesprochen und hat in der vorliegenden Darstellung eine positive Stütze gefunden. Dazu kommt noch der weitere Umstand, daß der Wert des Geldes selbst sich gar nicht auf den Grenznutzen und die subjektiven Wertschätzungen zurückführen läßt: diese haben es nur mit den unmittelbaren Nützlichkeiten von Gebrauchsgütern gleicher Art zu tun, nach denen sich auch die Güter höherer Ordnung wie der Produktionsmittel richten. Für den Geldwert kommen solche Schätzungen nicht in Betracht. Die Theorie des Substitutionswertes ist doch nur ein sehr gekünstelter Erklärungsversuch. Die Ableitung der Geldpreise aus subjektiven Wertschätzungen ist darum bisher nicht gelungen. Und konnte es auch gar nicht. Diese vermögen eben das Angebot nicht zu erklären, das sich der subjektiven Momente entzieht. Auch setzen sie die Erklärung des Einkommens schon voraus, das selbst erst aus den Preisen erklärt werden muß. Darum bleibt die Möglichkeit, ja die Notwendigkeit einer objektiven Lehre durchaus bestehen. Natürlich will CASSEL, ebenso wie HERMANN, mit dem alle modernen Preistheorien eine starke Berührung haben, die subjektive Seite keineswegs ausschalten: sie kommt durch das Moment der Nachfrage und deren Bestimmtheit durch die Preise wieder zu ihrem völligen Ausdruck. Ebenso bleibt das "Grenzprinzip" selbst, das sich zuerst wohl bei THÜNEN findet, als Forschungsmethode durchaus bestehen, auch wenn man vom Grenznutzen Abstand nimmt. Um nun der Grenznutzenlehre eine einheitliche Lehre gegenüberzustellen, mußte CASSEL versuchen, ebenfalls von einem einheitlichen Prinzip aus die verschiedenen Faktoren zu erklären. Dann erst konnte von einer Überwindung dieser Richtung die Rede sein, wenn ihm das völlig gelang. So möchte ich das Werk interpretieren, so auch den Versuch, nur die Dinge als theoretische Sozialökonomie gelten zu lassen, die sich jenem Prinzip unterordnen. Dabei mußte er auf der anderen Seite versuchen, der RICARDO-MARXschen Arbeitswerttheorie zu entgehen. Ist ihm das durch Rückführung auf das allgemeine ökonomische Prinzip der Knappheit gelungen? Das Preisbildungsgesetz wie die supplementären Gesetze baut CASSEL auf dem Kostenprinzip auf. Allerdings will er dieses nunmehr anders verstanden wissen als bei den früheren Auffassungen. Es besteht nicht etwa in der Rückführung auf eine einzige Einheit; als solche könnte sich doch nur die Arbeitszeit im RICARDO-MARXschen Sinn herausstellen. Vielmehr führt er jene auf die in Geld ausgedrückten Kosten, welche die Produktionsfaktoren selbst verursachen, zurück. Hieraus ergibt sich der bemerkenswerte Umstand, daß die Preise nur durch das Moment der Nutzung ansich knapper Produktionsmittel erklärt werden sollen. Das aber reicht bei der Frage des Arbeitslohns nicht aus: woher stammt die verschiedene Nutzung der Arbeitskräfte selbst? Ebensowenig scheint mir der Zins schon durch das Moment des Wartens und die Kapitaldisposition erklärbar zu sein. Vielmehr bedarf es dazu einer besonderen Darstellung des Unternehmens und des Unternehmergewinns, die erst jene "Nutzung" des Kapitals wie der Arbeit überhaupt möglich machen. Denn das Kapital als Produktionsfaktor ist doch nicht das Geld-, sondern das Realkapital. Dieses aber wird allein in der Unternehmung zusammen mit den anderen Produktionsfaktoren verwertbar und bringt dort den Kapitalgewinn ("Profit") hervor, von dem der reine Geldzins nur einen Teil ausmacht. Jener Gewinn aber fällt bei CASSEL überhaupt aus, obwohl das englische "profit" doch beides bedeutet - Zins ("interest") sowohl wie Unternehmergewinn. Das bloße Nebeneinanderstellen der einzelnen Produktionsfaktoren außerhalb eines Zusammenarbeitens dieser genügt eben nicht zur Erklärung. Auch die gegenseitige Bedingtheit und Abhängigkeit des Arbeitslohnes von Kapitalzins und Grundrente, bekanntlich ein Grundproblem von RICARDO und MARX, findet durch die isolierende Methode keine Erklärung. Der technische Fortschritt ist zwar als Koeffizient des Preisbildungsgesetzes anerkannt. Aber durch die isolierten Bestimmungsgründe der einzelnen Produktionsfaktoren kommen diese Beziehungen nicht zu deutlicher Geltung: die Frage also, ob eine konträre oder parallele Bewegung beider stattfindet, verschwindet überhaupt aus der Diskussion. Freilich hat CASSEL betont, daß das Einkommen der Gesamtheit ausreicht, um das ganze Erträgnis eines Jahres zu kaufen. Das scheint eine Tautologie zu bedeuten, weil Einkommen und Preis der Produktionsfaktoren für CASSEL zusammenfallen. Jedoch ist die Sache selbst zu bestreiten. Wenn das Einkommen eines Jahres wirklich das ganze Produkt des vorigen Jahres kaufen könnte, so bleibt ja kein Platz für die Erweiterung der Produktion, für die Akkumulation des Kapitals übrig. Vielmehr muß, wie schon SISMONDI erklärte, der Austausch jedes Jahr einen Verlust hervorbringen, der zugleich eine Vergütung der zukünftigen Lage darstellt. Es ist die Frage des Lohn, bzw. Substanzmittelfonds. Es sind aber sowohl Produktions- wie Konsumtionsmittel in der nächsten Periode nötig, die nicht durch das Einkommen in der vorigen verzehrt werden dürfen. Weder der besondere Unternehmergewinn noch die Konjunkturen, die das Einkommen weit über das Preisbildungsmoment heraustreiben, werden hierbei berücksichtigt. Die supplementären Preisbildungsmomente vermögen jenes ebenfalls nicht hinreichend zu erklären. Es bleiben sodann zwei andere Möglichkeiten übrig, um eine Übereinstimmung zwischen Bedürfnisbefiedigung und vorhandenen Mitteln zu erzielen: nämlich eine andere Ausnutzung der Mittel selbst (andere organische Zusammensetzung des Realkapitals), sodann eine Steigerung der persönlichen Leistungsfähigkeit. Diese beiden Momente sind gewiß von höchster Wichtigkeit. Sie entziehen sich aber den Prinzip der Knappheit und würden darum auch eine andere Ableitung der Einkommensarten möglich machen. Die Steigerung der persönlichen Leistung, die auf der Unternehmung und Organisation beruth, läßt sich durchaus nicht auf das Sparen und das Prinzip der Knappheit zurückführen. So ist also jene versuchte Ableitung des Preises der Produktionsfaktoren, die sich zugleich als Einkommen darstellt, nicht schlüssig. Unter den einzelnen Lehren wird die von der Kapitalbildung den meisten Widerspruch finden. Sie kann in einer fortgeschrittenen Tausch- und Verkehrswirtschaft keineswegs mit "Sparen" erklärt werden. Auf dem Kapitalmarkt gehen durch die Vermittlung des Kredits sehr viele Teile ein, die nicht auf das Sparen zurückzuführen sind: Kassenvorräte, Vermögensteile, Konjunkturgewinne u. a. Also Teile, die keineswegs auf Genußverzicht beruhen, weil sie noch gar nicht in die Konsumsphäre gelangt sind. Es fragt sich, woher diese Überschüsse einer Wirtschaftsperiode stammen und sich immer wieder von Neuem bilden, um überhaupt die Kapitalakkumulation zu ermöglichen. Aus der bloßen Verfügung ihrer Boden- und Kapitalnutzung kann sie noch nicht erklärt werden, wenn nicht ein Überschuß (Mehrwert) aus dem Markt erzielt wird, der über die Kosten der Produktionsfaktoren hinausgeht. Ebenso bestritten möchte die theoretische Begründung der modifizierten Quantitätstheorie werden. Zunächst schon darum, weil der Beweis hier rein empirisch geführt wird; das reicht zu einer allgemeinen Begründung nicht aus. CASSEL gibt im Anhang allerdings selbst zu, daß hier der Krieg unsere Erfahrung und die Erkenntnis der Ursachenzusammenhänge wesentlich vertieft hätte. Das ist gewiß richtig, wie es zweifellos auch von der Entstehung der älteren Theorie in der Restriktionsperiode ebenfalls gilt. Aber gerade darum ist es die Frage, ob denn die bankmäßigen Zahlungsmittel (Depositen und Kreditoren) den Noten gleich zu achten sind. Wenn das der Fall ist, so dürfte der Diskontsatz unmöglich den Einfluß auf die Umsatzwege der Zahlungsmittel und damit auch den Geldwert ausüben, wie diese Theorie annimmt. Man versteht im Grunde nicht, wie mit einemmal alle Bankzahlungsmittel als volles Geld erscheinen und wie hier die rein politischen, also zufälligen und willkürlichen Maßnahmen der Vorschußbedingungen schließlich den Preis beeinflusen können. Die Umlaufgeschwindigkeit bezöge sich dann ja ebenso auf das gesamte Giralgeld wie auf Banknoten und Gold. Hier ist der Theorie nicht alles stimmig, weil der erweiterte Geldbegriff nicht eindeutig feststeht. Dadurch, daß lediglich die Preisbildung der Produktionsfaktoren einzeln bestimmt wird, kommt offenbar der Zusammenhang der einzelnen Einkommensteile, insbesondere die Abhängigkeit der Arbeitslohnes von der Höhe und der Zusammensetzung des Realkapitals, wesentlich zu kurz. Wir erhalten höchstens einen Einblick in die Höhe des Nominallohns, aber nicht auch des Realbetrags, auf den es für den Arbeiter entscheidend ankommt. Es müßte das Steigen des Geldlohnes, die infolge der gesteigerten Nachfrage nach Arbeit eintritt, wiederum die Preise der Produkte selbst steigern. Mithin müßte dadurch der Reallohn gerade gesenkt werden. Andererseits wurde unter den subjektiven Momenten der Preisbildung allein die Nachfrage des Einkommens betont. Aber in den Erwerbswirtschaften, die ein wesentliches Stück der Nachfrage entfalten, kommt es weit mehr auf die Höhe des Betriebskapitals an, die von Einfluß auf die Preise selbst wird: das Einkommen entfaltet überhaupt keine direkte Nachfrage nach Arbeit oder höchstens nach unproduktiver. Die Voraussetzung, von der auch diese Preistheorie ausgeht, ist eine bestimmte Einkommens verteilung, die als gegeben und quasi unveränderlich angesehen wird. Nun ist aber diese selbst erst wieder von den Preisen abhängig, und wir erfahren über diese Abhängigkeit nichts. Die Stärke CASSELs beruth darauf, daß er das Einkommen als Preis zu erklären versucht, die Schwäche darin, daß er nur das Geldeinkommen im Auge behält und die reale Gütermenge und deren Verteilung übergeht. Doch wir wollen nicht bei der Kritik der einzelnen Theoreme verweilen. Sie setzt eine vollständige Auseinandersetzung mit den Fragen der Theorie voraus, die hier nicht beabsichtigt sein kann. Vielmehr ist die Frage, ob der Versuch CASSELs, eine vom Wertbegriff gereinigte Sozialökonomie zu schaffen, geglückt ist. Kann man auf der einen Seite vom Moment des Nutzens und des Gebrauchswerts, andererseits vom Moment des Mehrwerts absehen? Es ist darauf hingewiesen worden, daß auch innerhalb des begrenzten Gebietes, das sich allein CASSEL aus dem ganzen Bereich der Theorie zur Aufgabe stellt, Lücken vorhanden sind; daß eine restlose Erklärung des Zusammenhangs der Preise und der Produktonsfaktoren noch nicht gegeben ist. Eine Entscheidung muß solange ausstehen, bis auch diese Probleme durch die Theorie gefaßt sind. Die obige Frage läßt sich also einstweilen nicht beantworten. Aber CASSEL bleibt ein interessanter Versuch, um unter Umgehung des Wertbegriffs das Tausch- und Preisproblem in den Mittelpunkt der Theorie zu stellen und unter einem einheitlichen Gesichtspunkt zu lösen. Wir haben auf der einen seite die objektive Wertlehre der Klassiker, deren Ausläufer MARX darstellt. Auf der anderen Seite die Grenznutzenlehre der Österreicher. Die amerikanische Schule unter CLARK scheint mir durch die Einführung der "disutility", die direkt wieder auf SMITH (I, 5 "toil and trouble") zurückführt, eine Brücke zur objektiven Wertlehre zu bedeuten. Es ist dasselbe wie die "Erlangungsschwierigkeit" von CAREY-DUBRING, die objektive und subjektive Momente zugleich enthält. Dem stände nunmehr CASSEL gegenüber, der es unternimmt, den Wertbegriff überhaupt zu beseitigen und die Preise aus dem Kostenprinzip abzuleiten. Der Gedanke einer wertfreien theoretischen Sozialökonomik wird damit von Neuem zur wissenschaftlichen Erörterung gestellt. |