ra-2H. H. GossenR. LiefmannR. Stolzmann    
 
ROBERT LIEFMANN
Grundsätze der
Volkswirtschaftslehre


"Hermann Heinrich Gossen ist derjenige Schriftsteller, dem ich bei der Abfassung dieses Werkes am meisten verdanke, der Einzige, von dem ich sagen kann, daß er im Grundgedanken, auf dem die hier entwickelte Theorie beruth, mein Vorgänger gewesen ist. Gossen vertritt eine psychische Auffassung der wirtschaftlichen Vorgänge, und psychisch-realistisch scheint mir der Ausdruck zu sein, der meine Wirtschaftstheorie im Gegensatz zu allen bisherigen materialistisch-quantitativen am besten bezeichnet."

"Alle hier entwickelten Theorien beruhen auf einer neuen, von der bisherigen völlig verschiedenen Auffassung des Wirtschaftlichen selbst, welche dieses nicht in der Sachgüterbeschaffung sieht, sondern als etwas Psychisches, eine besondere Art von Erwägungen, als ein Vergleichen von Zwecken und Mitteln betrachtet."

"Ich sehe das Wesen des Wirtschaftlichen nicht in der Produktion, überhaupt nicht in den Handlungen, sondern in den Erwägungen sehe, in einer besonderen Art des Disponierens."


Vorwort

Die Volkswirtschaftslehre hat zur Hauptaufgabe, die komplizierten Vorgänge des wirtschaftlichen Lebens zu erklären, die sich daraus ergeben, daß alle Menschen, nicht nur eines Volkes oder Staates, sondern letzten Endes in der ganzen Welt durch den Tauschverkehr auf das Engste miteinander verflochten sind. Diese Aufgabe kann zu einem Teil gelöst werden durch eine beschreibende Darstellung wirtschaftlicher Vorgänge oder durch eine Schilderung ihrer historischen Entwicklung. Vor allem aber ist es erforderlich, die so vielgestaltigen und komplizierten Erscheinungen des Tauschverkehrs systematisch zu erklären, d. h. auf ihre wesentlichen Merkmale und ihre allgemeinsten Grundlagen zurückzuführen. Das ist heute die erste Aufgabe der Wissenschaft, weil über die grundlegenden wirtschaftlichen Vorgänge, z. B. wie ein Preis zustande kommt, wie die Einkommen zu erklären sind, ja darüber, was überhaupt unter Wirtschaften zu verstehen ist und wie der einzelne wirtschaftende Mensch handelt, noch die größten Unklarheiten und Meinungsverschiedenheiten bestehen.

Den Mechanismus des heutigen Tauschverkehrs in seinen Grundlagen zu erklären, ist so die Aufgabe dieses Werkes. Der Versuch dazu ist schon oft gemacht worden, aber allgemeiner als je zuvor ist heute die Überzeugung, daß er immer noch nicht befriedigend gelungen ist. Viele verzweifeln daher heute überhaupt an der Möglichkeit, den Organismus des Wirtschaftslebens einheitlich und systematisch darzustellen und zu erklären. Wenn wir diese Zweifel nicht eilen und von neuem den Versuch einer einheitlichen systematischen Erklärung der Grundlagen der Wirtschaft und des Tauschverkehrs unternehmen, so geschieht es, weil wir dabei von einer neuen, von der bisherigen völlig abweichenden Grundauffassung unseres Objekts, der wirtschaftlichen Vorgänge selbst, ausgehen.

Zu dieser Auffassung bin ich ganz allmählich, aufgrund von Beobachtung des wirtschaftlichen Lebens einerseits, kritischer Betrachtung der bisherigen wirtschaftlichen Theorien andererseits gekommen. Aber, wie wohl nichts in den Geisteswissenschaften als absolut neu, als völlig unabhängig von früheren Anschauungen angesehen werden kann, so hat auch meine Grundauffassung der wirtschaftlichen Vorgänge in gewisser Hinsicht Vorläufer gehabt. Im Jahre 1854 veröffentlichte der rheinische Regierungsassessor a. D. HERMANN HEINRICH GOSSEN ein Buch "Entwicklung der Gesetze des menschlichen Verkehrs und der daraus fließenden Regeln für das menschliche Handeln". GOSSEN bezeichnete es als das "Resultat eines zwanzigjährigen Nachdenkens" und hatte von seiner Bedeutung die allergrößte Meinung. "Was einem KOPERNIKUS zur Erklärung des Zusammenseins der Welten im Raum zu leisten gelang, das glaube ich für die Erklärung des Zusammenseins der Menschen auf der Erdoberfläche zu leisten," heißt es in der Vorrede. Aber er ging weit über die Aufgabe der Wissenschaft, die Erkenntnis des Seienden, hinaus, wenn er behauptete, daß seine "Entdeckungen den Menschen in den Stand setzten, mit untrüglicher Sicherheit die Bahn zu bezeichnen, die er zu wandeln hat, um seinen Lebenszweck in vollkommenster Weise zu erreichen".

Die merkwürdigen Schicksale dieses Buches sind bekannt (1). Es war jahrzehntelang vergessen und ist erst Ende der siebziger Jahre von Engländern neu entdeckt worden, während ein Franzose (WALRAS) die erste eingehende Würdigung seines Inhalts gab und über den längst verstorbenen und verschollenen Verfasser Nachforschungen anstellte.

GOSSEN ist nun derjenige Schriftsteller, dem ich bei der Abfassung dieses Werkes - soweit man seine Ideen, die ja von  allen  früheren beeinflußt sind, überhaupt auf Einzelne zurückführen kann - am meisten verdanke, der Einzige, von dem ich sagen kann, daß er im  Grundgedanken,  auf dem die hier entwickelte Theorie beruth, mein Vorgänger gewesen ist. GOSSEN vertritt eine  psychische  Auffassung der wirtschaftlichen Vorgänge, und  psychisch-realistisch  scheint mir der Ausdruck zu sein, der meine Wirtschaftstheorie im Gegensatz zu allen bisherigen  materialistisch-quantitativen  am besten bezeichnet. Aber GOSSEN hat diesen Gegensatz zu allen früheren Theorien zu einseitig auf die Spitze getrieben, er will die Nationalökonomie, die bisher eine "Güterlehre" gewesen war, zur einer  "Genußlehre"  machen. Er betrachtet infolgedessen die Vorgänge des Genießens so einseitig, daß er neben dem Genuß gar nicht zum zweiten Grundbegriff der Wirtschaftstheorie, zum Begriff der  Kosten,  gelangt. Dennoch kommt er mit dem  "zweiten Gossen'schen Satz",  den ich das  "Gesetz des Ausgleichs der Grenzgenüsse"  nenne, von allen Nationalökonomien dem eigentlichen Grundprinzip aller Wirtschaft, der Einzelwirtschaft sowohl wie des gesamten Tauschverkehrs, am nächsten. Von diesem Grundprinzip, das ich im  Gesetz des Ausgleichs der Grenzerträge  scharf formuliere, hat GOSSEN zwei Grundgedanken,den  Grenzgedanken  und den  Ausgleichsgedanken,  schon richtig erkannt. Es fehlt nur, und zwar eben wegen des Fehlens der  Kostenvorstellung,  der dritte, der  Ertragsgedanke.  Mit dem  Grenzgedanken  ist GOSSEN zugleich der Vorläufer der sogenannten  Grenznutzenlehre  (2), die er aber dadurch übertrifft, daß dieser der für das Wesen aller Wirtschaft fundamentale  Ausgleichs gedanke noch fehlt, während sie sich von meiner Theorie auch noch, wie GOSSEN, durch die mangelnde psychische  Kostenvorstellung  und damit durch den  Ertragsgedanken  unterscheidet.

Damit ist das Neue, das in diesem Buch geboten wird, zwar noch nicht genau angegeben - es wird erst bei den einzelnen Theorien vor allem der Kosten-, Kapital-, Geld-, Preis- und Einkommenslehre zutage treten -, aber doch auch die letzten wirtschaftlichen Begriffe zurückgeführt. Mit anderen Worten, alle hier entwickelten Theorien beruhen auf einer neuen, von der bisherigen völlig verschiedenen Auffassung des  Wirtschaftlichen  selbst, welche dieses nicht in der  "Sachgüterbeschaffung"  sieht, sondern als etwas  Psychisches,  eine besondere Art von  Erwägungen,  als ein Vergleichen von Zwecken und Mitteln betrachtet.

Im tiefsten Kern unterscheidet sich mein theoretisches System von den bisherigen auch dadurch, daß diesem mit ihrem Streben, die Bestimmungsgründe des  Güterwertes  zu finden - und um den "Wert" dreht sich die ganze bisherige Nationalökonomie - immer eine  statistische  Betrachtungsweise zugrunde legt. Für uns ist dagegen die wirtschaftliche Aufgabe eine typisch  dynamische,  es handelt sich um die  zweckmäßigste Verteilung von Kostenaufwendungen auf die verschiedenen Bedürfnisse Diese wirtschaftliche Aufgabe wird auch für die Erklärung des Tauschverkehrs festgehalten. Auch mit der Bezeichnung  psychisch-dynamisch  ist daher meine Wirtschaftstheorie gut gekennzeichnet. Indem ich das Wesen des Wirtschaftlichen nicht in der Produktion, überhaupt nicht in den Handlungen, sondern in den  Erwägungen  sehe, in einer besonderen Art des Disponierens, aber über die Kostenaufwendungen erhält meine Wirtschaftstheorie auch eine viel  abstraktere  Grundlage als die bisherigen, was dann weiterhin in der Auffassung des Geldes und des Kapitals zutage tritt.

Diese abstrakte psychische Auffassung der Wirtschaft stammt aber - das möchte ich eindringlich betonen - keineswegs von GOSSEN, sondern im Gegenteil, der Mangel an eigentlichen  wirtschaftlichen Resultaten,  zu denen GOSSEN mit seiner Genußlehre gelangte, hat mich lange Zeit abgehalten, die unbedingt notwendige Analyse der psychischen Vorgänge vorzunehmen, die sich bei einem Wirtschafter abspielen. So war ich von der konsequent psychischen Auffassung der Wirtschaft noch weit entfernt, als ich schon aufgrund von Beobachtungen des wirtschaftlichen Lebens die Bedeutung des  Ertrags begriffs als Richtschnur für das wirtschaftliche Handeln und die Verwechslung von Wirtschaft und Technik in der bisherigen Theorie erkannt hatte.

Ich will nun hier nicht aus dem Vorwort der ersten Auflage wiederholen, auf welchem Weg ich im Kampf mit den bisherigen Anschauungen, die ich natürlich erst Schritt für Schritt überwinden mußte, allmählich zur Aufstellung des hier vorliegenden Systems gelangt bin. Seine Entstehung ist aus meiner ersten rein theoretischen Schrift "Ertrag und Einkommen auf der Grundlage einer rein subjektiven Wertlehre", Jena 1907, und aus meinen verschiedenen Aufsätzen, besonders in den "Jahrbüchern für Nationalökonomie" und im "Archiv für Sozialwissenschaft" leicht zu verfolgen. Das Ergebnis ist eine nicht nur in der Grundlage, Auffassung des Wirtschaftlichen, sondern vor allem auch in den Anwendungen, Preis- und Einkommenslehre, völlig verschiedene Wirtschaftstheorie, die eine ganze Reihe von Voraussetzungen nicht braucht, gegebene Gütermengen, Wertbestimmung, Zurechnungslehre, die die bisherigen Theorien machen mußten, andererseits trotzdem sehr viel mehr erklärt (Zusammenhang aller Preise, Erklärung der Einkommen als Preise, abstrakte Natur des Geldes, Unterscheidung von Wirtschaft und Technik usw.).

Diese Theorie will als ein  einheitliches, zusammenhängendes System  auf konsequenter  psychisch-individualistischer  Grundlage aufgefaßt werden. So sehr ich berechtigt zu sein glaube, die Neuheit der grundlegenden Gedanken meines theoretischen Systems zu behaupten - wir werden darauf gelegentlich zu sprechen kommen -, so sehr halte ich es doch für wichtig, darauf hinzuweisen, daß sie selbstverständlich nicht plötzlich aus der Luft gegriffen sind, sondern daß sie im Zuge der Entwicklung der ganzen ökonomischen Theorie liegen. In der Tat ist die Entwicklung der ökonomischen Wissenschaft seit 100 Jahren dadurch gekennzeichnet, daß in den ursprünglich rein objektiv-materialistischen Aufbau der ökonomischen Theorie ganz allmählich immer mehr subjektiv-psychische Momente hineingetragen wurden. Dies bahnte sich schon dadurch an, daß allmählich an die Stelle des Volksreichtums und der Volkswirtschaft als Ausgangspunkt die Einzelwirtschaft und ihr Handeln trat. Als man unter Wirtschaften nicht mehr die Güterbeschaffung einer ganzen Nation, sondern die planmäßige Unterhaltsfürsorge einer einzelnen Wirtschaft verstand, war man der subjektiven Auffassung schon einen großen Schritt näher gekommen. Das wurde dann weiter gefördert durch die immer mehr in den Mittelpunkt der Theorie rückenden Erörterungen über den  Wert.  So falsch auch vom Standpunkt meiner psychischen Auffassung dieser immer nur an die Sachgüter anknüpfenden, aus Nutzen und Seltenheit (bzw. Vorrat) konstruierte "subjektive" Wertbegriff ist, der schließlich doch immer auf einer Verwechslung mit dem Preis beruth, so war es doch ein Fortschritt auf dem Weg zur konsequenten psychischen Auffassung, daß man allmählich neben dem ursprünglich allein betrachteten Tauschwert immer mehr auf den subjektiven Gebrauchswert zurückzugehen versuchte.

Freilich ist nicht zu leugnen, daß die Ausgestaltung, die der subjektive Wertbegriff in der österreichischen Grenznutzenlehre erfuhr, in vieler Hinsicht auch wieder ein Hindernis für das Aufkommen einer  rein subjektiven  Theorie darstellte. Es ist möglich, daß eine solche sich ohne jene Lehre direkt aus der Kritik der klassischen objektiven Theorie schneller entwickelt hätte. Insbesondere wenn GOSSEN größeren Einfluß gehabt und sich nicht selbst mit seiner Genußlehre und seinem Verzicht auf die Kostenvorstellung überhaupt den Weg zur Erkenntnis der wirtschaftlichen Vorgänge verschlossen hätte, ist das wahrscheinlich. Denn es ist kein Zweifel, daß der Grenznutzengedanke eine geschickte Kombination der subjektiven, vom Nutzen ausgehenden, mit der materialistisch-quantitativen, eine  Gütermenge  zugrunde legenden Betrachtung ist. Diese Kombination, die es ermöglicht, die überlieferte technisch-quantitative Auffassung der Wirtschaft beizubehalten und die andererseits dem beim Wirtscahften offenbar vorhandenen subjektiven Element auch einen Einfluß gestattete, blendete lange Zeit und blendet noch heute die ökonomischen Theoretiker und hielt sie bisher von der klaren Einsicht in die Mängel der ganzen bisherigen Auffassung zurück.

Daraus ergibt sich, daß diese ganze heutige theoretische Richtung nur durch die Kritik ihrer Resultate bekämpft und beseitigt werden kann, indem man zeigt, daß sie in den entscheidenden Punkten jedes ökonomischen Systems, in der Geld-, Preis- und Einkommenslehre, vollkommen versagen mußte. Ohne diesen Nachweis hätte meine Behauptung, daß es auf den wirtschaftlichen Wert im Sinne der Grenznutzenlehre nicht ankommt, daß man vielmehr vom reinen Nutzen ausgehen muß, wenig Bedeutung gehabt. Denn ihre Anhänger hätten immer behaupten können, sie sei eine brauchbare Konstruktion zur Erkenntnis der wirtschaftlichen Vorgänge, und solange ich diese nicht besser erklären konnte, hätten sie recht gehabt. Jede Theorie ist eben nur Hilfsmittel zur Erkenntnis und wird dann falsch, wenn eine andere Theorie jene Erscheinungen besser erklärt.

Den Nachweis nun, daß die Grenznutzenlehre die wichtigsten wirtschaftlichen Erscheinungen, die Preis- und Einkommensbildung, nicht erklären konnte, den hat sie mir leicht gemacht, und auch die positive Aufgabe, eine bessere Erklärung dieser Vorgänge, ist hier sicherlich gelöst worden. Denn besser ist ein relativer Begrif, und auch wer meiner Theorie, aus mehr oder minder sachlichen Gründen, noch so ablehnend gegenübersteht, wird zugeben müssen, daß sie eine große Anzahl zweifellos falscher, mit den Tatsachen nicht übereinstimmender Voraussetzungen nicht braucht, die die bisherige Theorie machen mußte, und daß sie über eine ganze Reihe von Problemen Klarheit schafft, die bei der bisherigen Theorie im unklaren blieben. Ich glaube daher, daß sich auf ihrer Grundlage ein wesentlicher Fortschritt in der wissenschaftlichen Erkenntnis wirtschaflicher Erscheinungen vollziehen wird. -

Die Befürchtung, daß in Deutschland wegen der ungeheuer schwierigen wirtschaftlichen und sozialen Lage, in die wir nach dem Krieg versetzt wurden, das Interessen an der ökonomischen Theorie und ihrem Fortschritt gering sein wird, hat sich bisher nicht bestätigt. Im Gegenteil, infolge der in dieser Weise noch nie dagewesenen, ganz unvorhersehbaren wirtschaftlichen Verhältnisse ist das Interesse an den wirtschaftlichen Problemen und damit auch an der ökonomischen Theorie, um sie richtig zu verstehen, außerordentlich gewachsen. Die Meinung, daß die Beschäftigung mit der ökonomischen Theorie eine Liebhaberei ist, der man sich nur in ruhigen Zeiten widmen kann und die jetzt und in absehbarer Zeit durch eine praktische Tätigkeit ersetzt werden mjuß, ist daher durchaus unzutreffend. Vielmehr ist gerade für eine richtige ökonomische Theorie der oft zitierte Satz: Nichts ist praktischer als die Theorie, wahrlich keine Übertreibung. Es ist kein Zweifel, daß eine bessere ökonomische Theorie auch für das praktische Leben, für die Wirtschaftspolitik und selbst darüber hinaus für die gesamte nationale Politik und das ganze soziale Zusammenleben die größte Bedeutung haben kann. Und wenn die Wissenschaft selbst auch nie die Fragen des Seinsollens zu entscheiden hat, so kann sie doch die Wirkungen staatlicher und sozialer Maßregeln rein kausal untersuchen. Dazu aber braucht sie eine richtige Erkenntnis der tauschwirtschaftlichen Vorgänge, die nur die wissenschaftliche Theorie liefern kann.

Es seien hier nur in aller Kürze drei Beispiele angeführt, die leicht vermehrt werden könnten, von wie außerordentlich großer praktisch-politischer Bedeutung eine klare theoretische Erkenntnis der wirtschaftlichen Vorgänge ist. Auf der Tatsache, daß die bisherige Theorie  das Wesen des Kapitals  ganz falsch auffaßt und auf ihrer materialistischen Grundlage die  Kapital gewinne nicht richtig erklären und daher auch im ganzen heutigen wirtschaftlichen Organismus nicht wirklich begründen konnte, beruth der wissenschaftliche Sozialismus, die ganze theoretische Begründung der Abschaffung des Privateigentums an den Produktionsmitteln, die so gewaltige politische Folgen gehabt hat. Vom Standpunkt der Theorie, die wir hier entwickeln, werden die Irrtümer des Sozialismus, die er mit früheren und noch heute viel vertretenen wissenschaftlichen Anschauungen teil, klar, die wohl mancher der neueren Nationalökonomen empfunden, aber nicht scharf als solche erweisen und widerlegen konnte. Auch sei darauf aufmerksam gemacht, wieviel mehr der im vorliegenden Band erörterte, aufgrund unseres ganzen Systems sich ergebende  Kapitalbegriff  dem des wirtschaftlichen Lebens entspricht als der Kapitalbegriff der bisherigen Theorie, weshalb er und meine wirtschaftstheoretischen Abhandlungen überhaupt schon mehrfach praktischen Aufgaben in der Taxationslehre, in der Forstwissenschaft, in der Handels- und Bilanzlehre zugrunde gelegt wurden.

Ein anderes Beispiel aus den wirtschaftlichen Problemen in und nach dem Krieg: wenn man sich über die Preis- und Einkommensbildung theoretisch klar gewesen wäre, hätte man längst erkannt, wie unheilvoll  starke Einkommenssteigerungen  einzelner Bevölkerungsschichten auf das ganze überlieferte Preissystem wirken müssen, wie sie zu den Preissteigerungen mit beigetragen haben, und man hätte Einkommenssteigerungen während des Krieges viel schärfer verhindert und wäre ihnen durch Kriegsgewinnsteuern viel früher und energischer entgegengetreten.

Schließlich sei darauf hingewiesen, welche ungeheuren und folgenschweren Wirkungen die Irrtümer und Unklarheiten auf dem Gebiet des  Geldes  gehabt haben und noch haben. Noch heute erfolgt leider die Ausgabe von Banknoten und die Kreditinanspruchnahme seitens des Staates auf der Grundlage von theoretischen Anschauungen, die die Art und Weise, wie und wodurch eine Geldvermehrung schädlich wirkt, verkennen. Noch heute klammert sich unsere Geldpolitik an Anschauungen über den Wert des Geldes, welche einer tiefer eindringenden Wirtschaftstheorie gegenüber in keiner Weise standhalten. Zwar hat in neuester Zeit gerade auf diesem Gebiet eine bessere tatsächliche Beobachtung vielfach zu richtigen Erkenntnissen geführt, aber erst mit dem hier gegebenen theoretischen  ökonomischen System  wird die  abstrakte Natur des Geldes  und der  Zusammenhang zwischen Geld, Preisen und Einkommen  klar, die bisher Gegenstand selbständiger voneinander völlig unabhängiger Theorien waren. Man erkennt, daß der Staat zwar durch seinen Einfluß auf die realen Zahlungsmittel das ganze Preissystem ins Wanken bringen kann, daß aber das eigentliche Geld nicht nur in diesen, sondern in der abstrakten, in den  Einkommen  zum Ausdruck gelangenden Kaufkraft besteht, und daß auch von dieser Seite, durch Kreditanspannung, ohne Vermehrung der realen Zahlungsmittel ein höchst unheilvoller Einfluß auf die Preisbildung erfolgen kann. Die Erkenntnis dieser Zusammenhänge und damit der Grundlagen unserer Wirtschaftsorganisation überhaupt setzt sich nur sehr langsam durch und mangels eines theoretischen Verständnisses sind auch in der Wissenschaft hier noch viele Widerstände zu überwinden.

So ist es keineswegs nur ein wissenschaftlich-theoretisches Bedürfnis, das zu einer Revision der letzten Grundlagen unserer Wissenschaft zwingt, sondern es ist zu erwarten, daß eine Neufundierung der Wissenschaft bei ihrem weiteren Ausbau auch der Praxis und Politik sehr wichtige Dienste wird leisten können. Ja, ich bin überzeugt, daß, wenn heute die Praxis sehr oft bei der Wissenschaft vergeblich eine Antwort auf ihre Fragen sucht und deswegen häufig eine erhebliche Nichtachtung derselben zu verzeichnen ist, dieser Zustand bei einer weiteren Entwicklung der Theorie sich bedeutend verbessern wird.

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Über die Anlage und die Benutzung dieses Buches sei noch folgendes gesagt. Es soll vor allem Studierenden der Volkswirtschaftslehre, welche über die Anfangsgründe hinaus sind und sich mehr in die ökonomische Theorie vertiefen wollen, und allen, welche auf diesem Gebiet arbeiten, eine Anregung zu einem erneuten Durchdenken ihrer Probleme gewähren. Die Entwicklung der Ideen ist eine streng systematische. Der 1. Teil kennzeichnet die  neueren Richtungen  und Bestrebungen in der Wirtschaftswissenschaft und gibt eine kurze Übersicht über die  Grundfehler der bisherigen Theorien.  Der 2. Teil enthält die sogenannten methodologischen Erörterungen, bietet Untersuchungen über  Objekt, Wesen, Aufgabe und Methode der Wirtschaftswissenschaft  und betrachtet ihre Stellung im Kreise der anderen Wissenschaften, wobei schon die Grundgedanken unserer zugrunde gelegten Auffassung des Wirtschaftlichen entwickelt werden. Der 3. Teil enthält dann die ausführliche Untersuchung über  das Wesen des Wirtschaftlichen,  und die Unterscheidung von der Technik unter Zurückgreifen auf die allgemeinsten logischen Kategorien. Der 4. Teil erörtert weiter die Grundprinzipien  des wirtschaftlichen Handelns  und den  Ertrags gedanken. Im 5. Teil schließlich wird der eine Hauptbegriff unserer Theorie, der  Kostenbegriff,  der von der größten Wichtigkeit ist und am meisten von der bisherigen Theorie vernachlässigt wurde, eingehend behandelt. Dieser Teil umfaßt schon die Untersuchungen über  Arbeit  und  Kapital,  die im Sinne unserer Theorie eben  Kosten  sind.

Der zweite Band behandelt dann im 6. Teil den  Tausch und das Geld,  die allgemeinsten Tauschvorgänge, besonders die Konkurrenz und das Monopol, und vom Geld insbesondere dessen meiner ganzen Theorie entsprechende abstrakte Auffassung, welche die  allgemeine Rechnungseinheit,  nicht die realen Zahlungsmittel als das eigentliche Geld im Sinne der Erklärung ökonomischer Phänomene erkennt. Der 7. Teil bringt  die Theorie des Preises,  vor allem der Preisbildung überhaupt, den Mittelpunkt der ganzen Wirtschaftstheorie, sodann das wichtigste aus der Lehre von  den Preisveränderungen.  Im 8. Teil wird eingehend die Lehre vom  Geldertrag und Einkommen  untersucht, während der 9. Teil die Erklärung der  einzelnen Einkommensarten  bringt, beide mit eingehender Kritik der in diesem Punkt ganz besonders fehlerhaften bisherigen Theorien. Der 10. Teil schließlich enthält einzelne Anwendungen meiner Theorie, insbesondere auf die  Produktivitätslehre,  die Lehren von der  Kapitalbildung  und von den  Krisen  und vergleicht am Schluß diese ganze auf Selbstregulierung durch das Ertragsstreben eingestellte Organisation des Tauschverkehrs mit dem Gedanken einer obrigkeitlichen Wirtschaftsregelgung des Sozialismus.

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Aus didaktischen Gründen habe ich schwierige und an verschiedenen Punkten des theoretischen Systems bedeutsame Lehren bzw. die Kritik solcher in mehrere Teile zerlegt und bringe sie an verschiedenen Stellen und in verschiedenem Zusammenhang. Das gilt besonders von dem eng zusammengehörigen Komplex von Theorien, der die Grundlage für die bisherige Einkommenslehre bildet und dort den Mangel einer wirklichen Erklärung der Preisbildung ersetzen soll: also die Theorien von der Ertragsproduktion, d. h. der Produktivität, der Zurechnuns- und Verteilungslehre. Diese Lehren, die wir selbstverständlich sämtlich ablehnen müssen, werden zunächst hinsichtlich der Ursachen des  Konsumertrags  behandelt (Teil 4, Kap. VI, 2), wo gezeigt wird, daß dessen Verursachung entgegengesetzt ist der der Produkte; dann wieder im Abschnitt  Kosten  (Teil 5, Kap. V), wo die Frage der Wertzurechnung von den Produkten auf die Produktionsmittel erörtert wird; ferner im Abschnitt  Geldertrag und Einkommen  (Teil 8, Kap. II und III), wo auch hinsichtlich des  Geldertrags  gezeigt wird, daß seine Verursachung entgegengesetzt ist der der Produkte. Ans sie schließt sich dann die positive "Erklärung er einzelnen Ertrags- und Einkommensarten durch die Preisbildung (Kap. IV - VI), soweit sie nicht schon im Abschnitt über den Preis gegeben war. Schließlich folgt eine zusammenfassende Kritik: Die Grundirrtümer der bisherigen Ertrags- und Einkommenslehre (Teil 9, Kap. II - IV), in der die Lehre von der Ertragsproduktivität, die Zurechnungs- und Verteilungslehre, die Entgelts- und Proportionalitätslehre der Reihe nach behandelt werden. Dasselbe gilt für andere wichtige Theorien und Probleme. Ich glaube auf diese Weise eine zu ermüdende Anhäufung von Kritki an einem Punkt zu vermeiden, als auch den Vorteil erzielt zu haben, daß die Leser an verschiedenen Stellen des Werkes immer wieder auf die grundlegenden Verschiedenheiten zwischen unserer Auffassung und den bisherigen hingewiesen werden. Gerade die dreifache Verwechslung der Erträge als Produktenmenge, als Geldausdruck und als Wertausdruck ist so eingewurzelt, daß immer wieder von neuem auf sie hingewiesen werden muß. Der zweite Band "Grundlagen des Tauschverkehrs", ist 1919 erschienen. Um dem Leser die Übersicht über das ganze System und die Auffindung einzelner Gedanken zu erleichtern, habe ich statt eines Schlagwortregisters, das immer unvollkommen bleiben muß, am Schluß beider Bände eine kurze  Zusammenfassung des Gedankengangs  nach den einzelnen Abschnitten beigefügt. Doch möchte ich bitten, bei der Kritik meiner Theorien nicht die dort gegebenen kurzen Formulierungen zugrunde zu legen.

Die Fortsetzung dieses Systems, die aber über die "Grundsätze" hinausgeht, würde dann die  Lehre von der Erwerbswirtschaft  und ihren verschiedenen Formen und vom Zusammenwirken der Wirtschaftssubjekt in ihnen bilden. Ich darf vielleicht bemerken, daß sich theoretische Arbeiten dazu, die mit der hier entwickelten Theorie in Zusammenhang stehen, in meinen Büchern "Über Wesen und Formen des Verlags" (1899), "Beteiligungs- und Finanzierungsgesellschaften" (1909) und "Die Unternehmungsformen" (1912), finden. Doch denke ich einstweilen nicht an eine Fortsetzung der "Grundsätze" in dieser Weise, sondern für später an ein "Systematisches Lehrbuch der Theoretischen Nationalökonomie", auf der Grundlage meiner Theorie, das bei ihrem weiteren Ausbau eine Notwendigkeit wird.

Der große Umfang dieses Werks wurde durch die Erkenntnis der Notwendigkeit veranlaßt sehr viel eingehender, als ich das früher getan hatte, zu zeigen, was bisher in der ökonomischen Theorie gelehrt worden war. Diese Notwendigkeit drängte sich mir auf angesichts des fabelhaften Unverständnisses, das meinen bisherigen theoretischen Arbeiten entgegengebracht wurde. Da von ihnen behauptet wurde, sie seien nichts Neues, sie "übertrieben nur stark kleine in die Augen fallende Irrtümer und Fehler", sie seien "ein bloßes Spiel mit Worten" und dgl., so mußte der bisherigen Theorie einmal schärfer ins Gesicht geleuchtet werden, ihre fundamentalen Fehler und Widersprüche mußten eingehender dargestellt werden. Dabei ist natürlich immer nur ein verschwindend kleiner Teil von all dem Falschen hier zitiert, was auch nur in der systematischen ökonomischen Theorie - denn nur die Gesamtdarstellungen habe ich im wesentlichen berücksichtigt - zu finden ist. Daß alle bisherigen Theorien hinter dem "Geldschleier" technische Vorgänge der Produktion, der "Güterbeschaffung" gesehen haben, ist nicht zu bestreiten und daher auch nicht, daß hier eine systematische Erklärung des Tauschverkehrs auf einer völlig neuen Grundlage gegeben wird. Von ihr aus erscheinen alle Fehler und Irrtümer der bisherigen Theorie so klar, daß ich mich angesichts der Tatsache, daß die Wissenschaft heute noch ganz in den Banden der materialistischen Auffassung befangen ist, der Aufgabe nicht entziehen konnte, ihre wichtigsten Lehren von meinem Standpunkt einer Kritik zu unterziehen. Eine bloße Darstellung meines theoretischen Systems ohne Kritik wäre von den Hauptvertretern der bisherigen Anschauungen, die sich darin eingelebt haben, ebensowenig verstanden worden, wie das bei meinen älteren theoretischen Arbeiten der Fall war. So ist dieses Werk auch gleichzeitig eine Art Dogmengeschichte der wichtigsten ökonomischen Lehrmeinungen, wie sie eben nur von dem hier zugrunde gelegten neuen Standpunkt aus möglich war. Dadurch ist, wie ich hoffe, sein Wert für den Studierenden gewachsen, mag auch später, wenn einmal die Irrtümer der bisherigen Theorie überwunden sein werden, eine so eingehende Kritik vielleicht als überflüssig erscheinen.

Daß meine Einwendungen gegen die bisherige Theorie nicht verstanden wurden und manche ihrer Vertreter nur bestrebt sind, sie als unberechtigt hinzustellen, dabei auch hie und da versuchen, ihnen plötzlich einen ganz anderen Sinn zu unterlegen, sie im Sinne meiner Anschauungen zu interpretieren, muß ich in Kauf nehmen. Eine vorurteilslose und verständnisvolle, das ganze System beleuchtende Kritik wird nicht bestreiten können, daß ich den Kern der bisherigen Lehren, im Kampf mit denen ich mich allmählich zu meinen eigenen Anschauungen habe durchringen müssen, richtig wiedergegeben habe. Die entgegenstehenden Behauptungen von AMONN und ESSLEN in ihren unten erwähnten Besprechungen muß ich entschieden zurückweisen, sie beruhen bei ESSLEN auf völligem theoretischem Unverständnis, bei AMONN in fast allen Fällen auf einer willkürlichen Interpretation aus dem Zusammenhang gerissener Zitate, in einigen Fällen - leider muß ich das sagen - auf direkten Fälschungen meiner Ausführungen.

Im allgemeinen kann ich aber mit der Aufnahme, die dieser erste Band in den drei Jahren seit dem Erscheinen der ersten Auflage gefunden hat, sehr zufrieden sein. Das Interesse für eine Neubegründung der ökonomischen Theorie ist überraschend groß, wie der rasche Absatz der ersten Auflage von 1500 Exemplaren beweist. Eine große Reihe überaus anerkennender Zuschriften, namentlich auch von wissenschaftlich interessiertem Praktikern, die mit den bisherigen Theorien nichts anzufangen wußten, beweist auch ein großes Verständnis für die ökonomische Theorie, wenn sie nur, trotz aller Abstraktion, mit dem praktischen Leben in Verbindung bleibt. Auch aus den Kreisen der Fachkollegen haben manche großes Verständnis bekundet, wie die Besprechungen von JAFFÉ in seinem "Archiv", 44. Bd., Heft 1, von WEYERMANN in den "Jahrbüchern für Nationalökonomie", 1919, Heft 5, von GERLOFF in der "Frankfurter Zeitung" vom 16. März 1919, von ENGLIS in der "Deutschen Wirtschaftszeitung" vom 15. April 1918 beweisen (3). Daß sich ein großer Teil der Fachkollegen, von denen aber recht kaum einer die beiden Bände wirklich studiert hat, noch ablehnend verhält, ist bei dem jeder Wissenschaft innewohnenden Trägheitsmoment und bei dem geringen theoretischen Verständnis der heutigen, meist aus der historischen Schule stammenden Nationalökonomien leicht erklärlich. Der systematische Charakter meines Werkes, der logische Zusammenhang aller meiner Theorien ist, trotzdem die Hauptgedanken des zweiten Bandes schon seit meinem Aufsatz über die Preistheorie von 1912 und dann seit meinen beiden letzten Geldschriften vorliegen, nur von wenigen wirklich erkannt worden. Kein Wunder. Die Wissenschaft zerfiel bisher in eine ganze Reihe voneinander völlig unabhängiger Theorien und ein einheitliches  System mit dem die ganze Organisation des Tauschverkehrs geschlossen erklärt wurde, ist seit den Zeiten der Klassiker überhaupt nicht mehr aufgestellt worden.

So sind auch die drei ablehenden Kritiken, die von ESSLEN (in "Schmollers Jahrbuch", 1918) von AMONN (im "Archiv für Sozialwissenschaft", 1919), von OPPENHEIMER (in der "Zeitschrift für Politik", 1919) veröffentlicht worden sind, ohne jedes Verständnis für den systematischen Charakter meiner Theorien. Die erste mit ihren unglaublichen Mißverständnissen und zahllosen Irrtümern ist außerdem charakteristisch für den mangelnden theoretischen Sinn der von der historischen Schule herkommenden Nur-Kritiker; die zweite ist das Muster einer unsachlichen, meine wirklichen Gedanken ignorierenden, an gelegentlichen Formulierungen klebenden und sie auch öfters entstellenden Tendenzkritik, die die Grenznutzenlehre verteidigen und meine Lehre, ohne Rücksicht auf ihre und meine  Ergebnisse,  nur als eine "Verballhornung" jener kennzeichnen soll; die dritte ist bemerkenswert für die Verbohrtheit der wenig theoretisch Befähigten in den bisherigen Anschauungskreis, der Preise und Einkommen als Gütermengen ansieht, und zeigt damit auf das Deutlichste, wie neu in Wahrheit der ganze Gedankenbau meines Systems ist, was die beiden ersteren, sei es aus Unverständnis, sei es aus Tendenz, bestreiten. Ich habe auf alle drei in den betreffenden Zeitschriften das Wesentlichste kurz erwidert, eingehender in einem Aufsatz "Zur psychischen Wirtschaftstheorie" im "Archiv für Rechts- und Wirtschaftstheorie" (1920). In der Abwehr dieser, auch in der Form manchmal ganz ungehörigen Kritiken bin ich gelegentlich zu einer Schärfe des Tons gezwungen gewesen, wie ich sie sonst nicht liebe. Aber der Sache wegen konnte ich so unsachliche, rein persönliche und meine wirklichen Ausführungen entstellende Kritiken, wie namentlich die von AMMONs, nicht unwidersprochen lassen. Im übrigen scheint mir, dank der günstigen Aufnahme, die das Werk im allgemeinen gefunden hat, meine Lehre es bald nicht mehr nötig zu haben, daß ich auf derartige Angriffe antworte. Ich kann heute schon die Überzeugung aussprechen, daß sie ihren Weg machen und dann eine gerechte Beurteilung finden wird.

In dieser zweiten Auflage ist  Wesentliches  nicht verändert worden. Formulierungen sind vielfach verbessert worden. An der Einteilung, dem systematischen Aufbau des Ganzen ließ sich gar nichts ändern. Nach langer Überlegung habe ich auch die beiden kritischen Kapitel des ersten Teils (Kap. III und IV) beibehalten. Außerhalb des Kreises der Fachkollegen, von denen manche natürlich nicht sehr erbaut davon waren, daß der bisherigen Theorie gleich zu Anfang ein großes Sündenregister vorgehalten wird, waren sie nötig. Diejenigen, die etwas von der bisherigen Theorie schon kennen, mußten gleich von Anfang an darauf hingewiesen werden, daß hier nicht etwa nur kleine Abänderungen der bisherigen Lehre gegeben werden, sondern mußten gleich auf die ganz andere Einstellung hingewiesen werden, die diesem Werk gegenüber nötig ist. Wer die beiden Bände durchgearbeitet und meine Theorie als Ganzes erfaßt hat, wird das begreifen. Stark umgearbeitet wurden Teil 3, Kap. III, § 2, der auch einen anderen Titel: "Die abstrakte Auffassung des Wirtschaftlichen" erhalten hat, und im letzten Kapitel die Ausführungen über den Ertragswert im allgemeinen und in der Forstwirtschaft im besonderen.

Für Anregungen und Verbesserungsvorschläge bin ich jederzeit dankbar.
LITERATUR Robert Liefmann, Grundsätze der Volkswirtschaftslehre, Stuttgart und Berlin 1920
    Anmerkungen
    1) Sie sind von mir mit einer Würdigung seines Inhalts im Jahre 1910 anläßlich der hundertesten Wiederkehr des Geburtstages des Autors in einem Aufsatz in den "Jahrbüchern für Nationalökonomie und Statistik" geschildert worden.
    2) Der  Grenzgedanke  ist aber schon früher von THÜNEN, andeutungsweise schon bei RICARDO, verwendet worden, jedoch nicht in Verbindung mit einer psychischen Auffassung der Wirtschaft.
    3) Ferner seien genannt die Besprechungen von Reichsmilitärgerichtsrat Dr. PH. MAYER im "Archiv für Rechts- und Wirtschaftsphilosophie", 1919, Dr. K. MUHS, "Deutsche Allgemeine Zeitung", Oberförster KATZER, "Forstliche Wochenschrift Silva", 1. August 1919. Dr. GÜNTHER, "Leipziger Neueste Nachrichten" vom November 1917 und 19. Dezember 1919, und Professor K. SKOKAN, "Der Handelsakademiker", Februar 1920 (die beiden letzteren für beide Bände).