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ALBERT STERN
Über die Beziehungen
Christian Garves zu Kant

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"Als die versprochene Rezension von Leipzig aus eintraf, erschien sie Feder zu lang; er erlaubte sich daher, sie, ohne das rezensierte Werk zuvor gelesen zu haben, journalgerecht zu machen, und ließ dabei natürlich auch manches von seinen eigenen Ideen einfließen. In dieser verstümmelten Gestalt erschien sie am 19. Januar 1782 in den "Zugaben zu den Göttinger gelehren Anzeigen" (Stück 3, Seite 40-48)."


Erster Teil
Garves äußere Beziehungen zu Kant

1. K a p i t e l
Garves und Kants
gegenseitige Wertschätzung

Trotz der weiten Kluft, die sich in prinzipieller Hinsicht zwischen beiden Philosophen befand und deren sich auch beide bewußt waren, besaßen sie doch Vorurteilslosigkeit genug, um sich in ihrer sonstigen Gegenseitigen Schätzung dadurch nicht beeinflussen zu lassen und einander die durch Eigenschaften des Geistes und Charakters verdiente Hochachtung nicht vorzuenthalten; nur durch ein solches Verfahren ist es möglich, auch den Anschauungen des Gegners einigermaßen gerecht zu werden. Die freundschaftliche Gesinnung, welche KANT gegen GARVE und GARVE gegen KANT hegte, ist umso höher anzuschlagen, als sie aus keiner persönlichen Bekanntschaft (die so oft Gegensätze überbrückt oder zumindest mildert) hervorgegangen war: GARVE und KANT haben einander nie in ihrem Leben gesehen und mußten sich in ihrem gegenseitigen Verkehr auf einen kurzen, wenn auch inhaltsreichen, Briefwechsel beschränken. Je unangenehmer die Veranlassung war, welche denselben inauguierte [ins Leben gerufen hat - wp], umso mehr befestigte sich bei beiden Männern nach Hebung der Mißverständnisse das Gefühl gegenseitiger Wertschätzung.

Hatte KANT, wie aus dem Anfang seines ersten Briefes an GARVE hervorgeht, schon dessen frühere Schriften (also wohl besonder die verschiedenen Beiträge zur "Neuen Bibliothek der schönen Wissenschaften und der freien Künste", da GARVE außer diesen nur einige Übersetzungen und lateinische Dissertationen bis zum Jahr 1783 veröffentlicht hatte) mit Vergnügen gelesen, so wuchs seine Hochachtung, als die eigene Beschäftigung mit praktischen Materien seine Aufmerksamkeit auf ihn erhöhte und er mehrere von GARVEs späteren Schriften (1), so die "Anmerkungen zum Cicero" (2), die "Abhandlung über die Verbindung der Moral mit der Politik" (3), die "Versuche" (4) (wenigstens teilweise) und den ersten Band der "Vermischten Aufsätze" (5), kennen lernte. Zwar befindet er sich oft in sachlicher Opposition gegen ihn, doch versäumt er dann nie, den Tadel durch ein ehrendes Beiwort zu versüßen. In dem Entwurf "Zum ewigen Frieden" (gegen Schluß) nennt er GARVE einen "würdigen Gelehrten"; in der Vorrede zur "Rechtslehre" einen "weisen Mann" und "Philosophen in der echten Bedeutung des Worts"; im ersten Abschnitt der Abhandlung "Über Theorie und Praxis" einen "rechtschaffenen Mann", dem er auch "Scharfsinn" nachrühmt; in einem Brief an MARCUS HERZ (1776) (6) zählt er ihn neben BAUMGARTEN und MENDELSSOHN zu den "größten Annalisten" (?) (7) seiner Zeit, denen er "von weitem folgt."

Wie KANT von GARVE, so spricht auch GARVE von KANT in seinen Schriften mit größter Hochachtung; auch seine gedruckten Briefe enthalten vielfache Belege hierfür. Er verehrt in ihm einen "großen und wahrheitsliebenden Mann" (8), dessen "philosophisches Genie" (9) er bewundert; er rühmt seinen "Tiefsinn", welcher "den Tiefsinn ähnlicher Köpfe erweckt" (10), und seine "ausdauernde Beharrlichkeit in der Durchdenkung langer Reihen von Begriffen, worin ihm vielleicht kein Schriftsteller unserer Nation gleich ist." (11); er schätzt seinen "durch Natur- und Menschenkenntnis bereicherten Geist, der eben deswegen seine Schriften anziehender macht, als die besser geschrieben, aber rein metaphysischen Kommentare seiner Schüler" (12). Das größte Zeichen seiner Hochachtung aber bewies GARVE KANT dadurch, daß er ihm seine reifste und wertvollste Schrift, die "Übersicht der vornehmsten Prinzipien der Sittenlehre", welche er aus seiner Übersetzung der aristotelischen Ethik zu diesem Zweck besondern abdrucken ließ (13), zueignete. Er erfüllt damit gleichzeitig den Nebenzweck, durch die Darbietung einer ausführlichen und möglichst unparteiischen Beurteilung des kritischen Systems die frühere Differenz mit dem Urheber desselben auszugleichen.


2. Kapitel
Garves Kant-Studium
und dessen Früchte

Von Werken deutscher Autoren gehörten die KANTs neben denen eines WIELAND, GOETHE, GOTTER und SCHILLER zur Lieblingslektüre GARVEs (14). Er selbst berichtet (15), mit welchem Eifer er schon die vorkritischen Schriften des noch ziemlich unbekannten Privatdozenten verfolgte und mit welcher Bewunderung er sie in Gesellschaft seine Freundes ENGELS durchgelesen hat. Einzelne derselben scheint er in verschiedenen Lebensepochen wiederholt studiert zu haben; wenigstens sagt er von der, im Jahre 1763 erschienen Abhandlung "Der einzig mögliche Beweisgrund zu einer Demonstration des Daseins Gottes", daß er sie in der Sammlung der kleineren Schriften KANTs (1797), nachdem er "mit seinem Ideensystem vertrauter geworde" war, "von Neuem gelesen" hat (16). Nach erscheinen der "Vernunftkritik" verstärkte sich GARVEs Interesse an KANT, und er folgte von nun an der Ausbreitung seiner Lehre mit unausgesetzter, lebhaftester Teilnahme, wie dies besonders aus seinem vertrauten Briefwechsel mit WEISSE hervorgeht (17). Im Dezember 1789 schreibt er an den Leipziger Freund, daß er "jetzt Kanten im Ganzen zu verstehen glaube", fügt aber sogleich hinzu, daß sein eigenes Nachdenken ihn nicht immer zu den kantischen Resultaten führt (18). In demselben Brief klagt er über die Intoleranz der eingefleischten Kantianer, welche jeden, auch in bescheidenster Form vorgebrachten, Einwand gegen das System des Meisters verurteilen. (19) Andererseits tadelt er aber auch auf das Schärfste den allzu anmaßenden Ton mancher Anti-Kantianer, so z. B. eines gewissen OUVRIER (20), der ihm seine Dissertation Examen Idialismi transcendentalis", worin er KANT als einen gefährlichen Sophisten hinstellt, zugeschickt hatte (21). Am 14. April 1796 schreibt er (22), daß er die Hauptwerke KANTs (die drei Vernunftkritiken) "noch einmal im Zusammenhang durchgelesen" habe und nun in dessen Ideengang und Terminologie so bewandert ist, daß er "allenthalben glaube helle zu sehen und selbst bei dieser Lektüre wenig mehr von der alten Schwierigkeit findet." Wäre er jung und gesund, setzt er hinzu, so würde er eine Darstellung und Beurteilung des kritischen Systems liefern, um sie KANT und dem Publikum vorzulegen;
    "aber jetzt ist dies weit über meine Kräfte, und da ich nur wenig arbeiten kann, so will ich doch lieber einige meiner eigenen Ideen entwickeln besonders da jene Philosophie ihren Weg in der Welt auch ohne mich schon machen wird." (23)
Diese Resignation scheint jedoch bei GARVE nicht lange angedauert zu haben; denn schon am 8. Oktober desselben Jahres hören wir von ihm (24), daß er, da er einigen Breslauer Freunden versprochen hat, ihnen "in einer kleinen Vorlesung eine Übersicht der kantischen Philosophie" zu geben, sich bereits den Entwurf hierzu (25) aufzusetzen angefangen habe,
    "der aber, weil sich bei genauerer Betrachtung der Sache meine Ideen erweitert haben, vielleicht einmal die Grundlage einer Schrift sein wird, die ich dem Publikum vorlegen werden";
doch stehe die Ausführung dieser letzteren Absicht "noch in weitem Feld". Am 12. Juni 1798 macht er WEISSE die geheimnisvolle Mitteilung (26), daß er sich unter die öffentlichen Angreifer der kantischen Lehre mischen will, natürlich nicht in der Absicht "zu streiten, sondern nur die Wahrheit zu untersuchen"; und im September 1798, wenige Wochen vor seinem Tod, kündigt er ihm (27) das baldige Erscheinen der nunmehr beendeten "Übersicht" an, welche ihn als seines Geistes "jüngstes und unter Schmerzen (28) geborenes Kind" wegen ihres Schicksals am meisten interessiert.

Außer dieser reifsten Frucht seines, wie er ich mit Recht rühmen konnte (29), "langen und sorgfältigen" KANT-Studiums, zeugen für das letztere auch seine verschiedenen Auszüge und Entwürfe aus und über KANT, welche sich auf der Breslauer Stadtbibliothek unter seinem handschriftlichen Nachlaß befinden. Es sind dies:
    1) "Plan zu einer Vorlesung über Kants System"; 94 Seiten. Als Ergänzung hierzu enthält ein besonderes Heftchen einige "Zusätz und Anmerkungen zu dem Plan einer Vorlesung über Kants System." Sowohl in dem "Plan", wie in den "Zusätzen", ist die Darstellung mit kritischen Bemerkungen versehen.

    2. "Auszug aus Kants Kritik der reinen Vernunft"; 56 Seiten. Derselbe (mit untermischten eigenen Ideen) schließt sich abschnittsweise an das kantische Werk an, auf dessen Seitenzahlen auch öfters am Rand verwiesen wird.

    3) "Neue Durchsicht von Kants Kritik der reinen Vernunft"; 57 Seiten. Mit kritischen Bemerkungen.

    4) "Auszug aus Kants Kritik der praktischen Vernunft"; 21 Seiten. Mit kritischen Bemerkungen.

    5) "Kants Metaphysik der Sitten"; 5 Seiten. Darstellung einiger Grundbegriffe dieses Werkes, aber ohne Einmischung kritischer Glossen.

    6. "Kants Kritik der Urteilskraft"; 3 Seiten. Kurzer Auszug Garves' aus diesem Werk, und zwar, wie aus der Überschrift hervorgeht, aufgrund einer gelesenen Besprechung desselben in den "Gothaischen Zeitungen", also vor eigener Lektüre; trotzdem einige kritische Parenthesen [Einklammerungen - wp]

    7. "Kants Kritik der Urteilskraft"; 3 Seiten. Anfang einer Beurteilung dieses Werkes, also nach Lesung desselben geschrieben.

    8. "Feder gegen Kant"; 7 Seiten. Eine, wenn auch nur mittelbar sich auf Kant beziehende, doch Garves eigene Stellung zu ihm in einigen Punkten näher beleuchtende Besprechung von Feders Schrift "Über Raum und Kausalität".
Den größten Teil des in diesen Entwürfen und Auszügen niedergelegten Gedankenmaterials hat GARVE, wie er es von seinem "Vorlesungspland" in dem oben erwähnten Brief an WEISSE selbst andeutet, in seine "Übersicht" hineinverarbeitet.


3. Kapitel
Die Göttingische
Rezensionsangelegenheit

Die erste, über die "Kr. d. r. V." erschienene, öffentliche Besprechung war bekanntlich die Veranlassung zu den von KANT zwecks stärkerer Hervorhebung der realistischen Seite seiner Lehre vorgenommenen Umarbeitungen der zweiten Auflage seines Werkes (1787) und hatte, wenigstens in ihrer ursprünglichen Form, GARVE zum Verfasser. Die Entstehungsgeschichte derselben ist in kurzem folgende: Im Jahre 1781 hielt sich GARVE einige Monate in Göttingen auf, vorzüglich in der Absicht, um bei HEYNE ein Kollegium über die römischen Altertümer (im Interesse seiner Übersetzung der Büchern des CICERO "Von den Pflichten") zu hören (30). Er bat FEDER, den Redakteur der "Göttinger gelehrten Anzeigen", in dessen Haus er während der Zeit seines dortigen Aufenthalts wohnte, um Auftrag zu Rezensionen. Dieser hatte eine Anzeige des eben erschienenen kantischen Buches flüchtig gelesen und übergab ihm dasselbe zur Beurteilung in seinem Journal. Am 13. August 1781, als Garve gerade mit der erstmaligen Lektüre der "Vernunftkritik" zu Ende war, sagte derselbe zu GRUNER, dem Hausfreund FEDERs, bei einer Begegnung mit ihm in dessen Garten:
    "Ich glaube gewiß, wenn ich diese Schrift geschrieben hätte, ich wäre von Sinnen gekommen, und ich begreife nicht, wie sie einer hat schreiben können, ohne von Sinnen zu kommen. Ich wünsche, ich hätte alle metaphysische Gedanken aus meinem Kopf; denn es ist wirklich non operae pretium [den Aufwand nicht wert - wp], wenn man so tief nachdenkt, daß der Körper dadurch leiden muß." (31)
Hierzu bemerkt GRUNER mit Recht, daß dieser Ausspruch nur durch die Neuheit, den Umfang und die Schwierigkeit des kantischen Unternehmens veranlaßt worden ist, während GARVE in seinem späteren Leben gezeigt hat, daß weder Anhänglichkeit an das Gewohnte, noch die Scheu vor großer Anstrengung ihn verleiten konnte, etwas Bewunderungswertes zu verkennen (32). Als die versprochene Rezension von Leipzig aus eintraf, erschien sie FEDER zu lang; er erlaubte sich daher, sie, ohne das rezensierte Werk zuvor gelesen zu haben (33), journalgerecht zu machen, und ließ dabei natürlich auch manches von seinen eigenen Ideen einfließen. In dieser verstümmelten Gestalt erschien sie am 19. Januar 1782 in den "Zugaben zu den Göttinger gelehren Anzeigen" (Stück 3, Seite 40-48) Wenige Monate danach schrieb FEDER an GARVE, um sich wegen seines, tatsächlich unverantwortlichen, Schrittes zu rechtfertigen. Die erste Hälfte des - bisher ungedruckten und auf der Breslauer Stadtbibliothek aufbewahrten - Briefes (datiert Göttingen den 7. Mai 1782) lautet:
    "Liebster Freund! Es würde mich sehr beunruhigen, daß Sie meinen ersten Brief, den ich mittels Herrn Plattners von Leipzig aus Ihnen sehr bald und sicher zuzubringen gehofft hatte, noch nicht erhalten haben können, wenn ich fürchten müßte, daß Briefe von mir Ihnen nötig sind, die Unveränderlichkeit meiner Hochachtung und Ergebenheit Ihnen zu beweisen. Wirklich glaube ich kaum mehr, daß Sie jenen Brief noch erhalten werden, da Sie ihn am 20. März noch nicht hatten. Er sollte Sie auf die Art wie ich mich genötigt sah, von Ihrer Rezension Gebrauch zu machen, zuerst benachrichtigen. Ich stellte mir sehr gut vor, wie nahe es Ihnen gehen muß, Ihre mühsame Arbeit so reduziert, vielleicht den Geist Ihrer Gedanken so verdorben zu sehen; und ich habe sie oft beklagt. Aber kürzer, um vieles kürzer als Sie sie gemacht hatten, mußte die Rezension werden. Nach Heynes Urteil, und wirklich auch nach der Gemeinnützigkeit des Buches zu urteilen, hätte ich sie noch kürzer machen sollen. Bei dieser Abkürzung nun aber doch Rundheit und Zusammenhang zu erhalten, mußte ich manches umwandeln. An einigen Stellen, besonders am Ende, erlaubte ich mir auch einiges hinzuzusetzen, was Sie vielleich nicht ganz billigen; war mir aber doch um einiger Leser willen da gut zu sein schien. Zuvor haben Sie mir eine verdrießliche Arbeit sehr erleichtert, und Sie haben also, außer dem unbedeutenden honorario, auch auf meinen Dank noch immer den gerechtesten Anspruch." (34)
Wie gewandt weiß sich FEDER in diesem Brief mit Redensarten aus der Verlegenheit zu ziehen und, was er getan hat, als redaktionelle Notwendigkeit hinzustellen! Doch ist er wenigstens so offen, einzugestehen, daß ihm GARVE mit der Rezension eine "verdrießliche" Arbeit abgenommen hat, daß er selbst aber jene nicht bloß abgekürzt, sondern, umd "Rundheit und Zusammenhang" (!) zu erhalten, auch manches in ihr umgewandelt und stellenweise auch einiges hinzugesetzt hat.

Zum Schlimmsten, was er "hinzugesetzt" hat, gehört der unverschämt schulmeisterliche Ton, welchen er sich einem KANT gegenüber gestattete, sowie die Vermengung von dessen Idealismus mit dem BERKELEYs. Charakteristisch für beides ist gleich der Anfang der Rezension, wo er von der "Vernunftkritik" sagt:
    "Dieses Werk, das den Verstand seiner Leser immer übt, wenn auch nicht immer unterrichtet, oft die Aufmerksamkeit bis zur Ermüdung anstrengt, zuweilen ihr durch glückliche Bilder zu Hilfe kommt oder sie durch unerwartete gemeinnützige Folgerungen belohnt, ist ein System des höheren oder, wie es der Verfasser nennt, des transzendentalen Idealismus, eines Idealismus, der Geist und Materie auf gleiche Weise umfaßt, die Welt und uns selbst in Vorstellungen verwandelt und alle Objekte aus Erscheinungen dadurch entstehen läßt, daß sie der Verstand zu einer Erfahrungsreihe verknüpft und daß sie die Vernunft in ein ganzes und vollständiges Weltsystem auszubreiten und zu vereinigen, notwendig, obwohl vergeblich, versucht."
Ein Idealismus, der "die Welt und uns selbst in Vorstellungen verwandelt" - wie treffend wußte der erfindungsreihe FEDER den Kern der kantischen Lehre zu bezeichnen !! Doch dafür hatte er ja, bevor er GARVEs Rezension verkürzte, die "Vernunftkritik" so eifrig studiert! (siehe oben) Nach einer kurzen Skizzierung der Grundbegriff der "transzendentalen Ästhetik" sagt er:
    "Auf diesen Begriffen von den Empfindungen als bloßen Modifikationen unserer selbst (worauf auch Berkeley seinen Idealismus hauptsächlich baut), vom Raum und von der Zeit beruth der eine Grundpfeiler des kantischen Systems."
KANT und BERKELEY! Wer beide in einem Atem nennt, von dem läßt sich allerdings nicht annehmen, daß er dem Realismus des ersteren gerecht werden würde; und doch ist gerade dieser einer der wichtigsten "Grundpfeiler" seiner Lehre! (35) Trotzdem KANT immer und immer wieder die Subjektivität alles menschlichen Erkennens betont, zweifelt er doch keinen Augenblick an der realen Existenz von "Dingen ansich", welche sowohl unseren Erscheinungen, wie unserem Vernunftvermögen zugrunde liegen; zwar hat er sich den Weg zur Erkenntnis dieser "Dinge-ansich" durch sein eigenes System abgeschnitten: aber muß man alles, was man für unerkennbar hält, darum auch für nicht existierend halten? (36) Ganz anders BERKELEY, dessen Lehre daher KANT von der seinigen streng unterscheidet (37). Der transzendentale Idealismus KANTs begründet die Erscheinungen und die Erfahrung (und zwar in formeller Hinsicht durch die apriorischen Anschauungs- und Denkformen, dem Stoff nach durch die unsere Sinnlichkeit affizierenden "Dinge-ansich"; der dogmatische (empirisch-psychologische) Idealismus BERKELEYs gründet sich dagegen auf die Tatsachen der inneren Erfahrung, also auf unsere subjektiven Vorstellungen, außer denen es nichts Reales gibt! Während sich KANT durch eine scharfe Trennung von Erkenntnisstoff und Erkenntnisform den Weg zu den "Dingen ansich" bahnt, vermengt BERKELEY beides miteinander, zählt die Raumvorstellung zu den Empfindungen und schließt Alles in den Bereich unseres Ich ein. Ist somit erstere Lehre von letzterer durch ihren metaphysischen Realismus (wenn auch KANT diesen Ausdruck niemals gebraucht hat) unterschieden, so unterscheidet sie sich von ihr zugleich durch ihren empirischen Realismus. (38)

Zwar kennt auch BERKELEY eine Art Empirie, nämlich die des Inneren: da aber bei ihm die Seele alles aus sich selbst erzeugt und die Außenwelt nichts dazu beiträgt, so kann seinen "Vorstellungen" eine gewisse "Realität" auch nur insofern beigelegt werden, als sie als phänomenale Tatsachen in uns vorhanden sind (was jedoch eine unerlaubte Verflüchtigung des Begriffs "Realität" wäre, da hiernach auch den Phantasmogorien eine solche zugeschrieben werden müßte); als "bloße Modifikationen unserer selbst" (hier ist FEDERs Ausdruck an seinem Platz!) sind sie viel zu innig mit dem erkennenden Subjekt verwachsen, um, getrennt von demselben, auch nur gedacht werden zu können. KANT dagegen unterscheidet von den "Dingen ansich" und den "Vorstellungen" noch ein Drittes (welches gleichsam in der Mitte zwischen beiden liegt): die "Gegenstände der Vorstellungen" oder die "Erscheinungen" (39). Da nach ihm der Stoff aller Erkenntnis von außen kommt, so behalten seine "Vorstellungen", wenn sie auch vollständig in unser Inneres aufgenommen werden, doch noch so viel materielle (oder richtiger: an die Materie erinnernde) Überreste ihrer Herkunft, daß es möglich wird, sie in ihrer Abgesondertheit vom Subjekt zu betrachten; sie bilden dann das sogenannte "Objekt ansich" oder die "Sinnenwelt ansich", deren Unterschiedensein von der allgemeinen Grundlage des Bewußtseins KANT nie geleugnet hat. Diesen "Gegenständen der Vorstellungen" kann man, ohne sich einer Begriffsdehnung (wie BERKELEY gegenüber) schuldig zu machen, sehr wohl eine "empirische Realität" zuschreiben (40); doch wird FEDERs Rezension der letzteren ebensowenig gerecht, als dem "metaphysischen Realismus" KANTs.

Bei dieser Verwechslung zweier so grundverschiedenen Anschauungen, wie des transzendentalen und dogmatischen Idealismus, wird man nicht erwarten, den eigentlichen Zweck und die Hauptfrage der "Vernunftkritik" richtig angegeben zu finden; FEDER übergeht diese Punkte mit vornehmem Schweigen. Das von GARVE ursprünglich ziemlich ausführlich behandelte und so wichtige Kapitel von der "Analytik der Grundsätze" fertigt er mit den Worten ab (a. a. O., Seite 42):
    "Wir übergehen den Versuch des Verfassers, das ganze Geschäft des Verstandes noch weiter aufzuklären ... Es sind die gemein bekannten Grundsätze der Logik und Ontologie, nach den idealistischen Einschränkungen des Verfassers ausgedrückt."
In dieser oberflächlichen Manier geht es die ganze Rezension hindurch; überall bemerkt man die vorgenommenen Verstümmelungen. Wie sich in manchen Vexierspiegeln die normalsten Gesichtszüge zu lächerlichen Formen verzerren, so erging es GARVEs Gedanken, als sie unter FEDERs Rotstift geraten sind; nur mit dem Unterschied, daß, während dort die Karikaturen meist in unnatürlichen Vergrößerungen bestehen, hier durch Kürzungen derselbe Effekt erzielt wird. Gegen Ende der Rezension (Seite 47) macht sich der Göttingische Redakteur vollständig von seiner Vorlage los und wandelt nun seine eigenen Bahnen; der große FEDER belehrt den kleinen KANT, wie er es hätte anfangen sollen, um seinen Beifall zu verdienen.
    "Die Mittelstraße zwischen ausschweifendem Skeptizismus und Dogmatismus, den rechten Mittelweg mit Beruhigung, wenngleich nicht mit völliger Befriedigung, zur natürlichsten Denkart zurückzuführen, scheint uns der Verfasser nicht gewählt zu haben."
Daß dieser empfohlene "Mittelweg" in der Theorie des "gesunden Menschenverstandes" besteht, erfahren wir am Schluß der Rezension.

Es ist leicht erklärbar, daß der arrogante Ton derselben und die Verfälschung seiner Ansichten KANT im höchsten Grad erbittern und zu der Philippika [Schmährede - wp] hinreißen mußte, welche er im Anhang seiner "Prolegomena", (1783) gegen den anonymen Rezensenten schleuderte und worin er ihn als einen seichten Kopf hinstellt, der nur die Begriffe seines eigenen Kompendiums im Kopf hat und über ein Werk urteilt, das er nicht versteht; der ihn - absichtlich oder aus Unvermögen - mißverstanden und die Tendenz seines Buches verkannt hat; am Schluß fordert er ihn auf, aus seinem Inkognito heraus zu treten. GARVE war über den ihm von FEDER gespielten Streich sehr verstimmt; er sollte jetzt ausbaden, was jener verbrochen hat! Daß KANTs Gereiztheit gerechtfertigt war, fühlte er nur zu gut; machte doch dieses "zusammengeflickte Ding von einigen Redensarten seiner Rezension und einigen flüchtigen, schlecht ausgedrückten Gedanken von FEDER" (41) ihm selbst den größten Verdruß. Er entschloß sich, an KANT zu schreiben und ihm den Sachverhalt auseinander zu setzen; der Brief kommt, ebenso wie KANTs verbindliche Antwort, im nächsten Kapitel zum Abdruck. Auf Zureden seiner Freunde ließ sich auch GARVE sein Manuskript aus Göttingen zurückschicken; ZOLLIKOFER (damaliger Prediger der reformierten Gemeinde in Leipzig) hatte ihn schon am 4. April 1782 brieflich (42) dazu ermuntert, indem er zugleich bedauerte,
    "daß man eine Arbeit, die so viel Zeit und Mühe gekostet hat und die so wohl geraten ist, nicht besser gebraucht hat."
NICOLAI nahm die Rezension (in ihrer unverstümmelten Gestalt) in seine "Allgemeine deutsche Bibliothek" auf, wo sie im Anhang zum 37sten bis 52sten Bd. Abt. II, Seite 838-862 gedruckt ist.

Sie ist mehr als dreimal so umfangreich, als die FEDERs und hat mit ihr so wenig Gemeinsames, daß GARVE in seinem Brief an KANT mit Recht behaupten konnte, daß nur "einige Phrasen" aus seinem Manuskript beibehalten worden sind. Der Ton ist bei ihm ein durchaus anständiger und achtungsvoller. In dieser Hinscht sticht gleich der Anfang der Rezension von dem FEDERs sehr vorteilhaft ab; er lautet:
    "Herr Kant ist aus den philosophischen Schriften, womit er bisher das Publikum beschenkt hat, als einer der tiefsten und gründlichsten Denker und zugleich als ein Mann bekannt, dem eine schöne und fruchtbare Einbildungskraft auch für die abgezogensten Begriffe oft sehr passende und glückliche Bilder darbietet, wodurch sie auch für den weniger scharfsinnigen Leser faßlich und nicht selten anziehend werden. Die Tiefe seines philosophischen Genies hat er in keinem seiner Werke noch so sehr, wie in dem gegenwärtigen, gezeigt: aber von der anderen Eigenschaft des angenehmen und populären Vortrags hat dieses Werk in seinen meisten Teilen weit weniger; nicht, glauben wir, weil die Schreibart des Verfassers gealtert, sondern weil die meisten Materien, die er hier bearbeitet, ihrer Natur nach von Sinnlichkeit und Anschauung zu entlegen sind, als daß sie mit aller Bemühung des Schriftsteller ihnen wieder konnten genähert werden."
Im weiteren Verlauf der Rezension entwickelt GARVE den Ideengang der "Vernunftkritik" mit angemessener Ausführlichkeit, bisweilen sogar mit einem Eingehen in die Details (wie bei der "Amphibolie der Reflexionsbegriffe"; daher ist auch bei ihm die Darstellung weit zusammenhängender und verständlicher, als die zusammengewürfelte FEDERs. Als Beleg hierfür mag die verschiedene Art dienen, wie beide den kantischen Satz, daß Anschauungen ohne Begriffe blind, Begriffe ohne Anschauungen leer sind (43), ausdrücken:

G a r v e (a. a. O., Seite 842)
F e d e r (a. a. O., Seite 42)
"Sinnliche Anschauungen allein geben bloße Träumereien. Verstandesbegriffe allein geben bloß eine Regel der Ordnung, ohne Sachen, die geordnet werden sollen; sinnliche Anschauungen, mit Begriffen verbunden, geben Objekte, scheinbare Wirklichkeiten." "Erfahrungen, im Gegensatz auf bloße Einbildungen und Träumereien, sind dem Verfasser sinnliche Anschauungen, mit Verstandesbegriffen verbunden."

Wenn GARVE am Schluß der zitierten Stelle von scheinbaren (statt: erscheinenden) Wirklichkeiten spricht, so erweckt dies auf den ersten Blick den Verdacht, als wenn auch er (wie FEDER) den empirischen Realismus in der Lehre KANTs übersehen hätte. Daß dies jedoch nicht der Fall und zu jener Ausdruck vielmehr auf einen lapsus calami [Schreibfehler - wp] zurückzuführen ist, beweisen mehrere andere Stellen seiner Rezension, z. B. auf Seite 843 (unten), wo er bei der Erwähnung von KANTs "Antizipationen der Wahrnehmung" den Ausdruck: "jedes empfundene Ding" mit dem Ausdruck: "jedes in der Erscheinung wirkliche Ding" identisch setzt. Jedenfalls ist er weit entfernt, KANTs Idealismus mit demjenigen BERKELEYs (den er auch mit keinem Wort erwähnt) zu verwechseln, wie es FEDER getan hat. Bezeichnend hierfür ist die kurze Charakteristik, welche GARVE von der Widerlegung des empirischen Idealismus durch den transzendentalen, wie sie KANT in seinem "vierten Paralogismus der reinen Vernunft" (44) liefert, gibt (a. a. O., Seite 850):
    "Der Idealist unterscheidet die Empfindungen des inneren und äußeren Sinnes dergestalt, daß er sich einbildet: jene stellen ihm wirkliche Dinge, diese nur Wirkungen von Dingen vor, deren Ursachen ungewiß sind. Der transzendentale Idealist erkennt keinen solchen Unterschied: er sieht ein, daß unser innerer Sinn uns ebensowenig absolute Prädikate von uns selbst, als der äußere von den Körpern angibt, insofern beide als Dinge-ansich betrachtet werden sollen; ihm zufolge gleichen unsere Empfindungen einer Reihe abwechselnder Gemälde auch darin, daß sie uns ebensowenig die wahren Eigenschaften des Malers wie der gemalten Gegenstände lehren. Mit einem Wort: der transzendentale Idealismus beweist nicht die Existenz der Körper, sondern er hebt nur den Vorzug auf, den die Überzeugung von unserer eigenen Existenz vor jener haben soll."
Man beachte wohl: GARVE sagt nur, daß KANT die Existenz der Körper nicht beweist, setzt also stillschweigend voraus, daß er sie auch nicht leugnet. Hat er somit den metaphysischen Realismus in dessen Lehre auch nicht mit aller Schärfe hervorgehoben, so hat er doch die eine Seite des transzendentalen Idealismus richtig erkannt: nämlich die Aufhebung des Vorzugs der inneren vor der äußeren Erfahrung; dieser Schritt muß erst überwunden und BERKELEYs Lehre foglich widerlegt sein, ehe man zur weiteren Erkenntnis eines metaphysischen Realismus durchdringen kann. Ist letzteres, wie gesagt, auch GARVE nicht gelungen, so hat er doch viel klarer gesehen, als FEDER, der den Kantianismus zum exklusiven Phänomenalismus gestempelt hat, welcher "die Welt und uns selbst in Vorstellungen verwandelt". Auf den letzten Seiten der Rezension (gelegentlich auch schon im darstellenden Teil derselben) macht GARVE einige kritische Bemerkungen von seinem eigenen Standpunkt aus, doch ohne Aufdringlichkeit und stets in bescheidenem Ton. Viele dieser Einwände sind allerdings verfehlt, - worüber ein Näheres im zweiten Teil meiner Arbeit!

KANT, dem GARVE seine unverstümmelte Rezension (nach Erscheinen derselben) zuschickte, scheint auch mit dieser - so berichtet wenigstens HAMANN in einem Brief an HERDER vom 8. Dezember 1783 (45) - nicht zufrieden gewesen zu sein; er reagierte aber nicht mehr darauf.
LITERATUR: Albert Stern, Über die Beziehungen Christian Garves zu Kant [Dissertation] Leipzig 1884
    Anmerkungen
    1) Die hier angeführten werden sämtlich von Kant an den - weiter unten zitierten - Stellen, wo er Garve erwähnt, namhaft gemacht.
    2) "Cicero von den menschlichen Pflichten" (auf Befehl des Königs von Preußen übersetzt, nebst 3 Teilen philosophischer Anmerkungen und Abhandlungen dazu). Breslau 1873. Spätere Ausgaben: 1787, 1788, 1792.
    3) Breislau 1788; auch als Anhang zur dritten und vierten Auflage der Cicero-Übersetzung gedruckt.
    4) in 5 Teilen, Breslau 1792 - 1802
    5) in 2 Bänden, Breslau 1796 - 1800.
    6) Vgl. Kants Werke (Ausgabe Rosenkranz und Schubert), Bd. XIa, Seite 35.
    7) Sollte an dieser Stelle nicht "Analysten", im Sinne von "Zergliederer der Erfahrung", zu lesen sein?
    8) "Vermischte Aufsätze", Bd. II, Seite 228.
    9) "Briefe an Christian Garve an C. F. Weisse und einige andere Freunde" (in zwei Teilen hg. von Manso und Schneider, Breslau 1803, Teil 1, Seite 440.
    10) ebd. Teil 1, Seite 427.
    11) "Versuche", V. 4
    12) "Versuche", III. 108, Note.
    13) vgl. außer dem Zueignungsbrief an Kant, Garves "Briefe an Weisse" II, 272.
    14) Vgl. Fülleborn, a. a. O., Seite 6.
    15) In der "Übersetzung der vornehmsten Prinzipien der Sittenlehre", Seite 346. Note.
    16) ebd. Seite 399, Note.
    17) "Briefe an Weisse", Bd. I, Seite 323, 340 usw.
    18) ebd. Bd. I, Seite 383
    19) vgl. auch den Brief vom Dezember 1790 (ebd. a. a. O., Bd. 1, Seite 439f)
    20) vgl. ebd. Bd. 1, Seite 382, 388, 461.
    21) Die Handschriften der beiden, hierauf bezüglichen, Briefe Ouvriers an Garve (vom 14. Oktober und 23. Dezember 1789) befinden sich auf der Breslauer Stadtbibliothek.
    22) "Briefe an Weisse", Bd. II, Seite 211
    23) ebd., Bd. II, Seite 212
    24) ebd., Bd. II, Seite 228
    25) Dieser "Plan zu einer Vorlesung über Kants System" befindet sich im Nachlaß Garves.
    26) "Briefe an Weisse", Bd. II, Seite 296.
    27) ebd., Bd. II, Seite 271f.
    28) Garve litt jahrelang am Gesichtskrebs.
    29) In der "Übersicht", Seite 185.
    30) Vgl. J. E. Gruner in seinem Aufsatz "Adam Smith und Christian Garve" (Neue Berlinische Monatsschrift, Juli 1801), Seite 39; ferner Schlichtegrolls Garve-Biographie, in seinem "Nekrolog auf das Jahr 1798", Bd. II, Seite 272. - Ausführliches über die Entstehungsgeschichte der Rezension berichtet Garve in seinem weiter unten abgedruckten, Brief an Kant.
    31) Nach Gruners eigenem Bericht, a. a. O., Seite 53.
    32) a. a. O., Seite 53-54 Anm.
    33) vgl. Rosenkranz in seiner "Geschichte der kantischen Philosophie", Werke XII, Seite 351.
    34) Der übrige, vom 15. Mai datierte, Teil des Briefes handelt von persönlichen Angelegenheiten und ist für die Rezensionsfrage ohne Interesse.
    35) Verkennung des (metaphysischen) Realismus Kants finden sich besonders in den Kritiken von Jacobi, Beck, Fichte, Schopenhauer und Cohen ("Kants Theorie der Erfahrung", Seite 245f, besonders Seite 252 und: "Kants Begründung der Ethik", Seite 23) und Eduard von Hartmann ("Kritische Grundlegung des transzendentalen Realismus", 1875, Seite 40f). Gegen diese falschen Auffassungen wendet sich Johannes Volkelt ("Kants Erkenntnistheorie", Seite 156f) vgl. Zeller, "Geschichte der deutschen Philosophie seit Leibniz", 1873, Seite 435f.
    36) Vgl. hierzu Kuno Fischer "Kritik der kantischen Philosophie", München 1883, Seite 23f.
    37) Besonders im Anhang der "Prolegomena" (Ausgabe Rosenkranz, Bd. III, Seite 152), und in der zweiten Auflage der Kr. d. r. V. im Abschnitt "Widerlegung des Idealismus" (Werke, Bd. II, Supplement XXI, Seite 772); vgl. hierzu auch Kuno Fischer "Geschichte der neuern Philosophie", Bd. III, dritte Auflage, Seite 72-76 und 553-54 (während noch in der zweiten Auflage dieses Werkes, Bd. III, Seite 342f und 438f Fischer das "Ding-ansich"§ in seiner derben Realität aus Kants Lehre zu eliminieren sucht).
    38) Eine prägnante Fassung des Unterschiedes von empirischem und metaphysischem Realismus, in Anbetracht der kantischen Lehre, gibt Kuno Fischer ("Kritik der kantischen Philosophie", Seite 98-99) mit den Worten: "Jener betrifft die Erscheinungen, dieser die Dinge-ansich; der transzendentale Idealismus begründet den empirischen Realismus und ist selbst durch den metaphysischen zu begründen."
    39) Vgl. Garve "Versuch", V, 21; Schopenhauer, "Welt als Wille und Vorstellung", vierte Auflage, Bd. 1, Anhang (Kritik der kantischen Philosophie), Seite 526; u. a.
    40) In neuerer Zeit hat Kirchmann den empirischen Realismus in Kants Lehre vollständig verkannt, indem er "Erscheinung" mit "Schein" schlankweg identifiziert; vgl. seine "Erläuterungen zu Kants Kr. d. r. V.", dritte Auflage, Seite 14. - Volkelt weiß mit dem "Gegenstand der Vorstellung", auf welchem doch Kants empirischer Realismus im Wesentlichen beruth, nichts anzufangen und sucht ihn dadurch zu eliminieren, daß er ihn für eine Verwechslung mit dem "Ding-ansich" erklärt; vgl. sein Buch "Kants Erkenntnistheorie", Seite 104f. - Eine richtige Auffassung der Sache bekundet der Engländer Adamson, indem er sagt "Über Kants Philosophie", übersetzt von Schaarschmidt, Leipzig 1880, Seite 167): "Daß ein gegebenes, nicht selbst hervorgebrachtes Element der Sinnlichkeit in der äußeren Wahrnehmung enthalten, und daß dieses der Wirklichkeitsfaktor in der Wahrnehmung ist - das ist das Wesentliche seiner (d. h. der kantischen) Theorie."
    41) "Christian Garves Briefe an seine Mutter", hg. K. A. Menzel (Breslau 1830), Seite 239 (in einem Brief aus Leipzig vom 15. Juli 1783).
    42) Vgl. "Briefwechsel zwischen Christian Garve und G. J. Zollikofer", nebst einigen Briefen des ersteren an andere Freunde", hg. Manso und Schneider (Breslau 1804), Seite 297.
    43) Werke II, Ausgabe Rosenkranz und Schubert, Seite 56.
    44) Kants Werke II, Seite 294f.
    45) Vgl. Schuberts Kant-Biographie (Werke XIb, Seite 89).