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Rezension der "Kritik der reinen Vernunft"
So sehen wir die Anschauungen der äußeren Sinne als Dinge und Begebenheiten außerhalb von uns an; weil sie alle in einem gewissen Raum nebeneinander und in einer gewissen Zeit aufeinander folgen. Das ist für uns wirklich, was wir uns irgendwo und irgendwann vorstellen. Raum und Zeit selbst sind nichts Wirkliches außerhalb von uns, sind auch keine Verhältnisse, auch keine abstrahierten Begriffe; sondern subjektive Gesetze unseres Vorstellungsvermögens, Formen der Empfindungen, subjektive Bedingungen der sinnlichen Anschauung. Auf diesen Begriffen, von den Empfindungen als bloßen Modifikationen unserer selbst (worauf auch BERKELEY seinen Idealismus hauptsächlich baut), vom Raum und von der Zeit beruth der eine Grundpfeiler des kantischen Systems. - Aus den sinnlichen Erscheinungen, die sich von anderen Vorstellungen nur durch die subjektive Bedingung, daß Zeit und Raum damit verbunden sind, unterscheiden, macht der Verstand Objekte. Er macht sie. Denn er ist es, der zuerst mehrere sukzessive kleine Veränderungen der Seele in ganze vollständige Empfindungen vereining; er ist es, der diese Ganzen wieder so miteinander in der Zeit verbindet, daß sie als Ursache und Wirkung aufeinander folgen; wodurch jedes seinen bestimmten Platz in der unendlichen Zeit, und alle zusammen die Haltung und Festigkeit wirklicher Dinge bekommen; er ist es endlich, der durch einen neuen Zusatz von Verknüpfung, die zugleich seienden Gegenstände, als wechselseitig ineinander wirkende, von den sukzessiven, als nur einseitig voneinander abhängigen, unterscheidet; und auf diese Weise, indem er in die Anschauungen der Sinne Ordnung, Regelmäßigkeit der Folge und wechselseitigen Einfluß hereinbringt, die Natur im eigentlichen Verstand schafft, ihre Gesetze nach den seinigen bestimmt. Diese Gesetze des Verstandes sind älter, als die Erscheinungen, bei welchen sie angewandt werden: es gibt also Verstandesbegriffe a priori. Wir übergehen den Versuch des Verfassers, das ganze Geschäft des Verstandes noch weiter aufzuklären, durch eine Reduktion desselben auf vier Hauptfunktionen, und davon abhängige vier Hauptbegriffe, nämlich Qualität, Quantität, Relation und Modalität; die wieder einfachere unter sich begreifen, und in der Verbindung mit den Vorstellungen von Zeit und Raum die Grundsätze zur Erfahrungserkenntnis geben sollen. Es sind die gemein bekannten Grundsätze der Logik und Ontologie nach den idealistischen Einschränkungen des Verfassers ausgedrückt. Gelegentlich wird gezeigt, wie LEIBNIZ auf seine Monadologie gekommen ist, und es werden ihr Bemerkungen entgegengesetzt, die größtenteils auch unabhängig vom transzendentalen Idealismus des Verfassers erhalten werden können. Das Hauptresultat aus allem, was der Verfasser über das Geschäft des Verstandes angemerkt hat, soll dann dieses sein; daß der rechte Gebrauch des reinen Verstandes darin besteht, seine Begriffe auf sinnliche Erscheinungen anzuwenden, und durch Verbindung beider Erfahrungen zu formieren; und daß es ein Mißbrauch desselben und ein nie gelingendes Geschäft sein wird, aus Begriffen das Dasein und die Eigenschaften von Objekten zu erschließen, die wir nie erfahren können.
Das Resultat von der Kritik der natürlichen Theologie ist den bisherigen sehr ähnlich. Sätze, die Wirklichkeit auszusagen scheinen, werden in Regeln verwandelt, die nur dem Verstand ein gewisses Verfahren vorschreiben. Alles, was der Verfasser hier Neues hinzusetzt, ist, daß er das praktische Interesse zuhilfe ruft, und moralische Ideen den Ausschlag geben läßt, wo die Spekulation beide Schalen gleich schwer, oder vielmehr gleich leer gelassen hatte. Was diese letztere herausbringt, ist folgendes. Aller Gedanke von einem Eingeschränkten Reellen ist dem von einem eingeschränkten Raum ähnlich. So wie dieser nicht möglich sein würde, wenn nicht ein unendlicher allgemeiner Raum wäre: so wäre kein bestimmtes endliches Reelles möglich, wenn es nicht ein allgemeines unendliches Reelles gäbe, das den Bestimmungen, d. h. den Einschränkungen der einzelnen Dinge zugrunde läge. Beides aber ist nur wahr von unserem Begriff, ein Gesetz unseres Verstandes, inwiefern eine Vorstellung die andere voraussetzt - Alle andere Beweise, die mehr dartun sollen, findet der Verfasser bei seiner Prüfung fehlerhaft oder unzulänglich. Die Art, wie der Verfasser endlich der gemeinen Denkart durch moralische Begriffe Gründe unterlegen will, nachdem er ihr die spekulativen entzogen hat, übergehen wir lieber ganz; weil wir uns darin am wenigsten finden können. Es gibt allerdings eine Art, die Begriffe vom Wahren und die allgemeinen Gesetze des Denkens an die allgemeinen Begriffe und Grundsätze vom Rechtverhalten anzuknüpfen, die in unserer Natur Grund hat, und vor den Ausschweifungen der Spekulation bewahren oder von demselben zurückbringen kann. Aber diese erkennen wir in der Wendung und Einkleidung des Verfassers nicht. Der letzte Teil des Werks, der die Methodenlehre enthält, zeigt zuerst, wofür die reine Vernunft sich hüten muß, das ist die Disziplin; zweitens die Regeln, wonah sie sich richten muß, das ist der Kanon der reinen Vernunft. Den Inhalt davon können wir nicht genauer zergliedern; er läßt sich auch aus dem Vorhergehenden schon gutenteils abnehmen. Das ganze Buch kann allerdings dazu dienen, mit den beträchtlichen Schwierigkeiten der spekulativen Philosophie bekannt zu machen; und den auch ihre eigenbildete reine Vernunft allzu stolz und kühn sich verlassenden Erbauern und Verfechtern metaphysischer Systeme manchen Stoff zu heilsamen Betrachtungen vorhalten. Aber die Mittelstraße zwischen ausschweifendem Skeptizismus und Dogmatismus, den rechten Mittelweg, mit Beruhigung, wenngleich nicht mit völliger Befriedigung, zur natürlichen Denkart zurückzuführen, scheint uns der Verfasser nicht gewählt zu haben. Beide, dünkt uns doch, sind durch sichere Merkmale bezeichnet. Zuvörderst muß der rechte Gebrauch des Verstandes dem allgemeinsten Begriff vom Rechtverhalten, dem Grundgesetz unserer moralischen Natur, also der Beförderung der Glückseligkeit, entsprechen. Wie sich daraus bald erhellt, daß er seinen eigenen Grundgesetzen gemäß angewendet werden muß, welche den Widerspruch unterträglich und zum Beifall Gründe, bei Gegengründen überwiegende dauerhafte Gründe nötig machen: so folgt auch eben daraus, daß wir an die stärkste und dauerhafteste Empfindung, oder den stärksten und dauerhaftesten Schein, als an unsere äußerste Realität, uns halten müssen. Dies tut der gemeine Menschenverstand. Und wie kommt der Räsonneur davon ab? Dadurch, daß er die beiden Gattungen von Empfindung, die innere und äußere, gegeneinander aufbringt, ineinander zusammenschmelzen oder umwandeln will. Daher der Materialismus, Anthropomorphismus usw.; wenn die Erkenntnis der inneren Empfindung in die Form der äußeren umgewandelt, oder damit vermengt wird. Daher auch der Idealismus; wenn der äußeren Empfindung ihr Rechtsbestand neben der inneren, ihr Eigentümliches, angefochten wird. Der Skeptizismus tut bald das eine, bald das andere; um alles durcheinander zu verwirren und zu erschüttern. Unser Verfasser gewissermaßen auch; er verkennt die Rechte der inneren Empfindung, indem er die Begriffe von der Substanz und Wirklichkeit als der äußeren Empfindung allein angehörig, angesehen wissen will. Aber sein Idealismus streitet noch mehr gegen die Gesetze der äußeren Empfindung, und die daher entstehende unserer Natur gemäße Vorstellungsart und Sprache. Wenn, wie der Verfasser selbst behauptet, der Verstand nur die Empfindungen bearbeitet, nicht neue Kenntnisse uns liefert: so handelt er seinen ersten Gesetzen gemäß, wenn er in allem, was Wirklichkeit betrifft, sich mehr von den Empfindungen leiten läßt, als sie leitet. Und wenn, das Äußerste angenommen, was der Idealist behaupten will, alles, wovon wir etwas wissen und sagen können, alles nur Vorstellung und Denkgesetz ist; wenn die Vorstellungen in uns modifiziert und geordnet nach gewissen Gesetzen just das sind, was wir Objekte und Welt nennen: wozu dann der Streit gegen diese gemein angenommen Sprache? wozu dann und woher die idealistische Unterscheidung? ![]() |