![]() |
![]() ![]() ![]() ![]() |
||||
Der subjektive Idealismus [1/2]
Vorrede Ich könnte fürchten, daß, indem ich von der Gegenwart zur Gegenwart rede, und über teilweise noch jetzt lebende und schreibende Philosophen urteile, vielfach Anstoß und Ärgernis an meiner Darstellung genommen wird. Es muß aber aus dem anarchischen Zustand, in welchen die deutsche Philosophie durch ihre Umwälzung geraten ist, sich zur Einheit der Prinzipien gerettet werden. Dies ist nun nicht anders möglich, als durch eine treue Schilderung der Ansichten und Gegensätze, die unsere Zeit erzeugt hat, so wie durch eine freimütige Entscheidung über ihren Wert. Die Gedanken der Philosophen, welche diese Geschichte enthält, sind ein ungeheurer Schatz und Reichtum der deutschen Nation, an dem sie ein genügendes Mittel besitzt, innerlicher und tiefer, als jedes andere Volk Europas, zur reifsten Entwicklung ihres Geistes und vollständigsten Wiedergeburt ihres Lebens zu gelangen. Die darauf sich beziehenden Reden der Philosophen sind an einem Geschlecht spurlos verhallend vorübergegangen. Sollte nicht das jetzige erkoren sein, die Früchte zu ernten? Wer möchte nicht sein Scherfleins hergegeben haben, seiner Nation diesen Reichtum zu erwerben? Auch sind derer, die darauf Anspruch erheben, so viele, daß ich notwendig eine Auswahl treffen mußte. Wen ich anführe, will ich damit als ein tätiges Glied für die Erarbeitung dieses Schatzes der Tradition bezeichnen, in deren Kette die Übergangenen mir also nicht einzugreifen geschienen haben. Doch vielleicht gefällt Manchem der Ersteren die angewiesene Stelle noch weniger, als ein gänzliches Stillschweigen. Wer sieht sich gern als Moment oder Durchgangspunkt konstruiert, und nach seiner Kapazität geordnet, wenn er nicht der Ordnende ist? Keiner wird eine niedrige Sprosse der Leiter, die ihn in den Himmel der Philosophie führt, einzunehmen wünschen, sondern jeder die oberste Stufe erklimmt zu haben meinen. Bei der Bildung dieser Rangordnung bin ich synchronistisch [Gleichzeitiges zusammenstellend - wp] verfahren, nach Schulen darstellend und der inneren Sohnschaft der Gedanken, nicht nach den Jahreszahlen der Büchertitel: und habe die Priorität der Zeit der Begriffspriorität unterworfen, wenn ich jene auch nicht ganz aus den Augen setzen durfte, sondern innerhalb der Gedankenverwandtschaft ein und derselben Schule wohl gewähren lassen mußte. Doch will ich damit keineswegs über alle, die ich nicht berührte, ein Urteil gefällt haben. Es gibt auch unter den Philosophen welche, die sich die rein Geschichtlichen nennen. Mit großer Gelehrsamkeit und philologischer Genauigkeit suchen sie die Gedanken früherer Jahrhunderte aufzuhellen und darzustellen, jedes Urteils über dieselben sich enthaltend. Mit ihrem eigenen System, wenn sie ein solches zu haben behaupten, halten sie gegen das größere Publikum hinter dem Berg, und man kann es nur aus ihren historischen Schriften als einen passiven Eklektizismus [aus Versatzstücken verschiedener Theorien wird eine neue Einheit gebildet - wp] vermuten. Solche sind für das Urteil der Geschichte unerreichbar. Schlimmer ist diejenige Klasse von Schriftstellern, die mit jugendlichem Eifer ein neues Werk nach dem andern, darin aber ganz veraltete Vorstellungen ans Licht fördern und damit die Prätension [Anmaßung - wp] verbinden, keine Geschichte der Philosophie zu schreiben, sondern eine zu machen. Sie nehmen sich z. B. des Inhalts bei LEIBNIZ und WOLFF an, wärmen ihn als schottische Tatsachen des Bewußtsein auf, und sagen nur immer dabei, daß sie Alles aus einem höheren Gesichtspunkt auffassen, der dann oft nicht etwa bloß durch Terminologie späterer Philosophen, sondern sogar durch eigene neu erfundene angedeutet werden soll. Geschichte der Philosophie wähnen sie zu machen, während sie die kümmerlichen Aschenhäufchen längst verglommener Philosophie mühsam zusammenblasen, um daraus, jedoch vergeblich, ein Fünkchen Eigentümlichkeit herauszupressen. Geschichte der Philosophie, die sie darzustellen nicht vermögen, machen sie allerdings, aber sie machen keine neue, sondern rückwärts die schon da gewesene. Dabei nennen sie, mit hochmütiger Verachtung, die neueren Gestaltungen der Philosophie, in denen der echte Fortschritt des philosophischen Geistes enthalten ist: pomphaft verkündete Trugbilder der Spekulation, schimmernde Witz- und Phantasiespiele usw. Und wenn sie ihnen recht viel Ehre zu erweisen glauben, so vergleichen sie dieselben mit einem hohen Berg, und sich selbst setzen sie als den anderen Berg von gleicher Höhe, als das Komplement und die notwendige Ergänzung zu jenen. Was aber solche eigentümliche Terminologie betrifft, wo der Seele Strebungsbildungen, Angelegenheiten usw. zugeschrieben werden, so läßt sich das bei keiner Schule unterbringen und gehört keiner allgemeinen Richtung an, sondern ist und bleibt individueller Unsinn. Wie fleißig solche Schriftsteller sich also auch zeigen, und überall in den Gang der Geschichte der Philosophie einzugreifen bemüht sind, ja ihn weiter zu fördern die Zuversicht haben, so mußten sie doch, als die spätesten Spätlinge der von ihnen verfochtenen Standpunkte, übergangen werden, da sie sich an keine Gestalt der Gegenwart anschließen, und keine anerkennen, sondern von der Speise vergangener Jahrhunderte leben. Höchstens beiläufig konnte ihrer in dieser Geschichte Erwähnung getan werden. Die angebliche Neuheit ihrer Philosophien gibt ihnen kein Recht auf eine ausführlichere Darstellung; denn ihre Philosophie ist altersschwach. Sie müssen also die ganze Geschichte von 1781 an als ungeschehen betrachten; ja die Legitimität in der Philosophie fällt bei ihnen eigentlich noch weit jenseits der kantischen Reform, wenn sie auch bei deren Jubelfeier mitzuwirken sich ereifern. Indem der Zweck meiner Schilderung die allgemeine Versöhnung und Annäherung aller echten Philosophen ist, so mußte ich die heterogensten [ungleichartigsten - wp] Lehren und Systeme in eine gewissen Breite auftreten lassen und mich in dieselben hineindenken. Auch bei herber Polemik, ohne die ich es freilich nicht habe abgehen lassen könen, wird der Angegriffene indessen das Positive anerkennen, was ich seinem Standpunkt eingeräumt habe. Wenn diejenigen, welche sich im Leben am schroffsten entgegengestanden haben und die hiesige Universität, die wahre Pulsader am organischen Leib der deutschen Philosophie, in zwei feindliche Lager geteilt haben, durch meine Darstellungen ihrer Gedanken als dem Inhalt nach ausgeglichen erscheinen können, wie sie es zuletzt im Leben waren, welche Gegensätze blieben dann noch unüberwindlich und welche Hände näherten sich nicht zum freundschaftlichen Druck? Ich kann hier natürlich den nicht unberührt lassen, welcher der einzige der großen Heroen der neueren Philosophie ist, den das Schicksal nicht bloß seinen Gedanken nach, sondern auch nocht persönlich noch unter uns leben läßt. Ich wünschte ich vor Allen in die allgemeine Harmonie mit einstimmen zu sehen, wie scharf ich auch, was uns von ihm trennt, habe abgrenzen müssen; und dieses Einstimmen wäre ihm umso leichter, da ich nur aufzuzeigen brauchte, wie an seinem früher dahin geschiedenen Freund seine eigenen bestimmtesten Prophezeiungen in Erfüllung gegangen sind. Diese allgemeine Versöhnung wird, meiner Ansicht nach, das Resultat dieses letzten, härtesten Konflikts sein, den ich hier im Bild wiedergebe; und aus ihm ist eine allgemeine Philosophie hervorzugehen bestimmt, oder vielmehr schon hervorgegangen, wenn sie auch noch nicht von Allen als solche anerkannt wurden. Diese Anerkennung ist es also, welche ich, weil sie mir an der Zeit zu sein scheint, hier zu bewerkstelligen suche. Sollte es meiner Darstellung gelingen, dieses Bewußtsein allgemeiner zu machen, so wäre meine Absicht vollkommen erreicht. ![]() Einleitung 1. In einer Zeit wie der unsrigen, wo Individuen und Völker schneller leben und rascher fortschreiten, muß jede geschichtliche Darstellung ein immer wachsendes Interesse gewähren. Indem die Geschichte jetzt mit Riesenschritten der Erreichung ihres Endzwecks entgegenzueilen scheint, so hört sie auf, etwas bloß Faktisches zu sein, da sie die Prinzipien, welche stillschweigend und unerkannt ihrer ersten Entwicklung zugrunde gelegen haben, mit Bewußtsein selber gebiert. Man hört es zwar dem geschichtlichen Gang der Weltbegebenheiten unserer Zeit oft vorwerfen, daß sich dieselben nicht mehr allmählich, durch die Erfahrung, und wie von unten herauf erzeugen, sondern aus Theorien, gleich Pallas Athene in voller Rüstung aus Zeus' Haupt, hervorspringen. Solche Tadler verkennen aber gerade den Standpunkt der Gegenwart, im Gegensatz zur früheren Zeit. Frankreich kann hier in politischer Rücksicht als Repräsentant der neuen Zeit, England als das der alten angesehen werden, indem in Frankreich Alles auf Prinzipien und Theorien zurückgeführt wird, während in England sich bisher zumindest als das Land des Faktischen dargestellt hat und behaupten wollte. Gewinnt nun schon die Geschichte überhaupt dadurch an Wichtigkeit, daß das Bewußtsein der Prinzipien in sie einbricht: so muß diese hervortretende Klarheit des Wissens in noch viel größerem Maß das Interesse desjenigen Zweiges der Geschichte erhöhen, welcher ganz eigentlich die sukzessive Entfaltung der Prinzipien der Wahrheit zur Aufgabe hat. Dies ist aber die Geschichte der Philosophie. Wenn jede Zeit und jedes Volk einen bestimmten Charakter hat, einen notwendigen Standpunkt in der welthistorischen Entwicklung des Menschengeschlechts einnimmt, und alle Seiten der Tätigkeit im Volksleben nur der unendlich mannigfaltige Ausdruck seines Grundprinzips sind: so enthüllt sich in seiner Philosophie dieses Prinzip selbst, insofern es nicht durch äußeren Schmuck getrübt, sondern im reinen Gedanken aufgefaßt wird. Die Philosophie eines Volkes ergibt sich damit als den innersten Kern und das aufgeschlossene Wesen desselben, und die gesamte Geschichte der Philosophie gewissermaßen als die Probe für die allgemeine Weltgeschichte. Was sich in den politischen Verhältnissen eines Volkes, in seinen Gesetzen, seiner Kunst, seinem religiösen Leben manifestiert und in bunter Fülle verwirklicht, das gewinnt ebenso im wissenschaftlichen Leben dieses Volkes seinen geistigsten, wenngleich idealen und bloß innerlichen Ausdruck. Aus dem Gesagten ist schon im Voraus abzunehmen, daß die letzten Systeme der Philosophie unserer Zeit und das sind die seit KANT in Deutschland aufgestellten, im höchsten Grad jene das Interesse der Geschichte steigernden Titel in sich vereinigen. Und so verhält es sich dann auch in der Tat. In jenen Systemen sind die Prinzipien der Wahrheit am Einleuchtendsten und Schlagendsten mit vollem Bewußtsein niedergelegt. Woraus folgt, daß, weil es der Charakter der Zeit überhaupt ist, Prinzip und Faktisches verschmelzen zu lassen, nun auch dieser Abschnitt der Geschichte der Philosophie als derjenige bezeichnet werden muß, wo die Geschichte oder das Faktum der Philosophien sich durch sich selber aufhebt, um in die systematische Prinzipienlehre der Philosophie überzugehen und sich gänzlich mit derselben zu identifizieren. Hiervon den Beweis zu führen, ist vornehmlich der Zweck dieser Darstellung. Sie ist im Interesse keines besonderen Systems geschrieben, indem sie gerade als Grundsatz behauptet, daß jedes besondere System ein notwendiges, aber beschränktes Glied in der Kette des Ganzen ist; und sollte sie zuletzt, als an den dermaligen Schlußstein der Geschichte der Philosophie, an einen Heros gelangen, der, glücklicher als mancher französisiche Herrscher im Staatsleben, im wissenschaftlichen Leben Europas eine Universal-Monarchie zu gründen berufen wäre, welcher die ganze gebildete Welt sich zu unterwerfen hätte: so müßte der Grund hiervon lediglich darin zu suchen sein, daß er selbst kein besonderes System aufgestellt hätte, noch aufgestellt wissen wollte. Seine Philosophie könnte allein darum die höchste genannt werden und unerschütterlich bleiben, weil sie, durch die bloße Kraft ihrer Methode, alle Prinzipien der übrigen Philosophien in sich begreifen würde, und die Wahrheit in der Vermittlung und gegenseitigen Durchdringung der bisherigen und etwa noch zu gewärtigenden einseitigen Richtungen setzt. Näher liegt es im Begriff einer solchen Philosophie, aus dem Streit entgegengesetzter Systeme und Ansichten die Wahrheit sich von selbst erzeugen und entwickeln zu lassen: so daß das wahre philosophische Talent fortan nur darin bestände, dieser Selbstentwicklung der Prinzipien zuzusehen und folgen zu können. Einer solchen sich zum objektiven Inhalt der Wahrheit entfaltenden Philosophie kann der Irrtum nichts mehr anhaben, wenn jene Methode nur richtig angewendet wird. Der Irrtum ist ihr nichts Äußerliches; er entspringt nur, sobald die verschiedenen Seiten der Wahrheit isoliert werden und in dieser Trennung jede für sich mit Ausschließungt der anderen gilt. Hier aber streitet derselbe seine Einseitigkeit ab; und indem er sich selbst zur einen Seite herabsetzt, versöhnt und gleicht er sich mit der andern aus. Diese Läuterung des Irrtums ist eben die Wahrheit selbst. Irrtum und Wahrheit sind also nicht so bewegungslos gegeneinander; und die sich wissende Wahrheit kann daher von sich behaupten, si sei nur das Sich-selbst-Aufheben des Irrtums, als das Sich-selbst-Erzeugen der Wahrheit. Wenn auch die vollständig sich entwickelnde Wahrheit die Prinzipien aller einseitigen Systeme mit sich versöhnt, so muß sie sich doch auch wiederum zu einem System gestalten. Denn in der Ordnung philosophieren wir nur, wenn wir systematisch denken. Die Philosophie hört also auf, System zu sein, auch wenn sie kein historisches System bleibt, sondern das wissenschaftliche System der Wahrheit selber wird, ausgerüstet mit derjenigen wissenschaftlichen Evidenz, die gemeinhin als der ausschließliche Besitz der Mathematik gepriesen wird.
Allerdings waren es immer Individuen, welche diese neuen Erscheinungen zur Gestaltung brachten; solche Individuen sind aber nichts Anderes, als die bloßen Formtätigkeiten, durch welche sich der Inhalt der Wahrheit zum Bewußtsein des Geistes erhebt. Wie in der Politik die Macht der Begebenheit selbst, d. h. die allgemeine Vernunft, welche unsichtbar die öffentlichen Angelegenheiten leitet, das Höchste ist, das Individuen dagegen nur als die unerläßliche Bedingung der Ausführung gilt und gelten darf, so hat man es auch in der Geschichte der Philosophie nur mit der Sache zu tun, ohne dadaurch den Individuen den Heldenkranz der Geschichte entreißen zu wollen, der umso schöner strahlt, wenn Demut ihn zier:
2. Was den Charakter der zu betrachtenden Epoche im Allgemeinen betrifft, so steht bereits fest, daß sie die Kuppel des ganzen Gebäudes der Geschichte der Philosophie ausmacht. Von THALES und PARMENIDES bis auf die neueste Zeit ist die Entwicklung des philosophierenden Geistes ewigen, unveränderlichen Gesetzen gefolgt; und nach seiner mehr als 2000-jährigen Arbeit steht wohl zu erwarten, daß der majestätische Bau der Philosophie, wo nicht vollendet, doch endlich so weit gediehen ist, daß die Grundsteine nach allen Seiten hin sicher gelegt wurden, um nach und nach das Gebäude dermaleinst über ihnen auszuführen. Sollte also gegen die folgende Darstellung die Schwierigkeit erhoben werden, daß, da in der Philosophie Alles nur im Zusammenhang und das Eine durch das Andere erkannt werden kann, es unmöglich ist, einen vereinzelten Abschnitt der Geschichte der Philosophie befriedigend darzustellen: so würde sich eben im Charakter dieses Abschnitts selber eine Auflösung dieser Schwierigkeit darbieten. Denn da er das Resultat des ganzen Verlaufs der Geschichte ist, so spiegeln sich alle Richtungen derselben in ihm ab, und statt nur ein Bruchstück zu sein, darf er als der Ausdruck des Ganzen angesehen werden, wie man von der Frucht behaupten kann, daß Keim und Blüte in derselben enthalten und zu ihrer höheren Wahrheit gelangt sind. Der philosophierende Geist hat in seinem Fortschritt bis zur jetzigen Zeit sich mit der ganzen Blütenfülle all dessen bereichert, was er auf seinem Weg sorgsam und emsig gepflückt hat. Der Charakter dieses Abschnitts der Geschichte der Philosophie ist daher ferner Reichtum und Fülle. In der Tat hat keine Epoche der Geschichte so eine schnelle Folge so gewichtiger Systeme aufzuweisen, als gerade diese. Vier bis fünf Dezennien [Jahrzehnte - wp] haben ausgereicht, um eine gänzliche Umwälzung in der philosophischen Denkweise der Zeit hervorzubringen. Und dieser Glanz, einzig in der Geschichte der Philosphie, findent nur sein Gegenstück in der gleichzeitigen politischen Entwicklung eines Nachbarlandes, die nicht mehr Zeit als unsere philosophische Revolution bedurfte und derselben auf dem Fuß gefolgt ist. Wie in unserer Zeit sich dort das regste politische Leben, so zeigte sich bei uns Deutschen das regste philosophische Leben. Somit besteht der Charakter dieser Periode weiter wesentlich in ihrer Deutschtümlichkeit. Wie sich in Italien vor Jahrhunderten die höchste Blüte der Kunst entfaltet hat und wiederum in anderen Ländern die vollständigste Entwicklung politischer Institutionen zu teil wurde: so ist in Deutschland in der letzten Zeit der fast ausschließliche Besitz der spekulativen Philosophie gesichert. Seit der griechischen Philosophie des Altertums und der römisch-kirchlichen des Mittelalters haben allerdings mehrere Völker Europas sich auf dem Gebiet der Philosophie hervorgetan. Doch die von CARTESIUS gegründete metaphysische Richtung endete, aus Frankreich vertrieben und nach Holland auswandernd, durch den Spinozismus hindurch, in Deutschland in die Philosophie von LEIBNIZ und WOLFF; und der von FRANCIS BACON begonnene englische Empirismus, nachdem er in Frankreich durch CONDILLAC die cartesianische Metaphysik verdrängt und andere empirische Schulen gestiftet und auch Deuschland überschwemmt hat, wich wiederum auf deutschem Boden dem Sieg des deutschen Idealismus, welcher seit KANT und durch KANT seine Herrschaft über die ganze philosophische Welt auszubreiten sucht, und alles Interesse am philosophischen Horizont in Anspruch zu nehmen scheint. Der nähere Sinn der Deutlichkeit dieser Periode liegt dann gerade in ihrer idealistischen Richtung. Denn Deutschland ist ja dieses Land der Innerlichkeit und Subjektivität, aus dem Geist und dem Gedanken der Rechtfertigung dessen, was ihm als Wahrheit gelten soll, zu schöpfen und den Gedanken als das Prinzip der Dinge zu behaupten. In diesem Sinn soll freilich jede wahrhafte Philosophie Idealismus sein. Der Unterschied der bisherigen Richtungen in der Philosophie von den zuletzt unter uns Deutschen aufgestellten Systemen ist nur, daß diese mit Bewußtsein den Gedanken zum innersten Wesen der Dinge machen, während den älteren Systemen dieser Satz bewußtlos zugrunde gelegen hat; und notwendig tut sich dieser Unterschied in einer Zeit hervor, wo die Geschichte eben zum Bewußtsein der Prinzipien gelangt ist. Eigentlich ist aber wiederum nicht Deutschland im Allgemeinen als der Sitz und Zufluchtsort dieser Philosophien anzusehen, sondern das nördliche Deutschland, welches von je her die Freiheit des Gedankens verteidigt hat, wie dann auch der Protestantismus, dieses stete Protestieren gegen die Glaubensfesseln, in ihm seinen Ursprung genommen hat. Nicht nur durch äußere Macht, sondern vornehmlich durch die Kraft des Geistes zeichnet sich endlich der preußische Staat vor allen norddeutschen Staaten aus. Preußen hat sich daher dieser Philosophien auch am meisten angenommen und sie fast zu seinem ausschließlich Besitz gemacht, indem deren Urheber ihm teils durch Geburt angehörten und nie das preußische Gebiet verlassen haben, wie KANT: teils, verketzert und von fremden Lehrstühlen verdrängt, in Preußen allein einen Schutz für freie Äußerung ihrer Ansichten fanden, wie FICHTE: oder endlich, wie HEGEL, zur Förderung wahrer Wissenschaftlichkeit aus dem Süden zu uns herübergerufen wurden. Diese Nähe des Stoffs in Raum und Zeit kann aber nur das Interesse vermehren, welches schon aus so vielen anderen Rücksichten dieser Abschnitt der Geschichte der Philosophie zu fordern berechtigt ist. ![]() |