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KASIMIR TWARDOWSKI
Zur Lehre vom Inhalt und
Gegenstand der Vorstellungen

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"Man kann nicht das Regiment oder den Soldaten eine Eigenschaft des Heeres, die Minute eine Eigenschaft der Stunde nennen; nur die Farbe, die Ausdehnung, das Gewicht und dgl. kann man in diesem Sinne als Eigenschaften bezeichnen. Anders, wenn unter Eigenschaft eine Beziehung verstanden werden soll. Dann sind sowohl das Haben von Regimentern und Soldaten zu Teilen (oder, wie man sagt, das Zusammengesetztsein aus Regimentern und Soldaten) Eigenschaften des Heeres, wie auch das Bestehen aus Minuten (= das die Minuten zu Teilen haben) eine Eigenschaft der Stunde, und zwar in genau demselben Sinn, in welchem die Färbung und Dreidimensionalität (= das eine Farbe und drei Dimensionen zu metaphysischen Teilen Haben) Eigenschaften etwa eines Körpers sind."

"Das praktische Bedürfnis geht nicht darauf aus, die Bestandteile eines Gegenstandes unter dem Gesichtspunkt ihrer gegenseitigen Anordnung zu betrachten. Vielmehr sind ihm jene Bestandteile wichtig, welche in besonderer Weise dazu dienen können, verschiedene Gegenstände von einander zu unterscheiden, oder als ähnliche miteinander zu vergleichen."


§ 8.
Die dem Terminus  M e r k m a l
anhaftende Zweideutigkeit

Ist es uns gelungen, die tatsächliche Verschiedenheit des Gegenstandes einer Vorstellung von ihrem Inhalt nachzuweisen, so fließt daraus die Konsequenz, daß auch die Teile eines Vorstellungsinhaltes von den Teilen des vorgestellten Gegenstandes verschieden sind. Wie es also nur verwirrend sein kann, wenn man als Objekt einer Vorstellung bald den intentionalen Gegenstand derselben, also ihren Inhalt, bald ihren wirklichen Gegenstand bezeichnet, wie aber diese Verwirrung tatsächlich bei manchem Forscher auftritt, so ergibt sich als Folge jener mißdeutigen Terminologie eine doppelte Verwendungsweise des Wortes "Merkmal", indem man dasselbe bald dazu verwendet, um etwas am intentionalen Gegenstand, also am Inhalt der Vorstellung, bald um etwas am Vorstellungsgegenstand zu bezeichnen.

So spricht KERRY von Begriffen, die so beschaffen sind, daß ihr Inhalt und ihr Gegenstand "streng die gleichen Merkmale enthalten" (51).; nach HARMS besteht der Begriff in den bleibenden Merkmalen einer Sache (52).; auch MARTY läßt einen Begriff aus den Merkmalen eines Gegenstandes gebildet werden (53).. Die genannten Forscher bedienen sich also des Wortes "Merkmal", um mit demselben sowohl Teile des Gegenstandes als auch Teile des Inhaltes einer Vorstellung zu bezeichnen. Und sie sind nicht die einzigen. (54).

Wenn aber Inhalt und Gegenstand miteinander nicht identisch sind, so sind auch die Teile beider verschieden; also können sie durch ein und denselben Ausdruck nur äquivok bezeichnet werden. Aus diesem Grund hat schon HOPPE gegen eine wissenschaftliche Verwendung des Wortes Merkmal protestiert. Trotz seiner vielfachen Verwendung in der Logik scheint ihm der Ausdruck zum Terminus technicus nicht geeignet und ein in die Wissenschaft hineingetragenes populäres Wort. (55). Und er scheint Recht zu haben, wenn man bedenkt, daß selbst Forscher, die nach ihrer ausdrücklichsten Versicherung unter den Merkmalen Bestandteile des Vorstellungsinhaltes verstanden wissen wollen, ohne weiteres Eigenschaften des Vorstellungsgegenstandes als Merkmale bezeichnen. So nennt SIGWART die Elemente oder Teilvorstellungen, aus denen die zusammengesetzten Vorstellungen bestehen, Merkmale. Trotzdem zählt er zu den Merkmalen die Farbe, Gleichseitigkeit, Ausdehnung und dgl.; und doch wollte SIGWART damit gewiß nicht behaupten, daß die Vorstellung eines Dreiecks aus einer bestimmten Farbe, der Ausdehnung usw. zusammengesetzt ist; würde doch sonst diese Vorstellung (d. h. der Vorstellungsinhalt) etwas Ausgedehntes, Farbiges usw. sein.) (56). HÖFLER, der die Merkmale ausdrücklich als jene Bestandteile eines Vorstellungsinhaltes definiert, welche Vorstellungen von Eigenschaften eines Gegenstandes sind, nennt fast in einem Atem diese Eigenschaften selbst "Merkmale" und spricht von einem "Merkmal der Weiße", dem "Merkmal Farbe", während er selbst nur gestattet hat, die Vorstellung von der Weiße usw. als Merkmale zu bezeichnen. (57). - BAUMANN nennt bei den zusammengesetzten Vorstellungen jedes von dem in ihnen unterscheidbaren Mehreren im Verhältnis zur ganzen Vorstellung eine Teilvorstellung oder ein Merkmal, und der Inhalt einer Vorstellung ist danach nichts anderes als die Gesamtheit ihrer Merkmale, als ein Ganzes gedacht. Und doch zählt er als Beispiele von Merkmalen auf: schwer, dehnbar, glänzend usw. (58). Diese Doppeldeutigkeit des "Merkmals" hat ihren Grund darin, daß man nicht den Inhalt einer Vorstellung von ihrem Gegenstand streng zu unterscheiden pflegt; hätte man es immer getan, so hätte man auch den Unterschied zwischen den zwei Bedeutungen des Wortes "vorgestellt" nicht übersehen und dementsprechend nicht die Teile des in einem Sinn Vorgestellten, des Inhaltes, mit den Teilen des in einem anderen Sinne Vorgestellten, des Gegenstandes, mit dem gleichen Namen bezeichnet.

Wie durch eine Vorstellung der ganze Gegenstand vorgestellt wird, so werden die einzelnen Teile des Gegenstandes durch entsprechende Vorstellungsteile vorgestellt Nun sind die Teile eines Vorstellungsgegenstandes wieder Gegenstände von Vorstellungen, welche ihrerseits Teile der ganzen Vorstellung sind. Die Teile des Vorstellungsinhaltes sind Vorstellungsinhalte, sowie die Teile des Gegenstandes Gegenstände sind. In analoger Weise bilden die Inhaltsteile den Gesamtvorstellungsinhalt, in welcher die Gegenstandsteile den ganzen einheitlichen Gegenstand bilden.

Wer also etwa einen Apfel vorstellt, der stellt auch seine Teile vor. Der Apfel wie auch seine Teile werden vorgestellt; der Apfel ist der ganze, einheitliche Vorstellungsgegenstand; seine Teile sind Teil-Gegenstände, welchen im Inhalt der auf den Apfel bezüglichen Vorstellung ganz bestimmte Teile entsprechen. Aber während und indem der Apfel und seine Teile vorgestellt werden, hören sie nicht auf, Vorstellungsgegenstände zu sein. Ebensowenig wie der Apfel zur Vorstellung wird, wenn man ihn vorstellt, ebensowenig werden seine Teile dadurch, daß sie vorgestellt werden, zu Bestandteilen des Vorstellungsinhaltes. Denn "vorgestellt sein" heißt hier so viel wie Gegenstand einer Vorstellung sein; es ist das Wort in seiner determinierenden Bedeutung, und: der Apfel wird vorgestellt, bedeutet nichts anderes, als daß der Apfel zu einem mit Vorstellungsfähigkeit begabten Wesen in ein bestimmtes Verhältnis tritt. Wer also unter Merkmalen Teile eines Gegenstandes versteht, der mag mit vollem Recht von den vorgestellten Merkmalen sprechen; nur muß er sich dessen bewußt bleiben, daß "Vorgestelltsein" hier heißt: Gegenstand einer Vorstellung sein; daß also das in diesem Sinne vorgestellte Merkmal kein Vorstellungsbestandteil, sondern Teil des Vorstellungsgegenstandes ist.

Das eben scheint man übersehen zu haben, indem man dem determinierenden Sinn des Wortes "vorgestellt", ohne sich dessen vollständig bewußt zu werden, seine modifizierende Bedeutung unterschob. Der vorgestellte Apfel und die Vorstellung des Apfels schienen unter allen Umständen dasselbe zu sein, während diese Gleichheit zwischen den Bedeutungen beider Ausdrucksweisen nur dann besteht, wenn "vorgestellt" in einem modifizierenden Sinn genommen wird, wenn man unter einem vorgestellten Apfel den Inhalt der Vorstellung des Apfels versteht; wird ja auch dieser vorgestellt. Der vorgestellte Apfel in diesem Sinne ist natürlich kein Apfel, sondern ein Vorstellungsinhalt; so sind dann auch die Teile des Apfels, die man Merkmale nannte, zu Bestandteilen des Vorstellungsinhaltes geworden, wenn man mit dem vorgestellten Apfel den Inhalt der Vorstellung des Apfels meinte. Aus dem Merkmal, als einem Teil des Apfels, war ein Teil des Vorstellungsinhaltes geworden, denn Vorstellungsinhalt war ja der vorgestellte Apfel. Und war er dies, so waren die vorgestellten Teile des Apfels Bestandteile des Vorstellungsinhaltes.

Wie man also unter einem "Vorgestellten" bald den Inhalt, bald den Gegenstand der Vorstellung verstand, so meinte man mit dem Merkmal, womit man Teile des "Vorgestellten" bezeichnete, bald Teile des Inhalts, bald Teile des Gegenstandes. Und indem Viele Inhalt und Gegenstand nicht gehörig oder auch gar nicht unterschieden, beide für eines hielten, so nannten sie auch mit demselben Namen die Bestandteile des einen, des Inhaltes, und die Bestandteile des anderen, des Gegenstandes: Merkmale.

Daß das Gesagte nicht unbegründet ist, zeigt uns SIGWARTs Darstellung der traditionellen Lehre von der Begriffszusammensetzung. SIGWART billigt diese Lehre durchaus nicht; er faßt sie zum Zweck der Kritik folgendermaßen zusammen:
    "Die traditionelle Lehre vom Begriff lehrt das in einer einheitlichen, durch ein Wort bezeichneten Vorstellung Gedachte durch Merkmale bestimmen, einen Begriff in seine Teilvorstellungen oder Teilbegriffe zerlegen. Diese werden im Begriff gedacht und bilden seinen Inhalt. So werden im Begriff Gold die Merkmale schwer, gelb, glänzend, metallisch usw., im Begriff Quadrat die Merkmale begrenzte, vierseitige, gleichseitige rechtwinklige, ebene Fläche, im Begriff Mord die rechtswidrige, vorsätzliche, mit Überlegung ausgeführte Tötung eines Menschen gedacht; der Inbegriff dieser Merkmale bildet den Inhalt der Begriffe Gold, Quadrat, Mord; und man stellt wohl diesen Inhalt als Summe oder das Produkt der einzelnen Merkmale dar." (59).
Was also "durch Merkmale bestimmt wird", ist - referiert SIGWART - das in einer einheitlichen, durch ein Wort bezeichneten Vorstellung "Gedachte". Abgesehen davon, daß etwas ganz wohl in einer einheitlichen Vorstellung gedacht werden kann, ohne gerade durch ein Wort bezeichnet zu werden, finden wir hier schon die gerügte Zweideutigkeit, mit welcher von einem "Vorgestellten" gesprochen werden kann, und welche dadurch nicht beseitigt wird, daß der Ausdruck "Vorgestelltes" durch einen anderen, nämlich "Gedachtes" ersetzt erscheint. Denn was durch Merkmale bestimmt wird, ist entweder der Gegenstand oder der Inhalt der Vorstellung. Nach den Beispielen, die SIGWART anführt, ist es der Gegenstand, der durch die Merkmale bestimmt wird; denn nicht der Inhalt der Vorstellung des Goldes, sondern das Gold selbst, als der Gegenstand der Vorstellung ist es, dem die Bestimmungen schwer, gelb, glänzend, metallisch usw. zukommen. Diese Bestimmungen werden durch die Vorstellung des Goldes vorgestellt; aber der Inbegriff dieser Bestimmungen bildet nicht den Inhalt der Vorstellung des Goldes; dieser setzt sich vielmehr aus ebenso vielen (oder noch mehr) Teilen zusammen, als am Gold Bestimmungen unterschieden werden, welche durch die Teile jener Gesamtvorstellung, also wieder durch Vorstellungen vorgestellt werden. Der Inhalt der Vorstellung es Goldes besteht also nicht im Inbegriff der Merkmale, sondern im Inbegriff der Vorstellungen dieser Merkmale.

Indem SIGWART über diese Lehre der traditionellen Logik referiert, übersieht er selbst den Doppelsinn, welcher durch den Ausdruck, es sei etwas ein Gedachtes, vertreten wird, und den wir durch die Unterscheidung des in einer Vorstellung (also als Inhalt) Gedachten und des durch eine Vorstellung (also als Gegenstand) Gedachten zu vermeiden bestrebt sind. Wäre dies nicht der Fall, wäre SIGWART sich dessen bewußt, so könnte er nicht ÜBERWEGs Definition des Merkmals als Beleg für seine Darstellung der traditionellen Begriffslehre anführen. Denn ÜBERWEG gerade macht ausdrücklich darauf aufmerksam, daß es nicht angeht, vom Merkmal bald als von einem Inhaltsbestandteil, bald von einem Vorstellungsbestandteil zu sprechen. Seine diesbezüglichen Worte lauten: Merkmal (nota, tekmerion) eines Objekts ist alles dasjenige, wodurch es sich von anderen Objekten unterscheidet. Die Vorstellung des Merkmals ist in der Vorstellung des Objekts als Teilvorstellung, d. h. als ein Teil der Gesamtvorstellung (repraesentatio particularis) enthalten. Die Merkmale sind Merkmale der Sache, des realen (oder doch so, als wäre es real, vorgestellten) Objekts. Von Merkmalen der Vorstellung kann nur insofern mit Recht geredet werden, als sie selbst als etwas Objektives, d. h. als Gegenstand des auf sie gerichteten Denkens betrachtet wird.
    "Ein Merkmal in die Vorstellung aufnehmen" ist ein abgekürzter Ausdruck für: "das Merkmal der Sache vermöge der entsprechenden Teilvorstellung sich zu Bewußtsein bringen" oder: "in die Vorstellung ein Element aufnehmen, durch welches das betreffende Merkmal der Sache vorgestellt wird." (60).
Eine willkommerener Bestätigung des von uns Gesagten läßt sich kaum denken. Auch nach ÜBERWEG ist das Merkmal ein Teil des Gegenstandes, und wie der Gegenstand durch die Gesamtvorstellung, so werden einzelne Teile dieses Gegenstandes, seine Merkmale, durch einzelne Teile der Gesamtvorstellung vorgestellt. Was aber in der Gesamtvorstellung vorgestellt wird, das sind eben die Teile dieser Gesamtvorstellung, die Teilvorstellungen, deren "Gesamtheit in der durch die entsprechenden realen Verhältnisse bestimmten Weise ihrer gegenseitigen Verbindung den Inhalt (complexus) einer Vorstellung" bildet.

ÜBERWEG ist jedoch nicht der einzige, auf den wir uns berufen können. BOLZANO, welcher das Wort "Merkmal" in einem viel engeren Sinn faßt als ÜBERWEG, tritt der schwankenden Anwendungsweise des Ausdrucks, wonach er bald einen Inhalts-, bald einen Gegenstandsteil nennt, mit Entschiedenheit entgegen. Er sagt (61):
    Man hatte erkannt, daß nicht ein jedes Merkmal eines Gegenstandes in der Vorstellung desselben mitgedacht wird; man war hier also auf den Begriff von etwas, so er in einer Vorstellung mitgedacht wird, gekommen, und es wäre nun nötig gewesen, ein schickliches Wort für diesen Begriff zu erhalten. Ein solches wäre meines Erachtens etwa das Wort Teil oder Bestandteil einer Vorstellung gewesen, allein gerade dieses Wort wurde nur äußerst selten gebraucht, sondern man nannte jene Merkmale lieber "wesentliche", "ursprüngliche" oder auch "konstitutive" Merkmale. So gut nun auch die letztere Benennung war, so begünstigt sie doch nur zu sehr den Gedanken, daß ein Begriff nichts anderes als ein Inbegriff einiger ihn konstituierender Merkmale ist, d. h. daß es keine anderen Bestandteile in einem Begriff (oder einer Vorstellung überhaupt) gibt, als Merkmale. Erlaubte man sich nun noch, wie man (vermutlich nur der Bequemlichkeit wegen) tat, die Merkmale des Gegenstandes eines Begriffes Merkmale dieses Begriffs selbst zu nennen, so trug auch dieser Umstand das Seinige dazu bei, daß man die Merkmale eines Gegenstandes, wenn sie nur notwendig sind, mit den Bestandteilen eines Begriffs verwechselte.
Was also ÜBERWEG dem Bestreben, kurz im Ausdruck zu sein, zuschreibt, leitet BOLZANO aus der Bequemlichkeit ab, die Tatsache nämlich, daß man Bestandteile des Gegenstandes und Bestandteile des Inhaltes einer Vorstellung mit ein und demselben Namen zu belegen für gut fand. BOLZANO findet die Frage, ob man Recht daran tat, wichtig genug, um sich nicht nur in der angeführten Stelle über dieselbe auszusprechen, sondern um noch öfter darauf zurückzukommen (62). Aus diesem Umstand, wie auch daraus, daß sich aus einer strengen Unterscheidung des Merkmals als etwas, das dem Vorstellungsgegenstand angehört, von den Bestandteilen des Vorstellungsinhaltes - wie sich zeigen wird - wichtige Konsequenzen ergeben, haben wir die Berechtigung geschöpft, bei dieser auf den ersten Blick terminologisch scheinenden Frage ausführlicher zu verweilen. Als Ergebnis unserer Betrachtung können wir hinstellen, daß als Merkmale immer nur Teile des Gegenstandes einer Vorstellung, niemals jedoch Teile des Vorstellungsinhaltes zu bezeichnen sind. Welche Teile eines Gegenstandes Merkmale genannt werden können, und welche nicht, darüber später (siehe § 13).

Indem wir den Ausdruck Merkmal zur Benennung von Teilen des Vorstellungsgegenstandes in Anspruch nehmen, erwächst uns die Verpflichtung, einen Namen für die Teile des Vorstellungsinhaltes aufzuweisen. Man pflegt diese Teile als Teilvorstellungen zu bezeichnen. Aber gegen diese Gepflogenheit wurden Einwendungen erhoben. SIGWART meint, die Bezeichnung "Teilbegriffe" oder "Teilvorstellungen", die von räumlichen oder zeitlichen Verhältnissen hergenommen ist, kann doch nur bildlich sein; die Teilvorstellungen sollen ja nicht Vorstellungen der Teile eines Ganzen sein (wie von Kopf, Hals, Rumpf usw. als der Teile eines Tieres), die zur Vorstellung eines Ganzen im selben Verhältnis stünden, wie die Teile zum Ganzen, sondern Bestandteile der Vorstellung, wie die einzelnen Eigenschaften eines Dings (63).

Ob nun die Teilvorstellungen Vorstellungen der Teile eines Ganzen sind oder nicht soll erst später entschieden werden. Aber die Bezeichnung der Bestandteile eines Vorstellungsinhaltes als "Teilvorstellungen" erweist sich schon aus einem anderen näher liegenden Grund als höchst unzweckmäßig. Um dies einzusehen, braucht man nur zu bedenken, daß je zu den Bestandteilen eines Vorstellungsinhaltes nicht nur die relativ einfacheren Vorstellungsinhalte gehören, in die sich jener zerlegen läßt, sondern auch die Beziehungen zwischen diesen relativ einfacheren Inhalten als Bestandteile, wenn auch anderer Art, in den Gesamtinhalt gehören. Und diese Beziehungen, die ja überhaupt keine Vorstellungen sind, kann man wohl nicht als Teilvorstellungen bezeichnen. Und so ist es wahr, wenn LOTZE behauptet, es sei
    "ein Übelstand, daß uns ein passender Name für die Bestandteile fehlt, aus denen wir den Begriff zusammensetzen; Merkmal, Teilvorstellung passen nur für bestimmte Fälle." (64)
Will man diesem Übelstand abhelfen, so kann man sich zur Bezeichnung der Bestandteile eines Vorstellungsinhaltes des Ausdrucks "Element" bedienen. Dieser Name paßt ebensowohl für jene Bestandteile des Inhaltes, welche wieder Vorstellungsinhalte sind, als auch für jene, die es nicht sind. Neuere Forscher, wie z. B. WUNDT, legen eine besondere Vorliebe für die Verwendung dieses Namens im angegebenen Sinn an den Tag. Doch mag es vielleicht zweckmäßig sein, den gedachten Ausdruck für die durch die psychologische Analyse von nicht weiter zerlegbaren Komponenten des geistigen Lebens aufzusparen, dem Wort die ihm von seiner Anwendung in den Naturwissenschaften anhaftende Nebenbedeutung belassend. In diesem Fall kann man die Bestandteile eines Vorstellungsinhaltes als Vorstellungsteile bezeichnen, wobei man nur daran festzuhalten hat, daß unter der Vorstellung in diesem Zusammenhang immer nur der Vorstellungsinhalt, niemals der Vorstellungsakt zu verstehen ist. Will man dies besonders hervorheben, so kann man statt von Vorstellungsteilen von Vorstellungsinhaltsteilen, oder, wo der Zusammenhang keine Mißdeutung zuläßt, von Inhaltsteilen sprechen.

Den Bestandteilen eines Vorstellungsgegenstandes stehen die Bestandteil des entsprechenden Vorstellungsinhaltes gegenüber; den Gegenstandsteilen die Inhaltsteile. Sie dürfen ebensowenig miteinander verwechselt werden, wie der Inhalt einer Vorstellung mit ihrem Gegenstand. Die strenge Durchführung des Unterschieds zwischen beiden ist aus dem Grund notwendig gewesen, weil nur unter genauer Beobachtung des bestehenden Unterschieds das Verhältnis der Teile eines Vorstellungsinhaltes zu den Teilen des entsprechenden Vorstellungsgegenstandes mit Aussicht auf Erfolg untersucht werden kann.


§ 9. Die materialen Bestandteile
des Gegenstandes

Wo immer man von den Teilen eines Zusammengesetzten spricht, hat man, wie gegen Ende des vorigen Paragraphen erwähnt wurde, neben dam, was man als Teil im gewöhnlichen Sinn des Wortes bezeichnet, auch noch die Beziehungen zu berücksichtigen, in welchen jene Teile zueinander stehen, und die sich nicht weniger als Bestandteile des zusammengesetzten Ganzen darstelen. Die Gesamtheit der zuerst genannten Teile pflegt man als den Stoff zu bezeichnen, aus welchem das Ganze gleichsam besteht, während die Gesamtheit der Bestandteile zweiter Art die Form des Ganzen genannt wird. Wir unterscheiden demnach an jedem Zusammengesetzten die materialen und die formalen Bestandteile, aus denen es besteht (65).

Die Arten materialer Bestandteile, aus denen ein Gegenstand zusammengesetzt sein kann, sind von großer Mannigfaltigkeit. Eine Gruppierung derselben kann nach den verschiedensten Gesichtspunkten erfolgen und ist auch bald in dieser, bald in jener Weise versucht worden. Welche Arten von Teilen und von aus ihnen zusammengesetzten Ganzen es gibt, das zu untersuchen, ist hier nicht meine Aufgabe. Damit hätte sich eine vollständige Relationstheorie zu befassen, indem sie die Arten, in welchen etwas Teil eines Ganzen ist, und die Arten, auf welche ein Ganzes aus Teilen besteht, beschreiben und klassifizieren würde. Uns interessiert nur das allen Arten von Teilen und allen Formen der Zusammensetzung aus Teilen Gemeinsame, der Typus, dem jede Synthese folgt, und der den verschiedensten Weisen, in denen ein Ganzes zusammengesetzt sein kann, zugrunde liegt.

Hierzu ist eine Kenntnis sämtlicher Elemente, aus denen sich die Vorstellungsgegenstände zusammensetzen, im Sinne wie SIGWART dieselben aufzuzeigen sucht (66), nicht notwendig. Auch ist die Art, in welcher das Zusammengesetzte aus Einfachem wird, der genetische Ursprung der Zusammensetzung etwas, was hier nicht berührt zu werden braucht. Was vorausgesetzt wird, ist, daß es Zusammengesetztes gibt.

Das Wort Teil, Bestandteil ist im weitesten Sinn zu nehmen. Nicht nur das, was der Sprachgebrauch des täglichen Lebens oder der Mathematiker als Teil bezeichnet, soll darunter verstanden werden, sondern überhaupt alles, was sich an einem Vorstellungsgegenstand unterscheiden läßt, ohne Unterschied, ob von einer wirklichen Zerlegung oder nur einer gedanklichen in das Unterscheidbare gesprochen werden kann.

Unter dieser Voraussetzung wird man zunächst zwischen solchen materialen Teilen eines Ganzen zu unterscheiden haben, welche einfach sind, und solchen, die sich wieder in Teile zerlegen lassen. Lassen sich die materialen Teile eines Gegenstandes wieder in Teile zerlegen, so ergibt sich der Unterschied zwischen näheren und entfernteren Teilen (67). Wo es auf eine genaue Angabe des Unterschiedes zwischen näheren und entfernteren Teilen ankommt, kann man materiale Bestandteile erster, zweiter usw. Ordnung unterscheiden. Materiale Bestandteile erster Ordnung sind dann solche, in welche der Gegenstand als Ganzes geteilt erscheint. Die Teile der durch die Zerlegung des ganzen Gegenstandes gewonnenen Teile sind die materialen Teile zweiter Ordnung, und dgl. Wenn man etwa ein Buch in seine Blätter und den Einband zerlegt, so sind Blätter und Einband materiale Bestandteile erster Ordnung des Buches. Unterscheidet man nun an den Blättern ihre Farbe, ihre Größe, am Einband die Vorder- und Rückseite, sowie den Rücken, so sind das Teile zweiter Ordnung des Buches, aber Teile erster Ordnung der Blätter, bzw. des Einbandes.

Es ist klar, daß der Unterschied zwischen materialen Bestandteilen der ersten Ordnung und der folgenden oft auch nach einer anderen Richtung ein nur relativer sein kann. Während in manchen Fällen die Gewinnung der entfernteren Bestandteile an die Zerlegung in nähere gebunden ist, und jene erst erfolgen kann, sobald diese durchgeführt ist, kann in anderen Fällen eine einmalige Zerlegung sofort auch jene Bestandteile ergeben, welche unter der Voraussetzunge einer doppelten Zerlegung als Bestandteile zweiter Ordnung erscheinen. Wenn man eine Stunde in Minuten, diese in Sekunden zerlegt, so sind die Sekunden Bestandteile zweiter Ordnung der Stunden. Aber man kann, statt die Stunde in 60 Minuten und jeden Minute in 60 Sekungen zu teilen, die Stunde gleichsam auf einen Schlag in 360 Sekunden teilen. Nimmt man die Teilung auf die angegebenen Weise vor, so stellen sich die Sekunden als Bestandteile erster Ordnung der Stunde dar.

Hat man es mit solchen entfernteren Teilen zu tun, die sich durch eine entsprechende Zerlegung als die näheren darstellen lassen, so bezeichnet man die entfernteren Teile unbedenklich auch als Teile des Ganzen; nicht so in jenen Fällen, wo die entfernteren Teile erst nach erfolgter Zergliederung des Ganzen in nähere Teile zu gewinnen sind. Da sträubt sich der Sprachgebrauch, die entfernteren Teile als Teile des Ganzen zu bezeichnen. Die Sekunden nennt man Teile der Stunde nicht weniger als die Minuten; die Fenster der Häuser dagegen trägt man Bedenken als Teile einer Stadt zu bezeichnen, obgleich sie entferntere Teile derselben sind. Denn sie können nur gewonnen werden, nachdem die Zergliederung des Kollektivums "Stadt" in nähere Bestandteile, die Häuser, erfolgt ist.

Das Gesagte gilt jedoch nicht ausnahmslos. Der durch den Einfluß wissenschaftlicher Meinungen in nicht unwesentlichen Punkten beeinflußte Sprachgebrauch des täglichen Lebens nennt in manchen Fällen auch die entfernteren Bestandteile eines Gegenstandes, die nur durch eine vorhergehende Analyse desselben in Bestandteile erster Ordnung zu gewinnen sind, Teile dieses Gegenstandes. So, wenn es sich um die chemische Zusammensetzung eines Stoffes aus den Atomen der betreffenden Elemente handelt. Die Atome sind insofern entferntere Bestandteile, als sie erst durch eine Zerlegung der Moleküle zu gewinnen sind, welche als die näheren Bestandteile zu bezeichnen sind. Nichtsdestoweniger spricht man von den Atomen als Teilen eines aus ihnen zusammengesetzt gedachten Gegenstandes.

Trotz dieser Ausnahmen scheint das Verhältnis, welches zwischen den näheren und entfernteren Bestandteilen eines Gegenstandes hinsichtlich des ganzen Gegenstandes besteht, geeignet, einen Einteilungsgrund für die Klassifikation der möglichen Bestandteile von Gegenständen abzugeben, der schon vermöge seiner Natur eine Gewähr für die Vollständigkeit der Aufzählung bieten würde. Die alte Philosophie rührte daran, wenn sie zwischen Teilen, die mit dem Ganzen gleichnamig sind, und solchen unterschied, wo die Gleichnamigkeit nicht stattfindet. Dieser Umstand könnte als Einteilungsgrund für Subdivisionen [Unterteilungen - wp] verwendet werden; die Haupteinteilung würde sich des oben erwähnten Umstandes als Einteilungsgrund zu bedienen haben. Man hätte danach zu unterscheiden: Einfache und zusammengesetzte Teile; die zusammengesetzten Teile würde man einzuteilen haben in solche, deren Bestandteile Teile gleicher Ordnung des Ganzen sein können, wie die aus ihnen zusammengesetzten Teile des Ganzen, usw.

Neben dieser Einteilung der materialen Bestandteile eines Gegenstandes läuft eine andere. Es gibt materiale Bestandteile, welche immer nur in ein und derselben Weise als Bestandteile in ein zusammengesetztes Ganzes eingehen können. Andere dagegen können in verschiedener Weise als Bestandteile eines Gegenstandes fungieren. So ist "Rot" in einer Weise ein Bestandteil einer roten Kugel, in anderer Weise Bestandteil des Spektrums und in einer dritten Weise Bestandteil aller Mischfarben, in denen es enthalten ist. Die Ausdehnung - nicht im Sinne einer bestimmten Größe, sondern im Sinne einer Erstreckung nach einer, zwei oder drei Dimensionen - ist überall, wo sie als Bestandteil vorkommt, in ein und derselben Weise Bestandteil der ausgedehnten Gegenstände. Das Gleiche gilt von der Zeit, insofern sie als Bestandteil von Gegenständen, als "Dauer" derselben, erscheint.

Man findet noch eine dritte Einteilung von Bestandteilen. Danach zerfallen dieselben in solche, welche auch getrennt vom Ganzen, dessen Bestandteile sie sind, für sich existieren können. Eine zweite Gruppe umfaßt jene Bestandteile, deren Existenz an andere gebunden ist, ohne daß die Existenz dieser anderen durch jene bedingt wäre. Einer dritten und letzten Gruppe endlich werden jene Bestandteile zugewiesen, welche in ihrer Existenz gegenseitig voneinander abhängig sind. (68) Doch können wir uns dieser Einteilung der materialen Bestandteile von Gegenständen aus dem Grund nicht anschließen, weil sie auf die Bedingung der Existenz von Teilen gegründet ist. Wenn wir aber hier von Gegenständen und ihren Bestandteilen sprechen, so sehen wir den gemachten Voraussetzungen gemäß von der wirklichen, möglichen oder auch unmöglichen Existenz der Gegenstände und ihrer Teile ab und betrachten die Gegenstände nur insofern sie durch entsprechende Vorstellungen vorgestellt werden, als Vorstellungsgegenstände.

Insofern aber diese Einteilung der Bestandteile auf ihre Vorstellbarkeit zielt und demnach die Bestandteile in solche scheidet, die unabhängig voneinander, oder nur in gegenseitiger oder einseitiger Abhängigkeit vorgestellt werden können, ist sie nicht so sehr eine Einteilung der Gegenstandsteile als der Bestandteile von Vorstellungsinhalten. Und unter diesem Gesichtspunkt werden wir noch auf sie zurückzukommen haben.


§ 10. Die formalen Bestandteile
des Gegenstandes

Die formalen Bestandteile eines Gegenstandes zerfallen in zwei Gruppen, je nachdem man die Beziehungen betrachtet, welche zwischen den einzelnen Bestandteilen einerseits und dem Gegenstand als Ganzem andererseits stattfinden, oder jene Beziehungen ins Auge faßt, welche zwischen den einzelnen Bestandteilen untereinander obwalten. Wir nennen die Beziehungen, die zwischen dem Gegenstand und seinen Bestandteilen stattfinden, primäre formale Bestandteile, während wir die Verhältnisse der Bestandteile untereinander als sekundäre formale Bestandteile des Gegenstandes bezeichnen.

Wenn als primäre formale Bestandteile eines Gegenstandes die Beziehungen seiner Teile zu ihm als dem aus ihnen bestehenden Ganzen definiert werden, so ist diese Definition, genau besehen, doppelsinnig. Denn zwei Arten von Beziehungen zwischen einem Ganzen und seinen Teilen finden statt. Die eine Art umfaßt jene Beziehungen, kraft deren die Teile eben Teile dieses Ganzen sind. Denn die Teile
    "stehen nicht bloß in ihrem äußerlichen Aneinander da, sind nicht bloß im Ganzen als dem umfassenden Rahmen; es verknüpft sich vielmehr damit eine kausale Relation - das Ganze umfaßt die Teile, hält sie zusammen, hat sie ... Das ruhende Verhältnis des Ganzen zu den Teilen erschein als ein Wirken, das vom Ganzen gegen die Teile oder von diesen gegen jenes ausgeübt wird; das Ganze hat, d. h. hält die Teile, bindet sie durch ein Wirken zur Einheit zusammen, die Teile bilden das Ganze." (69)
Diese Verhältnisse zwischen dem Ganzen und seinen Teilen, welche vom Standpunkt des Ganzen aus als das "Haben" der Teile, vom Standpunkt der Teile aus als das "Bilden" des Ganzen bezeichnet werden, nennen wir primäre formale Bestandteile im eigentlichen Sinne.

Neben diesen primären formalen Bestandteilen im eigentlichen Sinne weist ein zusammengesetzter Gegenstand noch andere Beziehungen auf, deren Glieder als Ganzes gebildet werden. So ist der ganze Gegenstand größer als seine Teile einzeln genommen; der Gegenstand als Ganzes kann seinen Teilen in mannigfacher Hinsicht ähnlich, in anderen Beziehungen von ihnen verschieden sein; zwischen dem ganzen Gegenstand und seinen Teilen kann das Verhältnis der Koexistenz (wenn z. B. der Gegenstand ein Ding ist) oder der Sukzession (wenn der Gegenstand etwa eine Bewegung oder Veränderung oder auch ein Jahr, eine Stunde oder dgl. ist) bestehen. Alle diese Relationen sind vom Verhältnis, in welchem die Teile als solche zum Ganzen als solchem stehen, verschieden. Wir bezeichnen sie als primäre formale Bestandteile des Gegenstandes in einem uneigentlichen Sinn.

Da die primären formalen Bestandteile in einem uneigentlichen Sinn zu den im eigentlichen Sinn so bezeichneten wieder in Beziehungen stehen, da sie ja jene voraussetzen können, aber auch dann bestehen können, wenn die Teile nicht als Teile eines Ganzen, sondern als selbständige Gegenstände betrachtet werden, so bilden beide Arten primärer formaler Bestandteile die Glieder neuer Relationen. Wir bezeichnen diese Relationen als solche zweiten Grades, mit diesem Namen alle Beziehungen belegend, welche Beziehungen zu Gliedern haben. Analog hätte man dann Verhältnisse zwischen Beziehungen zweiten Grades als Relationen dritten Grades zu bezeichnen usw.

Unter der in der überwiegenden Mehrzahl von Fällen zutreffenden Voraussetzung, daß die primären materialen Bestandteile eines Gegenstandes wieder zusammengesetzt sind, kann man an denselben, insofern sie wieder als Gegenstände betrachtet werden, all die bereits genannten primären formalen Bestandteile finden. Denn auch die materialen Bestandteile zweiter Ordnung stehen zu den materialen Bestandteilen erster Ordnung zunächst im Verhältnis der Teile zu dem aus ihnen gebildeten Ganzen (primäre formale Bestandteile im eigentlichen Sinn), ferner aber gibt es zwischen den genannten materialen Bestandteilen Beziehungen, welche verschieden sind von dem Verhältnis, das zwischen dem Ganzen und den Teilen desselben als solchen obwaltet (primäre formale Bestandteile im uneigentlichen Sinn). Wir haben danach analog den materialen Bestandteilen erster, zweiter ... Ordnung primäre formale Bestandteile ersten, zweiten ... Ranges, und zwar sowohl solche im eigentlichen wie im uneigentlichen Sinn. Und da die Analyse des Gegenstandes nur in den allerseltensten Fällen als beendet anzusehen sein wird, wenn sie bei den materialen Bestandteilen zweiter Ordnung angelangt ist, so reihen sich an die primären formalen Bestandteile ersten und zweiten Ranges solche dritten und vierten Ranges an.

Man könnte meinen, diese primären formalen Bestandteile seien als solche erster, zweiter ... Ordnung zu unterscheiden. Aber wir bedürfen dieser Bezeichnung zu einem anderen Zweck. Wie wir als entferntere materiale Bestandteile jene bezeichnet haben, die durch eine Analyse der näheren materialen Bestandteile gewonnen werden, in gleicher Weise sind unter entfernteren formalen Bestandteilen diejenigen zu verstehen, welche sich aus der Zerlegung der näheren formalen Bestandteile ergeben. Es ist bisher zwar nur in den seltensten Fällen möglich gewesen, Relationen als solche zu analysieren. Dieselben stellten sich zumeist als ein Einfaches dar, welches aller auf seine Zergliederung gerichteten Bemühungen spottet. Man denke an Relationen, wie die der Koexistenz, der Gleichheit und dgl. Wo aber die Zerlegung möglich ist, dort stellt sich die zusammengesetzte Relation nicht als aus solchen Relationen zusammengesetzt dar, welche dieselben Glieder hätten, wie jene zusammengesetzte Relation, sondern die Zerlegung der zusammengesetzten Relation zieht die Zerlegung eines oder beider Glieder der Beziehung nach sich. Ersteres ist der Fall bei der Kausalrelation. Wenn diese definiert wird: Ein Inbegriff U von Tatsachen u1, u2 ... un wird als Ursache für das Anfangen W eines Vorgangs, und W als die Wirkung von U bezeichnet, insofern in demselben Zeitpunkt, in welchem der Inbegriff u1, u2 ... un komplett wird, mit Notwendigkeit W eintritt (70), - so erscheint die Zerlegung der Kausalrelation an die Zerlegung eines ihrer Glieder gebunden. Anstelle der Verursachung von W durch U tritt die Bedingtheit von W durch u1, u2 ... un. Der zweite Fall findet bei der Ähnlichkeitsrelation dort statt, wo sich dieselbe als partielle Gleichheit auffassen läßt. Wir sagen A (= a b c d e) sei B (= a b c δ ε) ähnlich, und konstatieren hiermit eine Relation zwischen A und B, welche sich in drei Gleichheitsrelationen, deren Glieder a, b und c sind, auflösen läßt.

Der erste dieser beiden Fälle tritt ein, wenn man die Beziehung zerlegt, kraft deren bestimmte Gegenstände als Teile eines zusammengesetzten erscheinen. Sobald diese Teile wieder zusammengesetzt sind, lösen sich die Beziehungen zwischen dem Ganzen und seinen materialen Bestandteilen erster Ordnung in ebensoviele Beziehungen zwischen dem Ganzen und seinen materialen Bestandteilen zweiter Ordnung auf, als am Ganzen Bestandteile der zweiten Art nachweisbar sind. Und die zuletzt genannten Beziehungen sind es, die wir als primäre formale Bestandteile der zweiten Ordnung bezeichnen zu müssen glauben. In analoger Weise können sich dann solche der dritten, vierten ... Ordnung aufweisen lassen. Und zwar gilt dies nicht nur von den primären formalen Bestandteilen im eigentlichen Sinne, sondern auch von den im uneigentlichen Sinn genommenen.

Alle die genannten Beziehungen verschiedenen Ranges und verschiedener Ordung können und werden zueinander in neuen Relationen (zweiten, dritten ... Grades) stehen. Und zwar wird dies in doppelter Weise möglich sein. Entweder werden die Glieder dieser Relationen durch Beziehungen gebildet, welche demselben oder einem verschiedenen Rang angehören, - oder es werden die Glieder der neuen Relationen je einer Relation der ersten, zweiten ... Ordnung und des ersten, zweiten Ranges ... angehören. Auf diese Weise ergeben sich verschiedene Gruppen von Relationen höherer Ordnungen.

Damit scheint erschöpft, was über die Arten der primären formalen Bestandteile und der zwischen ihnen möglichen Beziehungen im Allgemeinen zu sagen war.

Was nun diese primären formalen Bestandteile selbst betrifft, so weisen sie untereinander eine große Mannigfaltigkeit auf. Denn je nach der Beschaffenheit der materialen Bestandteile wird die Art, auf welche sie das Ganze "bilden" und das Ganze sie "hat", eine verschiedene sein. Die Gruppierung der primären formalen Bestandteile unter diesem Gesichtspunkt würde sich auf eine Einteilung der materialen Bestandteile gründen müssen, was wir jedoch absichtlich vermeiden wollen. Aber man muß daran festhalten, daß, wenn von primären formalen Bestandteilen die Rede ist, dieselben der Gattung nach immer gleich, der Art nach aber ungeheuer verschieden sein können; und insofern hat SIGWART ein Recht zu sagen, es könne
    "nur verwirrend wirken, wenn unterschiedslos Alles, dreiseitige Figur, dunkles Rot, rotierende Bewegung, gelber Körper, von einer Schale umgebener Kern usw. durch dieselbe Formel A = a b c d ausgedrückt wird, als wäre diese Nebeneinanderstellung der Ausdruck einer immer gleichen Verknüpfungsweise." (71)
Ist es nun aber auch jedesmal eine verschiedene Art der Synthese, welche in den von SIGWART angeführten Beispielen stattfindet, so ist es doch jedesmal die der Gattung nach gleiche Synthese der Teile zum Ganzen, welche unter allen noch so verschiedenen Gestalten dieselbe bleibt. In diesem Sinne läßt sich jeder zusammengesetzte Gegenstand als die Funktion seiner Teile auffassen und die von LOTZE und ZIMMERMANN zur Bezeichnung der Bestandteile eines Vorstellungsinhaltes und ihres Verhältnisses zum Gesamtinhalt angewandte Formel auf die zusammengesetzten Gegenstände überhaupt anwenden. Der Gegenstand ist dann so auszudrücken: G = ƒ (T, T2, T3 ... Tn), wobei mit T seine Teile gemeint sind, und zwar die materialen Bestandteile erster Ordnung. Je nach der Kategorie der Gegenstände, mit denen man es zu tun hat, und nach der Beschaffenheit der materialen Bestandteile wir die Art ihres Enthaltenseins im Ganzen eine verschiedene sein und demgemäß durch ƒ, ƒ', F, F', φ, φ' usw. bezeichnet werden können. Denn das Zeichen der Funktion ist das Zeichen für das Enthaltensein der Teile im Ganzen, das Zeichen dafür, daß das Ganze die Teile "hat", die Teile das Ganze "bilden". Wenn sich der Gegenstand in entferntere materiale Bestandteile zerlegen läßt, also T, T2, T3 ... Tn wieder zusammengesetzte Gegenstände sind, so werden der ersten Formel erläuternd folgen müssen Formeln von der Gestalt: T, g1 = T1 = ƒ1 (t1, t2 ... tn); ferner g2 = T3 = ƒ21, τ2 ... τn) usw.

So wichtig dieser primäre formale Bestandteil ist, der in der Relation des Ganzen als solchen zu seinen Teilen als solchen besteht, so groß sind die Schwierigkeiten, die seinen Begriff umgeben. Dieselben drängen sich auf, sobald man die Frage nach den Gliedern dieser Relation aufwirft. Wir haben immer von Relationen zwischen dem Ganzen und seinen Teilen gesprochen. Aber im Ganzen ist ja der Teil bereits enthalten. Und die Ausflucht hilft nichts, daß ein Teil doch zu allen anderen Teilen eines Ganzen in Relationen steht, da diese Beziehungen doch verschieden sind von jener zwischen den Teilen und dem Ganzen. Diese Schwierigkeit, an der bereits im Mittelalter gerührt wurde, erscheint durch die vorstehenden Ausführungen keineswegs beseitigt; diese sind im Gegenteil geeignet, sie in ein möglichst klares Licht zu stellen. Die Lösung der Schwierigkeit müßte die Aufgabe einer besonderen Untersuchung sein. Für den hier verfolgten Zweck genügt der Vollständigkeit halber ein Hinweis auf dieselbe; was wir über die primären formalen Bestandteile aufstellen, gilt auch unter der Voraussetzung, daß jene Schwierigkeiten niemals ihre Lösung finden sollten.

Handelt es sich nun um einen Namen, welcher die eigenartige Beziehung benennen soll, welche zwischen dem Teil und dem Ganzen insofern stattfindet, als ersterer dem letzteren zukommt und letzteres ersteren hat, so wüßte ich keinen besseren vorzuschlagen, als den Namen Eigenschaft. Zunächst mag gegen diese Bezeichung eingewendet werden, sie sei synonym mit "Beschaffenheit" und infolge dessen nur ein anderer Name für die einen - die gehabten, dem Ganzen zukommenden - Glieder der Relation, nicht aber für die Relation des Habens selbst. Darauf ist jedoch zu erwidern, daß sowohl der Ausdruck Eigenschaft selbst in seinem bestimmten Fall der Zusammensetzung nichts anderes bedeutet, als ein "zu eigen haben", nämlich in der Verbindung "Leibeigenschaft", als auch sonst ebenso sehr zur Bezeichnung eines Verhältnisses, als eines der Glieder desselben verwendet wird. Denn man nennt die Farbe nicht minder eine Eigenschaft des Dinges, als sein Farbigsein, d. h. das Farbehaben; und wenn man unter den Eigenschaften einer geometrischen Figur "Gleichseitigkeit" aufzählt, so meint man damit offenbar das Haben von gleichen Seiten. Die Berufung auf den Sprachgebrauch entscheidet als weder für noch gegen. Denn eine große Anzahl von Namen findet sich, welche sowohl zur Bezeichnung einer Relation als auch eines ihrer Glieder verwendet zu werden pflegen. So bedeutet das Wort Besitz bald das Besitzen, also das Verhältnis, in welchem ein Besitzender zu einem Besessenen steht, bald jedoch das Besessene selbst; also ist die Analogie mit der "Eigenschaft" vollständig, denn auch diese bezeichnet dem gewöhnlichen Sprachgebrauch zufolge bald das Verhältnis, in welchem ein Habendes zu einem Gehabten steht, bald dieses Gehabte selbst. Ähnlich steht es mit Ausdrücken wie Notwendigkeit, Unmöglichkeit, Folge und dgl. Die Bezeichnungen der musikalischen Intervalle wie Prim, Sekund usw. gehören sämtlich alle hierher, indem sie bald den Abstand zwischen zwei Tönen, bald den um ein Bestimmtes von einem gegebenen abstehenden Ton selbst bezeichnen. Die Ausdrücke auf "ung", wie Bedeutung, Vorstellung, Bezeichnung usw. sind vielleicht insgesamt Namen bald einer Relation, bald eines ihrer Glieder. Man denke ferner an Worte wie Bekanntschaft, Verwandtschaft, Nähe, Ferne, und man wird gewiß zugeben, daß der populäre Sprachgebrauch die Verwendung gewisser Worte sowohl zur Bezeichnung von Relationen, als auch ihrer Glieder gleichmäßig gestattet. Gewisse Umstände veranlassen wohl hie und da eine Differenzierung der Namen zugunsten einer gesonderten Bezeichnung eines Relationsgliedes einerseits und der Beziehung selbst andererseits; als solche Differenzierungen stellen sich Ausdruckspaare wie: Farbe - Färbung, Demut - Demütigkeit und andere mehr dar; aber bald verschwindet das Gefühl für die vor sich gegangene Differenzierung, und man spricht von der Färbung und der Farbe eines Gegenstandes, ohne beiden Ausdrücken eine verschiedene Bedeutung beizulegen.

Der Sprachgebrauch des täglichen Lebens kennt also zwei Bedeutungen des Wortes Eigenschaft; die eine meint eine Relation, die zweite eines der Glieder dieser Relation. Im wissenschaftlichen Sprachgebrauch wird das Wort, wo es einer präzisen Bedeutung teilhaftig erscheint, zur Bezeichnung der metaphysischen Teile eines Gegenstandes (72) im Gegensatz zu dem, woran diese Teile haftend gedacht werden, verwendet, und man spricht in diesem Sinne von den Dingen und ihren Eigenschaften, beide einander in bestimmter Weise entgegenstellend. Aber dieser wissenschaftliche Sprachgebrauch ist keineswegs ein feststehender; denn auch in Lehrbüchern philosophischer Wissenschaften finden wir das Wort "Eigenschaft" verwendet zur Bezeichnung der "Viereckigkeit" einer Figur, wo es also das Haben von vier Ecken bedeutet. Da also angenommen werden kann, daß der Name "Eigenschaft" noch kein in diesem Sinne konsolidierter Terminus technicus ist, wie etwa die Ausdrücke Urteil, Folgerung, Notwendigkeit (logische und physische), so ist vielleicht der Vorschlag gestattet, das Wort ausschließlich zur Bezeichnung des Verhältnisses zu verwenden, in welchem ein Ganzes als solches zu jedem seiner näheren oder entfernteren Teile als solchen steht. Anstelle des Wortes Eigenschaft könnten Ausdrücke treten wie metaphysischer Teil oder Beschaffenheit.

Die Eigenschaft im bisherigen Sinn, als ein Glied der zwischen Ganzem und Teil bestehenden Beziehung, war auf das Gebiet der metaphysischen Teile beschränkt. In dem hier zur alleinigen Berücksichtigung vorgeschlagenen Sinn, als die Relation selbst, die zwischen Teil und Ganzem als solchen besteht, findet der Ausdruck Anwendung nicht bloß auf die Beziehung des Ganzen zu seinen metaphysischen Teilen, sondern auch auf die Beziehungen des Ganzen zu allen seinen Teilen, mögen dieselben welcher Art auch immer sein. Man kann nicht das Regiment oder den Soldaten eine Eigenschaft des Heeres, die Minute eine Eigenschaft der Stunde nennen; nur die Farbe, die Ausdehnung, das Gewicht und dgl. kann man in diesem Sinne als Eigenschaften bezeichnen. Anders, wenn unter Eigenschaft eine Beziehung verstanden werden soll. Dann sind sowohl das Haben von Regimentern und Soldaten zu Teilen (oder, wie man sagt, das Zusammengesetztsein aus Regimentern und Soldaten) Eigenschaften des Heeres, wie auch das Bestehen aus Minuten (= das die Minuten zu Teilen haben) eine Eigenschaft der Stunde, und zwar in genau demselben Sinn, in welchem die Färbung und Dreidimensionalität (= das eine Farbe und drei Dimensionen zu metaphysischen Teilen Haben) Eigenschaften etwa eines Körpers sind.

Noch von einem anderen Standpunkt aus ist die Bezeichnung der primären formalen Bestandteile eines Gegenstandes als der "Eigenschaften" desselben einer Rechtfertigung fähig. Die Beziehungen zwischen dem Ganzen als solchem und seinen Teilen sind ja auch etwas an zusammengesetzten Gegenständen Unterscheidbares, aber nicht von ihnen anders als in abstracto Trennbares. Und insofern fallen diese Beziehungen unter die "Eigenschaften" eines Gegenstandes, auch wenn das Wort in seiner gewöhnlichen, populären Bedeutung genommen wird. Daraus erklärt sich ja auch, daß man die Färbung (= das eine Farbe Haben) und dgl. als Eigenschaften eines Gegenstandes bezeichnet. Unter diesem Gesichtspunkt erscheint die hier vorgeschlagene Verwendung des Ausdrucks zur alleinigen Bezeichnung der Relation, kraft welcher die Teile das Ganze bilden, als eine Beschränkung der populären Verwendungsweise des Wortes. Und daß die wissenschaftliche Terminologie auf ihrem Gebiet solche Beschränkungen zur Geltung bringen darf, zeigen unzählige Beispiele, die den verschiedensten Wissenschaften entnommen werden können. Man erinnere sich nur der Worte "Säure", "Masse", "Funktion" und anderer mehr.

Wenn aber die Relationen des "Habens", welche zwischen einem Ganzen und seinen Teilen stattfinden, wieder Teile des Ganzen sind - und daß sie es sind, kann nicht geleugnet werden und berechtigt uns, sie als formale Bestandteile eines Gegenstandes zu bezeichnen - so werden diese Relationen nicht weniger wie die materialen Bestandteile vom Gegenstand gehabt. Dann ergibt sich aber eine unendliche Komplikation, indem diese zweiten primären formalen Bestandteile ebenfalls vom Ganzen gehabt werden. Vielleicht liegt aber gerade in dieser ins Unendlich gehenden Ineinanderschachtelung primärer formaler Bestandteil der Schlüssel zur Lösung der Frage nach der Natur der Beziehung, welche die Teile im Ganzen zusammenhält.

Wie dem auch sei, für unsere Zwecke genügt es, diese primären formalen Bestandteile im Auge zu behalten; wir bezeichnen sie als Eigenschaften der Gegenstände oder, um infolge der populären Bedeutung des Wortes leicht mögliche Mißverständnisse zu verhindern, als Eigenschaftsrelationen.

Die materialen Bestandteile eines Gegenstandes sind aber nicht die einzigen, die von ihm "gehabt" werden. Abgesehen von den ebenerwähnten Eigenschaftsrelationen, die auch zwischen Ganzen und den primären formalen Bestandteilen obwalten, lassen sich an einem zusammengesetzten Gegenstand auch die mannigfachsten Beziehungen zwischen den von ihm gehabten Teilen unterscheiden. Diese Beziehungen sind die sekundären formalen Bestandteile des Gegenstandes. Was sie gegenüber den primären unterscheidet, ist, daß unter ihren Gliedern niemals der Gegenstand als Ganzes, sondern immer nur Teile desselben vorkommen.

Je nachdem, was für Teile dies sind, hat man zu unterscheiden:

1. Verhältnisse zwischen den primären formalen Bestandteilen. Das grundlegende dieser Verhältnisse besteht in der Gemeinsamkeit eines Gliedes sämtlicher Eigenschaftsrelationen ein und desselben Gegenstandes. Ein anderes hiergehöriges Verhältnis ist das der kausalen Abhängigkeit, in welcher eine Eigenschaftsrelation zur anderen desselben Gegenstandes stehen kann. Dadurch, daß der "rechtwinkliges Dreieck genannte Gegenstand drei gerade Seite und einen rechten Winkel hat, ist das Haben der im pythagoreischen Lehrsatz ausgedrückten Beschaffenheit seitens desselben Gegenstandes bedingt. Diese sekundären formalen Bestandteile sind für die Kenntnis der Vorstellungsgegenstände am wichtigsten, und das Bestreben jeder Wissenschaft ist darauf gerichtet, eine möglichst große Anzahl solcher Verhältnisse, deren Glieder die Eigenschaftsrelationen sind, in den von ihr betrachteten Gegenständen ausfindig zu machen. Die Gesamtheit der Eigenschaftsrelationen, aus welchen sich vermöge kausaler Abhängigkeit alle anderen Eigenschaftsrelationen eines Gegenstandes ableiten lassen, bezeichnet man als das Wesen des Gegenstandes (73).

Die Beziehungen zwischen den primären formalen Bestandteilen können auch dem Gebiet der Vergleichsrelationen angehören, indem alle materialen Bestandteile des Gegenstandes entweder in gleicher oder in verschiedener Weise von demselben gehabt werden können; je nach der Beschaffenheit der materialen Bestandteil und der dadurch bedingten Art der Zusammensetzung zu einem einheitlichen Gegenstand können die verschiedensten sekundären formalen Bestandteile zweiten Grades platzgreifen.

Alle diese sekundären formalen Bestandteil sind solche im eigentlichen Sinne, da sie zwischen den primären formalen Bestandteilen stattfinden, diese aber sich auf die Unterscheidung des Ganzen als solchen von seinen Teilen gründen. Selbstredend zerfallen auch sie wieder in entferntere sekundäre Bestandteile (2. oder 3. bzw. n-ter Ordnung), wenn die Beziehungen zwischen den primären formalen Bestandteilen zusammengesetzt sind.

2. Neben den Verhältnissen zwischen den primären formalen Bestandteilen weist jeder Gegenstand Relationen auf zwischen seinen materialen Bestandteilen. Diese Relationen sind von doppelter Art. Entweder hängt ihre Beschaffenheit ab von den primären formalen Bestandteilen; dann sind es Verhältnisse, welche den Teilen eines Gegenstandes als solchen, eben insofern sie Teile sind, zukommen. Oder aber sind die Verhältnisse von der Art, daß sie den Teilen des Gegenstandes zukommen, auch abgesehen davon, daß sie Teile sind, und ebensowohl stattfinden, wenn die in einem Ganzen vereinigten Teile als selbständige Gegenstände vorgestellt werden. Ein sekundärer formaler Bestandteil erster Art wäre etwa die Lage der drei Seiten eines Dreiecks zueinander. Die drei Seiten sind materiale Bestandteil des Dreiecks; als solche haben sie zueinander ein solches Lageverhältnis, daß je ein Endpunkt der einen Seite mit je einem Endpunkt einer anderen Seite zusammenfällt. Auch das Verhältnis zwischen den Längen der Seiten, kraft dessen zwei zusammengenommen größer sind, als die dritte, ist eine Relation zwischen den materialen Bestandteilen des Dreiecks, welche ihnen insofern anhaftet, als sie als Teile von dem "Dreieck" genannten Gegenstand gehabt werden. Aber dieses Verhältnis kann zwischen den drei Seiten auch bestehen, wenn sie nicht zu einem Dreieck vereinigt sind; wohl aber ist es die Bedingung dieser Vereinigung. Insofern steht es in der Mitte zwischen den Relationen, welche den Teilen eines Gegenstandes als solchen zukommen, und jenen Relationen, welche die Teile, auch als selbständige Gegenstände gedacht, aufweisen. Ganz zu jener zweiten Gruppe sekundärer formaler Bestandteile gehört etwa das Verhältnis der Gleichheit der drei Seiten eines Dreiecks. Relationen der zweiten Art bestimmen die Form der Vereinigung der materialen Teile zu einem einheitlichen Ganzen nur in einer mehr uneigentliche Weise und wir nennen sie deshalb sekundäre formale Bestandteile in einem uneigentlichen Sinn, zum Unterschied von jenen zuerst angeführten, den sekundären formalen Bestandteilen im eigentlichen Sinn.

Damit sind aber die sekundären formalen Bestandteile eines Gegenstandes nicht erschöpft. Denn die angeführten Relationen können weiteren Verhältnissen als Glieder dienen. Die Bedingung, daß die drei Seiten eines Dreiecks im Verhältnis a + b > c stehen, ist ein Verhältnis zwischen den die Seiten zum Dreieck einigenden Eigenschaftsrelationen und den zwischen den Seiten bestehenden sekundären formalen Bestandteilen (74) Und nicht nur zwischen primären und sekundären formalen Bestandteilen eines Gegenstandes, sondern auch zwischen den letzteren allein gibt es Relationen, wie z. B. die Größenverhältnisse der Winkel eines Dreiecks; denn die Winkel sind nichts anderes als der Ausdruck des gegenseitigen Lageverhältnisses der Dreiecksseiten.

Bedenkt man ferner, daß sich die materialen Bestandteile eines Gegenstandes wieder zerlegen lasen, so wird man an jedem solchen Bestandteil erster Ordnung alle erwähnten Verhältnisse wieder finden können, indem dieser Bestandteil, als Gegenstand gefaßt, die Bestandteile zweiter Ordnung in analoger Weise hat, in welcher die Bestandteile erster Ordnung vom Ganzen gehabt werden, und auch sekundäre formale Bestandteile in einer entsprechenden Weise auftreten werden. Zugleich stehen aber die materialen Bestandteile zweiter Ordnung eines Gegenstandes zu jenen erster Ordnung in bestimmten Verhältnissen; auch die entfernteren Teile eines Gegenstandes werden vom Ganzen, wenn auch mittelbar, gehabt; die Eigenschaftsrelationen zwischen dem Ganzen und seinen näheren Teilen, und die Eigenschaftsrelationen zwischen dem Ganzen und seinen entfernteren Teilen sind die Glieder einer Anzahl zwischen ihnen bestehender Beziehungen. Und die zwischen den näheren und entfernteren Eigenschaftsrelationen obwaltenden Verhältnisse sind weiters ebenfalls Glieder von Relationen, wie solche auch zwischen den sekundären formalen Relationen ersten Rangs (d. h. den sekundären formalen Relationen, welche die materialen Bestandteile erster Ordnung zu Gliedern haben) und den sekundären formalen Relationen zweiten Ranges stattfinden.

Die Anzahl der formalen Bestandteile eines Gegenstandes ist durch die Anzahl seiner materialen Bestandteile bestimmt, und wo letztere angebbar, nicht unendlich groß ist, muß es auch die erstere bis zu einem gewissen Grad sein. Freilich bleibt diese Angebbarkeit fast immer nur eine theoretische, da die obigen Ausführungen zeigen, wie ungeheuer die Mannigfaltigkeit der Bestandteile ist, welche durch eine Analyse eines Gegenstandes an demselben aufgewiesen werden können.


§ 11. Die Bestandteile
des Vorstellungsinhalts

Der Unterschied zwischen Vorstellungsinhalt und Gegenstand ist kein absoluter, sondern, wie KERRY sich ausdrückt, ein relativer (75). Wahr ist, daß der Inhalt einer Vorstellung nicht zugleich in demselben Sinn Gegenstand dieser Vorstellung sein kann. Nichts hindert jedoch, ja für psychologische Untersuchungen ist es geradezu notwendig, daß ein Vorstellungsinhalt als Gegenstand einer anderen Vorstellung vorgestellt wird. Dies ist allemal der Fall, wenn man z. B. behauptet, man stelle sich etwas vor. Was durch diese Behauptung anerkannt wird, ist ein Vorstellungsgegenstand - denn auf diesen richtet sich ja, wie wir gesehen haben, Anerkennung und Verwerfung; aber der Gegenstand der Anerkennung und Verwerfung, also auch einer auf das Anerkannte und Verworfene gerichteten Vorstellungstätigkeit ist eben der Inhalt einer Vorstellung. Der Vorstellungsinhalt wird also immer vorgestellt als Inhalt jenes Aktes, der sich auf den durch diesen Inhalt vorgestellten Gegenstand bezieht; aber er kann auch vorgestellt werden durch einen anderen Vorstellungsakt, und zwar in der Weise, daß dann der Inhalt des früheren Vorstellungsaktes in einem neuen Vorstellungsakt die Rolle des Vorstellungsgegenstandes spielt. In der Vorstellung des Pferdes ist das Pferd der Vorstellungsgegenstand; in der Vorstellung von der Vorstellung des Pferdes ist aber die Vorstellung des Pferdes der Vorstellungsgegenstand, und zwar ist sie es entweder nach ihrem Akt oder nach ihrem Inhalt oder nach beiden Seiten hin, so daß der Inhalt der Vorstellung des Pferdes in der Vorstellung von der Vorstellung des Pferdes der Gegenstand ist. Ein Vorstellungsinhalt kann also ganz wohl Gegenstand einer Vorstellung sein, wenn diese Vorstellung eine sogenannte Vorstellungsvorstellung (76), die Vorstellung von einer Vorstellung ist.

Da wir die materialen und formalen Bestandteile der Gegenstände ohne Rücksicht auf die besondere Beschaffenheit derselben betrachtet haben, so gilt das in den beiden vorhergehenden Paragraphen Gesagte für jede Art von Gegenständen, also auch für die Inhalte der Vorstellungen, die ja auch als Gegenstände vorgestellt werden können. Insofern ist dem dort Angeführten nichts hinzuzufügen.

Doch ist in diesem Zusammenhang der Einteilung zu gedenken, welche die Teile solcher Gegenstände, die nicht Vorstellungsinhalte sind, unter dem Gesichtspunkt der voneinander unabhängigen oder durch einander bedingten Vorstellbarkeit gliedert (siehe oben). Auf die Vorstellungsgegenstände konnten wir sie nicht anwenden, da sie die Existenz der Gegenstände und ihrer Teile voraussetzt, wir aber unsere Betrachtung auf alle Gegenstände, auf die existierenden wie auch auf die nicht existierenden ausdehnen. Werden nun die Vorstellungsinhatle in dem Sinn betrachtet, in welchem sie nicht minder wie alles andere vorgestellt werden können, also als Gegenstände von "Vorstellungsvorstellungen", so gilt für sie das von allen Gegenständen Gesagte, und die erwähnte Einteilung ist, weil an die Voraussetzung der Existenz gebunden, nicht allgemein gültig. Da wir aber in der Folge von dem Verhältnis sprechen werden, in welchem der Gegenstand einer Vorstellung, wenn er vorgestellt wird, zum Inhalt jener Vorstellung steht, durch die er vorgestellt wird, so werden wir es hierbei mit existierenden Vorstellungsinhalten zu tun haben. Denn das ist klar, daß der Inhalt der Vorstellung existiert, mag man einen existierenden oder nicht existierenden Gegenstand vorstellen. Und da vermag jene Einteilung vorzügliche Dienste zu erweisen. Danach gruppieren sich die materialen Bestandteile eines Vorstellungsinhaltes nach folgenden drei Gesichtspunkten:
    1. Teile mit gegenseitiger Ablösbarkeit. Es sind dies Teile, "deren jeden wir vorzustellen vermögen, ohne die übrigen vorzustellen".

    2. Teile mit gegenseitiger Unablösbarkeit. Es sind dies Teile, "die wir zwar nicht ohne die übrigen vorzustellen, wohl aber von denselben zu unterscheiden vermögen".

    3. Teile mit einseitiger Ablösbarkeit. "Es sind dies Teile, z. B. A und B, von denen zwar A ohne B, aber nicht B ohne A vorgestellt werden kann". (77)
Gegenseitig ablösbare Teile eines Vorstellungsaktes wären etwa die Vorstellungen der einzelnen Blätter und des Einbandes, insofern sie in der Vorstellung eines Buches geeint sind. Denn man kann die einzelnen Blätter unabhängig voneinander vorstellen, d. h. ohne die anderen Blätter, und auch ohne den Einband des Buches vorzustellen. Dasselbe gilt vom Einband. Die Vorstellung desselben ist an die Vorstellung der einzelnen Blätter des Buches in keiner Weise gebunden.

Als typisches Beispiel für einen Vorstellungsinhalt, der aus gegenseitig unablösbaren Teilen besteht, pflegt die Vorstellung eines ausgedehnten Farbigen angeführt zu werden. Man kann nicht eine Farbe vorstellen, ohne eine Ausdehnung vorzustellen und umgekehrt.

Die Vorstellung einer Gattung steht zu den Vorstellungen der ihr untergeordneten Arten im Verhältnis der einseitigen Ablösbarkeit. Denn in der Vorstellung jeder Art kommt die Vorstellung der Gattung in der Weise als Bestandteil vor, daß jene ohne diese nicht möglich ist. So kann man sich kein Rot vorstellen, ohne daß in dieser Vorstellung die Vorstellung von Farbe enthalten wäre. Umgekehrt verbindet sich mit der Vorstellung der Farbe nicht notwendig die Vorstellung von Rot.

Diese Gruppierung der materialen Bestandteile eines Vorstellungsinhaltes beruth auf formalen Bestandteilen desselben, auf den Beziehungen, welche zwischen den materialen Bestandteilen als solchen, insofern sie zu einem Ganzen verbunden sind, stattfinden. Und dies ist nicht etwa ein zufälliges Moment, sondern notwendig, wenn man irgendwelche Gegenstände als Teile eines aus ihnen zusammensetzbaren Ganzen klassifizieren will. Denn zu Teilen werden sie nur dadurch, daß sie zu einem Ganzen in Eigenschaftsrelationen und infolgedessen zueinander auch in bestimmten Beziehungen stehen, wobei letztere eben die sekundären formalen Bestandteile des Zusammengesetzten sind.

Daß die angeführte Einteilung für die Vorstellungsinhalte nur unter der Bedingung gelten kann, daß sie als Inhalte vorgestellt werden, also existieren, und auf dieselben nicht anwendbar ist, wenn sie als Gegenstände von Vorstellungsvorstellungen betrachtet werden, beweist folgender Umstand: In der Charakterisierung jeder der drei Gruppen von Teilen eines Inhaltes, wird von der Art gesprochen, auf welche dieselben "vorgestellt" werden können; entweder ist dieses Vorgestelltwerden einzelner Teile vom "Vorgestellt"-Werden anderer Teile abhängig oder nicht. Aber "Vorgestellt"-Werden ist, wie wir (in § 4) gesehen haben, ein zweideutiger Ausdruck; er bezeichnet sowohl das Vorgestelltwerden als Inhalt, als auch das Vorgestelltwerden als Gegenstand. Etwas wird als Inhalt vorgestellt, heißt: es gibt einen Vorstellungsinhalt. Und da ist es wahr, daß es den Vorstellungsinhalt, den das Wort "rot" bedeutet, nicht gibt, wenn es nicht zugleich jenen Vorstellungsinhalt gibt, den das Wort "Ausdehnung" bedeutet und umgekehrt. Rot kann nicht in einer Vorstellung (als Inhalt) vorgestellt werden, wenn nicht in derselben Vorstellung die Ausdehnung (als Inhalt) vorgestellt wird, und umgekehrt. - Anders liegt die Sache, wenn von einem "Vorgestellt"-Werden in dem Sinn gesprochen wird, in welchem wir einen Gegenstand durch eine Vorstellung vorgestellt nennen. Als Gegenstand kann Rot ganz wohl durch eine Vorstellung vorgestellt werden, ohne daß gleichzeitig die Ausdehnung als Gegenstand durch dieselbe Vorstellung vorgestellt würde, und umgekehrt. Jedesmal, wenn wir eine Farbe als solche durch eine Vorstellung vorstellen und über sie als Farbe urteilen, jedesmal, wenn wir die Ausdehnung als solche durch eine Vorstellung vorstellen und über sie als Ausdehnung urteilen, abstrahieren wir im ersten Fall von der Ausdehnung, im zweiten Fall von der Farbe. Was also als Inhalt einer Vorstellung an den Inhalt einer anderen Vorstellung gebunden ist, so daß es als Vorstellungsinhalt nicht für sich vorgestellt werden, d. h. existieren kann, vermögen wir ganz wohl als Gegenstand für sich, in abstrakter Weise, vorzustellen. Und deshalb treffen die Kriterien zu, welche die drei Gruppen von Teilen in der angeführten Klassifikation derselben voneinander scheiden, wenn es sich um das Vorgestellte im Sinne eines Inhalts handelt; sie verlieren dagegen ihre Berechtigung, wenn unter dem "Vorgestellt"-Werden das Vorgestelltwerden durch eine Vorstellung, als Gegenstand, zu verstehen ist.

Der hier beschriebene Typus der Zusammensetzung eines Vorstellungsinhaltes, der mit der Art der Zusammensetzung der Vorstellungsgegenstände, zu denen die Vorstellungsinhalte als eine besondere Klasse gehören, übereinstimmt, ermöglicht es, einen Ausdruck zu rezipieren, gegen den, insofern er auf die Bestandteile eines Vorstellungsinhaltes angewendet worden ist, die neuere Psychologie energischen Protest einlegt. Ich meine die sogenannte Koordination der Bestandteile eines Vorstellungsinhaltes. In welchem Sinn gewisse Bestandteile eines Vorstellungsinhaltes als einander koordiniert bezeichnet werden können, werden wir weiter unten zu zeigen Gelegenheit haben.

Bemerkt sei noch, daß wir in der Folge auch jene materialen Bestandteile von Vorstellungsinhalten, welche nicht für sich selbst als Inhalte auftreten können, als Vorstellungen bezeichnen werden. Diese Ausdrucksweise ist wohl ungenau; man würde, dem Sachverhalt Rechnung tragend, immer nur von Inhaltsteilen sprechen müssen. Wenn man aber dieselben mit Rücksicht auf die durch sie vorgestellten Gegenstandsteile voneinander unterscheiden will, so ergibt sich eine äußerst schleppende Ausdrucksweise, welche vermieden wird, wenn man z. B. sagt: in der Vorstellung eines Dreiecks sind die Vorstellungen der Seiten und der Ebene enthalten. Genauer müßte es freilich heißen: in der Vorstellung eines Dreiecks sind materiale Inhaltsteile enthalten, durch welche die drei Seiten und die Ebene vorgestellt werden.


§ 12. Das Verhältnis des
Vorstellungsgegenstandes
zum Vorstellungsinhalt.

Nachdem wir die Teile der Gegenstände und Inhalte von Vorstellungen beschrieben haben, erhebt sich die Frage nach dem Verhältnis, welches zwischen dem Inhalt und dem Gegenstand von ein und derselben Vorstellung besteht.

Eine primitive Psychologie hatte die Antwort bereit, indem sie die Vorstellung (im Sinne des Vorstellungsinhaltes) einfach für ein psychisches Abbild des Gegenstandes erklärte und damit die Frage als erledigt wähnte. Nun muß gewiß eine Beziehung zwischen Inhalt und Gegenstand bestehen, kraft deren ein Gegenstand eben zu diesem bestimmten Inhalt gehört und ein Inhalt eben der einem bestimmten - und keinem anderen - Gegenstand entsprechende Inhalt ist. Ob jedoch eine Art fotografischer Ähnlichkeit zwischen Inhalt und Gegenstand anzunehmen ist, scheint heute eine allgemein in einem verneinenden Sinn gelöste Frage zu sein.

Man ist eben zu der Überzeugung gekommen, daß das Verhältnis zwischen der Vorstellung und ihrem Gegenstand ein weiter nicht zurückführbares, primäres Verhältnis ist, welches sich ebensowenig beschreiben läßt, wie etwa das Verhältnis der Unverträglichkeit, in welchen zwei Urteile stehen mögen. KERRY spricht es nachdrücklichst aus, daß die Relation zwischen Begriff und Begriffsgegenstand zu den ursprünglichen und nicht weiter ableitbaren gehörten dürfte. Was, sagt er, an der Relation zwischen Begriff und Gegenstand nicht auf Ähnlichkeit oder Gleichheit zurückgeführt werden kann, ist gerade das Charakteristische derselben, nämlich das Moment einer eigentümlichen Zugehörigkeit des Gegenstandes zum "Begriff"(78) Während nun KERRY neben der eigentümlichen, nicht weiter ableitbaren Relation zwischen Inhalt und Gegenstand zugibt, nämlich von Ähnlichkeits- und Gleichheitsbeziehungen, scheinen einige geneigt, nur diese eine Beziehung zwischen Gegenstand und Inhalt zuzugeben, welche durch die Zugehörigkeit beider zu ein und demselben psychischen Akt gegeben ist, alle anderen Verhältnisse aber zwischen den Vorstellungsinhalten und Vorstellungsgegenständen zu leugnen. So sagt ZIMMERMANN, die Beschaffenheit des Inhaltes mit der des Gegenstandes des Begriffs habe nichts weiter zu tun, als daß der letztere eben Objekt des Begriffs ist und durch den Inhalt des letzteren gedacht wird. (79)

Die Frage, ob es außer "dem Vorgestelltwerden durch den Inhalt" noch andere Beziehungen zwischen dem Vorstellungsgegenstand und dem ihm zugehörigen Inhalt gibt, scheint nun in einem Fall zu bejahen, in einem andern Fall zu verneinen. Und zwar dürfte das erstere der Fall sein bei Inhalten, durch die einfache Gegenstände, oder zumindest Gegenstände als einfache vorgestellt werden; das letztere dürfte der Fall sein, wenn zusammengesetzte Gegenstände oder Gegenstände als zusammengesetzt vorgestellt werden.

Daß viele Gegenstände als einfache vorgestellt werden, wenn sie auch nicht in Wahrheit einfach sind, scheint unzweifelhaft, und ist dann der Fall, wenn an einem Gegenstand keine Teile unterschieden werden und derselbe als einfacher erscheint. Wer aus einem dunklen Raum ins helle Sonnenlicht tritt, hat eine Empfindungsvorstellung des Lichtes. Gegenstand dieser Vorstellung ist das Licht, und wer diese Vorstellung hat, dürfte ihren Gegenstand zumindest im ersten Augenblick nicht analysieren, um an ihm die Intensität, die Färbung und dgl. zu unterscheiden. Solange diese Analyse unterbleibt, erscheint der Gegenstand als ein einfacher und zum Inhalt der Vorstellung in gar keinem anderen Verhältnis stehend, als daß er eben durch diesen Inhalt vorgestellt wird. Andere Beziehungen sind schlechterdings nicht aufzuweisen. Sobald aber eine Analyse des Gegenstandes nach seinen Teilen stattfindet und bemerkt wird, daß, wie der Gegenstand bestimmte Teile hat, sich auch der Vorstellungsinhalt in Bestandteile zerlegen läßt, welche den Teilen des Gegenstandes entsprechen, erscheint sofort ein neues Verhältnis zwischen Inhalt und Gegenstand. Und zwar besteht dieses Verhältnis darin, daß die Teile des Gegenstandes in einer Weise durch Bestandteile des Vorstellungsinhaltes vorgestellt erscheinen, welche durch die Art bestimmt ist, in welcher die Teile des Gegenstandes zum ganzen, einheitlichen Gegenstand vereinigt sind. Es findet also eine Analogie der Zusammensetzung statt zwischen den Teilen des Gegenstandes und den Bestandteilen des Vorstellungsinhaltes, eine Analogie freilich, die ganz eigenartiger Natur und durch das Verhältnis des Vorgestelltwerdens eines Gegenstandes durch den Inhalt bedingt ist.

In erster Linie entsprechen den materialen Bestandteilen eines Vorstellungsgegenstandes bestimmte materiale Bestandteile des Vorstellungsinhaltes. Aber nicht alle materialen Bestandteile eines Vorstellungsinhaltes haben materiale Bestandteile des Vorstellungsgegenstandes zu Gegenständen. Wer durch die Vorstellung eines Pferdes die Teile desselben vorstellt, stellt auch gewisse Beziehungen zwischen diesen Teilen, also formale Bestandteile des Vorstellungsgegenstandes vor. Die materialen Bestandteile eines Vorstellungsinhaltes beziehen sich demnach teils auf materiale, teils auf formale Bestandteile des entsprechenden Gegenstandes. Unter diesen formalen Bestandteilen fehlt niemals die Gesamtheit der Eigenschaftsrelationen, welche die einzelnen materialen Bestandteile, so weit sie unterschieden werden, kraft des einen gemeinschaftlichen Gliedes zu einem einheitlichen Gegenstand einigen. Man stellt, mit anderen Worten, die materialen Teile eines Gegenstandes nicht als so und so viele relativ einfachere Gegenstände, sondern als Teile eines komplizierten, einheitlichen Gegenstandes vor. Ebenso aber stellt man bestimmte Beziehungen vor, welche zwischen den materialen Teilen des Vorstellungsgegenstandes bestehen, also etwa die gegenseitige Lage derselben, ihre kausale Abhängigkeit voneinander, oder die Größenverhältnisse derselben usw. Kurz: sowohl die materialen wie die formalen Bestandteile eines Vorstellungsgegenstandes finden im Vorstellungsinhalt ihr Korrelat in den materialen Bestandteilen desselben.

Was die formalen Bestandteile eines zusammengesetzten Vorstellungsinhaltes betrifft, erscheinen in erster Linie von Wichtigkeit jene Beziehungen, kraft welcher sich die einzelnen materialen Bestandteile des Inhaltes als Teile eines einheitlichen Ganzen darstellen, also die Eigenschaftsrelationen zwischen dem Gesamtvorstellungsinhalt und seinen materialen Teilen. Die Vorstellungen der Farbe, Gestalt, Größe usw. einer Kugel stehen zur Vorstellung der Kugel in einem analogen Verhältnis, wie die Farbe, Gestalt, Größe usw. der Kugel zu dieser selbst. Ebenso stehen die Vorstellungen der Farbe, Gestalt, Größe usw. einer Kugel zueinander in Beziehungen, deren Beschaffenheit durch die Natur der Beziehungen bedingt ist, welche zwischen den genannten metaphysischen Teilen eines Objekts bestehen. ÜBERWEG formuliert dies dahin, daß sich das reale Verhältnis der Merkmale eines Objekts im Verhältnis der Teilvorstellungen zueinander und zur Gesamtvorstellung widerspiegeln muß. Den Inhalt einer Vorstellung definiert er demgemäß als die "Gesamtheit der Teilvorstellungen in der durch die entsprechenden realen Verhältnisse bestimmten Weise ihrer gegenseitigen Verbindung". (80) Diese Vorstellungen der Beziehungen, in welchen die materialen Bestandteile eines Gegenstandes zueinander stehen, bedingen die Anordnung und das gegenseitige Verhältnis jener materialen Bestandteile des Inhalts, durch welche diese materialen Bestandteile des Gegenstandes vorgestellt werden. Die Verhältnisse, welche aufgrund der Vorstellungen der formalen Bestandteile des Gegenstandes zwischen den materialen Bestandteilen des Inhalts entstehen, bilden in ihrer Gesamtheit das, was man allgemeine als die "Form der Synthese" mit Rücksicht auf den Vorstellungsinhalt bezeichnet. Diese Form der Synthese ist demnach kein Inbegriff der Vorstellungen von Beziehungen, welche zwischen den materialen Bestandteilen eines Vorstellungsinhaltes obwalten - so faßt HÖFLER die Sache) (81) - sondern der Inbegriff dieser Beziehungen selbst. In der Definition des Vorstellungsinhaltes müssen sowohl die materialen als auch die formalen Bestandteile berücksichtigt erscheinen, und es geht nicht an, den Inhalt einer Vorstellung allein als den Inbegriff der Merkmale zu definieren, wenn man, wie eben HÖFLER, unter denselben Vorstellungen, als materiale Bestandteile des Inhalts versteht.

Das hier über die Zusammensetzung des Vorstellungsinhaltes im Vergleich zum Vorstellungsgegenstand Gesagte muß sich an konkreten Beispielen erhärten lassen können. Nur durch seine Anwendbarkeit auf jeden einzelnen Fall kann der beschriebene Typus seine Berechtigung erweisen. Wir werden deshalb nunmehr eine solche Exemplifizierung desselben zu versuchen haben. Zwei Umstände sind geeignet, diesen Versuch zu erschweren und seine Realisierung als weniger gelungen erscheinen zu lassen. Zunächst ist es die Schwierigkeit, jene Bestandteile eines Vorstellungsgegenstandes oder Vorstellungsinhaltes anzugeben, welche von gleicher Ordnung, als als Teile einander koordiniert sind. Die Gefahr ist groß, daß man nähere und entferntere Bestandteile nebeneinander stellt, statt sie auseinander durch sukzessive Teilung abzuleiten. Begeht man diesen Fehler, so ist es leicht möglich, daß sich Abweichungen vom beschriebenen Typus der Zusammensetzung ergeben, welche an diesem selbst leicht irre machen können. Eine zweite Schwierigkeit liegt in der schon oft beklagten Tatsache, daß die letzten, einfachen Bestandteile der Vorstellungen, ihre Elemente im wahrsten Sinne des Wortes, noch nicht gefunden sind. Und zwar ist die Analyse nicht überall gleich weit fortgeschritten, so daß man bei der Zerlegung eines einfachen Vorstellungsinhaltes leicht an einen Punkt geraten kann, wo man bezüglich einiger Bestandteile mit der weiteren Zergliederung innehalten muß, während andere Bestandteile, und zwar solche derselben Ordnung, ganz wohl einer noch weitergehenden Analyse unterziehbar sein können.

Diese zwei Umstände sind geeignet, ein reines Hervortreten des beschriebenen Typus der Zusammensetzung zu behindern es scheint jedoch der Anspruch gerechtfertigt, man möge die Schuld an dieser Unvollkommenheit zumindest in keinem höheren Grad dem Typus selbst, als der heutigen Tags noch sehr mangelhaften psychologischen Analyse der Vorstellungsinhalte und der metaphysischen Analyse der Vorstellungsgegenstände zuschreiben. Überdies sollen durch die Wahl entsprechender Beispiele die bestehenden Schwierigkeiten soweit wie möglich verringert werden.

Am klarsten liegen die Verhältnisse bei jenen Gegenständen und ihren Vorstellungen, welche das Gebiet der Mathematik bilden. Wir entnehmen diesem Gebiet unser erstes Beispiel und analysieren etwa die arithmetische Reihe 1, 2, 3 und die auf diese Reihe bezügliche Vorstellung.

Der Gegenstand der Vorstellung ist zusammengesetzt. Seine materialen Bestandteile erster Ordnung sind die Zahlen 1, 2, 3. Diese Zahlen stehen zur Reihe als Ganzem in Eigenschaftsrelationen. Die Zahl 1, die Zahl 2 und die Zahl 3 werden von der Reihe als Teile gehabt und heißen insofern Glieder der Reihe. Diese Eigenschaftsrelationen sind die primären formalen Bestandteile ersten Ranges, und zwar im eigentlichen Sinn. Neben denselben bestehen aber auch primäre formale Bestandteile im uneigentlichen Sinn, indem jeder materiale Bestandteil der Reihe aus weniger Einheiten zusammengesetzt ist, als die Reihe, als Ganzes genommen. Daß dies primäre formale Relationen in einem uneigentlichen Sinn sind, geht daraus hervor, daß das genannte Verhältnis, wonach die Reihe als Ganzes aus mehr Einheiten besteht, als jedes ihrer Glieder, zwischen der Reihe und den Zahlen 1, 2, 3 auch dann besteht, wenn letztere nicht als Glieder der Reihe, sondern als Zahlen für sich mit der Reihe verglichen werden. Zwischen den primäre formalen Bestandteilen im eigentlichen und jenen im uneigentlichen Sinn bestehen Relationen zweiten Grades; so sind z. B. die letzteren Bedingung für die ersteren, indem keine Reihe aus Gliedern bestehen kann, welche einzeln genommen größer wären, als die Reihe als Ganzes betrachtet.

Die sekundären formalen Bestandteile des "Reihe" genannten Gegenstandes haben zunächst zu Gliedern die primären formalen Bestandteile im eigentlichen Sinn. Alle Eigenschaftsrelationen zwischen der Reihe und den sie bildenden Zahlen sind von gleicher Art; das erste Glied steht zur ganzen Reihe in demselben Verhältnis des Gehabtwerdens wie das zweite, das zweite in demselben wie das dritte. Die Art der Vereinigung zu einem Ganzen ist hinsichtlich aller Teile die gleiche. Auch zwischen den primären formalen Bestandteilen im uneigentlichen Sinne finden Beziehungen statt. Wenn jede Zahl, die in der Reihe erscheint, kleiner ist als die Reihe zusammengenommen, so besteht auch zwischen diesen Beziehungen der Glieder zur Reihe das Verhältnis der Gleichartigkeit. Sekundäre formale Bestandteile finden statt zwischen den materialen Bestandteilen erster Ordnung. Der wichtigste Bestandteil dieser Art ist derjenige, welcher als das Gesetz der Reihe bezeichnet wird und angibt, in welchem Verhältnis das erste Glied zum zweiten, das zweite zum dritten steht. Aber auch hier sind die sekundären formalen Bestandteile im eigentlichen Sinne, zu denen die genannten gehören, von jenen im uneigentlichen Sinn zu scheiden. Denn daß 2 größter ist als 1 und 3 größer ist als 2, ist ein Verhältnis zwischen den drei Zahlen, das ihnen zukommt, auch wenn sie nicht als Glieder in einer Reihe vereinigt sind; also sind das sekundäre formale Bestandteile im uneigentlichen Sinne. Und zwischen diesen zuletzt genannten formalen Bestandteilen findern Beziehungen zweiten Grades statt, indem der Größenunterschied bei allen drei materialen Bestandteilen erster Ordnung der gleiche ist; er beträgt immer die Einheit.

Noch andere sekundäre formale Bestandteile im eigentlichen Sinne sind an der Reihe nachweisbar; sie bestimmen die Anordnung der Glieder in der Reihe und bestehen darin, daß 1 das erste, 3 das letzte und 2 das mittlere Glieder der Reihe ist.

Ob die primären formalen Bestandteile im eigentlichen Sinn in eine solche zweite Ordnung zerfallen, erscheint insofern fraglich, als das Wesen der zwischen einem Ganzen und seinen Teilen als solchen bestehenden Eigenschaftsrelation nicht erforscht ist. Sollte sich dieselbe als eine zusammengesetzte erweisen, so erzielt man durch eine weitere Analyse primäre formale Bestandteile im eigentlichen Sinne, die als solche zweiter Ordnung zu bezeichnen wären.

Wenn die Relationen, kraft deren eine Zahl größer ist als eine andere, auf eine Gleichheits- und eine Verschiedenheitsrelation zurückzuführen sind, so stellen diese Relationen sekundäre formale Bestandteile zweiter Ordnung dar. Diese Relationen setzen aber voraus, daß die materialen Bestandteile erster Ordnung selbst wieder zerlegbar sind. Und dies ist beim zweiten und dritten Glied der Reihe der Fall, während das erste Glied keine materialen Bestandteile zweiter Ordnung aufzuweisen scheint. Die materialen Bestandteile zweiter Ordnung sind nun die Einheiten, aus denen die Zahl 2 und die Zahl 3 besteht. Sie werden von den entsprechenden materialen Bestandteilen erster Ordnung "gehabt", zwischen jedem materialen Bestandteil erster Ordnung und den zugehörigen materialen Bestandteilen zweiter Ordnung bestehen demnach so viele Eigenschaftsrelationen, wie letzterer in jedem der ersteren vorhanden sind. Den materialen Bestandteilen zweiter Ordnung stehen formale Bestandteile zweiten Rangs zur Seite, und zwar sowohl solche in einem uneigentlichen, als auch in einem eigentlichen Sinn. Zu den ersteren gehört die Gleichheit sämtlicher materialer Bestandteile zweiter Ordnung, indem diese insgesamt die Einheit sind; zu den letzteren gehört das Gesetz der additiven Verknüpfung, aufgrund dessen aus der Einheit Zahlen entstehen, welche - im positiven oder negativen Sinn - größer sind als die Einheit.

Aber damit ist die Mannigfaltigkeit der Teile des "arithmetische Reihe" genannten Gegenstandes nicht erschöpft. Nach zwei Richtungen ist nocht die Analyse zu vervollständigen. Denn Beziehungen finden ja noch statt zwischen den materialen Bestandteilen verschiedener Ordnungen, Beziehungen, welche durch die Angabe der Eigenschaftsrelationen nicht erschöpft sind, obwohl diese zu Gliedern auch materiale Bestandteile verschiedener Ordnung haben. Eine solche Beziehung ist z. B. die der Gleichheit oder Ungleichheit, welche zwischen den materialen Bestandteilen erster Ordnung, den Gliedern einer Reihe und den materialen Bestandteilen zweiter Ordnung, den Einheiten, besteht.

Wenn man die Analyse in einer zweiten Richtung verfolgt, ergibt sich noch eine Reihe materialer Bestandteile verschiedener Ordnungen. Indem wir die Reihe in die Glieder, aus denen sie besteht, zerlegt haben, haben wir nur eine Art materialer Bestandteile berücksichtigt. Neben diesen weist die Reihe noch materiale Bestandteile auf, die zur Gattung der als metaphysisch zu bezeichnenden Teile gehören. Solche materialen Bestandteile sind im gegebenen Fall die Endlichkeit der Reihe, die Verhältnisse, in welchen sie zu anderen Reihen steht, und anderes mehr. Da jeder dieser Bestandteile eine weitere Zerlegung zuläßt, ergeben sich außer den bereits angeführten zahlreiche andere materiale und formale Bestandteile erster, zweiter usw. Ordnung.

Unter diesem Gesichtspunkt sind auch am materialen Bestandteil erster Ordung, der uns als einfach erschienen ist, Bestandteile zu unterscheiden. Denn, auch wenn die Zahl 1 - abgesehen von Bruchteilen der Einheit - nicht wieder in Zahlen zerlegbar ist, so lassen sich doch an der Einheit der Beziehungen, indenen sie zu anderen Zahlen steht, unterscheiden. Diese Beziehungen müssen aus dem Grund zu den Bestandteilen des Gegenstandes, an dem sie haften, gerechnet werden, weil sie mit dem Gegenstand von dem auf ihn bezüglichen Urteil anerkannt oder verworfen werden. Sie werden auch durch den Namen des Gegenstandes genannt, wenn auch nur in derselben impliziten Weise, in der sie durch ein auf den Gegenstand gerichtetes Urteil beurteilt werden. Daraus ergibt sich, daß es keine einfachen Vorstellungsgegenstände im strengen Sinn dieses Wortes gibt. Diese Behauptung widerspricht auch nicht der Annahme, welche zwischen einfachen und zusammengesetzten Dingen und dgl. unterscheidet. Denn hierbei sieht man ein für alle Mal von den Relationen, in denen das Ding zu anderen Gegenständen steht, ab. Und unter dieser Voraussetzung ist man gar wohl berechtigt, von einfachen Dingen zu sprechen.

Was nun die Zusammensetzung des Inhaltes der Vorstellung betrifft, welche die in Rede stehende endliche arithmetische Reihe zum Gegenstand hat, so ist vorerst klar, daß nicht alle Bestandteile des Gegenstandes durch die entsprechende Vorstellung vorgestellt werden. Seit BOLZANOs diesbezüglichen erschöpfenden Ausführungen (82) kann hierüber kein Zweifel mehr bestehen. Da ferner ein und derselbe Gegenstand durch verschiedene Vorstellungen vorgestellt werden kann, so gibt es mehrere Vorstellungen, welche bezüglich des Verhältnisses ihres Inhaltes zum Gegenstand einer Untersuchung zu unterziehen wären. Wir wollen nun annehmen, die Reihe werde in anschaulicher Weise vorgestellt; weder symbolisch im Sinne LEIBNIZ', noch durch eine indirekte Vorstellung anderer Art. (83)

Der Inhalt der Vorstellung der von uns betrachteten arithmetischen Reihe setzt sich nun zunächst aus materialen Bestandteilen erster Ordnung zusammen. Es sind die die relativ einfacheren Vorstellungen der Zahlen, welche die Reihe bilden, der Eigenschaftsrelationen zwischen den Gliedern der Reihe und ihr selbst, sowie der sekundären formalen Bestandteile der Reihe, des Bildungsgesetzes der Reihe. Und dies ist bei allen Vorstellungen eines zusammengesetzten Gegenstandes, der nicht als einfach vorgestellt wird, der Fall.

In jedem solchen Vorstellungsinhalt sind drei Gruppen materialer Bestandteile erster Ordnung vorhanden. Die erste Gruppe wird durch die Vorstellungen der materialen Bestandteile erster Ordnung des Gegenstandes gebildet; die zweite Gruppe umfaßt die Vorstellungen der Eigenschaftsrelationen, welche zwischen dem Gegenstand als einheitlichem Ganzen und seinen materialen Bestandteilen erster Ordnung bestehen: die dritte Gruppe besteht aus den Vorstellungen der sekundären formalen Bestandteile des Gegenstandes.

Zwischen all diesen materialen Bestandteilen erster Ordnung des Vorstellungsinhaltes bestehen Beziehungen, formale Bestandteile ersten Grades des Inhalts. Und zwar sind die Glieder dieser Beziehungen paarweise teils in derselben Gruppe, teils in verschieden Gruppen der materialen Bestandteile zu suchen. Denn nicht nur die Vorstellungen der Glieder der Reihe stehen zueinander in ganz bestimmten Beziehungen, sondern auch jede Vorstellung eines Reihengliedes zur Vorstellung der entsprechenden Eigenschaftsrelation, sowie wieder die Vorstellungen der Eigenschaftsrelationen untereinander und zu den Vorstellungen der formalen Bestandteile erster Ordnung der Reihe in Beziehungen treten. Die Natur dieser Beziehungen dürfte nur in den allerseltensten Fällen einer Beschreibung fähig sein.

Allem Anschein nach sind in der Vorstellung der Reihe die materialen Bestandteile erster Ordnung auch die letzten, welche gegeneinander gesondert vorgestellt werden. Bezüglich der materialen Bestandteile zweiter Ordnung und aller etwaigen weiteren findet eine eigentümliche Tatsache statt. Wohl werden sie im Inhalt vorgestellt, denn wäre dies nicht der Fall, so könnte kein materialer Bestandteil erster Ordnung vorgestellt werden, da er ja aus jenen zweiter Ordnung besteht. Aber indem der Umstand, daß die Zahlenglieder der Reihe aus Einheiten bestehen, infolge der Enge des Bewußtseins nicht bemerkt wird, erscheinen die Vorstellungen dieser Zahlenglieder als etwas tatsächlich Ungeteiltes, wenn auch Teilbares. Das Gleiche findet beispielsweise bei jeder Vorstellung eines Kontinuums statt. Wenn man eine Linie vorstellt, so muß man offenbar auch alle Punkte dieser Linie vorstellen. Man stellt nun die Punkte vor, jedoch ohne es zu bemerken, und die Vorstellung der Linie erweckt infolge dessen den Schein einer in dieser Hinsicht einfachen Vorstellung. (84)

Es kann infolge dieses eigentümlichen Umstandes fraglich erscheinen, ob in der Zerlegung des Inhalts der Vorstellung einer Reihe weitergegangen werden soll oder nicht. Da jedoch bei einer solchen Zerlegung der materialen Bestandteile erster Ordnung eines Vorstellungsinhaltes in solche zweiter Ordnung analoge Verhältnisse das Ergebnis bilden würden, wie bei der Zerlegung des Gesamtinhaltes der Vorstellung in Bestandteile erster Ordnung, so kann die der Exemplifizierung halber angestellte Analyse sich füglich auf das Angeführte beschränken.

Nicht so klar liegen die Verhältnisse bei Vorstellungen von Gegenständen und bei diesen selbst, wenn sie zur Kategorie der "Dinge" gehören. Als Beispiel soll ein auf dem Tisch vor mir liegendes viereckiges Stück weißes Papier dienen.

Die materialen Bestandteile erster Ordnung desselben sind der Stoff, aus dem das Blatt gemacht ist, seine Lage und seine Dauer. Als materiale Bestandteile zweiter Ordnung wären anzuführen: hinsichtlich des Stoffes dessen Farbe, Gewicht und Ausdehnung, hinsichtlich der Lage die einzelnen räumlichen Beziehungen zu mir, dem Tisch und anderen Dingen; hinsichtlich der Dauer der Anfang und das Ende derselben. An der Farbe hat man zu unterscheiden (als materiale Bestandteile dritter Ordnung des Gegenstandes) ihre Qualität, Helligkeit, Intensität; ander Ausdehnung die drei Dimensionen und ihre Begrenzung; am Anfang und dem Ende der Dauer die Verhältnisse, in welchem Anfang und Ende dieser Dauer zu anderen Zeitpunkten stehen.

An jedem der genannten Bestandteile dritter Ordnung ließen sich noch solche einer vierten Ordnung namhaft machen; wenn keine anderen, so doch zumindest die Relationen, in welchen jeder materiale Bestandteil dritter Ordnung zu anderen Gegenständen steht. Doch würde dies zu weit führen.

An dieser Anordnung der materialen Bestandteile des in Rede stehenden Gegenstandes könnte bemängelt werden, daß Bestandteile in verschiedene Ordnungen verteilt erscheinen, während sie zum Teil ein und derselben Ordnung angehören. So sollten etwa die Dreidimensionalität und Farbe nicht als Bestandteile der Ausdehnung und des Stoffes, sondern mit der Lage und der Dauer als Bestandteile erster Ordnung des Gegenstandes angeführt werden. Daß dies nicht geschehen ist, findet seine Begründung in folgender Erwägung: Was von irgendeinem Gegenstand gehabt wird, nennen wir einen Bestandteil desselben. Nun werden aber von einem Gegenstand nicht nur seine näheren, sondern auch seine entfernteren Bestandteile gehabt. Die letzteren unterscheiden sich von den ersteren dadurch, daß sie nicht nur zum Gesamtgegenstand, sondern auch zu näheren Bestandteilen desselben in Eigenschaftsrelationen stehen, von ihnen gehabt werden. Und dies ist auch der Fall bei der Dreidimensionalität und Farbe. Freilich hat auch der Gegenstand als Ganzes die drei Dimensionen und die Farbe; aber erstere werden auch von der Ausdehnung, letztere vom Stoff gehabt. Und dies zwingt uns, die drei Dimensionen und die Farbe als entferntere Bestandteile des Gesamtgegenstandes zu bezeichnen und sie der Ausdehnung und dem Stoff als dessen nähere Bestandteile zuzuweisen. Mit diesem Verhältnis ist nicht dasjenige zu verwechseln, in welchem die Lage des Blattes Papier zu demselben als Ganzem steht. Allerdings hat auch der Stoff und seine Begrenzung eine Lage; aber diese ist eine andere als die Lage des Gesamtgegenstandes; und die Lage des Blattes, des Stoffes und seiner Begrenzung sind Bestandteile, welche ein gemeinsames Moment und eine bestimmte Abhängigkeit voneinander aufweisen - was aber sekundäre formale Bestandteile des Gegenstandes sind.

Daß die Analyse des Gegenstandes, den wir als weißes Blatt Papier bezeichnen, ein derartiges, zum Teil verwunderliches Resultat ergibt, darf uns nicht in Erstaunen versetzen. Das praktische Bedürfnis geht nicht darauf aus, die Bestandteile eines Gegenstandes unter dem Gesichtspunkt ihrer gegenseitigen Anordnung zu betrachten. Vielmehr sind ihm jene Bestandteile wichtig, welche in besonderer Weise dazu dienen können, verschiedene Gegenstände von einander zu unterscheiden, oder als ähnliche miteinander zu vergleichen. Und das müssen nicht immer die nächsten Bestandteile eines Gegenstandes sein: ja es sind diese zum angegebenen Zweck oft am wenigsten zu brauchen.

Die angeführten materialen Bestandteile erster Ordnung werden sämtlich vom Gegenstand gehabt, stehen zu ihm in Eigenschaftsrelationen, den primären formalen Bestandteilen im eigentlichen Sinn. Insofern die Bestandteile erster Ordnung wieder zusammengesetzt sind, weisen auch sie Eigenschaftsrelationen auf. Zwischen diesen Eigenschaftsrelationen verschiedenen Rangs bestehen Beziehungen zweiten Grades. Einer davon, der zufolge das Haben seitens des Ganzen zugleich ein Haben seitens des Bestandteiles ist, haben wir schon gedacht. Aber auch zwischen den Eigenschaftsrelationen desselben Rangs gibt es Beziehungen zweiten Grades. Diese gehören zu den sekundären formalen Beziehungen des Gegenstandes. Ein solches Verhältnis besteht z. B. zwischen der Ausdehnung und der Farbe; letztere setzt die erstere voraus; nicht weniger setzt die Begrenzug die drei Dimensionen voraus. Auch gibt es da formale Bestandteile im uneigentlichen Sinn, so zwischen der Intensität der Farbe des Papiers und seiner Lage. Denn die bestimmte Intensität kommt der Farbe des Papiers zu, auch abgesehen davon, daß das Papier diese bestimmte Lage hat.

Wie groß die Zahl aller formalen Bestandteile des beobachteten Gegenstandes ist, läßt sich aus dem bereits Angeführten ermessen. Sie alle aufzuzählen erscheint als eine fast unerfüllbare Forderung. Für unsere Zweck, welcher in der Erprobung des beschriebenen Typus der Zusammensetzung an konkreten Beispielen liegt, genügt der Nachweis, daß auch das "Ding" sich in nähere und entferntere materiale Bestandteile zerlegen läßt, welche durch primäre formale Bestandteile im eigentlichen Sinn zu einer Einheit zusammengehalten werden. Die übrigen formalen Bestandteile ergeben sich als notwendige Folge dieser Tatsache.

Was den Inhalt der Vorstellung des weißen Blattes Papier betrifft, so weist dieser wieder eine geringere Anzahl von Bestandteilen auf, als der Gegenstand. Denn die Dauer des Gegenstandes wird in der Regel nicht vorgestellt; Farbe, Ausdehnung, Lage und Begrenzung, sowie der Stoffe dürften die einzigen materialen Bestandteile unter den aufgezählten sein, die vorgestellt werden. Die Vorstellung der Farbe enthält die Vorstellung der Bestandteile derselben nur implizit, dagegen zerfällt die Vorstellung der Begrenzung in die Vorstellungen der vier Seiten und der sie verbindenden primären und sekundären formalen Bestandteile. Daß aber trotzdem die drei Gruppen materialer Bestandteile, die wir bei der Vorstellung der Reihe unterschieden haben, auch hier nachweisbar sind, ist leicht zu ersehen. Ebenso folgt, daß die den Gegenständen zugeschriebenen formalen Bestandteile auch beim Inhalt der Vorstellung des Blatts Papier zu finden sein werden, und zwar schon daraus, daß der Inhalt jeder Vorstellung Gegenstand (einer anderen Vorstellung) ist.

Das Blatt Papier bot uns das Beispiel einer Vorstelung, deren Gegenstand zur Kategorie des "Dings" gehört. Vorher haben wir die Zusammensetzung eines Gegenstandes und einer auf ihn bezüglichen Vorstellung betrachtet, der ein Kollektivum war. Der beschriebene Typus der Zusammensetzung von Vorstellungsinhalten und Gegenständen ist aber, wie gelegentliche Andeutungen gezeigt haben, auch für die Kategorie der Eigenschaft im gewöhnlichen Sinn maßgebend. Wir konnten auf die Zerlegung der Farbe in die metaphysischen Bestandteile der Qualität, Intensität und Helligkeit hinweisen. Alle diese materialen Bestandteile werden von der "Farbe" gehabt, stehen also zu ihr in Eigenschaftsrelationen, während sie untereinander Beziehungen als die sekundären formalen Bestandteile ersten Ranges aufweisen. Daß der Inhalt der Vorstellung der Farbe nach denselben Grundsätzen zusammengesetzt ist, wie wir sie bei den bisherigen Beispielen gefunden haben, ist nicht notwendig, im Einzelnen nachzuweisen.

Aber nicht nur auf Eigenschaften im landläufigen Sinn des Wortes ist das Gesagte anwendbar, auch für alle anderen Gegenstände und ihre Vorstellungen gilt dasselbe. Und zwar nicht weniger für einen Ton, als für die Bewegung, für die Tapferkeit wie für den Selbstmord. So wären als materiale Bestandteile erster Ordnung für die Bewegung die räumliche Erstreckung und die zeitliche Dauer zu nennen; als materiale Bestandteile zweiter Ordnung hätten zu gelten: für die räumliche Erstreckung die einzelnen Stellen des durchlaufenden Raumes, für die Zeit die einzelnen Zeitmomente; die bestimmte Beziehung zwischen je einem Raum- und Zeitpunkt, der zufolge sich der bewegte Körper in jedem Zeitpunkt an einem Raumpunkt befindet, ist ein formaler Bestandteil zweiten Ranges der Bewegung; die Geschwindigkeit ist als Verhältnis zwischen diesen formalen Bestandteilen ein formaler Bestandteil zweiten Grades usw. Kurz: die Behauptung scheint vollkommen gerechtfertigt, daß der beschriebene Typus für alle Gegenstände, sowie die Inhalte der betreffenden Vorstellungen gilt.

Indem wir Bestandteile der Gegenstände und entsprechende Teile eines Vorstellungsinhaltes als koordiniert bezeichneten, haben wir an einen Punkt gerührt, dem unter anderen LOTZE seine Beachtung geschenkt hat (85). Dieser Forscher wendet sich mit aller Entschiedenheit gegen "die behauptete Koordination der Merkmale im Inhalt des Begriffs", womit er die Anordnung der materialen Bestandteile eines Vorstellungsinhaltes innerhalb desselben meint. Wenn schon, meint LOTZE, in gewissen Fällen von so einer Koordination die Rede sein kann, so bedeutet sie nicht mehr, als daß alle Bestandteile "dem Ganzen gleich unentbehrlich sind, außerdem aber eine irgendwie gegliederte Ordnung nicht besteht". Gerade der zweite Teil dieser Ansicht dürfte zu starken Zweifeln berechtigten Anlaß geben. Denn wenn das bisher Gesagte richtig ist, erscheint der Inhalt einer Vorstellung gar wohl nach einem bestimmten Gesetz gegliedert. Aber auch von einer Koordination der Bestandteile sowohl eines Gegenstandes als auch eines Vorstellungsinhaltes kann die Rede sein. Indem wir mehrere Ordnungen materialer und formaler Bestandteile unterschieden haben, haben wir auch auf die Schwierigkeit hingewiesen, welche sich dem Erkennen solcher Bestandteile in den Weg stellt, die ein und derselben Ordnung angehören. Diese Schwierigkeit konnte uns nicht hindern, die Existenz solcher Bestandteile zu behaupten. Diese sind dann gewiß in dem Sinn einander koordiniert, als sie zu den aus ihnen gewonnenen entfernteren Bestandteilen im gleichen Verhältnis als die aus diesen Bestandteilen gebildeten "Ganzen" stehen. Insofern die Teile einer Ordnung von demselben gemeinsamen Ganzen gehabt werden, sind sie untereinander koordiniert. In diesem Sinn kann gewiß von einer Koordination die Rede sein. Und auch ein Kennzeichen kann namhaft gemacht werden, welches dazu dient, die koordinierten Teile eines Ganzen von seinen nicht koordinierten zu scheiden. Es liegt darin, daß sich diejenigen Bestandteile als koordinierte erweisen, von denen nicht einer für die anderen als gemeinsames Glied einer Reihe von Eigenschaftsrelationen fungieren kann. Dieses Kriterium bedarf jedoch einer Einschränkung, denn der in ihm geforderte Tatbestand findet auch statt zwischen nichtkoordinierten Teilen, wenn sie nur nicht benachbarten Ordnungen angehören. Infolgedessen ist das angeführte Kriterium nur imstande, die koordinierten Teile gegenüber solchen nichtkoordinierten zu unterscheiden, welche benachbarten Ordnungen angehören. Aber eben für diese Unterscheidung ist ein Kriterium wünschenswert, indem die Gefahr sehr gering ist, daß Bestandteile, welche weit auseinanderliegenden Ordnungen angehören, als untereinander koordiniert angesehen werden könnten.

Von einer Koordination der Bestandteile in einem anderen als dem angegebenen Sinn zu reden, geht nur in wenigen Fällen an. Aber in diesen ist es möglich. Denn nicht nur dadurch können Bestandteile derselben Ordnung einander koordiniert erscheinen, daß sie von einem gemeinsamen Ganzen gehabt werden, sondern auch dadurch, daß sie von ihm in gleicher Weise gehabt werden. Wir haben darauf hingewiesen, daß die Art der Eigenschaftsrelation abhängig ist von der Beschaffenheit des Teils, wie auch von der Art der zwischen den Teilen bestehenden Beziehungen, den sekundären formalen Bestandteilen des Ganzen. Wo nun erstens alle materialen Bestandteile derselben Ordnung und zweitens die zwischen ihnen bestehenden Beziehungen (und zwar insofern sie formale Bestandteile im eigentlichen Sinn darstellen) von gleicher Beschaffenheit sind, dort werden sowohl die Teile des Gegenstandes als auch die Teile des auf denselben bezüglichen Vorstellungsinhaltes auch in diesem Sinne koordinierte genannt werden können. Offenbar gehören hierher die Glieder einer Reihe und dgl. Wenn also LOTZE die Möglichkeit jedweder Koordination zwischen den Teilen eines Vorstellungsinhaltes leugnet, so geht er zu weit.

Handelt es sich darum, die Beziehungen, die wir zwischen dem Inhalt und Gegenstand einer anschaulichen Vorstellung gefunden haben, übersichtlich zusammenzufassen, so kann dies in folgenden Sätzen geschehen:
    1. Bei den Vorstellungsinhalten, deren Gegenstände als einfach vorgestellt werden, läßt sich zwischen Inhalt und Gegenstand kein anderes Verhältnis nachweisen als dasjenige, welches darin besteht, daß der Gegenstand der Vorstellung durch ihren Inhalt vermöge der Zugehörigkeit beider, des Inhaltes und des Gegenstandes, zu demselben Vorstellungsakt vorgestellt wird.

    2. Bei zusammengesetzten Inhalten scheiden sich die Bestandteile des Vorstellungsinhaltes in drei Gruppen, welchen je materiale, primäre formale und sekundäre formale Bestandteile des Gegenstandes entsprechen.

    3. Die Beschaffenheit der formalen Bestandteile des Inhaltes ist bestimmt durch die Beschaffenheit der formalen Bestandteile des Gegenstandes - ein Spezialfall des Satzes, daß die Beschaffenheit der formalen Bestandteile von der Beschaffenheit der materialen Bestandteile abhängt, indem die Vorstellungen der formalen Bestandteile eines Gegenstandes materiale Bestandteile des Inhaltes sind.
LITERATUR - Kasimir Twardowski, Zur Lehre vom Inhalt und Gegenstand der Vorstellungen, Wien 1894
    Anmerkungen
    51) BENNO KERRY, Über Anschauung und ihre psychische Verarbeitung, Vierteljahrsschrift für wissenschaftliche Philosophie, Jhg. X, Seite 424
    52) FRIEDRICH HARMS, Logik, hg. von WIESE, Leipzig 1886, Seite 194
    53) Vierteljahrsschrift für wissenschaftliche Philosophie, Jhg. VIII, Seite 82
    54) vgl. SCHRÖDER, Algebra der Logik, Bd. I, Seite 57f, 80f, 91f; GUTBERLET, Lehrbuch der Philosophie, Seite 10, Anm.
    55) HOPPE, Die gesamte Logik, Paderborn 1868, §§ 104, 111f.
    56) SIGWART, Logik I, § 41f
    57) HÖFLER, Logik, Wien 1890, § 15
    58) JULIUS BAUMANN, Einleitung in die Philosophie, Seite 9f.
    59) SIGWART, Logik, Bd. I, § 41.
    60) ÜBERWEG, System der Logik, bearbeitet und herausgegeben von JÜRGEN BONA-MEYER, Bonn 1882, § 49f.
    61) BOLZANO, a. a. O., § 65, 11
    62) ebd. § 89, Anm. 5 und § 112, Anm.
    63) SIGWART, Logik I, § 41.
    64) LOTZE, Logik, Leipzig 1881, Seite 46.
    65) vgl. ERDMANN, a. a. O., § 23.
    66) SIGWART, Logik II (Methodenlehre), § 65f.
    67) vgl. BOLZANO, a. a. O., § 58.
    68) vgl. HÖFLER, a. a. O., § 15
    69) SIGWART, Logik I, § 6, 3a und b.
    70) HÖFLER, a. a. O., § 27
    71) SIGWART, Logik I, § 41, 9.
    72) Unter metaphysischen Teilen versteht man das an einem Ganzen vermöge der Abstraktionsfähigkeit Unterscheidbare, aber von ihm nicht in Wirklichkeit Trennbare. So sind Ausdehnung, Größe, Farbe, Gewicht, kurz alles, was der gewöhnliche Sprachgebrauch als Eigenschaften bezeichnet, metaphysische Teile des mit diesen Eigenschaften ausgestatteten Gegenstandes.
    73) SIGWART, Logik I, § 40, 2. (vgl. auch ebnd. § 23, 4) und HÖFLER, a. a. O., § 94 A: "Umso mehr aber werden wir bei einem Ding, dessen Eigenschaften wir erst allmählich empirisch erkennen, einen umso tieferen Blick in seine Natur getan zu haben überzeugt sein, je mehr wir diejenigen Eigenschaften erkannt haben, von denen möglichst viele seiner übrigen Eigenschaften und seine Beziehungen zu möglichst vielen anderen Dingen abhängig sind; und die diesen Eigenschaften des Dings entsprechenden Merkmale (HÖFLER versteht unterdenselben Bestandteile des Vorstellungsinhalts) unserer Vorstellung vom Ding verdienen dann wirklich vor anderen als "wesentlich" und die aus ihnen gebildeten Begriffe als "natürliche" bezeichnet zu werden. Da die Bildung lauter solcher natürlicher Begriffe einen vollständigen Überblick über alle Eigenschaften und Beziehungen der Gegenstände voraussetzen würde, so haben manche nicht unpassend die Bildung natürlicher Begriffe als das letzte Ziel der Forschung überhaupt bezeichnet." Nur daß HÖFLER unter den Eigenschaften der Dinge die Beschaffenheiten derselben versteht; diese aber können nicht gegenseitig in jener kausalen Abhängigkeit stehen, die hier gefordert ist. Aus dem rechten Winkel eines ebenen Dreiecks folgt für dasselbe nichts, nur daraus, daß das Dreieck neben anderen Bestandteilen auch einen "rechten Winkel hat", folgt das Haben der im pythagoreischen Lehrsatz ausgedrückten Eigentümlichkeit. Und dies ist es ja auch, was SIGWART offenbar meint, wenn er (zuletzt a. a. O.) sagt: "wir betrachten die Einheit der Dinge als den beharrlichen, von den Unterschieden der Zeit nicht berührten Grund, der diese Eigenschaft oder Tätigkeit konstant oder in einem bestimmten Wechsel notwendig macht". Derselbe Gedanke scheint TRENDELENBURG vorgeschwebt zu haben, wenn er, gegen die "zufällige Ansicht" HERBARTs polemisierend geltend macht, daß die Ableitung von Merkmalen eines Dings auf die Durchdringung von Genus und Differentia in demselben gründet. Diese Durchdringung ist nichts anderes als der Umstand, daß Genus und Differentia als Teile ein und desselben einheitlichen Dings erscheinen.
    74) Darauf beruth die sogenannte "Unverträglichkeit" von Merkmalen; denn zwei Beschaffenheiten oder dgl. können nur insofern unverträglich genannt werden, als sie als Teile ein und desselben Gegenstandes gedacht werden.
    75) BENNO KERRY, Über Anschauung und ihre psychische Verarbeitung, Vierteljahrsschrift für wissenschaftliche Philosophie, Jhg. XI, Seite 272f. Vgl. überdies ÜBERWEG, a. a. O., § 49.
    76) Der Ausdruck stammt von BOLZANO, der solche Vorstellungen auch "symbolische" nennt, eine Bezeichnung, welche mit dem "symbolischen" Denken von LEIBNIZ nicht zu verwechseln ist (BOLZANO, a. a. O., § 90).
    77) In dieser Fassung gibt HÖFLER (a. a. O., Seite 51) die Einteilung der Vorstellungsteile an. Die Ausdrücke: einseitige und gegenseitige Ablösbarkeit und gegenseitige Unablösbarkeit stammen von BRENTANO (vgl. "Vom Ursprung sittlicher Erkenntnis", Leipzig 1889, Anm. 22, Nr. 2); CARL STUMPF nennt die ablösbaren Teile eines Vorstellungsinhaltes "selbständige Inhalte", die nicht ablösbaren "Teilinhalte" (vgl. dessen "Psychologishen Ursprung der Raumvorstellung", Leipzig 1873, § 5).
    78) KERRY, a. a. O., Jhg. X, Seite 460
    79) ZIMMERMAN, Philosophische Propädeutik, Wien 1867, § 26
    80) ÜBERWEG, a. a. O., § 49
    81) HÖFLER, a. a. O., § 16.
    82) BOLZANO, a. a. O., § 64, 2. - Es geht dies übrigens aus dem soeben angeführten Umstand hervor, daß die Relationen, in denen ein Gegenstand zu anderen steht, auch zu seinen Bestandteilen zu zählen sind. Da dann ihre Anzahl eine unabsehbare ist, so ist es ohne weiteres klar, daß nicht alle Bestandteile eines Gegenstandes durch eine (anschauliche) Vorstellung desselben vorgestellt werden können.
    83) Über den Begriff der anschaulichen und unanschaulichen, sowie indirekten Vorstellung, siehe MARTY, Über Sprachreflex, Nativismus und absichtliche Sprachbildung, 6. Artikel, Vierteljahrsschrift für wissenschaftliche Philosophie, Jhg. XIV, Seite 67, Anm. und HÖFLER, a. a. O., § 15, IV und § 26.
    84) Man kann hier von einem impliziten Vorstellen in einem ähnlichen Sinn wie von einem impliziten Urteilen sprechen. Danach würde man sagen, die entfernteren Bestandteile eines Gegenstandes werden von einer bestimmten Ordnung an nur implizit vorgestellt.
    85) LOTZE, a. a. O., Seite 46f