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[mit NS-Vergangenheit] Zur Frage des Realismus [Eine Erwiderung] [2/2]
[FORTSETZUNG] KÜLPE fährt dann in seiner Kritik fort (zweite Besprechung, Seite 988):
Ich gestehe aber bereitwilligst zu, daß der Ausdruck "Körperwelt" in diesem Zusammenhang zu Mißverständnissen Anlaß geben kann, und ich möchte auch den Anschein vermeiden, als ob ich dem Phänomenalismus Unrecht täte. Daher wird es vorsichtiger sein, wenn wir es vermeiden, die Begriffe Außenwelt und Körperwelt von vornherein einander gleichzusetzen. Ein eigentlicher Fehler also liegt nicht vor, und trotz der allerdings ganz unkantischen Verwendung des Wortes Körperwelt würde dieses Wort nicht verhindern, KANT zu den Vertretern des Phänomenalismus I meines Schemas zu rechnen. Aber ich selbst will das überhaupt gar nicht. Mein Schema ist nicht dazu da, um Philosophen darin unterzubringen, sondern um die von den Philosophen nur zu oft durcheinander gewirrten Gedanken wieder voneinander zu trennen. KANTs Standpunkt wird von mir so nicht als Phänomenalismus, sondern als ein Gemisch von Realismus und Konszientialismus bezeichnet, über deren Mischungsverhältnis EdA Seite 25 einige genauere Angaben zu finden sind. Ich habe anhand der Einleitung von KÜLPEs zweiter Besprechung eine ganze Reihe von Punkten erörtert, in denen wir voneinander abweichen. Unter den übriggebliebenen scheinen mir zwei noch von grundsätzlicherer Bedeutung, nämlich die Frage nach der Transzendenz und die Frage des unbewußten Geistigen. Es sind eine ganze Menge von Bedenken, die KÜLPE gegen meine Behandlung der ersteren geltend macht. Wir können sie zusammenfassend folgendermaßen darstellen:
2. Wenn auch durch den Beweis der Transzendenz der Konszientialismus widerlegt wäre, so ist der Phänomenalismus damit nicht getroffen, hätte also noch besonders widerlegt werden müssen. 3. Die Beweise für die Transzendenz und gegen den Konszientialismus sind auch in sich selbst sehr mangelhaft. Auch dem zweiten gegenüber kann ich mich kurz fassen, indem ich KÜLPEs eigene Ausführungen zu seiner Widerlegung verwende. Meine Erörterungen über Transzendenz dienen, wie gesagt, nur mittelbar zum Beweis des Realismus, unmittelbar sollen sie nur Gründe, auf die sich der Anti-Realismus beruft, widerlegen. Indem ich den Phänomenalismus in RT als Abschwächung des Konszientialismus gekennzeichnet habe, suchte ich zu zeigen, daß beide Standpunkte in der Frage der Transzendenz prinzipiell zumindest gleicher Meinung sind, daß auch der Phänomenalismus allerdings im Widerspruch mit sich selbst an der Unmöglichkeit der Transzendenz des Gedankens über sich selbst oder über das Gegebene festhält. Das scheint nun KÜLPE bestreiten zu wollen, wenn er sagt (erste Besprechung, Seite 90):
Deutlicher ist daher wohl die Behauptung der ersten Besprechung Seite 97: "Beide Beweise richten sich zunächst nur gegen den Phänomenalismus." Das heißt: der Beweis, daß der Begriff eines Dings ansich und daher auch die Annahme von Dingen-ansich unsinnig ist, und ebenso der Beweis, daß die Erkenntnis nie über das Gegebene hinaus gelangt, sind nur Beweise gegen den Phänomenalismus. Und warum? Weil in beiden nur von der Setzung von Realitäten, eines Dings-ansich, eines Nicht-Gegebenen - nicht aber von ihrer Bestimmung, ihrer Erkennbarkeit die Rede ist! Ähnlich sagt KÜLPE in seiner "Einleitung" Seite 158/9:
"Da liegt es nahe, sich auf den Vermittlungsstandpunkt des Phänomenalismus zu stellen, alle Bestimmung von Realitäten abzulehnen und nur an deren Setzung festzuhalten." "Darum wird der Phänomenalismus von den oben §§ 17,9 vorgetragenen Widerlegungen der konszientialistischen Argumente nicht getroffen." KÜLPE hat mir seine Widerlegung aber noch viel einfacher gemacht, durch das was er selbst zur Widerlegung des Phänomenalismus und für den "kritischen Realismus" beibringt. Er sagt (Einleitung Seite 160/1):
Diese Annahme ist also dieselbe, wie die des Konszientialismus: das Denken kann nie zu den Dingen, wie sie ansich sind, gelangen, weil es seinen Gegenstand durch das Denken stets verändert. Trotz seiner Kritik stimmt also KÜLPE durchaus mit mir überein in der Auffassung und Widerlegung des Phänomenalismus. Auch in diesem Punkt wird er also wohl die von ihm in der ersten Besprechung angeführte Kritik von ELSE WENTSCHER gegen mich nicht weiter billigen dürfen. Und die Übereinstimmung geht noch ein Stück weiter: nicht nur halten wir beide ein und denselben Satz für die Grundannahme des Phänomenalisten, sondern wir behaupten auch beide, daß dieser seine Annahme, obwohl sie des Beweises bedürftig wäre, nicht beweist. Man vergleiche mit den oben angeführten Sätzen KÜLPEs von meinen Ausführungen in RT etwa das Seite 100f gegebene. Ich habe nur noch ein Übriges getan und erklärt, obgleich ich den geforderten Beweis für unmöglich halte und abwarten könnte, bis er geliefert wird, so wollte ich doch der Wichtigkeit der Sache wegen selbst den Gegenbeweis antreten (Seite 102), indem ich darlege, daß der Gedanke seinen Inhalt nicht verändert (Seite 103f) und weiter führe man auch den Satz an, der sich als Ergebnis spezieller Untersuchungen Seite 147 einstellt: "es gibt tatsächlich Begriffe in Hülle und Fülle, welche auch inhaltlich das Gegebene transzendieren." Etwas zweifelhafter bin ich hinsichtlich der Auffassung dessen, was KÜLPE an derselben Stelle über die reale Bedeutung der Kategorien der Zahl, der Kausalität, sagt. Man möchte zwar glauben, daß er sich hier auf die Seite von EDUARD von HARTMANN stellt, aber der Widerspruch zu den Ausführungen in der ersten Besprechung Seite 102f wäre dann doch zu scharf, zu deutlich, als daß wir glauben könnten, KÜLPE habe ihn nicht bemerkt. Denn hier wendet sich KÜLPE mit aller Energie gegen den Versuch von HARTMANNs, den Realismus mit Hilfe des Begriffs einer solchen "halb immanenten, halb transzendenten Kausalität" zu beweisen. KÜLPE wird vielleicht die Gelegenheit ergreifen, um sich selbst über diesen anscheinenden Widerspruch zu äußern. Mag er sich nun aber für oder gegen von HARTMANN erklären, die Kritik trifft jedenfalls nicht meinen Standpunkt. Denn ich habe den Begriff der Ursache nicht benutzt, um den Realismus zu beweisen, sondern um eine besondere Art des phänomenalistischen Denkens als in sich widerspruchsvoll darzulegen, und so einen letzten Anspruch gegen den Realismus zurückzuweisen (RT Seite 147f). Ich fügte daher meinen damaligen Ausführungen hinzu (Seite 154):
"Der Gedanke der Ursache ... setzt voraus, daß ... Stücke der Außenwelt überhaupt schon erkannt worden sind, ehe er noch selbst darauf angewendet war." Ich komme nunmehr zur dritten Ausstellung KÜLPEs, daß meine Erörterungen nicht einmal geeignet sind, die Gründe, auf die sich der Konszientialismus beruft, zu widerlegen. Tatsächlich tritt freilich an die Stelle dieses Vorwurfs zum guten Teil der andere schon besprochene, daß meine Erörterungen nicht den Realismus beweisen. Um Klarheit in unsere Auseinandersetzung zu bringen, ist es aber nötig, beide auseinander zu halten. Als allgemeinster Grund wird vom Konszientialismus gegen den Realismus der Hinweis auf die Unmöglichkeit der Transzendenz des Denkens benutzt. In diesem Grund sind aber sehr verschiedenartige Gedanken miteinander verknüpft, unter denen ich zunächst zwei als "apriorischen Beweis" und als "positivistischen Beweis" voneinander gesondert habe. Der apriorische Beweis besagt, daß die Erkenntnis einer Außenwelt, einer Welt von Dingen-ansich, unmöglich ist, weil sich schon der Gedanke eines Dings-ansich selbst widerspricht. Der positivistische aber schließt, weil die Wissenschaft sich auf das Sichere beschränken muß, so darf sie solche metaphysischen Gebilde wie "Dinge-ansich" nicht anerkennen. Hinsichtlich des ersten Beweises nun möchte ich hier die Gelegenheit benutzen, um meine in RT gegebene Widerlegung desselben einer Verbesserung zu unterziehen. Ich hatte auf das Recht der Abstraktion hingewiesen, wenn ein wirkliches, ein Komplex der Inhalte abc ..., unter ihnen auch das Gedachtwerden, vorliegt, von diesem Gedachtwerden abzusehen. Mißlich ist es aber, wenn ich von diesem Gedanken aus das Verhältnis zu beleuchten unternehme, in dem jeder Gedanke zu seinem eigenen Inhalt steht. Denn das Ergebnis dieser Beleuchtung ist ja, daß ein Gedanke sich nie selbst denken kann. So wenig er also das Merkmal des durch-ihn-selbst-gedacht-werdens in seinem Inhalt oder Gegenstand vorfindet, so wenig kann oder muß er auch von ihm absehen: er kümmert sich gewissermaßen gar nicht um sich selber! So wenig er also das Merkmal des durch-ihn-selbst-gedacht-werdens in seinem Inhalt oder Gegenstand vorfindet, so wenig kann oder muß er auch von ihm absehen: er kümmert sich gewissermaßen gar nicht um sich selber! Es wird also besser sein, beide Fälle gänzlich auseinander zu halten. Die Widerlegung des apriorischen Beweises erhält dann folgende Gestalt. Es ist unzweifelhaft, daß jeder Inhalt, von dem wir reden, denken usw., ein gedachter ist, einmal deswegen, weil er eben gedacht wird indem wir ihn denken und zweitens, weil er auch sonst von anderen Menschen gedacht werden kann. Diese Tatsache aber hindert nicht zu fragen, wie der Inhalt wohl ansich d. h. abgesehen davon, daß er gedacht wird, sein mag, und darauf zu antworten, daß der Inhalt derselbe bleibt, gleichgültig ober er gedacht wird oder nicht. Nämlich was den zweiten Fall anlangt, daß der Inhalt nicht jetzt von mir sondern "sonst" gedacht wird, so sehen wir ja, wie der Inhalt in beliebig viele Prinzipialkoordinationen aufgenommen wird, ohne sich zu verändern, wir können ihn daher durch Abstraktion aus ihnen heraus heben, und als Ding-ansich betrachten. Was aber sein Verhältnis zu dem ihn jedesmal gerade denkenden Gedanken anlangt, so kümmert sich dieser gar nicht um sich selbst, also auch nicht um das etwaige Merkmal seines Inhaltes oder Gegenstandes, jetzt von ihm gedacht zu werden. Das ist die natürliche Sachlage. Will also jemand das Recht des Gedankens bestreiten, vom Merkmal des Gedachtwerdens bei seinen Gegenständen abzusehen, oder sich um dasselbe gar nicht zu kümmern, so muß er für diese Bestreitung einen besonderen Grund anführen, er muß den Satz beweisen, daß die genannte Abstraktion und Nichtberücksichtigung zu einer Fälschung führt. Dieser Beweis kann nun abgewartet werden. Es läßt sich aber auch leicht der Gegenbeweis geben. Nämlich was das Gedachtwerden eines Inhalts anlangt, so weit es nicht von dem gerade vorliegenden Gedanken herrührt, so zeigt die Vergleichung des Inhaltes in verschiedenen und beliebig vielen Prinzipialkoordinationen, daß der Inhalt durch diese nicht geändert wird. In Bezug aber auf das Gedachtwerden durch den gerade vorliegenden Gedachen, und dann weiter ganz allgemein, ist zu sagen, daß der verlangte Beweis sich selbst aufheben würde. Der Versuch nachzuweisen, daß der Inhalt a durch das Gedachtwerden gefälscht wird, setzt voraus, daß der Inhalt a in diesem Nachweis gedacht wird, das ist aber unmöglich, wenn er durch das Denken ein anderer wird. Der Vertreter des apriorischen Beweises kann seinen eigenen Stanpunkt nicht ohne Widerspruch beschreiben, er kann gar nicht
"Und verfälscht der Umstand, daß das Zentralglied der ersten (betrachteten) Koordination Gegenglied der zweiten (betrachtenden) ist, seinen Charakter als Zentralglied der ersten, dann ist die Beschreibung einer jeden Prinzipialkoordination Unsinn, und damit auch der Konszientialismus als vernünftiger Standpunkt aufgehoben." (RT Seite 102/3). Es handelt sich also, wie man bei genauerem Zusehen bemerkt, bei einem apriorischen Beweis um einen allgemeinen skeptischen Gedanken, und jeder allgemeine skeptische Gedanke hebt sich von selbst auf. Wenn so gezeigt ist, daß der apriorische Beweis auf der angegebenen unbewiesenen und unbeweisbaren Voraussetzung beruth, so geht aus einen tatsächlichen Einkleidungen hervor, da0 er auch häufig noch eine andere Voraussetzung hat, eine Begriffsverwechslung, die aber auch für sich allein auftritt und den Anspruch erhebt, den Realismus zu widerlegen. Es ist die Verwechslung des Denkens mit dem Haben von psychischen, von Bewußtseinsinhalten, und die Verwechslung von Denkgegenständen mit dem Psychischen, dem Bewußtseinsinhalt. Da nun aber die Hauptvertreter des aprioristischen Beweises, wie z. B. AVENARIUS und SCHUPPE, an dieser Verwechslung nicht teilnehmen, vielmehr selbst erklären, daß nicht alle Ding deswegen, weil sie gedacht werden, auch psychische sein müßten, so habe ich es für angebracht gehalten, in der "Klärung" des apriorischen Beweises (RT Seite 77-90) diese Verwechslung aus ihm auszuschalten. Sofern diese Verwechslung aber mehr ist als eine Verwechslung, nämlich eine mit Kenntnis ihrer Tragweite ausgesprochene Behauptung, so gehört sie in das Gebiet des zweiten, des positivistischen Beweises. Denn da die Annahme desselben, das Gegebene sei gleich dem (im Denken) gegenwärtigen Psychischen, richtig ist (RT VIII § 2), so besagt der positivistische Bewis schließlich, daß das Denken auf die im Denken gegebenen psychischen Inhalte beschränkt ist, Gegenstand des Denkens als nur Bewußtseinsinhalte sein können. Die Widerlegung dieses Satzes nun liegt darin, daß von ihm aus weder die Wissenschaft noch überhaupt irgendein Urteil möglich ist (RT VIII § 3). Das allgemeine Wesen des Urteils besteht gerade darin, daß es über das Gegebene, die in ihm vorhandenen psychischen Inhalte hinausgeht - das Wesen des Urteils und weiter das Wesen des Denkens überhaupt besteht in seiner Transzendenz. Es sind also zwei sehr verschiedene Gedanken, die den beiden anti-realistischen Beweisen zugrundeliegen, und die nicht immer gehörig auseinander gehalten werden. Nach dem ersten soll das Denken seinen Gegenstand verfälschen, ohne daß notwendigerweise damit gemeint wird, das Denken ändere durch diese Verfälschung seinen Gegenstand in einen psychischen Inhalt um. Auch so wird die Erkenntnis einer vom denkenden Subjekt unabhängigen Welt, einer Außenwelt als unmöglich gesetzt, ja der bloße Begriff der Außenwelt zu einem sich selbst widersprechenden gemacht. Indem dann aber gewöhnlich noch der zweite Gedanke sich mit dem ersten vermischt, erscheint als Gegenstand unverfälschter Erkenntnis allein die Bewußtseinswelt. Sehen wir nun zu, was KÜLPE gegen diese Auffassung und Widerlegung der anti-realistischen Grundgedanken einzuwenden hat. Zunächst mach er mir den Vorwurf, daß von mir in der Frage der Transzendenz Denken und Vorstellen auf eine Stufe gestellt würden (erste Besprechung, Seite 95) und beweist, daß doch eigentlich nur beim Denken von einer Frage der Transzendenz gesprochen werden darf (Seite 96). Dann aber fährt er fort (Seite 96):
Es ist übrigens auch leicht zu sehen, was KÜLPE zu seiner ersten Auffassung geführt hat: in meiner Darstellung der konszientialistischen Lehre spreche ich öfter auch mit den Worten der betreffenden Konszientialisten, und daß diese Vorstellen und Denken häufig durcheinander gebrauchen, ja eigentlich immer als gleichbedeutend gebrauchen müssen, liegt auf der Hand. Weiter! KÜLPE ist mit der Formulierung des positivistischen Beweises nicht einverstanden:
Nun fährt KÜLPE fort (erste Besprechung, Seite 96):
Wie er dann aber von diesem Satz "es ist unmöglich ..." den anderen "Denken läßt sich tatsächlich nur ..." als grundverschieden darlegt und nur den letzteren als neues Argument gelten lassen will, das, gestehe ich, kann ich nicht einsehen. Ob ich sage: "Nur A läßt sich tatsächlich denken", oder: "Es ist unmöglich, etwas zu denken, was nicht A ist", das ist doch wohl dasselbe! Nun zum ersten Beweis! KÜLPE findet (erste Besprechung, Seite 98), daß durch meine Argumente gegen den apriorischen Beweis nichts ausgerichtet wird. Und warum? "Ferner liegt im Begriff eines Inhalts doch auf jeden Fall, daß er gedacht wird." KÜLPE hat offenbar nicht bemerkt, worin ich den eigentlichen Fehler dieses Satzes finde. Wenn ich das "im Begriff liegen" im üblichen Sinn nehme, so würde KÜLPEs Behauptung besagen, daß unter den Merkmalen, die den "Begriffsinhalt" ausmachen, auch das Merkmal des gedacht-werdens vorkommt. Unter den Merkmalen eines "Inhaltes" schlechthin ist aber doch wohl nichts von einem "gedacht-werden" zu finden, ich muß aus dem "Inhalt" den "Begriff des Inhalts" machen, um das gedacht-werden hinein zu bekommen! KÜLPE verwechselt also den Inhalt eines Begriffs mit dem Begriff eines Inhaltes, was sich auch wohl darin äußerlich zeigt, daß er im Ausdruck "Begriff eines Inhaltes" das Wort Begriff betont, nicht aber das Wort Inhalt, worauf es doch ankommt. Die "Dinge-ansich" sind Inhalte oder Gegenstände von Begriffen, nicht aber Begriffe von Inhalten oder Gegenständen! Etwas klarer würde der Fehler noch werden, wenn man die Unbestimmtheit des Wortes "Inhalt", das hier bald im technischen Sinn eines Begriffsinhalts bald in dem andern eines "Dings schlechthin" genommen wird, vermeiden wollte. Meine Behauptung würde dann lauten:
Weiter:
Doch er muß es gesehen haben, denn er hat ja auch dagegen seine Einwände, die freilich wieder zum größten Teil auf Mißverständnissen beruhen. Denn er findet in meiner Behauptung, jeder Gedanke meine etwas von ihm selbst Verschiedenes, die andere, daß Urteile unmöglich sind, in denen das Prädikat vom Subjekt aussagt, was dieses enthält! (erste Besprechung Seite 98). Nachher freilich (Seite 99) fällt ihm wieder ein, daß vielleiht doch etwas anderes gemeint ist, und er scheint auch die wirkliche Meinung gefunden zu haben, wenn ich seinen Satz: "Das im Subjekt Bezeichnete ist nicht identisch mit der Bezeichnung" richtig deute. Über diesen Satz aber habe ich schon oben gesprochen. Einen besonderen Hieb bekommt noch mein Versuch, den berühmten Trugschluß des Kreters mit der vorliegenden Frage in Beziehung zu bringen:
Merkwürig, wie fast alles in dieser alles zermalmenden Besprechung meines Transzendenzgedankens ist nun auch die Überleitung zur Kritik meiner Auffassung des positivistischen Beweises. KÜLPE sagt nämlich (erste Besprechung Seite 99/100):
Hinsichtlich meines Satzes nun, daß jeder Gedanke sich auch als psychischer Inhalt transzendent ist, findet KÜLPE, daß er wohl richtiger ist, aber nicht geeignet, den positivistischen Beweis zu widerlegen. Nämlich deswegen nicht, weil durch diesen Satz nicht bewiesen ist, daß das jenseits des Gegebenen liegende Gemeinte auch real ist. Der Einwand fällt zum Teil mit dem allgemeinen zusammen, daß meine Erörterung der Transzendenzfrage nicht genügt, um den Realismus zu beweisen, und ist insofern daher durch das früher Gesagte mit erledigt. Er enthält aber noch etwas Besonderesf, sofern zugleich behauptet wird:
Nun aber zum Ende will ich nicht mehr mit KÜLPE streiten, sondern mich auch einmal seiner Übereinstimmung mit mir freuen. Nämlich, so erstaunt ich war, es ist doch Tatsache, was auch immer KÜLPE gegen mich in seiner Besprechung vorgebracht hat, im Grunde scheint er doch gleicher Meinung mit mir zu sein, zu urteilen nach dem, was er in seiner "Einleitung in die Philosophie" zur Erörterung der Frage des Realismus fast ganz neu hinzugefügt hat in der dritten Auflage vom Jahr 1903, also in derselben Zeit, in der er wohl die Besprechung meiner ersten Schrift abfaßte! Nämlich, man vergleiche mit der zweiten Auflage (etwa Seite 215f) und lese in der dritten Seite 155f:
a) Der Begriff einer vom Denken unabhängig existierenden Realität ist ein sich selbst widersprechender. Indem man sie denkt, ist sie eben nicht mehr vom Denken unabhängig. Da nun das Denken zur Bewußtseinswirklichkeit gehört, bzw. gehören kann, so kommt man über diese auch nicht mit einer Realität über diese hinaus. b) Denken läßt sich tatsächlich nur, was zur Bewußtseinswirklichkeit gehört, d. h. Denken und Vorstellen sind nicht voneinander verschieden. Ein solcher empirisch-psychologischer Gesichtspunkt liegt dem Idealismus Berkeleys zugrunde, der eine außenweltliche Realität materieller Substanzen auch aus dem Grunde ablehnt, weil sie unvorstellbar ist. c) Das Ideal der Wissenschaft ist die volle Gewißheit, die Allgemeingültigkeit ihrer Ergebnisse. Dieses Ideal kann nur erreicht werden, wenn man alles Hypothetische, Problematische, Ungewisse ausscheidet. Nun ist für die Realwissenschaften das unmittelbar im Bewußtsein Gegebene das einzig Gewisse. Was darüber im Sinne einer Ergänzung oder Änderung hinausgeht, ist unsichere Spekulation, gewagte Vermutung. Darum ist alle Transzendenz im Interesse der Allgemeingültigkeit zu vermeiden und die Wissenschaft auf die Angabe zu beschränken, daß sie das Bewußtseinswirkliche darstellen, in Gedanken nachbilden soll. d) Ein anderes Ideal der Wissenschaft ist die größtmögliche Zweckmäßigkeit und Einfachheit der Darstellungsmittel. Dieses Ideal wird erreicht, wenn man alle überflüssigen Annahmen unterläßt. Das Grundgesetz der Wissenschaft ist von diesem Gesichtspunkt aus das Prinzip der Ökonomie. Die Annahme von Realitäten ist hiernach als entbehrliche Zutat metaphysischer Herkunft preiszugeben.
"Mögen darum Materie, Energie, Seele sich nicht vorstellen lassen, so können sie doch gedacht werden." Indem ich diese Darstellung und Widerlegung der konszientialistischen Argumente betrachte, komme ich zu dem angenehmen Ergebnis, daß KÜLPE doch kaum richtig urteilte, als er meinte, er stimme mit mir zwar im Ziel, nicht aber im Weg überein. Denn im Großen und Ganzen ist doch hier von KÜLPE derselbe Weg in der Bekämpfung des Konszientialismus eingeschlagen, wie von mir auch. KÜLPEs erstes logisches Argument und seine Widerlegung entspricht offenbar dem von mir sogenannten "apriorischen Beweis" und meiner Zurückweisung desselben; seine Erörterung des zweiten und dritten Arguments aber der meines "positivistischen Beweises" und auch wohl den RT IX § 1 und 2 gegebenen Untersuchungen, und die des vierten, teils ebenfalls jener, teils Überlegungen, die von mir unter der Überschrift: "Wahrheit oder Zweckmäßigkeit" an das Ende von RT gerückt worden sind. Aber freilich, der Weg ist doch nur im Allgemeinen derselbe. Die Straßen, die wir ziehen, bieten sehr viele Hindernisse, und wenn wir auch einen großen Teil derselben in gleicher Weise genommen haben, so sind doch auch einige vorhanden, die von uns recht verschieden beurteilt und zu deren Überwindung daher von uns auch sehr verschiedenartige Anstrengungen gemacht worden sind! So war ich der Meinung, daß in das erste Argument die Annahme, die Außenwelt werde als gedacht zu einer Bewußtseinswelt, nicht notwendig hineingehört. KÜLPE widerlegt daher dieses Argument nicht mit der nötigen Schärfe. Hören Wir:
Wenn dann KÜLPE den Nachdruck auf den Satz legt, daß, was Vorstellung ist, doch nicht nur Vorstellung sein muß, so muß diese Art der Widerlegung doch sehr bedenklich erscheinen - nämlich auch nach der Auffassung KÜLPEs selbst, wo Vorstellung doch gleichbedeutend ist mit psychischem Inhalt, und das Vorstellen streng vom Denken getrennt wird. Wenn in diesem Sinn sicher wäre, daß die Außenwelt eine Vorstellung ist, wie wollte KÜLPE dann wohl beweisen, daß sie kein Bestandteil der Bewußtseinswelt sein kann? Offenbar muß es vielmehr heißen: was gedacht ist, muß deshalb nicht nur etwas Gedachtes sein; und mit diesem Satz würde KÜLPE dann meiner Bekämpfung des "apriorischen" Arguments sich näher anschließen. Wenn dann weiter zum Beweis der Transzendenz auf das Denken von Gefühlen und ähnliches mehr hingewiesen wird, so entspricht das wieder meiner Darlegung. Auch hinsichtlich der Behandlung der übrigen konszientialistischen Argumente hätte ich einiges zu erinnern, als nebensächlicher soll es aber hier beiseite gelassen werden. Ich wende mich vielmehr zur letzten großen Streitfrage, der nach dem Wesen des Unbewußten. Ich habe mich an die Erörterung derselben in EdA nur mit gewissen Vorbehalten gemacht. So suche ich EdA Seite 123/4 nachzuweisen, daß ihre Entscheidung trotz des gegenteiligen Anscheins für meinen Beweis des Realismus gleichgültig ist. Denn es handelt sich in diesem um die Frage, ob außer unseren Vorstellungen von physischen Dingen auch physische Dinge selbst vorhanden sind, nicht aber um die, ob außer der Bewußtseinswelt noch irgendetwas anderes existiert, das vielleicht auch ein "unbewußtes Geistiges" sein könnte. Wie schon oben bemerkt, mag dher meine Gleichsetzung der Begriffe "Außenwelt", "Nicht-Psychisches, "Physisches", "Körperwelt" in der Aufstellung des erkenntnistheoretischen Schemas etwas Mißverständliches an sich haben, zu einem wirklichen Fehler, einer Erschleichung führt sie nicht. Wenn ich dann darauf doch den Beweis für die Annahme, daß auch das "unbewußte Geistige" ein Physisches ist, mitteile, so geschieht es um die Grundlage unzweideutig anzugeben, auf der mein weiterer Versuch, die Transzendenz kausal zu erklären, beruth. So durfte und mußte die ganze Erörterung etwas knapp gehalten werden; so mangelhaft aber ist sie wohl doch nicht ausgefallen, wie es nach KÜLPEs Besprechung erscheinen möchte. Über einen Einzelfall der ganzen Frage, der nach den unbewußten Urteilen, habe ich schon oben Einiges bemerkt. Ich mußte das Verfahren KÜLPEs, mir einen Widerspruch im Begriff des unbewußten Urteils aufzumutzen [anzukreiden - wp], als ein recht Unlogisches kennzeichnen. Schön kann ich es auch nicht finden, wenn KÜLPE statt sich an meine Definitionen zu halten, aus einer gelegentlichen Sprachwendung die abenteuerlichsten Folgerungen zieht mit einer Miene, als ob es die meinen sein müßten! Ich habe nämlich in EdA Seite 39 davon gesprochen, daß ein Urteil statt durch Bewußtseinsinhalte auch durch Handlungen ausgedrückt werden kann, daß z. B. derjenige, der in eine falsche Straße einbiegt, ohne daß infolge seiner Gedankenablenkung ein Bewußtsein davon vorhanden ist, damit doch ein Urteil und zwar ein falsches fällt, indem er die Straße für eine andere hält. Ich habe hier also auch eine Straße als "falsch" bezeichnet, während "falsch" oder die Möglichkeit der Falschheit doch von mir als definitorisches Merkmal des Urteils genommen wird. Dazu sagt KÜLPE:
Ich gebe aber noch einige weitere Hinweise der Sicherheit wegen. Die Möglichkeit der Falschheit ist ein so gutes Kennzeichen, daß es genügt, um das Urteil zu definieren. Daß auch ich das Urteil aber für einen Gedanken halte, hätte KÜLPE z. B. aus den ausführlichen Erörterungen von RT VIII § 3 entnehmen können, wo das Urteil als eine Unterart des Begriffs "Gedanke" gefaßt wird, nämlich als diejenige, welche wahr oder falsch sein kann, während der Gedanke das ist, dem Transzendenz zukommt. Und war KÜLPE auch noch so bedenklich, so brauchte er nur den Abschnitt V, 1 in EdA zu lesen, der die Überschrift trägt: "Die Tatsächlichkeit der Wahrheit", und wo es Seite 100 heißt:
Nun zur Hauptfrage! KÜLPE sagt in seiner zweiten Besprechung Seite 993 Folgendes:
"Nicht minder muß bei einem Erkenntnistheoretiker die Behauptung auffallen, daß die Ansicht von der physischen Natur des unbewußt Psychischen oft genug bewiese und einer weiteren Bestätigung zugänglich ist. Wie mag es zugehen, daß Psychologen wie Lipps und Ebbinghaus trotzdem an der Annahme eines unbewußten Seelenlebens festhalten? Wir gestehen, nichts von solchen Beweisen zu wissen und wären Freytag dankbar gewesen, wenn er wenigstens einen von ihnen zitiert hätte. Und es fehlt uns gleichfalls die Einsicht in die Möglichkeit einer weiteren Bestätigung für die psychologische Theorie des Unbewußten." Zugegeben wird allgemein, daß ein unbewußtes Geistiges angenommen werden muß - selbst in Bezug auf Urteile erklärt KÜLPE z. B. selbst öfter, daß sie ihren vollständigen Ausdruck nicht im Bewußtsein finden. - Man streitet nur darüber, ob dasselbe etwas physisches, ein Gehirnvorgang, ist, oder etwas nichtphysisches. Zwischen den beiden Annahmen ist zu entscheiden, wie zwischen Annahmen überhaupt: man zieht diejenige vor, welche ihren Zweck am Besten, mit den einfachsten Mitteln erfüllt (und der Zweck ist, einen beobachteten Tatbestand zu erklären), und für welche eine weitere Bestätigung am sichersten erscheint. Demnach muß man sich für die Annahme entscheiden, daß das unbewußte Geistige etwas Physisches ist. Denn erstens erklärt sie, was zu erklären ist, eigentlich ohne ein neues hypothetisches Element in die Wissenschaft einzuführen: die Gehirnvorgänge sind der Wissenschaft schon gar nicht mehr als "Annahme" gekennzeichnet, während das unbewußte Nichtphysische doch etwas recht Zweifelhaftes ist. Und zweitens steht sie nicht nur nicht irgendeiner sicheren Erkenntnis entgegen, sondern wird sogar fortwährend weiter bestätigt. Nämlich bestätigt wird sie durch die Psychiatrie, welche den Zusammenhang zwischen psychischen Erkrankungen und Gehirnerkrankungen immer mehr ins Einzelne verfolgt, und somit den Schluß auf einen allgemeinen Zusammenhang von psychischen Vorgängen und Gehirnvorgängen rechtfertigt. Wird aber einmal zugestanden, daß Physisches und Psychisches allgemein zusammenhängen, so folgt aus der Geschlossenheit des Physischen, der Lückenhaftigkeit des Psychischen, daß ersteres in diesem Zusammenhang das unabhängige, letzteres das abhängige ist. Bestritten wird dagegen, daß unserer Annahme nichts entgegen steht. Unter anderem soll das Gesetz von der Erhaltung der Energie ihr entgegenstehen, weil es aussagt, daß für die Gesamtheit der physischen Vorgänge die Summe der Energie stets die gleiche ist, daß daher weder angenommen werden darf, daß Energie aus dem Psychischen ins Physische, noch umgekehrt aus dem Physischen ins Psychische übergeht. Ich zeigte demgegenüber, daß, wenn das schon richtig ist, damit doch nicht ausgeschlossen ist, daß das Psychische vom Physischen abhängt, da ja ein Inhalt X von einem Inhalt A sehr wohl abhängig sein kann, ohne daß Energie von A auf X übergeht. Damit will ich auch die Erörterung der sachlichen Fragen abgeschlossen sein lassen, hinsichtlich deren KÜLPE Stellung gegen mich genommen hat! Sie führt im Großen und Ganzen doch wieder auf das im Anfang Gesagte zurück; denn wenn in den entscheidenden Punkten, im Beweis der Transzendenz durch eine Widerlegung des Konszientialismus und Phänomenalismus und in einem positiven Beweis für die Existenz und Erkennbarkeit der Außenwelt KÜLPE zu einem wesentlichen Teil eben das in meinen Schriften verwirft, was er in seinen Schriften, und wohl gleichzeitig mit dieser Verwerfung, als seine Meinung vorträgt, so wird man zu der Annahme kommen müssen, daß es sich auch hier um ein großes Mißverständnis handelt. ![]() |