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WILLY FREYTAG
[mit NS-Vergangenheit]
Zur Frage des Realismus
[Eine Erwiderung]
[2/2]

"Das Ideal der Wissenschaft ist die volle Gewißheit, die Allgemeingültigkeit ihrer Ergebnisse. Dieses Ideal kann nur erreicht werden, wenn man alles Hypothetische, Problematische, Ungewisse ausscheidet. Nun ist für die Realwissenschaften das unmittelbar im Bewußtsein Gegebene das einzig Gewisse. Was darüber im Sinne einer Ergänzung oder Änderung hinausgeht, ist unsichere Spekulation, gewagte Vermutung."

"Ein anderes Ideal der Wissenschaft ist die größtmögliche Zweckmäßigkeit und Einfachheit der Darstellungsmittel. Dieses Ideal wird erreicht, wenn man alle überflüssigen Annahmen unterläßt. Das Grundgesetz der Wissenschaft ist von diesem Gesichtspunkt aus das Prinzip der Ökonomie. Die Annahme von Realitäten ist hiernach als entbehrliche Zutat metaphysischer Herkunft preiszugeben."

[FORTSETZUNG]

KÜLPE fährt dann in seiner Kritik fort (zweite Besprechung, Seite 988):
    "Ferner ist die die Bestimmung des Phänomenalismus aus dem nämlichen Grund so geraten, daß der typische Vertreter dieses Standpunktes, Kant, gar nicht untergebracht werden kann. Denn wenn es unter V. heißt: nur die Bewußtseinswelt ist vollständig zu erkennen, von der Körperwelt im Wesentlichen nur, daß sie existiert - so trifft diese Behauptung aus naheliegenden Gründen für Kant nicht zu."
Die Erklärung des Phänomenalismus aber, die KÜLPE selbst in seiner "Einleitung" Seite 146 gibt:
    "Der Phänomenalismus endlich nimmt einen vermittelnden Standpunkt ein, indem er erklärt, daß es zwar ein Reales, ein Ding-ansich, einen Träger jener Gesetzlichkeit des Vorgefundenen gibt, daß wir aber nur die Phänomene, die Bewußtseinserscheinungen erkennen können" -
ist doch wohl im Wesentlichen dieselbe, die überhaupt ziemlich allgemein übliche. KÜLPE hat also wohl daran Anstoß genommen, daß ich das X, dessen Existenz der Phänomenalismus annimmt, wenn er auch seine Erkennbarkeit leugnet, als Körperwelt bezeichnet habe. Nun ist es aber für den Standpunkt des Phänonemalismus offenbar ganz gleichgültig, wie man jenes X bezeichnet, da die Bezeichnung ja nur rein äußerlich gemeint sein, keine Bestimmung über das Unerkennbare enthalten kann. Für mich aber ist Körperwelt nach der Definition in EdA Seite 10/11 gleichbedeutend mit Außenwelt, mit Welt außerhalb des Bewußtseins; daher muß dieser Begriff genügen, um das zu kennzeichnen, was auch KÜLPE unter Phänomenalismus versteht: Realität und Erkennbarkeit der Bewußtseinswelt, Realität aber Unerkennbarkeit von etwas, was außerhalb des Bewußtseins liegt.

Ich gestehe aber bereitwilligst zu, daß der Ausdruck "Körperwelt" in diesem Zusammenhang zu Mißverständnissen Anlaß geben kann, und ich möchte auch den Anschein vermeiden, als ob ich dem Phänomenalismus Unrecht täte. Daher wird es vorsichtiger sein, wenn wir es vermeiden, die Begriffe Außenwelt und Körperwelt von vornherein einander gleichzusetzen.

Ein eigentlicher Fehler also liegt nicht vor, und trotz der allerdings ganz unkantischen Verwendung des Wortes Körperwelt würde dieses Wort nicht verhindern, KANT zu den Vertretern des Phänomenalismus I meines Schemas zu rechnen. Aber ich selbst will das überhaupt gar nicht. Mein Schema ist nicht dazu da, um Philosophen darin unterzubringen, sondern um die von den Philosophen nur zu oft durcheinander gewirrten Gedanken wieder voneinander zu trennen. KANTs Standpunkt wird von mir so nicht als Phänomenalismus, sondern als ein Gemisch von Realismus und Konszientialismus bezeichnet, über deren Mischungsverhältnis EdA Seite 25 einige genauere Angaben zu finden sind.

Ich habe anhand der Einleitung von KÜLPEs zweiter Besprechung eine ganze Reihe von Punkten erörtert, in denen wir voneinander abweichen.

Unter den übriggebliebenen scheinen mir zwei noch von grundsätzlicherer Bedeutung, nämlich die Frage nach der Transzendenz und die Frage des unbewußten Geistigen.

Es sind eine ganze Menge von Bedenken, die KÜLPE gegen meine Behandlung der ersteren geltend macht. Wir können sie zusammenfassend folgendermaßen darstellen:
    1. Wenn auch die Transzendenz bewiesen wäre, wäre damit der eigentliche Zweck dieses Beweises, die Begründung des Realismus nicht erreicht.

    2. Wenn auch durch den Beweis der Transzendenz der Konszientialismus widerlegt wäre, so ist der Phänomenalismus damit nicht getroffen, hätte also noch besonders widerlegt werden müssen.

    3. Die Beweise für die Transzendenz und gegen den Konszientialismus sind auch in sich selbst sehr mangelhaft.
Was nun das erstere Bedenken betrifft, so habe ich darauf schon oben geantwortet.

Auch dem zweiten gegenüber kann ich mich kurz fassen, indem ich KÜLPEs eigene Ausführungen zu seiner Widerlegung verwende.

Meine Erörterungen über Transzendenz dienen, wie gesagt, nur mittelbar zum Beweis des Realismus, unmittelbar sollen sie nur Gründe, auf die sich der Anti-Realismus beruft, widerlegen. Indem ich den Phänomenalismus in RT als Abschwächung des Konszientialismus gekennzeichnet habe, suchte ich zu zeigen, daß beide Standpunkte in der Frage der Transzendenz prinzipiell zumindest gleicher Meinung sind, daß auch der Phänomenalismus allerdings im Widerspruch mit sich selbst an der Unmöglichkeit der Transzendenz des Gedankens über sich selbst oder über das Gegebene festhält.

Das scheint nun KÜLPE bestreiten zu wollen, wenn er sagt (erste Besprechung, Seite 90):
    "Neben den Ausführungen wird der Anti-Realismus, und zwar nicht nur der Idealismus, sondern angeblich auch der Phänomenalismus ... einer Kritik unterzogen."
Und auch erste Besprechung Seite 95:
    "Unabhängig von ... würdigen wir seinen (Freytags) Kampf gegen den Anti-Realismus. Indem der seine Angriffe dabei nur gegen den Konszientialismus richtet, übersieht er, daß auch der Phänomenalismus mit seiner Annahme unerkennbarer Realitäten an diesem Kampf beteiligt ist. Darum reichen die Ausführungen von Freytag nicht aus, um das Recht des Realismus im engeren und eigentlichen Sinn zu erweisen. Aber sie sind auch im Interesse des Phänomenalismus nicht erfolgreich."
Ich drückte mich etwas vorsichtig aus über KÜLPEs Meinung an dieser Stelle, da mir seine Worte nicht über jedes Mißverständnis hinaus deutlich sind. Wenn die Meinung ist, daß auch der Phänomenalismus gegen den Konszientialismus und seine Leugnung der Transzendenz, seine Verwerfung des Dings-ansich im Kampf liegt, so durfte doch nicht hervorgehoben werden, daß er die Realitäten als unerkennbar annimmt, sondern daß er sie überhaupt annimmt, ihre Existenz für erkennbar hält.

Deutlicher ist daher wohl die Behauptung der ersten Besprechung Seite 97: "Beide Beweise richten sich zunächst nur gegen den Phänomenalismus." Das heißt: der Beweis, daß der Begriff eines Dings ansich und daher auch die Annahme von Dingen-ansich unsinnig ist, und ebenso der Beweis, daß die Erkenntnis nie über das Gegebene hinaus gelangt, sind nur Beweise gegen den Phänomenalismus. Und warum? Weil in beiden nur von der Setzung von Realitäten, eines Dings-ansich, eines Nicht-Gegebenen - nicht aber von ihrer Bestimmung, ihrer Erkennbarkeit die Rede ist!

Ähnlich sagt KÜLPE in seiner "Einleitung" Seite 158/9:
    "Nun besteht jedoch ein beträchtlicher Unterschied zwischen der Setzung und der Bestimmung von Realitäten."

    "Da liegt es nahe, sich auf den Vermittlungsstandpunkt des Phänomenalismus zu stellen, alle Bestimmung von Realitäten abzulehnen und nur an deren Setzung festzuhalten."

    "Darum wird der Phänomenalismus von den oben §§ 17,9 vorgetragenen Widerlegungen der konszientialistischen Argumente nicht getroffen."
Zur Verteidigung will ich mich kurz auf die Ausführungen in RT Seite 32 berufen, daß zwischen der Setzung und Bestimmung von Realitäten gar kein so beträchtlicher Unterschied besteht, daß ein solcher von vielen Seiten überhaupt geleugnet wird. KÜLPE hätte doch diese Ausführungen erst widerlegen müssen, aus denen ich gerade schloß, daß der Phänomenalismus, soweit er vom Konszientialismus in der Setzung von Dingen-ansich abweicht, sich selbst widerspricht.

KÜLPE hat mir seine Widerlegung aber noch viel einfacher gemacht, durch das was er selbst zur Widerlegung des Phänomenalismus und für den "kritischen Realismus" beibringt. Er sagt (Einleitung Seite 160/1):
    "Und fragen wir nun, warum denn eigentlich die Dinge-ansich a priori für unbestimmbar gehalten werden, so werden wir auf den trübenden Einfluß der subjektiven Faktoren hingewiesen, die unabänderlich und unberechenbar die reale Welt verhüllen. Dem gegenüber hat schon Eduard von Hartmann einen transzendentalen Realismus ausgebildet, nach dem gerade unsere Kategorien, wie die der Zahl, der Kausalität u. a. selbst ein reales Verhalten zum Ausdruck bringen. Sind die Dinge-ansich beim Zustandekommen des Stoffs unserer Erkenntnis, der Wahrnehmungsinhalte beteiligt, so müssen sie unter den Gesichtspunkt von Ursachen fallen. Verschiedene Wirkungen müssen aber verschiedenen Ursachen entsprechen, und so eröffnet sich durch die Annahme einer "transzendenten" Kausalität die Möglichkeit, über das Reale selbst nähere Bestimmungen zu treffen. In der Tat wird man dem Phänomenalismus nicht den Einwand ersparen können, daß er von vornherein von einem dogmatischen Vorurteil beherrscht ist, indem er ohne Beweis - denn wie sollte ein Beweis dafür angetreten werden - annimmt, daß unsere Erkenntnisformen, insbesondere das Denken, notwendig einen verhüllenden Einfluß auf die Erkenntnis des Realen ausüben und sich niemals ... zu einer richtigen Einsicht in das Wesen der Dinge erheben können."
Also der Phänomenalismus wird von KÜLPE dadurch widerlegt, daß die Annahme, auf der er beruth, als unbewiesen und darum als unberechtigt hingestellt wird. Diese Annahme aber ist die, daß das Denken auf seinen Gegenstand einen verhüllenden Einfluß ausübt, und somit die Erkenntnis von Dingen ansich unmöglich wird.

Diese Annahme ist also dieselbe, wie die des Konszientialismus: das Denken kann nie zu den Dingen, wie sie ansich sind, gelangen, weil es seinen Gegenstand durch das Denken stets verändert.

Trotz seiner Kritik stimmt also KÜLPE durchaus mit mir überein in der Auffassung und Widerlegung des Phänomenalismus. Auch in diesem Punkt wird er also wohl die von ihm in der ersten Besprechung angeführte Kritik von ELSE WENTSCHER gegen mich nicht weiter billigen dürfen. Und die Übereinstimmung geht noch ein Stück weiter: nicht nur halten wir beide ein und denselben Satz für die Grundannahme des Phänomenalisten, sondern wir behaupten auch beide, daß dieser seine Annahme, obwohl sie des Beweises bedürftig wäre, nicht beweist. Man vergleiche mit den oben angeführten Sätzen KÜLPEs von meinen Ausführungen in RT etwa das Seite 100f gegebene. Ich habe nur noch ein Übriges getan und erklärt, obgleich ich den geforderten Beweis für unmöglich halte und abwarten könnte, bis er geliefert wird, so wollte ich doch der Wichtigkeit der Sache wegen selbst den Gegenbeweis antreten (Seite 102), indem ich darlege, daß der Gedanke seinen Inhalt nicht verändert (Seite 103f) und weiter führe man auch den Satz an, der sich als Ergebnis spezieller Untersuchungen Seite 147 einstellt: "es gibt tatsächlich Begriffe in Hülle und Fülle, welche auch inhaltlich das Gegebene transzendieren."

Etwas zweifelhafter bin ich hinsichtlich der Auffassung dessen, was KÜLPE an derselben Stelle über die reale Bedeutung der Kategorien der Zahl, der Kausalität, sagt. Man möchte zwar glauben, daß er sich hier auf die Seite von EDUARD von HARTMANN stellt, aber der Widerspruch zu den Ausführungen in der ersten Besprechung Seite 102f wäre dann doch zu scharf, zu deutlich, als daß wir glauben könnten, KÜLPE habe ihn nicht bemerkt. Denn hier wendet sich KÜLPE mit aller Energie gegen den Versuch von HARTMANNs, den Realismus mit Hilfe des Begriffs einer solchen "halb immanenten, halb transzendenten Kausalität" zu beweisen. KÜLPE wird vielleicht die Gelegenheit ergreifen, um sich selbst über diesen anscheinenden Widerspruch zu äußern.

Mag er sich nun aber für oder gegen von HARTMANN erklären, die Kritik trifft jedenfalls nicht meinen Standpunkt. Denn ich habe den Begriff der Ursache nicht benutzt, um den Realismus zu beweisen, sondern um eine besondere Art des phänomenalistischen Denkens als in sich widerspruchsvoll darzulegen, und so einen letzten Anspruch gegen den Realismus zurückzuweisen (RT Seite 147f). Ich fügte daher meinen damaligen Ausführungen hinzu (Seite 154):
    "Über den Begriff der Ursache möchte ich daher, um Mißverständnisse auszuschließen, noch zweierlei bemerken". Nämlich zum zweiten (Seite 156):

    "Der Gedanke der Ursache ... setzt voraus, daß ... Stücke der Außenwelt überhaupt schon erkannt worden sind, ehe er noch selbst darauf angewendet war."
All diese Erklärungen aber haben das Mißverständnis nun doch nicht ausgeschlossen: KÜLPE macht mir die Einwendung (erste Besprechung Seite 103), im Begriff der transzendenten Kausalität werde die Realität bereits vorausgesetzt, er sei daher nicht zu gebrauchen um so ohne Weiteres den Zugang zur Realität zu eröffnen, - aber er kämpft damit gegen eine Begründung des Realismus, die ich gar nicht habe!

Ich komme nunmehr zur dritten Ausstellung KÜLPEs, daß meine Erörterungen nicht einmal geeignet sind, die Gründe, auf die sich der Konszientialismus beruft, zu widerlegen. Tatsächlich tritt freilich an die Stelle dieses Vorwurfs zum guten Teil der andere schon besprochene, daß meine Erörterungen nicht den Realismus beweisen. Um Klarheit in unsere Auseinandersetzung zu bringen, ist es aber nötig, beide auseinander zu halten.

Als allgemeinster Grund wird vom Konszientialismus gegen den Realismus der Hinweis auf die Unmöglichkeit der Transzendenz des Denkens benutzt. In diesem Grund sind aber sehr verschiedenartige Gedanken miteinander verknüpft, unter denen ich zunächst zwei als "apriorischen Beweis" und als "positivistischen Beweis" voneinander gesondert habe.

Der apriorische Beweis besagt, daß die Erkenntnis einer Außenwelt, einer Welt von Dingen-ansich, unmöglich ist, weil sich schon der Gedanke eines Dings-ansich selbst widerspricht. Der positivistische aber schließt, weil die Wissenschaft sich auf das Sichere beschränken muß, so darf sie solche metaphysischen Gebilde wie "Dinge-ansich" nicht anerkennen.

Hinsichtlich des ersten Beweises nun möchte ich hier die Gelegenheit benutzen, um meine in RT gegebene Widerlegung desselben einer Verbesserung zu unterziehen.

Ich hatte auf das Recht der Abstraktion hingewiesen, wenn ein wirkliches, ein Komplex der Inhalte abc ..., unter ihnen auch das Gedachtwerden, vorliegt, von diesem Gedachtwerden abzusehen. Mißlich ist es aber, wenn ich von diesem Gedanken aus das Verhältnis zu beleuchten unternehme, in dem jeder Gedanke zu seinem eigenen Inhalt steht. Denn das Ergebnis dieser Beleuchtung ist ja, daß ein Gedanke sich nie selbst denken kann. So wenig er also das Merkmal des durch-ihn-selbst-gedacht-werdens in seinem Inhalt oder Gegenstand vorfindet, so wenig kann oder muß er auch von ihm absehen: er kümmert sich gewissermaßen gar nicht um sich selber! So wenig er also das Merkmal des durch-ihn-selbst-gedacht-werdens in seinem Inhalt oder Gegenstand vorfindet, so wenig kann oder muß er auch von ihm absehen: er kümmert sich gewissermaßen gar nicht um sich selber!

Es wird also besser sein, beide Fälle gänzlich auseinander zu halten. Die Widerlegung des apriorischen Beweises erhält dann folgende Gestalt.

Es ist unzweifelhaft, daß jeder Inhalt, von dem wir reden, denken usw., ein gedachter ist, einmal deswegen, weil er eben gedacht wird indem wir ihn denken und zweitens, weil er auch sonst von anderen Menschen gedacht werden kann. Diese Tatsache aber hindert nicht zu fragen, wie der Inhalt wohl ansich d. h. abgesehen davon, daß er gedacht wird, sein mag, und darauf zu antworten, daß der Inhalt derselbe bleibt, gleichgültig ober er gedacht wird oder nicht.

Nämlich was den zweiten Fall anlangt, daß der Inhalt nicht jetzt von mir sondern "sonst" gedacht wird, so sehen wir ja, wie der Inhalt in beliebig viele Prinzipialkoordinationen aufgenommen wird, ohne sich zu verändern, wir können ihn daher durch Abstraktion aus ihnen heraus heben, und als Ding-ansich betrachten. Was aber sein Verhältnis zu dem ihn jedesmal gerade denkenden Gedanken anlangt, so kümmert sich dieser gar nicht um sich selbst, also auch nicht um das etwaige Merkmal seines Inhaltes oder Gegenstandes, jetzt von ihm gedacht zu werden.

Das ist die natürliche Sachlage. Will also jemand das Recht des Gedankens bestreiten, vom Merkmal des Gedachtwerdens bei seinen Gegenständen abzusehen, oder sich um dasselbe gar nicht zu kümmern, so muß er für diese Bestreitung einen besonderen Grund anführen, er muß den Satz beweisen, daß die genannte Abstraktion und Nichtberücksichtigung zu einer Fälschung führt.

Dieser Beweis kann nun abgewartet werden.

Es läßt sich aber auch leicht der Gegenbeweis geben. Nämlich was das Gedachtwerden eines Inhalts anlangt, so weit es nicht von dem gerade vorliegenden Gedanken herrührt, so zeigt die Vergleichung des Inhaltes in verschiedenen und beliebig vielen Prinzipialkoordinationen, daß der Inhalt durch diese nicht geändert wird. In Bezug aber auf das Gedachtwerden durch den gerade vorliegenden Gedachen, und dann weiter ganz allgemein, ist zu sagen, daß der verlangte Beweis sich selbst aufheben würde. Der Versuch nachzuweisen, daß der Inhalt a durch das Gedachtwerden gefälscht wird, setzt voraus, daß der Inhalt a in diesem Nachweis gedacht wird, das ist aber unmöglich, wenn er durch das Denken ein anderer wird. Der Vertreter des apriorischen Beweises kann seinen eigenen Stanpunkt nicht ohne Widerspruch beschreiben, er kann gar nicht
    "von einem Subjekt für ein Objekt reden, wenn doch alles mit dem Merkmal des Gedachtseins verbunden, alles Objekt für ein Subjekt sein soll".

    "Und verfälscht der Umstand, daß das Zentralglied der ersten (betrachteten) Koordination Gegenglied der zweiten (betrachtenden) ist, seinen Charakter als Zentralglied der ersten, dann ist die Beschreibung einer jeden Prinzipialkoordination Unsinn, und damit auch der Konszientialismus als vernünftiger Standpunkt aufgehoben." (RT Seite 102/3).
Um die Veränderung des Inhalts a in den Inhalt b zu denken, muß sowohl a wie b gedacht werden, geht aber jeder Inhalt a dadurch, daß er gedacht wird in den Inhalt b über, so kann stets nur b, nie a und darum auch die Veränderung nicht gedacht werden.

Es handelt sich also, wie man bei genauerem Zusehen bemerkt, bei einem apriorischen Beweis um einen allgemeinen skeptischen Gedanken, und jeder allgemeine skeptische Gedanke hebt sich von selbst auf.

Wenn so gezeigt ist, daß der apriorische Beweis auf der angegebenen unbewiesenen und unbeweisbaren Voraussetzung beruth, so geht aus einen tatsächlichen Einkleidungen hervor, da0 er auch häufig noch eine andere Voraussetzung hat, eine Begriffsverwechslung, die aber auch für sich allein auftritt und den Anspruch erhebt, den Realismus zu widerlegen. Es ist die Verwechslung des Denkens mit dem Haben von psychischen, von Bewußtseinsinhalten, und die Verwechslung von Denkgegenständen mit dem Psychischen, dem Bewußtseinsinhalt.

Da nun aber die Hauptvertreter des aprioristischen Beweises, wie z. B. AVENARIUS und SCHUPPE, an dieser Verwechslung nicht teilnehmen, vielmehr selbst erklären, daß nicht alle Ding deswegen, weil sie gedacht werden, auch psychische sein müßten, so habe ich es für angebracht gehalten, in der "Klärung" des apriorischen Beweises (RT Seite 77-90) diese Verwechslung aus ihm auszuschalten.

Sofern diese Verwechslung aber mehr ist als eine Verwechslung, nämlich eine mit Kenntnis ihrer Tragweite ausgesprochene Behauptung, so gehört sie in das Gebiet des zweiten, des positivistischen Beweises. Denn da die Annahme desselben, das Gegebene sei gleich dem (im Denken) gegenwärtigen Psychischen, richtig ist (RT VIII § 2), so besagt der positivistische Bewis schließlich, daß das Denken auf die im Denken gegebenen psychischen Inhalte beschränkt ist, Gegenstand des Denkens als nur Bewußtseinsinhalte sein können.

Die Widerlegung dieses Satzes nun liegt darin, daß von ihm aus weder die Wissenschaft noch überhaupt irgendein Urteil möglich ist (RT VIII § 3). Das allgemeine Wesen des Urteils besteht gerade darin, daß es über das Gegebene, die in ihm vorhandenen psychischen Inhalte hinausgeht - das Wesen des Urteils und weiter das Wesen des Denkens überhaupt besteht in seiner Transzendenz.

Es sind also zwei sehr verschiedene Gedanken, die den beiden anti-realistischen Beweisen zugrundeliegen, und die nicht immer gehörig auseinander gehalten werden. Nach dem ersten soll das Denken seinen Gegenstand verfälschen, ohne daß notwendigerweise damit gemeint wird, das Denken ändere durch diese Verfälschung seinen Gegenstand in einen psychischen Inhalt um. Auch so wird die Erkenntnis einer vom denkenden Subjekt unabhängigen Welt, einer Außenwelt als unmöglich gesetzt, ja der bloße Begriff der Außenwelt zu einem sich selbst widersprechenden gemacht. Indem dann aber gewöhnlich noch der zweite Gedanke sich mit dem ersten vermischt, erscheint als Gegenstand unverfälschter Erkenntnis allein die Bewußtseinswelt.

Sehen wir nun zu, was KÜLPE gegen diese Auffassung und Widerlegung der anti-realistischen Grundgedanken einzuwenden hat.

Zunächst mach er mir den Vorwurf, daß von mir in der Frage der Transzendenz Denken und Vorstellen auf eine Stufe gestellt würden (erste Besprechung, Seite 95) und beweist, daß doch eigentlich nur beim Denken von einer Frage der Transzendenz gesprochen werden darf (Seite 96). Dann aber fährt er fort (Seite 96):
    "In der besonderen Aufstellung der anti-realistischen Argumente läßt übrigen Freytag bereits stillschweigend das Denken in seine ihm gebührenden Vorrechte treten."
Also sieht er selbst ein, daß auch ich Denken und Vorstellen so scheide, wie er es für richtig hält - nur daß ich das so "stillschweigend" tun soll, wie KÜLPE meint, scheint mir eine etwas seltsame Behauptung: Der größte Teil meiner in Frage stehenden Ausführungen ist doch dem Nachweis gewidmet, daß das Denken über die in ihm gegebenen Bewußtseinsinhalte, die "Vorstellungen" hinausgeht, also von diesen durch eine unüberbrückbare Kluft getrennt ist! Und das heißt dann "stillschweigend"!

Es ist übrigens auch leicht zu sehen, was KÜLPE zu seiner ersten Auffassung geführt hat: in meiner Darstellung der konszientialistischen Lehre spreche ich öfter auch mit den Worten der betreffenden Konszientialisten, und daß diese Vorstellen und Denken häufig durcheinander gebrauchen, ja eigentlich immer als gleichbedeutend gebrauchen müssen, liegt auf der Hand.

Weiter! KÜLPE ist mit der Formulierung des positivistischen Beweises nicht einverstanden:
    "ein Verbot, etwas als wirklich zu setzen, was nicht Bewußtseinsinhalt ist, darf doch nicht als Argument gelten".
Nun glaube ich erstens gar keinen Nachdruck auf die Formulierung des Beweises als "Verbot" gelegt zu haben, und zweitens, warum soll denn ein logisches Verbot - es ist doch kein ethisches - kein Argument sein, sofern in dem Verbot oder sonstwie der Hinweis auf das gegeben wird, was den Grund des Verbotes bildet? Die Formulierung des Beweises, an die meine Widerlegung anknüpft steht RT am Anfang des "Das Gegebene" überschriebenen Abschnitts Seite 113:
    "Zwei verschiedene Behauptungen bildeten den wesentlichen Inhalt des positivistischen Beweises; die erste ist die im engeren Sinne positivistische, daß die menschliche Erkenntnis nicht über das Gegebene hinaus gelangen kann, daß nichts als wirklich anerkannt werden darf, was nicht als wirklich gegeben ist, die zweite aber ist die, daß das gegebene Bewußtsein, Bewußtseinsinhalt, Empfindung ist."
Diese Formulierung verteidigt sich wohl von selbst gegen KÜLPEs Vorwurf!

Nun fährt KÜLPE fort (erste Besprechung, Seite 96):
    "Sobald man dasselbe (das Verbot) in der Umformung bringt; es ist unmöglich, etwas zu erkennen, bzw. zu denken, was nicht zur Bewußtseinswirklichkeit gehört, so entsteht daraus nur eine Konsequenz aus dem ersten, apriorischen Beweis. Ein neues Argument läge nur vor, wenn die tatsächliche Einschränkung allen Denkens auf das zur Bewußtseinswirklichkeit gehörige behauptet würde. Dann müßte man sagen: Denken läßt sich tatsächlich nur, was zur Bewußtseinswirklichkeit gehört."
Da genügt es wohl, auf meine Ausführungen in RT selbst und auf den oben gegebenen kurzen Auszug (Seite 28f) aus denselben hinzuweisen. Denn wenn ich auch bereitwilligst zugestanden habe, daß sie verbesserungsbedürftig sind, so scheint mir doch, daß sie gerade nicht von KÜLPEs Vorwürfen getroffen werden. KÜLPE hat, wie man sieht, den Sinn des apriorischen Beweises gar nicht richtig wiedergegeben, wenn er seinen Satz: "es ist unmöglich zu denken, was nicht zur Bewußtseinswirklichkeit gehört", nur eine Konsequenz aus dem apriorischen Beweis nennt.

Wie er dann aber von diesem Satz "es ist unmöglich ..." den anderen "Denken läßt sich tatsächlich nur ..." als grundverschieden darlegt und nur den letzteren als neues Argument gelten lassen will, das, gestehe ich, kann ich nicht einsehen. Ob ich sage: "Nur A läßt sich tatsächlich denken", oder: "Es ist unmöglich, etwas zu denken, was nicht A ist", das ist doch wohl dasselbe!

Nun zum ersten Beweis! KÜLPE findet (erste Besprechung, Seite 98), daß durch meine Argumente gegen den apriorischen Beweis nichts ausgerichtet wird. Und warum? "Ferner liegt im Begriff eines Inhalts doch auf jeden Fall, daß er gedacht wird."

KÜLPE hat offenbar nicht bemerkt, worin ich den eigentlichen Fehler dieses Satzes finde. Wenn ich das "im Begriff liegen" im üblichen Sinn nehme, so würde KÜLPEs Behauptung besagen, daß unter den Merkmalen, die den "Begriffsinhalt" ausmachen, auch das Merkmal des gedacht-werdens vorkommt. Unter den Merkmalen eines "Inhaltes" schlechthin ist aber doch wohl nichts von einem "gedacht-werden" zu finden, ich muß aus dem "Inhalt" den "Begriff des Inhalts" machen, um das gedacht-werden hinein zu bekommen! KÜLPE verwechselt also den Inhalt eines Begriffs mit dem Begriff eines Inhaltes, was sich auch wohl darin äußerlich zeigt, daß er im Ausdruck "Begriff eines Inhaltes" das Wort Begriff betont, nicht aber das Wort Inhalt, worauf es doch ankommt. Die "Dinge-ansich" sind Inhalte oder Gegenstände von Begriffen, nicht aber Begriffe von Inhalten oder Gegenständen!

Etwas klarer würde der Fehler noch werden, wenn man die Unbestimmtheit des Wortes "Inhalt", das hier bald im technischen Sinn eines Begriffsinhalts bald in dem andern eines "Dings schlechthin" genommen wird, vermeiden wollte. Meine Behauptung würde dann lauten:
    "Zu den Merkmalen, die den (logischen) Inhalt des Begriffs Ding schlechthin bilden, gehört nicht notwendig das Merkmal des Gedachtwerdens, obgleich tatsächlich jedes Ding ein gedachtes ist."
Also auch die "Dinge-ansich" sind Gedachtes, aber daraus folgt weder, daß das "Ding-ansich" selbst dadurch gefälscht wird, noch daß sein Begriff sich selbst widerspricht. Die übrigen Einwände KÜLPEs will ich nur kurz besprechen.
    "Wenn wirklich alle Gegenstände des Denkens nichts als Gedanken wären, so ließe sich davon ebensowenig abstrahieren, wie beim Körper von der Körperlichkeit."
Nun, wenn ich einen Komplex von Eigenschaften habe, unter ihnen auch die der Körperlichkeit, z. B. die der Schwere, so kann ich doch wohl einen Begriff bilden, der die übrigen Eigenschaften des gegebenen Komlexes umfaßt, nicht aber den der Körperlichkeit, der Schwere. Mehr aber ist für mein Unterfangen nicht nötig zuzugestehen. Denn die Inhalte, für die ich nachweisen will, daß in ihren Begriffen ohne Fehler von der Eigenschaft des Gedachtwerdens abstrahiert werden kann, enthalten außer dieser Eigenschaft noch andere, z. B. rot, blau, schwer usw, die nicht identisch sind mit jener. Wenn auch das "rot" ein "rot Gedachtes" und das "blau" ein "blau Gedachtes" sein möchte, so ist doch das "rot Gedachte" nicht gleich dem "blau Gedachten". Wir haben also nicht nur die eine Eigenschaft des "Gedachtwerdens", die ich natürlich nicht von sich selbst durch Abstraktion trennen könnte, sondern wir haben drei Eigenschaften: "rot", "blau", "gedacht", der Abstraktion des "gedacht" steht also nichts im Weg.

Weiter:
    "Auch würde eine solche Abstraktion, selbst wenn sie gelänge, nichts helfen. Denn für die Realität und ihre Satzung verlangen wir nicht ein gelegentliches, psychologisch mögliches Abstrahieren, sondern ein Abstrahieren-müssen."
Ich glaube, da irrt sich KÜLPE doch: die Behauptung des Konszientialisten ist widerlegt, sobald die Möglichkeit des Begriffs eines "Ding-ansichs" nachgewiesen ist. Aber einmal gleichgültig, hat KÜLPE nicht gesehen, daß ich auch sein weiteres Verlangen erfüllt habe, indem ich (RT VIII § 2) nachweise, daß das vor allem in Frage stehende Abstrahieren ein notwendiges, oder besser, daß eine Abstraktion überhaupt erst gar nicht nötig ist, weil jeder Gedanke sich selbst transzendent ist (vgl. weiter oben).

Doch er muß es gesehen haben, denn er hat ja auch dagegen seine Einwände, die freilich wieder zum größten Teil auf Mißverständnissen beruhen. Denn er findet in meiner Behauptung, jeder Gedanke meine etwas von ihm selbst Verschiedenes, die andere, daß Urteile unmöglich sind, in denen das Prädikat vom Subjekt aussagt, was dieses enthält! (erste Besprechung Seite 98). Nachher freilich (Seite 99) fällt ihm wieder ein, daß vielleiht doch etwas anderes gemeint ist, und er scheint auch die wirkliche Meinung gefunden zu haben, wenn ich seinen Satz: "Das im Subjekt Bezeichnete ist nicht identisch mit der Bezeichnung" richtig deute. Über diesen Satz aber habe ich schon oben gesprochen.

Einen besonderen Hieb bekommt noch mein Versuch, den berühmten Trugschluß des Kreters mit der vorliegenden Frage in Beziehung zu bringen:
    "Vollends aber hat der von Freytag zum Vergleich herangezogene Trugschluß vom Kreter gar nichts mit der Immanenz des Gedankens zu tun. Sein Irrtum beruth vielmehr auf der durch die Form des Urteils: die Kreter lügen, scheinbar gerechtfertigten Annahme, daß es sich hier um ein schlechthin allgemeines Urteil handelt." (erste Besprechung Seite 99)
Also der Fehler dieses Schlusses soll in seiner Allgemeinheit liegen? Besteht das Dilemma nicht auch, wie wir ausgeführt haben, KÜLPE aber wohl nicht gelesen hat, im Einzelfall, daß irgendjemand von sich sagt: "Ich lüge jetzt?" (vgl. RT Seite 110)

Merkwürig, wie fast alles in dieser alles zermalmenden Besprechung meines Transzendenzgedankens ist nun auch die Überleitung zur Kritik meiner Auffassung des positivistischen Beweises. KÜLPE sagt nämlich (erste Besprechung Seite 99/100):
    "Es bedarf keiner genaueren Darlegung um zu zeigen, daß das andere positivistische Argument durch die bisherigen Erörterungen nicht berührt wird."
Als ob meine bis dahin besprochenen Erörterungen diesen Zweck gehabt hätten!

Hinsichtlich meines Satzes nun, daß jeder Gedanke sich auch als psychischer Inhalt transzendent ist, findet KÜLPE, daß er wohl richtiger ist, aber nicht geeignet, den positivistischen Beweis zu widerlegen. Nämlich deswegen nicht, weil durch diesen Satz nicht bewiesen ist, daß das jenseits des Gegebenen liegende Gemeinte auch real ist.

Der Einwand fällt zum Teil mit dem allgemeinen zusammen, daß meine Erörterung der Transzendenzfrage nicht genügt, um den Realismus zu beweisen, und ist insofern daher durch das früher Gesagte mit erledigt. Er enthält aber noch etwas Besonderesf, sofern zugleich behauptet wird:
    "Wenn daher der Positivismus sagt, daß man erkennend nicht über das Gegebene hinauskommen kann, so wird er durch den Nachweis, daß wir ein Nicht-Gegebenes meinen können, nicht widerlegt." (erste Besprechung Seite 100)
Ich habe aber nicht bloß nachgewiesen, daß wir ein Nicht-Gegebenes meinen können, sondern, daß wir ein Nicht-Gegebenes stets meinen müssen. Wenn irgendeine Behauptung also (z. B. auch die positivistische Behauptung) einen Sinn haben soll, so muß sie etwas Nicht-Gegebenes meinen - und das dürfte doch wohl eine Widerlegung der positivistischen Behauptung sein, daß man nur Gegebenes zu erkennen vermag!

Nun aber zum Ende will ich nicht mehr mit KÜLPE streiten, sondern mich auch einmal seiner Übereinstimmung mit mir freuen. Nämlich, so erstaunt ich war, es ist doch Tatsache, was auch immer KÜLPE gegen mich in seiner Besprechung vorgebracht hat, im Grunde scheint er doch gleicher Meinung mit mir zu sein, zu urteilen nach dem, was er in seiner "Einleitung in die Philosophie" zur Erörterung der Frage des Realismus fast ganz neu hinzugefügt hat in der dritten Auflage vom Jahr 1903, also in derselben Zeit, in der er wohl die Besprechung meiner ersten Schrift abfaßte!

Nämlich, man vergleiche mit der zweiten Auflage (etwa Seite 215f) und lese in der dritten Seite 155f:
    "Darum ist es erforderlich, die Gründe kennen zu lernen, die von einem Wirklichkeitsstandpunkt gegen das Recht der Transzendenz geltend gemacht werden, und sich mit ihnen auseinanderzusetzen. Sofern bei diesen Gründen nicht sowohl die Bestimmung, als vielmehr die bloße Annahme von Realitäten in Frage steht, wird ihre Diskussion nicht nur dem Realismus, sondern auch dem Phänomenalismus zugute kommen. Von den im Folgenden aufgeführten vier Argumenten hat namentlich das erste eine solche allgemeine, den Realismus im engeren Sinn nicht berührende Bedeutung.

    a) Der Begriff einer vom Denken unabhängig existierenden Realität ist ein sich selbst widersprechender. Indem man sie denkt, ist sie eben nicht mehr vom Denken unabhängig. Da nun das Denken zur Bewußtseinswirklichkeit gehört, bzw. gehören kann, so kommt man über diese auch nicht mit einer Realität über diese hinaus.

    b) Denken läßt sich tatsächlich nur, was zur Bewußtseinswirklichkeit gehört, d. h. Denken und Vorstellen sind nicht voneinander verschieden. Ein solcher empirisch-psychologischer Gesichtspunkt liegt dem Idealismus Berkeleys zugrunde, der eine außenweltliche Realität materieller Substanzen auch aus dem Grunde ablehnt, weil sie unvorstellbar ist.

    c) Das Ideal der Wissenschaft ist die volle Gewißheit, die Allgemeingültigkeit ihrer Ergebnisse. Dieses Ideal kann nur erreicht werden, wenn man alles Hypothetische, Problematische, Ungewisse ausscheidet. Nun ist für die Realwissenschaften das unmittelbar im Bewußtsein Gegebene das einzig Gewisse. Was darüber im Sinne einer Ergänzung oder Änderung hinausgeht, ist unsichere Spekulation, gewagte Vermutung. Darum ist alle Transzendenz im Interesse der Allgemeingültigkeit zu vermeiden und die Wissenschaft auf die Angabe zu beschränken, daß sie das Bewußtseinswirkliche darstellen, in Gedanken nachbilden soll.

    d) Ein anderes Ideal der Wissenschaft ist die größtmögliche Zweckmäßigkeit und Einfachheit der Darstellungsmittel. Dieses Ideal wird erreicht, wenn man alle überflüssigen Annahmen unterläßt. Das Grundgesetz der Wissenschaft ist von diesem Gesichtspunkt aus das Prinzip der Ökonomie. Die Annahme von Realitäten ist hiernach als entbehrliche Zutat metaphysischer Herkunft preiszugeben.
Es heißt dann weiter:
    "Eine Prüfung der Beweiskraft dieser Argumente wird das erste, logische, ohne sonderliche Mühe entkräften können. Ein Widerspruch läge nur dann im Begriff einer vom Denken unabhängigen Realität, wenn das Gedachtwerden zu den Merkmalen des Begriffs gehören würde, oder wenn sein Gedachtwerden mit der der Realität zugeschriebenen selbständigen Existenz unverträglich wäre. Muß man nun auch zugeben, daß das Gedachtwerden jedem Begriff als notwendiges Merkmal zukommt, so unterscheiden wir doch zwischen dem Begriff und der Realität, dann kan aber das Gedachtwerden mit der selbständigen Existenz einer Realität auch nicht unerträglich sein, wenn man nicht bereits voraussetzt, was ja erst bewiesen werden soll, daß nämlich ein Gedachtes nur eine Bewußtseinswirklichkeit haben kann. Daß wir in unserem Erkennen überall an unser Bewußtsein gebunden sind, darf doch nimmermehr dahin gedeutet werden, daß es nur Bewußtseinsinhalte gibt. Die Welt ist meine Vorstellung, heißt ja nicht: sie kann gar nichts anderes sein" usw.
Vom empirischen Argument - dem zweiten - wird dann gesagt, es sei sicherlich falsch, denn
    "alles Denken ist auf ideale Bedeutungen gerichtet, die sich von konkreten individuellen, in der Wirklichkeit gegebenen Vorstellungen merklich unterscheiden."

    "Mögen darum Materie, Energie, Seele sich nicht vorstellen lassen, so können sie doch gedacht werden."
Gegen das formale, das dritte Argument wird geltend gemacht, daß nach ihm überhaupt keine Wissenschaft möglich ist; und gegen das teleologische, das vierte, daß doch nicht der Konszientialismus, sondern im Gegenteil der Realismus die einfachere, zweckmäßigere Weltanschauung ist (Seite 156/7).

Indem ich diese Darstellung und Widerlegung der konszientialistischen Argumente betrachte, komme ich zu dem angenehmen Ergebnis, daß KÜLPE doch kaum richtig urteilte, als er meinte, er stimme mit mir zwar im Ziel, nicht aber im Weg überein. Denn im Großen und Ganzen ist doch hier von KÜLPE derselbe Weg in der Bekämpfung des Konszientialismus eingeschlagen, wie von mir auch.

KÜLPEs erstes logisches Argument und seine Widerlegung entspricht offenbar dem von mir sogenannten "apriorischen Beweis" und meiner Zurückweisung desselben; seine Erörterung des zweiten und dritten Arguments aber der meines "positivistischen Beweises" und auch wohl den RT IX § 1 und 2 gegebenen Untersuchungen, und die des vierten, teils ebenfalls jener, teils Überlegungen, die von mir unter der Überschrift: "Wahrheit oder Zweckmäßigkeit" an das Ende von RT gerückt worden sind.

Aber freilich, der Weg ist doch nur im Allgemeinen derselbe. Die Straßen, die wir ziehen, bieten sehr viele Hindernisse, und wenn wir auch einen großen Teil derselben in gleicher Weise genommen haben, so sind doch auch einige vorhanden, die von uns recht verschieden beurteilt und zu deren Überwindung daher von uns auch sehr verschiedenartige Anstrengungen gemacht worden sind!

So war ich der Meinung, daß in das erste Argument die Annahme, die Außenwelt werde als gedacht zu einer Bewußtseinswelt, nicht notwendig hineingehört. KÜLPE widerlegt daher dieses Argument nicht mit der nötigen Schärfe. Hören Wir:
    "Ein Widerspruch läge nur dann im Begriff einer vom Denken unabhängigen Realität, wenn das Gedachtwerden zu den Merkmalen des Begriffs gehören würde, oder wenn ..."
Das wird aber nun von KÜLPE zugegeben, "daß das Gedachtwerden jedem Begriff als notwendiges Merkmal zukommt"; also müßte KÜLPE nach dem obigen Satz zugeben, daß ein Widerspruch im Begriff einer vom Denken unabhängigen Realität liegt! Das will er aber doch nicht tun und glaubt wohl der Folgerung zu entgehen, indem er "Begriff und Realität" unterscheidet. Das wäre nun wieder in meinem Sinne, wenn damit die Realität als Gegenstand des Begriffs vom Begriff selbst oder auch von seinem Inhalt unterschieden werden sollte. Dann aber ist offenbar ganz falsch, was KÜLPE weiter sagt: "Zu ihren (der Realität) Eigenschaften zählen wir das Gedachtwerden nicht." Das Reale wird doch gedacht, also ist das Gedachtwerden eine Eigenschaft desselben! Wenn es dann weiter heißt:
    "Dann kann aber das Gedachtwerden mit der selbständigen Existenz einer Realität auch nicht unverträglich sein",
so ist das wieder richtig, aber nicht richtig begründet durch die Ablehnung:
    "wenn man nicht bereits voraussetzt, was ja erst bewiesen werden soll, daß nämlich ein Gedachtes nur eine Bewußtseinswirklichkeit haben kann."
Denn der bekämpfte Satz setzt nicht notwendig voraus, daß das Denken seinen Gegenstand zu einem Bewußtseinsinhalt macht, sondern nur, daß es seinen Gegenstand überhaupt fälscht. Diese allgemeinere Voraussetzung muß daher in der Bekämpfung des Konszientialismus ebensosehr, ja noch mehr beachtet werden, als jene besondere, die doch gar nicht von allen Vertretern des Arguments gemacht wird, und sich überhaupt leichter erledigt.

Wenn dann KÜLPE den Nachdruck auf den Satz legt, daß, was Vorstellung ist, doch nicht nur Vorstellung sein muß, so muß diese Art der Widerlegung doch sehr bedenklich erscheinen - nämlich auch nach der Auffassung KÜLPEs selbst, wo Vorstellung doch gleichbedeutend ist mit psychischem Inhalt, und das Vorstellen streng vom Denken getrennt wird. Wenn in diesem Sinn sicher wäre, daß die Außenwelt eine Vorstellung ist, wie wollte KÜLPE dann wohl beweisen, daß sie kein Bestandteil der Bewußtseinswelt sein kann? Offenbar muß es vielmehr heißen: was gedacht ist, muß deshalb nicht nur etwas Gedachtes sein; und mit diesem Satz würde KÜLPE dann meiner Bekämpfung des "apriorischen" Arguments sich näher anschließen.

Wenn dann weiter zum Beweis der Transzendenz auf das Denken von Gefühlen und ähnliches mehr hingewiesen wird, so entspricht das wieder meiner Darlegung.

Auch hinsichtlich der Behandlung der übrigen konszientialistischen Argumente hätte ich einiges zu erinnern, als nebensächlicher soll es aber hier beiseite gelassen werden.

Ich wende mich vielmehr zur letzten großen Streitfrage, der nach dem Wesen des Unbewußten.

Ich habe mich an die Erörterung derselben in EdA nur mit gewissen Vorbehalten gemacht. So suche ich EdA Seite 123/4 nachzuweisen, daß ihre Entscheidung trotz des gegenteiligen Anscheins für meinen Beweis des Realismus gleichgültig ist. Denn es handelt sich in diesem um die Frage, ob außer unseren Vorstellungen von physischen Dingen auch physische Dinge selbst vorhanden sind, nicht aber um die, ob außer der Bewußtseinswelt noch irgendetwas anderes existiert, das vielleicht auch ein "unbewußtes Geistiges" sein könnte. Wie schon oben bemerkt, mag dher meine Gleichsetzung der Begriffe "Außenwelt", "Nicht-Psychisches, "Physisches", "Körperwelt" in der Aufstellung des erkenntnistheoretischen Schemas etwas Mißverständliches an sich haben, zu einem wirklichen Fehler, einer Erschleichung führt sie nicht.

Wenn ich dann darauf doch den Beweis für die Annahme, daß auch das "unbewußte Geistige" ein Physisches ist, mitteile, so geschieht es um die Grundlage unzweideutig anzugeben, auf der mein weiterer Versuch, die Transzendenz kausal zu erklären, beruth.

So durfte und mußte die ganze Erörterung etwas knapp gehalten werden; so mangelhaft aber ist sie wohl doch nicht ausgefallen, wie es nach KÜLPEs Besprechung erscheinen möchte.

Über einen Einzelfall der ganzen Frage, der nach den unbewußten Urteilen, habe ich schon oben Einiges bemerkt. Ich mußte das Verfahren KÜLPEs, mir einen Widerspruch im Begriff des unbewußten Urteils aufzumutzen [anzukreiden - wp], als ein recht Unlogisches kennzeichnen. Schön kann ich es auch nicht finden, wenn KÜLPE statt sich an meine Definitionen zu halten, aus einer gelegentlichen Sprachwendung die abenteuerlichsten Folgerungen zieht mit einer Miene, als ob es die meinen sein müßten!

Ich habe nämlich in EdA Seite 39 davon gesprochen, daß ein Urteil statt durch Bewußtseinsinhalte auch durch Handlungen ausgedrückt werden kann, daß z. B. derjenige, der in eine falsche Straße einbiegt, ohne daß infolge seiner Gedankenablenkung ein Bewußtsein davon vorhanden ist, damit doch ein Urteil und zwar ein falsches fällt, indem er die Straße für eine andere hält. Ich habe hier also auch eine Straße als "falsch" bezeichnet, während "falsch" oder die Möglichkeit der Falschheit doch von mir als definitorisches Merkmal des Urteils genommen wird.

Dazu sagt KÜLPE:
    "Nach dieser Anweisung - daß alles, was falsch sein kann, ein Urteil ist - sollte man, da es falsche Schlüssel, falsche Haare, falschgehende Uhren geben kann, auch alle diese Dinge als Urteile ansehen dürfen. Jedenfalls aber begreift man von hier aus, daß Gehirnprozesse trotz der längst gerügten Sinnlosigkeit des äquativen [gleichmacherischen - wp] Materialismus bei Freytag zu Gedanken werden."
Dieser Vorwurf sollte einem aufmerksamen Leser eigentlich nicht entschlüpft sein! Denn wo in aller Welt habe ich geschlossen, daß auch die "Straße" ein Urteil ist, oder wo habe ich mich der Sinnlosigkeit eines äquativen Materialismus schuldig gemacht?

Ich gebe aber noch einige weitere Hinweise der Sicherheit wegen. Die Möglichkeit der Falschheit ist ein so gutes Kennzeichen, daß es genügt, um das Urteil zu definieren. Daß auch ich das Urteil aber für einen Gedanken halte, hätte KÜLPE z. B. aus den ausführlichen Erörterungen von RT VIII § 3 entnehmen können, wo das Urteil als eine Unterart des Begriffs "Gedanke" gefaßt wird, nämlich als diejenige, welche wahr oder falsch sein kann, während der Gedanke das ist, dem Transzendenz zukommt. Und war KÜLPE auch noch so bedenklich, so brauchte er nur den Abschnitt V, 1 in EdA zu lesen, der die Überschrift trägt: "Die Tatsächlichkeit der Wahrheit", und wo es Seite 100 heißt:
    "Demnach schreiben wir einem Urteil - und nur einem Urteil - Wahrheit zu, wenn dem gemeinten die durch das Prädikat gedachten Inhalte tatsächlich zukommen, oder allgemeiner, wenn die Dinge sich so verhalten, wie von ihnen im Urteil behauptet wird."
Kurz: es konnte wohl keinem Zweifel unterliegen, daß der Begriff "falsch" im Ausdruck "falsche Straße" nicht im eigentlichen Sinn gemeint war, und daß ich mit ihm nur dem Üblichen, zwar lässigen aber kurzen und dabei kaum mißzuverstehenden Sprachgebrauch folge. Dieser Splitterseherei gegenüber möchte ich daher KÜLPE auffordern, lieber an den Balken im eigenen Auge zu denken: er spricht (wie oben bereits bemerkt), nicht beiläufig, sondern in einer Definition davon, daß "real" das ist, was "gültig" ist!

Nun zur Hauptfrage! KÜLPE sagt in seiner zweiten Besprechung Seite 993 Folgendes:
    "Der psychophysische Parallelismus ist eine vorsichtige allgemeine Formel, deren man sich in der Wissenschaft bedient, um dem Streit metaphysischer Sonderbestimmungen aus dem Weg zu gehen. Freytag setzt dafür ohne Weiteres eine simultane und einseitige Kausalität ein, indem nur die Gehirnprozesse als wirksam betrachtet werden. Dem bekannten Einwand gegen diese Deutung des Parallelismus aus dem Gesetz von der Erhaltung der Energie begegnet er dabei durch die einfache Annahme eines nicht-energetischen Geschehens und Wirkens. Aber da er die Möglichkeit desselben nicht plausibel gemacht hat [Anm. F.: Wenn es heißt, daß die psychiatrische Physiologie tatsächlich Gesetz aufstellt, in denen kein Verhältnis des Energieumsatzes ausgesagt wird, so ist damit natürlich nicht gezeigt, daß diese Gesetze sich auf ein energetisches Geschehen gar nicht zurückführen lassen.] und wir andererseits wissen, daß der Gehirnvorgang nach ihm derselbe bleibt, mögen Bewußtseinserscheinungen sich mit ihm verknüpfen oder fehlen so bleibt diese, psychophysische Kausalität ganz unbegreiflich."

    "Nicht minder muß bei einem Erkenntnistheoretiker die Behauptung auffallen, daß die Ansicht von der physischen Natur des unbewußt Psychischen oft genug bewiese und einer weiteren Bestätigung zugänglich ist. Wie mag es zugehen, daß Psychologen wie Lipps und Ebbinghaus trotzdem an der Annahme eines unbewußten Seelenlebens festhalten? Wir gestehen, nichts von solchen Beweisen zu wissen und wären Freytag dankbar gewesen, wenn er wenigstens einen von ihnen zitiert hätte. Und es fehlt uns gleichfalls die Einsicht in die Möglichkeit einer weiteren Bestätigung für die psychologische Theorie des Unbewußten."
Die beste Erwiderung auf diese Vorwürfe wäre, die getadelten Stellen meiner Schrift noch einmal hierher zu setzen. Das hieße aber doch dem Leser zu viel zumuten, so gebe ich nur den Gedankengang.

Zugegeben wird allgemein, daß ein unbewußtes Geistiges angenommen werden muß - selbst in Bezug auf Urteile erklärt KÜLPE z. B. selbst öfter, daß sie ihren vollständigen Ausdruck nicht im Bewußtsein finden. - Man streitet nur darüber, ob dasselbe etwas physisches, ein Gehirnvorgang, ist, oder etwas nichtphysisches.

Zwischen den beiden Annahmen ist zu entscheiden, wie zwischen Annahmen überhaupt: man zieht diejenige vor, welche ihren Zweck am Besten, mit den einfachsten Mitteln erfüllt (und der Zweck ist, einen beobachteten Tatbestand zu erklären), und für welche eine weitere Bestätigung am sichersten erscheint.

Demnach muß man sich für die Annahme entscheiden, daß das unbewußte Geistige etwas Physisches ist. Denn erstens erklärt sie, was zu erklären ist, eigentlich ohne ein neues hypothetisches Element in die Wissenschaft einzuführen: die Gehirnvorgänge sind der Wissenschaft schon gar nicht mehr als "Annahme" gekennzeichnet, während das unbewußte Nichtphysische doch etwas recht Zweifelhaftes ist. Und zweitens steht sie nicht nur nicht irgendeiner sicheren Erkenntnis entgegen, sondern wird sogar fortwährend weiter bestätigt. Nämlich bestätigt wird sie durch die Psychiatrie, welche den Zusammenhang zwischen psychischen Erkrankungen und Gehirnerkrankungen immer mehr ins Einzelne verfolgt, und somit den Schluß auf einen allgemeinen Zusammenhang von psychischen Vorgängen und Gehirnvorgängen rechtfertigt. Wird aber einmal zugestanden, daß Physisches und Psychisches allgemein zusammenhängen, so folgt aus der Geschlossenheit des Physischen, der Lückenhaftigkeit des Psychischen, daß ersteres in diesem Zusammenhang das unabhängige, letzteres das abhängige ist.

Bestritten wird dagegen, daß unserer Annahme nichts entgegen steht. Unter anderem soll das Gesetz von der Erhaltung der Energie ihr entgegenstehen, weil es aussagt, daß für die Gesamtheit der physischen Vorgänge die Summe der Energie stets die gleiche ist, daß daher weder angenommen werden darf, daß Energie aus dem Psychischen ins Physische, noch umgekehrt aus dem Physischen ins Psychische übergeht.

Ich zeigte demgegenüber, daß, wenn das schon richtig ist, damit doch nicht ausgeschlossen ist, daß das Psychische vom Physischen abhängt, da ja ein Inhalt X von einem Inhalt A sehr wohl abhängig sein kann, ohne daß Energie von A auf X übergeht.

Damit will ich auch die Erörterung der sachlichen Fragen abgeschlossen sein lassen, hinsichtlich deren KÜLPE Stellung gegen mich genommen hat! Sie führt im Großen und Ganzen doch wieder auf das im Anfang Gesagte zurück; denn wenn in den entscheidenden Punkten, im Beweis der Transzendenz durch eine Widerlegung des Konszientialismus und Phänomenalismus und in einem positiven Beweis für die Existenz und Erkennbarkeit der Außenwelt KÜLPE zu einem wesentlichen Teil eben das in meinen Schriften verwirft, was er in seinen Schriften, und wohl gleichzeitig mit dieser Verwerfung, als seine Meinung vorträgt, so wird man zu der Annahme kommen müssen, daß es sich auch hier um ein großes Mißverständnis handelt.

LITERATUR - Willy Freytag, Zur Frage des Realismus [Eine Erwiderung], Düsseldorf 1906