Wilhelm Schuppe - Wahrnehmung und Empfindung [1/2]
    p-4G. K. UphuesG. SimmelW. EnochM. D. VernonMFKH. Ulrici    
 
WILHELM SCHUPPE
Wahrnehmung und Empfindung
[Mit Beziehung auf die gleichnamige Schrift von G. K. Uphues]
[1/2]

"Als Ausgangspunkt ist nur die Tatsache benützbar, daß wir uns eines Etwas bewußt sind, welches wir (vorbehaltlich der Erklärung der den Dingbegriff involvierenden Substantivform) eine Farbe, einen Ton nennen. Jedes Etwas, dessen, wir uns bewußt sind, nenne ich bloß deshalb, noch ohne jede andere Nebenbedeutung Bewußtseinsinhalt."

Es ist ein sonderbarer Einfall, die Bedeutung der Wörter Empfindung und Wahrnehmung bei einer bunten Reihe von Schriftstellern in philosophischer Art und Weise zu untersuchen, als wenn wirklich ein historisch-philologisches Interesse dieser Art vorhanden wäre. Die Geschichte der philosophischen Terminologie ist keineswegs wertlos, aber dann muß, wie in EUCKENs verdienstlicher Schrift, der innere Zusammenhang der terminologischen Eigentümlichkeiten hervortreten.

UPHUES zeigt in ermüdender Breite was THOMAS REID, KARL GÖRING, BERGMANN, ULRICI, JOHN DEWEY, PLATON, LOTZE, BRENTANO, TONGIORGI, GUTBERLET, SULLY, HÖFFDING, ALEXANDER BAIN, JOHN STUART MILL, unter Empfindung und Wahrnehmung verstanden haben, bzw. verstehen. Auch von ARISTOTELES und von THOMAS von AQUIN und vielen anderen erfahren wir manches. Nicht immer habe ich seiner Auslegung beistimmen können, aber auf die zitierten Äußerungen einzugehen, ist hier unmöglich und hätte auch wenig Wert. Die Einzelheiten, welche wir über die Terminologie dieser Schriftsteller erfahren, sind für den Zweck der Begriffsbestimmung völlig gleichgültig, nur für den Untersuchenden können sie den Wert haben, ihn auf die verschiedenen Seiten und möglichen Auffassungen aufmerksam zu machen.

Etwas ganz anderes wäre es, wenn UPHUES erkannt hätte, daß das Problem der Empfindung sich in der Entwicklung des erkenntnistheoretischen Problems eingestellt hat, und es in diesem Zusammenhang in Angriff genommen hätte - dann hätte er freilich nicht PLATON mit DEWEY zusammen nach REID, GÖRING, BERGMANN und ULRICI vornehmen können. - Die Welt ging bekanntlich von der kindlich naiven Annahme aus, daß die Dinge da draußen sind, und erst als man fragte, woher wir denn das wissen und welche Bürgschaft für diese Annahme vorhanden ist, fanden sich Vorstellungen von einem Etwas in uns, das irgendwie, etwa als Wirkung der äußeren Dinge auf die Sinnesorgane, die Erkenntnis der Außenwelt vermittelt. Von diesem erkenntnistheoretischen Grund aus würden wir die Verschiedenheiten in den Lehren von der Empfindung besser verstehen und in ihrer Bedeutung für das Hauptproblem interessanter finden, als so, wenn es sich eigentlich nur um die Geschichte der psychologischen Terminologie zu handeln scheint. Vor allem aber würde dann der Verfasser zu der Frage gedrängt worden sein, wer der Inhaber der Empfindungen und Wahrnehmungen ist, bzw. welches der Ort und die Art ihrer Existenz ist. Diese Frage nach dem Subjekt usw. einem wissenschaftlich klaren Begriff von demselben würde UPHUES' Arbeit vollständig umgestaltet haben. Er will, wie der Titel sagt, empirische Psychologie treiben, und dieser Absicht gemäß mag er es nicht für nötig gehalten haben, eine erkenntnistheoretische Grundlage zu geben. Dieser Mangel läßt sich vertragen, wenn auch die Resultate ausschließlich dem Gebiet der empirischen Psychologie angehören. Aber die Ziele, welchen er von Anfang an zusteuert, sind rein erkenntnistheoretischer Art. Nirgendwo handelt es sich um empirisch zu eruierende Gesetze des Seelenlebens, nirgendwo um Beobachtungen oder Versuche, sondern um - die Realität der Außenwelt, soweit sie ein Sinneseindruck ist, und um psychische Existenzen, welche jeder Beobachtung unzugänglich sind.

Die äußere Wahrnehmung ist die Auffassung der Sinneseindrücke, welche sie nicht in Beziehung zum Bewußtsein setzt, sie ist eine unmittelbare Auffassung eines gegenwärtigen Objektes (der Sinneseindrücke), ein Erkenntnisvorgang im allgemeinsten Sinne des Wortes, nicht im eigentlichen und strengen Sinn, d. h. kein begriffliches und namentliches Wissen, sondern in dem, daß uns etwas bewußt wird, was uns vorher nicht bewußt war, wir gewinnen durch sie ein Bewußtsein von den Sinneseindrücken, ein Wissen von denselben, dieses Wort im allgemeinsten Sinn genommen, doch fassen wir sie in der äußeren Wahrnehmung nicht als Sinneseindrücke auf, wohl aber als etwas Selbständiges und Fürsichseiendes.

Die Empfindung dagegen ist ein Inneres, dessen wir uns als solchen bewußt werden, sie ist die Auffassung der Sinneseindrücke weder als Zustände fremder Körper, noch als Zustände des eigenen Körpers, sondern als Bewußtseinsinhalt und insofern als etwas Inneres, Subjektives. Die Wahrnehmung muß ihr natürlich vorangehen, denn erst wenn die Sinneseindrücke in dieser wirklich bewußt geworden sind, können sie als Bewußtseinsinhalte oder als bewußte aufgefaßt werden. Doch ist ihr Gegenstand nicht etwa das Bewußtsein von den sinnlichen Qualitäten, sondern ihn bilden auch die sinnlichen Qualitäten, aber nur als bewußtseiende.

Die Untersuchung ist nicht ganz klar. Denn wenn man frägt, was dieses "als" bedeutet, so wird sich keine andere Antwort finden, als die, daß mit den Sinneseindrücken zugleich die innere Wahrnehmung oder das Bewußtsein davon, daß sie bewußt sein, stattfindet. Auch das bei UPHUES sehr beliebte "Beziehen" ist nicht klar, wenn er Seite 145 sagt:
    "in der Auffassung der Inhalte der äußeren Wahrnehmung als bewußte, die wir als Empfindung bezeichnen, werden die Inhalte auf die Wahrnehmung oder das durch die Wahrnehmung begründete Bewußtsein bezogen."
In diesen ersten Bestimmungen, namentlich der der Wahrnehmung, ist UPHUES offenbar vom Sprachgebrauch geleitet, welcher, wenn auch in unklarer Weise, das Wahrgenommene als etwas Selbständiges und vom Wahrnehmen Unabhängiges denken läßt, mit dem Empfundenen aber mehr etwas Innerliches meint. Aber er ist schon verlassen oder falsch gedeutet, wenn UPHUES diese Innerlichkeit, welche dem Gegenstand der Empfindung zukommt, in der Bewußtheit oder im Charakter als Bewußtseinsinhalt findet. Von letzterem weiß der Sprachgebrauch nichts. Ihm unterscheiden sich Wahrnehmung und Empfindung nicht als Auffassunsweisen desselben Objekts, sondern durch die Verschiedenheit der Objekte. Doch ich mache UPHUES aus diesem teilweisen Verlassen des Sprachgebrauchs keinen Vorwurf, sondern vielmehr daraus, daß er ihm überhaupt, in der Bestimmung der Wahrnehmung, Einfluß eingeräumt hat, da er doch (der Sprachgebrauch) unabhängig von aller erkenntnistheoretischen Reflexion entstanden, in sich unklar und schwankend, keinerlei Bedeutung für die Lösung der behandelten Probleme haben kann. Die Aufgabe ist nicht die, festzustellen, was "wir" einst oder jetzt, alle oder einige, dabei meinen, wenn wir wahrzunehmen oder zu empfinden behaupten, wobei noch dahingestellt bleibt, ob nicht auch selbst einer ganz allgemeinen Meinung, die sich im Sprachgebrauch ausdrückt, ein für den unphilosophischen reflexionslosen Standpunkt unvermeidlicher Irrtum zugrunde liegt (wie etwa beim Aufgang und Untergang der Sonne), sondern die, ganz unabhängig vom Sprachgebrauch, vom Standpunkt der wissenschaftlichen Reflexion aus den psychisch realen Vorgang und die Existenzart des Objekts, wenn wir eine Farbe sehen und einen Ton hören, möglichst präzise zu bestimmen und zu fixieren. Dann sind es hinzukommende Rücksichten, welche für die gesunden Realitäten den einen oder anderen der überkommenen Ausdrücke als den geeigneteren Terminus erscheinen lassen.

Um den Gegensatz der Meinungen klar zu machen, sei es mir gestattet, bevor ich weiter referiere, kurz darzulegen, was ich in dieser Beziehung gefunden zu haben glaube. Der entscheidende Punkt ist der, ob wir allen etwaigen Spekulationen und Hypothesen wißbare Tatsachen zugrunde legen wollen oder ohne solche ins Blaue hinein wirtschaften. Wollen wir Letzteres nicht, so werden die vor aller Spekulation und allen Hypothesen feststellbaren Tatsachen allein dasjenige sein, dessen wir uns bewußt sein. Demgemäß habe ich bei meiner Analyse der Vorgänge des etwas Sehens und Hörens auch von der Substantivform des Objekts (Rotes, eine Farbe, einen Ton) und von der eine Tätigkeit bedeutenden Verbalform Hören und Sehen absehen zu müssen geglaubt. Was ein Ding ist und was eine Tätigkeit ist, muß sich im Fortgang der Untersuchung finden. Als Ausgangspunkt ist nur die Tatsache benützbar, daß wir uns eines Etwas bewußt sind, welches wir (vorbehaltlich der Erklärung der den Dingbegriff involvierenden Substantivform) eine Farbe, einen Ton nennen. Jedes Etwas, dessen, wir uns bewußt sind, nenne ich bloß deshalb, noch ohne jede andere Nebenbedeutung Bewußtseinsinhalt.

Von einer Tätigkeit des Auffassens eines solchen vorher schon existierenden Dings kann dabei natürlich keine Rede sein. Einer solchen sind wir uns nicht bewußt. Überaus mannigfaltig und verschiedenartig ist dasjenige, dessen wir uns bewußt sein, und es ist das nächste Geschäft, dieses Viele in seine Arten zu unterscheiden und ihre Verhältnisse untereinander festzustellen. Rot und grün, der Ton so und das Geräusch so, warm und kalt, hart und weich, rauh und glatt sind Bewußtseinsinhalte, welche wir um ihrer evidenten Gemeinsamkeiten willen, die ich hier nicht auseinandersetzen kann, mit einem gemeinschaftlichen Namen bezeichnen. Ich habe, der gegenwärtigen psychologischen Terminologie folgend, den der Empfindung, aber nicht im Gegensatz zur Wahrnehmung, gewählt.

Sie kennzeichnet sich also durch die zwar schwer definierbare aber unverkennbare Eigentümlichkeit des Bewußtseinsinhaltes. Innerhalb dieser großen Klasse von Bewußtseinsinhalten gibt es bekanntlich wieder verschiedene Arten. Auch die Gehörs-, Gesichts-, Tast-, Geruchs- Geschmacksempfindungen kennzeichnen sich durch Eigentümlichkeiten, die dem Inhalt des Bewußtseins angehören. Wenn wir von einem Gebrauch der Organe, dem Hinsehen, Hinhören, der Bewegung der tastenden Finger und dgl., welche, wenn auch andere, als die genannten, so doch immer Empfindungen (Innervations-, Spannungs-, Bewegungsempfindungen) und als solche der gleichen Art sind, absehen, so wird sich nichts angeben lassen, worin das Hören und Sehen, Tasten, Riechen und Schmecken, als ausgeübte psychische Tätigkeiten besteht, und ebenso läßt sich nicht angeben, worin das Empfinden überhaupt besteht. Unter völliger Abstraktion vom Objekt sind sie nicht etwa bloß real unmöglich, sondern undenkbar, ein Laut ohne jeden begrifflichen Inhalt. Ich kämpfe gegen die unklare Vorstellung, welche die Farben und Töne - die ja außerhalb des Empfindenden sind - nicht direkt als das Empfundene oder den Inhalt auffaßt, sondern erst vermittelt werden, läßt durch die Empfindung als einen Zustand des Empfindenden, durch die Empfindung als etwas Inneres oder Innerliches. Machen wir Ernst mit dem Ausgang des Bewußtseins, so kann eine solche Existenz, wie es diese Empfindung ist, nicht anerkannt werden. Wir wissen absolut nichts von ihr, und wenn wir etwas von ihr wissen sollten, so könnte es auch nur etwas, eine Regung, ein Zustand sein, dessen wir uns bewußt werden, der also auch unmittelbar Inhalt des Bewußtseins wäre, und mit jenem, den wir die Farben und Töne außerhalb von uns nennen, der in einem kausalen Zusammenhang steht, vielleicht so wie die Innervationsempfindungen bei der Gliederbewegung und die durch Gesichts- und Tastempfindungen bezeugte Bewegung, doch wissen wir nichts davon und können uns auch gar nicht denken, wie die im Bewußtsein auftretenden Farben und Töne sich so als Folgeerscheinung an eine andere gleichfalls im Bewußtsein auftretende Erscheinung anknüpfen sollten. Sie sind uns unmittelbar bewußt (siehe meine "Erkenntnistheoretisch Logik", Seite 533, 534, 64, 65, 68)

Die Empfindung, sofern sie noch etwas anderes sein soll, als einerseits der Empfindungsinhalt, die Farben, die Töne, und andererseits das Bewußtsein von ihnen, ist nichts.

Das Wort Empfindung wird in verschiedenen Bedeutungen gebraucht. Die eben entwickelte ist die deine, sie ist die bewußte Empfindung. Neben ihr wird häufig der Komplex der äußeren Vorgänge, Reiz- und Nervenprozesse, die Empfindung genannt, noch ohne daß man dabei an das Bewußtsein, dessen Inhalt Farben und Töne sind, denkt. Was über die Existenz dieser Vorgänge und ihr entsprechend über ihren Zusammenhang mit der bewußten Empfindung zu sagen ist, kann ich hier nicht einschieben. Nur der Gebrauch des Wortes sollte registriert werden. Und schließlich wird auch in bewußter Metaphysik ein durch diese Vorgänge in der Seele hervorgebrachter Zustand, auf welchen sie mit dem, was ich soeben die bewußte Empfindung nannte, reagiert, Empfindung genannt. Dieser Empfindung wird man sich natürlich nicht bewußt. Die Empfindung in letzterer Bedeutung unterscheidet sich von der zuerst bekämpften dadurch, daß ihre Vertreter sich der metaphysischen Natur ihrer Existenz klar bewußt sind und zugestandenermaßen die Hypothese von den Seelenmonas als einer metaphysischen Substanz ihren weiteren Annahmen zugrunde legen. Dann ist auch eine Verwechslung dieser mit der von mir als bewußte Empfindung nicht zu befürchten, während in jenem ersteren Fall die Unklarheit über die Existenzart und den Sitz jener Empfindung eine häufige Verwirrung verschuldet. Auf den Namen kommt es natürlich nicht an, wennn nur die Dinge scharf geschieden werden; doch empfiehlt sich eine Konsequenz und Übereinstimmung der Terminologie. UPHUES' Bedeutung des Wortes ist eine ganz neue, welche sich nicht zur allgemeinen Aufnahme eignen dürfte. Ich gebrauch das Wort Empfindung im Sinne einer bewußten Empfindung, welcher sich von dem der UPHUES'schen Wahrnehmung nur dadurch, aber dadurch allerdings sehr erheblich unterscheidet, daß ich die unten noch zu behandelnde "Auffassung" ausschalte und die Frage nach dem Selbständig- und Fürsichsein des Wahrnehmungs- bzw. Empfindungsinhaltes der weiteren erkenntnistheoretischen Überlegung überlasse. "Empfindung" und "Wahrnehmung" in diesem Sinne ist also nichts anderes, als ein unmittelbares Bewußtsein von einem solchen Inhalt, um der Eigenart dieses letzteren willen zum Unterschied von allen anderen Inhalten (z. B. Erinnerungen, Phantasien, Verstandesbegriffen, Gefühlen), mit einem besonderen Namen benannt, Empfindung oder Wahrnehmung. Diese Empfindung kann nicht als etwas Inneres und Subjektives bezeichnet werden, weil der Gegensatz fehlt. Sie wäre etwas Inneres, eben weil der Inhalt des Bewußtseins etwas Subjektives, weil ein Subjekt sich dessen bewußt sein muß (1), aber dann wäre der Gegensatz: außerhalb des Bewußtseins. Aber der gemeinte Gegensatz des Inneren zum Äußeren, wobei wir von letzteren auch etwas wissen, und des Subjektiven, wodurch ein Individuum sich vom anderen unterscheidet, zum Objektiven als dem Wirklichen und Allgemeingültigen hat hier keinen Platz. Es ist nicht einzusehen, warum und in welchem Sinn der Bewußtseinsinhalt als solcher nicht als etwas Wirkliches gelten sollte, es denn, daß man ihn gegen meine Erklärung als etwas Innerseelisches, innerhalb der Grenzen der Seelenmonas Befindliches und natürlich so immateriell wie diese denkt und die Wirklichkeit in Dingen-ansich findet, die diesen Erscheinungen zugrunde liegen. Doch davon kann keine Rede sein. Innerhalb des Bewußtseinsinhaltes werden sich erst Unterschiede finden, welche Inneres und Äußeres, rein Subjektives und Objektives einander entgegenzusetzen erlauben. Es kann also Empfindungen geben, welche sich als innere Zustände des Subjekts bezeichnen lassen, aber die Empfindung als solche verdient diesen Namen nicht. Ob sie überhaupt ein Zustand genannt werden kann, hängt natürlich davon ab, was man sich bei diesem Wort denkt (vgl. meine "Erkenntnistheoretische Logik", Seite 70f). Man braucht dabei nicht an Aggregatzustände und Ähnliches zu denken, sondern kann sich auch dessen erinnern, daß das Bewußtsein in der Tat mit nichts, was sich in seinem Inhalt vorfindet, vergleichbar ist und nach ihm beurteilt werden müßte, daß das Verhältnis zwischen Bewußtsein und seinem Inhalt in der Tat einzig ist und nicht nach Analogie der körperlichen Dinge mit ihren Eigenschaften und Zuständen aufgefaßt werden darf. Dann kann der Empfindungsinhalt rot oder grün als Zustand des Subjekts nicht "natürlich" gedacht werden, aber das Haben eines solchen Inhaltes, seine Anwesenheit im Bewußtsein als dessen Objekt. Wenn wir einen Bewußtseinszustand so auffassen dürfen, so wird sich die törichte Meinung, daß die äußere Wahrnehmung auf einer Jllusion beruth, nicht auf die Annahme stützen können, daß sie einen Bewußtseinszustand zu ihrem Objekt hat. Daß die Empfindungsinhalte nicht von einem Bewußtsein oder von einem Ich prädiziert werden können, hat seinen Grund in ihrer inhaltlichen Eigentümlichkeit, keineswegs darin, daß es schon zur äußeren Wahrnehmung gehört, sie als selbständig und für sich seiend aufzufassen. Die Meinung von ihrem Selbständig- und Fürsichsein ist allerdings dem gemeinen Bewußtsein von jeher eigen. Aber das beweist nur, was außer meiner Wenigkeit wohl auch schon andere bemerkt und hervorgehoben haben, daß auch der naivste Mensch nicht ohne philosophische, speziell erkenntnistheoretische Annahmen, will sagen ohne solche, welche wir heute als den besonderen Gegenstand der philosophischen, speziell der erkenntnistheoretischen Reflexion ansehen, auskommen kann, nur daß er sie stets für das Selbstverständlichste von der Welt und gar keines besonderen Nachdenkens für wert hält. Sie gehören eben um ihres Inhaltes willen dem Denken und nicht der Wahrnehmung an, - oder welches Prinzip für die Unterscheidung mag UPHUES sonst haben? Sie sind nach dem Inhalt meiner ganzen erkenntnistheoretischen Logik Erkenntnisse - wenn auch oft nur vermeintliche, sehr verbesserungsbedürftige - über die Zusammengehörigkeit, welche die Data zu den Dingen einen und die Dinge in ihrer (relativen) Selbständigkeit voneinander unterscheiden. Dieses Kapitel kann ich hier natürlich nicht ausführen, nur andeutungsweise sei darauf hingewiesen, wie wir den eigenen Leib von den Dingen außerhalb von ihm unterscheiden und Gefühle, Willensakte, Erinnerungen und Phantasiebildert sich mit uns, bzw. unserem Leib im Raum bewegen, bei uns bleiben, wohin wir uns auch wenden, während die Dinge mit ihren Eigenschaften ihren Ort bewahren. In diesen Unterschieden der Empfindungs- bzw. Wahrnehmungsinhalte ist Grund genug, daß wir die graue Farbe und die Härte dem Stein als Eigenschaften beilegen und nicht uns selbst, und andererseits liegt in diesem erstaunlichen Faktum gar kein Grund den genannten Gesichts- und Tasteindruck nicht unmittelbar als Inhalt des Bewußtseins gelten zu lassen, sondern zum Objekt einer "Auffassung" zu machen, welche direkt schon das Selbständig- und Fürsichsein dieser Eindrücke enthält. Die Verbalform, Empfinden bzw. Aufnehmen und die für die einzelnen Empfindungsarten, Sehen, Hören und dgl. bereitet dieser meiner Auffassung der Sache kein Hindernis, wenn man sich die Mühe macht, mit mir den Sinn der Verbalprädikation überhaupt und den Begriff der Tätigkeit zu prüfen. Es ist das gattungsmäßige Merkmal dieser Empfindungsinhalte, welches den Inhalt des Verbalbegriffs ausmacht, in höherer Abstraktion des dem Empfindens oder Wahrnehmens überhaupt, in weniger hoher, den des Hörens, Sehens etc. Ganz ebenso gibt das Fühlen die Bestimmtheit, in welcher das Subjekt sich findet, erst von Seiten ihres Gattungsmäßigen in der (von mir erklärten) Verbalform und läßt ihr Spezielles, Lust, Unlust, Wehmut, Andacht, Haß, Liebe, in der Substantivform als Objekt hinzutreten. Die psychische Realität ist auch hier nichts anderes, als ein Bewußtsein mit einem solchen Inhalt. Ebenso beim Erinnern und Vorstellen und beim Denken im engeren Sinn. Daß das Letztere nicht isoliert, ohne sein Objekt, Inhalt des Bewußtseins sein kann, - nicht einmal in den abstrakten Begriffen der Identität und Kausalität kann nach meiner Lehre die Abstraktion von allem Inhalt durchgeführt werden, denn wir könnten uns bei jenen gar nicht denken, wenn wir nicht die vage Allgemeinvorstellung von identischen oder nicht identischen und in einem kausalen Zusammenhang stehenden Etwas mitdenken dürften - daß also das Denken nicht ohne Data als sein Objekt Inhalt des Bewußtseins sein kann, hindert nicht, daß die genannten eben dem Denken angehörigen Bestimmungen am Empfindungsinhalt herauserkannt und - wenn auch immer mit ihm zusammen im Bewußtsein - in der Abstraktion von ihm unterschieden werden. Das Objekt des Denkens ist nicht das der Spezies, verhält sich zu ihm nicht wie rot und grün zum Sehen, sondern ist das Ursprüngliche, es sind eigentliche die Data der Sinne. Aber im gemeinen Sprachgebrauch nähert es sich jenem, indem die Tätigkeit des Denkens ein Bewußtsein von einem solchen Inhalt bedeutet welcher mit den Bestimmungen, die dem Denken angehören, versehen ist, als in seiner Bestimmtheit wohl fixiert unterschieden und durchweg in einem Zusammenhang stehend, und demgemäß auch die Requisite des Urteils, Subjekt und Prädikat in sich erkennen läßt. Mit dem Erkennen verhält es sich ebenso.

Wie weit meine Differenz von UPHUES reicht, entnimmt sich daraus, daß bei ihm (Seite 243) das Bewußtsein oder Wissen vom Gegenstand, welcher Gegenstand des Erkennens ist, "als Folgeerscheinung des Erkennens auftritt."

Doch dies zu verfolgen ist hier nicht der richtige Ort: das Wenige sollte zur Vervollständigung meiner Auffassung der "Tätigkeiten" des Empfindens und des Wahrnehmens, Sehens und Hörens dienen.

UPHUES ist weder Materialist, noch braucht er den Begriff der Seele als einer metaphysischen Substanz. Umso näher hätte er ihm liegen müssen, sich auf den Standpunkt des Bewußtseins zu stellen und von den Tatsachen des Bewußtseins auszugehen. Und in der Tat macht er in dieser Beziehung - nur leider höchst inkonsequent - bemerkenswerte Zugeständnisse. Seite 30 heißt es: "In unserem Bewußtsein treten Farben und Töne auf"; an einer anderen Stelle nennt er sie "Bewußtseinserscheinungen". Ein anderes Mal ist der psychische Vorgang und Existenzart des Objektes, nach denen oben gefragt wurde, Bewußtsein und sein Inhalt. Es ist nicht abzusehen, warum es nötig sein soll, diesen Standpunkt zu verlassen, um der Meinung, daß die äußere Wahrnehmung ein trügerischer Schein ist und daß in ihr "die Sinnendinge mit den Dingen ansich irgendwie vermegt werden", entgegenzutreten, und um, was seine Hauptabsicht ist, zu zeigen, daß es eine äußere Wahrnehmung gibt, die diesen Namen verdient, d. h. "die Auffassung eines von uns Verschiedenen im (natürlich phänomenalen) Raum Befindlichen". Die Wirklichkeit dieser Wahrnehmungswelt wird dadurch nicht sicherer daß UPHUES vom Bewußtsein den Akt der Auffassung unterscheidet, und erst recht nicht durch die behauptete Existenz unbewußter Sinneseindrücke, da diese doch, wie sich am Ende des Buches herausstellt, ihre Existenz auch, "im Innern" haben, wobei in diesem Fall "im Innern" nicht gleich "im Bewußtsein" bedeutet, also etwas absolut Geheimnisvolles ist. Die Wirklichkeit der sinnlichen Welt wird im Gegenteil ernsthaft bedroht, wenn sie in dieser Existenz der unbewußten Sinneseindrücke bestehen soll. Nicht ausreichen kann natürlich der von mir empfohlene, von UPHUES berührte Standpunkt, wenn UPHUES sich nicht mit der einfachen Konstatierung des unmittelbar Gegebenen begnügt, sondern sich um die Herunft desselben bekümmern zu müssen meint. Aber die Herkunft wird jedenfalls durch die eben genannten Punkte "die Auffassung" und die Existenz unbewußter Sinneseindrücke im Innern nicht klarer; um ihretwillen wären also die Hauptlehren des ganzen Buches nicht notwendig gewesen. Was sich auf sie bezieht, sind gelegentliche vereinzelte Andeutungen einer auf metaphysische Annahmen basierten Erkenntnistheorie, welche in ihrer Abgerissenheit wertlos sind und welche jedenfalls nicht in die "Untersuchungen zur empirischen Psychologie" gehören. Das Außerhalb-von-uns ist ein Phänomen, "das durch eine Einwirkung der Dinge auf unsere Sinne entsteht." Und UPHUES kennt "Sinnesorgane, denen die Sinnendinge mitsamt den sinnfälligen Sinnesorganen ihren Ursprung verdanken und die in keiner Weise Objekt der äußeren Wahrnehmung sein können." Und so öfter. Wie unklar ihm die Sache speziel das Innere und Äußere ist, zeigt die Lehre von der Empfindung. Ganz unanfechtbar heißt es Seite 60, daß die Natur und Beschaffenheit der sinnlichen Qualitäten nicht geändert wird, wenn sie in der Empfindung als bewußte oder als Bewußtseinsinhalte aufgefaßt werden. Wie könnten sie auch dadurch eine Veränderung erfahren!! Oben aber hat UPHUES Bewußtseinsinhalt zu etwas "Inneres, Subjektives" erklärt. Auch die Verinnerlichung und "die Versenkung in uns selbst" deutet auf mehr und anderes, als den Akt der Reflexion, daß das Wahrgenommene doch Inhalt des Bewußtseins ist.

Doch ich will auch von diesem mehr und anderem absehen. Ist denn ein Bewußtseinsinhalt eo ipso [schlechthin - wp] (nach Seite 15 ein Wissen von den Sinneseindrücken, dieses Wort im allgemeinsten Sinn genommen) ein "Inneres und Subjektives"? Und damit reimt sich für UPHUES, daß die Ortsbeziehungen zur Wahrnehmung gehören, Inhaltsmerkmale der Sinneseindrücke sind und Seite 160 meint er, daran, daß die sinnlichen Qualitäten, wie sie in unserem Inneren vorhanden sind, Gegenstand der Wahrnehmung sind, kann es nichts ändern, daß sie im Raum außerhalb von uns aufgefaßt werden; "der Raum ist so gut Phänomen im hergebrachten Sinn des Wortes, wie die sinnlichen Qualitäten". Offenbar soll der Raumm hier mit den sinnlichen Qualitäten die gleiche Existenzart haben. Ich weiß nicht an welchen Sinn des Wortes als den hergebrachten er denkt. Besteht die Phänomenalität im Gegensatz zu den Dingen-ansich im Bewußtseinsinhaltsein, so ist die Wirklichkeit der Sinneswelt, so fern sie durch die Existenz unbewußter Sinneseindrücke gesichert sein soll, aufgehoben. Und wenn dieser phänomenale Raum mit den Sinnesqualitäten in "unserem Innern" vorhanden ist, was ist dann dieses Außerhalb-von-uns? und wo bleibt "seine empirische Realität"? Ist er nicht schließlich bloß die Idee des Raumes, wie bei BERKELEY, etwas Innerseelisches, immateriell wie die Seele, wie "das Innere" selbst, wobei Letzteres bei UPHUES leider sehr dunkel bleibt, andernfalls ich diese Fragen nicht nötig hätte.

Ich dachte erst bei der Wirklichkeit der Sinnenwelt im Raum, daß UPHUES meinen Standpunkt akzeptiert hat, nach welchem das "Innere" eben nichts anderes heißen kann, als daß der mit Sinnesqualitäten erfüllte Raum eben Inhalt des Bewußtseins ist. Aber das ist doch unmöglich. Denn Seite 284 erhebt er gegen die Lehre, daß die Dinge als Komplexe von Sinneseindrücke das Wirkliche sind, die ganz die meinige ist, den Einwand, daß, da der Blitz, der Ton wie der Raum mit ihnen, durch eine Einwirkung äußerer Reize auf die Sinne entstehen, so viele Blitze entstehen oder da sind, wie Sinnesorgane von äußeren Reizen getroffen werden, und weiß diesen Einwand nur zu erwiedern, daß die Identität des Objekts, welches mehrere wahrnehmen, auch kein unmittelbares, durch die äußere Wahrnehmung gewonnenes Wissen ist. Dann erhebt sich also die Frage, was den eigentlich das Wirkliche ist, ob das eine Identische, was kein unmittelbares, durch die äußere Wahrnehmung gewonnenes Wissen ist, oder die vielen Wahrnehmungsinhalte, z. B. die vielen Blitze. Ich will nicht weiter urgieren [darauf bestehen - wp], daß nach der gehörten Deduktion [Ableitung - wp] der Blitz im Sinnesorgan jedes Einzelnen, der ihn sieht, zustande kommen und zu existieren scheint, sondern nur hervorheben, daß hiernach auch der Bewußtseinsinhalt oder die Bewußtseinserscheinung, als welche wir doch den Sinneseindruck kennen gelernt haben, ganz und gar als etwas innerhalb der Grenzen jeder Seelenmonas Befindliches gedacht wird, so vielfach, als solche Seelen da sind. Hier ist, wie so unendlich oft, dem individuellen Bewußtsein ohne Weiteres, als wäre das ganz selbstverständlich, wieder die Seelenmonas, wie sich eine von der anderen durch bestimmte Grenzen abschließt, substituiert. Nach meiner Lehre kann von den vielen Blitzen nicht die Rede sein, und deshalb kann die Sinneswelt auch als Inhalt des Bewußtseins das Wirkliche sein. Wenn aber das Bewußtsein wieder zu einem immateriellen Dingchen gemacht wird, und wenn die Sinneseindrücke eben deshalb in jedem von diesen vielen Dingchen als verschiedene Sinneseindrucksindividuen vorhanden sind, so wird die Versicherung, daß dies das Wirkliche ist, niemanden beruhigen, auch selbst dann, wenn er die Lehre von der Existenz der unbewußten Sinneseindrücke annähme, vielmehr wird jeder das Wirkliche nur in dem Identischen finden, welches selbst als solches kein Sinneseindruck ist. Ich sehe nur Verwirrung.

Also jedenfalls ist es nicht UPHUES' eigentliche Meinung, daß die psychische Realität beim Vorgang des Sehens und Hörens ein Bewußtsein mit diesem bestimmten Inhalt, den wir eine Farbe oder einen Ton nennen, wäre. Die gesuchte psychische Realität ist ihm "die Auffassung". Was ist sie? Wenn wir sonst von Auffassungen sprechen, so meinen wir Urteile, welche verschiedene Seiten der Dinge hervorheben, sie unter verschiedene Gesichtspunkte stellen. Ist die psychische Tätigkeit in der äußeren Wahrnehmung ein Urteilen? Sie muß etwas uns völlig Unzugängliches sein, denn sie geht ja dem Bewußtsein von den Sinneseindrücken vorher und bewirkt es erst. Man könnte meinen, daß diese Auffassung, welche die äußere Wahrnehmung ist, eben zusammenfällt mit dem Bewußtsein oder Bewußtwerden von Sinneseindrücken. Allein UPHUES meint wirklich, daß die äußere Wahrnehmung und das Bewußtsein der Sinneseindrücke zwei wohl zu unterscheidende Dinge sind. Seite 52 unten heißt es:
    "Das zum Bewußtseinkommen wird man als eine Auffassung bezeichnen dürfen; durch sie gewinnen wir zuerst ein Bewußtsein von den sinnlichen Qualitäten" und weiter "Aber dieses Bewußtsein ist ein Erzeugnis dieser Auffassung, keineswegs ihr Gegenstand."
Letzeres ist es freilich nicht, aber deshalb braucht es noch nicht ersteres zu sein. Was die vom Bewußtsein verschiedene Auffassung ist, kann natürlich niemand sagen. Ich halte das weder für Erkenntnistheorie noch für Psychologie, sondern für eine dogmatisch-metaphysische Geheimniskrämerei, die auf den Namen Wissenschaft keinen Anspruch hat. UPHUES freilich meint, daß wir den Vorgang, durch den die sinnlichen Qualitäten uns zu Bewußtsein kommen, "genau kennen" (Seite 56). Er hat diese Kenntnis aber für sich behalten.

Auch die Empfindung war eine Auffassung, die Auffassung der Sinneseindrücke als bewußte oder als Bewußtseinsinhalt, eine innere Wahrnehmung. Ist sie die Erkenntnis, das Urteil, daß die Sinneseindrücke nun bewußte sind? Oder darf ich, statt Erkenntnis und Urteil nun Bewußtsein sagen, ein Bewußtsein davon, daß sie bewußte sind? Es wäre einfach ein Akt der Reflexion, für welchen noch niemand das Wort Empfindung gebraucht hat. Auch diese Auffassung, diese innere Wahrnehmung ist eine ganz geheimnisvolle Existenz, weder Bewußtsein noch ein Inhalt von einem solchen. Beide "Auffassungen" hatten zu ihrem Objekt die Sinneseindrücke. Was sind diese nun?

UPHUES meint, daß wir sie unsere Sinnesorgane, so auch, "unter Umständen zumindest, die Sinnesreize (!) äußerlich wahrnehmen können." Nun heißt es Seite 22:
    "Aufgrund der äußeren Wahrnehmung der Sinnesreize und der inneren Wahrnehmung der als ihre Folge oder Begleiterscheinungen auftretenden Töne, Farben und dgl., bilden mir, wie es scheint, den Begriff der Sinneseindrücke, d. h. der als Folgen von Sinnesreizen auftretenden Bewußtseinserscheinungen."
Demnach müßte in der äußeren Wahrnehmung auch das, was diese eigentliche Wortbedeutung sagt, d. h. "die als Folge von Sinnesreizen auftretenden Bewußtseinserscheinungen" zu Bewußtsein kommen. Aber auftretende Bewußtseinserscheinungen brauchen nicht erst zu Bewußtsein kommen. Wenn also die Sinneseindrücke Objekt der Wahrnehmung sein sollen, und wenn doch die Wahrnehmung bzw. die Auffassung derselben nicht gleichbedeutend mit Bewußtsein oder Bewußtwerden eines solchen Inhalts sein soll, so muß der Sinneseindruck als Objekt der Wahrnehmung die Erscheinung oder der (infolge von Sinnesreizen auftretende) Inhalt des Bewußtseins, aber unter Abstraktion von diesem Bewußtsein, sein. Dann ist die Frage, welcher Art die Existenz dieses Objekts ist? UPHUES hatte mit der obigen Bemerkung, daß die Sinneseindrücke in der äußeren Wahrnehmung nicht als Sinneseindrücke aufgefaßt werden, insofern ganz Recht, als mit dem Bewußtsein von einem solchen Inhalt keineswegs der Akt der Reflexion verbunden zu sein braucht, daß man einen solchen Bewußtseinsinhalt hat. Aber daraus folgt doch nicht, daß jene "Sinneseindrücke" nicht tatsächlich, wie UPHUES selbst sagt, "Bewußtseinserscheinungen" sind. Sind sie das aber, so sind Sinneseindruck (natürlich nicht als äußerer Vorgang des Reizes und Nervenprozesses) und Wahrnehmung dasselbe. Wird der Sinneseindruck als ihr Objekt genannt, so verstehen wir darunter nur den Inhalt des Bewußtseins, und die Wahrnehmung, deren Objekt er ist, ist eben das Bewußtsein von einem solchen Inhalt. Unmöglich aber kann die Wahrnehmung oder Auffassung des Sinneseindrucks, der noch nicht Bewußtseinserscheinung ist, aber doch schon irgendwie existiert, dem Bewußtsein von ihm vorangehen. Ich wiederhole die Frage: welcher Art ist diese Existenz? Es fehlt die Grundlage.

Mit dieser Existenzfrage hängt auf das Engste die von UPHUES an vielen Stellen behauptete Unabhängigkeit der Sinneseindrücke von der Wahrnehmung zusammen.

Ein interessantes Zugeständnis macht er Seite 80: "was die sinnlichen Qualiäten, abgesehen von unserem Bewußtsein von ihnen sein mögen, davon wissen wir nichts." Aber es hindert ihn nicht zu behaupten, daß die Sinneseindrücke zwar nicht unabhängig "von uns" sind, da sie in ihrem ganzen Sinn und Wesen durch die Sinnesorgane bedingt sind, wohl aber unabhängig von der Wahrnehmung. Hier und an anderen Stellen kopuliert UPHUES unaufhörlich "selbständig und für sich seiend" einerseits und "unabhängig von der Wahrnehmung" andererseits, als wenn das Speonyma? wären. Verschieden von der Wahrnehmung als Akt des Wahrnehmens, des Bewußtseins von einem Inhalt, ist der Inhalt als solcher selbstverständlich. Aber dies ist noch lange nicht gleichbedeutend mit der behaupteten Selbständigkeit der Sinneseindrücke. Dieses Selbständig- und Fürsichsein des Wahrgenommenen heißt doch nur, daß es auch unwahrgenommen existiert. Wie dann die Existenz des Sinneseindrucks, der keine Bewußtseinserscheinung ist, zu denken ist, das ist die große Frage. Daß Reiz und Nervenprozeß stattfinden können ohne daß ein Sinneseindruck bewußt wird, ist allbekannt, aber es ist etwas anderes, als daß ein solcher Sinneseindruck dennoch existieren soll. Das Zugeständnis seiner Abhängigkeit "von uns" mildert die Härte des Problems, welches in dieser seiner Existenz besteht, keineswegs. Nicht die bloße Gleichzeitigkeit von Sinneseindruck und Wahrnehmung beweist shcon die Abhängigkeit, nur der Begriff der Existenz des unwahrgenommenen Eindrucks macht die Schwierigkeit.

Einen eigenartigen Grund für die Unabhängigkeit des Wahrgenommenen d. h. der Sinneseindrücke finden wir Seite 34,
    "wenn die Wahrnehmung nicht bloß einen bereits bewußten Inhalt objektiviert und ihm ihre Zustimmung gibt, wenn uns in ihr etwas bekannt wird, was uns vorher unbekannt war, dann muß sie auch einen von ihr verschiedenen und unabhängig von ihr bestehenden Gegenstand oder Inhalt haben."
Ebenso scheint es keiner eingehenden Widerlegung zu bedürfen, wenn UPHUES Seite 79 behauptet, die sinnlichen Qualitäten müssen (nicht etwa nur zuerst zu Bewußtsein gebracht sein, sondern) erst als etwas Fürsichseiendes aufgefaßt werden, ehe sie als Bewußtseinsinhalt aufgefaßt werden können. Aber beachtenswert ist die schwierige Untersuchung über die Art des Bewußtseins, zu welcher die behauptete Unabhängigkeit der Sinneseindrücke von der Wahrnehmung führt.
LITERATUR: Wilhelm Schuppe, Über Wahrnehmung und Empfindung, Zeitschrift für Philosophie und philosophische Kritik, Neue Folge, Bd. 98, Halle/Saale 1891
    Anmerkungen
    1) Die doppelte Bedeutung von subjektv siehe SCHUPPE, "Begriff des subjektiven Rechts", Seite 5, 9, 66.