p-4ra-1UphuesLippsTwardowskiUphuesSchwarz    
 
HERMANN SCHWARZ
[mit NS-Vergangenheit]
Die Lehre vom Inhalt und Gegenstand
der Vorgänge des Gegenstandsbewußtseins

in Uphues' Psychologie des Erkennens
[2/2]

"Eine Empfindung oder eine Summe von Empfindungen ist noch lange keine Wahrnehmung, kein Gegenstandsbewußtsein. Das Gegenstandsbewußtsein folgt erst unter gewissen, von den Funktionen der Aufmerksamkeit abhängigen Umständen, dem Vorhandensein von Empfindungen. Es bildet sich, unter dem mitwirkenden Einfluß der Empfindungen, im Bewußtsein der Ausdruck eines Gegenstandes, der das Meinen dieses Gegenstandes, in unserem Fall eines Tones, zur unmittelbaren Folge hat. So kommt es zur Wahrnehmung des Tones, die etwas ganz Anderes ist, als die bloße Gehörsempfindung. Die Gehörsempfindungen zeigen Qualitäts- und Intensitätsunterschiede; das Meinen in der Wahrnehmung zeigt derartige Unterschiede überhaupt nicht . . ."

"Wenn wir uns ein Haus vorstellen, was können wir konstatieren? Eine Gesichtsempfindung, sei es eine ursprüngliche, sei es eine wiederauflebende, die als ursprüngliche, wie wir sagen, von dem, was wir Haus nennen, herbeigeführt wird. Von einem Wir oder Ich ist nichts zu entdecken, auch nichts von einem Bewußtsein um ein Etwas. Ein bewußtes Etwas scheint Alles, was vorhanden ist. Von Inhalt und Gegenstand, von einem Unterschied beider, ist nichts zu entdecken."

"In der bloßen Empfindung liegt . . . kein Gegenstandsbewußtsein. Zum Gegenstandsbewußtsein kommt es erst durch den Hinzutritt von assoziierten Wortvorstellungen, von Namen. Sie selbst, die Namen, sind wiederum nichts als bewußte Etwas, wiederauflebende Empfindungen, sei es die wiederauflebenden Gehörsempfindungen eines gesprochenen, sei es die wiederauflebenden Gesichtsempfindungen eines geschriebenen Wortes."

Noch einer anderen Erwägung sei Raum gegeben! Der Leser erinnert sich, daß es öfters heißt (Seite 19, 87, 155), das von uns vergegenwärtigte Transzendente werde irgendwie vom Inhalt unterschieden, in dem es vergegenwärtigt wird. Das durfte insofern mit Recht behauptet werden, als das ursprüngliche Meinen des transzendenten Gegenstandes (nach Seite 159 und öfter) allererst den Grund für die Ausscheidung des Inhalts aus den Vergegenwärtigungsvorgängen bilden soll und darum sein Gegenstand möglicherweise auch nach der Ausscheidung des Inhalts vom letzteren unterschieden gehalten werden kann. Freilich ist es schwewr zu sagen, wa denn eigentlich dieser von den Empfindungsinhalten, seinen Eigenschaften, die ihn verkleiden und umhüllen, verschiedene transzendente Gegenstand sein soll? Bei DESCARTES findet sich auch einmal die Wendung, die Sinnesqualitäten seien nur Kleider, durch die hindurch nicht die Sinne, wohl aber der Verstand in die eigentliche äußere Substanz hineinsieht; bei ihm ist es das Ding hinter den Sinnesqualitäten, das den eigentlichen transzendenten Gegenstand der Wahrnehmung bildet, so zwar, daß die Sinne dem Verstand bei seiner nackten, unmittelbaren Auffassung der Substanzen allererst den Anhalt gewähren (vgl. meine "Umwälzung der Wahrnehmungs-Hypothesen, Bd. 1, Seite 178, 180, 193). Eine Reihe von Bemerkungen in der "Psychologie des Erkennens" verbietet es dagegen, das Ding hinter den Eigenschaften als den von uns in der Wahrnehmung vergegenwärtigten transzendenten Gegenstand zu betrachten; soll doch nach jenen Bemerkungen nur das Undurchdringliche, der Gegenstand der Tastwahrnehmung, ein Ding sein, während die Gegenstände der übrigen Sinne von den Dingen vielmehr streng unterschieden werden (20). Was kann aber der transzendente Gegenstand, z. B. der der Gesichtswahrnehmung, wenn er weder das farbige Ding, noch die Eigenschaft der Farbe, ein bloßer Empfindungsinhalt, selbst sein soll, sonst sein? Es gibt schwerlich ein Drittes, und so ist es wohl kein Zufall, daß bei UPHUES doch manchmal der transzendente Gegenstand sei es die Bedeutung des Dings hinter den es verkleidenden und umhüllenden Empfindungsinhalten identifiziert wird. Das Erstere geschieht, wenn es z. B. von der Gesichtswahrnehmung einer Allee Seite 180 heißt:
    "Wir stellen und eine Alle, wenn wir sie in der Nähe sehen, als offen, wenn wir sie aus der Ferne betrachten, als geschlossen vor. Während wir sie in der Nähe sehen, betrachten Andere sie vielleicht aus der Ferne und umgekehrt; sie haben also zugleich mit uns die entgegengesetzte Vorstellung von ihr. Diese Annahme setzt schon voraus, daß die Wahrnehmungen der Anderen auf denselben Gegenstand gerichtet sind."
Das kann doch wohl nur heißen, die Wahrnehmungen sind auf dasselbe Ding gerichtet. Das Letztere geschieht, wenn wir Seite 161 lesen:
    "Fragt man uns, was wir unter Farben, Gestalten, dem Harten und Undurchdringlichen verstehen, dann werden wir antworten müssen, das Transzendente, das uns in den entsprechenden Empfindungsinhalten zu Bewußtsein kommt." (vgl. Seite 57, 168, 189, 204)
Die Farben sollen hier etwas Transzendentes sein, sie sind andererseits von unserem Autor häufig und ausdrücklich genug als Empfindungsinhalte bezeichnet worden (siehe den Text vor Anmerkung 16); beide Äußerungen lassen sich nur vereinigen, wenn man annimmt, daß sich der Empfindungsinhalt nach der angeführten Stelle selbst als etwas (dann natürlich nur vermeintlich) Transzendentes gibt und sich als ein solches darstellt. Das Meinen des Gegenstandes, das die Ausscheidung eines Inhalts aus der Gesichtsempfindung veranlaßt (Seite 159), hätte in diesem Fall nicht nur die Ausscheidung des Inhalts, sondern gleichzeitig zur Folge, daß der ausgeschiedene Inhalt den gemeinten Gegenstand nicht bloß spezifiziert, sondern ihn geradezu bildet (21). Gegen die hier gegebene Erklärung spricht, daß, wenn sie richtig wäre, sich UPHUES eben damit einer Theorie, die er sonst bekämpft, nähert, der Objektivationstheorie in ihrer schrofferen Form; unstreitig nähert er sich an den Stellen der zuerst erwähnten Art, in denen das in den Empfindungsinhalten vergegenwärtigte, von ihnen verhüllte Transzendente als das Ding hinter den Eigenschaften, überhaupt als etwas irgendwie von ihnen Verschiedenes auftritt, der Objektivationstheorie in ihrer milderen Form. Wir müssen diesen wichtigen Punkt genauer ins Auge fassen.

Das Wesentliche der Objektivationstheorie besteht nach Seite 226 darin,
    "daß die Empfindungen, welche die Wahrnehmungen und entsprechenden Vorstellungen vermitteln, also etwas Immanentes, als das Transzendente gefaßt, gesetzt, vorgefunden werden oder wie immer man diesen eigentümlichen Vorgang der Verwechslung oder Vertauschung des einen mit dem anderen bezeichnen will ... Man muß eine mildere und schroffere Form dieser Theorie unterscheiden, je nachdem die Empfindungen auf den Gegenstand übertragen oder als Gegenstand gesetzt werden. Im ersteren Fall wird der Gegenstand noch irgendwie von den Empfindungen unterschieden, im letzteren Fall wird er einfach mit ihnen identifiziert." (ebenso Seite 123).
Daß der Schein auch bei ihm selber nahe liegt, die Gegenstände der Wahrnehmung seien nichts als Empfindungsinhalte, gesteht der Verfasser der "Psychologie des Erkennens" bereitwillig zu (Seite 203/4):
    "Sicher können wir die in der Luft ausgebreiteten Temperaturen, Töne, Gerüche, auch das in der Luft ausgebreitete Licht, lauter Gegenstände, die fortdauern können, wenn die Dinge, als deren Wirkungen wir sie betrachten, verschwunden sind, wahrnehmen, ohne sie mit Dingen in Verbindung zu bringen. Der Gedanke liegt nahe, daß diese Gegenstände der Wahrnehmung nichts anderes sind als Empfindungsinhalte."

    Seite 222: "Die Vorstellungen vertreten oft in unserem Denken die Gegenstände der Wahrnehmung. Wenn wir mit diesen Vorstellungen im Denken operieren, z. B. wenn wir bei der Begriffsbildung ihre Merkmal unterscheiden und eindeutig zu bestimmen suchen, so tritt die Beziehung der Vorstellung auf das Transzendente mehr und mehr in den Hintergrund, der Name (z. B. des Baumes) wird in enge Verbindung gebracht mit der Vorstellung selbst und gleichsam auf sie übertragen; es entsteht der Schein, als ob wir bei der Vorstellung Baum in diesem Fall nichts als auf dem Weg der Abstraktion gewonnene Empfindungsinhalte vor uns haben."
Wenn nun aber zur Zerstreuung des Scheins gesagt wird:
    "Aber daß auch hier, wo die Vorstellung sozusagen an die Stelle des transzendenten Gegenstandes tritt, die Beziehung auf den letzteren und somit auch ein Bewußtsein irgendeiner Art von ihm erhalten bleibt, beweisen die Namen, die im eigentlichen und strengen Sinn nur von den transzendenten Gegenständen gelten können. Wir sprechen von einer Vorstellung "Baum", Farbe usw., verstehen darunter aber immer nur das Vorgestellte; wir können daraum wohl sagen: der Baum, die Farbe ist eine Vorstellung, aber nicht umgekehrt; die Vorstellung ist hart, dicht, schwer, groß und dick, aber ebensowenig: sie ist rot, grün, blau sauer, warm, kalt, wohl- oder übelriechend",
so erinnert sich der Leser, daß UPHUES mehrfach selbst von den ursprünglichen und darum doch wohl auch von den wiederauflebenden Empfindungen die Eigenschaften aussagt, die ihnen nach der vorgelegten Stelle nicht sollen zuteil werden können. Und doch wiederholt unser Autor dieselbe Erklärung noch öfters, wo es ihm darauf ankommt, seine eigene Auffassung von der Objektivationstheorie in ihrer schrofferen Form zu unterscheiden (z. B. Seite 57, 204). Ferner heißt es auf Seite 200/1:
    "Man sagt gewöhnlich, jeder Wahrnehmende habe seine eigene Wahrnehmungswelt, jeder seine eigene Sonne, seinen eigenen Mond, trotzdem die Augen der Wahrnehmenden beim Anblick der Sonne und des Mondes die gleiche Stellung einnehmen. Die Empfindungsinhalte, die das Mond- und Sonnenbild ausmachen, sind natürlich in allen Wahrnehmenden andere und verschiedene, in jedem besondere. Wie es kommt, daß wir dieses Empfindungsinhalte in einer gewissen Entfernung von uns zu erblicken glauben, darüber Seite 224"

    (wo gesagt wird, daß die Empfindungsinhalte des Weißen, Ausgedehnten, Undurchdringlichen neben dem Transzendenten das, was wir Wand nennen, ausmachen").

    "Das gilt nicht bloß von den Empfindungen, welche die Gesichtswahrnehmungen vermitteln, sondern von allen für die Wahrnehmungen erforderlichen ohne Ausnahme, auch von den Empfindungsinhalten der Tastwahrnehmungen der Dinge, die unser Dingbild ausmachen."
Wenn der Verfasser der "Psychologie des Erkennens" hier von Sonnenbild, Mondbild, Dingbild, von der durch Empfindungsinhalte ausgemachten oder doch mit ausgemachten Wand spricht, wenn er die Empfindungsinhalte erblickt werden läßt, so ist es schwer, darunter etwas Anderes als immanente Gegenstände zu verstehen. Das soll nun zwar ein Mißverständnis sein.
    "Nicht diese Empfindungsinhalte, sondern das in ihnen vergegenwärtigte Transzendente ist der Gegenstand der Wahrnehmungen und von diesem kann man ganz wohl sagen, daß gewisse Teile desselben, transzendente Dinge und Gegenstände, mögen sie nun existieren oder nicht, für mehrere Wahrnehmende oder auch für alle dieselben sind, obgleich diese transzendenten Dinge und Gegenstände uns nur in den für jeden Wahrnehmenden verschiedenen Empfindungsinhalten faßbar und darum für unser Bewußtsein von ihnen unabtrennbar sind."
Allein, so entgegne ich, die transzendenten Gegenstände, von denen hier gesprochen wird, sind entweder die Dinge hinter den Eigenschaften, d. h. den mit dem Schein der Ferne behafteten Empfindungsinhalten; diesen Fall lasse ich beiseite, da er mich erst nachher interessiert und oben deutlich genug die transzendenten Dingen und Gegenstände gerade auseinandergehalten werden; oder es sind transzendente Eigenschaften, von denen man weder einsieht, wie sie sich vom betreffenden, mit dem Schein der Ferne behafteten Empfindungsinhalten unterscheiden, noch wie sie für mehrere Personen dieselben sein können, da sie doch in verschiedenen Empfindungsinhalten vergegenwärtigt werden und da doch (Seite 76) die allgemeine Regel gilt, daß wir die Gegenstände immer nur so vergegenwärtigen, wie sie in den Empfindungen erscheinen.

Ist unserem Autor die Abwehr des Gedankens, daß seine Verkleidungslehre gelegentlich eine Ähnlichkeit mit der schrofferen Form der Objektivationstheorie annimmt, nicht leicht, so hat er noch weniger leichtes Spiel in seinen Bemühungen, sich von den Anhängern der milderen Form der Objektivationstheorie zu unterscheiden. Die mildere Form der Objektivationstheorie besagt, daß wir die Empfindungen, Vorstellungen und Gedanken, in den wir uns das Transzendente vergegenwärtigen, nach Seite 70 dem Transzendenten als Eigenschaften beilegen, nach Seite 226 auf den Gegenstand übertragen, und daß wir dabei "den Gegenstand noch irgendwie von den Empfindungen unterscheiden" (Seite 226). Ist nicht genau dasselbe aber auch die Beschreibung der Vergegenwärtigung des Transzendenten in der "Psychologie des Erkennens"? Der Gegenstand wird nach Seite 19, 55, 87 "irgendwie von den Empfindungen unterschieden" und "die Eigenschaften sind (nach Seite 82) Empfindungen";
    "wenn es gar kein Transzendentes gibt, dem diese Eigenschaften zukommen können, so können sie nirgends anders vorhanden sein als in diesen Empfindungen."
Daß man sich für die mildere Form der Objektivationstheorie auf seine eigenen Ausführungen berufen kann, hat UPHUES natürlich gesehen und sucht dem vorzubeugen. Er schreibt, den Einwand zunächst vorwegnehmend (Seite 226):
    "Man kann sich für die mildere Form darauf berufen, daß die Wahrnehmungsgegenstände für unser Bewußtsein von den Empfindungen unabtrennbar sind, da wir sie ohne dieselben gar nicht zu vergegenwärtigen vermögen. Sie bilden den ersten Bestandteil des Begriffs dieser Gegenstände, gleichsam ihre Umhüllung und Verkleidung. So zeigt es die Reflexion auf das, was wir unter diesen Gegenständen verstehen, unzweifelhaft."
UPHUES erkennt ferner an (ebd.), daß
    "nach dieser milderen Form der Objektivationstheorie als der eigentliche Gegenstand das Transzendente betrachtet wird und nur seine nähere Bestimmung durch eine Art Objektivation der Empfindungen zustande kommt."
Genau so wurde bei ihm selber als der eigentliche Gegenstand der Wahrnehmung das Transzendente betrachtet, und dieses erhält nur durch die natürliche Abstraktion seine nähere Bestimmung gemäß den Inhalten, die durch die erstere aus den Empfindungen ausgeschieden werden sollten. - Und die Entgegnung gegen die bezüglichen Objektivationstheoretiker? Seite 70:
    "Als Eigenschaften des Transzendenten könnten diese Bewußtseinsvorgänge nur insofern gelten, als das Transzendente für uns nur in ihnen faßbar und darum mit ihnen als mit seiner Hülle und Verkleidung verbunden ist, obgleich streng genommen nur etwas dem in ihnen enthaltenen Ausdruck des Gegensatzes ihrer selbst und des Bewußtseins überhaupt Entsprechendes Eigenschaft des Transzendenten sein kann."
Sehr richtig, daß die Bewußtseinsausdrücke streng genommen nicht Eigenschaften des Transzendenten sein können, sobald es sich um das echte Transzendente handelt; aber die Objektivationstheorie spricht ja nicht vom Transzendenten nach seinem strengen Begriff, sondern nur von einem Transzendenten, wie es für das Bewußtsein auftritt, das wir nach ihrer Behauptung stets in der Ausstattung der Empfindungen anschauen sollen; ebendies lehrt UPHUES selbst in seiner Verkleidungstheorie. Eine andere Widerlegung auf Seite 226 lautet:
    "Es folgt keineswegs, daß wir in der Wahrnehmung und entsprechenden Vorstellung die Empfindungen auf die Wahrnehmungsgegenstände übertragen. Eine derartige Übertragung wäre nur in einem Urteil möglich, diese Bewußtseinsvorgänge sind aber keine Urteile."
Hier legt unser Autor dem Terminus "Übertragung" zuviel Gewicht bei; die Objektivationstheoretiker vermögen ganz gut, wie man einige Zeilen vorher lesen kann, ohne diesen Terminus auszukommen: sie können z. B. sagen, die Empfindungsinhalte werden als Eigenschaften der transzendenten Gegenstände, als ihre Umhüllung und Verkleidung einfach vorgefunden, und das kraft einer Einrichtung unseres Denkens, die sie, ohne sie genauer zu schildern, eben als Objektivation bezeichnen, während UPHUES, der sie genauer schildert, sie natürliche Abstraktion nennt.

Und doch stecken in der "Psychologie des Erkennens" die Grundlagen zu einer Auffassung der Vergegenwärtigungsvorgänge, die es uns gestatten, die darin mit Recht, wenn auch nicht in der rechten Weise bekämpfte Objektivationstheorie zu beseitigen. Man kann sagen, die Ansicht, die wir oben kennengelernt haben, sei die Kombination eines richtigen erkenntnistheoretischen Gedankens, der schon für sich allein sich zu einer ganzen Theorie, der Ausdruckstheorie, soviel ich sehe, der einzig gangbaren Erkenntnistheorie, ausführen läßt, mit einem falschen erkenntnistheoretischen Gedanken, eben jenem, der die "Psychologie des Erkennens" in die gefährlichen Bahnen der Objekjektivationstheorie (22) hinübergeführt hat. Das Falsche und Unwesentliche findet der Referent in den Ausführungen über die natürliche Abstraktion. Sie soll durch die Beziehung auf den Gegenstand veranlaßt werden, die dem eignet, was dem Inhalt gegenüber als inhaltslose leere Form bezeichnet wird. Diese Beziehung auf den Gegenstand, dieses dem Gegenstandsbewußtsein eigentümliche, seinen Charakter ausmachende Meinen eines Gegenstandes, das schon vor der natürlichen Abstraktion besteht, verträgt offenbar die Beschreibung, die UPHUES von der nach der natürlichen Abstraktion eintretenden Vergegenwärtigung, dem Anschauen, dem Erfassen des Gegenstandes gegeben hat, nicht; sie ist kein Anschauen des Gegenstandes in irgendeinem Inhalt, sondern ein Inhaltsloses Bewußtsein um den Gegenstand. Was sollen wir uns einem solchen inhaltslosen Bewußtsein um den Gegenstand aber überhaupt denken? Es gibt nichts, was wir uns darunter denken können (23), und doch soll dieses inhaltslose Bewußtsein um den Gegenstand den Realgrund für die spezifizierte Vergegenwärtigung desselben bilden! Das ist der erste Einwand, den ich gegen die Lehre von der natürlichen Abstraktion erheben möchte. - Die natürliche Abstraktion selbst soll so vor sich gehen, daß dabei unsere ganze Aufmerksamkeit sich dem Ausdruck zuwendet, auf den allein hingesehen, von dessen Form, dem ihn bildenden Bewußtsein, eben damit abgesehen wird. Wo kommt die hier geschilderte Aufmerksamkeit her? Sie soll im Vergegenwärtigungsvorgang selbst zu suchen sein (24); der Vergegenwärtigungsvorgang setzt sich aus Inhalt und Form, dem Ausdruck und dem ihn bildenden Gegenstandsbewußtsein, zusammen. Nur das letztere, die Form kann es sein, die die Aufmerksamkeit hergibt. "Die Aufmerksamkeit ist auf Etwas gelenkt" heißt nun bekanntlich nichts anderes als "das Betreffende ist Gegenstand des als Aufmerksamkeit bezeichneten Bewußtseinsvorgangs". Der Inhalt müßte also Gegenstand des Meinens der Form sein, ihr Meinen hätte zwei Gegenstände, einen, das Transzendente, auf den sie insofern gerichtet ist, als sie der natürlichen Abstraktion als ihr Grund (nicht zeitlich, sondern logisch) vorangeht, und einen, den Inhalt, auf den sie in Ausübung der natürlichen Abstraktion gerichtet ist. Hier liegt eine zweite Schwierigkeit, ein zweiter Einwand gegen die Lehre von er natürlichen Abstraktion. - Zugleich sehen wir, daß im Grunde ganz offenkundig in der Lehre von der natürlichen Abstraktion der Inhalt zum Gegenstand gemacht wird. Kein Wunder, wenn der in dieser Weise selbst den Gegenstand eines Aufmerksamkeitsvorgangs bildende Inhalt sich gleichsam vor den eigentlichen, transzendenten Gegenstand aufpflanzt, als Kleid und Hülle ihn verbirgt, anstelle des transzendenten Gegenstandes erfaßt, wahrgenommen, angeschaut wird, z. B. als Mond- und Sonnenbild unseren Blicken, oder als Dingbild unserer Tastwahrnehmung vorschwebt. Die Annahme eines solchen Inhalts, der, statt als bloßes Erkenntnismittel zu dienen, seinerseits uns zu Gesicht kommt und so direkt oder indirekt zum Erkenntnisobjekt wird, sollte aus einer Psychologie des Erkennens sorgfältig fern gehalten werden. - Endlich drittens, die ganze Betrachtungsweise, durch die UPHUES (Seite 145) den Begriff von Inhalten, wie dem in Rede stehenden zu gewinnen sucht, ist verfänglich.

Wir sollen zu einem Begriff des Inhalts kommen, wenn wir den in den Vorgängen des Gegenstandsbewußtseins enthaltenen Ausdruck der Gegenstände für sich allein ins Auge fassen und vom Bewußtsein absehen, in dem er enthalten ist, oder das ihn bildet. Nun hat unser Autor in einer vortrefflichen Auseinandersetzung dargelegt, daß das Wort Bewußtsein drei Bedeutungen hat; das Bewußtsein in der ersten Bedeutung ist die allen Bewußtseinsvorgängen als deren Gattungsmerkmal eignende Bewußtheit; in der zweiten Bedeutung des Wortes sind es die gesamten Bewußtseinsvorgänge, soweit sie zur Einheit des Ich zusammengehören, und in der dritten Bedeutung ist Bewußtsein identisch mit Wissen oder Gegenstandsbewußtsein. - Von dem den Ausdruck bildenden, bzw. ihn enthaltenden Bewußtsein absehen kann einmal heißen, von der Bewußtheit absehen, die ihn bildet. Tun wir das, dann allerdings wird die letztere zu einer
    "leeren überall gleichmäßig wiederkehrenden Form, der Ausdruck, je nach den verschiedenen Gegenständen ein verschiedener und mannigfaltiger, macht dann den immer wechselnden Inhalt dieser Form aus; beide - Bewußtsein und Ausdruck - verhalten sich in der Tat wie das Allgemeine zum Besonderen."
Die hier gegebene Beschreibung paßt aber nicht mehr, wenn wir, um den Ausdruck für sich allein ins Auge zu fassen, vom Wissen abzusehen suchen, in dem er enthalten ist. Dieses Wissen, d. h. der ganze Vergegenwärtigungsvorgang, ist das unlösbare Zusammen zweier Teile; der eine ist der aus einer Bewußtheit gebildete Ausdruck α des Gegenstandes a, der andere ist das Meinen desselben Gegenstandes a (nicht etwa das unbestimmte Meinen eines unbestimmten Etwas). Wollten wir vom ganzen Vorgang absehen, so wäre damit eo ipso [schlechthin - wp] vom Ausdruck, dem einen Teil des Vorgangs, mit abgesehen, den wir gerade ins Auge fassen wollten. Den Ausdruck für sich allein ins Auge fassen, kann in diesem Fall höchstens den Sinn haben, daß man nicht vom Wissen absieht, in dem er enthalten ist, sondern vom Meinen, das mit ihm zusammen (vgl. Seite 87/88) jenen Wissensvorgang bildet, der andere Teil des letzteren ist. Dieses Meinen ist nimmermehr als Gattungsmerkmal in dem Ausdruck enthalten, sondern bereits ebenso spezifiziert, wie der Ausdruck selber; es meint nicht ein unbestimmtes, leeres Etwas, sondern den Gegenstand a, als dessen Darstellung in der Form der Bewußtheit wir den Ausdruck ansehen. Der Ausdruck, der eine Teil des Gegenstandsbewußtseins, verhält sich hiernach zum Meinen, dem anderen Teil des Gegenstandsbewußtseins, nicht wie das Besondere zum Allgemeinen, sondern wie das Bild zum Sehen des durch das Bild Dargestellten; das ist es, was TWARDOWSKI (a. a. O., Seite 14f) richtiger erkannt hat, als UPHUES. Der letztere Autor behandelt an der entscheidenden Stelle, wo er den Begriff des Inhalts erkenntnistheoretisch festlegen will, irrigerweise gegen seine eigene Unterscheidung, das Bewußtsein in der dritten Bedeutung des Wortes, das Wissen, als gleichbedeutend mit der Bewußtheit, dem Bewußtsein in der ersten Bedeutung des Wortes; natürlich muß dann auch das Meinen, das als leere inhaltslose Form und als der Grund der zur anschaulichen Vergegenwärtigung führenden Ausscheidung eines Inhalts beschrieben wird, einen leeren, unfaßbaren, unbestimmten Gegenstand haben.

Wir haben hier bereits angefangen, den richtigen Gedanken der Erkenntnispsychologie, der in der Annahme eines in den Vergegenwärtigungsvorgängen (den Wahrnehmungen, Vorstellungen und Urteilen) enthaltenen Ausdrucks der Gegenstände und eines damit sich verbindenden Meinens besteht, näher auszuführen. Im Erkenntnisvorgang ist nach der richtig verstandenen Ausdruckstheorie Bewußtheit, Meinen, Ausdruck real Eins, aber alle zusammen logisch voneinander verschieden. Die Bewußtheit verhält sich sowohl zum Ausdruck, wie zum Meinen des Gegenstandes wie das Allgemeine zum Besonderen, wie die umfassende Form zum umfaßten Inhalt. Der Ausdruck verhält sich nach dem, was ich vorhin sagte, zum Meinen ebenso wie das Bild zum Sehen des absoluten Gegenstandes, und, wie ich jetzt hinzufüge, wie der Grund zur Folge. Ich behaupte: der im Gegenstandsbewußtsein enthaltene Ausdruck α bildet den Realgrund dafür, daß das Meinen ein Meinen gerade des Gegenstandes a und keines anderen ist. Das soll nicht etwa heißen, der Ausdruck des Gegenstandes sei zeitlich früher als das Meinen des letzteren; Ausdruck und Meinen sind, um es zu wiederholen, unlösbar Eins, aber wir können, daß von zwei Vergegenwärtigungsvorgängen der eine auf den Gegenstand a, der andere auf den Gegenstand b sich richtet, uns erkenntnistheoretisch nur klar machen, wenn wir annehmen, die Richtung des einen auf a (das Meinen von a) sei durch eine besondere, eigentümliche innere Beschaffenheit α des ersten Vergegenwärtigungsvorgangs, die Richtung des anderen auf b (das Meinen von b) durch eine andere, besondere innere Beschaffenheit β des zweiten Vergegenwärtigungsvorgangs bedingt. Was wir hier die innere Beschaffenheit der Vergegenwärtigungsvorgänge nennen und aufgrund der Vergleichung zweier solcher Vorgänge miteinander postulieren, nennt UPHUES Ausdruck und postuliert es aufgrund der Vergleichung eines Vergegenwärtigungsvorgangs ist, so sagten wir, das Meinen eines der inneren Bestimmtheit entsprechenden (nicht mit ihr übereinstimmenden) Gegenstandes a unmittelbar mitgegeben. Die umgekehrte Behauptung, daß nicht der Ausdruck Realgrund des Meinens, sondern das Meinen Realgrund des Ausdrucks ist, mit anderen Worten: daß die besondere Bewußtseinsbeschaffenheit α dem Vergegenwärtigungsvorgang deswegen zukommt, weil er den Gegenstand a meint, würde auf eine Art gewollter, beabsichtigter Anpassung des Bewußtseins an den Gegenstand hinauslaufen, wie sie oben von mir bereits bekämpft wurde; sie würde überdies mit dem Unding eines Meinens operieren, das einen Gegenstand meint, ohne einen Inhalt, durch den gemeint wird.

Dieses Meinen des Gegenstandes, das unmittelbar auftritt, sobald der Ausdruck α des Gegenstandes a sich im Bewußtsein gebildet hat, involviert natürlich in keiner Weise die Gegenwart des gemeinten Gegenstandes in oder gar außerhalb des Bewußtseins. Die Gegenwart des Gegenstandes im Bewußtsein als solche ist noch kein Bewußtsein des Gegenstandes. Sie könnte höchstens dazu dienen, ein Meinen des Gegenstandes kausal herbeizuführen. Dieses Meinen wird aber bereits herbeigeführt, wenn nur die innere Bestimmtheit des Bewußtseins, die UPHUES den "Ausdruck des Gegenstandes" genannt hat, im Bewußtsein vorhanden ist, und die Bildung eines solchen Ausdrucks kann bei Gelegenheit irgendwelcher inneren Verhältnisse der Bewußtseinsvorgänge zueinander ganz von selbst auftreten. Zum Beispiel, wenn wir abstrakte Begriffe bilden, so entstehen regelmäßig derartige Ausdrücke ohne jegliche Existenz der betreffenden, allgemeinen Gegenstände in oder außerhalb des Bewußtseins, rein nach den inneren Gesetzen des Bewußtseinsverlaufs; und das Gleiche ist der Fall, wenn durch "Assoziation" die Erinnerung an vergangene Gegenstände geweckt wird. Kurz, nennen wir den in den Vergegenwärtigungsvorgängen enthaltenen Ausdruck für einen Augenblick den Inhalt der Vergegenwärtigungsvorgänge, so ist nach meiner Auffassung dieser Inhalt der Grund des Meinens und zwar sogleich des Meinens des Gegenstandes, als dem "entsprechend" wir hinterher erkenntnistheoretisch den Ausdruck auffassen. Nach der Lehre von der natürlichen Abstraktion dagegen sollte umgekehrt das Meinen des Gegenstandes, und zwar eines leeren, unbestimmten Gegenstandes, allererst den veranlassenden Grund für die Ausscheidung eines Inhalts bilden.

Schon oben wurde gelegentlich betont, daß die Ausdrücke der Gegenstände uns in keiner Weise zu Gesicht kommen, weder in der Wahrnehmung, noch in der Vorstellung, noch im Urteil; sie ermöglichen das Meinen, Anschauen, Erfassen der betreffenden Gegenstände, werden aber selbst nicht gemeint, angeschaut, erfaßt. Das, was in der "Psychologie des Erkennens" Sonnenbild, Dingbild genannt wird, sind bereits Gegenstände; es sind die gemeinte transzendente Sonne, das gemeinte transzendente Ding. Farben, Töne, alle Sinnesqualitäten sind transzendente Gegenstände, keine immanenten Bewußtseinsinhalte. Diese transzendenten Gegenstände existieren entweder, und dann reicht das Wahrnehmen, Vorstellen und Beurteilen derselben über sich hinaus in das Seiende hinein, wie es unwahrgenommener-, unvorgestellter-, unbeurteilterweise ist (25), oder sie existieren überhaupt nicht, sind Nichtse (26); transzendente Gegenstände aber sind es in jedem Fall, etwas dem sie meinenden Bewußtseinsvorgang Jenseitiges, in ihm nicht Enthaltenes. (27) Die Ausdrücke, die das Meinen dieser transzendenten Gegenstände, der Farben, Töne usw. herbeiführen, die sind immanent, aber gerade sie lernen wir in den Wahrnehmungen, Vorstellungen, Urteilen niemals kennen, ebensowenig in der gewöhnlichen Reflexion auf die genannten Bewußtseinsvorgänge, die uns nur das Meinen der Farben, Töne usw. als unser subjektives Erleben, nicht den verborgenen Hebel dieses Meinens, den Ausdruck, zu Gesicht bringt. Das Vorhandensein von Ausdrücken der gemeinten Gegenstände können wir immer nur erkenntnistheoretisch aufgrund der Vergleichung mehrerer Vergegenwärtigungsvorgänge postulieren; nur hypothetisch können wir behaupten, daß sie als besondere, eigenartige Bewußtseinsbeschaffenheiten bei Gelegenheit des Auftretens irgendwelcher nervöser Großhirnrindenprozesse sich bilden, die ihrerseits durch äußere, mechanische Prozesse veranlaßt worden sind. Mit dem Auftreten jener Bewußtseinsausdrücke ist, so besagt meine Hypothese dann weiter, das Meinen transzendenter Farben, Töne usw. unmittelbar mitgegeben. - Auch die Gedächtnisbilder, die wir von vergangenen Gegenständen haben, sind keine Vorstellungsinhalte, auf die wir den Namen der damit gemeinten Gegenstände übertragen, und die uns die Stelle jener Gegenstände im Denken vertreten (Psychologie des Erkennens, Seite 222), sondern sind echte Vorstellungsgegenstände. Es sind transzendente Vorstellungsgegenstände, die ich aus hier nicht auszuführenden Gründen für vergangen und nicht existierend halte (28).

Die im Bewußtsein gegebenen Ausdrücke der Gegenstände führen, so finde ich, ganz von selbst, ohne Vermittlung einer natürlichen Abstraktion, das Meinen von Gegenständen herbei, und zwar der Ausdruck α das Meinen des Gegenstandes a, der Ausdruck β das Meinen des Gegenstandes b usw. Von den Gegenständen a, b, c darf man sagen, daß sie den Ausdrücken α,β γ "entsprechen". Das heißt nun aber nicht, daß sie mit den letzteren übereinstimmen; UPHUES hat ganz Recht, auf die Unähnlichkeit vieler Ausdrücke mit den bezüglichen Gegenständen hinzuweisen; besteht doch vielmehr zwischen den Ausdrücken, die das Meinen transzendenter Gegenstände, des Nichts, abstrakter Gegenstände, vergangener Gegenstände herbeiführen und diesen Gegenstände selbst die denkbar größte Verschiedenheit. Die Bewußtseinsausdrücke der Farben sind nicht farbig, der Töne nicht tönend, je nichts nötigt uns anzunehmen, daß der Bewußtseinsausdruck eines starken Tones, einer intensiveren Farbe intensiver ist, als der Bewußtseinsausdruck eines schwächeren Tones, einer weniger lichtkräftigen Farbe. Dem Verfasser dieses Aufsatzes ist es oft aufgefallen, daß zwar bei den Gefühlen z. B. ein stärkerer Schmerz uns als vom stärkeren Schmerzbewußtsein nicht verschieden erscheint. Dagegen verstößt es gegen den Sprachgebrauch, wenn man sagen wollte: das Hören eines Flintenschusses sei ein stärkeres Hören als das Hören des Knalls einer Kinderpistole. Wir sagen nur: der eine Knall ist lauter als der andere, aber das Gegenstandsbewußtsein vom ersten Knall finden wir keineswegs intensiver als das Gewahrwerden des zweiten Knalls.

Suchen wir nach dem Grund der gegenteiligen Meinung, derzufolge dennoch das Hören eines stärkeren Tones ein stärkeres Hören, das Hören eines schwächeren Tones ein schwächeres Hören sein soll, so stoßen wir zuletzt auf die Verwechslung von Empfindung und Wahrnehmung als auf die Quelle des Irrtums. Man geht von der unzweifelhaften Tatsache aus, daß zur Wahrnehmung eines Tones Gehörsempfindungen gehören, und findet hierbei, was ebenso unzweifelhaft ist, daß einem stärkeren Ton eine stärkere, einem schwächeren Ton eine schwächere Gehörsempfindung entspricht. Aber eine Empfindung oder eine Summe von Empfindungen ist noch lange keine Wahrnehmung, kein Gegenstandsbewußtsein. Das Gegenstandsbewußtsein folgt erst unter gewissen, von den Funktionen der Aufmerksamkeit abhängigen Umständen, dem Vorhandensein von Empfindungen. Es bildet sich, unter dem mitwirkenden Einfluß der Empfindungen, im Bewußtsein der Ausdruck eines Gegenstandes, der das Meinen dieses Gegenstandes, in unserem Fall eines Tones, zur unmittelbaren Folge hat. So kommt es zur Wahrnehmung des Tones, die etwas ganz Anderes ist, als die bloße Gehörsempfindung. Die Gehörsempfindungen zeigen Qualitäts- und Intensitätsunterschiede; das Meinen in der Wahrnehmung zeigt derartige Unterschiede überhaupt nicht, und für den gleichfalls in der Wahrnehmung enthaltenen Ausdruck des Tones, den verborgenen Hebel jenes Meinens, der sich, wie wir wissen, der gewöhnlichen Kenntnisnahme gänzlich entzieht, reichen wir durchaus mit der Annahme aus, daß er nur Unterschiede der Qualität besitzt. (29) Was uns zu Bewußtsein kommt, das ist in der Perzeption einzig und allein der Ton. -

In der Reflexion kommt uns unser Meinen des Tones zu Bewußtsein, und während wir diesen Akt der Reflexion auf das Meinen ausüben, werden wir gleichzeitig auch der fortbestehenden schwachen oder starken Empfindung inne, unter deren Einfluß das Gegenstandsbewußtsein vom Ton sich in uns gebildet hat. Kein Wunder, daß wir, indem wir den Intensitätsgrad der in der Reflexion mitbemerkten Gehörsempfindungen auf das Wahrnehmen, Hören, Meinen des Tones unwillkürlich übertragen, den Eindruck gewinnen können, unser auf einen starken Ton gerichtetes Hören sei selbst stark, unser auf einen schwachen Ton gerichtetes Hören sei selbst schwach. - Bei der gedächtnismäßigen Vergegenwärtigung von Tönen, Farben usw. ist es wieder anders. Dort tritt ein wiederauflebendes Gegenstandsbewußtsein, die reproduzierte Vorstellung eines Tones, einer Farbe in uns auf, dem die Begleitung von wiederauflebenden Empfindungen wohl schwerlich ganz fehlt. Aber die begleitenden, wiederauflebenden Empfindungen sind doch, wie wir annehmen dürfen, von einer in den normalen Fällen überall gleichmäßig schwachen Intensität. Die Vorstellung eines starken Tones erscheint uns deshalb in der Reflexion, sobald die Verwechslung der Intensität begleitender Empfindungen mit einer Intensität des Meinens begangen wird, nicht stärker als die eines schwachen Tons, die Vorstellung eines Kanonenschusses scheint die gleiche Intensität mit der des Tick-Tacks einer Uhr zu besitzen.

Für diesen letzten Teil meiner Zeichnung einer reinen Ausdruckstheorie, wie sie oben nach ihren allgemeinen Umrissen versucht wurde, ist die Einsicht wichtig, daß die Empfindungen kein Gegenstandsbewußtsein sind. Dem stehen freilich vielfache Äußerungen der "Psychologie des Erkennens" gegenüber, die aber einer eingehenderen Besprechung nicht mehr bedürfen. Der rastlose, seine Ideen unermüdlich fortbildende Verfasser hat hier bereits selber die bessernde Hand angelegt. Nach dem genannten Buch soll in einigen Empfindungen (Seite 158) sich überhaupt kein Inhalt entdecken lassen, ebensowenig wie in den Gefühlen. Andere Empfindungen sollen durch eine ihnen innewohnende Tätigkeit der natürlichen Abstraktion und die ihr folgende Ausscheidung eines Inhalts zu Gegenstandsbewußtsein, zu Wahrnehmungen werden. Dabei gelingt in einigen zur Wahrnehmung werdenden Empfindungen die Unterscheidung des Inhalts von dem ihn bildenden Bewußtsein besser, in anderen weniger gut. Diese ganze Lehre von der Wahrnehmung werdenden Empfindung hat UPHUES mit Recht in einer neueren Veröffentlichung, einem Aufsatz "Über den Gegenstand des Erkennens" in den "Neuen Bahnen", Heft 10, 1896, fallen gelassen. Nach dem genannten Aufsatz dürfen die Empfindungen niemals, unter keinen Umständen, als Gegenstandsbewußtsein angesehen werden.
    "Wenn wir uns ein Haus vorstellen, was können wir konstatieren? Eine Gesichtsempfindung, sei es eine ursprüngliche, sei es eine wiederauflebende, die als ursprüngliche, wie wir sagen, von dem, was wir Haus nennen, herbeigeführt wird. Von einem "wir" oder "ich" ist nichts zu entdecken, auch nichts von einem Bewußtsein um ein Etwas. Ein bewußtes Etwas scheint Alles, was vorhanden ist. Von Inhalt und Gegenstand, von einem Unterschied beider, ist nichts zu entdecken." (a. a. O., Seite 529)
In der bloßen Empfindung liegt nach dieser Auslassung kein Gegenstandsbewußtsein. Zum Gegenstandsbewußtsein kommt es erst durch den Hinzutritt von assoziierten Wortvorstellungen, von Namen. Sie selbst, die Namen, sind wiederum nichts als bewußte Etwas, wiederauflebende Empfindungen (30), sei es die wiederauflebenden Gehörsempfindungen eines gesprochenen, sei es die wiederauflebenden Gesichtsempfindungen eines geschriebenen Wortes. Diese vor uns auftauchenden Namen benennen aber einen Gegenstand, etwas Transzendentes, das von allen, die Wort begleitenden Empfindungen verschieden ist, ein Transzendentes, von dem wir sagen, es führe diese Empfindungen allererst herbei, bzw. hat, wenn es wiederauflebende Empfindungen sind, ähnliche frühere Empfindungen in uns herbeigeführt.
    "Durch den Namen, die Gehörsempfindung eines gesprochenen oder die Gesichtsempfindung eines geschriebenen Wortes, beide ansich genommen nichts als bewußte Etwas, hat demnach die Vorstellung eine Beziehung auf einen Gegenstand, die Vorstellung des Hauses die Beziehung auf den Gegenstand Haus, die ihr ohne den Namen fehlt. (31) Diesem Gegenstand gegenüber müssen wir dann die ursprüngliche oder wiederauflebende Empfindung, das bewußte Etwas, das wir zunächst allein in der Vorstellung entdecken, als Vorstellungsinhalt bezeichnen." (ebd). -
Sind nun aber die Empfindungen nicht die Träger des Gegenstandsbewußtseins, sondern kommt das letztere erst durch die assoziierten Namen zu ihnen hinzu, wie geschieht es, daß die Namen selbst, die ja als solche auch nichts weiter als bewußte Etwas sind, ihrerseits eine Beziehung auf Gegenstände haben können?
    "Streng genommen", so lautet die Antwort (Neue Bahnen, a. a. O., Seite 530), "funktionieren sie als Namen nur im Urteil, nur durch das Urteil können sie auf Gegenstände bezogen werden. Namen von Gegenständen werden sie erst im Satz, wie es ja auch Sprache eigentlich nur im Satz, dem Ausdruck des Urteils gibt. Der Unterschied von Inhalt und Gegenstand, der für die Vorstellung schwer zu konstatieren und zweifelhaft erscheinen kann, ist für das Urteil zweifellos vorhanden und leicht zu entdecken. Durch den mit ihr verbundenen Namen und weiterhin durch das Urteil ist die Vorstellung auf einen Gegenstand gerichtet und auch für sie der Unterschied von Inhalt und Gegenstand gültig."
Nicht mehr werden nach dieser neuen Auffassung Empfindungen durch eine in ihnen selbst sich vollziehende natürliche Abstraktion zu Wahrnehmungen, wie es die "Psychologie des Erkennens Seite 158 lehrt, sondern jede Wahrnehmung ist etwas von den Empfindungen Grundverschiedenes, ist ein Urteil. Erst im Urteil entsteht das Bewußtsein eines Gegenstandes, hier muß es aber auch entstehen, da das Urteil seinem Wesen nach Bewußtsein der Wahrheit ist, der Begriff der Wahrheit aber als Korrespondenz der im Urteil eine Rolle spielenden Vorstellungsinhalte mit den Gegenständen, den Unterschied zwischen Inhalt und Gegenstand voraussetzt (Neue Bahnen, a. a. O. Seite 530).
    "Daß wir von den Gegenständen nichts wissen außer in den Vorstellungsinhalten, daß sie uns nur in der Umhüllung und Verkleidung der Vorstellungsinhalte erscheinen, von denen sie trotz ihrer Unabhängigkeit von ihnen für unser Bewußtsein unabtrennbar sind." (Neue Bahnen, a. a. O., Seite 532),
soll dabei aufrechterhalten bleiben.

Mir obliegt nicht, über diese neue offenbar noch im Fluß befindliche Theorie von UPHUES eine vorgreifende Meinung zu äußern. Nur das ist hervorzuheben, daß mit der Abtrennung der Empfindungen vom Gegenstandsbewußtsein und ihrer Charakterisierung als bewußtem Etwas gewiß ein glücklicher Griff getan ist. Dem Gedanken, daß nur im Urteil ein Gegenstandsbewußtsein möglich ist, wird entgegengehalten werden dürfen, daß doch wohl schon das urteilslose Bemerken mehr als eine bloße Empfindung, nämlich Gegenstandsbewußtsein, ist. (32)
LITERATUR: Hermann Schwarz, Die Lehre vom Inhalt und Gegenstand der Vorgänge des Gegenstandsbewußtsein in Uphues' Psychologie des Erkennens, Archiv für systematische Philosophie, Bd. 3, Berlin 1897
    Anmerkungen
    20) Seite 203/4: "Gegenstände der Gesichtswahrnehmung werden für Schein erklärt, wenn die mit ihnen verbundenen Dingvorstellungen sich nicht durch Tastwahrnehmungen verifizieren lassen" (die richtigere Erklärung siehe in meinem Aufsatz: "Die Zwiespältigkeit der naturwissenschaftlichen Erkenntnislehre", Zeitschrift für Philosophie und philosophische Kritik, Bd. 109, Seite 43). Seite 188: "Jedenfalls müssen wir den Schluß ziehen, daß sich das, was den Gegenstand der Gesichtswahrnehmung bildet, von der Dingvorstellung trennen läßt und nicht notwendig mit ihr verbunden ist." Seite 204: "Nur die Gegenstände der Tastwahrnehmung, die Dinge, haben an und für sich genommen ein eigenes, individualisiertes Sein." Andererseits freilich Seite 90 heißt es: "Unter Dingen verstehen wir in erster Linie die Einzelatome", die gewiß keinen Gegenstand der Tastwahrnehmung bilden. Was wir durch den Tastsinn kennen lernen, wird hier dementsprechend als Eigenschaft beschrieben: "Zwischen den mechanischen Eigenschaften Undurchdringlichkeit, Härte, Dichte, Schwere, zwischen ihnen und den mathematischen Eigenschaften, Größe und Gestalt, besteht eine engere Zusammengehörigkeit, offenbar, weil wir diese Eigenschaften zugleich miteinander durch denselben Sinn, den Tastsinn, kennen lernen." Und wieder Seite 57: "Unter Ding verstehen wir vor allem ein Undurchdringliches, das wir auf Grund der Tast- und Gelenkempfindungen kennen lernen."
    21) Man vgl. zum Beispiel Seite 167: "Alle diese Empfindungen können als objektive auftreten oder ein Gegenstandsbewußtsein bilden."
    22) Über die Objektivationstheorie und ihre Mängel vgl. auch meine "Umwälzung der Wahrnehmungs-Hypothese" an dem im Register unter "Objektivationstheorie" angeführten Stellen.
    23) Nach der richtigen Bemerkung Thieles a. a. O., Seite 75: "Das Meinen kann nur in Verbindung mit einem Vorstellungsinhalt auftreten." (ebd. Seite 185, 102).
    24) Psychologie des Erkennens, Seite 158: "In vielen Empfindungen wird auf dem Weg einer natürlichen Abstraktion ein Inhalt ausgeschieden, d. h. es wird in den Empfindungen selbst, nicht in einem neuen Bewußtseinsvorgang, einem Bestandteil der Empfindungen, der aufgrund einer späteren Vergleichung mit ihnen von den Empfindungen als Bewußtseinsvorgängen unterschieden wird, die ganze Aufmerksamkeit zugewendet."
    25) Vgl. Psychologie des Erkennens, Seite 17, 174f und den Vortrag von Uphues "Über die Existenz der Außenwelt", Seite 12 in der "Neuen Pädagogischen Zeitung", 1894. Ferner mein "Wahrnehmungsproblem vom Standpunkt des Physikers, des Physiologen und des Philosophen", 1892, Seite 88f und meine "Umwälzung der Wahrnehmungs-Hypothese", Bd. 2, Seite 68, auch den Aufsatz über die "Zwiespältigkeit der naturwissenschaftlichen Erkenntnislehre", Seite 48.
    26) Vgl. meine "Umwälzung etc." a. a. O., Bd. 2, Seite 78f.
    27) Brentano in seiner "Psychologie vom empirischen Standpunkt", 1872 macht Seite 159 darauf aufmerksam, "daß der Ton nicht bloß im Hören, sondern auch in der gleichzeitigen Vorstellung es Hörens als vorgestellt enthalten sein muß. Und auch in der Vorstellung von der Vorstellung des Hörens wird er nochmals, also zum dritten Mal, das Hören aber zum zweiten Mal vorgestellt werden?" Diese Schwierigkeit entsteht, sobald man annimmt, daß der gehörte Ton in einem Gegenstandsbewußtsein vom Ton analytisch enthalten ist (vgl. Psychologie des Erkennens, Seite 162), als ein intentionales Objekt (ein Fiktum; vgl. meine "Umwälzung etc." Bd. 1, Seite 42,73, 156; Bd. 2, Seite 42) oder als ein objektivierter Bewußtseinsbestandteil (ein Idol; vgl. Umwälzung I, Seite 34f, 47f, 154, 158, 165) in metaphysischer Existenz daran gefesselt. Durch die Ausdruckstheorie wird die Schwierigkeit gelöst. Wenn sich die Reflexion oder innere Wahrnehmung auf die äußere Wahrnehmung, die Perzeption eines Tones richtet, so ist nach der Ausdruckstheorie, und nur nach dieser, im Gegenstand der Reflexion, dem in der äußeren Wahrnehmung ausgeübten Meinen des Tones der gehörte Ton nicht mitenthalten; eben darum bringen wir uns während des Vorgangs der Reflexion den Ton nur einmal zu Bewußtsein, nämlich durch das der Perzeption angehörige Meinen, während uns das Meinen selbst durch den Reflexionsvorgang zu Bewußtsein kommt. Wir erfassen uns als meinende in der Reflexion und den Ton als gemeinten in der Perzeption.
    28) Über die Entstehung des Glaubens an ihre Nichtexistenz siehe meinen schön öfters zitierten Aufsatz "Über die Zwiespältigkeit der naturwissenschaftlichen Erkenntnislehre", a. a. O., Seite 43 nebst Anmerkung.
    29) vgl. meine "Umwälzung etc.", Bd. 2, Seite 158.
    30) Dies ist die Bezeichnungsweise von Emil Koch in "Das Bewußtsein der Transzendenz", 1895, Seite 26 und öfter.
    31) In der "Psychologie des Erkennens" hieß es im Gegensatz dazu Seite 169: "Es gibt ein namentliches Wissen (um Transzendentes) . . . Die Wahrnehmung ist natürlich ein nicht namentliches Wissen; sie ist ja die Voraussetzung des assoziativen Wissens und mit diesem die Voraussetzung des urteilenden Wissens. Charakteristisch für die Wahrnehmung als nicht namentliches Wissen (um einen Gegenstand) ist, daß sie das der Sache nach und einschließlich enthält, was im assoziativen und urteilenden Wissen, dessen Voraussetzung sie bildet, ausdrücklich und förmlich, d. h. in besonderen Wort- und Sachvorstellungen vorhanden ist. Und was von der Wahrnehmung gilt, die das Wissen um etwas Transzendentes ist, sofern es einfach durch ursprüngliche Empfindungen vermittelt wird, das gilt auch von allen Vorstellungen, die mit den Wahrnehmungen auf dieselben Gegenstände gerichtet sind, nur daß hier das Wissen umd das Transzendente nicht in ursprünglichen, sondern in wiederauflebenden Empfindungen vor sich geht." (vgl. Seite 172)
    32) vgl. auch Thiele, a. a. O., Seite 185: "Obiges Sichbeziehen ist nun des weiteren entweder ein urteilsloses Meinen, oder ein Urteilen. Das erstere liegt vor, wenn z. B. ein vorgestelltes Rot zum Zweck des Urteilens als "Dies" fixiert wird. Und so ein urteilsloses Fixieren muß es geben, wenn es überhaupt ein Urteil geben soll, da letzterem ohne ersteres jedes Subjekt fehlen würde."