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[mit NS-Vergangenheit] Die Lehre vom Inhalt und Gegenstand der Vorgänge des Gegenstandsbewußtseins in Uphues' Psychologie des Erkennens [2/2]
Noch einer anderen Erwägung sei Raum gegeben! Der Leser erinnert sich, daß es öfters heißt (Seite 19, 87, 155), das von uns vergegenwärtigte Transzendente werde irgendwie vom Inhalt unterschieden, in dem es vergegenwärtigt wird. Das durfte insofern mit Recht behauptet werden, als das ursprüngliche Meinen des transzendenten Gegenstandes (nach Seite 159 und öfter) allererst den Grund für die Ausscheidung des Inhalts aus den Vergegenwärtigungsvorgängen bilden soll und darum sein Gegenstand möglicherweise auch nach der Ausscheidung des Inhalts vom letzteren unterschieden gehalten werden kann. Freilich ist es schwewr zu sagen, wa denn eigentlich dieser von den Empfindungsinhalten, seinen Eigenschaften, die ihn verkleiden und umhüllen, verschiedene transzendente Gegenstand sein soll? Bei DESCARTES findet sich auch einmal die Wendung, die Sinnesqualitäten seien nur Kleider, durch die hindurch nicht die Sinne, wohl aber der Verstand in die eigentliche äußere Substanz hineinsieht; bei ihm ist es das Ding hinter den Sinnesqualitäten, das den eigentlichen transzendenten Gegenstand der Wahrnehmung bildet, so zwar, daß die Sinne dem Verstand bei seiner nackten, unmittelbaren Auffassung der Substanzen allererst den Anhalt gewähren (vgl. meine "Umwälzung der Wahrnehmungs-Hypothesen, Bd. 1, Seite 178, 180, 193). Eine Reihe von Bemerkungen in der "Psychologie des Erkennens" verbietet es dagegen, das Ding hinter den Eigenschaften als den von uns in der Wahrnehmung vergegenwärtigten transzendenten Gegenstand zu betrachten; soll doch nach jenen Bemerkungen nur das Undurchdringliche, der Gegenstand der Tastwahrnehmung, ein Ding sein, während die Gegenstände der übrigen Sinne von den Dingen vielmehr streng unterschieden werden (20). Was kann aber der transzendente Gegenstand, z. B. der der Gesichtswahrnehmung, wenn er weder das farbige Ding, noch die Eigenschaft der Farbe, ein bloßer Empfindungsinhalt, selbst sein soll, sonst sein? Es gibt schwerlich ein Drittes, und so ist es wohl kein Zufall, daß bei UPHUES doch manchmal der transzendente Gegenstand sei es die Bedeutung des Dings hinter den es verkleidenden und umhüllenden Empfindungsinhalten identifiziert wird. Das Erstere geschieht, wenn es z. B. von der Gesichtswahrnehmung einer Allee Seite 180 heißt:
Das Wesentliche der Objektivationstheorie besteht nach Seite 226 darin,
Seite 222: "Die Vorstellungen vertreten oft in unserem Denken die Gegenstände der Wahrnehmung. Wenn wir mit diesen Vorstellungen im Denken operieren, z. B. wenn wir bei der Begriffsbildung ihre Merkmal unterscheiden und eindeutig zu bestimmen suchen, so tritt die Beziehung der Vorstellung auf das Transzendente mehr und mehr in den Hintergrund, der Name (z. B. des Baumes) wird in enge Verbindung gebracht mit der Vorstellung selbst und gleichsam auf sie übertragen; es entsteht der Schein, als ob wir bei der Vorstellung Baum in diesem Fall nichts als auf dem Weg der Abstraktion gewonnene Empfindungsinhalte vor uns haben."
(wo gesagt wird, daß die Empfindungsinhalte des Weißen, Ausgedehnten, Undurchdringlichen neben dem Transzendenten das, was wir Wand nennen, ausmachen"). "Das gilt nicht bloß von den Empfindungen, welche die Gesichtswahrnehmungen vermitteln, sondern von allen für die Wahrnehmungen erforderlichen ohne Ausnahme, auch von den Empfindungsinhalten der Tastwahrnehmungen der Dinge, die unser Dingbild ausmachen."
Ist unserem Autor die Abwehr des Gedankens, daß seine Verkleidungslehre gelegentlich eine Ähnlichkeit mit der schrofferen Form der Objektivationstheorie annimmt, nicht leicht, so hat er noch weniger leichtes Spiel in seinen Bemühungen, sich von den Anhängern der milderen Form der Objektivationstheorie zu unterscheiden. Die mildere Form der Objektivationstheorie besagt, daß wir die Empfindungen, Vorstellungen und Gedanken, in den wir uns das Transzendente vergegenwärtigen, nach Seite 70 dem Transzendenten als Eigenschaften beilegen, nach Seite 226 auf den Gegenstand übertragen, und daß wir dabei "den Gegenstand noch irgendwie von den Empfindungen unterscheiden" (Seite 226). Ist nicht genau dasselbe aber auch die Beschreibung der Vergegenwärtigung des Transzendenten in der "Psychologie des Erkennens"? Der Gegenstand wird nach Seite 19, 55, 87 "irgendwie von den Empfindungen unterschieden" und "die Eigenschaften sind (nach Seite 82) Empfindungen";
Und doch stecken in der "Psychologie des Erkennens" die Grundlagen zu einer Auffassung der Vergegenwärtigungsvorgänge, die es uns gestatten, die darin mit Recht, wenn auch nicht in der rechten Weise bekämpfte Objektivationstheorie zu beseitigen. Man kann sagen, die Ansicht, die wir oben kennengelernt haben, sei die Kombination eines richtigen erkenntnistheoretischen Gedankens, der schon für sich allein sich zu einer ganzen Theorie, der Ausdruckstheorie, soviel ich sehe, der einzig gangbaren Erkenntnistheorie, ausführen läßt, mit einem falschen erkenntnistheoretischen Gedanken, eben jenem, der die "Psychologie des Erkennens" in die gefährlichen Bahnen der Objekjektivationstheorie (22) hinübergeführt hat. Das Falsche und Unwesentliche findet der Referent in den Ausführungen über die natürliche Abstraktion. Sie soll durch die Beziehung auf den Gegenstand veranlaßt werden, die dem eignet, was dem Inhalt gegenüber als inhaltslose leere Form bezeichnet wird. Diese Beziehung auf den Gegenstand, dieses dem Gegenstandsbewußtsein eigentümliche, seinen Charakter ausmachende Meinen eines Gegenstandes, das schon vor der natürlichen Abstraktion besteht, verträgt offenbar die Beschreibung, die UPHUES von der nach der natürlichen Abstraktion eintretenden Vergegenwärtigung, dem Anschauen, dem Erfassen des Gegenstandes gegeben hat, nicht; sie ist kein Anschauen des Gegenstandes in irgendeinem Inhalt, sondern ein Inhaltsloses Bewußtsein um den Gegenstand. Was sollen wir uns einem solchen inhaltslosen Bewußtsein um den Gegenstand aber überhaupt denken? Es gibt nichts, was wir uns darunter denken können (23), und doch soll dieses inhaltslose Bewußtsein um den Gegenstand den Realgrund für die spezifizierte Vergegenwärtigung desselben bilden! Das ist der erste Einwand, den ich gegen die Lehre von der natürlichen Abstraktion erheben möchte. - Die natürliche Abstraktion selbst soll so vor sich gehen, daß dabei unsere ganze Aufmerksamkeit sich dem Ausdruck zuwendet, auf den allein hingesehen, von dessen Form, dem ihn bildenden Bewußtsein, eben damit abgesehen wird. Wo kommt die hier geschilderte Aufmerksamkeit her? Sie soll im Vergegenwärtigungsvorgang selbst zu suchen sein (24); der Vergegenwärtigungsvorgang setzt sich aus Inhalt und Form, dem Ausdruck und dem ihn bildenden Gegenstandsbewußtsein, zusammen. Nur das letztere, die Form kann es sein, die die Aufmerksamkeit hergibt. "Die Aufmerksamkeit ist auf Etwas gelenkt" heißt nun bekanntlich nichts anderes als "das Betreffende ist Gegenstand des als Aufmerksamkeit bezeichneten Bewußtseinsvorgangs". Der Inhalt müßte also Gegenstand des Meinens der Form sein, ihr Meinen hätte zwei Gegenstände, einen, das Transzendente, auf den sie insofern gerichtet ist, als sie der natürlichen Abstraktion als ihr Grund (nicht zeitlich, sondern logisch) vorangeht, und einen, den Inhalt, auf den sie in Ausübung der natürlichen Abstraktion gerichtet ist. Hier liegt eine zweite Schwierigkeit, ein zweiter Einwand gegen die Lehre von er natürlichen Abstraktion. - Zugleich sehen wir, daß im Grunde ganz offenkundig in der Lehre von der natürlichen Abstraktion der Inhalt zum Gegenstand gemacht wird. Kein Wunder, wenn der in dieser Weise selbst den Gegenstand eines Aufmerksamkeitsvorgangs bildende Inhalt sich gleichsam vor den eigentlichen, transzendenten Gegenstand aufpflanzt, als Kleid und Hülle ihn verbirgt, anstelle des transzendenten Gegenstandes erfaßt, wahrgenommen, angeschaut wird, z. B. als Mond- und Sonnenbild unseren Blicken, oder als Dingbild unserer Tastwahrnehmung vorschwebt. Die Annahme eines solchen Inhalts, der, statt als bloßes Erkenntnismittel zu dienen, seinerseits uns zu Gesicht kommt und so direkt oder indirekt zum Erkenntnisobjekt wird, sollte aus einer Psychologie des Erkennens sorgfältig fern gehalten werden. - Endlich drittens, die ganze Betrachtungsweise, durch die UPHUES (Seite 145) den Begriff von Inhalten, wie dem in Rede stehenden zu gewinnen sucht, ist verfänglich. Wir sollen zu einem Begriff des Inhalts kommen, wenn wir den in den Vorgängen des Gegenstandsbewußtseins enthaltenen Ausdruck der Gegenstände für sich allein ins Auge fassen und vom Bewußtsein absehen, in dem er enthalten ist, oder das ihn bildet. Nun hat unser Autor in einer vortrefflichen Auseinandersetzung dargelegt, daß das Wort Bewußtsein drei Bedeutungen hat; das Bewußtsein in der ersten Bedeutung ist die allen Bewußtseinsvorgängen als deren Gattungsmerkmal eignende Bewußtheit; in der zweiten Bedeutung des Wortes sind es die gesamten Bewußtseinsvorgänge, soweit sie zur Einheit des Ich zusammengehören, und in der dritten Bedeutung ist Bewußtsein identisch mit Wissen oder Gegenstandsbewußtsein. - Von dem den Ausdruck bildenden, bzw. ihn enthaltenden Bewußtsein absehen kann einmal heißen, von der Bewußtheit absehen, die ihn bildet. Tun wir das, dann allerdings wird die letztere zu einer
Wir haben hier bereits angefangen, den richtigen Gedanken der Erkenntnispsychologie, der in der Annahme eines in den Vergegenwärtigungsvorgängen (den Wahrnehmungen, Vorstellungen und Urteilen) enthaltenen Ausdrucks der Gegenstände und eines damit sich verbindenden Meinens besteht, näher auszuführen. Im Erkenntnisvorgang ist nach der richtig verstandenen Ausdruckstheorie Bewußtheit, Meinen, Ausdruck real Eins, aber alle zusammen logisch voneinander verschieden. Die Bewußtheit verhält sich sowohl zum Ausdruck, wie zum Meinen des Gegenstandes wie das Allgemeine zum Besonderen, wie die umfassende Form zum umfaßten Inhalt. Der Ausdruck verhält sich nach dem, was ich vorhin sagte, zum Meinen ebenso wie das Bild zum Sehen des absoluten Gegenstandes, und, wie ich jetzt hinzufüge, wie der Grund zur Folge. Ich behaupte: der im Gegenstandsbewußtsein enthaltene Ausdruck α bildet den Realgrund dafür, daß das Meinen ein Meinen gerade des Gegenstandes a und keines anderen ist. Das soll nicht etwa heißen, der Ausdruck des Gegenstandes sei zeitlich früher als das Meinen des letzteren; Ausdruck und Meinen sind, um es zu wiederholen, unlösbar Eins, aber wir können, daß von zwei Vergegenwärtigungsvorgängen der eine auf den Gegenstand a, der andere auf den Gegenstand b sich richtet, uns erkenntnistheoretisch nur klar machen, wenn wir annehmen, die Richtung des einen auf a (das Meinen von a) sei durch eine besondere, eigentümliche innere Beschaffenheit α des ersten Vergegenwärtigungsvorgangs, die Richtung des anderen auf b (das Meinen von b) durch eine andere, besondere innere Beschaffenheit β des zweiten Vergegenwärtigungsvorgangs bedingt. Was wir hier die innere Beschaffenheit der Vergegenwärtigungsvorgänge nennen und aufgrund der Vergleichung zweier solcher Vorgänge miteinander postulieren, nennt UPHUES Ausdruck und postuliert es aufgrund der Vergleichung eines Vergegenwärtigungsvorgangs ist, so sagten wir, das Meinen eines der inneren Bestimmtheit entsprechenden (nicht mit ihr übereinstimmenden) Gegenstandes a unmittelbar mitgegeben. Die umgekehrte Behauptung, daß nicht der Ausdruck Realgrund des Meinens, sondern das Meinen Realgrund des Ausdrucks ist, mit anderen Worten: daß die besondere Bewußtseinsbeschaffenheit α dem Vergegenwärtigungsvorgang deswegen zukommt, weil er den Gegenstand a meint, würde auf eine Art gewollter, beabsichtigter Anpassung des Bewußtseins an den Gegenstand hinauslaufen, wie sie oben von mir bereits bekämpft wurde; sie würde überdies mit dem Unding eines Meinens operieren, das einen Gegenstand meint, ohne einen Inhalt, durch den gemeint wird. Dieses Meinen des Gegenstandes, das unmittelbar auftritt, sobald der Ausdruck α des Gegenstandes a sich im Bewußtsein gebildet hat, involviert natürlich in keiner Weise die Gegenwart des gemeinten Gegenstandes in oder gar außerhalb des Bewußtseins. Die Gegenwart des Gegenstandes im Bewußtsein als solche ist noch kein Bewußtsein des Gegenstandes. Sie könnte höchstens dazu dienen, ein Meinen des Gegenstandes kausal herbeizuführen. Dieses Meinen wird aber bereits herbeigeführt, wenn nur die innere Bestimmtheit des Bewußtseins, die UPHUES den "Ausdruck des Gegenstandes" genannt hat, im Bewußtsein vorhanden ist, und die Bildung eines solchen Ausdrucks kann bei Gelegenheit irgendwelcher inneren Verhältnisse der Bewußtseinsvorgänge zueinander ganz von selbst auftreten. Zum Beispiel, wenn wir abstrakte Begriffe bilden, so entstehen regelmäßig derartige Ausdrücke ohne jegliche Existenz der betreffenden, allgemeinen Gegenstände in oder außerhalb des Bewußtseins, rein nach den inneren Gesetzen des Bewußtseinsverlaufs; und das Gleiche ist der Fall, wenn durch "Assoziation" die Erinnerung an vergangene Gegenstände geweckt wird. Kurz, nennen wir den in den Vergegenwärtigungsvorgängen enthaltenen Ausdruck für einen Augenblick den Inhalt der Vergegenwärtigungsvorgänge, so ist nach meiner Auffassung dieser Inhalt der Grund des Meinens und zwar sogleich des Meinens des Gegenstandes, als dem "entsprechend" wir hinterher erkenntnistheoretisch den Ausdruck auffassen. Nach der Lehre von der natürlichen Abstraktion dagegen sollte umgekehrt das Meinen des Gegenstandes, und zwar eines leeren, unbestimmten Gegenstandes, allererst den veranlassenden Grund für die Ausscheidung eines Inhalts bilden. Schon oben wurde gelegentlich betont, daß die Ausdrücke der Gegenstände uns in keiner Weise zu Gesicht kommen, weder in der Wahrnehmung, noch in der Vorstellung, noch im Urteil; sie ermöglichen das Meinen, Anschauen, Erfassen der betreffenden Gegenstände, werden aber selbst nicht gemeint, angeschaut, erfaßt. Das, was in der "Psychologie des Erkennens" Sonnenbild, Dingbild genannt wird, sind bereits Gegenstände; es sind die gemeinte transzendente Sonne, das gemeinte transzendente Ding. Farben, Töne, alle Sinnesqualitäten sind transzendente Gegenstände, keine immanenten Bewußtseinsinhalte. Diese transzendenten Gegenstände existieren entweder, und dann reicht das Wahrnehmen, Vorstellen und Beurteilen derselben über sich hinaus in das Seiende hinein, wie es unwahrgenommener-, unvorgestellter-, unbeurteilterweise ist (25), oder sie existieren überhaupt nicht, sind Nichtse (26); transzendente Gegenstände aber sind es in jedem Fall, etwas dem sie meinenden Bewußtseinsvorgang Jenseitiges, in ihm nicht Enthaltenes. (27) Die Ausdrücke, die das Meinen dieser transzendenten Gegenstände, der Farben, Töne usw. herbeiführen, die sind immanent, aber gerade sie lernen wir in den Wahrnehmungen, Vorstellungen, Urteilen niemals kennen, ebensowenig in der gewöhnlichen Reflexion auf die genannten Bewußtseinsvorgänge, die uns nur das Meinen der Farben, Töne usw. als unser subjektives Erleben, nicht den verborgenen Hebel dieses Meinens, den Ausdruck, zu Gesicht bringt. Das Vorhandensein von Ausdrücken der gemeinten Gegenstände können wir immer nur erkenntnistheoretisch aufgrund der Vergleichung mehrerer Vergegenwärtigungsvorgänge postulieren; nur hypothetisch können wir behaupten, daß sie als besondere, eigenartige Bewußtseinsbeschaffenheiten bei Gelegenheit des Auftretens irgendwelcher nervöser Großhirnrindenprozesse sich bilden, die ihrerseits durch äußere, mechanische Prozesse veranlaßt worden sind. Mit dem Auftreten jener Bewußtseinsausdrücke ist, so besagt meine Hypothese dann weiter, das Meinen transzendenter Farben, Töne usw. unmittelbar mitgegeben. - Auch die Gedächtnisbilder, die wir von vergangenen Gegenständen haben, sind keine Vorstellungsinhalte, auf die wir den Namen der damit gemeinten Gegenstände übertragen, und die uns die Stelle jener Gegenstände im Denken vertreten (Psychologie des Erkennens, Seite 222), sondern sind echte Vorstellungsgegenstände. Es sind transzendente Vorstellungsgegenstände, die ich aus hier nicht auszuführenden Gründen für vergangen und nicht existierend halte (28). Die im Bewußtsein gegebenen Ausdrücke der Gegenstände führen, so finde ich, ganz von selbst, ohne Vermittlung einer natürlichen Abstraktion, das Meinen von Gegenständen herbei, und zwar der Ausdruck α das Meinen des Gegenstandes a, der Ausdruck β das Meinen des Gegenstandes b usw. Von den Gegenständen a, b, c darf man sagen, daß sie den Ausdrücken α,β γ "entsprechen". Das heißt nun aber nicht, daß sie mit den letzteren übereinstimmen; UPHUES hat ganz Recht, auf die Unähnlichkeit vieler Ausdrücke mit den bezüglichen Gegenständen hinzuweisen; besteht doch vielmehr zwischen den Ausdrücken, die das Meinen transzendenter Gegenstände, des Nichts, abstrakter Gegenstände, vergangener Gegenstände herbeiführen und diesen Gegenstände selbst die denkbar größte Verschiedenheit. Die Bewußtseinsausdrücke der Farben sind nicht farbig, der Töne nicht tönend, je nichts nötigt uns anzunehmen, daß der Bewußtseinsausdruck eines starken Tones, einer intensiveren Farbe intensiver ist, als der Bewußtseinsausdruck eines schwächeren Tones, einer weniger lichtkräftigen Farbe. Dem Verfasser dieses Aufsatzes ist es oft aufgefallen, daß zwar bei den Gefühlen z. B. ein stärkerer Schmerz uns als vom stärkeren Schmerzbewußtsein nicht verschieden erscheint. Dagegen verstößt es gegen den Sprachgebrauch, wenn man sagen wollte: das Hören eines Flintenschusses sei ein stärkeres Hören als das Hören des Knalls einer Kinderpistole. Wir sagen nur: der eine Knall ist lauter als der andere, aber das Gegenstandsbewußtsein vom ersten Knall finden wir keineswegs intensiver als das Gewahrwerden des zweiten Knalls. Suchen wir nach dem Grund der gegenteiligen Meinung, derzufolge dennoch das Hören eines stärkeren Tones ein stärkeres Hören, das Hören eines schwächeren Tones ein schwächeres Hören sein soll, so stoßen wir zuletzt auf die Verwechslung von Empfindung und Wahrnehmung als auf die Quelle des Irrtums. Man geht von der unzweifelhaften Tatsache aus, daß zur Wahrnehmung eines Tones Gehörsempfindungen gehören, und findet hierbei, was ebenso unzweifelhaft ist, daß einem stärkeren Ton eine stärkere, einem schwächeren Ton eine schwächere Gehörsempfindung entspricht. Aber eine Empfindung oder eine Summe von Empfindungen ist noch lange keine Wahrnehmung, kein Gegenstandsbewußtsein. Das Gegenstandsbewußtsein folgt erst unter gewissen, von den Funktionen der Aufmerksamkeit abhängigen Umständen, dem Vorhandensein von Empfindungen. Es bildet sich, unter dem mitwirkenden Einfluß der Empfindungen, im Bewußtsein der Ausdruck eines Gegenstandes, der das Meinen dieses Gegenstandes, in unserem Fall eines Tones, zur unmittelbaren Folge hat. So kommt es zur Wahrnehmung des Tones, die etwas ganz Anderes ist, als die bloße Gehörsempfindung. Die Gehörsempfindungen zeigen Qualitäts- und Intensitätsunterschiede; das Meinen in der Wahrnehmung zeigt derartige Unterschiede überhaupt nicht, und für den gleichfalls in der Wahrnehmung enthaltenen Ausdruck des Tones, den verborgenen Hebel jenes Meinens, der sich, wie wir wissen, der gewöhnlichen Kenntnisnahme gänzlich entzieht, reichen wir durchaus mit der Annahme aus, daß er nur Unterschiede der Qualität besitzt. (29) Was uns zu Bewußtsein kommt, das ist in der Perzeption einzig und allein der Ton. - In der Reflexion kommt uns unser Meinen des Tones zu Bewußtsein, und während wir diesen Akt der Reflexion auf das Meinen ausüben, werden wir gleichzeitig auch der fortbestehenden schwachen oder starken Empfindung inne, unter deren Einfluß das Gegenstandsbewußtsein vom Ton sich in uns gebildet hat. Kein Wunder, daß wir, indem wir den Intensitätsgrad der in der Reflexion mitbemerkten Gehörsempfindungen auf das Wahrnehmen, Hören, Meinen des Tones unwillkürlich übertragen, den Eindruck gewinnen können, unser auf einen starken Ton gerichtetes Hören sei selbst stark, unser auf einen schwachen Ton gerichtetes Hören sei selbst schwach. - Bei der gedächtnismäßigen Vergegenwärtigung von Tönen, Farben usw. ist es wieder anders. Dort tritt ein wiederauflebendes Gegenstandsbewußtsein, die reproduzierte Vorstellung eines Tones, einer Farbe in uns auf, dem die Begleitung von wiederauflebenden Empfindungen wohl schwerlich ganz fehlt. Aber die begleitenden, wiederauflebenden Empfindungen sind doch, wie wir annehmen dürfen, von einer in den normalen Fällen überall gleichmäßig schwachen Intensität. Die Vorstellung eines starken Tones erscheint uns deshalb in der Reflexion, sobald die Verwechslung der Intensität begleitender Empfindungen mit einer Intensität des Meinens begangen wird, nicht stärker als die eines schwachen Tons, die Vorstellung eines Kanonenschusses scheint die gleiche Intensität mit der des Tick-Tacks einer Uhr zu besitzen. Für diesen letzten Teil meiner Zeichnung einer reinen Ausdruckstheorie, wie sie oben nach ihren allgemeinen Umrissen versucht wurde, ist die Einsicht wichtig, daß die Empfindungen kein Gegenstandsbewußtsein sind. Dem stehen freilich vielfache Äußerungen der "Psychologie des Erkennens" gegenüber, die aber einer eingehenderen Besprechung nicht mehr bedürfen. Der rastlose, seine Ideen unermüdlich fortbildende Verfasser hat hier bereits selber die bessernde Hand angelegt. Nach dem genannten Buch soll in einigen Empfindungen (Seite 158) sich überhaupt kein Inhalt entdecken lassen, ebensowenig wie in den Gefühlen. Andere Empfindungen sollen durch eine ihnen innewohnende Tätigkeit der natürlichen Abstraktion und die ihr folgende Ausscheidung eines Inhalts zu Gegenstandsbewußtsein, zu Wahrnehmungen werden. Dabei gelingt in einigen zur Wahrnehmung werdenden Empfindungen die Unterscheidung des Inhalts von dem ihn bildenden Bewußtsein besser, in anderen weniger gut. Diese ganze Lehre von der Wahrnehmung werdenden Empfindung hat UPHUES mit Recht in einer neueren Veröffentlichung, einem Aufsatz "Über den Gegenstand des Erkennens" in den "Neuen Bahnen", Heft 10, 1896, fallen gelassen. Nach dem genannten Aufsatz dürfen die Empfindungen niemals, unter keinen Umständen, als Gegenstandsbewußtsein angesehen werden.
Mir obliegt nicht, über diese neue offenbar noch im Fluß befindliche Theorie von UPHUES eine vorgreifende Meinung zu äußern. Nur das ist hervorzuheben, daß mit der Abtrennung der Empfindungen vom Gegenstandsbewußtsein und ihrer Charakterisierung als bewußtem Etwas gewiß ein glücklicher Griff getan ist. Dem Gedanken, daß nur im Urteil ein Gegenstandsbewußtsein möglich ist, wird entgegengehalten werden dürfen, daß doch wohl schon das urteilslose Bemerken mehr als eine bloße Empfindung, nämlich Gegenstandsbewußtsein, ist. (32) ![]()
20) Seite 203/4: "Gegenstände der Gesichtswahrnehmung werden für Schein erklärt, wenn die mit ihnen verbundenen Dingvorstellungen sich nicht durch Tastwahrnehmungen verifizieren lassen" (die richtigere Erklärung siehe in meinem Aufsatz: "Die Zwiespältigkeit der naturwissenschaftlichen Erkenntnislehre", Zeitschrift für Philosophie und philosophische Kritik, Bd. 109, Seite 43). Seite 188: "Jedenfalls müssen wir den Schluß ziehen, daß sich das, was den Gegenstand der Gesichtswahrnehmung bildet, von der Dingvorstellung trennen läßt und nicht notwendig mit ihr verbunden ist." Seite 204: "Nur die Gegenstände der Tastwahrnehmung, die Dinge, haben an und für sich genommen ein eigenes, individualisiertes Sein." Andererseits freilich Seite 90 heißt es: "Unter Dingen verstehen wir in erster Linie die Einzelatome", die gewiß keinen Gegenstand der Tastwahrnehmung bilden. Was wir durch den Tastsinn kennen lernen, wird hier dementsprechend als Eigenschaft beschrieben: "Zwischen den mechanischen Eigenschaften Undurchdringlichkeit, Härte, Dichte, Schwere, zwischen ihnen und den mathematischen Eigenschaften, Größe und Gestalt, besteht eine engere Zusammengehörigkeit, offenbar, weil wir diese Eigenschaften zugleich miteinander durch denselben Sinn, den Tastsinn, kennen lernen." Und wieder Seite 57: "Unter Ding verstehen wir vor allem ein Undurchdringliches, das wir auf Grund der Tast- und Gelenkempfindungen kennen lernen." 21) Man vgl. zum Beispiel Seite 167: "Alle diese Empfindungen können als objektive auftreten oder ein Gegenstandsbewußtsein bilden." 22) Über die Objektivationstheorie und ihre Mängel vgl. auch meine "Umwälzung der Wahrnehmungs-Hypothese" an dem im Register unter "Objektivationstheorie" angeführten Stellen. 23) Nach der richtigen Bemerkung Thieles a. a. O., Seite 75: "Das Meinen kann nur in Verbindung mit einem Vorstellungsinhalt auftreten." (ebd. Seite 185, 102). 24) Psychologie des Erkennens, Seite 158: "In vielen Empfindungen wird auf dem Weg einer natürlichen Abstraktion ein Inhalt ausgeschieden, d. h. es wird in den Empfindungen selbst, nicht in einem neuen Bewußtseinsvorgang, einem Bestandteil der Empfindungen, der aufgrund einer späteren Vergleichung mit ihnen von den Empfindungen als Bewußtseinsvorgängen unterschieden wird, die ganze Aufmerksamkeit zugewendet." 25) Vgl. Psychologie des Erkennens, Seite 17, 174f und den Vortrag von Uphues "Über die Existenz der Außenwelt", Seite 12 in der "Neuen Pädagogischen Zeitung", 1894. Ferner mein "Wahrnehmungsproblem vom Standpunkt des Physikers, des Physiologen und des Philosophen", 1892, Seite 88f und meine "Umwälzung der Wahrnehmungs-Hypothese", Bd. 2, Seite 68, auch den Aufsatz über die "Zwiespältigkeit der naturwissenschaftlichen Erkenntnislehre", Seite 48. 26) Vgl. meine "Umwälzung etc." a. a. O., Bd. 2, Seite 78f. 27) Brentano in seiner "Psychologie vom empirischen Standpunkt", 1872 macht Seite 159 darauf aufmerksam, "daß der Ton nicht bloß im Hören, sondern auch in der gleichzeitigen Vorstellung es Hörens als vorgestellt enthalten sein muß. Und auch in der Vorstellung von der Vorstellung des Hörens wird er nochmals, also zum dritten Mal, das Hören aber zum zweiten Mal vorgestellt werden?" Diese Schwierigkeit entsteht, sobald man annimmt, daß der gehörte Ton in einem Gegenstandsbewußtsein vom Ton analytisch enthalten ist (vgl. Psychologie des Erkennens, Seite 162), als ein intentionales Objekt (ein Fiktum; vgl. meine "Umwälzung etc." Bd. 1, Seite 42,73, 156; Bd. 2, Seite 42) oder als ein objektivierter Bewußtseinsbestandteil (ein Idol; vgl. Umwälzung I, Seite 34f, 47f, 154, 158, 165) in metaphysischer Existenz daran gefesselt. Durch die Ausdruckstheorie wird die Schwierigkeit gelöst. Wenn sich die Reflexion oder innere Wahrnehmung auf die äußere Wahrnehmung, die Perzeption eines Tones richtet, so ist nach der Ausdruckstheorie, und nur nach dieser, im Gegenstand der Reflexion, dem in der äußeren Wahrnehmung ausgeübten Meinen des Tones der gehörte Ton nicht mitenthalten; eben darum bringen wir uns während des Vorgangs der Reflexion den Ton nur einmal zu Bewußtsein, nämlich durch das der Perzeption angehörige Meinen, während uns das Meinen selbst durch den Reflexionsvorgang zu Bewußtsein kommt. Wir erfassen uns als meinende in der Reflexion und den Ton als gemeinten in der Perzeption. 28) Über die Entstehung des Glaubens an ihre Nichtexistenz siehe meinen schön öfters zitierten Aufsatz "Über die Zwiespältigkeit der naturwissenschaftlichen Erkenntnislehre", a. a. O., Seite 43 nebst Anmerkung. 29) vgl. meine "Umwälzung etc.", Bd. 2, Seite 158. 30) Dies ist die Bezeichnungsweise von Emil Koch in "Das Bewußtsein der Transzendenz", 1895, Seite 26 und öfter. 31) In der "Psychologie des Erkennens" hieß es im Gegensatz dazu Seite 169: "Es gibt ein namentliches Wissen (um Transzendentes) . . . Die Wahrnehmung ist natürlich ein nicht namentliches Wissen; sie ist ja die Voraussetzung des assoziativen Wissens und mit diesem die Voraussetzung des urteilenden Wissens. Charakteristisch für die Wahrnehmung als nicht namentliches Wissen (um einen Gegenstand) ist, daß sie das der Sache nach und einschließlich enthält, was im assoziativen und urteilenden Wissen, dessen Voraussetzung sie bildet, ausdrücklich und förmlich, d. h. in besonderen Wort- und Sachvorstellungen vorhanden ist. Und was von der Wahrnehmung gilt, die das Wissen um etwas Transzendentes ist, sofern es einfach durch ursprüngliche Empfindungen vermittelt wird, das gilt auch von allen Vorstellungen, die mit den Wahrnehmungen auf dieselben Gegenstände gerichtet sind, nur daß hier das Wissen umd das Transzendente nicht in ursprünglichen, sondern in wiederauflebenden Empfindungen vor sich geht." (vgl. Seite 172) 32) vgl. auch Thiele, a. a. O., Seite 185: "Obiges Sichbeziehen ist nun des weiteren entweder ein urteilsloses Meinen, oder ein Urteilen. Das erstere liegt vor, wenn z. B. ein vorgestelltes Rot zum Zweck des Urteilens als "Dies" fixiert wird. Und so ein urteilsloses Fixieren muß es geben, wenn es überhaupt ein Urteil geben soll, da letzterem ohne ersteres jedes Subjekt fehlen würde." |