tb-1WindelbandCohenErdmannDrieschRiehlWundtH. MaierTrendelenburg     
 
MORITZ WILHELM DROBISCH
Neude Darstellung der Logik
[nach ihren einfachen Verhältnissen mit
Rücksicht auf Mathematik und Naturwissenschaft]

[ 3 / 3 ]

"Ein und derselbe Körper oder Körperteil kann rund, schwer, gelb, süß, wohlriechend, kühl usw. sein, aber nicht rund und eckig, schwer und leicht, süß und bitter usw. Auf die Frage aber, wodurch sich rund, schwer, gelb, süß usw. unterscheiden, läßt sich keine Antwort geben. Ihre Verschiedenheit ist eine unmittelbar gegebene Tatsache, bei der man stehen bleiben muß."

Erster Teil
Von den elementaren Formen des Denkens

Erster Abschnitt
V o n  d e n   F o r m e n   d e r   B e g r i f f e

§ 12.

Wenn nach § 8 jedes Vorgestellte, Gedachte ein Begriff heißt, Formen aber den Begriffen nur zukommen, sofern sie ein Mannigfaltiges, also unterscheidbare Teile enthalten, so müssen auch diese Teile selbst wieder als Begriffe anerkannt werden. Hierbei kann aber zwischen dem Ganzen und seinen Teilen ein doppeltes Verhältnis stattfinden. Es sind nämlich entweder die Teile durch das Ganze gegeben, oder das Ganze ist gegeben durch die Teile; es setzen also entweder die Teile das Ganze voraus oder das Ganze hat zu seiner Voraussetzung die Teile. Hierin offenbart sich eine doppelte Weise der  Setzung  des Gedachten. Im ersten Fall nämlich wird im Denken das Ganze als ein  Selbständiges,  jeder Teil aber als ein von der Setzung des Ganzen  Abhängiges  gesetzt, im zweiten Fall umgekehrt jeder Teil als ein Selbständiges und das Ganze als das von der Setzung der Teile Abhängige. Auch die Verbindung der Teile im Ganzen ist eine zweifache. Im ersten Fall sind die Teile  ursprünglich  im Ganzen  vereinigt  und werden erst durch das Denken  gesondert gesetzt;  im zweiten Fall können sie auch gesondert gedacht werden, durch das Denken aber werden sie, ohne Aufhebung ihrer Selbständigkeit,  verbunden, zusammengesetzt. 


§ 13.

Was wir als ein Selbständiges denken, nennen wir ein  Objekt,  seinen Begriff daher einen  Objektbegriff  oder einen  Begriff  (notio) im  engeren  Sinne; das, was in ihm gedacht wird, seine  Beschaffenheit  (qualitas), die unterscheidbaren, ansich unselbständigen Teile derselben  Merkmale  (notae). Begriffe dagegen, in denen das, was gedacht wird, die Art und Weise der Zusammensetzung (die Form der Verbindung) anderer selbständiger Begriffe ist, heißen  Beziehungsbegriffe  (relationes), die selbständigen Teile derselben die  Glieder  oder  Elemente  der Beziehung.
    Es ist hier nicht von  Erkenntnis realer  Objekte, ihrer Beschaffenheiten und Beziehungen die Rede, sondern nur vom  Denken  von Objekten überhaupt. Wenn wir etwas als seiend (existierend), als ein Ding, Wesen, als einen wirklichen Gegenstand  anerkennen,  so denken wir es allerdings als ein Selbständiges, als ein auch unabhängig von unserem Denken und Wahrnehmen Vorhandenes; aber diese Anerkennung hat hier ein zwingendes Motiv, das bei den sinnlichen Dingen in der Tatsache der Empfindung liegt. Das bloße Denken eines Seienden ist aber noch nicht diese Anerkennung, sondern eben nur Setzung, ohne Nötigung dazu. Objekte im logischen Sinne sind daher nicht bloß die Gegenstände der Erfahrung, wie Menschen und Tiere, Pflanzen und Steine, Himmel und Erde, oder die der sogenannten reinen Anschauung, wie geometrische Figuren, Zahlen, Zeitlängen, oder solche, an deren Dasein wir glauben, wie Gott, Engel, Seelen der Abgeschiedenen, oder solche, auf welche die philosophische Spekulation geführt hat, wie Urstoffe, Atome, Monaden; sondern auch die bloßen Geschöpfe unserer Phantasie, Götter, Halbgötter, Fabelwesen jeder Art, wie abenteuerlich und ungereimt sie auch der wirklichen Erfahrung gegenüber erscheinen mögen. Nicht genug! Das Denken wandelt auch häufig Beschaffenheitsbestimmungen und Beziehungen, wenn es dieselben an und für sich betrachten will, in Objektsbegriffe um. Die Sprache verrät dies, wenn sie aus Adjektiven, z. B. hart, klug, gut, die Substantiva Härte, Güte, Klugheit, oder aus nah und fern, langsam und schnell, Nähe und Ferne, Langsamkeit und Schnelligkeit bildet. Mit einem Wort: die Objekte der Logik sind ansich nichts mehr als  Gedankendinge,  denen zwar  reale  Objekte entsprechen  können,  aber  nicht müssen.  die Fabelwesen der Mythologie lassen sich so gut wie Naturkörper definieren, klassifizieren, vergleichen, sie haben ebensogut wie diese eigentümliche Merkmale und abgeleitete Eigenschaften usw. Der Mathematiker kann durch Schlüsse die Gestalt der Bahnen bestimmen, welche die Planeten beschreiben müßten, wenn die Sonne sie im umgekehrten kubischen Verhältnis der Entfernungen anzöge, obgleich es eine solche Anziehung nicht gibt, ja er kann sogar (wie LOBATSCHEWSKI in Crelles Journal XVII, Seite 295) die Konsequenzen der Voraussetzung eines ebenen Dreiecks, in dem die Winkelsumme weniger als zwei Rechte beträgt, untersuchen, obgleich ein solches Dreieck nur imaginär ist. Demnach versteht es sich von selbst, daß wo im Folgenden von Objekten die Rede ist, immer nur  vorgestellte  gemeint sein, gleichviel ob dem Vorgestellten eine reelle oder bloß imaginäre Bedeutung zukommt.

§ 14.

Wenn zwischen einer Mehrheit von Objekten konstante Beziehungen stattfinden, so entsteht der Begriff eines aus selbständigen Teilen zusammengesetzten Ganzen, das wir bald als ein  zusammengesetztes  Objekt (compositum), bald als ein  System  von Objekten bezeichnen. Die Teile eines solchen Ganzen heißen seine  Bestandteile  (partes integrantes). Man kann die Begriffe der Bestandteile als  Teilbegriffe  von den  Begriffsteilen,  welche Merkmale heißen, unterscheiden. Im übrigen leuchtet ein, daß die Beschaffenheitsbestimmung eines zusammengesetzten Objekts nicht bei der Angabe seiner Bestandteile stehen bleiben kann, sondern weiter auf die Merkmale derselben zurückgehen muß und daß also diese als die letzten Elemente aller Beschaffenheitsbestimmungen anzusehen sind.
    Wir unterscheiden z. B. am Ganzen, das wir einen Baum nennen, Wurzel, Stamm, Äste, Zweige, Blätter, usw. als Teile desselben, am menschlichen Körper Haupt, Rumpf, Glieder, am Zentauren den männlichen Oberkörper und Brust, Leib und Füße eines Pferdes; wir sprechen von einem Sonnen- oder Planetensystem, einem System des Jupiter und Saturn mit ihren Trabanten, zerlegen den tierischen Organismus in ein Knochen-, Muskel-, Gefäß-, Nerven-System usw. Die Ehe ist ein Beziehungsbegriff, aber das Ehepaar ein zusammengesetzter Objektsbegriff, dessen Bestandteile Mann und Weib sind. Ähnliches kann von den Begriffen der Familie, der Gemeinde, der moralischen Person und dgl. gesagt werden. - Bestandteile eines Objekts sind freilich zugleich  Kennzeichen  desselben und insofern im  weiteren  Sinn Merkmale, aber wenn, wie im Vorhergehenden, die letzteren als ansich unselbständige Beschaffenheitsbestimmungen definiert werden, von ihnen doch zu unterscheiden. Merkmale im engeren und eigentlichen Sinn sind z. B. an einer Apfelsine die Beschaffenheitsbestimmungen rund, schwer, gelb, glatt, kühl, weich, wohlriechend; Bestandteile derselben Schale, Fleisch, Kerne; Merkmale von Schale und Kernen der bittere, vom Fleisch der süße Geschmack usw. - Der Unterschied zwischen Merkmal und Bestandteilen ist nicht darein zu setzen, daß jene Teile des Begriffs, diese dagegen Teile der  Sache,  des Objekts selbst seien. Auch diese Sache und ihre Bestandteile sind nur ein Vorgestelltes, wir gehen auch dabei über die Begriffe nicht hinaus und auch diese Unterscheidung gilt gleichmäßig für reale wie für bloß imaginäre Objekte.

§ 15.

Die Zerlegung des Begriffs eines zusammengesetzten Objekts in die Begriffe seiner Bestandteile, also in Teilbegriffe, heißt  Partition,  diejenige eines Objektbegriffs überhaupt in seine Merkmale  Analysis.  Die aus der näheren Erörterung der Verhältnisse der Merkmale zueinander und zu ihren Objekten sich ergebenden  Begriffsformen  können daher  analytische  heißen, wogegen alle diejenigen, welche aus der Zusammensetzung, also aus der  Synthesis  von Begriffen entspringen, die nicht bloß den zusammengesetzten Objektbegriffe (§ 14), sondern allgemeiner allen Beziehungsbegriffe (§ 13) zugrunde liegt,  synthetische  Begriffsformen genannt werden mögen.


I.  A n a l y t i s c h e   B e g r i f f s f o r m e n

§ 16.

Viele und mannigfaltige Objekte sind uns teils durch die Erfahrung teils durch die dichtende Phantasie gegeben. Zum Bewußtsein zu bringen,  wodurch  sich ihre Begriffe  unterscheiden,  ist die erste Aufgabe des Denkens, welche dieses dadurch löst, daß es die Verschiedenheit der Objektbegriffe auf die ihrer Merkmale zurückführt. Zu diesem Zweck  vergleicht  es die Objekte, indem es untersucht, ob in der Vorstellung des einen Merkmale vorhanden sind, die auch in der des andern vorkommen, und die, da sie, bei einerlei Beschaffenheit des in ihnen Vorgestellten, ein und derselbe, nur wiederholt vorgestellte Begriff sind (§ 8)  identische  oder  gemeinsame  Merkmale (notae communes) heißen. Finden sich solche identische Merkmale in zwei oder mehreren Objekten, so werden diese durch sie  vergleichbar;  finden sich keine, so heißen die Objekte  unvergleichbar  oder  disparat.  Vergleichbare Objekte sind aber  verschieden,  vermöge ihrer  nicht-identischen  Merkmale, welche darum  unterscheidende  und jedem der Objekte  eigentümliche  (notae propriae) heißen. Weil durch sie die verglichenen Objekte hinsichtlich ihrer Beschaffenheit getrennt werden, heißen die Objekte nun auch  disjunkte. 
    Kaum wird es der Beispiele bedürfen. Fichten, Tannen, Lärchen haben eine Menge gemeinsamer Merkmale neben anderen ihnen eigentümlichen; auch zwischen ihnen und den Eichen, Buchen, Birken usw., ja selbst den Palmen fehlt es an gemeinsamen Merkmalen nicht und so sind dies alles vergleichbare, aber disjunkte Objekte. Unvergleichbar dagegen sind sie alle mit dem Verstand oder dem Willen, der Zahl 4 oder dem Bruch 1/4, wogegen wieder Verstand und Wille, 4 und 1/4 sich vergleichen lassen.

§ 17.

Die einem Objekt eigentümlichen Merkmale und die, welche es mit einem oder mehreren anderen gemein hat, sind in seinem Begriff  vereinigt.  Beiderlei Arten von Merkmalen sind daher miteinander  vereinbar.  Dagegen schließt jedes eigentümlich Merkmal eines Objekts von dessen Begriff ein entsprechendes eigentümliches Merkmal jedes vergleichbaren Objekts aus. Solche sich entsprechende eigentümliche oder unterscheidende Merkmale sind daher in einem und demselben Begriff  unvereinbar.  Da nun aber die Unterscheidung der gemeinsamen und eigentümlichen Merkmale eines und desselben Objekts nur durch die Vergleichung desselben mit einem anderen entsteht, so hat sie, wenn diese Vergleichung wegfällt, also für den Begriff des Objekts an und für sich, keine Bedeutung mehr. Gleichwohl aber müssen die Merkmale eines Objekts auch ohne Vergleichung mit einem anderen unterscheidbar sein. Aber diese Verschiedenheit läßt sich nicht weiter vermitteln, sie ist eine  unmittelbare  und  absolute,  die keine weitere Vergleichung zuläßt. Die in einem und demselben Objektbegriff vereinigten Merkmale heißen daher auch, wie unvergleichbare Objekte,  disparate  Merkmale. In ähnlicher Weise werden auch unvereinbare Merkmale, wie die Objektbegriffe, die sie trennen,  disjunkte  genannt.
    Ein und derselbe Körper oder Körperteil kann rund, schwer, gelb, süß, wohlriechend, kühl usw. sein, aber nicht rund und eckig, schwer und leicht, süß und bitter usw. Auf die Frage aber, wodurch sich rund, schwer, gelb, süß usw. unterscheiden, läßt sich keine Antwort geben. Ihre Verschiedenheit ist eine unmittelbar gegebene Tatsache, bei der man stehen bleiben muß. Von solcher disparater Verschiedenheit sind nicht nur die Merkmale, die aus der äußeren und der inneren Wahrnehmung stammen, sondern auch die, welche durch die Empfindungen verschiedener Sinne gegeben sind; ja sie finden sich selbst noch innerhalb eines und desselben Sinnes, wie z. B. Gestalt und Farbe, Laut und Ton disparat sind, da keine bestimmte Gestalt eine bestimmte Farbe von sich ausschließt, ein und derselbe Laut höchst verschiedene Tonhöhen haben kann. - Disparate Merkmale müssen im allgemeinen für  vereinbar  gelten; ob sie aber in irgendeinem Objektbegriff wirklich  vereinigt  vorkommen, läßt sich durch bloßes Denken (a priori) nicht bestimmen. Disjunkte Merkmale dagegen sind immer und schlechthin  unvereinbar,  in einem und demselben Objektbegriff  unverträglich.  Die Beschaffenheit, welche das eine setzt, schließt die, welche das andere Merkmal setzen würde, aus. Mehr läßt sich hierüber an dieser Stelle noch nicht sagen. Wollte aber etwa ein Anfänger im Denken einwenden, daß ja doch das Stiefmütterchen violett, gelb und weiß, ein Vergehen gegen das Gesetz aus Liebe oder Freundschaft verwerflich und löblich zugleich sei, so wäre ihm bemerklich zu machen, daß in beiden Fällen ein zusammengesetztes Objekt vorliegt und die unverträglichen Beschaffenheitsbestimmungen verschiedene Teile oder Beziehungen desselben betreffen.

§ 18.

Vergleichbare Objekte werden zwar mittels ihrer eigentümlichen Merkmale unterschieden und damit gesondert, zugleich aber durch ihre gemeinsamen miteinander  verbunden.  Sie lassen sich daher in eine  begriffliche Einheit  zusammenfassen, welche ihr  Gattungsbegriff  oder schlechthin ihre  Gattung  (genus) heißt. Diese ist nämlich derjenige neue Begriff, den das Denken aus den Begriffen der verglichenen Objekte bildet, indem es in jedem derselben die ihm eigentümlichen Merkmale von den allen gemeinsamen ablöst und somit den Begriff eines Objekts übrig behält, das keine anderen Merkmale als die jenen Objekten gemeinsamen hat und dessen Begriff also im Begriff jedes derselben enthalten ist. Sofern sich nunmehr die Begriffe der verglichenen Objekte sich darstellen als die Verbindungen ihrer gemeinsamen Gattung mit den jedem derselben eigentümlichen Merkmalen, heißen sie  Arten  (species) ihrer Gattung und diese sie voneinander unterscheidenden Merkmale  Artunterschiede  (differentiae specificae). Objekte, welche sich als Arten einer und derselben Gattung auffassen lassen, also vergleichbar sein müssen, heißen daher auch  spezifisch verschiedene  oder auch  gleichartige  (homogeneae), solche dagegen, welche in Ermangelung gemeinsamer Merkmale auch keine gemeinsame Gattung haben,  generisch  verschiedene (toto genere diversae) oder auch  ungleichartige  (heterogeneae); Benennungen, welche offenbar mit der Unterscheidung disjunkter und disparater Objekte gleichbedeutend sind.
    1. TRENDELENBURG (Logische Untersuchungen, 2. Auflage. II, Seite 228) behauptet, daß im Gattungsbegriff zwar alle  bestimmten  Artunterschiede aufgehoben seien, die Stelle derselben aber doch noch mitgedacht und nur  unbestimmt  gelassen werde, ob sie mit diesem oder jenem Artunterschied besetzt werden solle. Dies scheint uns aber eine Verwechslung des Gattungsbegriffs mit der  schematischen  oder  Gesamtvorstellung,  die jenen im gemeinen Denken, dem scharf begrenzte Begriffe abgehen, allerdings häufig vertritt. Die schematische Vorstellung nämlich, welche eine Reihe gleichartiger vorgestellter Objekte in Eins zusammenzufassen strebt, will weder ihre spezifischen Unterschiede gänzlich fallen lassen, noch kann sie alle zugleich aufnehmen, weil sie sich einander ausschließen. Es löschen sich daher in ihr die Artunterschiede gegenseitig aus, doch so, daß ihre leere Stelle noch übrig und unbestimmt bleibt, mit welchem von den möglichen Artunterschieden sie besetzt werden soll. Sie hängt auf diese Weise mit den Vorstellungen, die sie zusammenfaßt, immer noch zusammen, befindet sich in Abhängigkeit von ihnen. Der Gattungsbegriff dagegen ist auch ohne Beziehung auf seine Arten, nachdem er einmal gebildet wurde, ein selbständiger Begriff, zu dem Artunterschiede wohl hinzukommen können, aber nicht müssen. Das Parallelogramm (TRENDELENBURGs Beispiel) als eine von zwei Paaren paralleler Geraden eingeschlossene ebene Figur,  kann  zwar rechtwinklich oder schiefwinklig, gleichseitig oder nicht gleichseitig sein, aber in seinem  Begriff  liegt weder die Länge der Seite noch die Größe der von ihnen eingeschlossenen Winkel, noch überhaupt die Vorstellung der Winkel; das alles enthält nur die schematische Vorstellung, die ohne die Möglichkeit eines vollständigen Gelingens das Unvereinbare in einem anschaulichen Bild zu vereinigen versucht. - Dagegen ist allerdings zuzugeben, daß diese natürlichen Gesamtvorstellungen, die vor dem Denken in unserem Geist durch einen psychischen Mechanismus erzeugt werden und selbst den Tieren nicht ganz fehlen, das Denken bei der Bildung der Gattungsbegriffe leiten. Es ist nämlich an sich zwar völlig willkürlich, welche Objekte wir miteinander vergleichen wollen; man kann einen Himbeerstrauch mit einem Brombeerstrauch, aber auch mit einem Federmesser oder einer Schildkröte vergleichen. Vergleiche wie die beiden letzteren gelten jedoch für gesucht, so wie die erste für natürlich gilt. Gesuchte Vergleiche sind durchaus nicht verboten. Sie dienen zur Übung des Witzes und Scharfsinns, können aber auch für wissenschaftliche Zwecke nötig werden. Denn wenn z. B. im LINNEschen System Pflanzen von sehr unähnlichem Habitus, wegen der gleichen Organisation ihrer Geschlechtsteile in eine und dieselbe Klasse gestellt werden, so hat das freilich diesem System den Vorwurf der Unnatürlichkeit zugezogen, ihm aber doch nicht die Anerkennung entziehen können, daß es zur Übersicht der Mannigfaltigkeit des Pflanzenreiches äußerst zweckmäßig sei. Indessen werden, wo die Wissenschaft nicht ausdrücklich einen Grund findet, Einspruch zu erheben, die Gattungsbegriffe die Gesamtvorstellungen im allgemeinen und in der Regel zu ihren natürlichen Vorläufern haben, zumal hier die Sprache sie schon durch gemeinsame Benennungen von Reihen gleichartiger Objekte, z. B. Baum, Strauch, Stein, Hund, Pferd usw. bezeichnet hat.

    2. Was die generische Verschiedenheit betrifft, so pflegt man sie bald in engerem und eigentlichem, bald in einem weniger strengen weiteren Sinn zu nehmen. Streng genommen sind Begriffe nur dann generisch verschieden, wenn sie nicht ein einziges Merkmal gemein haben, also auch eine gemeinsame Gattung nicht möglich ist, z. B. Verstand und Tisch, Meer und Tugend. Im weiteren Sinn aber nennt man wohl auch schon Begriffe generisch verschieden, die zwar unter einen gemeinsamen Gattungsbegriff gebracht werden können, zunächst aber doch Arten verschiedener Gattungen sind, z. B. Mineralien und Pflanzen, die beide zwar Naturkörper sind, zunächst aber doch bezüglich den Gattungen der anorganischen und organischen Körper unterstellt werden. Dieser scheinbare Doppelsinn des Gattungsbegriffs wird sich im Folgenden (§20) aufklären.

§ 19.

Die Denkoperation, welche von den verglichenen Objekten die ihnen eigentümlichen Merkmale absondert und dadurch ihren Gattungsbegriff bildet, heißt  Abstraktion  und diejenige, welche diese Merkmale zum Gattungsbegriff wieder hinzufügt und dadurch die Objekte als Arten ihrer gemeinsamen Gattung darstellt,  Determination.  Abstraktion und Determination sind  entgegengesetzte  Denkoperationen; denn die letztere stellt wieder her, was die erstere im Gattungsbegriff aufgehoben hatte und diese hebt auf, was in der Art durch jene gesetzt ist. Gattungsbegriffe heißen daher mit Bezug auf ihre Entstehungsweise auch  abstrakte  Begriffe und weil sie allen ihren Arten gemeinsam sind,  allgemeine  (notiones communes generales). Umgekehrt heißen Artbegriff, sofern in ihnen der Artunterschied mit der Gattung verwachsen ist,  konkrete,  und insofern sie bei gemeinsamer Gattung doch durch ihre Artunterschiede gesondert werden,  besondere  Begriffe (notiones particulares speciales). Das logische Verhältnis der Arten zu ihrer gemeinsamen Gattung nennt man  Unterordnung  (subordinatio), das der Arten einer und derselben Gattung (der Nebenarten) zueinander  Beiordnung  (coordinatio).
    Es ist sehr nötig zu zeigen, daß wenn der vorstehende Paragraph besagt, daß alle abstrakten Begriffe allgemeine sind, darin nicht die Behauptung liegt, daß alles Allgemeine abstrakt sein müsse. Der Begriff des Allgemeinen ist weiter als der des Abstrakten. Zunächst kann man (von HEGEL wenigstens die Benennung entlehnend) zwischen  abstrakter  und  konkreter Allgemeinheit  unterscheiden. Jene kommt der Gattung zu, sofern sie, an und für sich gedacht, alle Artunterschiede fallen läßt, diese der Art, sofern sie als solche das Allgemeine der Gattung, obwohl durch den Artunterschied beschränkt, in sich enthält. Der Begriff des konkret Allgemeinen reicht aber noch weiter. Wenn man nämlich mit der Gattung weder einen  bestimmten  Artunterschied verknüpft, noch diesen völlig  unbestimmt  läßt, sondern ihn als einen  veränderlichen  denkt, der sukzessiv die Beschaffenheiten haben kann, welche die Artunterschiede sämtlicher Arten der Gattung darstellen, so kann man das den  Gesamtbegriff  der ganzen Reihe der Arten nennen; und diesem Begriffe kommt konkrete Allgemeinheit zu. Denn es wird hier das Besondere  aller  Arten durch das Allgemeine der Gattung und eine Reihe bestimmter, aber wechselnder Artunterschiede gedacht. Jede mathematische Formel, die eine bestimmte Reihe von Zahlwerten unter sich befaßt, besitzt diese konkrete Allgemeinheit. Wenn z. B. die Algebra die Aufgabe: zwei ganze Zahlen zu finden, deren Summe gleich 25 und von denen die eine durch 2, die andere durch 3 teilbar sei, dadurch löst, daß sie die zweite durch die Form  6z + 3  ausdrückt, wo  z  nur die Werte 0, 1, 2, 3 haben kann und woraus von selbst für die erste die Form  22 - 6z  folgt, so sind dies Formen von konkreter Allgemeinheit. Denn sie sind allgemein, weil sie das allen gesuchten Zahlen gemeinsame Bildungsgesetz darstellen, sie sind zugleich konkret, weil, wenn man  z  sukzessiv die bezeichneten vier Werte gibt, aus diesen Formen die gesuchten Zahlen selbst als Arten derselben folgen. Dasselbe gilt überhaupt von jeder mathematischen Funktion einer oder mehrerer Variablen. Denn jede Funktion stellt ein allgemeines Gesetz dar, das vermöge der sukzessiven Werte, welche die Variable annehmen kann, zugleich alle einzelnen Fälle, für die es gilt, unter sich begreift. Alle mathematisch bestimmte Naturgesetze sind solche Funktionen. - Ferner ist zu bemerken, daß nicht bloß die empirisch gegebenen Objekte, sondern auch die durch die Merkmale bezeichneten Beschaffenheiten derselben ihre Gattungen und Arten haben, was dadurch begreiflich wird, daß das Denken jedes Quale objektiv (substantive) setzen kann. In der Tat bezeichnet z. B.  rot  nur eine Gattung, deren Arten zinnoberrot, karminrot, purpurrot, rosenrot usw. sind; ebenso ist sauer die Gattung von zitronensauer, apfelsauer, weinsauer, essigsauer usw. Die durch die Empfindungen gegebenen Beschaffenheiten nämlich stets einfach und unteilbar,  individuell  bestimmt. Eben deshalb lassen sich nun zwar an ihnen nicht eigentümliche Merkmale von den gemeinsamen absondern; denn ihre Unterschiede sind unmerklich klein und die Empfindungen einer und derselben Gattung gehen stetig ineinander über. Aber ohne Zutun des Denkens bildet die zusammenfassende Tätigkeit der Seele aus den gleichartigen Empfindungsbildern Gesamtvorstellungen, die hier die Stelle von logisch ausgebildeten Gattungsbegriffen vertreten müssen. Nicht nur diese Gesamtvorstellungen aber, sondern auch die einfachen individuellen Empfindungsbilder, die sie zusammenfassen, müssen wir hinsichtlich des in ihnen Vorgestellten Begriffe nennen und so gibt es, wenigstens in der Sphäre der Merkmale, nicht nur Begriffe von abstrakter und konkreter, sondern auch von indidividueller Beschaffenheit; denn konkret wird man z. B. zinnoberrot nennen müssen, wenn man es als eine bestimmte Art des Roten denkt, individuell aber, wenn man einzig und allein bei der durch die Empfindung unmittelbar gegebenen Beschaffenheit desselben stehen bleibt. - Nichtsdestoweniger aber können solche individuelle Beschaffenheitsbestimmungen ohne Widerspruch zugleich als  allgemeine  Begriffe bezeichnet werden. Denn an und für sich gedacht haften sie nicht mehr an den Objekten, an welchen sie ursprünglich wahrgenommen wurden, sondern werden selbständige Begriffe und zu Gattungsbegriffen verwendbar für  alle die  Objekte, denen sie als Merkmale  gemein  sind. An der Centifolie [Rosensorte - wp] z. B. ist beim Vergleich derselben mit der weißen und gelben Rose der Begriff  rosenrot  unterscheidendes Merkmal, er wird aber bei einem Vergleich derselben Centifolie mit einem rosenroten Kleid, einer rosenroten Porzellantasse und dgl. zum gemeinsamen Merkmal und damit zum eigentümlichen Merkmale einer rosenroten Körperoberfläche, des Gattungsbegriffs. (vgl. den folgenden Paragraphen).

§ 20.

Da die Gattung eines Objekts durch die Merkmale gegeben ist, die es mit einem oder mehreren anderen Objekten gemein hat, so wird es, wenn man es mit einer anderen Reihe von Objekten vergleicht, auch eine andere Gattung haben und diese, wenn beiden Reihen kein Merkmal gemein ist, sich zu ersten  disparat  verhalten. Offenbar kann im allgemeinen ein Objekt unter ebensovielen disparaten Gattungen stehen, als es selbst disparate Merkmale hat; denn jedes kann ihm mit einer anderen Reihe gemein sein. Mit welcher Reihe es aber auch verglichen wird, so kann ihm wieder innerhalb derselben mit  einigen  ihrer Glieder eine größere Anzahl von Merkmalen gemein sein als mit den anderen. Aus diesen bildet sich dann eine Gattung, die außer dem gegebenen Objekt nur einen Teil der Glieder der Reihe als Arten unter sich befaßt, von der Gattung  aller  aber selbst nur eine Art ist. Demnach kann es für ein und dasselbe Objekt nicht nur eine Mehrheit von disparaten, sondern auch von einer untergeordneten Gattungen  niederer  und  höherer Ordnung  geben. Diejenige unter denselben, welche die größte Anzahl von Merkmalen des Objekts enthält, heißt seine  nächsthöhere  Gattung (genus proximum). Es folgt hieraus von selbst, daß es auch  Arten  niederer und höherer Ordnung gibt, denn jede Gattung ist eine Art  ihrer  nächsthöheren Gattung.
    Der Mensch, mit dem Tier und der Pflanze verglichen, steht unter dem Gattungsbegriff des organischen Körpers, aber verglichen mit einem Engel oder Gott unter dem des Geistes. Beide Gattungen verhalten sich disparat zueinander. Aber Mensch und Tier sind, was die Pflanzen nicht sind,  beseelte  Organismen und dieser Begriff hier die nächsthöhere Gattung des Menschen. Ebenso stehen Mensch und Engel unter der nächsthöheren Gattung des  endlichen  Geistes, unter der Gott nicht steht.

§ 21.

Jede Reihe vergleichbarer Objekte hat nur  einen  höchsten Gattungsbegriff, den nämlich, von welchem  alle  diese Objekte Arten sind. Unter ihm aber stehen auf verschiedenen  Stufen der Unterordnung  niedrigere Gattungsbegriffe, welche nur Teile der Objektreihe unter sich befassen und von denen die, welche derselben Stufe angehören, einander als Arten ihrer nächsthöheren Gattung beigeordnet sind. Zur bequemeren Bezeichnung dieser Stufenfolge bedient man sich häufig von den höheren zu den niederen herabsteigend, der Benennungen  Klasse, Ordnung, Familie, Geschlecht, Gattung, Art, Unterart.  Man gelangt von den höheren Gattungen zu den niederen durch Determination, von diesen zu jenen durch Abstraktion. Diese letztere findet ihr Ende beim höchsten Gattungsbegriff aller verglichenen Objekte, die Determination umgekehrt bei diesen Objekten, von welchen die Abstraktion ausging. Der höchste  denkbare  Gattungsbegriff überhaupt ist zwar der des unbestimmten  Etwas,  dem man alle erdenklichen Objekte, wie sie auch beschaffen sein mögen, unterordnen kann. Aber dieses Etwas ist ein inhaltsleerer Objektbegriff, der, wenn er als Gattungsbegriff gelten sollte, die Unterscheidung zwischen generisch und spezifisch Verschiedenem aufheben würde, da es dann nur noch spezifisch Verschiedenes gäbe. Andererseits ist die niedrigste denkbare Art das  Individuum,  das Einzelobjekt, das weiter keine Arten unter sich hat. Allein die Beschaffenheit wenigstens von  empirisch  gegebenen Einzelobjekten läßt sich im allgemeinen nicht durch Determination erschöpfen. Ihre Charakterisierung endet meistens mit einem Hinweis auf ihre räumliche und zeitliche Stelle zwischen anderen Objekten und springt daher von der Beschaffenheitsbestimmung auf äußere Beziehungen über.
    Vergleicht man das Quadrat mit dem Rhombus, Rectangel, Rhomboid, dem symmetrischen und asymmetrischen Trapez und dem Trapezoid, so findet man als das allen diesen Objekten Gemeinsame die ebene von vier geraden Linien begrenzte Fläche, das ebene Viereck. Dies ist ihr höchster Gattungsbegriff. Vergleicht man aber die vier ersten der genannten Figuren für sich, so findet man überdies, daß diese zwei Paare paralleler Seiten haben, jedoch in den beiden Trapezformen nur ein solches Paar vorkommt, im Trapezoid aber keines. Hieraus ergibt sich als die  nächsthöhere  Gattung der vier ersten Vierecksformen das Parallelogramm, als die der beiden folgenden das Trapez überhaupt; ebenso weiter als die des Quadrats und Rhombus das gleichseitige Parallelogramm, als die des Rectangels und Rhomboids das ungleichseitige. Man kann also z. B. sagen, daß das Quadrat zum Geschlecht der Vierecke, zur Gattung der Parallelogramme, zur Art der gleichseitigen Parallelogramme gehört und von diesen eine Unterart ist. Zu einem höheren Gattungsbegriff als dem des Vierecks aufzusteigen, ist hier keine Veranlassung gegeben. Fügt man aber den Formen der Vierecke noch die der Dreiecke, Fünfecke, Sechsecke usw. hinzu, so führt die Vergleichung aller auf den höchsten Gattungsbegriff des Vielecks und das Quadrat stellt sich auch als zur Familie der Vierecke gehörig dar. - Andererseits hat das Quadrat hinsichtlich der Länge seiner Seiten noch unzählig viele Arten unter sich. Setzt man eine bestimmte Länge, z. B. 13 pariser Zoll, so erhält man nun ein Quadrat, das keine weiteren Unterarten hat und insofern ein individueller Objektsbegriff ist. Es kann von demselben zwar unendlich viele Exemplare geben, aber dem Begriff nach sind sie identisch. Sollte aber eins derselben, z. B. dieses, das ich hier von meinem Schreibtisch aus als eine Fensterscheibe sehe, begrifflich bestimmt werden, so würden seine Lagebeziehungen zu den anderen Teilen des Fensters und zu dem Ort, den mein Auge jetzt einnimmt, hinzukommen müssen. Die Bestimmung trifft also dann nicht mehr die Beschaffenheit des Quadrats, sondern seine äußeren Beziehungen.

§ 22.

Durch die sukzessive Bildung der Gattungen aus den Arten, der Geschlechter aus den Gattungen, der Familien aus den Geschlechtern usw. erhalten nun auch die Merkmale eines und desselben Begriffs eine  bestimmte Ordnung.  in jedem Begriff nämlich kommt denjenigen Merkmalen, die ihm mit allen verglichenen Nebenarten gemein sind, also denjenigen Merkmalen, durch welche die  höchste  Gattung der gegebenen Begriffsreihe charakterisiert wird, die  erste Stelle  zu. Ihnen folgen die Merkmale, welche die  eigentümlichen  der  nächst  niedrigeren Gattung sind, dann die eigentümlichen Merkmale der nächst folgenden niedrigeren Gattung usw., so daß die eigentümlichen Merkmale des  Begriffs selbst  die  letzte  Stelle einnehmen. Ist aber eine und dieselbe Art von ihrer nächsten Nebenart durch mehr als ein Merkmal unterschieden, so bleibt die Ordnung zwischen  diesen  Merkmalen willkürlich.
    Dementsprechend kommt also z. B. im Begriff des Quadrats den Merkmalen des Vierecks: ausgedehnt, eben, begrenzt, geradlinig, vier (gerade Linien), die erste Stelle (und zwar in der angegebenen Ordnung) zu, die zweit dem Parallelismus der gegenüberliegenden Seitenpaare, die dritte der Gleichheit der Seiten, die vierte der Gleichheit aller Winkel. Ebenso wenn Bewegung stetige Ortsveränderung ist, so ist veränderlich das erste, stetig das zweite, örtlich das dritte Merkmal. Im Begriff des Vogels nehmen die erste Stelle die Merkmale der Tierheit überhaupt ein, dann folgt die Warmblütigkeit, das Eierlegen, daß sie Zweifüssler und Zweiflügler sind, einen hornigen Schnabel und befiederten Körper haben.

§ 23.

Auf dieselbe Weise erhalten auch alle unter einer und der nämlichen Gattung stehende  Arten  eine  bestimmte Ordnung.  Arten nämlich einer und derselben  nächst höheren Gattung dürfen nicht getrennt werden. Haben nun in einer Reihe koordinierter Begriffe immer je zwei benachbarte Glieder einen ihnen  ausschließlich  zukommenden nächsthöheren Gattungsbegriff, so ist die Reihe eine  vollkommen geordnete.  Ist dies nicht durchgängig der Fall, so bleibt die Anordnung der Glieder teilweise  unbestimmt  und daher  willkürlich,  und die Reihe läßt nur eine  unvollkommene Anordnung  zu.
    So stellen z. B. die Lebensalter: Kindheit, Jugend, Mannes- und Greisenalter, nicht bloß zeitlich, sondern auch logisch betrachtet, eine geordnete Reihe dar, da je zwei nächste Lebensalter Merkmale miteinander gemein haben, die den übrigen nicht zukommen. Ebenso ist die natürliche Zahlenreihe eine logisch geordnete Reihe; denn jede Zahl hat die Menge der Einheiten, die sie bezeichnet, mit der nächstfolgenden Zahl gemein, die sich von ihr durch die Einheit, welche sie mehr hat, unterscheidet. Daher dient die Zahlenreihe überall, wo es sich nur um quantitative Unterscheidungen handelt, als Regulativ der Anordnung, z. B. beim spezifischen Gewicht der Körper oder einer Klasse derselben, wie der Metalle, oder bei der Klassifikation der Dreiecke nach der Größe der Winkel, wo auf das spitzwinklige das rechtwinklige und auf dieses das stumpfwinklige folgt. Andererseits lassen sich aber auch die Dreiecke nach den Seitenverhältnissen ordnen, so daß dem gleichseitigen das gleichschenklige, diesem das ungleichseitige nachfolgt. Verbindet man die Rücksicht auf die Verhältnisse der Seiten mit der auf die Größe der Winkel, so ergeben sich folgende sieben Arten der Dreiecksformen:

      1) gleichseitige;
      2) gleichschenklige und spitzwinklige;
      3) gleichschenklige und rechtwinklige;
      4) gleichschenklige und stumpfwinklige;
      5) ungleichseitige und spitzwinklige;
      6) ungleichseitige und rechtwinklige;
      7) ungleichseitige und stumpfwinklige.

    Diese Anordnung ist aber als Ganzes keine vollkommene, auch läßt sich eine solche nicht angeben, denn immer wird wenigstens an zwei Stellen die Gleichmäßigkeit des Fortschritts unterbrochen sein.

§ 24.

Eine Reihe koordinierter Begriffe heißt  vollständig,  wenn sie  alle  Begriffe enthält, die unter dem Gattungsbegriff als Arten auf derselben Stufe der Unterordnung stehen. Die äußersten Glieder einer vollständigen und vollkommen geordneten Reihe koordinierter Begriffe heißen  entgegengesetzt  (opposita), ihr logisches Verhältnis der  konträre Gegensatz  (oppositio contraria). Dieser bezeichnet also die größtmögliche disjunkte Verschiedenheit. Wenn man eine solche Reihe vom Anfang bis zum Ende durchläuft und die Beschaffenheit der Glieder mit der des Anfangsgliedes vergleicht, so bemerkt man eine stete  Zunahme der Verschiedenheit,  die im konträren Gegensatz ihr  Maximum  erreicht. Insofern das Endglied einer solchen Reihe zugleich das Anfangsglied einer anderen vollständigen und geordneten Reihe zugleich das Anfangsglied einer anderen vollständige und geordneten Reihe sein kann, die gleichwohl, unter einem anderen Gattungsbegriff stehend, sich nicht als die Verlängerung der ersten betrachten läßt, kann ein und derselbe Begriff  zu mehr als einem anderen  im konträren Gegensatz stehen.
    Ein passendes Beispiel zur Erläuterung des Paragraphs geben die drei reinen Hauptfarben Gelb, Rot, Blau mit den zwischen ihnen liegenden Mischfarben Orange, Violett und Grün. Sie bilden drei zusammenhängende Reihen, von denen jede geordnet und vollständig ist. Die erste fängt mit dem Gelb an und geht durch unzählig viele Abstufungen des Rötlichgelben und Gelblichroten zum Rot über; die zweite hebt mit dem Rot an und geht durch Bläulichrot und Rötlichblau zum reinen Blau; die dritte vom Blau durch Bläulichgrün und Gelblichgrün zum Gelb. Die erste Reihe kann man als die des Orange, die zweite als die des Violetten, die dritte als die des Grünen bezeichnen. In Bezug auf die erste sind Gelb und Rot, für die zweite Rot und Blau, für die dritte Blau und Gelb als konträre entgegengesetzt anzusehen, so daß von den drei Hauptfarben jede mit den beiden anderen, jedoch immer in Beziehung auf eine andere Reihe im konträren Gegensatz steht.

    Allgemeine Kennzeichen der Vollständigkeit einer Reihe kann die Logik nicht angeben. Was sie in dieser Hinsicht zu tun vermag, wird bei der Lehre von den Einteilungen vorkommen. Mehr oder weniger bleibt aber hierbei immer dem freien Nachsinnen darüber, ob unter dem Gattungsbegriff einer Reihe noch andere Glieder als die, von welchen er zunächst abstrahiert ist, enthalten seien, überlassen.

    Nach TRENDELENBURGs Erinnerung ist im vorstehenden Paragraß der  aristotelische  Begriff des konträren Gegensatzes wieder hergestellt, indessen verstehen die Neueren darunter meistens jede disjunkte Verschiedenheit. Vom  kontradiktorischen  Gegensatz wird erst bei den unmittelbaren Folgerungen, wo er seine natürliche Stelle findet, die Rede sein. Eine Vermittlung zwischen der aristotelischen und neueren Ansicht liegt darin, daß man die disjunkte Verschiedenheit als einen  unvollkommenen  konträren Gegensatz betrachten kann, der in besonderen Fällen selbst einer quantitativen Gradbestimmung fähig ist (vgl. des Verfassers erst Grundlehren der mathematischen Psychologie, § 20f).

    Zu einer Reihe mit konträren Gegensätzen sind wenigstens  drei  Glieder erforderlich, die dann  Anfang, Mitte  und  Ende  darstellen; denn der Begriff einer Reihe verlangt, daß mindestens  ein  Glied  zwischen  zwei anderen liege. So liegt das Laue zwischen dem Kalten und Warmen, das Gleichgültige zwischen dem Gefallenden und Mißfallenden und dgl. mehr. Die Mitte ist hier immer etwas, was weder das eine noch das andere der entgegengesetzten Glieder der Reihe ist. Hierdurch ist sie von diesen ausgeschlossen, zugleich aber auch, da dies die Grenzen der Reihe sind, von ihnen eingeschlossen.

§ 25.

Die Gesamtheit der in bestimmter Ordnung durch Determination miteinander verbundenen Merkmale eines Objektbegriffs heißt sein  Inhalt  (complexus); die geordnete Gesamtheit aller einander beigeordneten Arten desselben sein  Umfang  (ambitus). Da die Merkmale eines Begriffs sich in die der nächsthöheren Gattung und der Artunterschiede gruppieren lassen, so kann der Inhalt auch als die durch den Artunterschied determinierte Gattung des Begriffs erklärt werden. - Der Inhalt ist also die Gesamtheit dessen, was  im  Begriff, der Umfang die Gesamtheit dessen, was  unter  ihm, d. i.  worin er selbst  als Gattung enthalten ist.
    Der Inhalt  analysiert  den Begriff und macht das Denken desselben abhängig vom Denken anderer Begriffe. Der Umfang  spezifiert  ihn und gibt die Begriffe an, deren Inhalt von seinem Inhalt abhängt. Der Umfang ist also das Gebiet, das ein Begriff (als Gattung)  beherrscht. 

    Die Gesamtheit der den Umfang eines Begriffs bildenden Arten desselben ist offenbar nur ein  Aggregat,  ihre Verbindung eine  äußere.  Sie liegen  neben einander, oder vielmehr, weil sie den ganzen Umfang ausfüllen,  an einander. Man kann insofern wohl auch den Umfang eines Begriffs als die  Summe  seiner Arten bezeichnen. Nicht das Gleiche gilt von der Form der Verbindung der Merkmale im Inhalt eines Begriffs, welche vielmehr eine  innere  Verbindung zu nennen ist. Die Gattung wird durch den Artunterschied  bestimmt,  von ihm  durchdrungen.  Die Art ist die  in der Qualität  des Artunterschieds gesetzte Gattung; man kann sie daher, im Vergleich mit der Verbindungsweise der Glieder des Umfangs, ganz wohl als das  Produkt  aus beiden bezeichnen. Denn im Produkt zweier Zahlen, z. B. 4 und 3 wird die eine in der Quantität der anderen gesetzt, im Produkt durchdringen sich beide Faktoren; jeder von beiden wiederholt sich für jede Einheit des andern, wie das in Bezug auf das Beispiel das Schema

    .   .   .   .   
    .   .   .   .   
    .   .   .   .   

    veranschaulicht. Von der Multiplikation entgegengesetzter Zahlgrößen, wie  +a · - b  oder  -a · -b  kann man sagen, daß hier schon, wie in der logischen Determination, der Multiplikand in der Qualität des Multiplikators gesetzt werde (obwohl diese Qualitätsverschiedenheiten hier auf Relationen beruhen, was aber, wie sich später zeigen wird, zuletzt auch von den Qualitäten der Merkmale gilt). Nach dieser schon in der ersten Auflage dieses Lehrbuchs (§ 17) vorgetragenen und in der zweiten (§ 23, Anmerk.) festgehaltenen Ansicht, deren erster Urheber aber, wie TRENDENLENBURG (Logische Untersuchungen I, 2. Auflage, Seite 22) bemerkt hat, LEIBNIZ ist, erscheint nun der Gattungsbegriff als der gemeinschaftliche Faktor aller seiner Arten, deren Artunterschiede als Koeffizienten zu jenem Faktor hinzukommen. Vielleicht dürfte diese Vergleichung der Determination mit der Multiplikation jetzt, wo sie auf die Autorität eines großen Namens zurückgeführt ist, Anspruch haben, für etwas mehr zu gelten als für einen "müssigen und unpassenden Einfall", wie sie vor zwanzig Jahren genannt wurde (LOTZEs Logik, Seite 58).

§ 26.

Offenbar hat jeder Begriff weniger Merkmale als seine Gattung und mehr als seine Art. Nennt man nun die Anzahl der Merkmale eines Begriffs die  Größe seines Inhaltes,  so nimmt diese zu oder ab, je nachdem man von einem höheren Begriff zu einem niedrigeren herab-, oder von einem niedrigeren zu einem höheren aufsteigt. - Andererseits erhellt sich aber auch ebenso leicht, daß jeder Begriff weniger Arten unter sich hat als seine Gattung und mehr als jede seiner Arten. Denn alles, was ihm untergeordnet ist, steht auch unter seiner Gattung, die aber eben so auch alles das unter sich enthält, was unter seinen Nebenarten steht. Ebenso alles, was unter einer seiner Arten steht, ist auch ihm untergeordnet, zugleich aber auch alles, was unter seinen übrigen Arten enthalten ist. Heißt daher die Anzahl der unter einem Begriff auf gleicher Stufe der Unterordnung enthaltenen Arten die  Größe seines Umfangs,  so nimmt diese ab oder zu, je nachdem man von einem höheren Begriff zu einerm niedrigeren herab, oder von einem niedrigeren zu einem höheren aufsteigt. Faßt man dieses Ergebnis mit dem vorigen über die Größe des Inhalts zusammen, so erhält man folgenden Satz:  In jeder Reihe einander untergeordneter Begriffe kommt demjenigen von je zwei miteinander verglichenen Begriffen, welcher einen größeren Inhalt als der andere hat, ein kleinerer Umfang und umgekehrt demjenigen, welcher einen größeren Umfang als der andere hat, ein kleinerer Inhalt zu. 
    1. Die Ableitung dieses Satzes zeigt deutlich, daß er durchaus nur von Begriffen gilt, die in derselben Reihe einander untergeordneter Begriffe liegen; für zwei Begriffe, die verschiedenen solchen Reihen angehören, läßt sich aus dem größeren oder kleineren Inhalt des einen nicht auf den kleineren oder größeren Umfang des anderen und ebensowenig von diesem auf jenen schließen. Der hie und da vorkommende Ausdruck: "Inhalt und Umfang eines Begriffs stehen im umgekehrten Verhältnis" ist wenigstens mathematisch ungenau. (Über den wahren mathematischen Ausdruck siehe Anhang I) Der Sinn des Verhältnisses ist, daß mit der Aufhebung jeder Beschränkung des Inhalts eines Begriffs sich das Gebiet seiner Herrschaft erweitert und umgekehrt mit jeder hinzukommenden Beschränkung verengt. Im Umfang des Begriffs Parallelogramm z. B. liegen als die Arten desselben das Quadrat, der Rhombus, das Rectangel und das Rhomboid. Im Begriff des Vierecks aber, er an Inhalt ärmer ist, da das Merkmal des Parallelismus der gegenüberliegenden Seiten fehlt, liegen außerdem das symmetrische und asymmetrische Trapez und das Trapezoid, sein Umfang ist also weiter als der des Parallelogramms.

    2. Die Benennungen Inhalt und Umfang sind nicht ganz glücklich gewählte Metaphern, die leicht mißverstanden werden. Denn wollte man dabei etwa an den Inhalt und Umfang eines Kreises denken, so würde diese Vergleichung, da beide zugleich ab- und zunehmen, dem obigen Satz durchaus nicht entsprechen. Es lassen sich indessen Kreise allerdings zur Versinnlichung sowohl des Umfangs als des Inhalts der Begriffe verwenden. Von jedem Begriff nämlich kann man sagen, daß er im Umfang jedes seiner Merkmale, wenn diese als Objektbegriffe gedacht werden, liegt. So liegt z. B. der Begriff der Bewegung, als stetige Ortsveränderung, zugleich in den Umfängen der Begriffe der Veränderung, des Stetigen und des Örtlichen. Stellt man nun die Umfänge aller Merkmale durch Kreise dar, von denen der erste durch den zweiten, beide durch den dritten geschnitten werden, usw., so stellt der Flächenraum, der allen Kreisen gemeinsam ist, den Begriff selbst dar, diejenigen Flächenräume jedoch, die nur einige dieser Kreise gemein haben und übrig bleiben, wenn man die andern Kreise entfernt, den Gattungen des Begriffs entsprechen. Die Kreisbogen aber, die diese Flächenräume begrenzen, stellen die Merkmale des Begriffs selbst und seiner Gattungen dar und somit den Inhalt derselben. In der Figur bedeute der Kreis  ABCD  den Umfang des Begriffs der Veränderung,
deacbf
     AEBF  des Stetigen, und  DECF  den des Örtlichen, so repräsentiert das Bilineum  AEBC,  das der erste Kreis mit dem zweiten gemein hat, an sich, nach Entfernung des dritten, die stetige Veränderung, ebenso das Bilineum  CBDE,  an und für sich genommen, die örtliche Veränderung, das Bilineum  EBFC  das örtliche Stetige, endlich, wenn alle drei Kreise zugleich in Betracht kommen, das ihnen gemeinsame Trilineum  BCE  die Bewegung. Es hat, entsprechend den drei Merkmalen, drei begrenzende Kreisbogen - die Bilinien jedoch, welche die drei nächsten Gattungsbegriffe der Bewegung darstellen, haben deren nur zwei, die obersten Gattungen aber an den Peripheren der Kreise jede nur  eine  Grenze. - Es ist dies eine Analogie zu den  geometrischen Örtern,  auf welche die alte Topik von selbst führt. Das erste Merkmal eines Begriffs weist ihm einen logischen Ort, gleichsam einen Raum an, innerhalb dessen er liegt, das zweite einen zweiten. Dadurch entsteht eine Beschränkung, Begrenzung des ersten durch den zweiten, die durch den dritten eine noch engere Begrenzung erhält usw. So bekommt der Name der Determination eine anschaulich Bedeutung und durchdringen sich die Umfänge der Merkmale im Begriff. In dieser geometrischen Auffassungsweise erscheint demnach die Inhaltsbestimmung eines Begriffs als abhängig von den  Umfängen  seiner Merkmale, die arithmetische jedoch, welche die Anmerkung zu § 25 enthält, geht vom Inhalt der Merkmale, ihrem Quale aus; und dies scheint, abgesehen von didaktischen Rücksichten, das Sachverständnis reiner darzustellen.

I I.
  S y n t h e t i s c h e
  B e g r i f f s f o r m e n


§ 27.

Alle Synthesis von Begriffen ist entweder eine bloß  äußerliche Zusammenfassung  (comprehensio) derselben, oder eine solche, die sich nach dem,  was  in den Begriffen gedacht und nach der Art und Weise,  wie  dasselbe im Denken gesetzt wird, richtet und daher einen  inneren Zusammenhang  (connexus) der Begriffe darlegt. Die erstere ist zwar noch kein eigentliches Denken (vgl. § 4 und § 12); sie liefert aber doch das Material, aus dem das Denken seine Auswahl trifft und kann schon deshalb hier nicht ganz unberücksichtigt bleiben.
    Wenn man den Verstand als das Vermögen zu denken erklärt, der Einbildungskraft aber die Fähigkeit beilegt, Vorstellungen beliebig miteinander zu verknüpfen, so kann die äußerliche Synthesis des Verstandes bezeichnet werden und man kann dann sagen, daß die Einbildungskraft bei ihren Verknüpfungen blindlings verfahre und erst das Auge des Verstandes hinzukommen müsse, um die bedeutungslosen Kombinationen jener von den bedeutenden zu sondern. Gewonnen wird durch diese Ausdrucksweise jedoch für die Sache selbst nichts, denn die Unterscheidung der äußerlichen Verknüpfung von der denkenden bekommt durch diese Bezugnahme auf die angeblichen psychischen Subjekte dieser Verknüpfungsweisen durchaus nicht mehr Licht. Wohl aber wird dadurch das Vorurteil begünstigt, als ob unsere Seele wirklich solche gesonderte Vermögen wie Einbildungskraft und Verstand besäße, wovon doch seit der kritischen Reform der Psychologie durch HERBART nicht mehr die Rede sein kann.

§ 28.

Die nur äußerliche Synthesis besteht einzig und allein in der  Kombination  unterscheidbarer  Elemente.  Worauf diese Unterscheidbarkeit beruth, welche Bedeutung das Quale der Elemente für das Denken und Erkennen hat, bleibt hierbei völlig gleichgültig. Ebensowenig werden in der Kombination besondere Formen der Zusammenfassung unterschieden. Die Produkte der Kombination heißen  Komplexionen Die  Zahl  der in ihnen verbundenen Elemente wird für das unterscheidende Denken zum Antrieb, sie in die  Klassen  der Binionen, Ternionen, Quaternionen usw. zu verteilen. Sind aber die Elemente in einer bestimmten  Reihenfolge  oder Anordnung gegeben, so läßt sich weiter auch an jeder Komplexion jeder gegebenen Klasse die Ordnung der in ihr verbundenen Elemente unterscheiden und durch  Versetzung  (Permutation) derselben abändern.
    Die Kombination abstrahiert also ganz von der besonderen Bedeutung, welche die Verbindung haben kann. Die Ziffern 2. 3. 4 z. B. geben zu zweien kombiniert 23, 24, 34, wozu mit Rücksicht auf die Ordnung der Ziffern noch 32, 42, 43 kommen. Diese Kombinationen können die  Zahlen  dreiundzwanzig, vierundzwanzig usw. bedeuten, sie enthalten aber auch die Summen 2 + 3 = 5, 2 + 4 = 6 usw. oder die Produkte 2 · 3 = 6, 2 · 4 = 8 usw., oder die Potenzen potenz und dgl. mehr als besondere Fälle unter sich. Die Komplexion  amor  der Buchstaben  a, m, o, r  und ihre Versetzungen  maro, mora, roma, omar, arom, ramo  usw.  können  Worte bedeuten, aber auch Anordnungen von vier Farben, Tönen, Orten und dgl. mehr.

    Mit der regelmäßigen Bildung der Komplexionen jeder gegebenen Klasse aus einer gegebenen Reihe von Elementen (dem  Zeiger,  index) und ihrer Umbildung durch Permutation beschäftigt sich die  Kombinationslehre  oder  Syntaktik. 

§ 29.

Beschränkt sich die Zusammenfassung nur auf  gleichartige,  also unter einem und demselben Gattungsbegriff stehende Objekte, so kann sie  Kolligation  genannt werden. Begriffe, welche eine solche Verbindung gleichartiger Objekte zu ihrem Inhalt haben, heißen  Kollektivbegriffe.  Das in ihnen verbundene unbestimmt Viele wird zugleich in seiner Mannigfaltigkeit aufgefaßt und heißt insofern ein  Aggregat.  Sind die verbundenen Objekte völlig  einerlei,  oder, was auf dasselbe hinausläuft, abstrahiert man von ihrer Verschiedenheit und betrachtet sie nur, insofern sie Gleiches enthalten, so ergibt sich der allgemeine Begriff der  Menge  (multitudo), als der unbestimmten Vielheit. Faßt man diese Vielheit als ein Ganzes auf, so entsteht der Begriff der absoluten ganzen  benannten Zahl.  Abstrahiert man eindlich auch von der Bezeichungen der Gattung, der die Objekte angehören, so werden diese zu abstrakten  Einheiten  und ihre Verbindung zu einem Ganzen gibt die  abstrakte  oder  unbenannte Zahl.  Die Menge der Einheiten kann eine größere oder kleinere sein. Hieraus ergibt sich eine Vielheit von Zahlen, aus denen, wenn sie vollkommen geordnet werden, die  natürliche Zahlenreihe  entsteht.
    Der Kollektivbegriff bezeichnet eine bestimmte Vielheit, aber von bestimmter Benennung, d. i. Gattung; z. B. ein Haufen eine unbestimmte Vielheit von Sand- oder Getreidekörnern, Holzscheiten oder auch Sternen, eine Herde eine unbestimmte Vielheit von Schafen, Rindern usw., ein Schwarm eine solche von Vögeln oder Insekten, ein Wald von Bäumen. Die besondere  Form  der Zusammenfassung läßt der Kollektivbegriff unberücksichtigt; daher ist ein Sternbild mit seiner bestimmten Konfiguration der einzelnen Sterne, eine Allee oder ein nach dem Quincunx [Anordnung von fünf Punkten wie am Würfel - wp] geregelter Baumgarten kein Kollektivbegriff. Übrigens gibt es auch kollektive Beschaffenheitsbegriffe, z. B. scheckig, bunt, mannigfaltig, schaarenweis usw., was natürlich ist, da das Denken Beschaffenheiten auch als Gedankendinge betrachten kann (§ 13, Anm.).

§ 30.

Diejenige Synthesis, welche einen  inneren  Zusammenhang der verbundenen Begriffe (§ 27) zur Darstellung bringt, gibt synthetische Begriffsformen, welche im engeren und eigentlichen Sinn  Beziehungen  (relationes) heißen. Ohne hier schon zu untersuchen, wodurch eine solche Synthesis bedingt ist, muß zunächst auf die Tatsache aufmerksam gemacht werden, daß es  einfache  und  zusammengesetzte  Beziehungen gibt, von denen jene nur zwischen zwei Begriffen, diese zwischen mehreren stattfinden. Jede zusammengesetzte Beziehung zerfällt offenbar in eine Mehrheit einfacher, ist ein  System  der in ihr enthaltenen einfachen Beziehungen, jedoch kein bloßes Aggregat derselben, da vielmehr die einzelnen Beziehungen selbst wieder zueinander in Beziehung stehen können.
    Schon oben (§ 14) ist angedeutet worden, daß die Begriffe aller zusammengesetzten Objekte Beziehungen enthalten. So ist z. B. das ebene Dreieck ein System von Lagebeziehungen zwischen drei Punkten, das in drei einfache Beziehungen zwischen je zweien derselben, die Seiten des Dreiecks, zerfällt. Je zwei Seiten haben aber wieder eine Lagebeziehung, welche der von ihnen eingeschlossene Winkel darstellt. Ebenso ist die Familie ein System von Beziehungen zwischen ihren Gliedern, des Gatten zur Gattin, des Vaters und der Mutter zu den Söhnen und Töchtern, dieser untereinander als Brüder und Schwestern. Gattenliebe, Elternliebe, Kindesliebe, Geschwisterliebe sind hier einfache Beziehungen, die im Begriff der Familie selbst wieder zueinander in Beziehungen treten. Ebenso ist jeder Organismus ein System zweckmäßiger Beziehungen aller seiner Teile sowohl zueinander als zum Ganzen.

§ 31.

Jede Beziehung zwischen zwei Begriffen  A  und  B  kann entweder nur ein  Verhältnis ihrer Beschaffenheiten,  oder auch ein  Verhältnis zwischen ihrer Setzung  ausdrücken. Bleiben wir für jetzt beim ersteren stehen, so kommt dabei zunächst in Frage, wie sich  A  hinsichtlich seiner totalen oder partialen Beschaffenheit, d. h. hinsichtlich aller oder einiger oder eines einzelnen seiner Merkmale zur Beschaffenheit von  B  verhält. Hieraus entspringt eine neue Art von Beschaffenheitsbestimmungen der Begriffe,  die  ihrer  verhältnismäßigen  oder  relativen Beschaffenheit  und damit eine zweite Art von Merkmalen, welche  äußere Merkmale  oder  Eigenschaften  (attributa) der Begriffe heißen, wogegen von nun an diejenigen Merkmale, die seinen  Inhalt  bilden,  innere  oder  konstitutive  heißen sollen. Offenbar setzen die äußeren Merkmale die inneren voraus. Daher kann man auch diese  ursprüngliche,  jene  abgeleitete  nennen. Ohne die inneren Merkmale kann der Begriff nicht gedacht werden, wohl aber ohne die äußeren. Jene sind ihm daher notwendig, diese nur  zufällig. 
    1. Zu den verhältnismäßigen Beschaffenheitsbestimmungen gehören vor allen Dingen alle  quantitativen,  die aber immer eine Qualität zur Voraussetzung, zur Grundlage haben. So z. B. groß und klein, viel und wenig, kurz und lang, schmal und breit, dick und dünn, stark und schwach, schnell und langsam, schwer und leicht, jung und alt, hell und dunkel, warm und kalt, hart und weich, fest und locker, glatt und rauh usw. Beispiele von Eigenschaften, die auf  qualitativen  Verhältnissen beruhen, sind: durchsichtig, verbrennlich, schmelzbar, wärmeleitend, chemisch verwandt usw. mit ihren Gegenteilen, oder: menschenfreundlich, wohltätig, neidisch, herrschsüchtig und dgl. mehr - Alle Eigenschaften, die sich, wie die beispielsweise angeführten, ohne weiteres aus den Verhältnissen der Beschaffenheiten von Objektsbegriffen ergeben, können näher als  unmittelbare  bezeichnet werden. Neben ihnen gibt es noch andere, die erst durch vermittelnde Begriffe, daher sich durch Schlüsse ableiten lassen, daher  mittelbare  oder  abgeleitete  Eigenschaften genannt werden mögen. Sie sind nicht bloße Beschaffenheitsverhältnisse, sondern beruhen zugleich auf Verhältnissen der Setzung. Von dieser Art sind die Eigenschaften, welche die Mathematik an den Zahlen, Figuren, Funktionen nachweist.

    2. Wenn weiteres Nachdenken zum Resultat führt, daß zuletzt  alle gegebenen  Merkmale der Objekte nur relativ sind, daß sie nur das darstellen, was die Dinge teils für uns, teils in ihrem Verhalten zueinander sind, so scheint die Unterscheidung zwischen inneren und äußeren Merkmalen ganz aufgegeben und der Begriff des Merkmals überhaupt ganz auf den der Beziehung zurückgeführt werden zu müssen. Allein Beziehungen setzen doch Objekte voraus, die, bevor sie aufeinander bezogen werden, gedacht und unterschieden sein wollen, was nur durch Merkmale geschehen kann. Die Bestimmung der Objektbegriffe durch Merkmale bleibt jedenfalls der Anfang allen Denkens und denkenden Erkennens. Zeigt dann die nähere Untersuchung, daß die  gegebenen  Merkmale nicht die Beschaffenheiten derselben ansich, sondern nur im Verhältnis zu anderen ausdrücken, so werden damit die Beschaffenheitsbestimmungen der Objekte nicht aufgegeben, sondern nur andere an ihre Stelle gesetzt. Wenn uns z. B. die Physik und Physiologie belehrt, daß die Farben nicht als Qualitäten an den Oberflächen der Körper haften, sondern dadurch entstehen, daß die im weißen Licht verschmolzenen farbigen Strahlen von den Körpern teils absorbiert, teils reflektiert werden und daß, um die reflektierten als Farben zu  empfinden,  es des Sehorgans, Sehnervs und Gehirns bedarf, so verlieren für das denkende Erkennen die Oberflächen der Körper freilich die Beschaffenheitsbestimmung des Farbigen, die sich in eine Affektion des Gehirns, oder vielmehr, wie der Psychologe hinzusetzt, der Seele, d. h. ein Verhalten derselben gegen einen äußeren Reiz umwandelt. Aber es treten an ihre Stelle die hypothetisch gedachten Beschaffenheiten der Struktur der Körper, die sie zur Absorption einiger und zur Reflexion anderer Strahlen geeignet machen. Und wenn diese Struktur wieder auf Lagebeziehungen der kleinsten Teile der Körper beruth, in welchen sich diese durch anziehende und abstoßende Kräfte erhalten, so müssen jene Teile, um als Kräfte in sehr verschiedener Weise aufeinander wirken zu können, bestimmte Beschaffenheiten haben. Ebenso muß andererseits die Seele, um den Reizen des Sehnervs entsprechend die Empfindung der Farben, denen des Hörnervs gemäß die der Töne zu erzeugen, eine bestimmte Qualität haben, um sich gegen die qualitativ verschiedenen Reize verschiede verhalten zu können. Mit der fortschreitenden Erkenntnis der Objekte ändern sich allerdings unsere Begriffe von ihnen und mit ihnen ihre konstitutiven Merkmale, in Wegfall aber kommen sie niemals, denn jede relative Beschaffenheit setzt in letzter Instanz eine absolute voraus, gleichviel ob diese uns gegeben ist oder nur gedacht werden kann.

§ 32.

Zur vollständigen Auffassung der Beziehung zwischen den Beschaffenheiten zweier Begriffe  A, B  muß zur Bestimmung dessen, was  A  im Verhältnis zu  B,  noch hinzukommen die Bestimmung dessen, was  B  im Verhältnis zu  A  ist, so daß also jeder von beiden Begriffen zum  Subjekt  eines Verhältnisses gemacht wird. Jede Beziehung zwischen zwei Beschaffenheiten besteht daher aus  zwei Verhältnissen,  von denen jedes das  umgekehrte  (ratio inversa) des andern ist, welches nun in dieser Stellung das  direkte  (ratio directa) heißt. Hieraus entspringen  reziproke Eigenschaften,  die in Wechselbeziehung zueinander stehen, daher  Wechselbegriffe  (correlata) heißen. Bilden drei gleichartige Begriffe  A, B, C  eine geordnete Reihe, so daß  A  und  C  unter dem gemeinsamen Gattungsbegriff einander konträr entgegengesetzt sind und ist der mittlere Begriff  B  so beschaffen, daß  A  sich zu  B  verhält, wie  B  zu  C,  so verhält sich offenbar auch  C  zu  B  wie  B  zu  A.  Es ist also das Verhältnis von  B  zu  A  das umgekehrte von  B  zu  C,  und es steht demnach der mittlere Begriff zu jedem der beiden äußeren im umgekehrten Verhältnis als zum andern. Hieraus erklärt es sich, daß reziproke Verhältnisse und Eigenschaften auch  entgegengesetzte  genannt werden.
    Die in der Anmerkung zum vorigen Paragraphen gegebenen Beispiele gehören größtenteils auch hierher. Man kann noch hinzufügen: rechts und links, vorn und hinten, oben und unten, vorwärts und rückwärts, Einnahme und Ausgabe, Einfuhr und Ausfuhr, Gewinn und Verlust usw. Ein und derselbe Körper kann im Verhältnis zu einem dritten hart, groß, schwer erscheinen, eine Kraft gegen eine zweite in demselben Grad schwach, wie gegen eine dritte stark usw. Hier ist auch der Ursprung der  entgegengesetzten Größen,  welche, wie schon GAUSS (Göttingische gelehrter Anzeiger 1831, Seite 64) bemerkt hat, entstehen, wenn nicht "Substanzen", sondern "Relationen" gezählt werden, die sich durch eine Vertauschung der Ordnung der Glieder umkehren lassen. Man sollte daher, nach GAUSS, nicht sowohl von positiven und negativen, als vielmehr von  direkten  und  inversen  Zahlgrößen reden. Die Null, welche beide scheidet, kann als die Beziehung des diese Stelle einnehmenden Gegenstandes auf sich selbst angesehen werden. Auch der Ursprung der  imaginären  Größen aus den entgegengesetzten läßt sich nach GAUSS aus der Gleichheit der Relation erklären, die zwischen der positiven Einheit  +1  und der imaginären iwurzel einerseits und zwischen dieser und der negativen Einheit  -1  andererseits besteht, so daß die imaginäre Einheit als die definiert wird, zu welcher die positive in demselben Verhältnis steht, wie sie selbst, die imaginäre, zur negativen Einheit, woraus, wenn man diese Gleichheit der Verhältnisse arithmetisch ausdrückt, die Proportion

    + 1 : i = i : -1
    entsteht und aus dieser +-wurzel folgt.

§ 33.

Wenn zwei Objektbegriffe  A  und  B  hinsichtlich irgendwelcher inneren Merkmale die reziproken Eigenschaften α und β haben, so entstehen aus ihnen mittels der Determination durch diese Eigenschaften Arten von ihnen,  Aα  und  Bβ,  also Objektbegriffe, die sich selbst zueinander reziprok verhalten, daher ebenfalls Wechselbegriffe sind. Auf diese Weise wird die Wechselbeziehung, die ursprünglich zwischen Beschaffenheitsbestimmungen statt fand, auch auf die Objektsbegriffe, denen diese zukommen, übertragen. Da übrigen das Denken auch jede Eigenschaft als ein Objekt betrachten kann, was sich sprachlich durch substantive Setzung ausdrückt, so verführen solche Substantive leicht zu dem Irrtum, Beziehungsgriffe für Objektbegriffe zu halten.
    Lehrer und Schüler, Herr und Diener, Mutter und Kind, Gatte und Gattin, Gläubiger und Schuldner sind reziproke Objektbegriffe; keiner kann ohne den andern gedacht werden. Der Lehrer ist zwar ein wissender Mann, der Schüler etwa ein unwissender Knabe, aber zum Lehrer wird jener durch das Geben, zum Schüler dieser durch das Empfangen des Wissens. Ebenso gibt der Herr und empfängt der Diener Lohn. Hier findet aber sogar noch die zweite Reziprozität statt, daß der Herr die Dienste des Dieners empfängt und dieser sie gibt. - Was den zweiten Punkt des Paragraphen betrifft, so seint sprachlich das Substantiv "Ehe" einen Objektbegriff zu bezeichnen. Es drückt aber eine Beziehung zwischen Gatten und Gattin aus; ebenso einen Vertrag zwischen Berechtigten und Verpflichteten, Krieg zwischen dem angreifenden und dem sich verteidigenden Teil. Ähnliches gilt von Handel, Kauf, Miete usw. Ebenso sind Entfernung und Lage Beziehungsbegriffe zwischen räumlichen Objekten, z. B. der Winkel eine Lagebeziehung zwischen zwei divergierenden Richtungslinien usw.

§ 34.

Die ursprünglich der Vergleichung der Beschaffenheiten von Objekten abgewonnene Unterscheidung von Gattungen und Arten findet auch auf die  Beziehungen  zwischen diesen Beschaffenheiten Anwendung. Die Beziehung zwischen zwei Gattungsbegriffen verhält sich nämlich zur Beziehung zwischen zwei Arten derselben selbst wie die Gattung zur Art. Denn zur Beziehung zwischen den Merkmalen der Gattung kommt dann noch eine Beziehung zwischen den eigentümlichen Merkmalen der verglichenen Arten derselben, welche jene erstere Beziehung determiniert und dadurch eine Art derselben bildet. Dementsprechend versteht es sich von selbst, daß auch Beziehungsbegriffe nicht bloß einen  Inhalt  haben (der eben in der in ihnen enthaltenen Beziehung zwischen Beschaffenheiten von Objekten besteht), sondern auch einen  Umfang,  und daß die über das Verhältnis zwischen Inhalt und Umfang nachgewiesenen Sätze auch hier gelten.
    Die Ehe z. B. als eine Beziehung zwischen Gatten und Gattin wird, wenn der eine Teil katholischer, der andere evangelischer Konfession ist, zu einer gemischten oder wenn die eine Person von fürstlicher Geburt ist, die andere von nicht fürstlicher, zu einer morganatischen [Mann und Frau gehen keine Rechtsbeziehung ein. - wp] Ferner ist die Ehe entweder ein bloßer bürgerlicher Konsensualvertrag (Zivilehe) oder ein von der Kirche noch überdies geheiligter (kirchlich sanktionierte Ehe). Im ersten Fall werden die sich verehelichenden Personen nur als Glieder der bürgerlichen Gemeinde, im zweiten zugleich als Glieder der kirchlichen gedacht. - Als ein anderes Beispiel kann der Handel dienen. Er mag im allgemeinen als eine Beziehung zwischen Verkäufer und Käufer bezeichnet werden, wobei es für den vorliegenden Zweck nicht nötig ist, auf die nähere Bestimmung der Begriffe Kauf- und Verkauf einzugehen. Es ist aber entweder

      1. der Verkäufer der Produzent und der Käufer der Konsument der Ware, wie z. B., wenn der Bürger den Bauern die Lebensmittel, die er verbraucht, abkauft. oder es ist

      2. der Verkäufer zwar der Produzent, aber der Käufer Wiederverkäufer; und zwar entweder

        a) Einzelverkäufer an den Konsumenten oder
        b ) Großhändler, der an den Einzelverkäufer oder auch
        c) an einen zweiten Großhändler verkauft, der hierdurch zum Zwischenhändler wird. Oder es ist

      3. der Verkäufer nicht der Produzent, sondern a) Wiederverkäufer, die Ware sein
      erkauftes Eigentum, der Handel Eigenhandel auf eigene Rechnung oder
      b) er verkauft die Ware in fremdem Auftrag, auf Rechnung eines andern, Kommissionshandel usw.

§ 35.

Die  Setzung  jedes Beziehungsbegriffs im Denken (§ 31) ist  bedingt, abhängig  (dependent) von der Setzung derjenigen Begriffe, deren Beschaffenheitsverhältnisse seinen Inhalt bilden. Sie heißen seine  Bedingungen  (conditiones), er selbst im Verhältnis zu ihnen ein  Bedingtes  (conditionatum). Jede Bedingung ist daher ein  notwendige Voraussetzung  des Beziehungsbegriffs, ohne welche dieser nicht gedacht werden kann und heißt darum eine  Bedingung der Möglichkeit  (conditio sine qua non) desselben.  Wirklich  gesetzt wird aber der Beziehungsbegriff nicht durch eine einzelne oder einige seiner Bedingungen, sondern durch die  Zusammensetzung  (Synthesis)  aller.  Er ist daher die  Folge  der Synthesis der Bedingungen und diese der  Grund  seiner Setzung.
    Die Ehe setzt einen Mann und ein Weib voraus, die nach derjenigen sittlichen und sinnlichen Vereinigung der Geschlechter, in welcher die Ehe besteht, gegenseitig Verlangen tragen. Die gerichtliche Klage setzt Kläger, einen Beklagten und Richter voraus, ferner eine, wenigstens vermeintliche Rechtsverletzung, ein Gesetz, nach dem das Urteil erfolgt, usw. Aber nur durch die Synthesis dieser Voraussetzungen ist die betreffende Beziehung gegeben, gesetzt. - Die einzelnen Bedingungen der Möglichkeit eines Schattens sind ein dunkler und undurchsichtiger, den Schatten werfender Körper, ein zweiter ihn beleuchtender und eine Fläche, auf der der Schatten zur Erscheinung kommt. Diese Bedingungen sind nicht etwa bloß empirisch gefunden, sondern das Denken erkennt, daß der Schatten eine notwendige Folge ihrer Synthesis ist. Durch den leuchtenden und beleuchteten Körper ist nämlich, vermöge der geradlinigen Ausstrahlung des Lichts und der Undurchsichtigkeit und Dunkelheit des beleuchteten Körpers, auf  der  Seite desselbe, die dem beleuchtenden abgewandt ist, ein lichtloser Raum, der Schattenkegel gesetzt und durch die ihn durchschneidende Fläche der Schatten als ein begrenzter dunkler Teil der übrigens erleuchteten Fläche gegeben. Der Schatten aber ist ein Beziehungsbegriff, denn er ist eben der Schatten eines Körpers.

§ 36.

Da die Unterscheidung von Gattungen und Arten auch auf Beziehungen anwendbar ist (§ 34), so sind auch die diesen zugrunde liegenden Bedingungen teils  generelle  teils  spezielle.  Durch die generelle Bedingung nämlich wird die Gattung, durch die spezielle der Artunterschied des Beziehungsbegriffs gesetzt. Insofern eine generelle Bedingugn einer Mehrheit von Beziehungen zugrunde liegt, kann sie auch ihre gemeinsame  Grundbedingung  (conditio fundamentalis), jede der hinzukommenden speziellen Bedingungen die  Mitbedingung  (conditio accidentalis) der dadurch gesetzten besonderen Beziehung genannt werden. Die Gesamtheit der letzteren, der  Fälle,  in welchen die Grundbedingung statt findet, stellen dann den  Umfang  der  Geltung  derselben dar.
    Wenn im letzten Beispiel zum vorigen Paragraphen der beleuchtete Körper eine dünne kreisförmige Scheibe ist, so kann sein Schatten auf einer ebenen Fläche entweder eine begrenzte Gerade oder ein Kreis, oder eine Ellipse, Parabel, Hyperbel sein. Dies sind verschiedene Arten des Schattens, deren generelle Bedingung die zuvor angegebene Synthesis von Bedingungen eines Schattens überhaupt ist, nur mit dem Zusatz, daß hier die Fläche eine ebene sein soll. Die speziellen Bedingungen sind aber die verschiedenen Neigungen der Kreisscheibe gegen die Ebene, auf der der Schatten abgeschnitten wird.

§ 37.

Kommt zu einer generellen Bedingung  A  zuerst eine spezielle  a,  dann eine zweite speziele  b  usw., so entstehen  komplizierte  Bedingungen, die  A untergeordnet  sind und eine  Reihe  bilden, in welcher komplizierte Bedingungen  höherer  und  niederer Ordnung  unterschieden werden können. Gilt nun  A  für  n  Fälle, so wird durch Hinzutritt von  a  eine Anzahl dieser Fälle, die unter anderen speziellen Bedingungen stehen, ausgeschlossen, und die komplizierte Bedingung  Aa  gilt für weniger Fälle als  A.  Dasselbe wiederholt sich, wenn  b  hinzukommt, so daß die Bedingung  Aab  wiederholt sich, wenn  b  hinzukommt, so daß die Bedingung  Aab  wieder für weniger Fälle gilt als  Aa. Je komplizierter also eine Bedingung im Vergleich mit einer anderen ist, zu der sie im Verhältnis der Unterordnung steht, umso kleiner ist der Umfang ihrer Geltung.  Ebenso erhellt, daß, wenn von zwei Bedingungen der Umfang der Geltung der einen nur ein Teil desjenigen der anderen ist, die erstere die kompliziertere sein muß.
    Durch die verschiedenen Zahlen der Augen auf den sechs Flächen zweier Würfel  A  und  B  ist die Zahl ihrer Kombinationen bedingt. Sie ist gleich 36; denn jede der 6 Zahlen auf  A  kann mit jeder der 6 Zahlen auf  B  verbunden werden. Es gibt also 36 verschiedene Fälle, in welchen die Bedingung, Kombination der Zahlen auf  A  und  B,  erfüllt ist. Kommt die Bedingung hinzu, daß die kombinierten Zahlen ungleich sein, die gleichen also ausgeschlossen werden sollen, so reduziert sich die Zahl der Fälle auf 30. Kommt endlich noch die Bedingung hinzu, daß die Summe dieser ungleichen Zahlen größer als 7 sein soll, so bleiben nur 12 Fälle übrig. Mit der Zunahme der Bedingungen vermindert sich also die Zahl der Fälle, die ihnen entsprechen und damit der Umfang der Geltung dieser Bedingungen.

§ 38.

Jede Bedingung, von welcher die Setzung eines Begriffs abhängt, kann selbst wieder durch die Voraussetzung eines andern Begriffs bedingt sein, der dann zur  mittelbaren  Bedingung des Bedingten wird. Hiernach sind  nähere  und  entferntere  Bedingungen und  Stufen der Abhängigkeit  der Setzung der Begriffe zu unterscheiden. Schlechthin  unbedingt  ist kein Beziehungsbegriff. Denn wenn derselbe auch nicht durch die Synthesis anderer Beziehungsbegriffe bedingt ist, so setzt er doch immer zwei Objektbegriffe voraus, durch deren wechselseitiges Beschaffenheitsverhältnis die Beziehung gegeben ist. Bei  einfachen  Beziehungsbegriffen die allen anderen zugrunde liegen, läßt sich jedoch nicht die Beschaffenheit von den Verhältnissen des Bezogenen absondern. - Man nennt das Denken, welches vom Bedingten zu seinen Bedingungen übergeht, das  regressive  oder  aufsteigende  Denken und das, welches die umgekehrte Richtung einschlägt, das  progressive  oder  herabsteigende. 
    Die gemeinsamen Bedingungen der Ellipse, Parabel und Hyperbel sind ein Kegel und eine diesen schneidende Ebene. Aber der Kegel ist wieder bedingt durch einen Kreis, einen außerhalb der Ebene desselben liegenden Punkt und die durch diesen und den Umfang des Kreises gehende, die Kegelfläche erzeugende Gerade. Der Kreis ist wieder bedingt durch seinen Mittelpunkt, Halbmesser und seine Ebene, der Halbmesser durch seine zwei Endpunkte usw. - Durch die Stufen der Abhängigkeit erhält jeder Beziehungsbegriff seinen Stammbaum. Was Genealogie der Beziehungsbegriffe ist, lernt man am besten aus der Mathematik. Mehreres hierüber wird im zweiten Teil dieses Lehrbuchs vorkommen. Eine "Analytik der Erkenntnis", wie sie LAMBERT in seiner "Architektonik oder Theorie des Einfachen und Ersten in der philosophischen Erkenntnis" versuchte und vor ihm LEIBNIZ durch seine  Characteristica universalis  zu geben gedachte, müßte allerdings ein System aller einfachen Beziehungsbegriffe enthalten. Die Kategorien des ARISTOTELES, das Einzelding, Größe, Beschaffenheit, Verhältnis, Wo, Wann, Lage, Haben, Tun, Leiden, sind mit Ausnahme der ersten und, mit gewisser Beschränkung der dritten, zwar Beziehungsbegriffe, aber nicht einfache. Sie sollen vielmehr die höchsten Gattungen von Beziehungen bezeichnen. Ähnliches gilt von den Kategorien KANTs, wenn sie auch in seiner Theorie der Erkenntnis eine andere Stellung als die aristotelischen einnehmen.

§ 39.

Wenn im Vorstehenden sich mehrfache Analogien zwischen den Verhältnissen der Objektbegriffe zu ihren Merkmalen und der Beziehungsbegriffe zu ihren Bedingungen gezeigt habe, so klärt sich dies dadurch auf, daß es in der Tat ein und dasselbe Verhältnis ist, welches in den analytischen und synthetischen Begriffsformen nur in verschiedener Weise seinen Ausdruck findet. Es ist nämlich das Verhältnis des  Grundes  zur  Folge,  dessen nähere Untersuchung auf jene zwei Klassen von Begriffsverhältnissen zurückführt. Die Folge soll hervorgehen  aus  dem Grunde, zugleich aber auch von ihm verschieden sein, etwas  Neues  hinzubringen; sie muß also im Grunde enthalten und kann doch auch nicht in ihm enthalten sein. Dieser Widerspruch löst sich nur, wenn der Grund kein einfacher Begriff ist, sondern ein Vieles und Mannigfaltiges enthält. Dieses ist nun entweder im Grunde zu einem Ganzen vereinigt. Dann kann die Folge nur in der Absonderung eines Teils dieses Ganzen von den übrigen Teilen bestehen. Sie ist in diesem Fall nur insofern etwas Neues, als das, was sie absondert, im Grunde mit den übrigen Teilen verbunden ist. Oder zweitens, das Mannigfaltige ist im Grunde noch nicht verbunden und die Verbindung, die Zusammensetzung des im Grunde einzeln Gesetzten ist das Neue, was die Folge gibt. Diese kann daher im ersten Fall eine  analytische,  im zweiten eine  synthetische  Folge heißen. Der erste dieser beiden Fälle findet statt bei der Absonderung der Gattungen und Artunterschiede als Folgen ihrer Objektbegriffe, der zweite entspricht dem Verhältnis der Beziehungen zu ihren Bedingungen; denn die Beziehungen sind die Folgen der Zusammensetzung ihrer Bedingungen.
    Das Verdienst, das Verhältnis des Grundes zur Folge zuerst in sein wahres Licht gesetzt zu haben, gebührt HERBART. Der Satz, daß der Grund niemals etwas schlechthin Einfaches sein kann, hat nicht nur für das logische Denken, sondern auch für jede Art der durch Denken vermittelten Erkenntnis eine große Wichtigkeit und Tragweite. Überall wo einem Bedingten nur  eine  Bedingung zugrunde zu liegen scheint, zeigt sich bei näherer Untersuchung, daß noch eine oder mehrere dazu gehören und wo aus  einem  Vieles zu werden scheint, daß dieses Eine entweder schon eine versteckte Vielheit in sich beschließt oder zu ihr noch anderes hinzukommt. Man findet wohl z. B. im Sonnenschein den Grund des Schattens, den der Gnomon [Schattenzeiger - wp] der Sonnenuhr wirft, aber der Gnomon und die Fläche, auf welche der Schatten fällt, vervollständigt erst den Grund. Die Zahl "Zwei" läßt sich in zwei EInheiten zerlegen, aber nur, weil sie diese schon verbunden enthält. Aus einem Viereck können zwei Dreiecke werden, aber nur, wenn die Diagonale hinzukommt. - Die Bedeutung des Begriffs des Grundes mit seiner Folge für die Erkenntnis nach ihrem ganzen Umfang zu würdigen, ist jedoch nicht mehr Sache der Logik, sondern der Metaphysik. Zwar wird an einer späteren Stelle noch die Unterscheidung von Erkenntnisgründen und Erklärungsgründen zur Sprache kommen. Dagegen fällt schon die Erörterung des Begriffs der Ursache, der offenbar dem des Grundes untergeordnet ist, nicht mehr der Logik als Aufgabe zu. Denn ob Ursachen und Wirkungen nur einen Gedankenzusammenhang der Erscheinungen oder einen wirklichen Zusammenhang der Dinge bedeuten, hängt offenbar mit der Frage nach dem Verhältnis zwischen Denken und Sein zusammen. Wem beides für identisch gilt, der muß freilich SPINOZAs Satz: ordo et connexio idearum idem est ac ordo et connexio rerum [Jedem physischen Vorgang entspricht ein psychischer und umgekehrt. - wp] unterschreiben. Aber dieses Identitätsprinzip ist nichts weniger als ein unumstößliches Axiom, vielmehr nur eine kühne Behauptung, die vor einer nüchternen Kritik nicht bestehen kann.

    Es ist, mit einer sogleich näher anzugebenden Beschränkung im allgemeinen unbedenklich, zu sagen, daß die Folge  implizit,  nicht aber  explizit  im Grunde enthalten sei. Wenn wir z. B. sagen: hier ist eine Centifolie, folglich eine Blume, oder: hier sind zwei sich treffende Geraden gegeben, folglich ein Winkel, so liegt der Begriff der Blum in dem der Centifolie und ist mit den beiden Geraden der Winkel gesetzt. Aber dort wird doch erst durch die Absonderung der Gattung Blume von den Artunterschieden der Centifolie jene zur Folge von dieser und eben so entsteht der Winkel doch erst aus der Beachtung des Richtungsunterschiedes der beiden Geraden. Erst die  vollzogene  Trennung oder Verbindung der Elemente des Grundes gibt die Folge. Allerdings aber läßt sich einwenden, daß  ohne  diese Trennung oder Verbindung die verbundenen oder isolierten Elemente noch nicht der  ganze  und  vollständige  Grund sind. Rechnet man aber Trennung und Verbindung der Elemente mit zum Grund, so ist die Folge von diesem nicht mehr verschieden. In der Tat läßt sich der vollständige Grund von seiner Folge nur noch dadurch unterscheiden, daß man ihn als die  werdende  Trennung oder Verbindung seiner Elemente, die Folge aber als die  gewordene  ansieht.

LITERATUR - Moritz Wilhelm Drobisch, Neue Darstellung der Logik nach ihren einfachen Verhältnissen mit Rücksicht auf Mathematik und Naturwissenschaft, Leipzig 1863