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JULIUS BAUMANN
Wo steckt der Fehler oder die Einseitigkeit
in Machs philosophischen Ansichten?


"Körper oder Iche sind nur Notbehelfe zur vorläufigen Orientierung für bestimmte praktische Zwecke, man muß sie als unzureichend und unzutreffend aufgeben. Der Gegensatz zwischen Ich und Welt, zwischen Empfindung und Erscheinung und Ding fällt weg. Es handelt sich lediglich um den Zusammenhang der Elemente (im Sinne eines nicht weiter Zerlegbaren der Empfindung). Die Wissenschaft hat diesen Zusammenhang einfach anzuerkennen und sich in demselben zu orientieren, anstatt die Existenz desselben erklären zu wollen."

"Wenn die letzten Daten all unseres Wissens Empfindungen sind, so sind diese Empfindungen mit Vielem durchzogen, was gar nicht unmittelbar in ihnen selbst liegt, eben mit den Gedanken von Substanz, Eigenschaft, Wirkungen, und diese Gedanken führen den menschlichen Geist über das bloße Gewebe von Empfindungen hinaus."

"Wenn wir nun die ganze materielle Welt in Elemente auflösen, welche zugleich auch Elemente der psychischen Welt sind, die als solche Empfindungen heißen, wenn wir ferner die Erforschung der Verbindung, des Zusammenhangs, der gegenseitigen Abhängigkeit dieser gleichartigen Elemente aller Gebiete als die einzige Aufgabe der Wissenschaft ansehen, so können wir mit Grund erwarten, auf dieser Vorstellung einen einheitlichen monistischen Bau aufzuführen, und des leidigen verwirrenden Dualismus los zu werden."

In einem früheren Aufsatz dieser Zeitschrift habe ich den Betrachtungen über MACHs philosophische Ansichten die beiden Schriften "Populärwissenschaftliche Vorlesungen" (1896) und die "Wärmelehre" (1896) zugrunde gelegt. Im gegenwärtigen Aufsatz gehe ich aus von der Schrift "Die Analyse der Empfindungen und das Verhältnis des Physischen zum Psychischen, zweite vermehrte Auflage der Beiträge zur Analyse der Empfindungen" (1900).

Seite VII bezeichnet MACH als seine Ansicht, daß "alles Metaphysische als müßig und die Ökonomie der Wissenschaft zu eliminieren ist". Wie kommt er dazu? Nach Seite 1-2 sind
    "Farben, Töne, Wärmen, Drücke, Räume, Zeiten usw. in mannigfacher Weise miteinander verknüpft und an dieselben sind Stimmungen, Gefühle und Willen gebunden. Aus diesem Gewebe tritt das relativ Festere und Beständigere hervor, es prägt sich dem Gedächtnis ein und drückt sich in der Sprache aus."

    "Als relativ beständig (Seite 2) zeigt sich ferner der an einen besonderen Körper (den Leib) gebundene Komplex von Erinnerungen, Stimmungen, Gefühlen, welche als Ich bezeichnet werden."

    "Ist (Seite 4) die erste Orientierung durch Bildung der Substanzbegriffe, Körper, Ich (Materie, Seele) erfolgt, so drängt der Wille zu genauerer Betrachtung der Veränderungen an diesem relativ Beständigen. Das Veränderliche an den Körpern und dem Ich ist es eben, was den Willen (nicht ein einem metaphysischen Sinn zu nehmen) bewegt. Erst jetzt treten die Bestandteile des Komplexes als Eigenschaften desselben hervor."

    "Die Physiologie der Sinne (Seite 6) legt nun klar, daß Räume und Zeiten ebensogut Empfindungen genannt werden können wie Farben und Töne."

    "Die Welt (Seite 8) besteht nur aus unseren Empfindungen. Wir wissen eben nur von den Empfindungen."
MACH folgert daraus, daß die
    "Annahme jener Kerne (Körper) sowie einer Wechselwirkung derselben, aus welcher erst die Empfindungen hervorgehen würden, sich als gänzlich müßig und überflüssig erweist." (Seite 8)
Nach MACH
    "sind Körper, Iche nur Notbehelfe zur vorläufigen Orientierung für bestimmte praktische Zwecke, man muß sie als unzureichend und unzutreffend aufgeben. Der Gegensatz zwischen Ich und Welt, zwischen Empfindung und Erscheinung und Ding fällt weg. Es handelt sich lediglich um den Zusammenhang der Elemente (im Sinne eines nicht weiter Zerlegbaren der Empfindung). Die Wissenschaft hat diesen Zusammenhang einfach anzuerkennen und sich in demselben zu orientieren, anstatt die Existenz desselben erklären zu wollen."
In Kürze verfährt MACH demnach so: von vornherein sind ihm die Kategorien (Ding, Eigenschaft, Wirkung) bloß praktische Abkürzungen für Komplexe und deren Beziehungen, nun beruhen alle Elemente dieser Komplexe auf Empfindungen, also hat es Wissenschaft bloß mit Empfindungen und Empfindungszusammenhängen zu tun.

In Wirklichkeit verfährt der Mensch anders. Er faßt von Haus aus (es entwickelt sich das in ihm ganz instinktiv) die Welt als Dinge mit Eigenschaften und Wirkungen, die er sich zunächst seinem beseelten Leib sehr ähnlich denktf, dann aber führt eine genauere Beobachtung ihn nicht darauf, die Kategorien zu streichen, wie MACH will, sondern die beobachteten Dinge, Eigenschaften, Wirkungen genauer zu fassen, wobei selbst der Naturmensch zu anderen Resultaten kommt als MACH. Jener statuiert meist ein höhere Ich im Menschen neben dem gewöhnlichen, an welches höhere sich ein Ahnenkult anschließt; selbst eine höchste Gottheit statuiert er früh (Himmel) und weitverbreitet (mongolische Völker, Altbabylonier, Ägypter, Schwarzafrikaner). Wo Wissenschaft entstand, wie bei den Griechen, drehte sie sich immer um eine Ausmittlung zuletzt erreichbarer Substanzen, ihrer Eigenschaften und Wirkungen. In der Neuzeit blieb dieselbe Richtung, bei der man darauf geführt wurdef, als das Wesentliche der Körper die quantitativen und die Bewegungsbestimmtheiten anzusehen und so erst recht das Geistige vom Körperlichen zu unterscheiden, womit sich die Bedingtheit des ersteren durch das letztere durchaus verträgt. All das wird dadurch nicht über den Haufen geworfen, daß in der Tat all unsere Körperkenntnis, auch alle Kenntnis des Geistigen in uns, weil stets körperlich bedingt, uns letztlich durch Empfindungen zukommt. Dadurch werden aber Körper und Seele nicht gleichsam in Empfindungen verwandelt. Denn wenn die letzten Daten all unseres Wissens Empfindungen sind, so sind diese Empfindungen mit Vielem durchzogen, was gar nicht unmittelbar in ihnen selbst liegt, eben mit den Gedanken von Substanz, Eigenschaft, Wirkungen, und diese Gedanken führen den menschlichen Geist über das bloße Gewebe von Empfindungen hinaus. MACH gibt Seite 10 zu, daß wir bei anderen Menschenleibern "die Empfindungen, Gefühle auf sinnlichem Gebiet nicht mehr vorfinden, wir denken sie hinzu". Aber dieses Hinzudenken geht viel weiter; wir denken sie hinzu, die einen in materialistischer Weise, die anderen in spiritualistischer, noch andere monistisch oder auch mit absichtlichem Verzicht auf ein solches Ausdenken, wie MACH tut, der doch selbst seine Ansicht als monistische bezeichnet (Seite 208) und Seite 35 in SPINOZA Berührungspunkte sieht. In den Worten MACHs (Seite 20):
    "Nicht die Körper erzeugen Empfindungen, sondern Empfindungskomplexe (Elementenkomplexe) bilden die Körper",
liegt derselbe Irrtum oder dieselbe Einseitigkeit vor wie bei FICHTE: alle unsere Kenntnis besteht in Vorstellungen, also gibt es nichts als Vorstellungen, was sich ähnlich bei WUNDT findet und neuerdings auch sonst. LOTZE hat mit Recht erinnert, daß das ansich gar nichts beweist; denn Wissen besteht seinen Begriff nach aus Vorstellungen, auch wenn es von den Vorstellungen unterschiedene Dinge gibt, wissen könnten wir von ihnen nur durch die Vorstellungen. Beim Inneren anderer Menschen erkennen wir stets die Richtigkeit dieser Argumentation an, denn wir denken dieses Innere gerade so real wie unser eigenes Inneres; ebenso steht nichts im Weg, die Körper als verschieden von unserer Körpervorstellung anzusehen. Die Empfindungen bringen uns auf die Vorstellung von Körpern; diese bestehen ursprünglich allerdings aus unseren Empfindungen von ihnen, deshalb brauchen aber die Körper nicht bloß Empfindungen zu sein. Denn in den Körperempfindungen können Momente liegen, die eben das Denken auf die Annahme von Körpern führen, als deren Wirkungen wir die Empfindungen selbst anzusehen haben, gerade wie wir manchen Körpern wegen besonderer Momente in ihren Wirkungen ein geistiges Inneres gleich oder ähnlich dem unseren beilegen.

MACH rühmt seinem Empfindungsmonismus (Seite 21) nach:
    "Die Welt besteht also für uns nicht aus rätselhaften Wesen, welche durch Wechselwirkung mit einem anderen ebenso rätselhaften Wesen, dem Ich, die allein zugänglichen Empfindungen erzeugen. Die Farben, Töne, Räume, Zeiten ... sind für uns die letzten Elemente, deren gegebenen Zusammenhang wir zu erforschen haben."
Kommen MACH diese Elemente samt ihrem Zusammenhang nicht auch rätselhaft vor? und warum nicht? Nach Seite 23
    "erscheinen, sobald Physik und Psychologie sich berühren, Probleme beseitigt, wenn wir die Empfindungen als Weltelemente ansehen. Diese Grundanschauung kann (ohne sich für eine Philosophie für die Ewigkeit auszugeben) gegenwärtig allen Erfahrungsgebieten gegenüber festgehalten werden."
Richtig ist nur, daß die Empfindungen Ausgangspunkt physikalischer und psychologischer Forschungen sind, und daß Hypothese über die Empfindungen hinaus doch immer von diesen ausgehen müssen und eventuell die Folgerungen aus ihnen sich wieder in den Empfindungen zu bestätigen haben. MACHs ökonomischer (sparsamer) Trieb macht daraus einen Empfindungsmonismus der ganzen Welt. Statt "Wirkungen" und ihres Spuks will er nur die Ermittlung von Funktionalbeziehungen Wert haben lassen, "lediglich die Abhängigkeit der Erlebnisse voneinander wünschen wir zu kennen", aber sofern wir solche Abhängigkeiten nicht einsehen wie in der Mathematik, bleiben sie eben doch Wirkungen, d. h. ein tatsächliches, aber unverstandenes Aufeinanderfolgen und dabei aneinander Gebundensein zweier Ereignisse, deren Aufeinanderfolge nicht schon logisch gegeben ist.

MACH schreibt Seite 18:
    "Daß die verschiedenen Organe, Teile des Nervensystems miteinander physisch zusammenhängen und durcheinander leicht erregt werden können, ist wahrscheinlich die Grundlage der psychischen Einheit."
Aber schon ARISTOTELES hat das Eigentümliche der psychischen Einheit kurz charakterisiert mit dem Wort: to gar kritikon en, d. h. im Urteil (dem beziehenden Denken) werden verschiedene, selbst entgegengesetzte Vorstellungsinhalte auseinandergehalten und zugleich aufeinander bezogen, was ein einzigartiger unteilbarer Akt ist.
    "Wollte man das Ich" - schreibt Mach Seite 20 weiter - "als eine reale Einheit ansehen, so käme man nicht aus dem Dilemma heraus, entweder eine Welt von unerkennbaren Wesen demselben gegenüberzustellen (was ganz müßig und ziellos wäre) oder die ganze Welt, die Iche anderer Menschen eingeschlossen, nur als in unserem eigenen Ich als enthalten anzusehen, wozu man sich ernsthaft schwer entschließen wird."
Aber die quantitativen Bestimmtheiten der Dinge und die Bewegungen als real gedacht, worauf allerdings Physik und Chemie, auch in ihrer energetischen Fassung führen, sind doch keine müßige Annahme, und der Solipsismus widerlegt sich durch die Erkenntnis, daß selbst das cogito ergo sum nicht immer stattfindet, sondern wir bewußtes Denken nur kennen mit begleitender Wahrnehmung, d. h. als bedingt durch den Leib, welcher selber wieder durch die Außenwelt bedingt ist. Seite 229 heißt es:
    "Unser psychisches Leben, sofern wir darunter die Vorstellungen verstehen, scheint recht unabhängig von den physischen Vorgängen zu sein und sozusagen eine Welt für sich, mit freien Gesetzen von anderer Ordnung. Das ist aber gewiß nur ein Schein, der daher rührt, daß immer nur ein winziger Teil der Spuren der physischen Vorgänge in den Vorstellungen lebendig ist."
Ein Schein ist das darum aber doch nicht; denn es sind Momente in unserem psychischen Leben, die über die Empfindungen hinausgehen, so sehr diese Momente in uns immer nur unter Anregung der Empfindung uns zu Bewußtsein kommen. MACH legt selbst dafür Zeugnis ab. Seite 65 erwähnt er die logische Notwendigkeit und Seite 230 spricht er von einer Ausschließung des Widerspruchs. Seite 53 schreibt er:
    "Es schien mir ein einfacher und natürlicher, ja beinahe selbstverständlicher Gedanke, daß die Ähnlichkeit auf einer teilweisen Gleichheit, auf einer teilweisen Identität beruth."
Evidente Gedanken, Gedanken, die für sich selbst klar sind, wie die logischen Grundgesetze, legen wir auch den Empfindungen unter und sehen, ob sie sich auch dort bewähren. Das ist Denken. Angewendet auf Empfindungen. So ist es z. B. auch mit dem Gedanken der Ursache. Seite 65 meint MACH, in der logischen Notwendigkeit (bei der kausalen Erwartung) liege aber keine Naturnotwendigkeit. Gewiß nicht, in der Natur als Empfindungswelt ist bloß Tatsächlichkeit, wie LEIBNIZ schon hervorgehoben hat. Aber wo ein so und nicht anders Folgen nach der genauesten Beobachtungf mit Fug und Recht angenommen werden kann, da wird die zeitliche Aufeinanderfolge auch als in der Beschaffenheit der Elemente liegende einzige Aufeinanderfolge gedacht, d. h. als notwendig, und oft sind wir auch imstande, diesen Zusammenhang einzusehen, d. h. aus seinen Stücken geistig nachbildend zu erfassen.

Warum nun denkt MACH in all diesen Fragen anders als z. B. ich, und warum bemerkt er nicht, was ich bei ihm bemerke als zu meiner Auffassung allein stimmend? Nach Seite 5 hat MACH zufolge der Mensch vorzugsweise die Fähigkeit, sich seinen Standpunkt willkürlich und bewußt zu bestimmen. Er führt unter anderem dort an:
    "Er kann sich nach Gutdünken zu den allgemeinsten Abstraktionen erheben oder sich ins Einzelne vertiefen."
MACHs persönliche Art ist nun die, daß ihm die Empfindungen als solche stärker gleichsam nachgehen, als sonst wohl der Fall ist. Nach Seite 129 spricht MACH von einem Sinnengedächtnis, wenn sich die Phantasmen in ihrem Charakter stark an zuvor Gesehenes anschließen, von Halluzinationen, wenn die Phantasmen freier und unvermittelter auftreten und fährt fort:
    "Ich kenne alle Arten von Gesichtsphantasmen aus eigener Anschauung. Das Hineinspielen von Phantasmen in undeutlich Gesehenes, wobei letzteres teilweise verdrängt wird, kommt wohl am Häufigsten vor. - Nach ermüdender nächtlicher Eisenbahnfahrt nehmen alle Felsen, Bäume die abenteuerlichsten Gestalten an. Nach physikalischer Beschäftigung treten nachträglich Bilder auf usw."
So entstand in ihm die Neigung, in allen Gedanken immer das Empfindungselement zu sehen, das stets da ist, und darüber die Nichtempfindungselemente des Denkens, die auch da sind, unbeachtet zu lassen. Demgemäß ist ihm Seite 26 die
    "biologische Aufgabe der Wissenschaft, dem vollsinnigen menschlichen Individuum eine möglichst vollständige Orientierung zu bieten, ein anderes wissenschaftliches Ideal ist nicht realisierbar und hat keinen Sinn."
Darum schreibt er Seite 19:
    "Geht man, wie ich es getan habe, von der ökonomischen Aufgabe der Wissenschaft aus, nach welcher nur der Zusammenhang des Beobachtbaren, Gegebenen für uns von Bedeutung ist, alles Hypothetische, Metaphysische, Müßige zu eliminieren ist ..."
und darum konnte er Seite 210 schreiben:
    "Man könnte nun z. B. in Bezug auf die Physik der Ansicht sein, daß es weniger auf die Darstellung der sinnlichen Tatsachen, als auf die Atome, Kräfte und Gesetze ankommt, welche gewissermaßen den Kern jener sinnlichen Tatsachen bilden. Unbefangene Überlegung lehrt aber, daß jedes praktische und intellektuelle Bedürfnis befriedigt ist, sobald unsere Gedanken die sinnlichen Tatsachen nachzubilden vermögen",
und fährt Seite 210 fort:
    "Wir sind über irgendeinen Naturvorgang, z. B. ein Erdbeben, so vollständig als möglich unterrichtet, wenn unsere Gedanken uns die Gesamtheit der zusammengehörigen sinnlichen Tatsachen so vorführen, daß sie fast als ein Ersatz derselben angesehen werden können, daß uns die Tatsachen selbst als Bekannte entgegentreten, daß wir durch dieselben nicht überrascht werden."
Und nun wird aufgeführt
    "das unterirdische Dröhnen , die Schwankungen, das Heben und Senken des Bodens, das Krachen der Wände ..., die Welle, die durch den Wald wie durch ein Kornfeld zieht und die Äste bricht ..., das Anschlagen der Glocken ..., wenn uns auch noch die unterirdische Vorgänge, welche zur Zeit noch unbekannt sind, sinnlich so vor Augen stehen, daß wir das Erdbeben herankommen sehen wie einen fernen Wagen, bis wir endlich die Erschütterung unter den Füßen fühlen, so können wir nicht mehr Einsicht verlangen."
Was MACH da ansetzt, könnte einer alles empfinden, ohne es als Physiker zu empfinden, was MACH gewiß immer tut, aber wenn man Dröhnen, Heben und Senken und alles sonst Aufgeführte als Physiker empfindet, so muß man Akustik, Optik, Mechanik, Geologie usw. kennen, und die enthalten doch sehr viel Hypothetisches, nicht bloß mathematische Hilfsvorstellungen (Seite 211), Hypothetisches im Anschluß an Beobachtung und stets an ihr, kontrolliert, und auch Chemie kommt herein. MACH spricht Seite 76 von chemischen Schwingungen bei Lichtschwingungen als einer wechselnden Verbindung und Trennung; auch von einem elektrischen Strom gibt nach ihm (Seite 76)
    "ja die Chemie die faßbarste Vorstellung im Falle der Elektrolyse, wenn sie beiden Bestandteile des Elektrolyten als in einem entgegengesetzten Sinn durcheinander hindurch wandernd ansieht."
MACHs persönliche Art drückt sich noch sehr aus in folgenden Stellen (Seite 209):
    "Alle Wissenschaft geht darauf aus, Tatsachen in Gedanken darzustellen, entweder zu praktischen Zwecken oder zur Beseitigung intellektuellen Unbehagens."
Letzterer Ausdruck wird vielleicht erst klar durch Seite 208:
    "Wer an den Zusammenschluß der Wissenschaften zu einem Ganzen denkt, muß nach einer Vorstellung suchen, die er auf allen Gebieten festhalten kann. Wenn wir nun die ganze materielle Welt in Elemente auflösen, welche zugleich auch Elemente der psychischen Welt sind, die als solche Empfindungen heißen, wenn wir ferner die Erforschung der Verbindung, des Zusammenhangs, der gegenseitigen Abhängigkeit dieser gleichartigen Elemente aller Gebiete als die einzige Aufgabe der Wissenschaft ansehen, so können wir mit Grund erwarten, auf dieser Vorstellung einen einheitlichen monistischen Bau aufzuführen, und des leidigen verwirrenden Dualismus los zu werden." (durch den nach Mach der Zusammenhang zwischen Physik und Psychologie zerstört wird).
MACH hat also bei Dualismus ein intellektuelles Unbehagen. Das haben viele geteilt. Schon DIOGENES von Apollonia im 5. Jahrhundert v. Chr. hat das monistische Gefühl dahin formuliert, daß Dinge nur in Wechselwirkung [dialektisch - wp] stehen können, wenn sie im Grunde dasselbe sind. Die Empfindungswelt scheint freilich zu zeigen, daß Dinge, die sehr verschieden aussehen, aufeinander einwirken, ja die Wahrnehmungswelt voller Gegensätze ist und so hat der Dualismus anderen Philosophen, man kann sagen, der Mehrzahl derselben kein intellektuelles Mißbehagen erregt. Seit HUME nachgewiesen hat, daß auch bei gleichartigen Dingen die Einwirkung immer nur letztlich als Tatsache konstatiert wird, ist der ganze Streit hinfällig geworden, die Wechselwirkung unter Gleichartigem ist ebenso bloß tatsächlich wie unter Gleichartigem. MACH will überhaupt den Kausalitätsbegriff durch die Funktionsbeziehung ersetzen, durch ein mathematisches Verhältnis. Darum ist seine Ansicht über Mathematik zu betrachten.

Nach Seite 77 sind geometrische Überlegungen nicht Empfindung, sondern Verstandessache. Nach Seite 79 sind in geometrischen Gebilden alle homologen Entfernungen proportioniert. "Das ist aber Verstandessache und nicht Sache der Empfindung." Nach Seite 88-89 ist "ohne Zusammenwirken der sinnlichen Anschauung und des Verstandes eine wissenschaftliche Geometrie nicht denkbar". Nach Seite 116 ist
    "der Raum des Geometers ein Vorstellungsgebilde von dreifacher Mannigfaltigkeit, welches sich auf Grundlage von manuellen und intellektuellen Operationen entwickelt hat."
Zuletzt freilich ist er doch aus Physikalischem erwachsen. Seite 232:
    "Der Raum des Geometers ist durchaus nicht das bloße System der Raumempfindungen (des Gesichts- und Tastsinnes), sondern derselbe besteht vielmehr aus einer Menge von physikalischen Erfahrungen, welche an die Raumempfindungen anknüpfen. Schon indem der Geometer seinen Raum als an allen Stellen und nach allen Richtungen gleich beschaffen betrachtet, geht er weit über den im Tast- und Gefühlssinn gegebenen Raum hinaus, welcher diese einfache Eigenschaft durchaus nicht hat. Ohne physikalische Erfahrung würde er nie dahin gelangen. Die grundlegenden Sätze der Geometrie werden auch tatsächlich nur durch physikalische Erfahrungen, durch ein Anlegen von Längen- und Winkelmaßstäben gewonnen, durch ein Anlegen starrer Körper aneinander. Ohne Kongruenzsätze keine Geometrie. Abgesehen davon, daß Raumbilder uns ohne physikalische Erfahrung gar nicht auftauchen würden, wären wir auch nicht imstande, dieselben aneinander anzulegen, um ihre Kongruenz zu prüfen. Wenn wie einen Zwang fühlen, eine gleichschenkliges Dreieck auch mit gleichen Winkeln an der Grundlinie vorzustellen, so beruth derselbe auf einer Erinnerung n starke Erfahrungen. Beruth der Satz auf reiner Anschauung, so brauchen wir ihn nicht zu lernen. Daß man in der bloßen geometrischen Phantasie Entdeckungen machen kann, wie es täglich geschieht, zeigt nur, daß auch die Erinnerung an die Erfahrung uns noch Momente zu Bewußtsein bringen kann, die früher unbeachtet geblieben sind ... Selbst die Zahlenlehre muß in ähnlicher Weise aufgefaßt werden."
Was MACH in diesen Stellen mit Verstand meint, ist zunächst gewiß soviel wie Abstraktion, aber wohl mit dem Nebensinn eines Idealisierens, welches MACH auch in der Physik verwendet sein läßt. Nach Seite 152 "pflegen wir in der Physik die betrachteten Fälle aufs Äußerste zu idealisieren und zu schematisieren". Die Frage ist aber, woher kommt dieses Idealisieren? liegt da nicht ein Moment geistiger Tätigkeit vor, welches aus keiner Empfindung herausgelesen werden kann? Freilich hat sich das Idealisieren sehr verschieden gezeigt und ansich kann es nicht (in platonischer Weise) einen Anspruch auf einen objektiven Wahrheitswert erheben. Nichtsdestoweniger kommt keine Wissenschaft ohne seine Hilfe zustande, ist nicht bloß eine Empfindungsverknüpfung. MACH kann ein solches Moment auch sonst nicht entbehren. Seite 224-225 schreibt er:
    "Bei hinreichender Beständigkeit unserer Umgebung entwickelt sich eine entsprechende Beständigkeit der Gedanken. Vermöge dieser Beständigkeit streben sie die halb beobachteten Tatsachen zu vervollständigen. Dieser Vervollständigungsbetrieb entspringt nicht der eben beobachteten einzelnen Tatsache, er ist auch nicht mit Absicht erzeugt; wir finden ihn, ohne unser Zutun, in uns vor. Er steht uns wie eine fremde Macht gegenüber, die uns doch stets begleitet und hilft, die wir eben brauchen, um die Tatsache zu ergänzen. Obgleich er durch die Erfahrung entwickelt ist, liegt in ihm mehr als in der einzelnen Erfahrung. ... Der Mensch mit seinen Gedanken und seinen Trieben ist eben auch ein Stück Natur, das sich zur Einzeltatsache hinzufügt. Anspruch auf Unfehlbarkeit hat aber dieser Trieb keineswegs, und eine Notwendigkeit für die Tatsachen, ihm zu entsprechen, besteht durchaus nicht."
Vergeblich sind hier alle Worte MACHs, diesem Ergänzungstrieb seine idealisierende, über die Empfindung hinausreichende Art zu nehmen. Was ihn dazu führt, ist, daß das Denken und sein Streben allerdings nach den Ergebnissen der realen Wissenschaft nicht aus sich selbst gleichsam Herr und Gebieter der Welt ist, sondern nur haltbare Resultate liefert in einem steten Anschluß an die Empfindung und in einer Bewährung seiner Resultate durch dieselbe, aber daß es ansich über die Empfindung hinausgeht, kann man ihm nicht abdisputieren. Das Wort "Trieb" macht etwas noch nicht zur Empfindung.

- MACH will den Ursachbegriff durch den mathematischen Funktionsbegriff ersetzen. Seite 66:
    "Ich habe schon vor langer Zeit versucht, den Ursachbegriff durch den mathematischen Funktionsbegriff zu ersetzen: Abhängigkeit der Erscheinungen voneinander, genauer: Abhängigkeit der Merkmale der Erscheinungen voneinander."
Bei seiner Herleitung der Mathematik würde ihm das nichts helfen. Die ist ja bloß eine abstrakt gemachte Empfindungslehre; wir müßten eigentlich dieselbe Schwierigkeit, die er in der Ursache findet: Notwendigkeit des Zusammenhangs, wo doch nur ein Empfindungszusammenhang oder ein Aufeinanderfolgen gegeben ist, auch dort finden, und wenn er sie nicht findet, so kommt das eben davon, daß die Mathematik ansich noch eine andere Auffassung verfolgt als die Empfindungswelt, ihre Idealisierungen können als Ersatz dieser Empfindungsdaten ohne weiteres gebraucht werden. Übrigens ist der Gegensatz, den MACH allein statuiert: innere Anschauung, die nichts zu lernen braucht, und Erfahrungen, d. h. Empfindungen, gar nicht der ausschließliche Gesichtspunkt, und sein Ansatz der mathematischen Notwendigkeit und der mathematischen Phantasie trifft die Eigentümlichkeiten beider nicht. Danach müßte jede konstante Erfahrung sich in uns in einer Denknotwendigkeit, d. h. einer Unmöglichkeit des Gegenteils, umwandeln, und wie vielfach hat man in der Geometrie Entwürfe gemacht, zu denen sich Jahrhunderte lang keine physischen Gegenbilder finden ließen, und doch sollen dies nach MACH alles Nachbilder von Erinnerungen sein. Jene Funktionsabhängigkeit ist für MACH dann das große Ziel der Wissenschaft. Nach Seite 156
    "bezieht sich jede wissenschaftliche Aufgabe, die für ein menschliches Individuum einen Sinn haben kann, auf Ermittlung der Abhängigkeit der Elemente voneinander."
Seite 222 drückt er sich so aus:
    "Es bleibt nur eine Art von Beständigkeit, die alle vorkommenden Fälle von Beständigkeit umfaßt, die Beständigkeit der Verbindung (oder Beziehung). Was wir Materie nennen, ist ein gewissesr, gesetzmäßiger Zusammenhang der Elemente (Empfindungen)."
MACH hat eine hohe Meinung von dem, was so erreichbar ist. Von DUBOIS-REYMONDs "Ignorabimus" schreibt er Seite 209:
    "Daß ein prinzipiell als unlösbar erkanntes Problem auf einer verkehrten Fragestellung beruhen muß, hat DUBOIS nicht erkannt."
Freilich soll nach Seite 223 mit seinem eigenen Standpunkt
    "keine neue Philosophie, keine neue Metaphysik geschaffen, sondern einem augenblicklichen Streben der positiven Wissenschaften nach gegenseitigem Anschluß entsprochen werden."
Aber er diktiert ganz "anti-metaphysisch" Seite 229: "Die Natur ist ein Ganzes." Seite 153: "Die organischen Wesen sind ... im wesentlichen dynamische Gleichgewichtsformen von Strömen von Materie und Energie." Seite 154 spricht er sich über LOEBs Arbeiten (über Tropismen der Tiere) so aus:
    "Das Leben des Nervensystem wird auf segmentale Reflexe zurückgeführt, das Gehirn selbst als eine Anordnung von Segmenten betrachtet. In all diesen Ansichten liegt, soweit ich dies beurteilen kann, ein glückliches (Seite 155) und bedeutsames Streben, sich von unnütz verwickelten, mit Metaphysik durchsetzten Annahmen zu befreien."
Hält MACH wirklich damit alle Fragen über Geistiges abgetan? Er selbst schreibt Seite 230:
    "Durch das Vorstellungsleben tritt die Tatsache erst aus ihrer Isoliertheit heraus, kommt dieselbe mit einer Fülle anderer Tatsachen in Kontakt und gewinnt nun Bestimmtheit durch die Forderung der Übereinstimmung mit der letzteren und durch die Ausschließung des Widerspruchs."
Aber tapfer bei sich selbst stehend fügt er sofort bei:
    "Die Psychologie ist Hilfswissenschaft der Physik, - der Gegensatz von Subjekt und Objekt (im gewöhnlichen Sinn) besteht auf unserem Standpunkt nicht."
Was erreicht er aber tatsächlich? Er setzt den Darwinismus voraus und nach ihm Seite 59
    "verspricht eine Psychologie, in Darwin-Spencerschem Sinne auf Entwicklungslehre gegründet, aber auf positiver Detailforschung fußend, reichere Resultate als alle bisherige Spekulation",
wobei wieder der fatale Gegensatz gemacht wird, als gäbe es nur das eine oder das andere. In darwinistischen Sinn schreibt er Seite 61:
    "Der lustsuchende und schmerzfliehende Wille muß also wohl weiter reichen als an die Erhaltung der Art. Er erhält die Art, wenn es sich lohnt, er vernichtet sie, wenn ihr Bestand sich nicht mehr lohnt",
und macht dazu die Anmerkung:
    "Man kann den Schopenhauerschen Gedanken der Beziehung von Willen und Kraft ganz wohl annehmen, ohne in beiden etwas Metaphysisches zu sehen."
Wie dies freilich nicht Metaphysik sein soll, ist schwer zu fassen. Der Wille selbst ist für MACH nach Seite 72
    "die Gesamtheit der teilweise bewußten und mit Voraussicht des Erfolges verbundenen Bedingungen einer Bewegung".
Diese Bedingungen sind ihm Erinnerungsspuren früherer Erlebnisse und deren Verbindung (Assoziation). Seite 115 wird Wille gleichgesetzt mit Innervation [Nervenimpuls - wp]. Nach Seite 118
    "müssen die Willenserscheinungen aus den organisch-physischen Kräften allein, wie wir kurz, aber allgemeinverständlich sagen wollen, begreiflich sein."
Nach Seite 119
    "liegt für das reflektierende Subjekt das Charakteristische der Willkürhandlung - darin, daß es das Bestimmende derselben in den eigenen Vorstellungen erkennt, welche die Handlung antizipieren."
Das ist ja gerade das Metaphysische, daß man einen engbegrenzten Begriff erweiternd zum allgemeinen Erklärungsprinzip von allem macht. Wesentlich bleibt MACHs Empfindungsmonismus eine Hoffnung. So schreibt MACH Seite 73:
    "Es scheint da (bei Gedächtnis und Assoziation) fast keine Analogie zwischen Organischem und Anorganischem zu bestehen. In der Sinnesphysiologie können aber vielleicht die psychologische und physikalische Beobachtung bis zur gegenseitigen Berührung vordringen und uns so neue Tatsachen zur Kenntnis bringen, aus dieser Untersuchung wird kein Dualismus hervorgehen, sondern eine Wissenschaft, welche Organisches und Anorganisches umfaßt und die den beiden Gebieten gemeinsamen Tatsachen darstellt."
Die Versuche, die er bietet, umgehen aber nur die Schwierigkeiten. So Seite 69 betreffs der Anlagen für die Zukunft in Organismen.
    "Dasselbe kann auch angesehen werden als ein Vergangenes der Vorfahren, welches Spuren zurückgelassen hat. - Es ist dann nicht eine mögliche Zukunft, die wirken könnte, sondern eine gewiß unzähligemale dagewesene Vergangenheit, die gewiß gewirkt hat".
Aber die erste Entstehung des Organischen ist damit nicht verständlich gemacht, denn auch die unorganischen Körper wirken aufgrund einer unzähligemale dagewesenen Vergangenheit.

Seite 204 macht MACH eine Einwendung gegen WALLACE' bloßen Darwinismus beim Menschen:
    "Was hat diese Gehörsentwicklung (Musik) mit der Arterhaltung zu schaffen? Geht sie nicht weit über das Notwendige oder überhaupt nur Nützliche hinaus?"
Seine Lösung: "eigentlich kann man in Bezug auf jede Kunst dieselbe Frage stellen", ist eine Verschärfung der Einwendung. Seite 237 gesteht MACH rundweg:
    "Die Organismen sind ein eigenartiges Stück Natur von sehr begrenzter und mäßiger Stabilität. ... Es wird am zweckmäßigsten sein, die Grenzen unseres Wissens, die sich überall zeigen, anzuerkennen und das Streben nach eindeutiger Bestimmtheit als ein Ideal anzusehen, das wir in unserem Denken soweit als möglich verwirklichen."
Das sind sehr verständige Worte, nur würde sich daraus auch folgern lasen, daß man vielleicht das monistische MACHsche und sonstige Ideal überhaupt aufgeben muß. Sehr anti-monistisch, aber naturwissenschaftlich treffend, sind auch die Äußerungen Seite 236-237:
    "Veränderungen können nur durch Differenzen bestimmt werden und im Unterschiedslosen gibt es keine Bestimmung. - Es würde bald überhaupt nichts mehr geschehen, wenn nicht von außen diffrenzsetzende Umstände eindringen würden (in unsere beschränkte Umgebung)".
Diese Äußerungen sind anti-monistisch, weil sie mit dem Zugeständnis der Unterschiede den strengen Monismus, die Einheit des Seins, tatsächlich aufgeben.
LITERATUR: Julius Baumann, Wo steckt der Fehler oder die Einseitigkeit in Machs philosophischen Ansichten?, Archiv für systematische Philosophie, Neue Folge der Philosophischen Monatshefte, Bd. VII, Berlin 1901