ra-2von AlleschJ. Cohnvon KernM. DessoirA. Döring    
 
RUDOLF AMESEDER
(1877-1937)
Über Wertschönheit

"Suggerierbar ist zunächst nur ein Urteil und mit dem Urteil ein Wertgefühl; eine unmittelbare Übertragung ästhetischer Gefühle ist empirisch nicht beglaubigt, und das Vermitteln von Vorstellungen, welche ihrerseits Voraussetzungen für ästhetische Gefühle abgeben, ist nicht als Gefühlssuggestion aufzufassen. Dagegen läßt sich das Urteil  X ist schön sehr wohl suggerieren und wird dann ein auf  X gerichtetes Wertgefühl vermitteln."

STEPHAN WITASEK hat in seinen "Grundzügen" (1) auf ein Tatsachengebiet aufmerksam gemacht, das meines Erachtens in der Ästhetik eine sehr bedeutungsvolle Stellung einzunehmen berufen ist, das der Wertschönheit. Der von ihm festgestellte Zusammenhang von ästhetischem Verhalten und Wertverhalten bleibt auch dann zu Recht bestehen, wenn - wie hier - an der Interpretation des Zusammenhangs mehr oder minder erhebliche Modifikationen versucht werden.

Die Tatsachen, welche sich auf diesem Gebiet der Untersuchung darbieten, sind folgende. Unser ästhetisches Verhalten richtet sich häufig auf Eigenschaften von Objekten, ohne durch die sinnlich wahrnehmbaren Merkmale, oder durch die Gestalt, oder schließlich durch das Ausdrucksvolle dieser Gegenstände in seiner Eigenart bestimmt zu sein. Das letztere läßt sich mit Sicherheit feststellen, da das ästhetische Verhalten, wie es durch Empfindungsgegenstände, durch Gestalten oder durch den Ausdruck bedingt ist, sich deutlich von der hier behandelten Art des Ästhetischen unterscheidet, häufig genug sich auch neben ihr vorfindet. Die Gegenstände dieser ästhetischen Klasse sind dadurch in übereinstimmender Weise gekennzeichnet, daß sie zugleich (2) wertvoll sind. Darin nun sucht WITASEK die Grundlage für seine Analyse dieser besonderen Art ästhetischer Reaktion.

Das ästhetische Verhalten ist dabei, wie er vermutet, kein ursprüngliches, spontan eintretendes, wie etwa die Freude an einer "schönen" Farbe, sondern ein in seinem Dasein an das Vorhergehen bestimmter Erlebnisse gebundenes, also aus dem Effekt eben dieser Erlebnisse abgeleitetes. Das einzige ursprüngliche Verhalten dieser ästhetischen Gegenstände zu unserem Gemütsleben scheint darin zu bestehen, daß sie wertvoll sind; also muß wohl die Gewohnheit, jene Objekte wertzuhalten, die Fähigkeit herbeiführen, auf sie ästhetisch zu reagieren.

Wie die Ableitung, nämlich das Entstehen einer ästhetischen Reaktion aus unserem ursprünglichen Verhalten zum wertvollen Gegenstand WITASEKs Auffassung entsprechend genauer zu denken wäre, ergibt sich bei näherer Betrachtung der Wertgefühle und der ästhetischen Gefühle.
Wenn ein Gefühl, egal welcher Art, sich auf einen Gegenstand richtet, so steht dieses Gefühl niemals allein, sondern es bedarf eines intellektuellen Tatbestandes, mittels welchem der Gegenstand zunächst erfaßt wird. Zum Beispiel sehe ich eine Farbe und freue mich an ihr, ich reproduziere eine Melodie und sie gefällt mir, oder ich glaube, daß ein Ereignis eintreten wird, und bin betrübt darüber usw. Die  Wahrnehmungsvorstellung von der Farbe, die  reproduzierte Vorstellung von der Melodie, die  Überzeugung (das Urteil) (3) vom Eintreten des Ereignisses sind also hier die Voraussetzungen der Gefühle, die mit ihnen natürlich in einen sehr festen, für den in psychologischer Analyse Ungeübten häufig sogar einfach aussehenden Komplex eingehen. Ob die Gefühlskomponente dieses Komplexes qualitativ variabel ist, mag derzeit dahingestellt bleiben, jedenfalls variiert der ganze Komplex mit der intellektuellen Voraussetzung. Gefühle mit einem Urteil, das seinerseits natürlich auf Vorstellungen aufgebaut ist, als Voraussetzung sind z. B. Wertgefühle; diejenigen Gefühle, welche bloß Vorstellungen zur Voraussetzung haben, sind allerdings nicht so einheitlich zu charakterisieren - nach WITASEK sind jedenfalls alle ästhetischen Gefühle  Vorstellungsgefühle, d. h. sie haben Vorstellungen zur Voraussetzung.

Auch nicht alle Wertgefühle sind ursprünglich; zu vielen Objekten bildet sich erst im Lauf der Zeit oder aber im Hinblick auf ihren Zweck und dergleichen eine derartige Beziehung, daß die Überzeugung von ihrem Dasein oder Nichtdasein mit Lust oder Unlust verknüpft ist. Es bildet sich also eine  Disposition zum Werthalten dieser Objekte, derzufolge die Vorstellung vom Objekt verbunden mit der Überzeugung von seiner Existenz oder Nichtexistenz das Gefühl eintreten läßt, das dann natürlich ein Urteils-, näher ein Wertgefühl ist. "Ist nun" - meint WITASEK - "ein Gegenstand in der Regel mit einem Wertgefühl verbunden, so wird sich unter Umständen die ihm dadurch anhaftende emotionale Betonung auch dann regen, wenn das Urteil, das normalerweise die Voraussetzung des Wertgefühls ist, einmal ausbleibt. " (4) Da die Gefühlsdisposition dann aber nur durch eine Vorstellung ausgelöst wird und sich im aktuellen Tatbestand nur Vorstellung und Gefühlsbetonung finden, ist das so entstandene Gefühl als Vorstellungsgefühl zu bestimmen. Es würde also auf diese Weise verständlich, daß man auf Objekte ursprünglich nur mit Wertgefühlen, im Lauf der Zeit aber ästhetisch reagiert. (5)

Der Erklärungsversuch WITASEKs wird erst zu überprüfen sein. Vorher aber wird es sich darum handeln, einen Überblick über das Gebiet der Wertschönheit zu gewinnen, und dabei kann jene Gebundenheit des in Rede stehenden ästhetischen Verhaltens an den Wert einerseits als Kennzeichen der hierhergehörigen Fälle dienen, andererseits mag der Ausschluß von Empfindungsgegenständen, Gestalten und von Ausdrucksvollem eine genügende Einschränktung des Untersuchungsgebietes geben.

Die Möglichkeit, das Gebiet der Wertschönheit nach außen hin abzugrenzen, gestattet es, auch innerhalb derselben Typen zu unterscheiden, deren Aufzählung zwar keine Sicherheit für Vollständigkeit wird beanspruchen können, die aber immerhin das treffen dürften, was für die ästhetische Betrachtung in den Vordergrund zu stehen kommt. Den Ausgangspunkt für eine solche Typenaufzählung sollte wohl die Unterscheidung der psychologischen Voraussetzungen machen; allein diese sind durchweg Gestaltvorstellungen, deren Unterschiede für das wertästhetische Gefühl (6) scheinbar irrelevant sind. Hingegen dürfte es für die Eigenart des wertästhetischen Verhaltens nicht belanglos sein, auf welche Weise die oben erwähnte Disposition zustande kommt, welcher das Vorstellungsgefühl sein Dasein verdankt.

Die Gegenstände des wertästhetischen Verhaltens, zunächst die normgemäßen Gegenstände, haben nicht einen ursprünglichen Eigenwert, sondern nur einen abgeleiteten. Dies folgt zwar nicht aus der Natur der Wertschönheit, gilt aber, soweit ich sehe, durchgängig. Es wird also durch Wertübertragung (7) eine Disposition zur Werthaltung des betreffenden Gegenstandes geschaffen und das Entstehen dieser Disposition kann sich auf mancherlei Weise vollziehen. Andererseits kann auch die Umbildung der Werthaltungsdisposition in eine solche für Vorstellungsgefühle Variationen aufweisen, indem das ästhetische Gefühl in einzelnen Fällen neben einem Wertgefühl auftritt, in anderen nicht, manchmal die Beziehung zum wertvermittelnden Objekt für das Zustandekommen des ästhetischen Verhaltens erfaßt sein muß, manchmal nicht.

Nun ist gattungsmäßige Schönheit zu finden nur der fähig, der eine Menge Repräsentanten dieser Gattung kennt. So erscheint uns das Kamel häßlich, dem Araber schön. Es ist dabei wohl sehr wahrscheinlich, daß jene Gestalteigenheiten, welche z. B. ein Pferd als besonders tüchtig erscheinen lassen, dieselben sind, auf welche sich unser ästhetisches Verhalten richtet. Es ist jedoch gar nicht notwendig, daß diese Tüchtigkeit erkannt werde, damit das ästhetische Verhalten eintreten könne. Auch wer über die praktische Verwendung der Pferde z. B. gar keine ausreichende Erfahrung hat, wird das schöne Pferd vom häßlichen unterscheiden, obwohl ja diese Schönheit keine der bloßen Form ist. Bedingung dafür ist nur, daß er ausreichend viele Pferde gesehen habe.

Der Widerspruch welcher darin zu liegen scheint, daß die gattungsmäßige Schönheit durch die Zweckmäßigkeit im Rahmen dieser Gattung bedingt ist, aber daß sie von jemand erfaßt werden kann, der unfähig ist diese Zweckmäßigkeit zu beurteilen, läßt sich mit Zuhilfenahme einer einfachen Beobachtung beseitigen. Zwar ist dies nicht etwa so möglich, daß man sich das Urteil über die Beziehung zum Zweck im Lauf der Zeit ausgeschaltet denkt, da ja eben auch derjenige fähig ist, diese Art von Wertschönheit zu erfassen, der dieses Urteil überhaupt nicht zu fällen vermag. Das Werthalten muß vielmehr ein von der Zweckmäßigkeit ganz unabhängiges sein und nur dem Ergebnis nach mit ihr in gewisser Weise übereinstimmen. Es scheint nämlich, daß wir durchgehend dasjenige, woran wir uns gewöhnt haben, werthalten und daß das "Gewöhnen" seiner emotionalen Seite nach als das Entstehen einer Werthaltungsposition aufzufassen ist, die sich zum Teil mehr in negativer Art äußert, indem sie einem sonst mit Unlust verbundenen Erlebnis seine Unannehmlichkeit benimtt oder aber direkt aus gleichgültigen Objekten lustbringende macht, mindestens solche, deren Ausbleiben mit Unlust verbunden ist. Die Erfahrungen, welche für diese Auffassung sprechen, sind überaus zahlreiche. Zwar wird man sich hüten müssen, solche heranzuziehen, bei welchen dem betreffenden Objekt ein Wirkungswert zukommt, der sich im Lauf der Zeit in einen Eigenwert verwandelt. Aber ich entschließe mich beispielsweise auch schwerer, einen Tisch aus meinem Arbeitsraum entfernen zu lassen, den ich nie benützt habe, bloß weil er lange darin gestanden hat und ich mich an seinen Anblick gewöhnt habe. Gewinnt aber ein Objekt durch Gewöhnung Eigenwert (8), dann ist es begreiflich, daß jene Eigenschaften eines Individuums einen solchen Wert aufweisen mögen, welche mir an den meisten Individuen seiner Gattung begegnet sind. Es mag anderweitig wahrscheinlich sein, daß sich die gattungsgemäßen Eigenschaften innerhalb der Gattung auch am häufigsten verwirklicht finden, die gattungsgemäßen sind aber wohl die für den Organismus zuträglichsten, zweckmäßigsten. So erklärt es sich vielleicht, warum das für den Repräsentanten der Gattung Zweckmäßige von uns wertgehalten wird, obwohl wir diese Zweckmäßigkeit nicht erfassen und wohl auch zu erfassen häufig gar nicht fähig sind.

WITASEK hat auch zu zeigen versucht, wie aus der Werthaltung des Gattungsmäßigen, das - wie sich eben gezeigt hat - zugleich das Zweckmäßige ist, ein ästhetisches Gefühl werden kann. Seiner Ansicht nach liegt hier eine Verkürzung des psychischen Verlaufs vor, wie sie ja häufig zu beobachten ist. Tritt das Existenzialurteil immer mit der Vorstellung des betreffenden Gegenstandes einerseits, mit Wertverlust andererseits verknüpft auf, so meint er, es könnte sich leicht eine derartige Beziehung zwischen der Vorstellung und der Lust einstellen, daß diese ohne Vermittlung eines Urteils durch jene Vorstellung ausgelöst wird. (9) - Auch der ästhetische Charakter des so resultierenden Gefühls wäre durch diese Position leicht verständlich gemacht. Die Voraussetzung ist beim Ausfall des Urteils nur die Vorstellung, das Lustelement ist in beiden Fällen das gleiche, daher ist dieser Komplex als Vorstellungsgefühl anzusprechen.

Indessen hat diese Auffassung neben ihren ersichtlichen Vorzuügen doch den Nachteil, den Tatsachen nicht voll gerecht zu werden. Zunächst ist es deutlich,  wo eine solche Verkürzung des psychischen Verlaufes durch den Ausfall eines Gliedes eine unumstößliche Sache ist, nämlich bei den Vorstellungsassoziationen. Wir die Reihe  m, p, q öfter vorgestellt, dann tritt nicht nur eine Assoziation der nebeneinanderstehenden Glieder ein, sondern es sich auch  q mit  m assoziiert, obwohl diese Verbindung nicht explizit vorgestellt wurde. Ähnlich scheint hier aus der Reihe: Vorstellung - Urteil - Gefühl das Urteil ausfallen zu können. Aber die Gesetze der Assoziation sind aber nicht ohne weiteres auf das Gefühlsleben übertragbar, zumal das Gefühl einerseits hier keinesfalls an das Urteil assoziiert ist, andererseits ein Gefühl, das an eine Vorstellung assoziiert wäre, immerhin eine andere Voraussetzung haben könnte, als  diese Vorstellung. Nun beansprucht aber ferner WITASEK für dieses durch den verkürzten Vorgang enstanden Gefühl ästhetischen Charakter. Hat sich aber einmal jene Umwandlung vollzogen, derzufolge ästhetisch wirkt, was ehedem bloß wert war, dann bleibt erfahrungsgemäß der ästhetische Charakter des Gefühls noch bestehen, auch wenn neben der Vorstellung das erforderliche Urteil eintritt. Dieser Umstand scheint ausreichend, um die vorliegende Erklärung durch eine Betrachtung zu ersetzen, die allerdings viel weniger Erklärung ist. Wird nämlich das durch den Komplex von Vorstellung, Urteil und Gefühl etwas äußerlich (10) dargestellte Wertgefühl dadurch zum ästhetischen, daß das Urteil außerhalb der Reihe ausfällt, dann müßte, zumal bei der von WITASEK angenommenen qualitativen Einzigkeit der Lust ein solches ästhetisches Gefühl wieder zum Wertgefühl werden, wenn ein Existenzialurteil mit dem gleichen Objekt zur Vorstellung hinzuträte. Dies wird aber durch die Erfahrung, wie oben erwähnt, nicht bestätigt; der ästhetische Charakter des Lustgefühls bleibt zumeist bestehen, wenn daneben geurteilt wird, ja sogar dann, wenn das hinzutretenden Existenzialurteil ein negatives ist, wobei (sofern überhaupt) ein negatives Wertgefühl neben dem positiven ästhetischen Gefühl zu bemerken ist. Hält man jedoch nicht an der qualitativen Einzigkeit der Lust fest, dann wird man sich einstweilen damit begnügen müssen, daß man die gleichzeitige Begründung einer ästhetischen Gefühlsdisposition  neben der des Wertgefühls feststellt.

Dieselbe Erwägung, welche für das Entstehen der Wertgefühlsdisposition statthaft ist, kann auch das Entstehen der ästhetischen Gefühle dem Verständnis näher bringen. Nichts ist vollständig wertlos, sondern alles hat einen, wenn auch untermerklichen, positiven oder negativen Wert. Übermerkliche Gefühle stumpfen sich zwar ab, d. h. das Erleben des Gefühls setzt die Disposition zur Wiederholung dieses Erlebnisses herab; und die Voraussetzung desselben Sachverhaltes wird wohl auch bei untermerklichen Gefühlen nicht abzulehnen sein. Aber im selben Grad, in dem die Stärke des Gefühls abnimmt, wächst auch das Bedürfnis nach dem Objekt desselben, die Unwerthaltung für das Ausbleiben desselben. Und diese kann wohl eine Disposition für übermerkliche Gefühle werden. Der Wert eines Objekts wird seiner Größe nach durch die Unwerthaltung für den Nichtexistenzfall ebenso ausgemacht wie durch die Werthaltung seiner Existenz. (11) Auch  ästhetisch Indifferentes kann es im strengen Sinn nicht geben. Wenn nun die ohnehin untermerklichen ästhetischen Gefühle durch Gewöhnung gleichfalls herabgesetzt werden, so wird die Schönheit, hier die normgemäße, ihrer Größe nach doch auch durch die Gefühlsdisposition bestimmt, die durch das Fehlen der in Rede stehenden Eigenschaften an einem vorgegebenen Komplex erregt wird. (12) Es ist nicht einmal  notwendig, daß die ästhetische Gefühlsdisposition  neben der Werthaltung eintritt; ihr Zusammenhang könnte ein ebenso äußerlicher sein, wie etwa das Zusammentreffen des Zweckmäßigen und des Wertgehaltenen im oben dargelegten Sinn. Es ist aber doch bemerkenswert, daß dieses ästhetische Verhalten überall und wie mir scheint auch nur dort auftritt, wo das charakterisierte Wertverhalten vorliegt. Es wäre zumindes sehr wahrscheinlich, daß das Entstehen der Werthaltungsdisposition das gleichzeitige Entstehen der Disposition für das ästhetische Verhalten begünstigt, und so erscheint die Bezeichnung "Wertschönheit" wenigstens als rein deskriptig gemeinte vollkommen berechtigt.

Die Lustgefühle, sowohl die ästhetischen als die Wertgefühle, welche ein vorzüglicher Repräsentant einer Gattung auslöst, sind nun allerdings recht übermerklich, was mit der vorgebrachten Ansicht fürs erste nicht gut vereinbar scheint. Jedoch darf nicht außer acht gelassen werden, daß der vorzügliche Repräsentant in allen oder vielen Stücken unseren ästhetischen Bedürfnissen entspricht, während wir sond die einzelne gattungsmäße Eigenschaft nur neben anderen minder entsprechenden vorzufinden in der Lage sind.

ANNA TUMARKIN sagt in der sehr gründlichen Besprechung der Ästhetik WITASEKs (Bericht über die deutsche ästhet. Lit. 1900 - 1905, Archiv für syst. Philosophie, Bd. 11, Heft 3): "Die Übertragung des Wertgefühls kann das bereits vorhandene ästhetische Gefühl steigern, bzw. dessen Entwicklung begünstigen ; sie kann es aber nicht erzeugen, wie es bei WITASEK bei der Wertschönheit, wenn sie sich an eine ästhetisch gleichgültige Gestalt knüpft, der Fall sein müßte." Damit ist vorläufig nur ein Zweifel ausgesprochen; ich kann aber nicht absehen, wo die Instanzen dafür liegen sollten, daß die Übertragung des Wertgefühls kein ästhetisches Gefühl erzeugen  kann, zumal es sich hier um WITASEKs Auffassung handelt, derzufolge das Wertgefühl selbst jene qualitative Veränderung erleidet, also ein "Erzeugen" eigentlich nicht postuliert ist. Die Fälle sonst ästhetisch ausreichend indifferenter Gegenstände mit Wertschönheit sind übrigens wirklich häufig genug. Es genügt aber für die Eigenart der Wertschönheit, wenn das Wertverhalten das ästhetische Verhalten zu denselben Objekten nur steigert, sofern dieses Steigern sicher auf Rechung des Wertverhaltens zu setzen ist. Es gibt ja auch keine Gestaltschönheit, ohne daß irgendwelche ästhetische Eigenschaften der Empfindungsgegenstände gleichzeitig vorlägen, ebensowenig gibt es eine Schönheit des Ausdrucks, ohne daß sich dieser Ausdruck an eine schöne oder häßliche Gestalt knüpfte usw. Die Wertschönheit ist eben nur eine Komponente dessen, was wir die Schönheit des betreffenden Objektes nennen; das ist sie aber ebensogut wie die "Formschönheit" oder die "Ausdrucksschönheit".

Die Mitbegründung ästhetischer durch Werthaltungsdispositionen gibt auch eine Möglichkeit ästhetischer Suggestionen und damit ästhetischer Erziehung, die allerdings mittelbarer auch ohne eine solche Suggestion geleistet werden kann. Suggerierbar ist zunächst nur ein Urteil und mit dem Urteil ein Wertgefühl; eine unmittelbare Übertragung ästhetischer Gefühle ist empirisch nicht beglaubigt, und das Vermitteln von Vorstellungen (13), welche ihrerseits Voraussetzungen für ästhetische Gefühle abgeben, ist nicht als Gefühlssuggestion aufzufassen. Dagegen läßt sich das Urteil "x ist schön" sehr wohl suggerieren und wird dann ein auf  x gerichtetes Wertgefühl vermitteln. Bei diesem Vermitteln, das ja im Begründen einer Werthaltungsdisposition für  x besteht, würde dann in ähnlicher Weise wie bei den bisherigen Fällen die wertästhetische Disposition mitbegründet. (14)

Der Unterschied zwischen diesem Fall von ästhetischer Suggestion und jenem von Gewöhnung besteht schon darin, daß die hervorgerufenen Wertgefühle im Suggestionsfall übermerklich sind, im Gewöhnungsfall untermerklich. Praktisch unterscheiden sich beide sehr stark durch ihre Gegenstände. Von der ersten Gruppe hat sich gezeigt, daß sie dasjenige ästhetisch bevorzugt, was gleichzeitig im Rahmen der Gattung zweckmäßig ist; von der zweiten gilt das keineswegs. Nicht das Norgemäße ist es, was hier gefällt, sondern oft genug das Normwidrige, sofern sein Wert nur von ausreichend suggestionsfähigen Individuen vertreten wird. Diese Art der Begründung ästhetischer Dispositionen scheint vorzugsweise dann vorzuliegen, wenn ein Subjekt etwa auf eine neue Mode ästhetisch reagiert. Natürlich kann sich das Gefallen an der Mode auch auf dem ersten Weg vollziehen, doch dann unter einem anderen Aspekt; sie wird erst schön gefunden, wenn ausreichend viel ihr entsprechende Objekte auf das Subjekt eingewirkt haben.

In noch immer deutlichem Zusammenhang mit den beiden vorgebrachten Typen des Wertästhetischen steht das Zweckgemäße. Unser ästhetische Verhalten dem Zweckmäßigen gegenüber sieht zwar zunächst insofern recht kompliziert aus, als hier einige Urteile als Voraussetzung des Gefühls notwendig zu sein scheinen. Gefällt ein Werkzeug, weil es ersichtlich zu seinem Zweck gut taugt, so schein doch sein Zweck durch ein Urteil erst erfaßt sein zu müssen und andererseits auch darüber geurteilt zu sein, wieweit der Gegenstand diesem Zweck entspricht. Schon die Annahme leistet hier etwas völlig anderes als das Urteil; natürlich kann überhaupt nur das erste Urteil durch einen Annahme ersetzt werden. Irgendein Schneidewerkzeug z. B. erweist sich zu seinem Zweck als minder tauglich, weil es nur an der Spitze geschärft ist, dagegen wäre es zum Stechen wohl zu gebrauchen. Was sich dabei psychisch vollzieht, ist 1. das Urteil: der Zweck des Dings ist das Schneiden; 2. das Urteil: hierzu taugt es nicht; 3. die Unwerthaltung des Objektes. - Im zweiten Fall liegt 1. die Annahme vor: der Zweck ist das Stechen; 2. das Urteil: dazu taugt das Ding; 3. ergibt sich das in diesem Fall positive Wertverhalten. Das zweite Urteil über die Tauglichkeit des Werkzeugs zum vorgegebenen Zweck ist deshalb nicht durch eine Annahme ersetzbar, weil das Wertverhalten dann nicht auf die tatsächlich vorliegenden Eigenschaften des Werkzeugs gerichtet wäre, sondern auf solche, die ihm eventuell nicht zukommen; es ist ja möglich, das Urteil zu fällen: "Der Zweck des Werkzeugs ist das Schneiden", ferner die Annahme zu machen, daß das Instrument hierzu tauglich sei. Daraus resultiert dann ein Phantasiewertverhalten, (15) welches aber nicht mehr auf das vorliegende, zum Schneiden untaugliche, sondern auf ein taugliches Objekt gerichtet ist. Unser wertästhetisches Verhalten ist auf die tatsächliche Tauglichkeit eines Objekt zu einem tatsächlich vorliegenden Zweck gerichtet, und deshalb kann keine der beiden erwähnten Annahmen dabei eine Rolle spielen. An den angeführten Beispielen hat sich aber auch gezeigt, daß die beiden Urteile über den Zweck und die Tauglichkeit Voraussetzungen für ein Wertverhalten und nicht für ein ästhetisches abgeben. Beim wertästhetischen Verhalten sind also sowohl diese Urteile als diese Annahmen ausgeschlossen, und andere kommen wohl nicht leicht in Betracht. Somit würden es die Vorstellungen sein, auf welche dieses Verhalten gegründet ist.

Eine ähnliche Betrachtungsweise wie für die gattungsmäßige Schönheit läßt sich hier nicht anwenden. Nicht jene Werkzeuge erklären wir für die schönsten, welche wir am häufigsten zu sehen bekommen, sondern jene, deren Form die Gebrauchstüchtigkeit am meisten "ersichtlich" macht, mag sie im übrigen noch so neu sein. Man muß sich aber dabei vor Augen halten, daß eine ästhetische Reaktion doch nur bei Gebrauchsgegenständen eintritt, deren Zweck uns genügend geläufig ist. Ein ausdrücklich auf den Zweck gerichtetes Urteil wird bei diesen nicht mehr auftreten müssen, der Gedanke an den Zweck ist vielmehr mit der Vorstellung der Form des Gegenstandes assoziiert, sie es daß dieser "Gedanke" selbst die Natur einer anschaulichen Vorstellung oder die einer unanschaulichen hat. Für solche Gegenstände nun haben wir Gefühlsdispositionen, die aber nicht etwa bloß durch Gewohnheit gewonnen sind, wie beim Gattungsmäßigen, sondern durch das urteilsmäßige Erfassen der in Rede stehenden Beziehungen. Aber dabei ist, wie schon erwähnt, festzuhalten, daß die Urteile nur für Wertgefühle die Voraussetzung sind, und ein ästhetisches Verhalten nur vorliegt, soweit diese Voraussetzung nicht gegeben ist. Den wertästhetischen Charakter hat das Reagieren des Subjekts auf Zweckschönheit daher, daß neben den Werthaltungen eine Vorstellungsdisposition begründet wird.

Die letzte Art von Wertschönheit, die sich der vorläufigen Betrachtung darbietet, scheint sich dadurch von anderen Fällen zu sondern, daß nicht Formen, Gestalten, sondern Beziehungen ihren Gegenstand ausmachen. In ihrer psychologischen Begründung dürften sie dem zuerst besprochenen Typus nahe kommen, doch bieten sie jedenfalls eine praktisch vollkommen gesonderte Gruppe. Wenn in einem Werk der bildenden Kunst, etwa einer Plastik, ein Körper so dargestellt ist, daß sich zwar die tatsächlich vorliegende Masse im Gleichgewicht befindet, der dargestellte Gegenstand aber mit den Gesetzen der Schwere nicht in Einklang steht (16), dann verzeichnen wir das als einen ästhetischen Mangel, in das Gebiet der Wertschönheit gehört dieser Fall deshalb, weil dieselbe Sachlage, sofern sie durch ein Urteil erfaßt wird, eine Unwerthaltung auslöst. Es mag sein, daß wir uns mit unseren Werthaltungen auf den Komplex sämtlicher Eigenschaften eines Gegenstandes zu richten pflegen und deshalb auf den Ausfall einer einzelnen mit Unlust reagieren; es ist aber dabei doch zu beachten, daß der Komplex hier viel weniger im Vordergrund steht als die Beziehung zwischen den Eigenschaften untereinander. Hat ein Komplex  K1 die Bestandstücke  a, b, c ... n, so kann jedes dieser Bestandstücke in anderen Komplexen auftreten, und zwar so, daß  a und  b immer verbunden sind,  c jedoch ohne  a oder  b auftreten kann. dann werden wir im Komplex  K1 das  c ästhetisch viel eher entbehren können als  a oder  b; mit anderen Worten: je allgemeiner die Verbindung zweier Eigenschaften vorkommt, desto größere ästhetische Unlust wird sich einstellen, wenn eine ohne die andere dargestellt ist. Der Mangel, welcher in der Verletzung dieser Regel besteht, wird als solcher der  Konsequenz bezeichnet. Der Fall von Darstellung einer Masse, welche der gewohnten Beziehung zur Schwere widerspricht, ist einer der schwersten Verstöße gegen die Konsequenz; ähnliches liegt, wenn auch in weniger fühlbarer Weise, bei der Verwendung "unechten" Materials vor, dem der Anschein des echten gegeben wird. Hier können allerdings noch andere Verhaltensweise einsetzen. Überzeugt man sich erst davon, daß man irrigerweise das verwendete Material für etwas anderes gehalten habe, dann fällt diese Enttäuschung samt ihren emotionalen Begleiterscheinungen natürlich nicht in des Gebiet des Ästhetischen; (17) die Begründung der Unlust kann aber auch daher kommen, daß das "echte" Material wertvoller ist als das "unechte". Dabei kann es sich wiederum um Wertgefühle handeln oder auch um ein durch Wertgefühle begründetes wertästhetisches Verhalten.

Sehr häufig wird man beobachten können, daß eine neue  Erkenntnis der Beschaffenheit eines Objekts das ästhetische Verhalten zu ihm beeinflußt. Besitzt man auch nur alltägliche Erfahrungen über den Zusammenhang von Zweckmäßigkeit und Schönheit, so wird das Urteil über die Zweckmäßigkeit eines Objekts leicht zu dem weiteren Urteil führen, daß es die Fähigkeit habe, ästhetisch zu wirken, auch wenn es gerade nicht ästhetisch wirkt. Wir aber  dieses Urteil zu einer emotionell ästhetischen Reaktion führen kann, ist weiter oben besprochen.

Natürlich besteht das wertästhetische Verhalten auch dieser letzten Gruppe nicht nur in Unlust. Wo die Konsequenz der Darstellung in besonders günstiger Weise zum Erfassen gelangt, stellen sich positive ästhethische Gefühle von ziemlicher Stärke ein.

Damit erscheint mir im großen die Mannigfaltigkeit des Wertschönen erschöpft. Die Typen, welche festzustellen Gelegenheit war, schließen sich nach den Grundlagen (18) der bezüglichen Reaktionsweisen am besten folgendermaßen zusammen:
    1. Die Gewöhnung begründet eine Werthaltungs- und daneben eine ästhetische Disposition
      a) für bestimmte Formen (z. B. gattungsmäßige Schönheit),
      b) für Beziehungen (Schönheit des Konsequenten).

    2. Was zu einem bestimmten wertgehaltenen Zweck tauglich erscheint, erhält durch Gefühlsübertragung Wirkungswert und gleichzeitig ästhetische Dignität. (Funktionsausdruck, Schönheit des Zweckmäßigen)

    3. Objekt, für welche uns eine Werthaltung suggeriert wurde, erhalten durch gleichzeitige Begründung einer ästhetischen Disposition den Charakter des Ästhetischen. (Die Schönheit dessen, was anderen und besonders allgemein als schön gilt.)
Bei den Ausgestaltungen des Wertschönen ist noch auf einen Unterschied hinzuweisen, der in der Kunst eine besondere Rolle spielt. Hier kann nämlich irgendein dargestellter Gegenstand ein normgemäßer oder anderweitig wertschöne sein; es kann aber auch die Darstellung selbst in den Rahmen der Wertschönheit fallen. In der bildenden Kunst ist die erste Art, die Wahl typischer Gegenstände, leichter zu beobachten; doch braucht nur daran erinnert zu werden, daß technische Neuerungen, das Aufkommen neuer Formate oder neuer Materialien anfänglich sehr häufig auf Mißfallen stößt, das erst im Lauf der Gewöhnung einem oft ganz positiven Gefallen Platz macht, um auch das Vorhandensein von Wertschönheit in den Darstellungsmitteln der bildenden Kunst zu erweisen. In der Musik scheint sich für die Wertschönheit zunächst überhaupt keine Gelegenheit zu bieten, da sie normalerweise nichts darstellt, sondern nur ausdrückt; die erste Art normgemäßer Gegenstände wird demnach auch in der Musik ziemlich fehle. Dagegen scheinen die Ausdrucks mittel in den Bereich des Wertästhetischen zu fallen. Zunächst ist die Tatsache beachtenswert, daß wir bis vor kurzem nur eine beschränäkte Anzahl von musikalischen Formen, wie Liedform, Rondo, Sonatensatz hatten, die als Normen galten, und von denen Abweichungen nicht nur in der Theorie, sondern wohl auch praktisch ästhetisches Mißfallen erregten, wenn die Abweichung nicht anderweitig kompensiert wurde. Für die Fuge im besonderen gelten strenge Regeln, deren Einhaltung für den musikalisch Erzogenen ästhetischen Reiz ausübt. Ähnliches ließe sich von praktischen Ausgestaltungen der Musik, wie dem Trauermarsch, dem gewöhnlichen Marsch und den einzelnen Tanzformen zur Geltung bringen.

Dies scheint jedoch noch nicht alles an Wertschönheit der Musik auszumachen, nur ist der Nachweis für das Vorliegen von Wertschönheit hier besonders schwierig, da sie meist mit Gestaltschönheit zusammengeht. Das Festhalten eines bestimmten Rhythmus oder wenigstens des Metrums entspringt sicher nicht nur der leichteren Auffassungsmöglichkeit, sondern zum Teil auch unseren Gewohnheiten, die aber dann wohl begründend sind für ein wertästhetisches Verhalten. Auch an die Tonfolge einer Melodie stellen wir bestimmte Anforderungen, die sich aus wertästhetischen Ursachen herleiten; das zeigt sich deutlich darin, daß verschiedene Völker Tonsysteme haben, die von unserem abweichen, und daß sie auf unseres mit Mißfallen reagieren. Daß auch in Harmonie und Modulation ähnliches gilt, zeigt das Verhalten hinsichtlich neuester musikalischer Richtungen, die anfänglich durchweg beinahe für häßlich, bald aber, doch wenigstens zum Teil, für ästhetisch überwertig gehalten werden.
LITERATUR Rudolf Ameseder, Über Wertschönheit, Zeitschrift für Ästhetik, Bd. 1, Stuttgart 1906
    Anmerkungen
    1) STEPHAN WITASEK, Grundzüge der allgemeinen Ästhetik, Leipzig 1904, Seite 45f und 80f
    2) EDITH LANDMANN-KALISCHER bezeichnet es (diese Zeitschrift, Seite 117) als eine Absurdität, wenn man behauptet, daß Schönheit kein Wert, das ästhetische Urteil kein Werturteil sei. Nun bestreitet wohl niemand, daß etwas Schöne zumeist Wert  hat, wie es Schönheit hat, aber deshalb  ist die Schönheit des Objektes nicht sein Wert, sondern sie begründet ihn höchstens. Demzufolge urteilt man auch über Verschiedenes, wenn man einmal über die Schönheit, ein andermal über den Wert eines Objektes urteilt.
    3) Unter "Überzeugung" oder "Urteil" ist hier nichts anderes zu verstehen, als was dem natürlichen Sprachgebrauch entspricht. Diesen, jedem geläufigen Tatbestand hat MEINONG als Voraussetzung desjenigen Gefühles erwiesen, mit welchem man auf Wertvolles reagiert, und das demzufolge auch wohl ganz natürlich von ihm als Wertgefühl bezeichnet worden ist. Wer jemals beim Erleben einer Überzeugung auf sein Verhalten geachtet hat, weiß allerdings auch, daß die Überzeugung mehr ist, als die mit ihr auftretenden Vorstellungen. Aber die Analyse des Wertgefühls ist von der näheren Untersuchung der Überzeugung unabhängig und besteht jedenfalls zurecht, mag das, was man herkömmlich Urteil nennt, sonst eigenartig sein oder nicht. HUGO SPITZER irrt also, wenn er in seiner Bemerkung in dieser Zeitschrift, Seite 85, behauptet, daß die psychologische Werttheorie, wie sie von MEINONG begründet wurde, etwas mit BRENTANO zu tun habe.
    4) WITASEK, a. a. O. Seite 94
    5) Die obige Darstellung von WITASEKs Gedankengang gibt gleichzeitig die terminologische Grundlage für die Verständigung. Für eingehendere Interessen verweise ich auf die grundlegenden Ausführungen MEINONGs in seinen "Psychologisch-ethischen Untersuchungen zur Werttheorie", die einschlägigen Kapitel in HÖFLERs "Psychologie", auf die Ästhetik WITASEKs, sowie auf MEINONGs neueste Arbeit "Über Ureilsgefühle: was sie sind und was sie nicht sind", Archiv für die gesamte Psychologie, Bd. VI, Seite 22f, besonders bezüglich der noch immer häufig mißverstandenen Stellung des Urteils beim Wertgefühl.
    6) Der Kürze halber sei vorläufig diese Bezeichnung eingeführt.
    7) Vgl. MEINONG, Psychologisch-ethische Untersuchungen, Seite 59f
    8) Wenn ich recht sehe, scheint die Tatsache den Namen eines Wertgesetzes beanspruchen zu dürfen.
    9) Da es sich dabei um Dispositionsveränderungen im selben Subjekt und nicht um Vererbung handelt, ist die Bemerkung KALISCHERs (a. a. O. Seite 116), daß "diese Theorie sich beträchtlich der vom Autor selbst belächelten biologischen Raserei nähert ...", keineswegs zutreffend.
    10) Natürlich meine ich ebensowenig wie WITASEK, daß etwa jeder Realkomplex dieser drei Elemente ein Wertgefühl sein müßte.
    11) Vgl. MEINONG, Über Werthaltung und Wert, Archiv für systematische Philosophie, Bd. 1, Seite 332f
    12) Das Fehlen selbst könnte natürlich nur vermöge eines auf dasselbe gerichteten Urteils und dann nur Gegenstand eines Wertgefühls werden. Ist man aber beispielsweise an den Komplex  abc gewöhnt, so kann das Auftreten des Komplexes  bc Unlust hervorrufen, deren Vorhandensein dann vielleicht auf Rechnung des fehlenden  a kommt. Es handelt sich nur um eine Analogie zu den Nichtexistenzgefühlen, nicht um eine Übertragung derselben.
    13) Oder von Annahmen. Vgl. MEINONG "Über Annahmen".
    14) Ob eine Vermittlung des ästhetischen Gefühls sich nicht ohne Wertgefühl vollziehen kann, wäre erst zu untersuchen. Natürlich wäre die ohne eine solche Vermittlung vermittelte Schönheit keine Wertschönheit.
    15) MEINONG, Über Annahmen, Seite 246f
    16) Etwa RUDOLF MAISONs "Neger, von einem Panther überfallen". Abgebildet in "Die Kunst" 1901, Seite 139.
    17) Für die ästhetische Betrachtung kommt es natürlich nur auf das scheinbare Material an; die Unechtheit kann somit nur so weit ästhetisch sein, als sie ersichtlich ist, d. h. anschaulich erfaßt werden kann. Dabei aber ist es sehr leicht möglich, daß ein wertvolles Material "unecht" wirkt, wenn es Eigenschaften erhält, die an ihm ungewöhnlich sind.
    18) Wobei unvermittelte Werthaltungen außer Betracht blieben.