ra-2H. PeschR. LiefmannH. AlbertW. HasbachG. Cohn    
 
EDUARD HEIMANN
Methodologisches zum Problem des Wertes
und des wirtschaftlichen Prinzips

[2/2]

"Ich lege das allergrößte Gewicht auf die Feststellung, daß das Argument, mit dem ich die  Marxsche  Wertlehre bekämpfe, sich keineswegs gegen eine spezifische Eigentümlichkeit etwa gerade dieser einen objektivistischen Lehre richtet. Der Nachweis, daß die Preistheorie durch die Analyse der Konkurrenz restlos aufgeklärt wird - der ja schon hundertmal erbracht wurde, nur nicht gerade durch eine Konfrontation mit dem Objektivismus - enthält ja das endgültige Gebot, den Objektivismus zu verabschieden und die Nationalökonomie auf der logischen Grundlage des Individualismus als ein subjektivistisches System aufzubauen."

"Alle Objektivisten pflegen ihre Stellungnahme mit dem Hinweis zu begründen, daß auf dem Markt dem einzelnen Individuum und seinen subjektiv bestimmten Wertschätzungen der Preis als eine mehr oder minder unverrückbare, objektiv gegebene Tatsache gegenübersteht, mit der er sich abzufinden hat. Dies will z. B.  Oppenheimer  offenbar ausdrücken, wenn er meint, nachdem der reiche Mann  subjektiv, nach dem Grenzwert  für das Landschloß entschieden hat, zwingt sich ihm  objektiv, nach dem Beschaffungswert,  eine bestimmte Gliederung seines Gesamtbedarfs auf, die die außerdem noch erwünschte Jacht ausschließt."

"Man könnte die Preise auch  objektive Beschaffungswerte  nennen, da sie einer  subjektiven,  will sagen individuellen Wertschätzung wie etwas objektiv Gegebenes, den Dingen als solchen Anhaftendes und nur in bescheidenstem Ausmaß Beeinflußbares erscheinen; dann wäre auf dem Boden der Wertlehre erfüllt, was  Oppenheimer  fordert und was er für unvereinbar mit eben dieser Wertlehre hält: daß sich dem Individuum nämlich objektiv, nach dem Beschaffungswert, eine bestimmte Gliederung seines Gesamtbedarfs aufzwingt."

"Ein theoretisches System erhebt, nicht den Anspruch, die Wirklichkeit als solche oder einen Teil der Wirklichkeit darzustellen; es will vielmehr nur unter gewissen Gesichtspunkten ein Abbild der Wirklichkeit sein, es will, wie  Schumpeter  sagt, auf die Wirklichkeit passen, für sie  gelten.  Der Forscher hat dabei die Aufgabe, das System mit Rücksicht auf diesen Anspruch zweckmäßig zu konstruieren, d. h. die Ausgangspunkte des theoretischen Denkens so festzulegen, daß das Ergebnis eben wirklich auf die reale Welt paßt."

[Fortsetzung]

Wenn es nun nach all dem wahr ist, daß die Profitraten nicht durch ein Überströmen eines Teils des Mehrwerts aus einer tieferen in eine höhere Sphäre ausgeglichen werden - also überhaupt nicht im wörtlichen Sinn ausgeglichen werden -, sondern durch ein Steigen bzw. Fallen der Zufuhr bei gleichbleibendem Bedarf, so ist damit bereits alles erreicht, was wir erstrebten. Denn dann hat der Wert eben keinen Einfluß auf den Preis. Speziell der zu erwartende Einwand, daß doch mindestens die gesamte Wertmasse mit der gesamten Profitmasse identisch sein müsse, wäre durch jenen Nachweis schon im Voraus erledigt; denn wenn der Erklärungsgrund des Preises lediglich in der Zirkulation liegt, so ist auch der als Profit bezeichnete Teil des Preises unabhängig von dem als Wert bezeichneten Teil des Wertes. Streng genommen brauchten wir uns also mit jenem Gedanken, der, wie bekannt, die eigentliche Brücke zwischen der Wertlehre und der Preislehre bildet, gar nicht mehr besonders zu befassen, da unsere allgemeine These ja auch diesen Spezialfall umfaßt. Aber bei der Wichtigkeit und Schwierigkeit der Frage ist es doch angezeigt, zu diesem Punkt noch besonders Stellung zu nehmen.

Betrachten wir zunächst, was MARX selbst zum Beleg des Satzes vorbringt.
    "Die Konkurrenz verteilt das Gesellschaftskapital so zwischen die verschiedenen Produktionssphären, daß die Produktionspreise in einer jeden Sphäre gebildet werden nach dem Muster der Produktionspreise in den Sphären der mittleren Komposition. ... Diese Durchschnittsprofitrate ist aber nichts anderes, als der prozentig berechnete Profit in jener Sphäre der mittleren Komposition, wo also der Profit zusammenfällt mit dem Mehrwert. Die Profitrate ist also in allen Produktionssphären dieselbe, nämlich ausgeglichen auf diejenige dieser mittleren Produktionssphäre. ... Hiernach muß die Summe der Profite aller verschiedenen Produktionssphären gleich sein der Summe der Mehrwerte und die Summe der Produktionspreise des gesellschaftlichen Gesamtprodukts gleich der Summe seiner Werte." (a. a. O., Seite 151)
Es bedarf wohl keiner Erörterung, daß dies kein theoretischer Beweis ist, sondern bestenfalls eine Anweisung zur Berechnung der Durchschnittsprofitrate. Ferner:
    "Es ist klar, daß der Durchschnittsprofit nicht sein kann, als die Gesamtmasse der Mehrwerte, verteilt auf die Kapitalmassen in jeder Produktionssphäre nach dem Verhältnis ihrer Größen. Es ist das Ganze der realisierten unbezahlten Arbeit, und diese Gesamtmasse stellt sich dar ... in der Gesamtmasse von Waren und Geld, die dem Kapitalisten zufällt." (a. a. O., Seite 153)
Und da MARX findet, daß es klar ist, so sieht er keine Notwendigkeit, es zu erklären.

Nehmen wir eine allgemeine Krise an. Die produzierte Wert- und Mehrwertmasse ist genauso groß wie in der letzten Zeit der Konkunktur; aber die Preise stehen durchweg unter dem Wert, ihre Summe unter der Wertsumme, die Profitsumme ist überhaupt nicht vorhanden, während doch die Mehrwertsumme, die Gesamtmasse unbezahlter Arbeit, unvermindert ist. Wo bleibt die Gleichheit? Geschweige denn - was ja die Fiktion des Ausgleichs im wörtlichen Sinne verlangen würde - die Identität der ausgleichenden, hier entzogenen, dort zugeschlagenen "Mehrwertteile"? Oder nehmen wir eine recht lange anhaltende Hochkonjunktur, ähnlich derjenigen, in welcher wir uns nun seit Jahren befinden: die Preise steigen andauern und weit über die Werte, der Gesamtprofit übertrifft den Gesamtmehrwert so gründlich und auf so lange Zeit, daß ein etwaiger Hinweis auf das momentane Abweichen des Marktpreises vom Produktionspreis gar nichts helfen kann (42). Der ganze Aufschlag auf den Gesamtmehrwert ist nicht produziert; er stammt aus der Zirkulation - ein Vorgang, den MARX und HILFERDING für undenkbar halten würden. Für uns freilich hat dessen Erklärung keine Schwierigkeit; denn wir stehen ja eben auf dem Standpunkt, daß der MARXsche Wert überhaupt keine Verbindung mit dem Preis hat, der sich vielmehr lediglich aus der Zirkulation, also in letzter Linie aus den individuellen Wertschätzungen für die begehrten und die dafür hinzugebenden Güter herleitet. Aber für den Marxismus dürfte eine solche Hochkonjunktur dann doch unerlaubt sein.

Und nun endlich dürfen wir uns wohl auch das soviel dankbarere Verfahren Erlauben, an einem Beispiel zu demonstrieren, was wir unter dieser Unabhängigkeit des Preises vom Wert meinen. Nehmen wir an, wir hätten zwei Sphären mit je 100% Ausbeutung, das Kapital besteht in  I  aus  4c  und  6v,  in  II  aus  6c  und  4v,  daher sind die Werte  16  und  14;  und nehmen wir ferner an, es habe sich zwischen ihnen die durchschnittliche Profitrate von 50% hergestellt - alles wie oben, so daß also beiden den Preis  15  erzielen. Nun komme eine neue Industrie auf, deren Produkte einer sehr großen Nachfrage begegnen, so daß sie zuerst - ehe die Konkurrenz der Anlage suchenden Kapitale wirksam wird - sehr teuer erkauft werden. Zum Beispiel seien hier Größe und Zusammensetzung des Kapitals die durchschnittlichen, ebenso der Grad der Ausbeutung, der Wert ist dann also  15.  Bei ihrem ersten Auftreten mögen aber die Produkte den Preis  30  erzielen, also, wenn man will, einen momentanen Monopolpreis; 
der ursprüngliche Gewinn beträgt also 200%. Nun setzt der Ausgleichsprozeß ein, es strömt Kapital in die neue Sphäre und drückt den Preis. Bis wohin? Wenn MARX Recht hat, auf  15.  Denn in allen drei Sphären zusammen wird  6 + 4 + 5 = 15  Mehrwert produziert, auf das Gesamtkapital von  30  also eine durchschnittliche Profitrate von 50%, was einen Produktionspreis von  15  auch für die neue Sphäre verlangt. In Wirklichkeit aber verläuft der Prozeß ganz anders; in  I  und  II  werden nach deren wechselseitigen Ausgleich je 50% gewonnen, in  III  bei deren erstem Auftreten 200%; das Kapital wandert also von  I  und  II  nach  III,  solange bis sich die Profite - und nicht etwa die Mehrwerte - ausgleichen; denn das "Verwertungsbedürfnis des Kapitals" verlangt gleiche Profitraten.  20 + 5 + 5 = 30  Gesamtgewinn, auf das Gesamtkapital  30  verteilt, erlaubt eine Profitrate von 100%, also einen Preis von 20 für alle drei Waren. Dieses Resultat können wir auch auf etwas anderem Weg gewinnen: der Preis in  I  und  II  wird durch die verringerte Zufuhr zunächst auf je  16  steigen; gleichzeitig fällt der Preis  III  durch Kapitaleinwanderung aus  I  und  II  auf  28 - denn er wird ersichtlich schneller fallen als der Preis in  I  und  II  steigt; die weiteren Stufen sind dann je  17  für  I  und  II  und  26  für  III,  je  18  für  I  und  II  und  24  für  III,  je  19  für  I  und  II  und  22  für  III  und schließlich  20  für alle drei Sphären. Dieser Preis  20  gewährt allen Kapitalisten den gleichen Profit von 100%; er ist die Durchschnittsprofitrate, aber er hat mit der durchschnittlichen Mehrwertrate keinen Zusammenhang. Nicht die verschiedenen hohen Mehrwertraten, sondern die verschieden hohen ursprünglichen Profitraten gleichen sich zu einer durchschnittlichen Profitrate aus.

Und lassen wir die ansich ja unnötige Konzession an die MARXsche Lehre, als ob sich überhaupt irgendwelche Mehrwerte ausgleichen, fallen, so nehmen wir nun einfach zwei Sphären an: in  I  sei  c = 4, v = 6,  der Wert also  = 16;  in  II  sei  c = 6, v = 4,  der Wert also  = 14.  Nun würde also nach MARX der Preis  15  sein. Wie aber, wenn zufolge der Marktlage der Preis  II  sich zwar zufällig mit dem Wert deckt, also auf  14  steht, der Preis  I  aber sich anfangs auf  20  stellt, wobei wir diesen Preis ruhig, wie oben, als einen temporären Monopolpreis ansehen mögen? Dann wandert das Kapital als  I  nach  II  und die Preise verschieden sich auf  15  und  19, 16  und  18,  bis sie bei  17  allen beteiligten Kapitalisten den gleichen durchschnittlichen Profit von 70% zu realisieren gestatten. Die Mehrwertrate ist aber im Durchschnitt 50%.

Wir kommen wir nun zu der Annahme - mit der unsere Beispiele offenbar stehen und fallen -, daß sich der Preis ursprünglich auf ein anderes Niveau als das der Wert stellt? Nun, gerade mit demselben Recht, mit dem MARX annimmt, daß zuerst zum Wert verkauft wird. Man beachte nämlich: Die Beantwortung der "eigentlich schwierigen Frage", "wie dieser Ausgleich der Profite zur allgemeinen Profitrate vorsich geht", beginnt so (Seite 153): "Nehmen wir zuerst an, daß alle Waren in den verschiedenen Produktionssphären zu ihren wirklichen Werten verkauft würden." Dann würden in den einzelnen Sphären ungleiche Profitraten herrschen. Danach kommt die Auseinandersetzung, daß in einer früheren, weniger kompliziert organisierten Wirtschaftsordnung, wo die Arbeiter selbst über die Produktionsmittel verfügten, die Waren sich tatsächlich zu ihren Werten tauschten; und unmittelbar hierauf der lapidare Satz (Seite 156): "Abgesehen von der Beherrschung der Preise durch das Wertgesetz ist es also durchaus sachgemäß, die Werte der Waren nicht nur theoretisch, sondern historisch als das Prius der Produktionspreise zu betrachten." Was zu beweisen war! Mit Verlaub: Was vorher ganz unzweideutig als eine Annahme bezeichnet wurde, ist nun plötzlich eine Tatsache? "Nicht nur theoretisch" sind die Werte das Prius der Produktionspreise? Ist denn inzwischen die Annahme, daß sie es überhaupt sind, als eine Tatsache erhärtet worden? oder aber ist denn von einer entgegengesetzten Annahme aus gezeigt worden, daß das Resultat dennoch ungeändert bleibt? Nichts von all dem ist geschehen, und somit steht nichts im Weg, daß wir, gestützt auf einen oft beobachteten Vorgang, von der Annahme ausgehen, daß der Preis einer neu eingeführten Ware sich zunächst über ihren Wert stellt. Im selben Augenblick aber offenbart sich die Ohnmacht des Wertgesetzes gegenüber den normalen, d. h. ausgeglichenen Preisen.

Jetzt wird uns klar, warum in allen MARXschen Rechnungen die Profite sich stets auf das Niveau des mittleren Mehrwertes ausgleichen. Daß die Konkurrenz der Kapitale die Profite ausgleicht, ist klar; fraglich ist nur, welches die auszugleichenden Extreme sind. Betrachtet man nun von vornherein nur den - wohl möglichen, aber nicht notwendigen - Fall, daß alle Preise sich mit den Werten decken, also alle Profite mit dem mittleren Mehrwert decken; denn es kann natürlich nichts anderes herauskommen, als man hineingetan hat. Aber es ist ebenso klar, daß damit die These, der Durchschnittsprofit stehe auf dem Niveau des Durchschnittswertes, nicht bewiesen ist; denn eine einfache Umbildung dieser These steht ja schon in der Voraussetzung. Trivial ausgedrückt: unter der Voraussetzung, daß alle unausgeglichenen Profite sich mit den unausgeglichenen Mehrwerten decken, deckt sich natürlich der ausgeglichene Profit mit dem ausgeglichenen Mehrwert; das ist fast ein analytischer Gedankengang, dessen Voraussetzung aber unerwiesen ist, so daß wir eine Art von  petitio principii [es wird vorausgesetzt, was erst zu beweisen ist - wp] vor uns haben. Und sie ist unerweisbar, sie kann eintreten, aber sie muß es ganz und gar nicht, da ja auch unsere entgegengesetzte Voraussetzung stattfinden kann.

Wir können die Sache aber noch etwas allgemeiner fassen. Um zu zeigen, daß der Durchschnittsprofit dem mittleren Mehrwert entspricht, macht MARX die willkürliche Annahme, daß Preis und Wert sich zunächst decken, und vergißt dann, daß es eine willkürliche Annahme ist. Sollte ihm da nicht, wie anscheinend auch seinen bisherigen Kritikern und Verteidigern, die alltägliche Anschauungsweise einen Streich gespielt haben, die eine enge Beziehung zwischen Wert und Preis verlangt? Diese Beziehung soll im IX. und X. Kapitel des III. Bandes ja erst hergestellt werden; denn so liegt die Sache: wir sehen in der Wirklichkeit eine Preisgestaltung, die jedem Kapital den Durchschnittsprofit gewährt, und wir sollen nun erfahren, ob diese zweifellos vorhandene Erscheinung in einem Zusammenhang steht mit einer anderen - nun, sagen wir ruhig mit MARX: Tatsache, dem Wert. Da dürfen wir wohl dagegen protestieren, wenn der zu beweisende Zusammenhang dem Beweis vorausgesetzt wird. Daß MARX die notwendige Unterscheidung zwischen Wert und Preis außer acht läßt, sieht man am besten an den berühmten Tabellen, die einen Hauptstreitpunkt zwischen BÖHM-BAWERK und HILFERDING bildeten: da werden Mehrwert und Profit schlankweg als identisch angesehen (Seite 133-135)! Wir sind überzeugt: wer beim Studium des IX. und X. Kapitels sich stets gegenwärtig hält, daß die Beziehung zwischen Wert und Preis, zwischen Mehrwert und Profit ein Problem ist, da absolut nichts vorher darüber gesagt wird (43), muß uns darin zustimmen, daß diese Beziehung postuliert, aber nicht hergestellt wird. Und sollte das aus der vorliegenden Darstellung nicht mit genügender Klarheit hervorgehen, so kann das nur der Unzulänglichkeit dieser Darstellung nun und nimmermehr aber einem Mangel des ihr zugrunde liegenden kritischen Gedankens zuzuschreiben sein; und wir bitten den Leser, sich mit diesem Gedanken - der ursprünglichen Scheidung zwischen Wert und Preis - zu bewaffnen und sich dann auf eigene Faust einen Weg zu bahnen durch die grandiose und wahrhaft erschütternde Wildnis, in der sich Wert, Tauschwert, Marktwert, Preis, Produktionspreis, Marktpreis zu einem atemberaubenden und fast unentwirrbaren Dickicht verschlingen.

Es ist aber an der Zeit, daß wir uns an den Zweck dieser Untersuchung erinnern. Für uns handelt es sich um die Frage, ob man auf der Basis einer objektivistischen Lehre eine Preistheorie errichten kann; denn das Kriterium für die Brauchbarkeit der methodologischen Grundlage ist, ob sie auf geradem Weg zur Darstellung und Lösung des Zentralproblems unserer Wissenschaft führt. Und wir bemühten uns zu zeigen, daß vom MARXschen Objektivismus her überhaupt kein Weg zum Preisproblem führt, daß auch MARX im Grunde die Gesetze der Preisnormierung ganz losgelöst von seinem Wertgesetz auf einer individualistischen Grundlage entwickelt, und daß nur die in der alltäglichen Anschauungsweise begründete mangelhafte Scheidung der Begriffe "Wert" und "Preis" jenen Tatbestand verhüllt. Wohlgemerkt, wir sagen nicht, daß die Arbeitswertlehre "falsch" ist; denn so schwern formalen und systematischen Bedenken sie auch ausgesetzt sein mag, so ist es dennoch nicht logisch widersprechend, einen sozial bestimmten Wert anzunehmen. Rein theoretisch könnte man sich immerhin vorstellen, daß zu irgendeinem Zweck einmal eine Berechnung über die Verteilung der gesellschaftlichen Arbeitskräfte auf die verschiedenen Produktionssphären vorgenommen würde, obwohl eine solche Vorstellung für den heutigen Stand unseres Wissens wohl kaum einen Erkenntniswert besäße. Im Übrigen zieht diese Lehre ja ihre Lebenskraft gar nicht aus irgendwelchen theoretischen Erwägungen, und daher ist sie auch gänzlich immun gegen alle theoretischen Widerlegungen; viel zu fest wurzelt sie im ethischen Bewußtsein des Menschen, der eben Leistung und Gegenleistung miteinander vergleichen will; viel zu notwendig ist sie für die Beantwortung der Frage nach der Gerechtigkeit der Wirtschaftsordnung - einer Frage, der man doch schlechterdings die Daseinsberechtigung nicht mit der Begründung absprechen kann, daß sie eine unwissenschaftliche Frage sei. Uns will im Gegenteil bedünken, daß in diesem Argument gegen die Arbeitswertlehre weit eher ein Vorwurf für die Nationalökonomie steckt, die keine Lösung für ein so weltbewegendes Problem weiß; uns wir möchten die Hoffnung nicht ganz aufgeben, daß sich die Wissenschaft doch eines Tages in der Lage sieht, ohne die Hereinziehung einer Norm die Merkmale einer gesund entwickelten Wirtschaft zu konstatieren, gerade wie die Medizin nicht normativ, sondern objektiv den gesunden vom kranken Körper unterscheidet. Der kundige Leser weiß, woran wir hier denken: an OPPENHEIMERs Lehre von der Physiologie der Tauschwirtschaft, der reinen Ökonomie, einerseits, von deren Pathologie, der politischen, kapitalistischen Ökonomie, auf der anderen Seite. Rein theoretisch glauben wir nicht, daß sich diese Scheidung halten läßt, da und solange sie auf der Arbeitswertlehre beruth (44); dennoch vertrauen wir auf die Zukunft dieser gewaltigen Konzeption. An diesem Beispiel kann man erkennen, was die Idee des Arbeitswertes heute noch zu leisten vermag; es gibt in der Tat auch noch andere Verstandesaufgaben als rein wissenschaftliche.

Um aber zum Ausgangspunkt dieser Abschweifung zurückzukehren, so wiederholen wir: der Grund für die Ablehnung der MARXschen Arbeitswertlehre war in unserer Kritik kein materialer, als ob diese Lehre etwa falsch wäre, sondern die rein formale Erwägung, daß sie sich bei der Ableitung der Preistheorie als ein untaugliches Mittel erweist. Ansich kann man ja jeden beliebigen materiellen Satz zum logischen Ausgangspunkt einer Deduktion nehmen; die Aufgabe besteht aber darin, aus den ungezählten Möglichkeiten die zweckmäßige auszuwählen, die wirklich auf einem deduktiven Weg zu dem erklärenden Phänomen führen kann. Wenn man zur Ableitung der Preise gelangen will, so ist es, wie wir gezeigt zu haben glauben, unzweckmäßig, von der Annahme des MARXschen Arbeitswertes auszugehen; denn es gähnt zwischen dieser Annahme und dem Phänomen, zu dessen Erklärung sie dienen soll, eine unüberbrückbare Kluft.

Ich lege aber das allergrößte Gewicht auf die Feststellung, daß das Argument, mit dem ich die MARXsche Wertlehre bekämpfe, sich keineswegs gegen eine spezifische Eigentümlichkeit etwa gerade dieser einen objektivistischen Lehre richtet. Der Nachweis, daß die Preistheorie durch die Analyse der Konkurrenz restlos aufgeklärt wird - der ja schon hundertmal erbracht wurde, nur nicht gerade durch eine Konfrontation mit dem Objektivismus - enthält ja das endgültige Gebot, den Objektivismus zu verabschieden und die Nationalökonomie auf der logischen Grundlage des Individualismus als ein subjektivistisches System aufzubauen. (45)

Wir haben nun noch den Subjektivismus und die entsprechende individuale Methode gegen einen schweren Tadel in Schutz zu nehmen, ehe wir unser Resultat als endgültig gesichert ansehen dürfen.

Freilich haben wir hier nichts zu sagen, was dem Kenner der subjektiven Wertlehre neu wäre, haben vielmehr nur eine ihrer besten Errungenschaften für unseren Zweck auszudeuten, um das Argument ihrer Gegner als haltlos darzutun. Alle Objektivisten pflegen ihre Stellungnahme mit dem Hinweis zu begründen, daß auf dem Markt dem einzelnen Individuum und seinen subjektiv bestimmten Wertschätzungen der Preis als eine mehr oder minder unverrückbare, objektiv gegebene Tatsache gegenübersteht, mit der er sich abzufinden hat (46). Dies will z. B. OPPENHEIMER offenbar ausdrücken, wenn er meint, nachdem der reiche Mann "subjektiv, nach dem Grenzwert" für das Landschloß entschieden hat, zwingt sich ihm "objektiv, nach dem Beschaffungswert, eine bestimmte Gliederung seines Gesamtbedarfs auf", die die außerdem noch erwünschte Jacht ausschließt. (47) Diese Übermacht eines objektiv feststehenden Preises verkennt der Subjektivismus grundsätzlich, da er jedem einzelnen Individuum einen so großen Einfluß auf die Preisgestaltung einräumt. Gerade vom Standpunkt des einzelnen gesehen sei der Preis doch offenbar eine außer und über ihm stehende Kategorie, deren Natur nur durch eine soziale Methode erforscht werden kann, und wir halten es durchaus nicht für unmöglich, daß gerade diese Überlegung - die praktische Unverrückbarkeit des Preises für das einzelne Individuum - für OPPENHEIMER der Anlaß zu jener merkwürdigen Verquickung von Individualismus und Objektivismus wurde. Nun sind unglücklicherweise die Subjektivisten durchaus in der Lage, jenem Axiom von der objektiven Übermacht des Preises gegenüber dem Individuum zuzustimmen; sie meinen nur, daß es überstürzt ist, aus dieser Tatsache auf die Notwendigkeit einer objektivistischen Behandlung des Preisproblems zu schließen. Ein einfacher Kunstgriff gestattet uns in der Tat, innerhalb des Systems des individualen - des sogenannten subjektiven - Wertes die Tatsache der Übermacht des Preises gegenüber der individuellen Wertschätzung zur Geltung zu bringen und zwar - wie das ja bei der konsequenteren, will sagen  zweckmäßigeren  Konstruktion dieses Systems nicht anders sein kann - in ungleich präziserer Form, als das die objektive Wertlehre vermag.

Wir dürfen es uns wohl versagen, auf die Lehre von der Interdependenz [Unabhängigkeit - wp] aller Preise im statischen System (48) einzugehen. Es ist ganz klar, daß schon der bloße Begriff der gegenseitigen Abhängigkeit die Verwirklichung jener objektivistischen Forderung enthält, da, banal ausgedrückt, die Preise dann eben nicht durch die subjektiven Wertschätzungen zweier Kontrahenten, sondern durch den ungeheuren Komplex aller Verkehrsakte in der Volkswirtschaft geregelt werden. Doch können wir den Kern dieses Arguments noch weit schärfer herausholen. Man denke sich nämlich ein bestimmtes statistisches und also interdependentes System in der Art, wie man es bei SCHUMPETER beschrieben findet;  gegeben  sollen Wirtschaftssubjekte sein, die in ihrem Besitz befindlichen Mengen der verschiedenen Güter und ferner ihre Wertfunktionen für alle Güterarten;  gesucht  werden die Preise, zu denen getauscht wird, und die positiven oder negativen Quantitätsveränderungen in den einzelnen Arten der individuellen Güterbestände. Dieses System denke man sich aufgelöst; man kennt dann u. a. die Preise, zu denen die Gütertäusche unter den angenommenen Voraussetzungen abgeschlossen werden müssen. Nun denke man sich ein Individuum fort; es komme aus irgendeinem Grund verspätet zum Markt. Mit dem Individuum verschwinden natürlich auch seine Güterbestände und seine Wertfunktionen auf der Seite der bekannten Größen, ebenso aber auf der Seite der unbekannten die Änderungen, die durch den Tausch in seinem Besitzstand an den einzelnen Güterarten eingetreten wären. Leicht ließe sich zeige, daß in dem so verkleinerten System prinzipiell alles genau so liegt wie im ursprünglichen: wieder ist das System eindeutig bestimmt, denn wieder gibt es ebenso viele Bestimmungsgleichungen (49) wie Unbekannte. Aber wir bedürfen dieses schwerfälligen Apparats nicht einmal, sondern begnügen uns mit der Überlegung, daß, wenn ein aus Vorräten und Wertfunktionen von  m  Individuen gebildetes System lösbar ist, auch ein anderes lösbar sein muß, das aus den Beständen und Wertfunktionen von  l = m - 1  Individuen besteht; denn wir können uns ja für  m  jede beliebige absolute Zahl denken.

Es unterliegt also keinem Zweifel, daß das neue System methodologisch unanfechtbar ist. Nun lassen wir in ihm die Tauschakte geschehen, bis der Gleichgewichtszustand eintritt, d. h. wir lösen das Gleichungssystem auf und erhalten auf bekannte Weise unter anderem die Preise der getauschten Waren. Vergleichen wir diese Preise mit denen für dieselben Waren im ursprünglichen System, wo der Markt von einem Individuum mehr besucht war, so haben wir den exakten Ausdruck einerseits für die Übermacht, mit der der "gesellschaftlich" bestimmte Preis der individuellen Wertschätzung entgegentritt, und andererseits - dies ist in der Tat genau dasselbe, nur anders interpretiert - für den freilich so überaus beschränkten Spielraum, innerhalb dessen die von unserem Individuum ausgehende Nachfrage und die von ihm herrührende Zufuhr den Preis doch noch zu beeinflussen vermögen. Man könnte die Preise im zweiten System, mit Rücksicht auf das hier ausgeschaltete Individuum, "objektive Beschaffungswerte" nennen, da sie seiner "subjektiven", will sagen individuellen Wertschätzung wie etwas objektiv Gegebenes, den Dingen als solchen Anhaftendes und nur in bescheidenstem Ausmaß Beeinflußbares erscheinen; dann wäre auf dem Boden der Wertlehre erfüllt, was OPPENHEIMER fordert und was er für unvereinbar mit eben dieser Wertlehre hält: daß sich dem Individuum nämlich "objektiv, nach dem Beschaffungswert, eine bestimmte Gliederung seines Gesamtbedarfs" aufzwingt. Wir brauchen wohl kaum daran zu erinnern, daß dann dieser objektive Beschaffungswert, der ja nichts anderes darstellt als die Kosten, in der Angebotsfunktion derjenigen Güterart erscheint, in der er erlegt werden soll. Daß bei der Festsetzung des Preises eine freilich sehr enge Sphäre anderen Einflüssen als denen der gesellschaftlichen Produktion unterworfen ist, leugnet kein Objektivist: der Erklärung dieses Sachverhalts dient die Kategorie des Marktpreises, der von einem natürlichen oder Produktionspreis, wie ihn angeblich die gesellschaftliche Produktion regelt, stets etwas abweicht. Das Eingeständnis, daß es neben dem - in statischen Produktionsverhältnissen offenbar starren - Produktionspreis überhaupt noch einen beweglichen Marktpreis geben muß, da sichja bei gleichem Angebot die Nachfrage ändern mag - dieses Eingeständnis ist schon ansich der Bankrott des Objektivismus.

Eine andere Lösung des Problems, und zwar eine Lösung von geradezu verblüffender Einfachheit und Anschaulichkeit, schlägt ALFRED WEBER vor (50). Wie sattsam bekannt, richtet sich der Preis nach der Wertschätzung des Grenzkäufers, d. h. desjenigen, ohne dessen Heranziehung nicht die ganze angebotene Produktmenge abgesetzt werden könnte, bzw. - ein etwas kompliziertere Fall - nicht das Optimum des Überschusses des Ertrags über die Kosten erzielt werden könnte - dieses Optimum braucht ja keineswegs beim Absatz der gesamten Menge zu liegen. Wenn nun im einfachsten Fall ein Monopolist 4 Einheiten verkaufen will und die tauschkräftigsten Abnehmer ihm dafür  10, 9, 8  und  7  bieten, so wird er, falls er differenzierte Preise nicht durchsetzen kann, den Preis auf  7  festsetzen. So alt diese Erkenntnis ist, so neu ist doch die ausdrückliche Feststellung, daß dann eben  7  der "objektive" Preis ist, den die Wertschätzungen der  3  tauschkräftigsten Käufer in keiner Weise beeinflussen; oder - um ganz genau zu sein - doch nur insofern, als sie eben höher sind als die des Grenzkäufers, während ihre eigene absolute Höhe gar nicht in Betracht kommt: bleibt doch der Preis ungeändert, wenn man sich statt  10, 9  und  8  etwa  11, 10  und  9  oder dreimal  8  oder gar - im Grenzfall - dreimal  7  denkt!

Eine noch weitergehende Verdeutlichung erfährt der Sachverhalt, wenn man für die nachfragenden Individuen mit verschieden hohen Wertschätzungen soziale Klassen einsetzt. Dann ist nämlich ohne Schwierigkeit ersichtlich, daß und warum bei allen auf Massenabsatz berechneten Produkten die reichen Leute nur den Preis zu zahlen brauchen, den die Grenzkäuferschicht, die Arbeiter, noch zahlen können: der auf der Wertschätzung der Grenzschicht beruhende Preis ist eben objektiv feststehend, die intensivere Nachfrage der Reichen tritt nicht mit der Stärke des Begehrens, mit der Höhe ihrer subjektiven Wertschätzung in Rechnung, sondern nur mit der Anzahl der begehrten Stücke. So bietet das Prinzip des Grenzwerts selbst schon die Lösung der Frage nach dem objektiven Preis (51).

Sollte aber auf diese oder jene Weise der Nachweis gelungen sein, daß - entgegen der Behauptung der Objektivisten - auch die subjektive Wertlehre durchaus die zwingende Gewalt des "objektiv" feststehenden Preises über die subjektive Wertschätzung zum Ausdruck bringen kann, so möchten wir glauben, daß nunmehr unser im Eingang dieser Untersuchung gegebenes Versprechen eingelöst ist: mit allen Mitteln der kritischen Analyse SCHUMPETERs Behauptung zu rechtfertigen, daß der methodologische Individualismus allein ein brauchbares Fundament für die ökonomische Theorie liefert. Daher dürfen wir uns nun mit beiden Füßen auf den Boden dieser Methode stellen und eine weitere methodologische Frage erörtern, die nur in einem individualistischen System entsteht oder doch entstehen sollte: die Frage des wirtschaftlichen Prinzips.


II.

Wir sagen: die Frage nach dem wirtschaftlichen Prinzip sollte nur in einem individualistisch fundierten System entstehen. Denn dieses Prinzip kann unmöglich etwas anderes sein als eine Maxime des persönlichen Handelns, und wenn man wohl die Frage aufgeworfen hat (52), ob die zweifellos vorhandene Tendenz zur Befolgung dieser Maxime sich durchsetzt oder nicht, ob nicht vielmehr staatliche und gesellschaftliche Einrichtungen wie Arbeiterschutz etc. die schrankenlose Ausdehnung ihrer Herrschaft verhindern, so liegt hier eine vollständige Verkennung des Begriffes vor. Genau wie der Arbeiterschutz der "Tendenz" zum wirtschaftlichen Prinzip im Wege steht, insofern der Unternehmer ohne ihn vielleicht (??) billiger produzieren würde - ebenso würden wir "wirtschaftlicher" leben können, wenn z. B. das Getreide ein freies Gut wäre. Methodologisch besteht da kein Unterschied; ob die Schranken gesellschaftlich oder natürlich-technisch da sind. Daher wäre die "Tendenz" zum wirtschaftlichen Prinzip nach VOIGT offenbar erst dann verwirklicht, wenn wir ohne Arbeit und Kosten alle unsere Bedürfnisse befriedigen könnten; denn es ist absolut nicht ersichtlich, an welchem Maßstab man sonst den Grad der Wirtschaftlichkeit einer Handlung messen sollte. Der so durchgeführte Sinn des Ausdrucks wirtschaftlich ist ansich nicht widersprechend, aber augenscheinlich ohne jede wissenschaftliche Brauchbarkeit.

Selbstredend bezieht sich das wirtschaftliche Handeln stets auf eine irgendwie gegebene und also unabänderliche Sachlage; innerhalb der von ihr gezogenen Schranken ein Nutzenmaximum zu erreichen, ist der Inhalt des wirtschaftlichen Prinzips, und die "Tendenz" dazu ist augenscheinlich durchgesetzt, wenn das erstrebte Nutzenmaximum verwirklicht ist. Das wirtschaftliche Prinzip kann und darf nichts anderes sein als eine rein formale Annahme über das individuelle Handeln. Daher fällt es ganz aus dem Rahmen einer streng objektivistischen Betrachtung heraus, da für eine solche der Ausgangspunkt und die Richtung der individuellen Handlungsweise durchaus irrelevant ist und die gesellschaftliche Methode der Bestimmung und Durchsetzung der Preise ganz ebenso funktioniert, wenn jedes Wirtschaftssubjekt seinen Vorteil wahrnimmt, als wenn es ihn vernachlässigt (53). Daran wird auch durch die Tatsache nichts geändert, daß kein Nationalökonom den Eigennutz der Unternehmerklasse - der doch sicher irgendetwas mit dem wirtschaftlichen Prinzip zu tun hat - in so grellen Farben malt wie gerade der Objektivist par excellence, MARX. Die Rolle des Eigennutzes ist im MARXschen System eine doppelte. Einmal ist er ein - wie man ruhig zugeben wird, höchst dekoratives - Ornament und als solches ohne konstruktive Bedeutung, da ja die Regelung des Wertes und, nach dem MARXschen Postulat, des Preises "hinter dem Rücken der Produzenten" erfolgt. Augenscheinlich verdankt dieses Ornament den breiten Raum, die ihm zugewiesen wird, der allgemeinen MARXschen Kulturanschauung, dem Materialismus. Wir sahen nun freilich, daß das "Verwertungsbedürfnis des Kapitals" in der Preislehre plötzlich eine funktionelle Bedeutung erlagt, insofern als es der Grund für die Wanderbewegung des Kapitals zwischen den verschiedenen hoch rentierenden Anlagesphären wird. Aber es wäre verkehrt, hieraus zu schließen, daß das wirtschaftliche Prinzip also doch in dieser Form einen legitimen Platz im objektivistischen System einnimmt. Im Gegenteil: gerade der Punkt, wo die ornamentale Bedeutung dieses Prinzips in eine funktionelle "umschlägt", ist der nämliche, an dem das Grundprinzip des Objektivismus überhaupt versagt. Man könnte geradezu sagen, daß die Einfügung des wirtschaftlichen Prinzips in das objektivistische System - also als systematischer Bestandteil - ein Anzeichen für dessen Unhaltbarkeit ist. Gäbe es ein in sich geschlossenes objektivistisches System, so würde der Eigennutz oder das wirtschaftliche Prinzip oder das Verwertungsbedürfnis des Kapitals darin niemals eine systematische Rolle spielen dürfen. All dies könnte man wörtlich auch von den Systemen der Klassiker sagen, die sich ja in der von uns besprochenen Beziehung vom MARXschen System nicht unterscheiden. Daß das Selbstinteresse bei ADAM SMITH so scharf betont wird, kann niemanden verwundern; es ist ja bekannt, wie sehr das Werk des Altmeisters, das an Wissensstoff und Anregungen fast unerschöpflich erscheint, jede formale Durchbildung vermissen läßt, so daß bei den meisten Fragen schlechthin alle denkbaren Betrachtungsweisen friedlich nebeneinander stehen.

AMONN ist wohl der erste, der die Methode des Objektivismus, den methodologischen Sozialismus, konsequent bis zu Ende durchgedacht hat; daher auch der erste, der erkennt, daß das wirtschaftliche Prinzip in all seinen Formen innerhalb dieses Systems, das wir allerdings als unausführbar darzulegen versuchten, keine Stelle haben kann. Der bei aller Schwerfälligkeit der Einzelheiten im Ganzen doch so spannende Ablauf des Gedankenganges in diesem Buch ist ja gerade der: zuerst werden alle irgendwann und von irgendwem formulierten Definitionen der Nationalökonomie der Reihe nach vorgenommen - sie operieren sämtlich mit den Begriffen des wirtschaftlichen Prinzips oder der Wirtschaft - und der Reihe nach verworfen, die einzige Ausnahme macht als strenger Objektivist RICARDO; und danach kommt der große Effekt, die Feststellung, daß das Objekt der Nationalökonomie als einer Sozialwissenschaft überhaupt nichts mit jenen Begriffen zu tun hat. Daher findet man auch keine Spur von ihnen in der AMONNschen Objektsdefinition, und wir sahen ja, daß diese formal ganz untadelig ist; unser Argument gegen sie holten wir vielmehr aus der Inkongruenz [Nichtübereinstimmung - wp] zwischen dieser Formel und dem Erkenntnisstoff, der nach AMONNs eigener Meinung den Kern der Nationalökonomie ausmacht.

Eine besondere Betrachtung gebührt auch hier OPPENHEIMER. Die ihm eigentümliche Verbindung der individualistischen Methode mit einer objektivistischen Wertlehre hat die merkwürdige Folge, daß dieses objektivistische System in der Tat vom Begriff des wirtschaftlichen Prinzips getragen wird - eben dank seiner individualistischen Methode. Wir finden da eine äußerst sorgfältige Ausarbeitung des Begriffs der Wirtschaft, den OPPENHEIMER in der Erkenntnis, daß der beschämenden Ungewißheit über diesen fundamentalen Punkt unserer Disziplin ein Ende gemacht werden muß, so formuliert, daß durch ihn die Mängel der älteren Formeln gleichmäßig vermieden werden sollen. Alle älteren Definitionen lassen sich nach ihm auf zwei Typen zurückführen, entweder ist die Wirtschaft gleichbedeutend mit Bedürfnisbefriedigung nach dem Prinzip des kleinsten Mittels zum größten Erfolg oder mit Bedürfnisbefriedigung unter Benutzung eines Sachgutes (jenes bei WAGNER, dieses bei PHILIPPOVICH und DIETZEL). Offenbar sei jene Definition zu weit, da sie den Begriff der Wirtschaft zum rationalen Handeln überhaupt ausweitet, diese zu eng, da ja z. B.- auch mit Arbeitsleistungen gewirtschaftet wird. Zwischen diesen beiden die rechte Mitte zu halten, gestatte die Orientierung des Begriffs der Wirtschaft an dem uns schon bekannten Kostenbegriff. Unter Zugrundelegung der Definition, nach der ein Mittel zur Befriedigung eines Bedürfnisses als kostend gilt, wenn es unter Energieverlust beschafft wurde, werden dann als "wirtschaftlich und den Umfang der Ökonomie begrenzend zugleich und erfüllend alle menschlichen Handlungen der Beschaffung und Verwaltung von kostenden Mitteln nach dem Prinzip des kleinsten Mittels" angesehen ("Theorie" Seite 35).

Der Kostenbegriff ist, wie gesagt, das Steuer, das diese Definition zwischen der Scylla der zu weiten Definition und der Charybdis der zu engen glücklich hindurchführen soll. Nun, das tut er wohl zunächst einmal nicht in dem von OPPENHEIMER gewollten Sinne. Wir erinnern uns des Beispiels vom protzenden Millionär, mit dem OPPENHEIMER gegen AMONN operierte (54) Indem dieser Parvenü, lediglich um seine Geldmittel zu demonstrieren, für den billigen Gegenstand 1000 Dollar zahlt, handelt er unwirtschaftlich, denn er wendet ja zur Beschaffung des kostenlosen Gegenstandes nicht das kleinste Mittel auf, da er tausend Dollar gibt, wo mit 5 Dollar genau derselbe Erfolg erreicht wäre. Die Frage ist nur, ob in der Tat die Hingabe von 5 Dollar denselben Erfolg erzielen würde, wie die von 1000 Dollar. Auch für 5 Dollar könnte er den Gegenstand erwerben, sicherlich; aber für 1000 Dollar erwirbt er außerdem noch etwas für ihn ungleich wertvolleres, nämlich eine Sättigung seines Protzbedürfnisses. Und zu diesem "Erfolg" ist eben die Hingabe der 1000 Dollar das kleinste Mittel. Denn nach dem Prinzip des kleinsten Mittels verfahren bedeutet: "kostende Mittel, die irgendeinem Zweck dienen sollen, mit dem Aufwand möglichst geringer Kosten zu beschaffen." Diese Definition (Seite 27) sieht ausdrücklich vom Zweck der Beschaffung ab; sie umfaßt also den Kauf des Buches gleichmäßig, wenn er dem Lesebedürfnis und wenn er außerdem noch dem Protzbedürfnis dient. Der Vorgang wird als unwirtschaftlich bezeichnet und wird doch durch die Wirtschaftsdefinition erfaßt (55).

Nun könnte man die Definition zu retten versuchen, indem man in subtiler Weise unterscheidet zwischen dem eigentlichen Kauf des Buches für 5 Dollar und dem Geschenk an den Buchhändler in Höhe von 995 Dollar. Denn das Buch wird ja gar nicht gegen 1000 Dollar gekauft; das kostende Mittel Buch, das der Befriedigung des eigentlichen Lesebedürfnisses dient - welcher Zweck ganz außerhalb der Betrachtung bleibt - wird für 5 Dollar gekauft; die Hingabe der restlichen 995 Dollar ist gar nicht "Beschaffung eines kostenden Mittels", sondern selbst Bedürfnisbefriedigung und ganz unabhängig vom zufälligen materiellen Substrat Buch; sie könnte ebensogut an jedem anderen Substrat geübt werden, ja sie braucht im Grunde überhaupt kein Substrat.

Darauf aber wäre wiederum zu duplizieren, daß man diese Unterscheidung zwar vornehmen kann, daß sie aber keineswegs im Sinne der OPPENHEIMERschen Wirtschaftsdefinition gelegen ist. Hier bleiben die Motive oder Zwecke der Handlung ganz unberücksichtigt; und wenn es nun einmal feststeht, daß unter den gegebenen Umständen, dem Lese- und Protzbedürfnis, der Preis des Buches sich nicht unter 1000 Dollar stellen kann, so sind diese eben das kleinste Mittel zum angestrebten Erfolg, und die Handlung ist nach OPPENHEIMERs Definition, wenn auch gegen deren Absicht, eine wirtschaftliche.

Es wäre gelogen, wenn wir behaupten wollten, daß uns diese Polemik an einem spitzfindigen Beispiel sehr gut gefällt; doch läßt sich leider der Einwand, den wir gegen jene Lehre vorzubringen haben, sehr schwer darstellen. Was unser Beispiel verdeutlichen soll, ist dies: Die Beschaffung eines kostenden Dinges, das irgendeinem Zweck dienen soll, nach dem Prinzip des kleinsten Aufwandes zum größten Erfolg ist nur scheinbar ein engerer Begriff als der von OPPENHEIMER verworfene WAGNERsche Objektbegriff: Bedürfnisbefriedigung nach dem Prinzip des kleinsten Mittels. In Wahrheit decken sich die beiden Begriff vollkommen, und es läßt sich sogar nachweisen, wo diese enge Verwandtschaft liegt: darin, daß OPPENHEIMER, genau wie WAGNER, die Richtung des angestrebten Erfolges, die Art des Deckung suchenden Bedürfnisses ganz unbestimmt sein läßt. Es beruth auf einer Täuschung, wenn OPPENHEIMER meint, den Umfang dieser Definition durch eine Einfügung des Kostenbegriffs verkleinern zu können; denn - und dies ist der Kern unseres Arguments - im Grunde liegt hier eine reine Tautologie vor. Nur weil das Ding kostet und folglich Wert hat - nach OPPENHEIMER; wir würden natürlich den Tatbestand umgekehrt darstellen, was in unserem Fall aber keinerlei Unterschied macht - nur weil das Ding kostet und Wert hat, kann man überhaupt von einem kleinsten Aufwand sprechen, den man zu seiner Beschaffung macht; hätte es keinen Wert, würde es nichts kosten, wäre es mit anderen Worten: ein freies Gut, so käme kein Mensch auf den Gedanken, irgendetwas zu seiner Beschaffung aufzuwenden. Die Formel des kleinsten Mittels zum größten Erfolg bezieht sich also ohnehin lediglich auf die Beschaffung wertvoller, kostender Bedürfnisbefriedigungsmittel, und daher bleibt die Wirtschaftsdefinition ganz unverändert, ob man diese Beziehung nun ausspricht oder nicht.

Sehr merkwürdig ist eine Stelle bei OPPENHEIMER, wo ihm selbst sich dieser Tatbestand zu enthüllen scheint, ohne allerdings zu einer allgemeineren Erkenntnis zu führen. Er wendet sich da gegen SOMBARTs Bemerkung, es sei abnormal, "wenn ein kapitalistischer Unternehmer eine Insektenpulverfabrik gründet, um eine Laune seiner Geliebten zu befriedigen" (Seite 33), und reklamiert diesen Vorgang für die Sphäre des Wirtschaftlichen. Dies ist nun ganz unsere Meinung; denn die Motive sind irrelevant und der angestrebte Erfolg kann vermutlich auf dem bezeichneten Weg am besten erreicht werden, selbst wenn das Geld als solches in einer anderen Anlage besser arbeiten würde. Aber OPPENHEIMERs Meinung sollte es eigentlich nicht sein, er sollte sich - nach der Absicht seiner Definition - hier vielmehr SOMBART anschließen. Oder welches ist sonst der ökonomische Unterschied zwischen diesem Fall und einigen anderen Beispielen, die OPPENHEIMER ausdrücklich als unwirtschaftliche bezeichnet (Seite 35)? Wenn einer seinen Besitz verschleudert, so handelt er nach OPPENHEIMER unwirtschaftlich. Warum aber? Der Grund ist seine Prunksucht oder seine Leichtfertigkeit oder sein mangelhaftes Rechnen oder sonst irgendein seelischer oder geistiger Zustand, der den Ökonomen nichts angeht; den ihm vorschwebenden Zweck - z. B. zu prunken - kann er nicht anders erreichen. Und wenn einer "die Henne schlachtet, die goldene Eier legt", so gewiß darum, weil die Intensität des augenblicklichen Bedürfnisses ihn die Folgen seiner Handlung vergessen läßt. Für ihn - und das wirtschaftliche Prinzip gilt ja nur für das individuelle Handeln - ist in der gegebenen Situation, in der die Ausschaltung der Überlegung einen wichtigen Bestandteil ausmacht, die unvernünftige Handlung in der Tat das kleinste Mittel. Der Irrtum wird offenkundig, wenn OPPENHEIMER im Anschluß hieran erklärt:
    "Das alles ist dann unwirtschaftlich, wenn es zwecklos nur darum geschieht, weil der Handelnde nicht dem Prinzip des kleinsten Mittels folgt. Geschieht es aber zu Zwecken, erreichbaren oder unerreichbaren, vernünftigen oder unvernünftigen, guten oder bösen - so ist es nicht unwirtschaftlich, sondern außerwirtschaftlich." (a. a. O.)
Es ist aber unmöglich, sich vorzustellen, daß irgendeine Handlung zwecklos geschieht; irgendwelche Genüsse schweben dem Verschleuderer seines Erbteils sicher als Zweck vor - nur ist es eben ein unvernünftiger Zweck - so daß sich die beiden Kategorien der unwirtschaftlichen und der außerwirtschaftlichen Handlungen zunächst decken. Ferner aber: wir sahen, daß OPPENHEIMER sich in der Tat bemüht, seinen Begriff der Wirtschaft so einzurichten, daß diese von ihm als unwirtschaftlich und außerwirtschaftlich bezeichneten Vorgänge ausgeschlossen werden; wir sahen aber auch, daß dieser Versuch mißlang, da die Definition sich in Wahrheit von den älteren Definitionen nicht unterscheidet und daher genau wie jene älteren alles Handeln schlechthin einschließt. Denn da der Zweck des Handelns der Betrachtung nicht unterworfen wird, so ist vom Standpunkt des Handelnden aus seine jeweilige Handlung das kleinste Mittel, um den irgendwie gearteten Zweck zu erreichen. Nur auf diese individuell-momentane Zweckmäßigkeit kommt es ja an, da sonst der Boden des methodologischen Individualismus verlassen würde und man anfangen müßte, die individuelle Handlung nach einem übergeordneten Zweckmäßigkeitskriterium zu untersuchen und - zu werten.

Und hier dürften wir nun vor der Quelle des Irrtums stehen. Offenbar will OPPENHEIMER ein sozusagen wirtschaftlich normales Handeln einem wirtschaftlich abnormen Handeln gegenüberstellen. Er will die unendlichen Schwankungen der subjektiven Möglichkeiten an einem festen Maß messen, einer Regel, der das Individuum sich zwar entziehen kann und in der Tat sehr häufig entzieht, die es aber nicht umbiegen kann. Wenngleich der konkrete Versuch mißlungen ist, könnte doch die ihm zugrunde liegende Absicht gerechtfertigt sein. Aber wir erkennen nun ohne weiteres, daß die tiefere Ursache des Mißlingens gerade in dieser Absicht zu finden ist, in ein individualistisches System einen Begriff einzuführen, der auf logisch disparater [nicht zueinander passenden - wp] Grundlage ruht. Wir erkennen aber weiter die Verwandtschaft dieses Irrtums mit dem anderen, den wir früher aufzudecken glaubten. Ein Beispiel soll diesen Zusammenhang erläutern. Jemand benötigt für einen bestimmten, leicht zu erratenden Zweck einen Strauß von einer besonderen Rosenart, der Gärtner weiß von der Zwangslage des Käufers, er fordert und erhält einen besonders hohen Preis, ganz ungleich höher, als die Summe der Selbstkosten und des normalen Gewinnaufschlags gewesen wäre. Da die letztere Summe den Wert der Rose darstellt - im objektivistisch-individualistischen Sinne OPPENHEIMERs - so liegt hier das Wesen dessen, was OPPENHEIMER als wirtschaftlich und außerwirtschaftlich bezeichnen will, darin, daß das wirtschaftlich handelnde Subjekt dem objektiv feststehenden Wert zu folgen sucht, während die außerwirtschaftliche Handlung sich nicht um ihn kümmert. Damit ist OPPENHEIMERs Lehre von der Wirtschaft auf seine von uns eingehend behandelte Wertlehre zurückgeführt; und natürlich würde mit dieser auch ihre methodologische Verzweigung fallen.

Und doch, wird man sagen, muß etwas Wahres hinter diesem Versuch einer Unterscheidung zwischen wirtschaftlicher und unwirtschaftlicher Handlung stecken; wir fühlen ja alle genau, was gemeint ist, und der Beweis, daß der Verschwender ebenso wirtschaftlich handelt wie der  homo sapiens Sombartradarius,  mag noch so stringent sein - den einfachen Verstand wird er nicht befriedigen, denn der sieht eben den Unterschied.

Gewiß, dieser Unterschied ist auch vorhanden, und es ist gar nicht einzusehen, warum er nicht eines Tages definiert werden sollte, z. B. von der Psychologie. Wir sagen nur, daß die Nationalökonomie als solche nicht fähig ist, die "wirtschaftliche" Handlung abzugrenzen, so seltsam das auch klingen mag; und das liegt nicht an der wirtschaftlichen Handlung, sondern an der Nationalökonomie. Wir können uns in der Tat gar keine bessere Jllustration zu den uns von AMONN dargestellten Lehren der allgemeinen Methodologie denken, als diese. Der einfache Verstand stellt sich die Welt in verschiedene Teile geteilt vor und vermutet die wirtschaftliche Handlung in dem der Nationalökonomie zur Bearbeitung überwiesenen Teil. Die aber lehnt die Aufgabe als unlösbar ab, weil die Gesichtspunkte, von denen aus sie ihre Begriffe bildet, dem in Rede stehenden Phänomen nicht beikommen können: die Qualitäten der Dinge sind nichts, die Methoden der Wissenschaft sind alles!

So überaus scharfsinnig und geistvoll OPPENHEIMERs Versuch einer engeren Umgrenzung des wirtschaftlichen Prinzips auch sein mag, in gewissem Sinn müssen wir ihn als einen Rückfall der Wissenschaft bezeichnen. Denn die alles Handeln umfassende Bedeutung, die OPPENHEIMERs Definition doch nur gegen die Absicht ihres Urhebers schließlich annimmt, ist längst als Inhalt des wirtschaftlichen Prinzips anerkannt. Ohne auf Einzelheiten einzugehen, wollen wir nur zum Beleg dieses Satzes einige Stellen aus älteren Werken zusammenstellen. WAGNER bezeichnet als wirtschaftliche Erscheinung und wirtschaftliche Handlung alles, "was sich auf die Beschaffung und Verwendung von Gütern zur menschlichen Bedürfnisbefriedigung bezieht" (56), wobei unter Gut "jedes Mittel zur Befriedigung eines Bedürfnisses" verstanden wird. (57) SCHMOLLER bezeichnet als Wirtschaft "den Inbegriff oder geschlossenen Kreis von Veranstaltungen oder Beziehungen, den eine oder mehrere zusammenlebende Personen ... zum Zweck des Unterhalts ... hergestellt haben" (58). PHILIPPOVICH sagt vom wirtschaftlichen Prinzip, es sei "die Folge eines vernünftigen Zweckstrebens ... ein in der menschlichen Natur und zwar nicht nur auf materiellem Gebiet begründetes Prinzip". (59) Und DIETZEL hat wohl als erster das Wesentliche ausgesprochen, wenn er sagt, das sogenannte ökonomische Prinzip sei "das Vernunftprinzip jeder menschlichen Handlung, jeder zweckbewußten Tätigkeit" (60) und wenn er es daher mit dem ob seiner Farblosigkeit empfehlenswerten Namen des Sparprinzips belegt (61).

Tatsächlich hat dann auch die moderne Theorie aus dieser Erkenntnis die Konsequenz gezogen und erwähnt unter ihren Voraussetzungen das wirtschaftliche Prinzip überhaupt nicht mehr. Da heißt natürlich nicht, daß es nun aus diesen Voraussetzungen ausgeschieden ist; im Gegenteil rangiert es nun in der großen Fälle derjenigen Annahmen, die zu banal sind, als daß man sich nicht scheuen müßte, sie auszusprechen. Zum Beispiel stehen die Sätze der Nationalökonomie offenbar unter der Voraussetzung, daß die atmosphärische Luft nicht plötzlich verschwindet. Täte sie das, so würde die reale Welt mit einem Schlag so umgestaltet, daß gar keine Beziehung zwischen ihrem neuen Zustand und den Sätzen der Nationalökonomie mehr bestünde. Ebenso stehen die Sätze der Nationalökonomie unter der Annahme, daß die Menschen wirtschaftlich handeln; täten sie das nicht mehr, so würde das wiederum eine solche Revolution der realen Welt bedeuten, daß die alte Nationalökonomie jeden Zusammenhang mit ihr verloren hätte. Beide Voraussetzungen aber sind offenbar nicht originell genug, als daß man ein Wort über sie zu verlieren bräuchte.

Am deutlichsten tritt das in den Schriften der mathematisch gerichteten Ökonomen zutage, in denen aus gegebenen Gütermengen und den dazu gehörenden Wertfunktionen scheinbar ohne irgendeine Intervention von Subjekten die logischerweise sich ergebenden Veränderungen bis zum Gleichgewichtszustand abgeleitet werden. Die Zwecke, die das Individuum mittels der nachgefragten Güter verwirklichen will und die, wie wir sahen, trotz allen Ableugnens selbst bei OPPENHEIMER noch ihr Unwesen treiben - hier sind sie durch ein ganz einfaches Mittel unschädlich gemacht: sie werden in der Wertfunktion zum Ausdruck gebracht. Variieren wir zum Zweck der Erläuterung unser Beispiel von der Rose und nehmen wir an, daß diese besonders teure Rosenart dem persönlichen Geschmack des Käufers gar nicht so sehr zusagt, für ihn persönlich also nur geringen Wert hätte. Da sie aber die Lieblingsblume seiner Dame ist, so erhält sie für ihn den ungleich höheren Wert, mit dem das Bedürfnis, diese zu erfreuen, im System seiner Wertfunktionen vertreten ist. Das System aber ist ja gegeben, kann also kein Kopfzerbrechen mehr machen. Wenn unser Individuum nun also für diese ihm nicht sehr zusagende Rose einen hohen Preis bezahlt, so wäre das einer von den Fällen, die OPPENHEIMER - ohne Erfolg - als außerwirtschaftlich bezeichnen möchte; für uns unterläge der Fall selbstredend der ökonomischen Betrachtung; denn auch dieser Preis hängt von der subjektiven Wertschätzung ab, sowie zugegeben ist, daß die Rose hier eben einem anderen Bedürfnis dient als gewöhnlich, daß sie also auch nach ihrer neuen Verwendung bewertet werden muß. Dieses Beispiel zeigt wohl deutlich den Weg, auf dem es der neueren Theorie geling, den Schwierigkeiten, mit denen sich so viele und zuletzt noch OPPENHEIMER abgemüht haben, aus dem Weg zu gehen. Freilich will uns scheinen, als ob zwischen dieser Auffassung der modernen Werttheoretiker und der oben gegen OPPENHEIMER entwickelten auch noch eine kleine Differenz besteht, insofern als das wirtschaftliche Prinzip bei jenen immerhin als eine Regel des rationalen Handelns gilt, während wir uns zu zeigen bemühten, daß bei konsequenter Verfolgung des Gedankens überhaupt alles Handeln durch dieses Prinzip geleitet erscheint. Aus dieser Abweichung aber erwachsen für die Methode der Nationalökonomie keinerlei Folgen.

Die geschilderte Auffassung ist zwar, wie uns scheint, allein konsequent und darum allein möglich, aber sie ist bisher nur vereinzelt aufgetreten (62) und im Ganzen noch keineswegs durchgedrungen; im Gegenteil bringt jedes Lehrbuch nach wie vor umständliche Erörterungen über das wirtschaftliche Prinzip und die Motive des wirtschaftlichen Handelns, während doch in Wahrheit eine Notwendigkeit dazu nur bei Oppenheimer vorliegt, der das Prinzip einengen will, so daß es keine Selbstverständlichkeit mehr ist. Bei allen anderen - eine Ausnahme ist uns nicht bekannt und, unseren obigen Ausführungen zufolge, dürfte eine solche schwerlich möglich sein - sind die Erörterungen der bezeichneten Art, so viel Geist im einzelnen an sie verschwendet sein mag, toter Ballast; und sie werden verschwinden in dem Maße, als es der Wissenschaft gelingen wird, ihre wahren Bedürfnisse zum Bewußtsein ihrer Diener zu bringen.

Rein formal wäre nun also mit Bezug auf diesen Punkt alles in bester Ordnng: das wirtschaftliche Prinzip ist beim methodischen Sozialismus als unzulässig erkannt, beim Individualismus zu einer Banalität geringsten Ranges herabgedrückt, es ist erledigt. Dennoch wird man schwerlich sagen können, daß dies ein sehr befriedigendes Resultat ist und keine logische Erwägung wird das unbestimmte Gefühl überwinden, daß irgendwo in der Nähe des wirtschaftlichen Prinzips ein Wert für unsere Wissenschaft zu finden ist.

Ein theoretisches System erhebt, wie wir wissen, nicht den Anspruch, die Wirklichkeit als solche oder einen Teil der Wirklichkeit darzustellen; es will vielmehr nur unter gewissen Gesichtspunkten ein Abbild der Wirklichkeit sein, es will, wie SCHUMPETER sagt, auf die Wirklichkeit passen, für sie  gelten.  Der Forscher hat dabei die Aufgabe, das System mit Rücksicht auf diesen Anspruch zweckmäßig zu konstruieren, d. h. die Ausgangspunkte des theoretischen Denkens so festzulegen, daß das Ergebnis eben wirklich auf die reale Welt paßt. Die Prüfung, ob dieses Ziel erreicht, ob jener Anspruch der Theorie erfüllt wird, geschieht durch die Verifikation der Theorie.

Verifiziert man nun das ökonomische System, das, nach den oben entwickelten Grundsätzen, alle entstehenden Preise gleichmäßig der Betrachtung unterwirft, ohne Rücksicht auf die Motive, die zum Tausch führen, so ergibt sich, daß dieses formal völlig korrekte System in materialer Hinsicht einen recht willkürlichen Eindruck macht - und hier ist die Quelle der geringen Befriedigung, die uns seine Betrachtung verschafft: das Bild paßt nicht sehr gut auf die Wirklichkeit. Daß dem so ist, wird, soweit wir sehen, kaum bestritten. Immerhin möchten wir uns zwei Argumente SCHUMPETERs für den Wert des Systems zu eigen machen. Erstens betont er die ungeheure Bedeutung, die der Nationalökonomie kraft der Tatsache zukommt, daß sie die erste exakte Wissenschaft vom menschlichen Handeln ist und zweitens weist er darauf hin, daß die Abneigung so weiter Kreise gegen diese Theorie sich zum Teil darauf gründet, daß sie gar zu selbstverständliche, zu alltägliche, zu uninteressante Vorgänge erklärt. In diesem Vorwurf aber sieht er mit Recht ein hohes Lob; denn hier wird ausgesprochen, daß das Maximum- und Gleichgewichtstheorem, die Lehre vom Konkurrenz- und Monopolpreis einen ganz ungeheuren Kreis realer Tatsachen decken - eben den des alltäglichen Wirtschaftslebens.

Und hier nun, wo es sich also darum handelt, zu prüfen, ob unser Bild dem Urbild angenähert ist, möchten wir uns zum Schluß einen kleinen Reformvorschlag erlauben. Über die Motive, die das Handeln der Wirtschaftssubjekte beim Tausch bestimmen, mit anderen Worten: über die Gestaltung der einzelnen Wertfunktionen wird nichts ausgesagt, alle Arten sind gleichmäßig als Daten des Systems verwendbar. Übersetzt man das in die Sprache der Tatsachen, so würde diese Wirtschaftskonstruktion am besten auf eine Wirklichkeit passen, in der tatsächlich die wirtschaftlichen Handlungen bald durch dieses Motiv, bald durch jenes regiert werden, in der tatsächlich alle nur denkbaren Handlungsweisen nebeneinander in gleicher Stärke im Wirtschaftsleben vertreten wären. Dies ist nun offenbar nicht unsere heutige Wirtschaftsepoche, ja die heutige ist es höchst wahrscheinlich weniger als alle vorhergehenden (63). Nie zuvor hat das Wirtschaftsleben einen so gewaltigen Raum im allgemeinen gesellschaftlichen Leben eingenommen wie heute, nie zuvor aber auch war das Wirtschaftsleben in so hohem Grad von den Kräften beherrscht, die wir, unter Vernachlässigung der bisherigen Terminologie, als die rein wirtschaftlichen bezeichnen könnten: von den rein kaufmännischen Erwägungen, den rein geschäftsmäßigen, rechnerischen Gesichtspunkten. Es wäre daher vermutlich nicht unangebracht, wenn man den Versucht machen würde, dieser Sachlage auch in der Problemstellung derjenigen Wissenschaft gerecht zu werden, die ein Abbild des geschilderten Wirtschaftslebens zu geben berufen ist. Durch ihre neueste Wendung hat sie zwar den Vorteil erlangt (64), für alle Wirtschaftsepochen gleichmäßig zu gelten, solange in ihnen nur der Tauschverkehr in irgendeiner Form lebendig war; aber da sie ihren Umfang so sehr erweitert hat, hat sie natürlich auch ihren Inhalt beschränkt; je mehr verschiedenen Urbildern sie einigermaßen ähnlich sieht, desto weniger ähnelt sie jedem einzelnen im besonderen. Weniger wäre entschieden mehr, und es dürfte sich empfehlen, den logischen Voraussetzungen des Systems eine kleine Einschränkung hinzuzufügen, um die Theorie wieder einen Schritt näher an unsere heutige Wirtschaftswelt zurückzuführen. Was wir meinen, ist nichts anderes, als daß man das Vorherrschen des "wirtschaftlichen" Gesichtspunktes im modernen Leben in unserer Problemstellung dadurch zum Ausdruck bringen sollte, daß man nicht alle denkbaren Wertfunktionen gleichmäßig der Betrachtung unterwirft, sondern nur diejenigen, die entstehen, wenn und soweit die Wirtschaftssubjekte die Güter nur nach kaufmännischen Gesichtspunkten werten, nach rein utilitaristischen Erwägungen oder wie man es sonst nennen will - jeder fühlt ja, was gemeint ist. Wir befürworten die alte Konstruktion des  homo oeconomicus. 

Drei kurze Empfehlungen möchten wir diesem Vorschlag noch mit auf den Weg geben. Einmal kommt ohnehin ein wichtiges und fruchtbares Gebiet der ökonomischen Theorie eingestandenermaßen ohne diese einschränkende Hypothese nicht aus; sie ist eine notwendige Spezialhypothese für die Lehre vom Monopolpreis (65). Wenn aber der moderne Wirtschaftsgeist hier doch schon herangezogen wird, warum ihn nicht lieber an die Spitze des Ganzen setzen, da doch die einzige Wirkung dieser Maßnahme eine formale Vereinheitlicung wäre, während andererseits dadurch auch nicht die geringste Änderung im System als solchem involviert würde! Denn so liegt es in der Tat: mit der Feststellung, daß alle Wertfunktionen als unter kaufmännischen Erwägungen entstanden angenommen werden sollen oder - was praktisch auf dasselbe hinausläuft, sich aber mit Rücksicht auf die ethischen Gegner der Theorie mehr empfiehlt - daß nur die unter jenen Erwägungen entstandenen Wertfunktionen der Betrachtung unterliegen sollen - mit dieser einen methodologischen Feststellung wäre alles getan.

Wichtiger erscheint uns ein zweites Argument. Wenn man z. B. die Preistheorie verifizieren wollte, indem man die Vorgänge eines begrenzten Marktes verfolgt, so würde man ganz selbstverständlich der Rechnung lauter von kaufmännischen Gesichtspunkten diktierte Werte zugrunde legen müssen. Denn erstens würde man andere Wertschätzungen vermutlich gar nicht finden, da sie nun einmal vergleichsweise selten sind; aber vor allem sind ja die Eigennutzwerte die einzigen, die sich ohne Mühe - infolge des Kostenzusammenhangs - feststellen lassen. Oder wer wüßte exakt anzugeben, wieviel ihm ein Familienerbstück wert ist oder wieviel ihm daran liegt, einem guten Freund durch den tüchtigen Ankauf von dessen Waren aus einer geschäftlichen Bedrängsnis zu helfen? Denn die zu kaufenden Waren sind dann das Mittel zur Befriedigung dieses Freundschaftsbedürfnisses und müssen entsprechend gewertet werden.

Schließlich möchten wir noch darauf hinweisen, obwohl das überflüssig erscheinen könnte, daß unser Vorschlag nichts weniger als eine Neuerung enthält. Er will ja nichts weiter als den "Eigennutz" der Klassiker wieder zu Ehren bringen. Daß wir den Ausdruck der Klassiker nicht adoptieren, hat seinen Grund einfach darin, daß, wenn der Direktor einer Aktiengesellschaft für seine Aktionäre eine möglichst hohe Dividende herauswirtschaftet, dies nur sehr mittelbar als Eigennutz bezeichnet werden kann - nämlich nur insofern, als er seine Auftraggeber befriedigen möchte, um seinen Posten zu behalten. Die anderen Ausdrücke passen in der Tat besser, aber das ist ganz belanglos; in der Sache wollen wir genau dasselbe, was schon die Klassiker wollten: größere Ähnlichkeit der Theorie mit ihrem Urbild. Nur im Vorübergehen möchten wir einem möglichen Mißverständnis begegnen: als ob nämlich, im Gegensatz zum vielberufenen wirtschaftlichen Prinzip, das Eigennutzprinzip nicht rein formaler Natur wäre. Das ist vielleicht für eine psychologische Betrachtung der Fall; für die ökonomische Betrachtung ist nichts Inhaltliches ausgesagt, wenn konstatiert wird, daß ein Kaufmann seine Waren nach diesem Prinzip verkauft.

Wie aber konnte es geschehen, daß die von den Klassikern mit vollem Recht eingenommene Position in der Folgezeit verlassen wurde, gerade als man, durch die methodologische Umgestaltung der Theorie, das Eigennutzprinzip erst wirklich systematisch verwenden konnte, während es doch im objektivistischen System der Klassiker, methodologisch gesehen, stets ein Fremdkörper war? Die Ursache kennt jeder: es sind die Angriffe der historischen Schule gegen die angeblich so unmoralische Theorie. Man wußte nicht zu unterscheiden zwischen der wirtschaftspolitischen Forderung der Klassiker, dem wirtschaftlichen Egoismus freien Spielraum zu lassen, und der rein darstellenden Funktion, die der Eigennutz in den theoretischen Teilen ihrer Werke ausfüllt - ein Fehler, an dem die Klassiker selbst freilich nicht ohne Schuld sind. Indem man nun das Manchestertum verwarf, glaubte man, auch die bloße Darstellung des Seienden vom Eigennutz befreien zu müssen, und konnte sich nicht genug daran tun, all die hochherzigen und gottesfürchtigen Gesinnungen zu untersuchen, aus denen das Handeln der Menschen erwächst. Dabei bestreitet kein Mensch, und auch die Klassiker nicht, daß der einzelne Wirtschaftsakt tatsächlich von allen denkbaren Motiven geleitet sein kann; was man demgegenüber betonen muß, ist vielmehr der ebenso unbestreitbare Tatbestand, daß die wirtschaftliche Handlung in aller Regel eben nicht von irgendwelchen ethischen Motiven, sondern von einem banalen wirtschaftlichen Selbstinteresse ausgeht. Jedenfalls war die Entwicklung die, daß unter der Wucht jener Angriffe der Eigennutz verschwand und, soweit nötig, durch das umfassendere und somit weit weniger anstößige wirtschaftliche Prinzip ersetzt wurde, dessen auch vom Standpunkt einer Motivationslehre rein formale und daher vollkommen nichtssagende Natur dann erst in neuerer Zeit zutage trat. Inzwischen ist, was die Ethiker zerstörten, neu und besser aufgebaut worden, und manch kräftig Wörtlein findet man heute bei den Theoretikern gegen jene moralisierende Konfusion (66). Und doch hat nur OPPENHEIMER versucht, die Nationalökonomie so zu formen, wie es den tatsächlichen Verhältnissen angemessen ist, indem er die endlose Reihe der "außerwirtschaftlichen" Handlungen aus ihr verbannen wollte. SCHUMPETER aber, der es doch "nachgerade an der Zeit" findet, hervorzuheben, "daß die egoistische Handlungsweise ein Gebot der Natur ist, auf dessen Nichtbefolgung die Todesstrafe steht" (67), weigert sich gleichwohl, über die Gestalt der Wertfunktionen irgendetwas auszusagen, und läßt daher, nach dem Voranschreiten von WALRAS, sein System für alle verschieden motivierten Handlungsweisen offen. Wir haben ohne weiteres zugegeben, daß die Hypothese des Eigennutzes systematisch wohl entbehrlich ist, aber wir möchten nochmals betonen, daß es nicht nur auf die formale Einheitlichkeit eines Systems ankommt, sondern ebensosehr auf seine materiale Annäherung an die Tatsachen. Und darum ist unsere Meinung: man hole die Nationalökonomie aus dem leeren Raum der unbestimmten Motivation herab und setze sie auf den festen Boden des die Wirtschaftswelt beherrschenden Eigennutzprinzips; denn in der Wissenschaft gibt es nur eine Moral, die Ehrlichkeit.

Methodologische Erörterungen sind in jüngster Zeit in der Nationalökonomie sehr modern, vielleicht muß man schon sagen: modern gewesen. Denn das Interesse dafür ist wohl wieder im Abflauen begriffen, und das ist ohne weiteres verständlich, wenn man bedenkt, daß eine solche Erörterung niemals einen sichtbaren Machtzuwachs der Wissenschaft bedeutet. Mit Recht hat man gesagt, daß es nicht gut um eine Wissenschaft stehen kann, die sich gar zu tief in diese Fragen einläßt; und auch uns erscheinen sie nur als ein notwendiges Übel. Ein Übel, weil sie nicht vorwärts bringen; notwendig aber, weil bei dem allseits anerkannten unbefriedigenden Zustand unserer Wissenschaft nur eine innere Konsolidation imstande ist, die Kräfte zu erzeugen, ohne die eine gesunde Expansion nicht durchgeführt werden kann.

In diesem Sinne ist es der höchste Ehrgeiz der vorliegenden kleinen Arbeit, daß sie in noch so bescheidenem Maß dazu beitragen möge, methodologische Erörterungen überflüssig zu machen.
LITERATUR Eduard Heimann, Methodologisches zu den Problemen des Wertes und des wirtschaftlichen Prinzips, Archiv für Sozialwissenschaft und Sozialpolitik, Bd. 37, Tübingen 1913
    Anmerkungen
    42) Es sei denn, daß man den Prosperitätspreis auf der einen, den Krisenpreis auf der anderen Seite als die Schwankungen des Marktpreises um den Produktionspreis bezeichnen wollte - was natürlich eine ganz unsinnige Konstruktion wäre.
    43) Nur für einen Spezialfall scheint MARX die Notwendigkeit eines Beweises für diesen postulierten Zusammenhang gefühlt zu haben: für das Verhältnis des Wertes der Arbeitskraft zum Lohn; wenigstens kann man unter diesem Gesichtspunkt die berühmte Deduktion in der Akkumulationslehre betrachten ("Kapital", Bd. I, Seite 580f). Man könnte nämlich das dort behandelte Problem formulieren als die Frage, ob und warum mit anderen Worten der Lohn auf die Dauer nicht über dem Wert der Arbeitskraft stehen kann. Wenn in der Preislehre alles in Ordnung wäre, so wäre dieser Spezialbeweis offenbar ganz überflüssig; dann würde auch der Preis der Arbeit sich irgendwie mit ihrem Wert decken. Nun ist aber, wie wir uns zu zeigen bemühten, die Preislehre nicht in Ordnung. Es besteht kein Zusammenhang zwischen Wert und Preis. Da muß man natürlich auch erwarten, daß dieser Zusammenhang auf dem Arbeitsmarkt ebenfalls nicht besteht, trotz des  Marxschen Beweises, und in der Tat hat OPPENHEIMER diesen Beweis analysiert und als unhaltbar nachgewiesen ("Das Grundgesetz der Marxschen Gesellschaftslehre", 1903, verkürzt wiedergegeben in seiner "Theorie der reinen und politischen Ökonomie"). Wir wissen wohl, daß beide, MARX und OPPENHEIMER, sich in diesen Deduktionen gar nicht mit unserem Problem befassen, sondern mit der Frage, ob das Kapitalverhältnis gesprengt werden kann oder nicht; das hindert aber nicht, daß beide Deduktionen auch in der Richtung unseres Problems auszudeuten sind, daß also OPPENHEIMERs Polemik gegen das Akkumulationsgesetz den unbeabsichtigten und unausgesprochenen Nebenerfolg hat, zu beweisen, daß im Arbeitsverhältnis kein notwendiger Zusammenhang zwischen Wert und Preis besteht. Der Leser begreift, daß uns dieses Zusammentreffen mit OPPENHEIMER bei der vollkommenen Verschiedenheit der behandelten Fragen wie der erstrebten Ziele mit doppelter Genugtuung erfüllt.
    44) Diese Verknüpfung ist glücklicherweise keine zwingende, so daß es uns vorläufig nicht aussichtslos erscheint, wenn man versuchen würde, sie aufzulösen. Das Kriterium der Äquivalenz des Tausches in natürlich eine reine Anwendung des Arbeitswertes und also theoretisch hinfällig; die Nichtäquivalenz in der politischen Ökonomie beruth aber auf den dieser eigentümlichen "Klassenmonopolverhältnissen", auf die also alles ankommt. Gerade diesen Kern der  Oppenheimerschen Lehre kann man aber vermutlich auch mit den Mitteln der subjektivistischen Monopolpreistheorie darstellen. Auch der genialste Teil dieser  Oppenheimerschen Theorie, die wunderbvoll Lehre vom Einkommen als Maß der Werte, die freilich Umfang und Bedeutung der "Personalmonopole", namentlich an Rohstoffen, unterschätzt, läßt sich in das subjektivistische System einfügen. Es ist im höchsten Grad auffallend, wie sehr, trotz des entgegengesetzten Ausgangspunktes, SCHUMPETERs Lohntheorie (a. a. O. Teil III, Kap. 2, z. B. Seite 351) sich derjenigen OPPENHEIMERs nähert. Unsere Erwartung, daß SCHUMPETER womöglich daraus die Konsequenzen für die Zinstheorie ziehen würde, ist freilich durch sein neuestes Werk ("Theorie der wirtschaftlichen Entwicklung", 1912) desavouiert [in Abrede gestellt - wp] worden.
    45) Merkwürdigerweise stellt uns diese Erkenntnis in einen schroffen Gegensatz zu einem Gelehrten, der im Eroberungszug des Subjektivismus an leitender Stelle gestanden hat. In seiner Marxkritik erwähnt BÖHM-BAWERK (Seite 203) SOMBARTs Aufforderung (a. a. O., Seite 593), sich über die Berechtigung der objektivistischen und der subjektivistischen Methode Rechenschaft abzulegen, und erklärt, er persönlich sei sich längt bewußt, daß beide einander ergänzen müßten und also gleichberechtigt seien; seine Ablehnung des Marxismus gründet sich nur auf die Tatsache, daß hier die ansich unanfechtbare Methode des Objektivismus nicht einwandfrei gehandhabt wird. Es bedarf nach allem Vorstehenden wohl keiner Erläuterung, daß wir dieses Urteil eines der ersten Theoretiker unbegreiflich finden und als einen Beleg für die in der Nationalökonomie herrschende Unklarheit in methodologischer Hinsicht auf das tiefste beklagen. Vgl. auch HILFERDINGs Protest - von der anderen Seite her - gegen jene Ausführungen BÖHM-BAWERKs (a. a. O., Seite 54).
    46) vgl. z. B. SOMBART, a. a. O., Seite 591
    47) OPPENHEIMER, a. a. O., Seite 331
    48) vgl. die Darstellungen ihrer Begründer MARSHALL, von WIESER, WALRAS sowie die zusammenfassende und leichtverständliche Darstellung bei SCHUMPETER, Wesen und Hauptinhalt usw.", Seite 133f.
    49) Mir will freilich scheinen, als hätte diese Sache noch einen sehr bösen Haken. Eine Gruppe der Bestimmungsgleichungen im statischen System wird nämlich durch den Satz vom einheitlichen Grenznutzenniveau der verschiedenen Güterarten beim Individuum geliefert: wenn eine Güterart bis zum Grenznutzen  4  vorhanden ist, eine andere bis zum Grenznutzen  1,  so werden von der zweiten Exemplare fortgegeben, um dagegen Exemplare der ersten einzutauschen, und zwar bis beide sich auf ein einheitliches Grenznutzenniveau stellen. Ganz unbestreitbar. Der Preis nun, zu dem sich jener Austausch vollzieht, soll der reziproke [umgekehrte - wp] Wert des Grenznutzenverhältnisses sein, wäre also = ¼. In der Tat, da der Grenzwert des einen Gutes 4 mal so groß ist, wie der des zweiten, so müßte man 4 Exemplare des zweiten fortgeben, um eines vom ersten zu erlangen. Aus diesem Satz entstehen für das Gleichungssystem Gleichungen, deren Anzahl gleich dem Produkt aus der Zahl der Individuen und derjenigen der Güter ist, und die sämtlich die Form haben. grenznutzen
    Gehen wir aber schrittweise vor. Erinnern wir uns, wie SCHUMPETER den Irrtum aufdeckt, den, weil WIESER ihn beging und mit den reichen Gaben seines Scharfsinns und seiner Phantasie sich und anderen plausibel machte, die ganze Wiener Schule diesem ihren Führer 20 Jahre lang nachsprach: als ob nämlich der Gesamtwert eines Gütervorrats gleich dem Produkt aus seinem Grenzwert und der Stückzahl sei. Dann wäre ja der Gesamtwert der atmosphärischen Luft = 0, in Wahrheit ist er unendlich groß; denn der Grenznutzen bestimmt nur den Wert eines beliebigen Exemplars, ganz isoliert betrachtet; betrachtet man dagegen den Gesamtwert, so steht jedes Exemplar an einer anderen Stelle der Mengen-Abszisse, jedem entspricht also eine andere Wertordinate, und der Gesamtwert ist nicht ein einfaches Produkt, sondern ein Integral. Derselbe SCHUMPETER nun, dem wir diese so überaus einleuchtende Beweisführung verdanken (a. a. O. Seite 102), schreibt dennoch die oben wiedergegebene Preisformel als typisches Muster einer Gruppe von Bestimmungsgleichungen (a. a. O. Seite 262, vgl. auch Seite 128-132 und Seite 212!) Wenn aber  b  den Grenzwert  1  hat, so hat eben nur das jeweils letzte Exemplar von  b  den Wert  1 - und isoliert betrachtet ist ja jedes das Grenzgut; betrachtet man aber mehrere zugleich, wie das ja jene Formel tut, so sieht man sie in einer sicherlich ganz willkürlichen, aber dann doch festgelegten Anordnung: nur eines kann in diesem Moment das Grenzgut sein und den Wert  1  haben; ein anderes steht an vorletzter Stelle und hat einen höheren Wert, vielleicht  1,3;  und das drittletzte hat einen noch höheren Wert, etwa  1,7,  so daß das umgekehrte Grenznutzenverhältnis über den Preis gar nichts auszusagen vermag. Denn wollte man wirklich, der Formel folgend,  4 b  für  1 a  geben, so würde man ein sehr schlechtes Geschäft machen, da der "Gesamtwert" von  4 b  jedenfalls größer ist als der Wert von  1 a,  nämlich größer als  4.  In unserem Beispiel würde man für ein Exemplar der Güterart mit dem Grenzwert  4  nur  3  Exemplare der Güterart mit dem Grenzwert  1  geben; denn durch deren Hingabe würde man die Werte  1 + 1,3 + 1,7 = 4  verlieren, um den gleichen Wert einzutauschen. Wie man sieht, ist die ganze Gleichungsgruppe, die aus dem - ansich zweifellos zutreffenden - Theorem vom Grenznutzenniveau abgeleitet wurde, unhaltbar, ohne daß wir - als Nichtmathematiker - auch nur einen Fingerzeig zu geben vermöchten, wie die korrekte Formel auszusehen hätte. Es ist klar, daß die Wertlehre dadurch in eine sehr prekäre Lage gerät. Dennoch halten wir unbedingt an ihr fest. Denn wie wir die Arbeitswertlehre nicht wegen der Mängel in ihrem Ausbau verwarfen, die schlimmstenfalls eine gründliche Korrektur notwendig machen würden, sondern weil wir ihren Ausgangspunkt verkehrt finden, so kann uns die soeben aufgezeigte Reformbedürftigkeit der subjektiven Wertlehre nicht von ihr abbringen, da wir ihr Prinzip für überaus fruchtbar halten. Aber reformbedürftig scheint sie uns allerdings.
    50)
    51) Es erübrigt sich wohl darzulegen, daß diese Lösung, die die Objektivität des Preises veranschaulicht, mit der weiter oben vorgetragenen, die rein theoretisch das exakte Maß dieser Objektivität zu suchen unternahm, nicht im Widerspruch steht; beide beruhen ja auf ganz verschiedenen Methoden.
    52) ANDREAS VOIGT, Der Geltungsbereich des wirtschaftlichen Prinzips, Zeitschrift für Sozialwissenschaft, Neue Folge, 3. Jahrgang, Seite 204.
    53) Zu der Frage, ob letzteres überhaupt denkbar ist, siehe etwas weiter unten.
    50) Professor ALFRED WEBER hatte die außerordentliche Freundlichkeit, die Darstellung dieser Lösung dem Verfasser zu übertragen, da sie in den Zusammenhang der vorliegenden Arbeit gut hineinpaßt. Denjenigen, die Professor WEBERs theoretische Vorlesungen gehört haben, ist diese Lösung bekannt. 54) siehe weiter oben
    55) Diese Argumentation wurde von Fräulein CORA BERLINER, einem Mitglied des  Oppenheimerschen Seminars, angeregt.
    56) FRANZ OPPENHEIMER, Grundlegung der reinen politischen Ökonomie, Bd. I, dritte Auflage 1892, Seite 81, 349 (zitiert nach AMONN, Seite 67).
    57) OPPENHEIMER, Grundlegung a. a. O., Seite 143
    58) GUSTAV SCHMOLLER, in dem wunderschönen Artikel "Volkswirtschaft, Volkswirtschaftslehre und -methode" im  Handwörterbuch der Staatswissenschaften,  Bd. VIII, Seite 427, so auch schon in der zweiten Auflage.
    59) PHILIPPOVICH, Grundriß der politischen Ökonimie, Bd. I, Seite 2
    60) DIETZEL, "Der Ausgangspunkt der Sozialwirtschaftslehre und ihr Grundbegriff" in der  Zeitschrift für die gesamte Staatswissenschaft,  1883, Seite 29. Ähnlich LIEFMANN, "Ertrag und Einkommen", Seite 48: "... spielt bei allen menschlichen Handlungen eine Rolle". Was soll man aber dazu sagen, wenn derselbe DIETZEL die theoretische Nationalökonomie als "die Wissenschaft von der spezifischen Wirkungsweise des wirtschaftlichen Motivs als eines der psychischen Kausalmomente des menschlichen Handelns" definiert ("Theoretische Sozialökonomik, Seite 76) - ein Satz, den PHILIPPOVICH rühmend hervorhebt!
    61) DIETZEL, Theoretische Sozialökonomik, Seite 175f.
    62) SCHUMPETER, a. a. O., Seite 29f und 76f.
    63) Wie zu allem Überfluß einer der geistreichsten unter den jungen Theoretikern an der Geschichte der Preise nachgewiesen hat, leider ohne seine Untersuchungen bisher zu veröffentlichen.
    64) Auf den z. B. SCHUMPETER einiges Gewicht legt.
    65) SCHUMPETER, a. a. O., Seite 265: "Diese Hypothese ist, daß der Monopolist seinen Erlös zu einem Maximum zu machen strebt."
    66) OPPENHEIMER, a. a. O., Seite 77f; SCHUMPETER, a. a. O., Seite 82f.
    67) SCHUMPETER, a. a. O., Seite 83