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Kant und die philosophische Aufgabe unserer Zeit [6/7]
III. Aussichten für die Zukunft Die Vergangenheit ist uns nun in allgemeinen Umrissen vor Augen getreten; die Gegenwart haben wir von jener aus beleuchtet; was aber wird uns die Zukunft bringen? Wird die deutsche Philosophie in der Reihe fortgehen welche, von KANT beginnend, bis zu unseren Zeiten hin fast eine einzige gerade Linie gebildet hat? Wird vielleicht das Interesse für Philosophie, wie es jetzt ziemlich den Anschein hat, ganz untergehen in Gleichgültigkeit? Oder endlich, haben wir einen Umschwung zu erwarten zu einer entgegengesetzten Richtung und zu einer höheren Entwicklung? - Wir maßen uns freilich nicht an, die Geschichte nach irgendeinem eingebildeten Schematismus a priori zu konstruieren. Aber den aufmerksamen und treuen Beobachter hat die Vergangenheit von jeher in den Stand gesetzt, das Zukünftige, wenn auch nicht mit voller Gewißheit, doch mit überwiegender Wahrscheinlichkeit vorauszusagen; und so dürfen auch wir uns wohl eine solche Aufgabe stellen. Zuerst nun leuchtet in die Augen: ein Fortgehen der philosophischen Entwicklung in der bis jetzt behaupteten Richtung ist durchaus unmöglich. Man hat alles versucht, was sich überhaupt versuchen ließ; ist im Sublimieren des Prinzips von den reinen Anschauungen und den Kategorien zum leeren Ich und so endlich bis zum Äußersten gelangt, bis zum - Nichts, aus welchem das geistige und physische All konstruiert werden soll. Wie könnte man darüber noch hinaus? (1)
"Der, leider nicht so allgemeine Menschenverstand wird jetzt zu einem negativen Probierstein der Systeme, so daß, was er nicht für toll erklärt, uns nicht rein philosophisch ist." (2) Immer dringender und dringender also fühlt man die Notwendigkeit, diesem willkürlichen Schwärmen und Dichten endlich einmal ein Ende zu machen. Denn mit der Philosophie ist auch der bildende Einfluß derselben zum Nichts sublimiert worden und in den herrschenden Ansichten vom Staat, von der Religion und der Kirche, von der Erziehung, von der Natur und der Heilkunde, kurz, in allen Lebensverhältnissen bemerkt man nur zu augenscheinlich die nachteiligen Wirkungen des nebelhaften Ineinanderfließens aller Begriffe. Zur Armut und Unbestimmtheit kommt das völlig Unpraktische dieser Philosopheme. Die Natur richtet sich nicht nach unseren Dichtungen; und nur die Wissenschaft, welche rein und unverfälscht die Wirklichkeit in sich abspiegelt, wird sich probehaltig erweisen, wenn wir das unvollkommene Gegebene nach höheren Zweckbegriffen umbilden wollen.
Dazu endlich die Unverständlichkeit der Darstellung. Schon ist es so weit gekommen, daß ziemlich allgemein die Meinung besteht, die Philosophie (deren erster Zweck doch gerade ein Klarmachen des Unklaren ist) könne gar nichts anderes als unklar und unverständlich sein; und daß diejenigen, welche dieselbe dennoch, aus traditioneller Ehrfurcht oder aus höherem Kraftgefühl, zum Gegenstand ihres Studiums machen, eine kindliche Freude empfinden über jeden, auch den schwächsten Lichtstrahl, der ihnen durch diese dicke Finsternis entgegen scheint.
Daß also unsere Philosophie in dieser Richtung nicht weiter fortgehen kann, zeigt sich aus allen Gesichtspunkten als unzweifelhaft gewiß. Aber müssen wir vielleicht fürchten, daß das immer mehr und mehr herabgestimmte Interesse für die Wissenschaft endlich in völlige Interesselosigkeit ausgehe? Allerdings möchte dies eher zu besorgen sein, als jenes; und mancherlei Zeichen der Zeit, von welchen schon früher die Rede gewesen ist, weisen drohend auf diesen Ausgang hin. Was KANT in der Vorrede zur ersten Ausgabe seiner Kritik der reinen Vernunft (8) von seiner Zeit sagt:
Die kürzlich gegen einen berühmten Philosophen aus der schellingschen Schule erhobene Polemik und dessen Verteidigung haben nicht den hundertsten Teil des Interesses erregt, wie die Polemik zwischen den Pietisten und den Rationalisten. Höchstens ein paar Tage lang hat man von den Titeln der neu erschienen Werke und Rezensionen gesprochen; dieselben zu lesen gab sich kaum jemand die Mühe und sehr bald sind sie wieder ganz vergessen worden. Weshalb? Weil im Grunde jeder Unbefangene schon im Voraus von der Falschheit und Unbegründetheit eines Systems überzeugt war, welches so viele schneidende Widersprüche gegen die unerschütterlichsten und heiligsten Überzeugungen aller enthält und daher niemand Lust hatte, sich hierfür erst einen langen Beweis führen zu lassen. Überdies stellten sich die meisten dieser Schriften dem angegriffenen System viel zu sehr gleich in Gedanken wie in der Ausdrucksweise, als daß sich unbefangene Leser mit ihnen zu befreunden imstande gewesen wären. Oder man vergleiche das Interesse an Philosophie zu unserer Zeit mit dem politischen, mit den Interesse für Entdeckungen in den Naturwissenschaften und in den Sprachwissenschaften. Und doch ist an und für sich unstreitig jenes ein viel weiter greifendes und tiefer begründetes, weil es ja auf das nicht für diese Zeit oder dieses Volk allein, sondern für alle Zeiten und Völker in gleichem Maße Hochwichtige, auf das "Ewige der Menschheit" sich bezieht. Eben deshalb aber kann man auch dieser bei uns Deutschen allerdings immer mehr überhand nehmenden Gleichgültigkeit im Allgemeinen ohne Besorgnis zusehen. Die Philosophie ist ein zu tief gewurzeltes Bedürfnis, als daß sie jemals ihr Interesse für das menschliche Geschlecht verlieren könnte. Vermindert sich dasselbe für eine kurze Zeit und äußert es sich gleichsam stoßweise, bald überspannt, bald nachlassend bis zum Verschwinden, so ist dies, wie wir gesehen haben, bis zu einem gewissen Maß eine notwendige Folge von der Natur der dem philosophischen Forscher zur Lösung vorliegenden Probleme. Aber dieselbe Natur der Probleme führt auch eben so notwendig eine neue Steigerung dieses Interesses herbei. Überdies erfolgen diese Entwicklungen bei verschiedenen Völkern in verschiedenen Zeitmaßen; und so verbürgt uns denn der jetzt zwischen allen gebildeten Ländern bestehende lebhafte wissenschaftliche Verkehr, daß, wenn bei irgendeinem Volk das heilige Feuer gänzlich zu erlöschen drohte, dasselbe von einem anderen aus von selber wieder angezündet wird. Während bei uns eine fast übermäßige Tätigkeit angeregt war, haben die Franzosen und die Italiener geruth; jetzt werden diese wieder wach; und so wird die innige Verbindung zwischen den Gliedern dieser weit ausgedehnten Kette die Schwingung in keinem derselben je ganz zur Ruhe kommen lassen. Auch die Engländer, welche, im vorigen Jahrhundert die ruhigsten, jetzt völlig zu feiern scheinen, werden von neuem an das Werk gerufen werden. Ja, für uns Deutsche möchte nicht einmal ein solches Zeitalter der Abspannung, wie jetzt bei den Engländern, zu besorgen sein. Wir sind zu sehr, durch unsere innerste Eigentümlichkeit und durch die aus dieser hervorgegangenen Verhältnisse der Gesellschaft, auf das innere Leben gewiesen, als daß wir nicht der Erkenntnis desselben stets eine rege Aufmerksamkeit zuwenden sollten. Überdies sind wir betriebsamer, als irgendein Volk, in der Aneignung des in der Fremde Geleisteten: weshalb sich auch in Deutschland nie die traditionelle Gleichförmigkeit der philosophischen Ansichten hat ausbilden können, wie wir sie in England von LOCKE bis HUME und in Frankreich, ebenfalls vorzüglich auf LOCKEs Anstoß, von CONDILLAC bis auf die neueste philosophische Reform haben obwalten sehen. Wie im vorigen Jahrhundert in Deutschland mit dem wolffisch-leibnizschen System zugleich, nicht nur die einheimischen Ansichten von TSCHIRNHAUSEN, THOMASIUS und später von CRUSIUS und anderen, sondern auch die aus der Fremde her übertragenen Lehren von LOCKEs und HUMEs, BONNETs und CONDILLACs, so wie die Untersuchungen der englischen Moralphilosophen ein offenes Ohr und einen empfänglichen Geist fanden: so haben auch nach KANT, trotz der von den herrschenden Systemen beabsichtigten und zum Teil wirklich ausgeübten Tyrannei, die verschiedenartigsten Begründungsweisen der philosophischen Erkenntnis ihre mutigen Verteidiger gefunden, von ÄNESIDEMUS SCHULZE und JACOBI, welcher allen nacheinander auftauchenden spekualtiven Nebelgebilden den Medusenschild der gesunden Menschenvernufnt vorgehalten hat, bis auf den Verfasser der vorliegenden Schrift. Für Deutschland brauchen wir also kein solches Zeitalter der Abspannung zu fürchten. Es kommt vorerst nur darauf an, daß wir den verkehrten Hochmut ablegen, welcher uns, mehr als alles andere, von der Erwerbung einer wahrhaft begründeten und für das Leben fruchtbaren philosophischen Erkenntnis zurückgehalten hat. Es ist endlich Zeit, daß wir klar sehen über die, wenn auch zum Teil genialen, doch zuweilen an Tollheit streifenden Luftfahrten, welche wir, von einem unaufhaltsamen Wirbelwind fortgerissen, in den letzten vier Jahrzehnten gemacht haben; endlich Zeit, daß wir den Wahn fahren lassen, als sei in Deutschland allein Talent für die philosophische Erkenntnis und ein lebendiges Fortschreiten derselben zu finden, den Wahn, daß unsere neueste deutsche Philosopie unendlich erhaben sei über alles Frühere und über dasjenige, was jetzt an anderen Orten dafür geleistet wird. Der kaltblütige Beobachter sieht auch in der Tat zu diesem bis zum Überdruß wiederholten Selbstrühmen keine Veranlassung. Spekulieren heißt nicht das Wirkliche auffassen, Dichtungen sind keine philosophischen Erkenntnisse, mag man auch immer mit philosophischen Begriffen dichten. Oder woher die Gewähr für die objektive Realität des Erträumten nehmen? Selbst wenn man nun vollends den Reichtum unserer philosophischen Entwicklung preist! Oder sehen wir nicht in unseren spekulativen Dichtwerken immer dieselben Begriffe, dieselben Formeln wiederkehren, nur ein wenig anders zugestutzt? - Die kantische Deduktion der Kategorien ist längst als in jeder Hinsicht mangelhaft nachgewiesen, auch hat man dieselbe allgemein aufgegeben; und dennoch spuken Quantität und Qualität, Relation und Modalität noch immer fort in den Konstruktionen und Deduktionen unserer Systeme, als wenn dieser Schematismus wirklich das Maß für alles Irdische und Himmlische enthielte! FICHTEs weltschöpfendes absolutes Ich ist verschollen; und dennoch haben wir, nach ihm geprägt und von ihm abstammend, nicht nur das absolute Sein, sondern auch die ursprünglich weltschöpfende Dreiheit des Ansich (der unbeschränkten Tätigkeit), des Übergangs in das Anderssein (der Schranke) und der Rückkehr in sich selbst als Grundformel auch des neuesten Systems! Der eigentümlichen Grundgedanken möchten wir in unseren Systemen, wenn wir erst aus klaren Augen sehen werden, so wenige auffinden, daß sie mit den auf den Aufbau derselben verwandten herrlichen Geisteskräften gar nicht im Verhältnis stehen. Statt sich also immer wieder von neuem in Bewunderung zu ergießen über die überschwengliche Energie, die unerschöpfliche Originalität, die sich in unserer neueren philosophischen Entwicklung wirksam erwiesen habe, möchte man sich im Gegenteil wundern über die Trägheit, welche immer wieder auf das alte Ruhekissen zurückkriecht und von der einen leeren Formel nicht loskommen kann, sowie über die Armut an wahrhaft tiefen und begründeten Erkenntnissen. Aber auch hierin findet man wieder einen neuen Gegenstand des Selbstrühmens. Wir haben, behauptet man, nicht bloß philosophische Systeme, wie kein anderes Volk, sondern auch eine systematische Entwicklung der Philosophie selber von KANT bis auf SCHELLING und HEGEL; und so müssen denn wohl in immer neuer Form die gleichen Grundideen wiederkehren. - Ein herrliches Abbild unserer Systeme, diese systematische Entwicklung unserer Philosophie! Ihr nennt euch Nachfolger KANTs? ihr behauptet, sein Geist sei es, der euch eure Spekulationen eingegeben? - Es wäre nichts mehr zu wünschen, als daß man endlich einmal klare Rechenschaft darüber ablegte, was man eigentlich hierunter verstehe. KANT lehrt auf jeder Seite, nur auf der Grundlage der Erfahrung könne von uns wahre Erkenntnis, Erkenntnis des Wirklichen gewonnen werden; und ihr schiebt die Erfahrungserkenntnis verächtlich in den Hintergrund, in der eitlen Einbildung, in euren erträumten Konstruktionen eine weit höhere Erkenntnis zu besitzen. KANT kommt immer wieder darauf zurück, aus bloßen Begriffen sei keine Erkenntnis des Seienden möglich, alles Spekulieren führe nur zu Hirngespinsten, das Übersinnliche könne nie Gegenstand der Anschauung oder des Begreifens für uns Menschen, nie von uns gewußt, sondern nur im moralischen Glauben erfaßt werden; und ihr belächelt den Glauben an das Übersinnliche als einer unmündigen Ausbildung des Geistes angehörig und eure ganze Philosophie ist von Anfang bis Ende mit einer Theorie des Übersinnlichen, welches ihr seinem inneren Wesen nach erkennen zu können behauptet und demnach mit eben den Spekulationen beschäftigt, die KANT, als dem menschlichen Geiste in alle Zukunft hin unerreichbar, für immer aus der Philosophie verbannt wissen will. KANT, indem er von ihnen zurückruft, macht, wie SOKRATES und seine Schule, das Sittliche zum Mittelpunkt der gesamten Philosophie und ihr habt das Sittliche so in den Schatten gestellt, daß man mi Recht gezweifelt hat, ob dasselbe wohl überhaupt, ohne die unverzeihliche Inkonsequenz, in die Konstruktionen eurer philosophischen System eingeführt werden könne. Es gibt also kein für den Charakter der Philosophie wesentliches und entscheidendes Moment, in Hinsicht dessen ihr nicht im vollsten Gegensatz ständet mit KANT; und dennoch soll die Philosophie von seinen Lehren aus in einem innerlich notwendigen Fortschritt bis zu euren geheimnisvollen Offenbarungen sich erhoben haben! - Worin ihr KANTs Jünger seid, das ist nur die Kehrseite seines Systems, nur dasjenige in demselben, wozu er durch den übermächtigen Einfluß scholastischer Vorurteile zurückgezogen worden ist, nur das Opfer, welches er wider sein Wissen und Wollen diesem veralteten Götzen gebracht hat. Haben wir diese dünkelhafte Selbstschätzung von uns getan, so wird uns das, was von den übrigen Völkern in den letzten Jahrzehnten für die Philosophie geleistet worden ist, nicht mehr als so verwerflich erscheinen. Allerdings sind es überwiegend nur einzelne Beobachtungen über das Leben der menschlichen Seele, einzelne Aufklärungen und schärfere Begrenzungen des bisher dunkel und schwankend Erkannten, einzelne Berichtigungen des in früheren Darstellungen falsch Aufgefaßten; und wir sind gewohnt, die Philosophie aus einem Stück zu verlangen. Aber was hilft es, daß heut auf einen genialen Schöpferruf ein ganzes philosophisches System aus dem Nichts emporsteigt, wenn dasselbe morgen wieder in nichts verweht? - Nur zu häufig haben wir dies in unseren Tagen sich wiederholen sehen. "Da wir vorübergingen, siehe, da war es dahin; wir fragten nach ihm, da ward es nirgend gefunden." - Auch hiermit also muß es anders werden. Das Philosophieren aus einem Stück ist ein Überbleibsel des Scholastizismus. Allerdings ist für die Philosophie Einheit und weil sie die Wissenschaft der Wissenschaften ist, die höchste Einheit wesentliches Erfordernis. Aber die Einheit, welche zugleich Wahrheit sein und Bestand haben soll, muß sich von unten auf durch langsame, besonnene Induktionen bilden; sie darf nicht übereilt werden, darf nicht einfacher sein wollen, als die Natur und der menschliche Geist selber. Daß sich also bei anderen Völkern die Philosophie nicht in lauter Genieschwüngen entwickelt, daß bei ihnen die philosophischen Systeme nicht, wie die Bilder in einer Zauberlaterne, kommen und gehen, ist nicht aus Mangel an geistigem Leben, sondern daraus abzuleiten, daß diese Völker hinaus sind über das Kindeszeitalter der philosophischen Erkenntnis, in welchem wir uns noch befinden. Wie in den Naturwissenschaften nicht unaufhörlich und von jedem scharfsinnigen Denker, sondern nur von Zeit zu Zeit und Wenigen neue Bahnen eröffnet, ungeahnte Grundkräfte aufgewiesen, tiefergreifende neue Probleme oder Lösungen ans Licht gestellt werden und auch dann nur in engem Zusammenhang und Anschließen an das bisher Beobachtete; wie die Tätigkeit der meisten Forscher eine stillere ist und sich bescheiden am Einzelnen wirksam erweist: so ist es auch in der Philosophie bei denjenigen Völkern, welche den Scholastizismus abgestreift haben. Die Philosophie wird freilich langsam bei ihnen, aber sie wird doch, während bei uns, trotz aller Hitze und Anspannung des Tuns, in den letzten vierzig Jahren recht eigentlich noch nichts geworden ist. Auch bei uns, das ist gewiß, wird dieser Umschwung eintreten; auch wir können uns jan nicht dem allgemeinen Kulturfortschritt entziehen: unsere Neuplatonike und Scholastiker werden an ihren wohlverdienten Ehrenplatz in den literarischen Mausoleen beigesetzt werden neben PLOTIN und DUNS SCOTUS und ein neuer Tag wird anbrechen in Deutschland für die Philosophie! Daß dieser Tag bei uns später anbricht, darf uns nicht wundern. Wir Deutschen sind, wenn auch in Vielem die tüchtigsten, doch nirgends die ersten gewesen an der Arbeit in Wissenschaft, Kunst oder in der Gestaltung des gesellschaftlichen Lebens. Wie unsere vaterländische Eiche, entwickeln wir uns langsam, aber dann auch desto kräftiger und unverwüstlicher; und wenn wir also auch später das Bergwerk entdeckt haben, in welchem das edle Metall verborgen liegt, so werden wir dafür mit umso größerer Standhaftigkeit in Überwindung der Schwierigkeiten, desto anhaltender und desto tiefer in den goldreichen Schacht eindringen und eine desto reinere und reichere Ausbeute aus demselben zutage fördern.
1) Ich lasse hier und im Folgenden statt meiner andere und zwar von den verschiedenartigsten Grundansichten, sprechen, um zu zeigen, wie allgemein auch unter Deutschlands besonnenen Denkern die Mißbilligung unserer letzten philosophischen Richtung ist. 2) JEAN PAULs Briefe an FRIEDRICH HEINRICH JACOBI. Berlin 1828, Seite 149 - Clavis Fichtiana, Seite 12 3) Man vergleiche dessen "Organon der menschlichen Erkenntnis", Erlangen 1830 4) Briefe von BONSTETTEN an MATTHISON, Zürich 1827, Seite 210 5) "Bei einer anderen Gelegenheit (der Anzeige von ROBINET, "de la nature" in der Königsberger Zeitung) sagt HAMANN über den Gang der Philosophie, zumal der Deutschen, sie sei unvermutet aus einer allgemeinen Wissenschaft des Möglichen zu einer allgemeinen Unwissenheit des Wirklichen ausgeartet." Nur zu wahr! 6) FRANCIS BACON, Über die Sprache. Rede, daß ich dich sehe! Heidelberg 1828, Seite 58f 7) Worte JACOBIs in Bezug auf FICHTE. Vgl. KARL LEONHARD REINHOLDs Leben und literarisches Wirken, Seite 254 8) KANT, Kritik der reinen Vernunft, Seite III 9) SAINT SIMON, Revue encyclopédique, Nov. 1830, Seite 344 10) Der Verfasser der vorliegenden Schrift hat hierzu den Anfang gemacht in der "Allgemeinen Litteraturzeitung". Bis jetzt sind darin Beurteilungen erschienen von ABERCROMBIEs Untersuchungen über die intellektuellen Kräfte etc. (Juli, Nr. 130, 131) und von COUSINs philosophischen Werken (Oktober, Ergänzungsblätter, Nr. 94 - 98). Diesen werden Anzeigen der unten bezeichneten Schriften von GALUPPI, ROMAGNOSI und anderen folgen. |