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Das menschliche Denken [3/3]
V. Die erste Bewegung und das sogenannte Prinzip der Identität Die Erscheinung, welche wir als Gegebenes bezeichnete, das der Geist aufnimmt, um aus ihm seine Welt zu erbauen, ist noch kein Denken. Sie wird erst Gedanke, Vorstellung, Begriff (im weitesten Sinne) durch eine Tat des Geistes, die wir für sich allein ebenso wenig nennen und darstellen können, als jenen anderen Faktor für sich allein, d. h. die noch nicht zum Gedanken erhobene Nervenaffektion oder Empfindung. Wir können diese Tat an und für sich in ihrem eigentlichen Was nicht darstellen, wohl aber das zunächst Erwirkte angeben. Es ist das Bewußtsein von der Empfindung, und so können wir die Erhebung der Empfindung ins Bewußtsein als jenen zweiten Faktor bezeichnen. Aber was heißt Erhebung ins Bewußtsein? Worin das zum Gedanken Gewordensein besteht, ist damit nicht gesagt. ULRICIs Verdienst ist es, den Vorgang, in welchem die Empfindung Gedanke wird, als ein Werk des Identitätsprinzips dargelegt zu haben. Seinen weiteren Ausführungen dieses Gedankens kann ich freilich nicht beistimmen. Sehr richtig bezeichnet er diese Tat als ein Fixieren, ein Bestimmt- und Festmachen des aufgefnommenen Eindrucks, so daß er in seiner Bestimmtheit von allem anderen unterschieden und als derselbe stets wiedererkannt wird. Aber das Bestimmt- und Festmachen, das Fixieren ist ein Bild, unter dem die Bedingung jener Folge des Unterscheidens und Wiedererkennens dargestellt wird. Das Gedanke Gewordensein bewährt sich erst in der Folge als Unterscheiden und Wiedererkennen. Ja, ich kann mir auch ein Bewußtwerden einer einzigen Nervenaffektion denken, so daß jene Bewährung durch Unterscheiden und Wiedererkennen offenkundig als ein Zweites vom Ersten, der bloßen Aufnahme ins Bewußtsein wohl zu Unterscheidendes erscheint. Somit wäre der erste Denkakt also doch etwas anderes und nicht das Werk des Identitätsprinzips? Die Darstellung jenes ersten Denkvorgangs durch die Formel, welche gewöhnlich als Ausdruck des Identitätsprinzips dient, A ist A, enthält zudem einen baren Widerspruch. Denn im ersten A, in der ersten Nennung irgendeiner Empfindung ist schon das fertige Ergebnis der ersten Denktat gegeben. Und vollends unzulässig muß es erscheinen das geheimnisovlle Wesen der Prädikation, des "ist" so unerklärt einzuführen. Wohl müssen wir die erste Regung des Denkens als ein Urteil, eine Bewegung auffassen; aber wir wollen im Ursprung zugleich die Erklärung sehen. Was heißt das "dies ist jenes"? Wenn überhaupt irgendwo, so muß sich hier der eigentliche Sinn dieses Wortes finden; aber umso weniger dürfen wir dann diese Form ohne Weiteres voraussetzen. Sehen wir vom eben betrachteten Gebiet ab, so finden sich mancherlei Erklärungen für jene Form. Wir sagen, dieses "ist" bedeutet daß wir eine Vorstellung mit einer anderen vereinigen, zu ihr hinzudenken, so daß die eine, sei es für immer, sei es für den Augenblick, zum Bestandteil der anderen gemacht wird. Aber wo ist bei diesem ersten Ansatz des Denkens die geforderte Zweiheit der zu vereinigenden Vorstellungen? Das zweite Element, das seiner Natur nach nicht für sich allein genannt werden kann, weil eben jenes Nennen schon den Vorgang von dem wir sprechen, voraussetzt. Es bleibt uns also nur übrig, diesen Vorgang, der sich tatsächlich in jedem unbewußt in jedem vollzieht, wie einen vorhistorischen, durch die Analogie dessen, was wir bewußt tun, zu beleuchten. Nichts als die Erkenntnis von Identität ist es, was uns aus einer Erkenntnis eine andere ableiten, schließen läßt; nur das erkannte idem [dasselbe - wp] war die bewegende Macht; und nichts als Identität ist es wiederum, was im Urteil ausgesagt wird. Ich kann diese Behauptung an dieser Stelle nicht beweisen, sondern verweise auf die weiter unten folgende Ausführung. Nur sei erwähnt, daß das "ist" nach meiner Ansicht nicht etwa eine Identität des grammatischen Subjekts und Prädikats bedeutet. In welchem Sinn jedes Urteil Identität behauptet, wird unten erörtert werden. Ist dem so, so muß dieses verbindende Element, dieses Prädikat den zu verbindenden Teilen eingeschaffen sein, insofern als zugestanden vorausgesetzt werden darf, daß nicht erst im Urteil ein neues geheimnisvolles Element hinzutritt. Wer letzteres behauptet, hat es zu beweisen. Es kann nur zwei Satzteile geben Subjekt und Prädikat. Was eine Kopula, was die verbindende Macht, das verbindende Element für sich sein soll, woher es kommt, und wo es seinen Platz hat, ist unerfindlich. Demnach sind wir auf die einzig mögliche Annahme hingewiesen, diese verbindende Macht eben als identisch mit dem rein geistigen Element in jedem Begriff, als das Denken selbst anzusehen und sind mit dem wohl entschuldbaren Geständnis dieses nicht definieren zu können, auch der weiteren Darstellung des ersteren enthoben. Offenbar gehört der Gedanke "dasselbe" nicht dem durch die Sinne Übermittelten an, offenbar liegt zwar der abstrakte Begriff Identität nicht vor aller Erfahrung in uns fertig vor, sondern wird erst mit der Erfahrung allmählich gebildet, offenbar aber muß dieser Gedanke der das bestimmte Erfassen und Fixieren und Vergleichen zu seiner Voraussetzung hat und untrennbar mit ihm verbunden ist, also die Fähigkeit in jedem einzelnen Fall Identität oder Verschiedenheit zu bemerken, zum Wesen jenes geistigen Elements gehören, durch dessen Zutritt der bloßes Sinnesreiz Gedanke wird. Offenbar ist also der einzelne Akt einer Identitätserkenntnis durchaus verschieden von jenem Vorgang, der den Sinnenreiz zum Gedanken macht, wohl aber muß die Möglichkeit einer solchen Erkenntnis, gewissermaßen das Material aus dem sie besteht, der Gedanke möglicher zu erkennender Identität, daß das Aufgenommene mit jedem anderen Aufzunehmenden verglichen wird und mit ihm entweder im Verhältnis der Identität oder der Verschiedenheit stehen muß, wohl muß dieser Gedanke im geistigen zum Sinnenreiz Hinzugetretenen liegen. Somit enthält es zugestandenermaßen eine Unrichtigkeit, ist aber doch in gewisser Hinsicht nicht ohne Wert, wenn wir uns jenen Vorgang unter dem Bild einer Identitätserkenntnis vorstellen. Diese ist freilich von jeder anderen verschieden. Das bloße A ist A ist in seiner Nichtigkeit oft genug aufgedeckt worden; es hat gar keinen Sinn und andere häufig genug zur Erklärung zitierte Identitätsurteile, wie das bekannte "Kinder sind Kinder" sind gleichfalls von ganz anderer Bedeutung. In ihnen wird im rhetorischen Interesse zum Prädikat abermals das Subjekt gemacht; man weist dabei auf eine wesentliche Eigenschaft desselben hin, die jedoch zuweilen vergessen wird. Daß man sie aber nicht vergessen darf, daß sie absolut untrennbar ist von den andern bei jenen Worten gedachten Merkmalen, soll die doppelte Setzung des einen Wortes andeuten. Einen ganz anderen Sinn hat das Identitätsurteil, als welches man sich jene Vereinigung des rein geistigen Elements, aus dem der Begriff Identität und Verschiedenheit stammt, mit der bloßen Sinnesempfindung vorstellt. In diesem wäre die erste noch unverstandene Empfindung das Subjekt, als Prädikat aber ist sie gewissermaßen ein zweiter nunmehr verstehender fixierender Blick, der sie wieder erkennt, ihr den Stempel des geistigen Besitztums aufdrückt, und der individuellen Bestimmtheit enthebend zum allgemeinen Gedanken des Roten oder Harten oder Spitzigen oder Runden und dgl. macht, also ein geistiges Gegenstück zu ihr, das sich von ihr nicht unterscheidet, nunmehr für sie geltend, ihr ganzes Wesen in sich tragend ihre Unterscheidbarkeit und Identifizierbarkeit also ihre weitere Brauchbarkeit und Verwendbarkeit im Menschenverkehr ausmacht. Aber diese Vorstellung von jenem Vorgang hat nur einen relativen Wert, im Gegensatz zu anderen durchaus irrtümlichen Darstellungen desselben. Es ist anzuerkennen, daß erstens beide Bestandteile für sich überhaupt nicht selbständig gedacht werden können, und daß zweitens ja auch hier schon das Verbindende "ist" in seiner eigentümlichen Natur und Bedeutung als Identitätserklärung vorausgesetzt wird. Ob wir dieses Wörtchen wirklich brauchen, oder ob eine andere Form, ob nur die Stellung der Worte die Beziehung ausdrückt ist gleichgültig. Es kommt ja hier nur auf den Sinn an. Eigentlich also dürfen wir uns jenen Vorgang nicht wie ein gewöhnliches Urteil vorstellen, in welchem ein Prädikat mit einem Subjekt verbunden wird, sondern als eine Vereingung des geistigen Elements mit dem sinnlichen, hervorgebracht durch jene geheimnisvolle Kraft, welche eben jenes geistige Element, das Denken selbst ist, ohne welches eine weitere Verwendung und Verbindung unmöglich ist, das nicht nur den ersten Sinnenreiz zum Gedachten und zum Wort macht, sondern auch alle weitere Verbindung von Gedanken und Worten zu Urteilen und Schlüssen bewirkt, vergleichbar etwa mit der Kraft, welche in geheimnisvoller Art und Weise verschiedene Stoffe zur Zelle verbindet und auch weiterhin ihr Leben, ihr Wachstum und ihre Vermehrung bewirkt. Das Wichtigste, was aus dieser Betrachtung gewonnen werden soll, ist aber die Erkenntnis, daß es nicht nur eine Unvollkommenheit meiner oder im allgemeinen menschlicher Einsicht ist, welche uns für den besprochenen Vorgang nicht die adäquate Form eines Urteils finden läßt, sondern daß es im Wesen der Sache begründet liegt, daß dieses geistige Element, welches Gedanken zu Urteilen verbindet bei seinem ersten Auftreten, bei seiner ersten Tat am rohen Stoff des Sinnenreizes tatsächlich noch kein ebensolches Urteil ist, sondern eine unnennbare unmittelbare Vereinigung, daß sich jenes Element dem einen Sinnenreiz gegenüber selbstverständlich anders darstellen, anders zeigen und wirken muß als an zwei oder mehreren schon mit ihm vereinten durch dasselbe schon zustande gebrachten Vorstellungen. Demnach ist der Zusammenhang des ins Bewußtsein Aufnehmens, des Gedankewerdens mit dem Prinzip der Identität unleugbar, das eigentliche Unterscheiden und Identifizieren aber nur die sichtbare notwendige Folge jener Tat. Wenn ULRICI behauptet und gewiß nicht mit Unrecht, daß Bewußtsein von einem Eindruck unmöglich ist ohne die bestimmte Auffassung desselben, welche ihn von allem anderen unterscheiden läßt, so ist mit demselben Recht zu behaupten, daß die Unterscheidung oder Identitätserkenntnis unmöglich ist ohne Aufnahme ins Bewußtsein und die Einschränkung dieses Vorgangs auf jenen einen Gedanken eine bare Willkürlichkeit. Da dieser aber einzig aus jenem stammt und jener einzig in diesem seine sichtbare Betätigung hat, so ist doch wiederum nichts dagegen einzuwenden, wenn man, um Termini zu sparen, das Prinzip der Identität im besprochenen weiteren Sinn als den zweiten rein geistigen Faktor annimmt, durch dessen Tat der empfangene Nervenreiz Gedanke wird. In jedem Wort also, in jeder Vorstellung, von der einfachsten sinnlich wahrnehmbaren Eigenschaft bis zum abstraktesten Element wissenschaftlicher Begriffe ist der genannte Faktor vorhanden, ist das Identitätsprinzip wirksam, ist es als Identitätsprinzip oder der Gedanke von der Identität, der mit einem anderen Teil vereint die Bestimmtheit, Unterscheidbarkeit und Identifizierbarkeit desselben trägt und in jedem einzelnen Fall die Unterscheidung oder Identifizierung bewirkt. Nicht also ist der abstrakte Gedanke Identität, oder in adjektivischer Form, identisch, dasselbe, jenem anderen ersten Bestandteil einverleibt worden, wohl aber ist es dieser zweite Bestandteil, aus dem bei der ersten Gelegenheit, d. h. beim zweiten Reiz, der zum Gedanken wird, der Begriff, dasselbe oder verschieden, anders, als Prädikat der beiden Verglichenen hervorspringt. und das erste Urteil Urteil im gewöhnlichen Sinne war die eben besprochene erste Bewegung noch nicht. Wir sahen das sogenannte Prinzip der Identität sich mit dem von außen kommenden Eindruck verbinden, eine Bewegung also und insofern ein Urteil, aber keine Bewegung von Vorstellungen, sondern der Elemente derselben zur ersten Vorstellung. Es war dies die erste Bewegung und als solche die einzige, welche keine andere Bewegung zu ihrer Ursache hat, das Urteil, welches nicht auf einem Schluß beruth. Das Prinzip der Identität ist eben selbst die bewegende Macht, das logische proton kinesan [der erste Beweger - wp], nicht etwa nur eine Form oder eine Kraft, sondern selbst ein Gedanke, aber eben der bewegungerzeugende Gedanke. Es wirkt dieses Prinzip auch nicht etwa so, wie es gewöhnlich dargestellt wird, als ein allgemeiner Satz, der erst durch Subsumtion des Einzelnen seine Anwendung erhält. Vielmehr ist es eben die Natur der menschlichen Seele, welche sich in diesem notwendigen Tun offenbart. Die allgemeine Fassung des Satzes ist erst die Folge der theoretischen Betrachtung dessen, was naturnotwendig jeder im einzelnen Fall vornimmt. Aus diesem Prinzip ein Gebot zu machen, etwa im Sinne von "pass auf, daß du nichts verwechselst", erscheint demnach als eine Absurdität. Wer sich nicht in der Jugend an energische Aufmerksamkeit gewöhnt hat, den kann die Logik mit ihrem Identitätsprinzip nicht vor Verwechslungen schützen, so wenig, wie die Erkenntnis der Gesetze, auf welchen das Gehen beruth, unseren Gang schnell und sicher macht, wenn wir ans Schlendern gewöhnt sind, oder den vor einem Fall bewahrt, dem es beliebt, auf einem gefährlichen Pfad mit halbgeschlossenen Augen zu gehen. Im weitesten Sinn ist der Begriff oder die Vorstellung nichts anderes, als der auf dem genannten Weg ins Bewußtsein erhobene Eindruck, gleichviel, ob das Phänomen ein nach unserer jetzigen Auffassung wirklich einfachstes ist, ob eine sogenannte ruhende Eigenschaft, oder eine Bewegung, ob eine einfache, oder eine mehr oder weniger komplizierte Bewegung, ob ein Zusammen vieler den verschiedenen Sinnen angehöriger Erscheinungen, und ob der Auffassende den Gesamteindruck aller erfaßt hat, oder von diesen eine oder mehrere völlig unbemerkt gelassen hat, oder von diesen eine oder mehrere völlig unbemerkt gelassen hat. Gewiß sind die Begriffe der ersten Sprachbildner nicht anderer Art gewesen, gewiß sind viele Begriffe Ungebildeter oder sehr Unbefähigter noch heute nichts anderes als fixierte Eindrücke. Und sehen wir von dem ab, was die Eigenschaft als solche dem Ding, an dem sie haftet, entgegensetzt, so sind alle unsere Eigenschaftsbegriffe nichts, als eben solche fixierte Eindrücke. Es ist aber nicht möglich, nach dem ersten Wort ein zweites und drittes zu schaffen, und gar diese irgendwie zu gebrauchen, ohne daß ein Urteil gefällt worden wäre. Lebt die erste gewonnene Vorstellung in der Erinnerung fort und ist durch ein Wort fixiert worden, so tritt mit der zweiten unfehlbar auch das erste wirkliche Urteil ein. Wenn wir den Akt, der den ersten Sinnenreiz zum Gedanken machte, als Selbstidentifizierung darstellen könnten, dann wäre freilich die Begründung des Urteils leicht. Allein wir mußten zugeben, daß jene Darstellung eben um dieser Form willen unrichtig war. Wenn es sich also nun abermals darum handelt, die wunderliche Verbindung der verschiedenartigsten Begriffe im Urteil zu erklären, so muß ich allerdings vorausschicken, daß eine vollständige Erklärung im gewöhnlichen Sinn nicht möglich ist. Aber vielleicht ist schon etwas gewonnen, wenn es sich nachweisen läßt, daß all die verschiedenen Urteile im Grunde doch nur ein und denselben Sinn haben, und daß die tausend und abertausend verschiedensten Prädikate, welche mit Subjekten verbunden werden, nur in der grammatischen Form Prädikate sind, daß es, wenn wir vom logischen Standpunkt den eigentlichen Sinn allein auffassen, nur ein Prädikat gibt und daß dieses Prädikat die Identität und Nichtidentität ist. Erklärung ist dies insofern nicht, als wir außerstande sind, eine Entsteheung der Prädikation nachzuweisen, aber wir haben doch etwas gewonnen, wenn wir erkennen, daß sich die Prädikation nicht wie von ungefähr einschleicht, sondern daß es ein Konstitutivum des menschlichen Geistes ist, aus dem sie stammt - das Identitätsprinzip. - Eben dieselbe Macht des Denkens, welche den Nervenreiz in ihrer eigentümlichen und begrenzten und dadurch wiedererkennbaren und ununterscheidbaren Vorstellung macht, eben diese ergreift in ihrer Rastlosigkeit aufs Neue das eben gewonnene Produkt. Nun erscheint sie als Vergleichen und Beziehen, ist aber dennoch nichts anderes als vorher. Die gewonnenen Vorstellungen erfaßt sie, so wie sie vorher den bloßen Nervenreiz erfaßte, und ihre zweite Tat an den produzierten Vorstellungen ist Erkenntnis bzw. Prädikation des dasselben oder nicht dasselbe. So liegt das Prädikat von Haus aus im menschlichen Geist. Wenn verschiedene Erscheinungen zusammen wahrgenommen werden, so kann dies, insofern gerade ihr Zusammen einen eigentümlichen Eindruck macht, eine einzige Vorstellung ergeben. Wenn aber schon produzierte Vorstellungen, nicht insofern sie in ihrem Zusammen einen eigentümlichen Eindruck machen, empfunden werden, sondern nur vom Verstand ergriffen, der Macht des Denkens, der Tätigkeit des Identitätsprinzipes sich darbieten, so gibt dieses ihnen ihr Prädikat, und so ist das unfehlbare Ergebnis das Urteil, daß diese beiden, z. B. das vorhin und das jetzt Gesehene oder Gehörte dasselbe sind oder nicht. Die Identität und Nichtidentität ist also im eigentlichsten Sinn die Kategorie. Sie ist von Haus aus und ihrer Natur nach das Prädikat. Die Identität kann freilich auch grammatisch Subjekt werden, aber immer ist es nicht eigentlich "dasselbe", von dem wir etwas aussagen, sondern entweder das Wort, dessen Bedeutung wir erörtern, oder der Gedanke "dasselbe", die Tatsache, daß wir diesen Gedanken haben, wovon wir sprechen. In dem Sinne, in welchem "dasselbe" prädiziert wird, ist es niemals Subjekt und kann es nicht sein. Also "dies ist dasselbe wie jenes" oder "ist nicht dasselbe, ein anderes als jenes", ist das erste und einfachste unmittelbar aus der Betätigung des Identitätsprinzips hervorgehende Urteil. Daß solche Urteile vorgenommen worden sind, sozusagen sich selbst in der Seele des Wahrnehmenden vollzogen haben, ohne daß sie ausgesprochen sind, ist mehr als wahrscheinlich. Erst die subjektive Veranlassung, Beseitigung des eigenen Zweifels oder eines fremden Einwandes, das praktische Interesse am Wiedererkennen und an der Verhütung einer Verwechslung bringt den Ausspruch hervor. Die Form eines solchen Urteils ("dasselbe, wie" und "gleich oder ähnlich" mit dem Dativ) scheint meiner oben gegebenen Darstellung zu widersprechen. Wir sehen überall im Prädikat mehr als den bloßen Ausdruck des Identischen. Die bloße Erkenntnis der Identität bedarf dieses Wortes noch nicht. Der Ausdruck idem = dasselbe beruth auf dem Demonstrativum und das Demonstrativum ruht auf der schon vollzogenen Aussonderung des Erscheinungselementes des Ortes. Der Ausdruck gehört also einer späteren Stufe des Denkens an. Die notwendige Ergänzung des Prädikats idem (bzw. gleich oder ähnlich; dazu unten mehr), wenn nur ein Eindruck Subjekt ist, durch den andern, ist kein Einwand gegen meine Behauptung, daß eigentlich nur die Identität bzw. Gleichheit oder Ähnlichkeit Prädikat ist. Daß man die beiden Eindrücke beliebig zum Subjekt oder zur Ergänzung des Prädikats machen kann (A ist gleich B und B gleich A) ist ein Beweis, daß die Ergänzung nicht wesentlich zur Aussage gehört, sondern nur durch die Form (wenn man statt beide, nur einen der beiden Eindrücke zum Subjekt macht), bedingt ist. Die Aussage, dasselbe bzw. gleich und ähnlich, wir durch die Ergänzung nicht modifiziert. Es liegt ja im Begriff dieser Prädikate, daß sie nur Prädikat zu mindestens zwei Subjekten sein können, daß sie das eine in zweien oder mehreren behaupten. Mithin wird der Prädikatsbegriff durch die Form, welche einen der beiden Eindrücke zur grammatischen Ergänzung macht, nicht reicher. Nur wenn ich das "gleich jenem" zum umschreibenden Ausdruck für eine bestimmte Qualität mache, die ich anders auszusprechen entweder nicht vermag oder nicht gesonnen bin, dann freilich gehört die Ergänzung wesentlich zum Prädikat. Aber in diesem Fall, den ich nur erwähne, weil ich weiß, daß er von den modernen Sophisten als Einwand benützt werden wird, handelt es sich nicht um das Prädikat in einer produzierten Identitätserkenntnis, sondern um diese letztere selbst; nicht darum, was in dem Satz "A ist dasselbe wie B", eigentlich ausgesagt ist, sondern um die Wahrheit der Erkenntnis, ob B in der Tat dem A gleich ist, oder nicht. Die eben erwähnten modernen Sophisten nötigen mich noch zu einer anderen Erklärung. Wenn, wie ich behaupte, die Aussage nichts anderes als eine Identitätserkenntnis ist, so muß, abgesehen von anderen weiter unten zu erörternden Schwierigkeiten, ja auch in den ebengenannten Identitätsurteilen die Kopula den Sinn haben "ist identisch", eine offenbare Absurdität. Allein die Prädikation wurde ursprünglich nicht durch das Verbum substantivum ausgedrückt. Wie alle logischen Bezüge, so war auch dieser einst dem Verständnis des Zusammenhangs überlassen. Eine spätere Zeit entkleidete ein Verbum seiner eigentlichen Bedeutung und benützte es als Zeichen der Identitätserkenntnis. Ist nun aber der Identitätsbegriff als solcher in einem Wort ausgeprägt und wird als Prädikatsnomen mit der Kopula verbunden, so versteht sich von selbst, daß jenes Zeichen, das wir ohne das Prädikatsnomen idem allerdings zum Träger der Identitätserkenntnis machen, nun bloß noch als das Mittel anzusehen ist, durch welches das Stattfinden der Erkenntnis ausgesprochen und die gemeinten Gegenstände als solche kenntlich gemacht werden. Diese Tat der Denkkraft reicht aber noch nicht aus, um diese Welt in und um uns zu schaffen; durch sie gewinnen wir erst den Stoff, aus dem jene sich erbaut. Dasselbe Prinzip, das den Sinnenreiz zur ersten Vorstellung machte, läßt die eben gewonnenen, von allen Seiten eindringenden Vorstellungen immer und immer aufs Neue vergleichen. Die umgebende Welt war für die vorauszusetzenden noch sprachlich und vorstellungslosen Urahnen so gut wie nicht vorhanden, ein Chaos von Farben und Getön. Gerade das Bekannteste, Gewöhnlichste war ungeschieden, ungenannt. Gewiß war es der Gesamteindruck eines selteneren Vorgangs, der die Aufmerksamkeit zuerst fesselte und sich einprägte. Die Wiederholung einerseits der geistigen Tat des bewußten Wahrnehmens überhaupt und dann die Wiederholung derselben Wahrnehmung muß das Vermögen zu sehen und wahrzunehmen geschärft haben. Diese Eigenschaft der menschlichen Seele, daß ihr Vermögen wahrzunehmen und zu erfassen durch die Wiederholung dieser Tätigkeit an Kraft wächst, gehört zu den unentbehrlichen ersten Voraussetzungen. Ursprünglich wurde gewiß oft eine große Zahl jetzt geschiedener zusammen auftretender Erscheinungen als ein einziger Eindruck empfunden, z. B. ein Kampf wilder Tiere, in welchem der eine Teile vom andern überwältigt wird und alsbald im Rachen des einen verschwindet, zusammen nicht nur mit dem Geschrei der Kämpfenden, der das Ohr, und dem Geruch, der die Nase berührt, sondern sogar mit der umgebenden Natur und vielleicht auch mit den zufälligen die Scene hebenden Umständen des Wetters und der Tages- und Jahreszeit. Ist das Wahrnehmen und das Bewußtmachen der Eindrücke einmal in Fluß gekommen, dann wird es Gewohnheit, auch das weniger Auffällige erhält seine Stelle, und - die Vorstellungen fangen alsbald an sich zu spalten. Was einst als ein Eindruck empfunden wurde, erscheint als das Zusammen und Nacheinander zweier oder mehrerer. Das Walten des genannten Prinzips ist es, das in einem zweiten und dritten Eindruck einen Teil wahrnehmen, einen Eindruck unterscheiden läßt, der mit einem früheren oder einem Teil eines früheren identisch ist. Ist dies geschehen, so erhebt sich eine neue Vorstellung, ein neues Wort. Ich spreche selbstverständlich von Identität nur im Sinne der Wahrnehmenden. Daß nicht alle Einzelheiten der Erscheinung wahrgenommen wurden, ist schon erwähnt. Die Eindrücke sind unbestimmt. Allmählich finden sich auch in dem für dasselbe Gehaltenen Unterschiede ein und so wächst der Kreis der Vorstellungen fortwährend. Daß solchen neuen Wahrnehmungen nicht stets neue Worte gefolgt sind, daß die alten Worte auch ihren Sinn geändert haben, ist bekannt. Welche Züge der Erscheinung nun gerade als die hauptsächlich in die Augen springenden eine Vorstellung beherrschten, während andere Eindrücke unbemerkt den Totaleindruck mit bedingten, ist hier nicht festzustellen. Die Sprachforschung muß sich mit der Psychologie und Physiologie beraten. Für den vorliegenden Zweck genügt die Einsicht, daß je nach den äußeren Umständen und der inneren Begabung sich bald dieser bald jener Zug aus der Gesamtheit einer Erscheinung hervorhob, erst für das Ganze genommen, allmählich aber in anderer Umgebung wiedererkannt, und nun auch von seiner ersten Umhüllung losgelöst, für sich gedacht wurde, sei es als neues Wort, sei es als umgestaltete Bedeutung des alten. Der bezeichnete Vorgang ist genau das, was wir jetzt Abstraktion nennen. Die feinste und schärfste Abstraktion ist nichts anderes, als ein fortgesetztes Unterscheiden der Eindrücke und Wiedererkennen eines Elementes in der verschiedenartigsten Umgebung. Ist es die Eigentümlichkeit des Eindrucks willkürlicher Bewegung, die wir vom Gesamteindruck absondern, und am Menschen und jedem Tier wiederfinden, ist es die Eigentümlichkeit des Eindrucks der menschlichen Gestalt, so ist die Arbeit leicht, ist es das Element der Größe allein, ist es das Verhältnis von mehreren Größen zueinander, ist es das Element einer Handlungsweise, einer Art und Weise zu denken, so ist die Arbeit schwieriger, und häufig spricht man im letzten Fall allein von Abstraktion. Der Vorgang ist aber ganz derselben Art und die Höhe der Abstraktion oder die Allgemeinheit des abstrakten Begriffs ist nicht die Ursache der Schwierigkeit ihn zu denken. Diese ist überhaupt nicht logischer Natur; es liegt in der ganzen Organisation des Menschen, seines Hirnes und seiner Sinnesnerven und der Erziehung, und in den Erscheinungen selbst, daß manche Elemente zu sondern, als gesonderte festzuhalten und mit ihnen weiter in Gedanken zu operieren uns schwerer fällt. Was man Abstrahieren nennt, ist also nur in den seltensten Fällen ein mit Bewußtsein vorgenommer Akt des allmählichen Ausscheidens der sogenannten Merkmale, mit der Absicht von der untersten Art bis zur höchsten Gattung fortzuschreiten, in den meisten ein natürlicher Vorgang, bei welchem der Denkende nichts weiß von einem Abstrahieren im eigentlichen Sinn des Wortes. Daher finden sich naturgemäß schon auf den untersten Stufen der Entwicklung gewisse Gattungsbegriffe, während die diesen unterzuordnenden und andere von nicht größerer Allgemeinheit als jene noch fehlen. Auf einem Gebiet sind nur einige Spezies benannt, während die Gattung, der sie angehören, noch unbekannt ist, auf einem anderen ist es nur der Gattungsname, der ohne Unterscheidung von allen Einzelnen gebraucht wird. Hier ist nun auch eine Korrektur der obigen Darstellung von der ersten Betätigung des Identitätsprinzips an den schon produzierten Vorstellungen am Platz. Diese erste Betätigung kann keine Erkenntnis von Identität, sondern muß Unterscheidung sein. Freilich scheint es, daß diese Unterscheidung unbewußt vorgenommen wird. Es versteht sich von selbst, daß Identität nur von mindestens Zweien erkannt werden kann, mithin muß der Identitätserkenntnis eine Unterscheidung der Eindrücke vorangegangen sein. Diese Unterscheidung ist natürlich bei Identischem nur die des Wo und des Wann des Eindrucks. Auf dem oben soeben beschriebenen Weg muß sich der Zeitpunkt des Eindrucks oder der Ort und der Zeitpunkt des Eindrucks oder der Ort und der Zeitpunkt abgesondert haben, um die Eindrücke erst als zwei auffassen und als nun abgesondert vom Wann und Wo für identisch erkennen zu können. Die Erkenntnis der Identität oder des Gegenteils ist das erste eigentliche Urteil. Dieses beruth schon auf einer vorangehenden Bewegung, insofern nicht nur die Eindrücke zu Vorstellungen geworden sein müssen, sondern auch die zweite Vorstellung zu ersten, solange sie noch im Bewußtsein ist, hinzutritt. Ein eigentlicher Schluß jedoch ist noch nicht vorhanden. Die Erkenntnis geschieht unmittelbar. Wir müssen hier nicht nur die vorauszusetzende erste Identitätserkenntnis, sondern alle, auch die heute noch stattfindende, insofern sie eben nichts anderes als eine Identitätserkenntnis ist, zugleich betrachten. Letztere trägt freilich noch andere Ergebnisse des Denkens in sich, aber für den einen Punkt, den wir hier ins Auge fassen, ist es gleichgültig, ob das erkannte idem ein zur Vorstellung gewordener Eindruck oder nur ein abstraktes Element, oder eine mit Bewußtsein als Einheit zusammengehaltene Zahl sonst wohl unterschiedener Erscheinungen ist, oder ob die Vorstellungen von der Ursache und vom Zweck schon darin aufgenommen sind. In allen Fällen kann man behaupten, daß die Erkenntnis von Identität und Verschiedenheit eine unmittelbare ist. Auf jener ersten Stufe des Denkens ist gewiß an eine Vermittlung nicht zu denken. Heute freilich beweisen wir das Vorhandensein eines idem in verschiedenen Erscheinungen bzw. Vorstellungskomplexen. Bald beweisen wir es durch eine lange Reihe vermittelnder Identitäten (A = B, B = C, also A = C, ein Fall, der nur möglich wird durch die Eigentümlichkeit der menschlichen Vorstellungs- und Ausdrucksweise, insofern wir dasselbe Ding von verschiedenen Seiten auffassen und verschieden bezeichnen und insofern wir nach der oben beschriebenen Entstehung der Begriffe gewöhnlich nur einen hervorragenden Eindruck denken, und auch wenn andere begleitende Umstände oder notwendige Folgen schon erkannt und zugegeben sind, doch diese nicht immer bei der Nennung des Wortes mit denken), bald durch Wirkung und Ursache, daß es dasein muß oder nicht dasein kann, weil die Ursache desselben vorhanden, oder seine einzig mögliche Ursache nicht vorhanden, weil die einzig von ihm herrührende Wirkung vorhanden oder seine untrennbar mit ihm verknüpfte Wirkung nicht vorhanden ist, nach den bekannten Methoden der Induktion. Gewiß läßt sich Identität und Nichtidentität unter Umständen beweisen. Aber es gibt solche Erkenntnisse, die sich nicht beweisen lasen, die unmittelbar sind und jede beweisbare Identitätserkenntnis ruht in letzter Instanz auf der Voraussetzung einer unbeweisbaren, nur unmittelbar zu erkennenden Identität. Wer diese zu leugnen imstande ist, hat im Disput ein gewonnenes Spiel, wenn er nicht ausgelacht wird. Wer ein bestimmtes Rot als solches nicht wiedererkennt oder selbst wenn man ausdrücklich auf den Unterschied hinweist, es mit einem ähnlichen verwechselt, wer nach der Anlage seiner Augen blau und grün nicht unterscheiden kann, ist nicht zu belehren. Verwechslung und Nichtwiedererkennen beruth jedoch nur selten, wie im genannten Fall, in der Anlage eines bestimmten Organs. Meist ist der Mangel an Energie und Schärfe der ursprünglichen Auffassung, meist beim erstenmal wie bei allen anderen eine Nachlässigkeit und Flüchtigkeit im Erfassen, also ein Mangel an Interesse an der Wahrheit die Ursache. In tausend und abertausend Fällen tritt das Vorurteil der Anerkennung eines idem oder des Gegenteils in den Weg. Selten auch handelt es sich in der Tat um eine wirklich einfachste Erscheinung oder das Element einer solchen. Es gibt ja eine große Zahl von Vorstellungen, die auch von Haus aus nur fixierte Eindrücke sind, die aus vielen Einzelerscheinungen bestehen, deren Zerlegung noch nicht gelungen ist. Die Erscheinungen des Seelenlebens, oft kaum dem inneren Sinn des Empfindenden selbst klar, in den der Deutung unterworfenen körperlichen Äußerungen für andere erst recht unbestimmt, gehören vor allem dahin. Zum Teil schließen die hierauf beruhenden Fragen die Vorstellungen der Ursache bzw. des Beweggrundes ein. Ich kann sie aber doch hier erwähnen, weil es ja immer äußere Zeichen, mit den Sinnen empfangene Eindrücke sind, welche als Tatbestand vor allem das Urteil bilden. Hier sieht man recht klar, daß unsere Begriffe nicht erst infolge eines über die Welt hereingebrochenen Verderbnisses ins Schwanken geraten sind, sondern daß sie von Haus aus schwankende sind, daß unsere Bemühungen, sie zu fixieren, nur teilweise gelungen sind, zum Teil die schwankende Natur recht zu erkennen den Anlaß gegeben haben. Natürlich beruhen auf diesem Verhältnis Tausende von Kontroversen, die nicht ausgetragen werden können. Der Unverstand und die Böswilligkeit haben hier ihre feste Burg. Spott oder stumme Verachtung ist ihr Teil. Daß man freilich diese leichteren Waffen auch gar oft ergreift, statt des schwierigen Beweises, und eine Unmittelbarkeit der Erkenntnis behauptet, wo der Beweis noch möglich ist, ist bekannt. Ist guter Wille vorhanden, so kann oft durch den bloßen Hinweis auf das idem bzw. den Unterschied die Erkenntnis mitgeteilt werden; die Aufweisung des genannten idem oder Unterschiedes in anderer Umgebung, durch welche es dem ersten Blick ebenso verborgen blieb, wie in der vorliegenden, der Hinweis auf ähnliche Fälle schwer zu erkennender Identität oder Verschiedenheit, der stufenweise Fortschritt einer solchen Übung vom Leichteren zum Schwereren sind die einzigen Mittel. Es ist natürlich eine Unrichtigkeit des Sprachgebrauchs, eine solche Erweckung der Erkenntnis in Anderen einen Beweis zu nennen. Häufig wird auch in den besprochenen Fällen eine Art wirklichen Beweises versucht. Hat man in einem Eindruck gewisse Einzelheiten wahrgenommen, so wir die Anführung dieser als Beweis angesehen. Wären die Einzelheiten in der Tat in ihrem Zusammen vollständig erkannt, so wäre der Hinweis auf diese allerdings ein Beweis für die Anwendbarkeit des Namens, insofern dieser mit dem Zusammen jener identisch ist. In einem solchen Fall ist aber die unmittelbare Erkenntnis nur zurückgerückt. Die anzuführenden Einzelheiten müssen ja wiederum als solche zugestanden werden. Gar oft vermißt man sich, um sich den Schein schärfster Logik zu geben, in solchen Fällen einen Beweis zu geben und zu verlangen, und sieht den Mangel des Beweises für die Behauptung als Beweis des Gegenteils an. Insofern die Reduktion eines Eindrucks auf seine Einzelheiten, so sehr auch die Schärfe der Entdeckung einzelner bisher unbemerkter Züge besticht, doch noch unvollständig ist, wird gerade durch dieses oft redlichste Bemühen die wahre Erkenntnis verhindert. Oft genug wird ein solcher Versuch auch in unredlicher Absicht angestellt. Die Auffassung des erfahrenen und geübten unparteiischen Beobachters bewährt sich meist in einem höheren Grad, als jene Kunst. Nicht selten wird die Schärfe des natürlichen Blicks durch die geflissentliche Vernachlässigung, das ausgesprochene Mißtrauen gegen seine unbewiesenen Angaben, das ausschließliche Ausgehen auf sinnlich unleugbare Einzelheiten, beeinträchtigt. Wahr ist es, daß seine Angaben oft genug betrogen haben - ist er doch auch selten von der Stimmung und der vorgefaßten Meinung unabhängig - wahr ist es, daß eine möglichste Zerlegung des Eindrucks in seine Elemente, zum Zweck möglichst scharfer Beweisführung unser letztes Ziel sein muß, aber dürfen wir darum jene Schwäche menschlicher Erkenntnis übersehen oder gar leugnen? Unsere Aufgabe ist es, die gegebenen Tatsachen zu erforschen und wir konnten jene so wenig übersehen oder in ihrer Bedeutung und Tragweite verkennen, wie der Physiologe die Unvollkommenheiten unseres Leibes. Mag man aber auch im bezeichneten Verhältnis eine Unvollkommenheit sehen, mag man die Angaben des sogenannten natürlichen Blicks als unbewiesen bezeichnen und ihnen nur auf beschränktem Gebiet praktische Folgen zu geben sich erlauben, darf man ihnen doch keineswegs alle Bedeutung absprechen, doch müssen sie gehört werden, weil sie in der Tat oft die Quelle der großartigsten Entdeckungen gewesen sind. Es ist je eine unleugbare Tatsache, daß der menschliche Geist Eindrücke empfängt und in ihnen unmittelbar Identität und Verschiedenheit spürt, ohne die Einzelheiten angeben zu können. Die unmittelbare, dem bloßen Eindruck, dem feinen Gefühl vergleichbare Erkenntnis geht voran, die Antstrengung des Verstandes hat ihr zu folgen, um sie als Täuschung aufzudecken oder, sei es direkt oder indirekt, zu beweisen. Unzählige Induktionen und Analogieschlüsse, die sich nachträglich als wahr erwiesen haben, sind durch eine unmittelbare Wahrnehmung von Identität oder Verschiedenheit gemacht worden, die der Schließende nicht einmal als Behauptung in Worte zu fassen vermochte. Ein guter Teil von dem, was man gewöhnlich viel Verstand nennt, besteht in der genannten Fähigkeit. Man erhält auf diese Art häufig eine so feste Überzeugung, daß selbst ein klarer Beweis vergeblich dagegen ankämpft. Und nicht ganz mit Unrecht. Denn auch die Theorie muß die allbekannte Erfahrungstatsache bestätigen, da das mit Worten Sagbare, daß die aufgestellten Anzeichen oft den geringsten Teil des ganzen Eindrucks treffen, und in ihrer Allgemeinheit die gröbsten Mißverständnisse zulassen. Man weiß, wie oft man sich mit einem scheinbaren Wortbeweis getäuscht hat und folgt, ohne dem Beweis des Gegners etwas erwidern zu können, doch lieber dem unsagbaren Eindruck, der das Gegenteil behauptet. In der Tat ist die Unfähigkeit die einzelnen Kennzeichen eines Eindrucks anzugeben, kein Beweis gegen seine Wahrheit. Man erkennt in tausend Fällen die Stimmung, die Gesinnung in welcher etwas erzählt wird, auch wenn der Redende nichts davon mitgeteilt hat. Diese gewöhnlich unbewiesene Erkenntnis braucht nich ansich unbeweisbar zu sein. Aber der Beweis würde (abgesehen von Blick und Miene) ein so scharfes und ausführliches Eingehen auf die einzelnen Worte, auf die Aufeinanderfolge der Tatsachen, die eingestreuten beschreibenden Bemerkungen, um daraus die subjektiven Beweggründe, die Stimmung zu erschließen, welche dem Redenden unbewußt die Darstellung leitete, erfordern, daß nur um ihn zu verstehen, geschweige denn ihn zu führen, schon zehnmal mehr natürliche Begabung und gelehrte Bildung erforderlich wäre, als zu jener einfachen Erkenntnis. Auch der weniger Gebildete fühlt hier zuweilen aus tausend Einzelheiten, die er nicht anzugeben weiß, den Unterschied der einen Darstellung von der anderen, fühlt das idem in der vorliegenden mit anderen, die er schon gehört, die er in ähnlichen Fällen selbst gegeben hat, bestimmt heraus und läßt sich selbst durch direkte Versicherungen des Gegenteils, durch absichtlich eingestreute Anzeichen des Gegenteils, welche einen direkten Beweis bilden sollen, nicht von seiner Ansicht abbringen. Daß diese Ansicht ebenso oft und vielleicht noch öfter unrichtig ist, als richtig, versteht sich von selbst. Insofern der Syllogismus seinen Nerv immer nur in der erkannten Identität hat, konnte er hier mit allen seinen möglichen Modifikationen betrachtet werden. Allein da seine Anwendung eine weitere Ausbildung des Urteils voraussetzt, namentlich eine Beleuchtung des Verhältnisses zwischen Subjekt und Prädikat erfordert, so muß seine Erörterung einem späteren Abschnitt vorbehalten bleiben. Ebenso könnte, in Bezug auf den Nerv des Beweises, die Lehre von den unmittelbaren Schlüssen hier schon abgehandelt werden. Allein auch sie verlangt zum vollen Verständnis in der Anwendung einesteils die obengenannte Voraussetzung, andernteils eine Betrachtung der Negation. Das Andere. Gleichheit und Ähnlichkeit. Die Denkkraft bewährt sich am empfangenen Eindruck durch die Auffassung desselben in seiner Bestimmtheit, infolge deren er stets als derselbe wiedererkannt und von allen anderen unterschieden wird. So lehrte ich oben, ohne die Negation, ohne die Vorstellung vom Einen und Vielen in ihrem Entstehen nachgewiesen zu haben. Es schien mir notwendig zuerst den Ansatz der Begriffsbildung und das erste Urteil zu erläutern. Jetzt habe ich Folgendes nachtzutragen: Wenn wir von Identität sprechen, als einer für sich zu denkenden Vorstellung, so ist das eine gerade so unerfüllbare Forderung, als die den Begriff der Hälfte zu denken ohne den des Ganzen. Identität ohne den ausschließenden Gegensatz des Anderen, also ohne Negation zu denken ist eine bare Unmöglichkeit. So wenig, wie ich nun den Spekulationen anderer vorzugreifen und für unmöglich zu erklären, was mir zu schwer ist, gesonnen bin, so sehr muß ich doch die Behauptung aufrechterhalten, daß die Denkkraft die genannten Begriffe mit einem Mal gebiert, einer ohne den anderen undenkbar, folglich von Priorität oder Posteriorität des einen oder anderen keine Rede sein kann, daß wir sie mithin wie einen auffassen, die Zwiespältigkeit dieses einen als ein gegebenes Faktum annehmen können und daß wenn auch irgendeine weitere Betrachtung dieses Verhältnisses möglich ist, doch die hier gestellten Aufgaben dadurch keine andere Lösung erhalten können. Ich nehme also das bezeichnete Faktum als solches hin, ohne eine Erklärung zu versuchen. So wie der Raum nur als nach 3 Dimensionen Ausgedehntes gedacht werden kann, - eine gewiß feststehende Tatsache, deren Unerklärbarkeit den wissenschaftlichen Wert der bisherigen Betrachtungenk desselben nicht schmälert - so ist es die von demselben Schöpfer hervorgebrachte Natur des Menschen, daß er nicht denken kann, ohne die Voraussetzung eines unterscheidbaren Vielen und das eine nicht denken kann, ohne die relative Negation, die es in seiner Bestimmtheit vom Anderen scheidet. Die Fixierung des einen also, das als solches festgehalten und wiedererkannt wird, schließt die Absonderung vom andern ein. Wir dürfen also Identität und Negation, wenn wir auch die Zweiheit der Worte und Vorstellungen nicht leugnen, doch als ein apriorisches Element bezeichnen. Demnach gibt es nicht neben dem sogenannten Prinzip der Identität ein zweites, das Prinzip des Widerspruchs, sondern nur eines, das Prinzip der Identität und des Widerspruchs. Das negative Urteil, dies ist nicht jenes, ist zwar nicht notwendig im Akt der Bejahung des einen, das eben als Vorstellung ins Bewußtsein erhoben wird, enthalten; wohl aber ist, insofern eine Erinnerung an dieses stattfindet, die Fixierung jedes folgenden nicht möglich ohne die Unterscheidung vom vorhergehenden, und da sich jedenfalls eher verschiedene Eindrücke einstellen, als zwei oder mehrere Male hintereinander derselbe, da ja überdies zur Erkenntnis der Identität schon die Unterscheidung des zweiten Eindrucks, zumindest der Zeit nach, notwendig ist, so ist das negative Urteil, gleichviel ob es als solches formuliert ins Bewußtsein tritt und ausgesprochen wird oder nicht, früher als die erste Identitätserkenntnis. Die sprachliche Seite der negativen Partikeln lasse ich natürlich unberücksichtigt und fasse das deutsche "nicht" als den reinen Ausdruck der Verneinung. Dieses "nicht" nun ist für sich allein natürlich nicht vorstellbar; gerade so wie der abgelöste Begriff "dasselbe". Wir haben freilich die Macht das Wort auszusprechen, aber es ist ohne allen Inhalt. Die Negation ist, ich möchte sagen, selbstverständlich undefinierbar. Ich habe im Programm des Gymnasiums von Beuthen 1867 eine Erklärung vom Standpunkt des Begriffs des Andern versucht, indem ich sagte, sie wäre die Behauptung des Andersseins ohne jeden Hinblick auf das Unterscheidende, ohne jedes Interesse am Positiven. Dies ist nicht falsch aber es ist wertlos. Aus dem Anderen kann man die Negation freilich herausnehmen, weil dieser Begriff erst durch die Negation, wie weiter unten erklärt werden wird, gebildet worden ist. Man sagt, die reine Negation ist nicht in den Sinneseindrücken; diese sind nur andere. Aber die Erscheinungen sind auch nicht andere, ebensowenig wie sie halb oder doppelt sind. Sie sind nur so oder so, das Prädikat des Anderen, sowie das des Halben oder Doppelten und dgl. gehören der vergleichenden Betrachtung an. Die Verneinung ist eben a priori im menschlichen Geist und verbindet sich kraft des einen Identität genannten Prinzips mit den Eindrücken und existiert nur mit und an diesen. Man sagt, die Negation gehöre stets zur Kopula. Wenn man die Kopula als den Träger der Identitätserkenntnis ansieht, so mag dies gelten. Die Negation gehört dann zum hinzugedachten Begriff "dasselbe". Sieht man von diesem eigentlichen Sinn der Prädikation ab, so ist die Kopula nichts und die Negation kann nicht zu ihr gehören. Es ist nichtig zu sagen, die Negation hebe eben nur die Verbindung auf, sie trenne das Prädikat vom Subjekt. Denn dies ist in vielen Fällen handgreiflich unwahr. Überall wo uns eine positive Bezeichnung fehlt, brauchen wir die Verneinung und glauben doch dem Subjekt etwas beigelegt zu haben und ebenso überall, wo die Verneinung einer Eigenschaft, und dies ist fast immer der Fall - positive Folgen hat, ein Anzeichen für andere wichtige Verhältnisse ist, also ganz von selbst mit der Vorstellung des einen Verneinten sich andere positive Bestimmungen verbinden, die des Schmerzes z. B., wenn einem die Gesundheit abgesprochen wird, daß jemand stiehlt oder betrügt, wenn er nicht ehrlich, daß er spielt, tändelt und dgl., wenn er nicht fleißig genannt wird. Wenn ich jemanden besuchen will und erfahre an seiner Tür, daß er nicht zuhause ist, so kann auch mit dieser Angabe eine Reihe positiver Vorstellungen verbunden sein. Aber auch wenn das nicht der Fall ist, ist dennoch keine bloße Trennung vorhanden, vielmehr eine Einordnung der negativen Vorstellung in die Vorstellung vom Subjekt. Freilich wird sie nicht in den Begriff desselben als ein dauerndes Merkmal sei es der Gattung, sei es des Individuums aufgenommen. Aber das ist ja auch gleichgültig. Das Subjekt ist das individuelle in diesem Augenblick Gedachte. Nur die Unvollkommenheit der Sprache gibt Veranlassung zum Irrtum. Wenn ich vom augenblicklichen Aufenthaltsort eines Menschen spreche, so ist selbstverständlich nicht der Begriff dieses Menschen das Subjekt, sondern die durch Zeitmoment eingeschränkte Vorstellung von ihm. Wenn ich das Urteil vollständiger erläutert haben werde, wird dieser Punkt klarer werden. Ich muß hier auch gleich die weitere Tätigkeit des Identitätsprinzips erwähnen, welche irrtümlich zu einem neuen Prinzip, dem des ausgeschlossenen Dritten gemacht worden ist. Von einem neuen besonderen vom ersten verschiedenen Gesetz kann gar keine Rede sein; höchstens könnte man es als eine Anwendung davon bezeichnen. Aber auch dieser Name täuscht. Denn er verbindet sich mit der Vorstellung von der Subsumtion des Einzelnen unter das allgemeine Gesetz und eine solche ist hier gar nicht vorhanden. Wenn Identität und Negation sozusagen die beiden Seiten des einen unser Denken charakterisierenden apriorischen Elementes sind, eines so unmittelbar gegeben und unentbehrlich wie das andere, so ist die sogenannte Anwendung nur eine neue Betätigung des Prinzips. Sie geschieht von selbst in jedem einzelnen Fall. So wie wir nicht erst eine Subsumtion unter das Gesetz, daß wir jeden Eindruck in seiner Bestimmtheit festhalten und sorgfältig vom Anderen absondern müssen, vornehmen, sondern eben dies in jedem einzelnen Fall naturnotwendig tun, und ebenso Identität und Nichtidentität erkennen, so wird eben auch ohne das Zutun eines neuen Prinzips, das doppelte für identisch Erkannte (wenn verschiedene Bezeichnungen vorliegen) füreinander gesetzt. Ob es auf einer anderen Stufe des Denkens, im Verein mit anderen Ergebnissen des Denkens als Prädikat oder als Subjekt steht, ist ganz gleichgültig. Und ganz ebenso ist die Erkenntnis des doppelt Negierten mit dem Affirmierten [Bejahten - wp] eine unmittelbare Betätigung des einen einzigen bisher entwickelten Prinzips. Das sogenannte Gesetz vom ausgeschlossenen Dritten ist nun nichts anderes, als diese Erkenntnis, daß X identisch ist mit nicht nicht X. Wir können hier vollständig von den verschiedenen Beziehungen im Urteil absehen. Das eine genügt, daß wir die Unvollständigkeit des Ausdrucks durch die Auffassung des Sinnes reparieren und in jedem Fall das Subjekt bzw. die identifizierten Eindrücke oder Dinge recht scharf und bestimmt fassen. Die Erläuterung des Urteils wird dies klarer machen. Allein auch ohne jede weitere Erläuterung erhellt sich von selbst, daß das Urteil "Fritz ist fleißig", die Prädikation der Gesundheit, weil gesund ein nicht fleißig wäre, nicht ausschließt. Es bedarf um ein solches Mißverständnis zu verhüten, keiner besonderen Einschränkung des Gesetzes, sondern nur der recht scharfen Anwendung desselben. "Fritz ist fleißig" ist nur identisch mit "Fritz ist nicht nicht fleißig". Folglich ist jedes Prädikat das mit nichtfleißig identisch ist, negiert, und zwar durch die Anerkennung schon des ersten Satzes. Nun ist aber "gesund" keineswegs identisch mit "nichtfleißig", folglich bedarf es keiner weiteren Erklärung des Gesetzes um die falsche Folgerung abzuwehren. Man könnte von einem anderen Standpunkt ebenso gut auf den wahren sinn des Subjekts hinweisen. Nicht von allem wird das Prädikat fleißig ausgesagt, was wir beim Eigennamen denken. Offenbar ist eine Handlungsweise, eine Gesinnung, eine geistige Eigenschaft damit bezeichnet, und das dem Sinn nach wirkliche Subjekt des gesund ist ein ganz anderes, sodaß von einer Identifizierbarkeit der beiden Urteile (mit dem negativen Prädikat des anderen) schon um der Verschiedenheit der Subjekte willen, keine Rede sein kann. ULRICI verwechselt die logische Prädizierbarkeit mit der Berechtigung ein Urteil auszusprechen, wenn er leugnet, daß der Stein entweder gesund oder nicht gesund ist. Insofern das Prädikat der Gesundheit, nach der Bedeutung des Wortes, einen tierischen Organismus voraussetzt, kann es dem Stein nicht erteilt werden, er ist also nicht gesund. Daß er deshalb nicht ungesund oder krank genannt werden kann, weil diese Worte nicht bloß die Negation des Begriffs gesund sind, sondern ebenso wie gesund selbst, nach ihrer Bedeutung nur gebraucht werden von den Unvollkommenheiten bzw. Störungen in einem tierischen Leib, leuchtet ein; daß aber nicht gesund nicht identisch ist mit ungesund oder krank hat mit der Logik und dem Gesetz des ausgeschlossenen Dritten nichts zu tun. Daß bisher noch niemand eine Veranlassung gehabt hat die Erkenntnis, daß der Stein nicht gesund ist, zu produzieren und auszusprechen, glaube ich gern. Sollte aber jemand danach fragen, so wäre die Antwort, er ist nicht gesund, zweifellos richtig. Auch alle anderen Schwierigkeiten, welche dem Satz, daß von zwei kontradiktorisch entgegengesetzten Prädikaten, von denen also das eine nur die Negation des anderen ist, eines wahr sein muß, entgegenzustehen scheinen, beruhen auf einem sachlichen Mißverständnis. Es ist die Fassung der Begriffe und namentlich die Folgerungen, welche man ihnen im praktischen Leben zu geben pflegt, welche die Schwierigkeiten hervorrufen. Daß jeder entweder gut oder nicht gut ist, kann nicht bestritten werden, aber es frägt sich, was man unter gut versteht. Die Folgen, welche man voreilig dem unklaren Prädikat "nicht gut" zu geben pflegt, setzen uns in Verlegenheit. Aber korrigieren oder klären wir nur unsere Begriffe und jene Schwierigkeiten werden verschwinden. Noch ein Beispiel sei mir verstattet. Ein philosophisches System ist entweder wahr oder nicht, dieser Satz scheint mit seiner Undurchführbarkeit das fragliche Gesetz zu brechen. Aber wer dies behauptet, hat sich jenen Satz nicht klar gemacht. Ein System ist identisch mit einer Mehrheit von gleichartigen innerlich zusammenhängenden einzelnen Erkenntnissen, und so wird das Prädikat von all diesen Erkenntnissen zusammen ausgesagt und so verändert sich der Schwerpunkt des Gedankens, so daß vielmehr zu beweisen ist, daß in der Tat in einem oder in jedem System alle darin vorgetragenen Erkenntnisse zusammen stehen oder fallen. Hier sind also im einen Wort tatsächlich mehrere Subjekte enthalten, von denen die einen das affirmative, die andern das negative Prädikat erhalten können, gerade als wollte ich sagen, Fische, Vögel und Säugetiere legen entweder hartschalige Eier oder nicht. Die einen wohl aber die andern nicht. Die Entstehung und die Möglichkeit der den Einwand veranlassenden Irrtümer wird die spätere Erläuterung des Urteils in ein helleres Licht setzen. Für jetzt kam es nur darauf an die Tatsache der Identität eines bejahenden Prädikats mit der Negation seiner Negation, d. h. also die Erkenntnis, daß die Wahrheit des bejahenden Urteils die Unwahrheit des kontradiktorisch entgegengesetzten involviert, zu behaupten. Daß sich die entgegengesetzten Prädikate ausschließen läßt nicht etwa die Folgerung zu, sondern ist absolut identisch mit der anderen Erkenntnis, daß die Wahrheit des negativen Prädikats die Unwahrheit des positiven enthält. Das sind keine Schlüsse, sondern eine unmittelbare Identitätserkenntins, die nur durch die Verschiedenheit des Ausdrucks den Schein des Beweisesf den Schein der Folgerung erhält. Denn "Es ist falsch, daß Fritz fleißig ist" ist identisch mit "Fritz ist nicht fleißig". Kehren wir nach dieser Betrachtung der Negation zum ersten Urteil zurück. Identität, so sagte ich, kann erkannt werden, und selbstverständlich auch das Gegenteil, ohne daß der abstrakte Begriff derselben schon in einem Wort ausgeprägt ist. Die Vorstellung vom Identischsein ist rein geistigen Ursprungs; nichtsdestoweniger wird der Begriff der Identität aus der Erfahrung geschöpft. Freilich ist aber diese Erfahrung nicht allein das Werk der Sinne, sondern die aus ihnen durch jenes Prinzip geschaffenen Vorstellungen und Erkenntnisse. Der Geist produziert den Begriff der Identität erst an den Werken des Identitätsprinzips. Die Identitätserkenntnisse traten ursprünglich nicht als solche formuliert ins Bewußtsein, sondern äußerten sich nur praktisch in der Anwendung desselben Wortes und im richtigen Gebrauch der Dinge. Erst an praktischen Folgen wurde die Verwechslung schmerzlich empfunden und dann korrigiert; infolge eines Bedürfnisses spannte sich die Aufmerksamkeit auf eine Wiedererkennung bzw. richtige Unterscheidung. Und wenn nun im Wechsel der Erscheinungen anstelle des Verschiedenen ein idem trat, oder das eben bemerkte idem einem anderen Platz machte, oder die geschärfte Aufmerksamkeit, die einen früheren Totaleindruck später in ein Zusammen verschiedener Eindrücke auflöste, nun ein idem wahrnahm, wo früher nur Verschiedenheit oder ein Anderes, wo früher nur Identität empfunden worden war, da mußte die erkannte Identität sich wie ein selbständiges Element von den Erscheinungen ablösen und sich selbst wie eine Erscheinung dem Betrachtenden darbieten. Nur dadurch also, daß sich die erkannte Identität durch die genannten Umstände wie ein Erscheinungselement aussonderte, und vom betrachtenden Geist wie ein Eindruck wahrgenommen, aufgefaßt und fixiert wurde, nur dadurch wurde der Begriff und das Wort "dasselbe" möglich. Es bedurfte zu seiner Entstehung aber noch eines anderen Vorgangs. Als eine Eigenschaft an Dingen kann die Identität nicht erfaßt worden sein; denn wir sprechen von einer Stufe des Denkens, auf der jene Gedanken noch nicht existieren. Nichts destoweniger ist es eine bare Unmöglichkeit, die reine Identität oder den Gedanken "dasselbe" zu fassen ohne, bewußt oder nicht, den Gedanken von einem Substrat, von den Subjekten dieses Prädikats. Nicht bloß die Form des Adjektivs idem = dasselbe, sondern auch die des abstrakten nur die Eigenschaft andeutenden Substantivs "Identität" ist ohne die Grundlage eines solchen Gedankens von einem Sein, einem Etwas unmöglich. Und dieser Gedanke vom Sein oder Etwas (hier gleichbedeutend) muß in der Tat sehr früh entstanden sein. Es gehört, nach dem früher über die Abstraktion Entwickelten, kein hoher Standpunkt dazu, um dieses, wie es scheint abstrakteste Element zu erkennen. Das Sein ist hier freilich kein philosophischer Begriff, sondern nur die Vorstellung von einem Eindruck. Bei der Menge der verschiedenartigen alle Sinne bald zugleich, bald aufeinander treffenden Eindrücke, beim lebendigen Bewußtsein der eigenen Affizierbarkeit, konnte die Vorstellung vom Eindruck überhaupt, unter Abstraktion vom besonderen Sinn, nicht ausbleiben. Der Gegensatz lag ja zu nahe; die Ruhe des Toten, der weder fühlt noch sieht noch hört, die Eindruckslosigkeit im Schlaf, der Mangel zumindest der Gesichtseindrücke im Finstern, die oft getäuschte Erwartung mußte den Gedanken der Empfindung überhaupt, d. h. hier des Seins, des Etwas, im Gegensatz zum Nichts schaffen. Daß diese Vorstellung bei der Ausprägung des abstrakten Gedankens "dasselbe" zugrund lag, leuchtet wohl ein. Nicht beweisend, aber wohl erläuternd ist der Hinweis auf das Wort. Es ist vom demonstrativen Pronomen gebildet, nichtsl als eine energische Demonstration. Was ist aber der Sinn einer solchen Demonstration? Worauf kann man hinweisen, wenn nicht auf eine Stelle, einen Ort? Es enthält dieses Wort also die Individualisierung einzig durch das Wo, ohne Bezeichnung irgendeines anderen Eindrucks, aber gewiß nicht den Begriff des reinen Wo, sondern den irgendeiner Beschaffenheit, die aber nicht anders bezeichnet wird, als durch den Ort. Mit dem Begriff "dasselbe" entstand zugleich der des Anderen, die bloße Negation von jenem, irgendetwas aber nicht dasselbe, d. h. nicht das, was jenes ist. Den Begriffen der Identität und des Anderen schließen sich die der Gleichheit und der Ähnlichkeit, bzw. der Ungleichheit und Unähnlichkeit an. Sie sind von demselben Stoff wie jene. Identisch ist streng genommen nur jedes mit sich selbst. Und selbst der Eindruck desselben, den ein zweiter Blick gewährt, ist schon ein zweiter, insofern sein Wann mit empfunden wird. Erst wenn wir von diesem absehen, kann Identität erkannt werden. Die Erkenntnis der Identität wird also erst möglich, wenn wir das Element des Wann bzw. des Wann und Wo nicht nur als ein abzusonderndes erkennen, sondern wirklich von ihm gänzlich absehen. Das umgekehrte Verhalten ist zur Prädikation der Gleichheit erforderlich. Denken wir uns zwei empfangene Totaleindrücke, und nehmen an, daß die öftere Wiederkehr derselben und die im Allgemeinen wachsende Aufmerksamkeit und Schärfe des Auffassens allmählich jeden dieser beiden als in sich unterscheidbar erkennen gelernt hat, und daß die Erinnerung an den früheren Totaleindruck noch lebt, so müssen wir die mehreren jetzt als verschiedene erkannten einzelnen Erscheinungen zusammen als identisch mit jenem früher nur einen Eindruck erkennen. Die jetzt mehreren zusammen auftretenden Erscheinungen werden unter einem Namen als eines bezeichnet, weil sie früher als eines empfunden worden sind, weil sie identisch sind mit dem, was für den aufnehmenden Sinn einstens in der Tat nur eines war. Die Subjekte des Prädikats "identisch" waren nur die in der Tat identischen Eindrücke, die Subjekte des Prädikats "gleich" oder "ähnlich" (und des Gegenteils) sind diese um ihrer Identität mit dem früheren Totaleindruck willen noch als Einheit zusammengefaßten mehreren Erscheinungen. Gleichheit oder Ähnlichkeit wird nun von diesen prädiziert, wenn einer oder mehrere der in jedem unterscheidbaren Eindrücke mit einem oder mehreren des andern identisch sind. Gleichheit ist also eigentlich eine Identitätserkenntnis. Das neue Wort ist freilich nicht bloß ein Wort, sondern hat auch einen neuen Inhalt, und der neue Begriff muß entstanden sein. Ist er, wie andere Begriffe (wie unten erläutert werden wird) durch Prädikation entstanden? Unmöglich kann der Identitäts ein (doch auch nur Identität enthaltendes) anderes Prädikat erhalten. In der Tat kann er in seinem Inhalt nicht durch die Aufnahme irgendeiner Bestimmung modifiziert werden. Die Gleichheitsurteile sind wesentlich Identitätsurteile, daher oben, wo behauptet wurde, alle Prädikation beschränkte sich auf die Erkenntnis von Identität, hinzuzusetzen war bzw. Gleichheit oder Ähnlichkeit. Nur der Sprachgebrauch ist zu erläutern. Wenn wirklich der Sinn prädizierter Gleichheit kein anderer ist, als der oben entwickelte, so sind die beiden Eindrücke allerdings keine Subjekte des Prädikats identisch, wohl aber sind es gewisse später als solche erkannte Elemente oder Teile derselben. Sage ich bloß von diesen Identität aus, so ist der Sinn des Satzes, jene beiden sind gleich, zweifellos nicht erreicht. Jene beiden Totaleindrücke, jetzt zusammengefaßte Erscheinungseinheiten müssen Subjekt sein; von ihnen sollen wir etwas erfahren. Offenbar ist es ihr Verhältnis zum idem, das sie berechtigt Subjekt dieser Erkenntnis zu sein, das Verhältnis des Ganzen gilt, daß irgendeiner seiner Teile so oder so beschaffen ist oder tut. Ist der Sinn des fraglichen Urteils also der, diese beiden haben identische Teile (sind partiell identisch" so ist nur auf den Sprachgebrauch zu verweisen, der so häufig den Teil des grammatischen Subjekts, der eigentlich allein das ausgesagte Prädikat zu erhalten hat, bald appositionsweise [als Zusatz - wp] dem grammatischen Subjekt zugefügt, bald als Beschränkung der Aussage ins Prädikat stellt. Ähnlich ist es hier, nur daß ein einziges Wort dazu dient, jene Beschränkung des Prädikats auszudrücken, indem "gleich" soviel bedeutet wie "teilweise identisch". Die Anwendung der Vorstellung vom Ganzen und Teil ist eine Antizipation [Vorwegnahme - wp], tut aber doch der Erklärung keinen Abbruch, insofern das Ganze hier identisch ist mit dem äußeren Eins und nichts mit der inneren Einheit zu tun hat, die nur aus der Ursache bzw. dem Zweck begriffen wird. Das Eins wird erst im folgenden Abschnitt erläutert werden, aber nur aus dem einfachen Grund, weil ich, auch was zugleich da ist, nur nacheinander erwähnen kann. Das Eins und dem gegenüber das Viele ist ebenso ursprünglich mit dem Element des Gedankens gegeben, wie der Begriff des idem und des Anderen. Es ist selbstverständlich zur Fixierung und Unterscheidung notwendig und unerklärbar. Das Ganze ist also nur der Eindruck, der kein Unterschiedenes in sich aufweist und im Gegensatz zum Anderen, Zweiten, als eins gefaßt wird. Eine reine Identitätserkenntnis gibt diesem Ganzen dann Teile, wenn eine spätere Wahrnehmung unterscheidbare Elemente in ihm entdeckt. Dieses Ding bzw. dieser Eindruck oder diese Erscheinung "hat Teile", heißt demnach weiter nichts, als sie ist identisch mit einer Anzahl von Erscheinungslementen oder einzelnen Erscheinungen zusammen. Auch dieses "zusammen" führt kein neues Begriffselement ein; es bezeichnet hier nur die Gleichzeitigkeit und das Nebeneinander. Es ist diese Identität sehr wohl erkennbar auch ohne den einer späteren Stufe angehörigen Gedanken des Zusammenwirkens, des Totaleindrucks, der durch eine Anzahl gleichzeitiger oder örtlich verbundener Eindrücke hervorgebracht, oder bedingt wird. Demnach ist das Urteil daß eine Erscheinung Teile bzw. Elemente hat, und das zweite Urteil, daß zwei Erscheinungen identische Teile haben aus den bisher dargelegten Mitteln des Denkens begreiflich und so dürfen wir wohl auch die Erklärung des Begriffes "gleich" als partiell identisch, als Einschränkung des Identitätsprädikates durch den materiellen Bezug auf den Umfang des Subjekts, durch die Andeutung, daß das Subjekt nicht der sachlich bestimmte Eindruck einer Erscheinung, sondern der Begriff des Teils eines Ganze ist, für gerechtfertigt halten. Der Erklärung der Gleichheit als partieller Identität ist nur noch hinzuzufügen, daß man die Elemente der Erscheinungen strenger, als sonst gewöhnlich geschieht, sondern und in ihrer Gesondertheit festhalten muß. Die gemeine Ansicht trennt wohl die Farbe von der Gestalt und beides vom Ort, vermischt aber dennoch wieder diese ersten beiden mit der Vorstellung des letzteren. Sind diese Elemente scharf geschieden; so ist dieses Grün hier und jenes dort, dieses Dreieck hier, und jenes dort (sofern in der Farbe selbst kein Unterschied ausgesagt werden soll) nicht gleich, sonder identisch; verschieden, zwei sind nur die gefärbten Flächen, die gestalteten so oder so begrenzten Wo. Nur Raum und Zeit individualisieren. Habe ich von zwei ganz gleich gefärbten und gestalteten und gleich großen Erscheinungen ihr individuelles Wo fortgedacht, so sind die übrig bleibenden Elemente der Farbe und Gestalt und Größe ncht mehr gedoppelt da, sondern identisch. Gleich sind die beiden, zur Gleichheit ist das Festhalten der zwei Verschiedenen als solcher erforderlich; sehe ich von diesem Unterschied ab, so ist Identität vorhanden. Die Bestimmung, welche Elemente an Identität zur Anwendung des Gleichheitsprädikates erforderlich sind, hat nichts mit der Logik zu tun. Der Gebrauch schwankt. Ergibt der Zusammenhang den Sinn, so wird häufig ohne weiteren Zusatz um eines identischen Elementes willen Gleichheit ausgesagt, das gegenüber den mehreren verschiedenen Elementen kaum in Betracht kommen zu können schien; in anderen Fällen wird das identische Element als Beziehung in welcher zwei Dinge gleich genannt werden, besonders genannt. Gewöhnlich unterscheidet man noch den Grad der Gleichheit und spricht von "vollkommen gleich", "ganz gleich" und dgl., wenn nur die Örter den Unterschied ausmachen. Sieht man von dieser totalen Gleichheit ab, so ist es entweder das Auffallendste, am wenigsten Übersehbare, was die Aussage der Gleichheit hervorruft, oder es ist die Rücksicht auf die Bedeutung des einen oder anderen Zuges; letztere ruht auf der Vorstellung von Ursache und Wirkung. Über die Ähnlichkeit ist nichts Besonderes zu sagen. Sie unterscheidet sich von der Gleichheit nur durch die geringe Zahl (bzw. Bedeutung) der identischen Elemente. Ein Beweis der Gleichheit kann durch den Hinweis auf die identischen Elemente geliefert werden. Natürlich ist dieser Beweis nur ein Beweis für die Anwendbarkeit des Wortes. Im einzelnen Fall bedarf es natürlich der Feststellung des oder der Elemente, auf welche es ankommen soll. Selbstverständlich kann die Gleichheitserkenntnis durch eine andere schon anerkannte Gleichheit vermittelt werden, aber nur in Bezug auf dasselbe Element. |