ra-2P. EltzbacherMüller-ErzbachG. RadbruchR. SohmK. C. Planck    
 
WILHELM SCHUPPE
Der Begriff des Rechts
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"Man wird freilich bei dem Wort Willensakt immer wieder nur an ein innerseelisches Ereignis denken wollen; aber ich versuche eben die alten Begriffe zu korrigieren. Daß eine solche Begriffsberichtigung der eingewurzelten Gewöhnung gegenüber machtlos ist, weiß ich allerdings, aber wenn man für eine gute Sache zu streiten überzeugt ist, so darf man sich durch schlechte Aussichten in Bezug auf den Erfolg nicht abhalten lassen."

"Das Wort Norm erfreut sich gegenwärtig besonderer Gunst. Aber ich weiß nicht, welchen Vorteil es gewährt, wenn die Norm nicht in diesem Sinn als objektiv gültig gedacht wird. Wenn man sie nur als den Willen des Gesetzgebers auffaßt, so ist der Kernpunkt der Frage nur zurückgeschoben, der nämlich: wie denn und mit welchem Recht jemand einem anderen ein sogenanntes Gesetz geben kann. Ist er nur der Machthaber, ist er nur der zufällige Konsens einer Majorität, so kann ich von einem Recht der Gesetzgebung und einer Pflicht der Unterwerfung nichts entdecken. Soll er aber kein zufälliger Konsens der Majorität, sondern ein notwendiger sein, so wird diese Notwendigkeit aufzuweisen sein und ich glaube sie als im Begriff und Wesen des Bewußtseins liegende dargelegt zu haben. Jedenfalls ist die Norm als der notwendig aus einer objektiv-gültigen Wertschätzung hervorgehende Wille zu denken. Sie, wie ein Gebot, das niemand gibt, in der Luft schweben zu lassen, ist ein Gedanke, der mir gänzlich unzugänglich ist. Alles Sollen ist ein Gewolltwerden und der Wille muß jemandes Wille sein."

Bei dieser Sicherheit der Wiederkehr dieser einzelnen innneren Ereignisse des Denkens, Fühlens und Wollens je nach Anlaß und Gelegenheit in der bestimmten den Individualcharakter ausmachenden Art und Weise ist auch die Dingnatur dieses Verstandes, Gemütes und Willens völlig klar; nur freilich sind es innerliche Dinge, wie man zu sagen pflegt, in der Seele, im Gegensatz zu den Ereignissen, welche sich sichtbar im Raum vollziehen. Die Abhängigkeit dieser von jenen und ihr eigentümliches Verhältnis zueinander wird uns sogleich noch beschäftigen. Vorerst sei noch ein Blick auf die Verwendung der verhandelten Dinge im Satz geworfen.

Was sich alles von ihnen aussagen läßt, daß sie als Subjekt und auch als Objekt von Tätigkeiten erscheinen, hat Beschwerden gemacht. Aber wenn wir wissen, wie Begriffe entstehen, sind auch diese Verhältnisse sofort klar und durchsichtig. Von den vielen möglichen Personifikationen sehe ich natürlich ab.

Von den körperlichen Dingen kann nichts anderes prädiziert werden, als was eben durch die Erkenntnis des Kausalzusammenhangs, welcher das Ding ausmacht, wals zusammengehörig festgestellt worden ist. Es bedarf kaum der Erwähnung, daß diese Kausalerkenntnis, der Vervollkommnung fähig und bedürftig, direkt oder indirekt der ursprünglichen Zusammenfassung im gleichen Sinne Neues hinzufügen kann. Nur was, für den Artbegriff unwesentlich, vom Individuum aussagbar ist, kann Schwierigkeiten zu machen scheinen. Allein es ist, wenn auch nicht inhaltlich dieselbe, so doch auch wieder eine Kausalerkenntnis, welche gewisse Teile oder Stück der individuellen Raum- und Zeiterfüllung zum Ganzen eines Individuums zusammenfaßt, mit der Maßgabe natürlich, daß dies - wenn es sich um veränderliche Dinge handelt - eben nur zum Individuum dieses Zeitpunkts gehört und eben nach bestimmter, wäre es auch noch so komplizierter Gesetzlichkeit, in diesem Augenblick eintreten und alsbald dem und dem anderen Platz machen muß. Über den Sinn der Verbalprädikation und den Begriff der Tätigkeit handelt die "Erkenntnistheoretische Logik" XVII und § 121. Für den Sinn der Prädikation überhaupt und somit für die Bestimmung desjenigen, was von einem Subjekt prädizierbar ist, ist es völlig gleichgültig, ob das Prädikat schon im Subjekt als ein Bestandteil desselben mitgedacht wurde oder nicht. Wenn der Subjektsbegriff S in der erkannten Zusammengehörigkeit von a b c d besteht, so heißt S ist d nie etwas anderes als: dieses d gehört als kausal mit a b c verknüpft, zu ihnen, mit ihnen das Ganze, S, ausmachend. Und wenn eine spätere Untersuchung und Beobachtung diesem Umkreis zusammengehöriger Einzelzüge noch ein e hinzufügt, gleichviel ob als stets vorhanden oder nur unter gewissen Umständen eintretend, so heißt auch dies nur: dieses e, sei es dauernd, sei es nur unter den und den Umständen eintretend, gehört durch den ganz bestimmten Kausalzusammenhang, d. h. eben denjenigen, welcher Dingbegriffe konstituiert, zu a b c d, mit ihnen das Ganze, S, ausmachend.

So ist es nun bei den Zeitdingen auch. Wenn der Verstand denkt und der Wille will, so ist zu verstehen: dieser Akt des Denkens oder des Wollens ist eben eines von denjenigen Ereignissen, welche aus dem oben erörterten Grund zu dem einen Ganzen des stets vorhandenen Verstandes oder Willens auch über die Gegenwart hinaus zusammengefaßt worden sind. Wenn der Krieg die Männer mordet und der Kampf tobt oder blutig ist, so gehört das Morden der Männer und das was da als Toben bezeichnet wird und das vergossene Blut zu denjenigen Dingen oder Erscheinungen, welche den Krieg oder einen Kampf, bzw. diesen individuellen Kampf ausmachen.

Daß das Gesetz befiehlt und anordnet, wie auch, daß der Vertrag bindet, kann keine Dunkelheit mehr haben. Wenn man nur weiß, was das Gesetz ist, daß es nämlich ein Wille ist, wenn auch nicht jeder Wille Gesetz ist, so ist das Befehlen und Anordnen keine Tätigkeit, welche das geheimnisvolle Subjekt Gesetz ausübt, sondern es ist eben dieses Wollen, in oder aus welchem das Gesetz besteht. Und wenn es ZITELMANN auffiel, daß "das Gesetz doch auch wieder die Anordnung selbst ist", so ist darin meines Erachtens nichts Auffallendes mehr zu finden; denn in dieser Hinsicht ist es eben dasjenige, was dieser Wille will, sein Objekt, das gewollte Ding oder die gewollte Folge von Ereignissen.

Der Vertrag bindet, weil dieses Binden, bzw. Gebundensein kausal mit bestimmten Umständen und Bedingungen zu einem Ganzen verknüpft ist. Die verknüpfende Kausalität ist hier freilich nicht die der äußeren Natur; sie ist der Wille, speziell der Rechtswille, dessen Existenz und dessen Eigenart sogleich zur Sprache kommen wird. Wenn "das Recht" etwas will, so heißt das also auch nichts anderes, als daß ein gewisser noch zu erklärender Wille eben dieses will. Daß aber ein Mensch ein Recht hat, etwas zu tun oder zu lassen, gehört zu demjenigen, was jener Wille will, daß nämlich dieses zu tun oder zu lassen diesem Menschen von Niemandem verwehrt wird, bzw. daß vorkommenden Falles das und das andere geschieht, um das, was da zugunsten dieses Menschen von jenem Willen, (welcher = das Recht ist) gewollt war, durchzusetzen. Nun begreift sich auch, wie dieses Recht, obgleich gröblich verletzt, doch noch bestehen kann. ZITELMANN nannte seine Existenz "ideell", woran ich nur die Unklarheit des Gegensatzes zu beklagen hatte. Denn diese ideelle Existenz des Rechts kann mit Fug und Recht auch auf den Namen eines Wirklichen Anspruch erheben. Ob die Beauftragten tun, was ihnen geheissen wurde, ob ein individueller Wille jenem Rechtswillen Widerstand leistet oder eine individuelle Intelligenz letzteren mit allen seinen Konsequenzen für den einzelnen Fall mißversteht, ist insofern gleichgültig, als jener Wille, der die und die Rechtswirkungen an die und die Umstände bzw. Handlungen knüpft, bestehen bleibt. Wie sein Bestand zu denken ist, das ist nun wieder die Frage, und zwar eine Frage, welche der Philosophie angehört. Wenn der Begriff der größeren oder geringeren zeitlichen Ausdehnung nichts Erklärungsbedürftiges an sich hat, so kann nur der der Existenz, welche diese Zeit erfüllt, in Frage kommen. Sie ist Seite 55-58 meiner "Grundzüge der Ethik und Rechtsphilosophie" erklärt. In einem ersten Sinn besteht die Existenz von Vorstellungen, Gefühlen und Wollungen eben nur darin, daß etwas vorgestellt, gefühlt, gewollt wird, d. h. daß ein Subjekt sich dieser inneren Regungen bewußt ist. Wenn aber doch in jedem Augenblick immer nur Weniges das Bewußtsein erfüllen kann und diese Regungen notwendig in mannigfachster Weise abwechseln, so müssen wir einen Begriff der dauernden Existenz jener Dinge verlangen, welcher auch für die Zeit, in welcher sie gerade nicht im Bewußtsein anwesend sind, ausreicht. Und das kann, - wenn man sich nicht an mythologisierenden Ausdrucksweisen genügen läßt - kein anderer sein, als die feste zuverlässige Gesetzlichkeit, mit der diese Ereignisse sofort im Bewußtsein wieder auftreten, wenn eine Gelegenheit ihre Anwesenheit verlangt. Der dauernde Besitz von Kenntnissen, auch wenn man gerade nicht an sie denkt, besteht nur in der Sicherheit ihrer Reproduktion, und so auch die stets vorhandene Gesinnung und der aus ihr hervorgehende Wille. So können die beiden Bedeutungen von der Existenz oder dem Bestand eines Rechts sehr leicht unterschieden werden:
    1. die Existenz jener einen Gesinnung und des auf ihr beruhenden Willens, welcher an die und die Bedingungen die und die Wirkungen geknüpft sehen will und

    2. die Gestaltung der räumlich-zeitlichen, sinnlich-wahrnehmbaren Ereignisse, welche, von den Auffassungen und Gesinnungen von Individuen abhängig, jenem Willen entsprechen und nicht entsprechen kann.
An den Begriff des Bestehens schließt sich naturgemäß die Erläuterung des Entstehens und Untergehens oder des Anfangs und Endes jener Existenz. Zuerst haben wir jenen Willen von demjenigen, was er im einzelnen Fall will, zu unterscheiden. Wenn es zum Begriff des Willens gehört, daß er nicht außerhalb allen Zusammenhangs mit eines inneren Lebens, sinnlos und unbegreiflich, plötzlich aufsteigt, sondern immer und überall auf einer vorhandenen Wertschätzung beruth, so wird der Wille an allen Abstufungen begrifflicher Allgemeinheit, welcher die Wertschätzung fähig ist, partizipieren. In den allgemeinsten Grundzügen kann eine Klasse von Dingen oder Eigenschaften und Verhältnissen geschätzt und somit gewollt sein, und der Spezialwille tritt dann immer erst ein, wenn im Einzelnen, gleichviel in welcher Determination [Bestimmung - wp], jene Grundzüge sich zeigen. So auch bei jenem Willen, welchen ich als den das Recht ausmachenden dachte; nur ist hier nicht zu vergessen, daß es bei der eigentümlichen Natur seines Gegenstandes, zuweilen besonderen Schwierigkeiten unterliegen kann, in der Fülle und Verschiedenartigkeit der Determinationen im Konkreten jene begrifflich allgemeinen Grundzüge mit ihren Konsequenzen herauszufinden. Läßt sich in den Rechtsbildungen aller Völker und Zeiten so ein allgemeiner Grundzug, als Idee des Rechts herausfinden, so muß die zugrunde liegende Wertschätzung dem Wesen des Menschen selbst, bzw. nach Eintritt einer gewissen Entwicklungsstufe angehören; dann wäre von einem Untergang desselben überhaupt nicht zu sprechen, und von einem Beginn desselben entweder ebensowenig oder er ware der Eintritt jener näher zu fixierenden Entwicklungsstufe. Denken wir jene Wertschätzung etwas mehr aus der Eigenart eines Volkes in einer bestimmten Zeit determiniert, aber doch auch in derjenigen begrifflichen Allgemeinheit, daß sie in der Rechtsbildung dieses Volkes in diesem Zeitraum als beherrschende Grundanschauung nachgewiesen werden könnte, so wären es geschichtsphilosophische und psychologische Untersuchungen, welche im Gang der Entwicklung aus vorhandenen Bedingungen und Einflüssen den Eintritt dieser Wertschätzung und dann wieder ihren Übergang in eine andere begreiflich zu machen hätten. Die Spezialwillen aber, in welche dieser begrifflich allgemeine Wille sich gliedert, treten ein und erlöschen, sobald in der konkreten Gestaltung des Lebens, so oder so determiniert, die allgemeinen Merkmale des Gewollten wahrnehmbar werden oder verschwinden.

Zu diesen Determinationen, in welchen das generell Gewollte gefunden wird, gehört nun auch dies, daß unter gewissen Umständen an die Willenserklärung eines oder mehrerer Einzelner bestimmte Wirkungen geknüpft sind, im Rechtsgeschäft, spezieller im Vertrag. Diese Dinge, Rechtsgeschäft, Vertrag, bestehen in nichts anderem oder sind nichts anderes als die durch Kausalität jenes, des einen Rechtswillens, gestiftete Einheit, in welcher die Willenserklärung Einzelner mit den und den Wirkungen unfehlbar verknüpft ist. Die Existenz der Obligation [Verpflichtung - wp], nach welcher gefragt worden ist, ist somit identisch mit der oben erklärten Existenz eines Willens, natürlich nicht jedes Willens, sondern jenes einen, der = Recht gesetzt wurde, welcher zu seinem Inhalt hat, daß der Obligierte das und das leistet. Aus welchem Motiv und aufgrund welcher äußeren Veranlassung er dies will, ist zwar sehr wichtig zu wissen, gehört aber nicht zum Begriff der Existenz. Ob eine und welche Obligation existiert, kann man nur wissen, wenn man diesen Willen oder vielmehr die Wertschätzung, aus welcher er unabwendbar fließt, kennt; wenn aber aus dieser der Eintritt eines solchen Spezialwillens aufgrund der vorhandenen Sachlage in concreto erkannt ist, so ist der Begriff der "Existenz" solcher Obligationen identisch mit der Existenz dieses Willens. Damit verträgt es sich sehr gut, daß, die naturgesetzliche Zuverlässigkeit jenes Willens, der die Verpflichtung an bestimmte Umstände und Bedingungen geknüpft hat, vorausgesetzt, der Eintritt dieser Umstände und Bedingungen als Ursache der nunmehr sofort ins Leben tretenden Obligationen, d. h. jenes Spezialwillens bezeichnet wird. Der erkennende Richter spricht das Urteil aus: weil jene Bedingungen eingetreten sind, ist auch die Wirkung eingetreten. Der Eintritt jenes Spezialwillens hier und jetzt hängt von den Ereignissen hier und jetzt ab, aber die Anknüpfung der Wirkung an diese Ereignisse, in begrifflicher Allgemeinheit, wo und wann auch immer sie eintreten mögen, ist Sache jenes einen Willens (der als das Recht selbst bezeichnet wurde), welcher, wie aller Wille, naturnotwendig vom Motiv, das ist der Wertschätzung abhängt. Daß diese nicht wiederum als eine willkürliche, launenhafte gedacht werden darf, sondern eben im Wesen der abgeschätzten Dinge und im Wesen des Wertschätzenden begründet sein muß, ist wiederum eine andere Sache. Darüber habe ich das Nötige in der Grundlegung meiner "Grundzüge etc." gesagt. War die Existenz der Obligation nur die des Willens, in welchem die Leistungspflicht bestand, so schließt der Begriff des Vertrages und des Rechtsgeschäfts das konkrete Ereignis (d. h. Willenserklärung eines oder mehrerer Einzelner) ein, an welches der Rechtswille die gedachten Wirkungen geknüpft hat. Sein Bestand oder seine Existenz ist also die jenes Ereignisses mit der spezifischen Bestimmung, daß es durch den Rechtswillen mit jener Rechtswirkung verknüpft ist. Der Eintritt des gedachten Ereignisses ist also eo ipso [schlechthin - wp] der Anfang oder die Entstehung des Ganzen, d. h. des Ereignisses mit der an dasselbe geknüpften Rechtswirkung. Darin hat also ZITELMANN ganz Recht, daß die Errichtung des Rechtsgeschäfts mit dem Rechtsgeschäft zusammenfällt, wie auch die Schließung eines Vertrages mit dem Vertrag und ebenso die Lösung oder Aufhebung einer Verbindlichkeit mit der Leistung oder Erfüllung. Daß es noch andere Arten der Lösung geben kann, ist dabei irrelevant; jedenfalls ist bei dieser Art der Lösung das Lösen selbst nicht begrifflich als ein anderer Akt von der Erfüllung oder Leistung zu unterscheiden. Wenn auch der gesunde Verstand oft trotz falscher Prämissen das richtige Resultat sieht und anerkennt, so müssen doch im Interesse der Theorie die richtigen Gründe gefunden werden, widrigenfalls dennoch der Konflikt zu neuen Irrtümern führt. Der richtige und einzige Grund nun ist die oben dargelegte Natur der Ereignisse (bzw. Zustände), als Zeitdinge und die Natur der Verbalbegriffe. Ausführlich habe ich die hier in Betracht kommenden Verhältnisse in der "Erkenntnistheoretischen Logik", Seite 474f und Seite 529-547 erörtert.

Sehen wir vom Bildlichen im Errichten und Lösen oder Aufheben und dgl. ab, so bezeichnet es nur zeitlich einen Anfang und ein Ende, d. h. das erste und letzte Glied oder Ereignis, welche durch die Kausalität des Willens zum Ganzen des einen Ereignisses oder (Zeit)Dinges verbunden sind. Mit dem Eintritt des ersten fängt es also eo ipso zu existieren an und mit dem Eintritt des letzten hört es eo ipso zu existieren auf, sowie der Fall stattzufinden oder zu sein aufhört, sobald der fallende Körper eine Unterlage gefunden hat, und der Wille, dessen Inhalt die Erreichung eines Gegenstandes war, mit der Erreichung desselben eo ipso zu sein aufhört. Nun bestehen diese Ereignisse eben in einem Tun und unterscheiden sich von diesem nur durch die logische Auffassung, welche sachlich ein und dasselbe erst als Veränderung eines Subjekts unter den Allgemeinbegriff einer Tätigkeit stellt (siehe die Erklärung des Verbalbegriffs und der Tätigkeit in "Erkenntnistheoretische Logik", Seite 496-518 und Seite 529f.) und dann als bestimmte Zeiterfüllung nach seinem inneren Zusammenhang als das Ganze eines Einzeldings hinstellt, welches dann, durch jene Tätigkeit hervorgebracht, ihr Objekt wird. Am evidentesten zeigt sich das, wenn wirklich dieselbe Tätigkeit durch denselben Stamm in Verbum und Objekt bezeichnet wird, einen Kampf kämfen und vieles dergleichen. Die Sache bleibt nun logisch ganz dieselbe, wenn man statt dieses Verbums gleich den allgemeinsten Begriff von Tätigkeit setzt, einen Trunk tun, ein Spielchen, ein Tänzchen machen, oder nur eine allgemeinere Bezeichnung, welche Nebenbeziehungen mannigfacher Art in sich aufnehmen kann, eine Rede halten, eine Frage stellen, eine Antwort geben und so auch ein Rechtsgeschäft errichten, einen Vertrag schließen. Ganz ähnlich ist es, wenn das Verbum die eigentliche Tätigkeit selbst nennt, aus welcher das Objekt besteht, im Namen des letzteren aber eine Spezialität dieser Tätigkeit bezeichnet ist, Walzer tanzen und vieles dgl.

2. Endlich müssen diese Begriffe, deren Dingcharakter Bedenken veranlaßt hatte, auch von dem Verdacht befreit werden, daß sie eigentlich nur innerseelische Existenzen sind, welchen somit diejenige Realität und Objektivität abgeht, ohne welche wir unser Recht nicht zu denken vermögen und können. Die verlangte Objektivität wird in doppelter Beziehung nachzuweisen sein.

Zunächst ist zu konstatieren: die Einheit, welche den Dingcharakter ausmacht, finden die Ereigenisse, welche dem Rechtsleben angehören, in einem Willen, welcher die unterscheidbaren Einzelnen zu einer Einheit verbindet, und den Rechtscharakter haben sie gleichfalls nur durch diesen Willen, d. h. als von ihm gewollte. Andererseits wurde dieser Wille auch schon selbst als das Recht oder als das Ding selbst, welches das Recht genannt wird, dargestellt. Wenn schon durch die erstere Angabe, so wird erst recht durch letztere das Recht zu einem "bloß subjektiven" Gebilde gemacht zu sein scheinen. Dieser Schein ist nun näher zu untersuchen. Wenn man nicht selbst den Rechtscharakter mit Augen zu sehen und mit Händen fassen zu können meint, also zu den Bestandteilen der Erscheinungen rechnet, und wenn man nicht "die Normen" wie begriffslose Entitäten aus dem Nichts auftauchen und in der Luft schweben läßt, so sind es lauter rein philosophische Lehren aus der Erkenntnistheorie und Logik und aus der Psychologie, welche einzig und allein imstande sind, dem Bedürfnis, die *objektive Existenz und Geltung der verhandelten Dinge erklärt zu sehen, genügen können.

Da ist also das spezielle Interesse der Rechtswissenschaft direkt von der ganz allgemeinen Frage abhängig: was ist oder was heißt subjektiv und was objektiv? Wie könnte ohne Einsicht in den Inhalt dieser Begriffe die trennende Grenze gefunden und präzisiert werden? Und da bin ich eben in einer nicht geringen Verlegenheit, da ich die eben als entscheidend bezeichneten Lehren natürlich hier nur andeuten, nicht in der allein überzeugenden und alle Bedenken und Einwände beseitigenden Ausführlichkeit darstellen kann.

Die gemeine Lehre von der Seele setzt diese allen anderen Dingen gegenüber, trennt sie durch eine Scheidewand von ihnen und erklärt ausdrücklich durch die Anwendung der der Raumanschauung angehörigen und im eigentlichen Sinne behaupteten Bestimmungen, die geistigen Vorgänge des Denkens, Fühlens und Wollens, seien innerhalb, die Dinge aber seien außerhalb der Seele. Wenn nun diese Dinge die Objekte der genannten geistigen Tätigkeiten sind, und wenn, - was ich recht eingehend und ausführlich zu überlegen bitte - diese Tätigkeiten ohne Objekt rein abstrakt begriffliche Momente von dem einen Ganzen, d. h. dem gedachten, gefühlten und gewollten Ding sind, also ohn Objekt auch inner der Seelenmonas gar nicht die verlangte psychisch-wirkliche Existenz haben können, so entsteht die unlösbare Schwierigkeit, nicht nur für die Erkenntnistheorie, sondern auch für das Fühlen und Wollen, wie denn eigentlich diese Tätigkeiten zu ihrem Objekt kommen können!

Sie können gar nicht zu ihm kommen. Und so bleibt nichts anderes übrig, als entweder dies, als ihr wirkliches Objekt, ohne welches sie ja nicht existieren können, auch nur innerseelische Gebilde, wie die rein subjektiven Empfindungen, auchn ur psychische Regungen, als Korrelate zu den äußeren Dingen anzunehmen, oder jene Grenzlinie zwischen Seele und Außendingen aufzuheben. Im ersteren Fall handelt es sich dann bekanntlich um die unlösbare Schwierigkeit den Begriff der Erkenntnis der wirklichen, das soll heißen, der Außenwelt klar festzuhalten und das Verhältnis zwischen den äußeren Dingen und den innerseelischen Korrelaten zu erklären. Wie dreist jemand nun auch in seinen Behauptungen über diese Dinge, von denen er nichts wissen kann und deren Begriff völlig leer, d. h. ein Unbegriff ist, sein mag, er kann doch aus dem krassesten Subjektivismus nicht herauskommen, was ich in der Logik bewiesen zu haben glaube. Es bleibt also nichts anderes übrig, als jene Grenzlinie aufzuheben, und das ist keine neue Annahme statt der alten, ist keine Hypothese, zu der wir gedrängt wären, um eine verlangte Erklärung zu ermöglichen, sondern ganz im Gegenteil: es ist bloß die Beseitigung einer mißverständlichen Hypothese, an deren Stelle der reine Tatbestand gesetzt wird, welcher, unbefangen aufgefaßt, gar keine Veranlassung zu jenen Annahmen bietet. Die Welt der objektiven wirklichen Dinge ist ihrem ganzen Begriff nach Bewußtseinsinhalt, bestehend aus demjenigen, was als Gegebenes bezeichnet werden kann, d. h. dem räumlich und zeitlich bestimmten (also schon lokalisierten) Empfindungsinhalt und der ganzen Reihe von Beziehungen und Zusammenhängen, welche das Denken an diesem Objekt stiftet und es dadurch zu Dingen mit ihren Eigenschaften macht. Nur so ist eine objektive Erkenntnis möglich. Und an eben dieser Objektivität partizipieren Gefühl und Wille. Wenn sich jemand mit dem oben dargestellten Subjektivismus befriedigen kann und die innerseelischen Zustände, welche allein Objekt seines Denkens sind, statt des objektiven Gegebenen anzunehmen oder sie für objektiv zu halten sich entschließt, so ist das Verhältnis von Fühlen und Wollen zu diesen, auf welches es hier ankommt, natürlich ganz dasselbe. Nur im Fall, daß durch eine Kette von Geheimnissen und Widersprüchen die Denkarbeit an den innerseelischen Zuständen des Empfindens als Erkenntnis jener außerseelischen Dinge gedeutet wird, Gefühl und Wille aber als unzweifelhaft nur subjektive Regungen innerhalb der Seele vor sich gehen, ist der Zusammenhang, auf welchen es uns ankommt, unrettbar verloren.

Dieser Zusammenhang ist, vorbehaltlich der Unterscheidung des nur Individuellen vom Allgemeingültigen, welche ich nachtragen werde, sehr einfach, und man pflegt ihn trotz seiner Einfachheit und Selbstverständlichkeit deshalb zu übersehen, weil es die Unart des philosophisch ungeschulten Denkens ist, stets entweder über der Abstraktion, wenn sie sich leicht und unabweisbar anbietet, den realen Zusammenhang, oder über dem realen Zusammenhang, wenn er recht anschaulich im Vordergrund steht, die Möglichkeit und die Bedeutung der Abstraktion zu übersehen. In Wahrheit sind die drei Äußerungsweisen des Seelenlebens Denken, Fühlen und Wollen Abstraktionen, abstrakte Momente des einen Ganzen, welches gerade den Inhalt unseres Bewußtseins ausmacht. Wenn man ernsthaft erwägt, was absolute Gleichgültigkeit und Willenlosigkeit heißt, so läßt sich schnell begreifen, daß die bloße Erkenntnis nur ein Moment des seelischen Geschehens bedeutet, welches für sich allein nicht existieren kann. Was auch immer erkennbar die Welt erfüllt, es ist - wenn auch nicht für sich, sondern als Glied eines größeren Ganzen bedingend und mitwirkend - Gegenstand der Lust und Unlust, diese natürlich so vielfach und verschieden gedacht, wie die Dinge sind, welche Beifall oder Mißfallen erregen können.

Ich mache auf die ursprüngliche, absolute, zum Wesen der Sache gehörige, innere Notwendigkeit aufmerksam, mit welcher einerseits der Wille aus der Wertschätzung hervorgeht, und weder gewollt noch gefühlt werden kann ohne ein Etwas als Objekt, daß Wille und Gefühl ohne ein bestimmtes Objekt nur Gattungsbegriffe sind, wie Empfindung, und daß zu ihrer konkreten Existenz die Richtung auf etwas gehört, was als gut oder schlecht, schön oder häßlich und dgl. gefühlt und demnach unfehlbar - wenn eben nicht etwa verschiedene gefühlte Werte konkurrieren und eine Abwägung veranlassen - gewollt oder nicht gewollt wird, und daß andererseits aller Bewußtseinsinhalt, eben als solcher in Gefühl und Willen aufgenommen, nur in diesem Medium für das Ich eine konkrete Existenz hat. Das bloß aus den Sinnesdaten und den logischen Beziehungen bestehende Ding, völlig abgelöst von unserem Fühlen und Wollen, ist mitnichten das wirkliche Ding, sondern eine Abstraktion, welche zwar sehr nahe liegt und ihren großen Wert hat, gewiß nicht unaufgeführt bleiben darf, aber doch auch als solche erkannt sein will. Denn sie ist das Ding, wie es noch nicht ins Innere des Denkenden aufgenommen ist, abgelöst von denjenigen Wirkungen, welche es mit absoluter Notwendigkeit aus seiner eigenen Natur und aus der Natur des Subjekts auf dieses ausübt. Diese Wirkungen gehören zu seinem Wesen, und es ist ohne sie nur halb gedacht, und ins Innere aufgenommen zu sein und da seinen Platz zu erhalten, gehört zum Begriff des Seins. Wenn sich unser Interesse also ausschließlich auf die theoretische Erkenntnis des Laufes der Dinge richtet, so kann und soll von ihrer Beziehung auf unser Gefühl, d. h. von ihrem Wert abstrahiert werden, aber, weil letzteres so oft geschehen muß und sich so leicht macht, ist doch nicht, sobald es andererseits auf ihren Wert ankommt, zu übersehen, daß ihre Beziehung auf unser Gefühl, d. h. daß ihr Wert wesentlich zu ihnen gehört und keineswegs für sie etwas Zufälliges ist. Meine Lehre vom Wert und vom Gefühl widerspricht der gemeinen Auffassung doppelt; sie weist nach, daß aller Wert der Dinge ausschließlich in einem Gefühl besteht, welches sie in uns notwendig hervorrufen, und weist ferner nach, daß und wie trotzdem dies eben ihre eigene wesentliche Eigenschaft ist, sie selbst Inhaber und Träger dieses Wertes sind. Wie verschieden nun auch diese Prädikate, bzw. Eigenschaften des Dinges von jenen sein mögen, welche seine Erscheinung ausmachen, und mit wieviel oben schon anerkanntem Recht man auch in einem rein theoretischen Interessen den Begriff desselben von seinen Beziehungen auf unser Fühlen und Wollen absondern und demnach behaupten mag, daß ihm unser Lieben und Hassen, Wollen und Nichtwollen, sowie ja auch unser Ansehen und unser Denken - in der Tat eine höchst belehrende Parallele - direkt aus und durch sich selbst nichts antut, keine Spur an ihnen hinterläßt, also seinen Begriff nicht bereichert, so ist doch eben dieser Begriff von ihm nicht der von einem Ding in seiner ganzen Existenz; denn dies jedenfalls, wenns auch nicht neben den anderen, den sinnfälligen Eigenschaften wie eine von ihnen zu sehen ist, bewirkt das Empfindungen und Denken des Dings und so auch das Fühlen und Wollen desselben, wie überhaupt das Sich-seiner-bewußtsein, daß es ist, d. h. unser Bewußtseinsinhalt ist, der es eben sonst nicht sein könnte. Wenn man also nur die Vorstellung von der Scheidewand, welche die Seele räumlich von den Dingen, d. h. den logisch bearbeiteten Sinnesdaten oder Empfindungsinhalten abtrennt, beiseite läßt, so werden auch die in ihrer Wesentlichkeit dargestellten Eigenschaften der Dinge, daß sie gut oder schlecht, schön oder häßlich sind, an der Objektivität und Wirklichkeit dieser Dinge partizipieren. Und wenn nun von einem bestimmten Standpunkt aus die Dinge und Ereignisse, Zustände und Verhältnisse gerade nach ihren Werten - sei es in welcher Beziehung auch immer der Wert näher bestimmt sein mag - eingeteilt und bezeichnet werden, als Güter oder Übel, gewollte oder nicht gewollte, d. h. sein sollende oder nicht sein sollende, so wird niemand mehr zweifeln, daß diese Dinge nicht bloß innerseelische Gebilde sind, sondern eine objektive Existenz haben. Nun unterscheidet sich aber das gewollte Ding oder Ereignis von einem Wollen desselben geradeso wie das gedachte Ding vom Denken des Dings. Kein Effekt des Denkens und Wollens, der auch nach vollbrachter Tätigkeit als ein begrifflich von dieser wohl unterscheidbares und wahrnehmbares Merkmal am Ding zurückbleibt, ist das Gedacht- und Gewolltsein desselben, so wie sich das Geschwärztsein vom Schwärzen, das Gestochensein vom Stechen unterscheidet; die relative Wirkungslosigkeit jener psychischen Tätigkeiten haben wir ja schon erkannt. Das Gedacht- und Gewolltsein der Dinge unterscheidet sich also vom Objektsein des Denkens und Wollens oder vom Denken und Wollen derselben sachlich gar nicht. Nur der Ausdruck läßt unter der Infinitivform "Denken" und "Wollen" und noch mehr unter der Substantivform "Wille" das abstrakt Allgemeine oder gar das hypostasierte [vergegenständlichte - wp] Vermögen denken und setzt die gemeinte Sache aus diesem und dem konkreten Objekt zusammen. Aber wir haben es mit dieser gemeinten Sache zu tun; wir meinen den bestimmten Willensakt, welcher nicht ohne Objekt ist. Wir werden uns ja des Wollens, so wenig wie des Denkens als einer Tätigkeit bewußt, welche schon vorher, ehe sie ihr Objekt trifft, gewissermaßen auf dem Übergang vom Subjekt zum Objekt eine Art Existenz hat, wie z. B. die Bewegung der Hand noch ehe sie das Ding trifft. Also ist faktisch nur ein Unterschied in der Bezeichnungsweise vorhanden, indem das einemal diese, das anderemal jene Seite der Sache zuerst genannt und dann durch die andere determiniert wird; in der Sache selbst ist das gewollte Ding und das konkrete Wollen des Dings oder mit anderen Worten: der konkrete Willensakt, welcher es will, ganz dasselbe, letzterer also von derselben Objektivität, wie die gewollte Sache, das gewollte Gut.

Man wird freilich bei dem Wort Willensakt immer wieder nur an ein innerseelisches Ereignis denken wollen; aber ich versuche eben die alten Begriffe zu korrigieren. Daß eine solche Begriffsberichtigung der eingewurzelten Gewöhnung gegenüber machtlos ist, weiß ich allerdings, aber wenn man für eine gute Sache zu streiten überzeugt ist, so darf man sich durch schlechte Aussichten in Bezug auf den Erfolg nicht abhalten lassen. Und so lohnt es mir doch, dem erwarteten Einwand gegenüber noch einmal darauf hinzuweisen, daß man über dieser sehr zuverlässigen, zuweilen unentbehrlichen, leichten und gewöhnten Abstraktion oder Trennung der beiden Momente ihren allerrealsten Zusammenhang nicht vergessen darf, wenn es gerade auf diesen ankommt, und daß der rein subjektive Willensakt ohne sein Objekt auch kein psychisches Konkretum ist, sondern eine bloße Abstraktion, welche unter Beihilfe des Begriffs von der Seelensubstanz mit ihrer räumlichen Abscheidung von den anderen Substanzen verselbständigt worden ist, daß er ohne Determination durch ein Objekt so wenig konkrete Existenz hat, wie das Empfinden, das weder Sehen, noch Hören, noch irgendeine Spezies von Empfinden, oder das Sehen, welches Sehen gar nichts wäre.

Wenn man also auch die Dinge unter Abstraktion von ihrem Zusammenhang mit dem Gefühl und dem Willen des Subjektes denken kann, und diese ihre Existenz sich von der anderen, wenn sie in jenem Zusammenhang gedacht werden, unterscheidet, so folgt doch nicht, daß sie als vom Gefühl geschätzte und gewollte oder nicht gewollte keine objektive Existenz hätten. Freilich kommt es darauf an, was man unter objektiv im Gegensatz zu subjektiv, versteht. Die gemeine Unterscheidung ist unklar, so unklar, wie der Seelenbegriff. Aber ich kenne eine Unterscheidung, welche geeignet ist, den Bedenken, welche bisher meiner Ausführung noch entgegengestanden haben mögen, völlig Genüge zu tun.

Ich habe immer nur von "dem Subjekt" gesprochen, als wäre nur eines da; wirklich habe ich die Vielheit derselben ignoriert und meine ganze Auseinandersetzung gründet sich nur auf die bloßen Begriffe des Subjekts in einem erkenntnistheoretischen Sinn und des Objekts. Wenn wir nun aber erwägen, daß es viele erkennende, fühlende und wollende Subjekte gibt, so wird auch, wodurch sie sich voneinander unterscheiden und wie denn Übereinstimmung verlangt, bzw. erwartet werden kann, zur Sprache kommen müssen. Ich kann diese Untersuchung hier nicht wiederholen und nur das Ergebnis kurz andeuten.

Was sie gemeinschaftlich haben, ist eben das Subjekt- oder das Ichsein selbst oder mit anderen Worten: das Bewußtsein als solches, nicht ohne Inhalt gedacht aber doch unter völliger Abstraktion von allen Besonderheiten und mit ihnen von allen möglichen Verschiedenheiten seines Inhalts. Dieses Bewußtsein ist ein Abstraktum; ein konkretes Bewußtsein, oder, was hier gleichbedeutend ist, ein konkretes Ich muß in einem konkreten Bewußtseinsinhalt erwachen, in einem konkreten Leib, jetzt, hier. In einem Bewußtsein als solchem liegen die Bedingungen allen Bewußtseinsinhaltes, aus ihm folgt das, was wir eine kategoriale Funktion oder Norm des Denkens nennen, deren Charakter als Norm oder deren Allgemeingültigkeit eben darin liegt, daß sie dem Bewußtsein selbst als solchem angehört. Auch sie ist natürlich ein Abstraktum. Konkretes Denken und Empfinden hat einen konkreten Inhalt, und welches jedesmal dieser Inhalt ist und wie beschaffen er ist, hängt von Bedingungen ab, welche eben in der Konkretion liegen, nämlich der ganz bestimmten Beschaffenheit des Leibes, in dem es erwacht und allen Einflüssen der Umgebung und Erziehung und der Schicksale, welche doch klar davon abhängen, daß das Individuum gerade an diesem Ort und in dieser Zeit geboren worden ist und sich entwickeln mußte. Die Bedingungen unter welchen die Entwicklung steht, in meinem "Grundzügen etc." Seite 166-180 auseinandergesetzt. Die ganze Besonderheit seines Vorstellungsschatzes, die Grenzen desselben, die eigentümliche Unvollständigkeit und Unvollkommenheit seiner Begriffe, die eigentümlichen Assoziationen, welche sich in ihm befestigt haben und seine Auffassungen beherrschen, das ist das Subjektive, in Verquickung mit welchem die Norm des Denkens, d. h. das Denken selbst als solches eine konkrete Existenz hat. Die Wirksamkeit des Abstrakten im Konkreten, welche gewiß bezweifelt werden wird, läßt sich sehr gut nach einer Analogie der Vorgänge in der äußeren Natur denken. In der konkreten Wirkung eines fallenden oder geworfenen Steines läßt sich wohl unterscheiden, was auf Rechnung eines abstrakt allgemeinen Gesetzes dieser Ortsveränderung und was auf Rechnung der konkreten Beschaffenheit, Größe, Gestalt und Härtegrad des Körpers zu setzen ist. Und ebenso wird sich in den organischen Bildungen, wenn auch natürlich nur abstrahendo unterscheiden lassen, was dem Gesetz der Animalität überhaupt, was dem der Gattung und was dem der Spezies, welcher das werdende Individuum angehört, und was den konkreten Bedingungen, unter denen es entsteht, zuzurechnen ist. Und wenn nun in der intellektuellen Betätigung dieser Ursprung oder dieser Charakter der objektiven Norm im Ganzen ziemlich anerkannt ist, kann, ja muß nicht ebenso eine Wertschätzung und aus ihr fließend ein Wollen schon im Bewußtsein selbst als solchem liegen, welches natürlich unter den Bedingungen der Konkretion in concreto ebenso oft behindert, modifiziert, abgelenkt und mit aller Beschränktheit, die das Subjektive ausmacht, verquickt sein muß, wie die Gedanken? Hier findet auch die obige Behauptung, daß der Gefühlseffekt, den ein Ding auf das Subjekt hervorbringt, als sein, des Dinges, Wert bzw. Unwert nicht zu seinen zufälligen, sondern zu seinen wesentlichen Eigenheiten gehört, seine Einschränkung. Nur dann nämlich gehört dieser Wert zu seinen wesentlichen Merkmalen, wenn er nicht von der individuellen subjektiven Geschmacksrichtung des Fühlenden abhängt, sondern nur, wenn diese Gefühlsweise notwendig aus dem Gattungscharakter des letzteren hervorgeht, sei es dem des Menschen- bzw. Tierleibes, sei es dem des Menschen als eines bewußten Wesens. Mag dann die auf letzterem beruhende Wertschätzung und der ihr entsprechende Wille auch noch so oft zu fehlen scheinen oder gänzlich depraviert [entartet - wp] und bis zur Unkenntlichkeit entstellt zu sein, er wird sich, wenn nur der genannte Ursprung nachweisbar ist, nicht aufhören als objektiv gültig oder als Norm immer und immer wieder aufzudrängen. Da haben wir im Gegensatz zu allem nur subjektiven Fühlen und Wollen ein objektives, welches in diesem Sinn als Norm anerkannt wird. Das Wort Norm erfreut sich gegenwärtig besonderer Gunst. Aber ich weiß nicht, welchen Vorteil es gewährt, wenn die Norm nicht in diesem Sinn als objektiv gültig gedacht wird. Wenn man sie nur als den Willen des Gesetzgebers auffaßt, so ist der Kernpunkt der Frage nur zurückgeschoben, der nämlich: wie denn und mit welchem Recht jemand einem anderen ein sogenanntes Gesetz geben kann. Ist er nur der Machthaber, ist er nur der zufällige Konsens einer Majorität, so kann ich von einem Recht der Gesetzgebung und einer Pflicht der Unterwerfung nichts entdecken. Soll er aber kein zufälliger Konsens der Majorität, sondern ein notwendiger sein, so wird diese Notwendigkeit aufzuweisen sein und ich glaube sie als im Begriff und Wesen des Bewußtseins liegende dargelegt zu haben. Jedenfalls ist die Norm, als der notwendig aus einer objektiv-gültigen Wertschätzung hervorgehende Wille zu denken. Sie, wie ein Gebot, das niemand gibt, in der Luft schweben zu lassen, ist ein Gedanke, der mir gänzlich unzugänglich ist. Alles Sollen ist ein Gewolltwerden und der Wille muß jemandes Wille sein. Wessen Wille die Norm einzig sein kann, ist eben gesagt worden. (Neben meinen "Grundzügen etc." vgl. auch den kleinen Aufsatz "Ethische Standpunkte" in SCHMOLLERs "Jahrbuch für Gesetzgebung etc.", Bd. VI, Seite 4-9).

Gegenüber steht diesem Willen derjenige, der auf einer Wertschätzung beruth, welche dem Individuum eigentümlich ist, d. h. zu den individuellen Differenzen und Geschmacksrichtungen gehört. In jenem Willen läßt sich vielleicht eine Mehrheit von Wertschätzungen bzw. Standpunkten für die Wertschätzung unterscheiden, welche trotz ihrer Unterscheidbarkeit doch gleichen Ursprungs und somit von gleicher objektiver Gültigkeit sind. Ich nenne die beiden, die hier allein in Betracht kommen können, das Sittengesetz und das Recht. Den Standpunkt der Wertschätzung für das letztere und ihr entsprechend das Gewollte sive [oder - wp] Seinsollende in genere zu präzisieren, so daß alle einzelnen Rechtssätze nur Determinationen des einen Gewollten mit seinen Konsequenzen sind, und alle Verschiedenheiten der Rechte je nach Ort und Zeit als Auffassungsweisen des einen Wertvollen, welche je nach den Bedingungen der Entwicklung und der erreichten Stufe sich so oder so gestalten mußten, sich begreifen lassen, ist Aufgabe der Rechtsphilosophie, ist die spezifische Differenz im Begriff des Rechts, deren begrifflicher Ort nunmehr, was der Zweck dieser Blätter war, aufgezeigt worden ist.
LITERATUR: Wilhelm Schuppe, Der Begriff des Rechts, Zeitschrift für das Privat- und öffentliche Recht, Bd. 10, Wien 1883