JäscheSteckelmacherJerusalem | ||||
Die falsche Spitzfindigkeit der vier syllogistischen Figuren) [1762]
§ 1. Allgemeiner Begriff von der Natur der Vernunftschlüsse Was ein Merkmal vom Merkmal eines Dings ist, das nennt man ein mittelbares Merkmal desselben. So ist notwendig ein unmittelbares Merkmal Gottes, unveränderlich aber ein Merkmal des Notwendigen und ein mittelbares Merkmal Gottes. Man sieht leicht: daß das unmittelbare Merkmal zwischen dem entfernten und der Sache selbst die Stelle eines Zwischenmerkmals (nota intermedia) vertritt, weil nur durch dasselbe das entfernte Merkmal mit der Sache selbst verglichen wird. Man kann aber auch ein Merkmal mit einer Sache durch ein Zwischenmerkmal verneinend vergleichen dadurch, daß man erkennt, daß etwas dem unmittelbaren Merkmal einer Sache widerstreitet. Zufällig widerstreitet als ein Merkmal dem Notwendigen; notwendig aber ist ein Merkmal von Gott; und man erkennt so mittels eines Zwischenmerkmals, daß zufälligsein Gott widerspricht. Nunmehr errichte ich meine Realerklärung von einem Vernunftschluß. Ein jedes Urteil durch ein mittelbares Merkmal ist ein Vernunftschluß, oder mit anderen Worten: es ist die Vergleichung eines Merkmals mit einer Sache mittels eines Zwischenmerkmals. Dieses Zwischenmerkmal (nota intermedia) in einem Vernunftschluß heißt auch sonst der mittlere Hauptbegriff (terminus medius); welches die andern Hauptbegriffe sind, ist genugsam bekannt. Um die Beziehung des Merkmals zur Sache im Urteil, die menschliche Seele ist ein Geist, deutlich zu erkennen, bediene ich mich des Zwischenmerkmals vernünftig, so daß ich mittels desselben, ein Geist zu sein, als ein mittelbares Merkmal der menschlichen Seele ansehe. Es müssen notwendnig hier drei Urteile vorkommen, nämlich:
2) vernünftig ist ein Merkmal der menschlichen Seele, 3) ein Geist sein ist ein Merkmal der menschlichen Seele, aller Vernunftschlüsse Aus dem Angeführten erkennt man, daß die erste und allgemeine Regel aller bejahenden Vernunftschlüsse sein soll: ein Merkmal vom Merkmal ist ein Merkmal der Sache selbst (nota notae est etiam nota rei ipsius); von allen verneinenden: was dem Merkmal eines Dings widerspricht, widerspricht dem Ding selbst (repugnans notae repugnat rei ipsi). Keine dieser Regeln ist ferner eines Beweises fähig. Denn ein Beweis ist nur durch einen oder mehr Vernunftschlüsse möglich, die oberste Formel aller Vernunftschlüsse demnach beweisen wollen, würde heißen im Zirkel schließen. Allein daß diese Regeln den allgemeinen und letzten Grund aller vernünftigen Schlußart enthalten, erhellt sich daraus, weil diejenige, die sonst bis daher von allen Logikern für die erste Regel aller Vernunftschlüsse gehalten worden ist, den einzigen Grund ihrer Wahrheit aus den unsrigen entlehnen müssen. Das dictum de omnis [von Allem und Nichts - wp], der oberste Grund aller bejahenden Vernunftschlüse lautet also: was von einem Begriff allgemein bejaht wird, wird auch von einem jeden bejaht, der unter ihm enthalten ist. Der Beweisgrund hiervon ist klar. Derjenige Begriff, unter welchem andere enthalten sind, ist allemal als ein Merkmal von diesen abgesondert worden; was nun diesem Begriff zukommt, das ist ein Merkmal eines Merkmals, folglich auch ein Merkmal der Sachen selbst, von denen er abgesondert worden ist, d. h. er kommt den niedrigen zu, die unter ihm enthalten sind. Ein jeder, der nur einigermaßen in logischen Kenntnissen unterwiesen ist, sieht leicht ein: daß dieses dictum lediglich um dieses Grundes willen wahr ist und daß es also unter unserer ersten Regel steht. Das dictum de nullo steht in eben einem solchen Verhältnis gegen unsere zweite Regel. Was von einem Begriff allgemein verneint wird, das wird auch von all demjenigen verneint, was unter demselben enthalten ist. Denn derjenige Begriff, unter welchem diese anderen enthalten sind, ist nur ein von ihnen abgesondertes Merkmal. Was aber diesem Merkmal widerspricht, das widerspricht auch den Sachen selbst; folglich, was den höheren Begriffen widerspricht, muß auch den niedrigen widerstreiten, die unter ihm stehen. Vernunftschlüssen. Es ist Jedermann bekannt, daß es unmittelbare Schlüsse gibt, da aus einem Urteil die Wahrheit eines anderen ohne einen Mittelbegriff unmittelbar erkannt wird. Deswegen sind dergleichen Schlüsse auch keine Vernunftschlüsse; z. B. aus dem Satz: "eine jede Materie ist veränderlich", folgt geradezu: was nicht veränderlich ist, ist keine Materie. Die Logiker zählen verschiedene Arten solcher unmittelbarer Schlußfolgen, worunter ohne Zweifel die durch die logische Umkehrung, desgleichen durch die Kontraposition die vornehmsten sind. Wenn nun ein Vernunftschluß nur durch drei Sätze geschieht, nach den Regeln, die von jedem Vernunftschluß nur eben vorgetragen wurden, so nenne ich ihn einen reinen Vernunftschluß (ratiocinium purum), ist er aber nur möglich, indem mehr als drei Urteile miteinander verbunden sind, so ist er ein vermengter [vermischter - wp] Vernunftschluß (ratiocinium hybridum). Gesetzt nämlich, daß zwischen die drei Hauptsätze noch ein aus ihm gefolgter unmittelbarer Schluß geschoben werden muß und also ein Satz mehr dazu kommt, als ein reiner Vernunftschluß erlaubt, so ist es ein ratiocinium hybridum, z. B. es schlösse jemand so:
folglich ist kein Einfaches verweslich, die Seele des Menschen ist einfach, also ist die Seele des Menschen nicht verweslich; Wenn aber auch wirklich nur drei Urteile ausgedrückt würden, allein die Folge des Schlußsatzes aus diesen Urteilen wäre nur möglich kraft einer erlaubten logischen Umkehrung, Kontraposition oder einer anderen logischen Veränderung eines dieser Vorurteile, so wäre gleichwohl der Vernunftschluß ein ratiocinium hybridum; denn es kommt hier gar nicht darauf an, was man sagt, sondern was man unumgänglich nötig hat, dabei zu denken, wenn eine richtige Schlußfolge soll vorhanden sein. Nehmt einmal an, in dem Vernunftschluß:
die Seele des Menschen ist einfach, und allein reine Vernunftschlüsse möglich, in den drei übrigen lediglich vermischte. Wenn ein Vernunftschluß unmittelbar nach einer von unseren zwei oben angeführten Regeln geführt wird, so ist er jederzeit in der ersten Figur. Die erste Regel heißt also: ein Merkmal B von einem Merkmal C einer Sache A ist ein Merkmal der Sache A selbst. Hieraus entspringen drei Sätze:
A hat zum Merkmal C: - Die menschliche Seele (A) ist vernünftig (C), also hat A zum Merkmal B: also ist die menschliche Seele (A) ein Geist (B). als vermischte Vernunftschlüsse möglich. In der Regel der zweiten Figur ist diese: was dem Merkmal eines Dings widerspricht, das widerspricht dem Ding selbst. Dieser Satz ist nur darum wahr, weil dasjenige, dem ein Merkmal widerspricht, das widerspricht auch diesem Merkmal, was aber einem Merkmal widerspricht, das widerstreitet der Sache selbst; also dasjenige, dem ein Merkmal einer Sache widerspricht, widerstreitet der Sache selbst; also dasjenige, dem ein Merkmal einer Sache widerspricht, das widerstreitet der Sache selbst. Hier ist nun offenbar, daß bloß deswegen, weil ich den Obersatz als einen verneinenden Satz schlechthin umkehren kann, eine Schlußfolge mittels des Untersatzes auf die Konklusion möglich ist. Demnach muß diese Umkehrung dabei geheim gedacht werden, sonst schließen meine Sätze nicht. Der durch die Umkehrung herausgebrachte Satz aber ist eine eingeschobene unmittelbare Folge aus dem ersteren, und der Vernunftschluß hat vier Urteile, und ist ein ratiocinium hybridum, z. B. wenn ich sage:
alle Materie ist teilbar, folglich ist keine Materie ein Geist,
und daher nichts Teilbares ist ein Geist; alle Materie ist teilbar, folglich keine Materie ist ein Geist. vermischte Vernunftschlüsse möglich. Die Regel der dritten Figur ist folgende: was eine Sache zukommt oder widerspricht, das kommt auch zu oder widerspricht einigen, die unter einem anderen Merkmal dieser Sache enthalten sind. Dieser Satz selber ist nur darum wahr, weil ich das Urteil, in welchem gesagt wird, daß ein anderes Merkmal dieser Sache zukommt (per conversionem logicam) umkehren kann, wodurch es der Regel aller Vernunftschlüsse gemäßt wird. Es heißt z. B.
alle Menschen sind vernünftig: Also sind einige Vernünftige Sünder.
alle Menschen sind vernünftig; folglich sind eine Vernünftige Menschen, also sind einige Vernünftige Sünder. vermischte Vernunftschlüsse möglich. Die Schlußart in dieser Figur ist so unnatürlich, und gründet sich auf soe viele mögliche Zwischenschlüsse, die als eingeschoben gedacht werden müssen, daß die Regel, die ich davon allgemein vortragen könnte, sehr dunkel und unverständlich sein würde. Deswegen will ich nur sagen, um welcher Bedingungen willen eine Schlußkraft darin liegt. In den verneinenden Arten dieser Vernunftschlüsse ist darum, weil ich entweder durch logische Umkehrung oder Kontraposition die Stellen der Hauptbegriffe verändern, und also nach jedem Vordersatz seine unmittelbare Schlußfolge gedenken kann, so daß diese Schlußfolgen die Beziehung bekommen, die sie in einem Vernunftschluß nach der allgemeinen Regel überhaupt haben müssen, eine richtige Folgerung möglich. Von den bejahenden aber werde ich zeigen, daß sie in der vierten Figur gar nicht möglich sind. Der verneinende Vernunftschluß nach dieser Figur wird, wie er eigentlich gedacht werden muß, sich auf folgende Art darstellen:
folglich kein Gelehrter ist dumm. Einige Gelehrte sind fromm; folglich einige Fromme sind gelehrt, also einige Fromme sind nicht dumm.
alles Einfache ist unverweslich: also: einiges Unverweslich ist ein Geist.
alles Einfache ist unverweslich; also ist ein jeder Geist unverweslich, folglich ist einiges Unverwesliche ein Geist. Figuren ist eine falsche Spitzfindigkeit. Man kann nicht in Abrede stellen, daß in allen diesen vier Figuren richtig geschlossen werden kann. Nun ist aber unstreitig, daß sie alle, die erste ausgenommen, nur durch einen Umschweif und eingemengte Zwischenschlüsse die Folge bestimmen, und daß eben derselbe Schlußsatz aus dem nämlichen Mittelbegriff in der ersten Figur rein und unvermengt abfolgen würde. Hier könnte man nun denken, daß darum die drei anderen Figuren höchstens unnütz, nicht aber falsch wären. Allein wenn mann die Absicht erwägt, in der sie erfunden wurde, und noch immer vorgetragen werden, so wird man anders urteilen. Wenn es darauf ankäme, eine Menge von Schlüssen, die unter die Haupturteile gemengt wären, mit diesen so zu verwickeln, daß, indem einige ausgedrückt, andere verschwiegen würden, es viele Kunst kostet, ihre Übereinstimmung mit den Regeln zu schließen, zu beurteilen, so würde man wohl eben nicht mehr Figuren, aber doch mehr rätselhafte Schlüsse, die Kopfzerbrechens genug machen könnten, noch dazu ersinnen können. Es ist aber der Zweck der Logik, nicht zu verwickeln, sondern aufzulösen, nicht verdeckt, sondern augenscheinlich etwas vorzutragen. Daher sollen diese vier Schlußarten einfach, unvermengt, und ohne verdeckte Nebenschlüsse sein, sonst ist ihnen die Freiheit nicht zugestanden, in einem logischen Vortrag als Formeln der deutlichsten Vorstellung eines Vernunftschlusses zu erscheinen. Es ist auch gewiß, daß bis daher alle Logiker sie für einfache Vernunftschlüsse ohne notwendige Dazwischensetzung von anderen Urteilen angesehen haben, sonst würde ihnen niemals dieses Bürgerrecht erteilt worden sein. Es sind also die übrigen drei Schlußarten als Regeln der Vernunftschlüsse überhaupt richtig, als solche aber, die einen einfachen und reinen Schluß enthielten, falsch. Diese Unrichtigkeit, welche es zu einem Recht macht, Einsichten verwickeln zu dürfen, anstatt daß die Logik zu ihrem eigentümlichen Zweck hat, Alles auf die einfachste Erkenntnisart zu bringen, ist umso größer, je mehr besondere Regeln (deren eine jede Figur etliche eigene hat) nötig sind, um bei diesen Seitensprüngen sich nicht selbst ein Bein unterzuschlagen. In der Tat, wo jemals auf eine gänzlich unnütze Sache viel Scharfsinnigkeit verwandt und viel scheinbare Gelehrsamkeit verschwendet worden ist, so ist es diese. Die sogenannten Modi, die in jeder Figur möglich sind, durch seltsame Wörter angedeutet, die zugleich mit viel geheimer Kunst Buchstaben enthalten, welche die Verwandlung in die erste erleichtern, werden künftighin eine schätzbare Seltenheit von der Denkungsart des menschlichen Verstandes enthalten, wenn dereinst der ehrwürdige Rost des Altertums einer besser unterwiesenen Nachkommenschaft die emsigen und vergeblichen Bemühungen ihrer Vorfahren an diesen Überbleibseln wird bewundern und bedauern lehren. Es ist auch leicht, die erste Veranlassung zu dieser Spitzfindigkeit zu entdecken. Derjenige, der zuerst einen Syllogismus in drei Reihen übereinander schrieb, ihn wie ein Schachbrett ansah, und versuchte, was aus der Versetzung der Stellen des Mittelbegriffs herauskommen möchte, der war ebenso betroffen, da er gewahr wurde, daß ein vernünftiger Sinn herauskam, als einer, der ein Anagramm im Namen findet. Es war ebenso kindisch, sich über das eine wie über das andere zu erfreuen, da man nämlich darüber vergaß, daß man nichts Neues in Anbetracht der Deutlichkeit, sondern nur eine Vermehrung der Undeutlichkeit, aufbrächte. Allein es ist einmal das Los des menschlichen Verstandes so bewandt; entweder er ist grüblerisch und gerät auf Fratzen, oder hascht verwegen nach zu großen Gegenständen und baut Luftschlösser. Von dem großen Haufen der Denker wählt der eine die Zahl 666, der andere den Ursprung der Tiere und Pflanzen, oder die Geheimnisse der Vorsehung. Der Irrtum, darin beide geraten, ist von sehr verschiedenem Geschmack, so wie die Köpfe verschieden sind. Die wissenswürdigen Dinge häufen sich zu unseren Zeiten. Bald wird unsere Fähigkeit zu schwach, und unsere Lebenszeit zu kurz sein, nur den nützlichsten Teil daraus zu fassen. Es bieten sich Reichtümer im Überfluß dar, welche einzunehmen wir manchen unnützen Plunder wieder wegwerfen müssen. Es wäre besser gewesen, sich niemals damit zu belästigen. Ich würde mir zu sehr schmeicheln, wenn ich glaubte, daß die Arbeit von einigen Stunden vermögend sein wird, den Koloss umzustürzen, der sein Haupt in die Wolken des Altertums verbirgt, und dessen Füße von Ton sind. Meine Absicht ist nur, Rechenschaft zu geben, weswegen ich in dem logischen Vortrag, in welchem ich nicht Alles meiner Einsicht gemäß errichten kann, sondern Manches dem herrschenden Geschmack zu gefallen tun muß, in diesen Materien nur kurz sein werde, um die Zeit, die ich dabei gewinne, zur wirklichen Erweiterung nützlicher Einsichten zu verwenden. Es gibt noch eine gewisse andere Brauchbarkeit der Syllogistik, nämlich mittels ihrer in einem gelehrten Wortwechsel dem Unbehutsamen den Rang abzulaufen. Da dieses aber zur Athletik der Gelehrten gehört, einer Kunst, die sonst wohl sehr nützlich sein mag, nur daß sie nicht viel zum Vorteil der Wahrheit beiträgt, so übergehe ich sie hier mit Stillschweigen. Wir sind demnach belehrt, daß die obersten Regeln aller Vernunftschlüsse unmittelbar auf diejenige Ordnung der Begriffe führen, die man die erste Figur nennt, daß alle anderen Versetzungen des Mittelbegriffs nur eine richtige Schlußfolge geben, indem sie durch leichte unmittelbare Folgerungen auf solche Sätze führen, die in der einfältigen Ordnung der ersten Figur verknüpft sind, daß es unmöglich ist, in mehr als einer Figur einfach und unvermengt zu schließen, weil doch immer nur die erste Figur, die durch versteckte Folgerungen in einem Vernunftschluß verborgen liegt, die Schlußkraft enthält und die veränderte Stellung der Begriffe nur einen kleinen oder größeren Umschweif verursacht, den man zu durchlaufen hat, um die Folge einzusehen, und daß die Einteilung der Figuren überhaupt, insofern sie reine und mit keinen Zwischenurteilen vermischte Schlüsse enthalten sollen, falsch und unmöglich ist. Wie unsere allgemeinen Grundregeln aller Vernunftschlüsse zugleich die besonderen Regeln der sogenannten ersten Figur enthalten, desgleichen, wie man aus dem gegebenen Schlußsatz und dem mittleren Hauptbegriff sogleich einen jeden Vernunftschluß aus einer der übrigen Figuren ohne die unnütze Weitläufigkeit der Reduktionsformeln in die erste und einfache Schlußart verändern kann, so daß entweder die Konklusion selbst oder ein Satz, daraus diese durch unmittelbare Folgerung fließt, geschlossen wird, ist aus unserer Erläuterung so leicht abzunehmen, daß ich mich dabei nicht aufhalte. Ich will diese Betrachtung nicht endigen, ohne einige Anmerkungen beigefügt zu haben, die auch anderweitig von erheblichem Nutzen sein könnten. Ich sage demnach erstens: daß ein deutlicher Begriff nur durch ein Urteil, ein vollständiger aber nicht anders als durch einen Vernunftschluß möglich ist. Es wird nämlich zu einem deutlichen Begriff erfordert, daß ich etwas als ein Merkmal eines Dings klar erkenne, dieses aber ist ein Urteil. Um einen deutlichen Begriff vom Körper zu haben, stelle ich mir die Undurchdringlichkeit als ein Merkmal desselben klar vor. Diese Vorstellung aber ist nichts anderes als der Gedanke, ein Körper ist undurchdringlich. Hierbei ist nur zu merken, daß dieses Urteil nicht der deutliche Begriff selbst, sondern die Handlung ist, wodurch er gewirkt wird; denn die Vorstellung, die nach dieser Handlung von der Sache selbst entspringt, ist deutlich. Es ist leicht zu zeigen, daß ein vollständiger Begriff nur durch einen Vernunftschluß möglich ist, man darf nur den ersten Paragraphen dieser Abhandlung nachsehen. Deswegen könnte man einen deutlichen Begriff auch einen solchen nennen, der durch ein Urteil klar ist, einen vollständigen aber, der durch einen Vernunftschluß deutlich ist. Ist die Vollständigkeit vom ersten Grad, so ist der Vernunftschluß ein einfacher, ist sie vom zweiten oder dritten, so ist er nur durch eine Reihe von Kettenschlüssen, die der Verstand nach der Art eines SORITES verkürzt, möglich. Hieraus erhellt sich auch ein wesentlicher Fehler der Logik, so wie sie gemeinhin abgehandelt wird, daß von den deutlichen und vollständigen Begriffen eher gehandelt wird, als von Urteilen und Vernunftschlüssen, obgleich jene nur durch diese möglich sind. Zweitens: ebenso augenscheinlich wie es ist, daß zum vollständigen Begriff keine andere Grundkraft der Seele erfordert wird, wie zum deutlichen (indem eben dieselbe Fähigkeit, die etwas unmittelbar als ein Merkmal in einem Ding erkennt, auch in diesem Merkmal wieder ein anders Merkmal vorzustellen, und also die Sache durch ein entferntes Merkmal zu denken, gebrauch wird), ebenso leicht fällt es auch in die Augen, daß Verstand und Vernunft, d. h. das Vermögen deutlich zu erkennen, und dasjenige, Vernunftschlüsse zu machen, keine verschiedenen Grundfähigkeiten sind. Beide stehen im Vermögen zu urteilen; wenn man aber mittelbar urteilt, so schließt man. Drittens ist hieraus auch abzunehmen, daß die obere Erkenntniskraft schlechterdings nur auf dem Vermögen zu urteilen beruth. Demnach wenn ein Wesen urteilen kann, so hat es die obere Erkenntnisfähigkeit. Findet man Ursache, ihm diese letztere abzusprechen, so vermag es auch nicht zu urteilen. Die Verabsäumung solcher Betrachtungen hat einen berühmten Gelehrten veranlaßt, den Tieren deutliche Begriffe zuzugestehen. Ein Ochse, heißt es, hat in seiner Vorstellung vom Stall doch auch eine klare Vorstellung von seinem Merkmal der Tür, also einen deutlichen Begriff vom Stall. Es ist leicht, hier die Verwirrung zu verhüten. Nicht darin besteht die Deutlichkeit eines Begriffs, daß dasjenige, was ein Merkmal vom Ding ist, klar vorgestellt wird, sondern daß es als ein Merkmal des Dings erkannt wird. Die Tür ist zwar etwas zum Stall Gehöriges, und kann zum Merkmal desselben dienen, aber nur derjenige, der das Urteil abfaßt: diese Tür gehört zu diesem Stall, hat einen deutlichen Begriff von dem Gebäude, und dieses ist sicherlich über das Vermögen des Viehs. Ich gehe noch weiter und sage: es ist ganz was anderes, Dinge voneinander unterscheiden, und den Unterschied der Dinge erkennen. Das Letztere ist nur durch Urteilen möglich, und kann von keinem unvernünftigen Tier geschehen. Folgende Einteilung kann von großem Nutzen sein. Logisch unterscheiden, heißt erkennen, daß ein Ding A nicht B ist, und ist jederzeit ein verneinendes Urteil, physisch unterscheiden, heißt, durch verschiedene Vorstellungen zu verschiedenen Handlungen getrieben werden. Der Hund unterscheidet den Braten vom Brot, weil er anders vom Braten, als vom Brot gerührt wird (denn verschiedene Dinge verursachen verschiedene Empfindungen), und die Empfindung vom ersteren ist ein Grund einer anderen Begierde in ihm als die vom letzteren (3), nach der natürlichen Verknüpfung seiner Triebe mit seinen Vorstellungen. Man kann hieraus die Veranlassung ziehen, dem wesentlichen Unterschied der vernünftigen und vernunftlosen Tiere besser nachzudenken. Wenn man einzusehen vermag, was denn dasjenige für eine geheime Kraft ist, wodurch das Urteilen möglich wird, so wird man den Knoten auflösen. Meine jetzige Meinung geht dahin, daß diese Kraft oder Fähigkeit nichts anderes ist, als das Vermögen des inneren Sinnes, d. h. seine eigenen Vorstellungen zum Objekt seiner Gedanken zu machen. Dieses Vermögen ist nicht aus einem anderen abzuleiten, es ist ein Grundvermögen im eigentlichen Verstand und kann, wie ich dafür halte, bloß vernünftigen Wesen eigen sein. Auf demselben aber beruth die ganze obere Erkenntniskraft. Ich schließe mit einer Vorstellung, die denjenigen angenehm sein muß, welche das Vermögen über die Einheit in den menschlichen Erkenntnissen empfinden können. Alle bejahenden Urteile stehen unter einer gemeinschaftlichen Formel dem Satz der Einstimmung: cuilibet subjecto competit praedicatum ispsi identicum [zu jedem Subjekt gehört ein mit ihm identisches Prädikat - wp]; alle verneinende unter dem Satz des Widerspruchs: nulli subjecto competit praedicatum ipsi oppositum [ein ihm selbst entgegengesetztes Prädikat gehört keinem Subjekt an - wp]. Alle bejahenden Vernunftschlüsse sind unter der Regel enthalten: nota notae est nota rei ipsius [das Merkmal P des Merkmals M ist auch ein solches des Gegenstandes S - wp], alle verneinenden unter dieser: oppositum notae opponitur rei ipsi [das Gegenteil des Zeichens ist auch das Gegenteil der Sache - wp]. Alle Urteile, die unmittelbar unter den Sätzen der Einstimmung oder des Widerspruchs stehen, das ist, bei denen weder die Identität noch der Widerstreit durch ein Zwischenmerkmal (folglich nicht mittels der Zergliederung der Begriffe), sondern unmittelbar eingesehen wird, sind unerweisliche Urteile, diejenigen, wo sie mittelbar erkannt werden kann, sind erweislich. Die menschliche Erkenntnis ist voll solcher unerweislicher Urteile. Vor jeglicher Definition kommen deren etliche vor, sobald man, um zu ihr zu gelangen, dasjenige, was man zunächst und unmittelbar an einem Ding erkennt, sich als ein Merkmal desselben vorstellt. Diejenigen Weltweisen irren, die so verfahren, als wenn es gar keine unerweislichen Grundwahrheiten außer einer gibt. Diejenigen irren ebensosehr, die ohne genugsame Gewährleistung zu freigiebig sind, verschiedene ihrer Sätze dieses Vorzugs zu würdigen.
1) Diese Regel gründet sich auf die synthetische Ordnung, nach welcher zuerst das entfernte und dann das nähere Merkmal mit dem Subjekt verglichen wird. Indessen wenn dieselbe gleich als bloß willkürlich angesehen würde, so wird sie doch unumgänglich nötig, sobald man vier Figuren haben will. Denn sobald es einerlei ist, ob ich das Prädikat der Konklusion in den Obersatz oder Untersatz bringe, so ist die erste Figur von der vierten gar nicht unterschieden. Ein dergleichen Fehler findet man in Crusius' "Logik", Seite 600, die Anmerkung. 2) Denn wenn derjenige Satz der Obersatz ist, in dem das Prädikat der Konklusion vorkommt, so ist von der eigentlichen Konklusion, die hier aus den Vordersätzen unmittelbar fließt, der zweite Satz der Obersatz und der erste der Untersatz. Alsdann ist aber Alles nach der ersten Figur geschlossen, nur so, daß der aufgegebene Schlußsatz aus dem, welcher zunächst aus gedachten Urteilen folgt, durch eine logische Umkehrung gezogen wird. 3) Es ist in der Tat von der äußersten Erheblichkeit, bei der Untersuchung der tierischen Natur hierauf Acht zu haben. Wir werden an ihnen lediglich äußere Handlungen gewahr, deren Verschiedenheit unterschiedliche Bestimmungen ihrer Begierde anzeigt. Ob in ihrem Innern diejenige Handlung der Erkenntniskraft vorgeht, da sie sich der Übereinstimmung oder des Widerstreits desjenigen, was in einer Empfindung ist, mit dem, was in einer anderen befindlich ist, bewußt sind und so urteilen, das folgt gar nicht daraus. |