ra-1cr-4 F. H. JacobiE. PfleidererA. RiehlK. F. Stäudlin    
 
DAVID HUME
Von den skeptischen und
anderen Systemen der Philosophie

[ 5 / 6 ]

"Wenn man annimmt, die Gegenstände seien von den Eindrücken verschieden, so können wir, nachdem uns die Betrachtung der Eindrücke zu einem bestimmten Ergebnis geführt hat, nicht sicher sein, ob die Besonderheit des Eindrucks, auf die wir unseren Schluß bauten, den Eindrücken und den Gegenständen gemeinsam ist."


Fünfter Abschnitt
Von der Unkörperlichkeit der Seele

Nachdem wir schon in den Anschauungen über die Gegenstände der Außenwelt oder in der Vorstellung der Materie, die wir doch für so klar und bestimmt zu halten pflegen, so vielerlei Widersprüche und Schwierigkeiten gefunden haben, müßten wir erwarten, noch größeren Schwierigkeiten und Widersprüchen zu begegnen bei der Betrachtung der mancherleich Anschauungen hinsichtlich der inneren Perzeptionen und der ganzen Natur des Geistes, die wir uns so viel dunkler und viel mehr dem Zweifel unterworfen zu denken geneigt sind. Darin würden wir uns jedoch täuschen. Die Erkenntnis der geistigen Welt leidet freilich an endlosen Dunkelheiten; aber sie verwickelt uns nicht in solche Widersprüche, wie die der Natur. Was wir von ihr wissen, stimmt in sich überein; und was sich unserer Kenntnis entzieht, müssen wir eben ruhig dahingestellt sein lassen.

Gewisse Philosophen allerdings wenn wir auf sie hören wollten - versprechen, unsere Unwissenheit (in diesem Punkt) zu vermindern. Ich fürchte aber, dies geschähe auf die Gefahr hin, daß wir uns nun erst recht in Widersprüche verwickeln, von denen der Gegenstand ansich frei ist. Ich meine hier die Philosophen, die so seltsame Spekulationen aufstellen über sei es körperliche, sei es unkörperliche Substanzen, denen, wie sie meinen, unsere Perzeptionen "inhärieren". Um den endlosen Spitzfindigkeiten, die für und wider diese Substanzen vorgebracht werden könnten, zu entgehen, weiß ich keinen besseren Weg, als den, daß ich an jene Philosophen die einfache Frage richte, was sie eigentlich mit der "Substanz" und mit der "Inhärenz" meinen? Haben sie diese Frage beantwortet, dann, aber auch nicht eher, wird es vernünftig sein, sich ernsthaft in einen Streit mit ihnen einzulassen.

Wir haben gefunden, daß die soeben gestellte Frage in Bezug auf die Materie oder die Körper unbeantwortbar ist. Wo es sich um das Wesen des Geistes handelt, unterliegt sie aber nicht nur den gleichen, sondern außerdem noch einigen besonderen Schwierigkeiten. Da jede Vorstellung aus einem früheren Eindruck stammt, so müßten wir, wenn wir eine Vorstellung von der Substanz unseres Geistes haben wollten, auch einen Eindruck von derselben haben; und dies ist schwer denkbar, wenn nicht undenkbar. Denn wie kann ein Eindruck eine Substanz nachbilden, außer dadurch, daß er ihr ähnlich ist? Und wie kann ein Eindruck einer Substanz ähnlich sein, da er doch eben dieser philosophischen Lehre zufolge keine Substanz ist und keine der eigentümlichen Eigenschaften oder charakteristischen Merkmale der Substanz besitzt?

Doch lasen wir die Frage, was sein kann oder nicht sein kann, und fragen stattdessen, was tatsächlich ist. Ich ersuche die Philosophen, die behaupten, daß wir eine Vorstellung von der Substanz unseres Geistes haben, den Eindruck, auf dem diese Vorstellung beruth, aufzuzeigen und bestimmt zu sagen, in welcher Weise er in uns wirkt und von welchem Gegenstand er herrührt. Ist er ein Eindruck der Sinneswahrnehmung oder ein Eindruck der Selbstwahrnehmung? Ist er angenehm, schmerzhaft oder indifferent? Findet er sich im Geist jederzeit oder kehrt er nur nach Zeiten der Abwesenheit immer wieder ins Bewußtsein zurück? Wenn er immer wieder zurückkehrt, zu was für Zeiten kehrt er hauptsächlich zurück und wodurch wird jedesmal sein Dasein veranlaßt?

Wenn jemand, anstatt diese Fragen zu beantworten, der Schwierigkeit dadurch ausweichen wollte, daß er sagte, der Definition nach sei eine Substanz etwas, das durch sich selbst existieren kann, und diese Definition müsse uns genügen, so würde ich bemerken, daß diese Definition auf alles paßt, was überhaupt vorstellbar ist, daß sie darum unmöglich ausreichen kann, die Substanz von den Akzidenzien [Nebensächlichkeiten - wp] oder die Seele von ihren Perzeptionen zu unterscheiden. Ich schließe folgendermaßen. Was immer ich deutlich vorstele, kann existieren; und was ich (als) in bestimmter Weise (existierend) deutlich vorstelle, kann in eben dieser Weise existieren. Dies ist einer der Grundsätze, die wir bereits als gültig haben anerkennen müssen. Weiterhin: alles, was verschieden ist, ist unterscheidbar, und alles, was unterscheidbar ist, ist durch die Einbildungskraft trennbar. Dies ist ein zweiter (feststehender) Grundsatz. Der Schluß, den ich aus diesen beiden Sätzen ziehe, lautet: Da alle unsere Perzeptionen voneinander und von der ganzen übrigen Welt verschieden sind, so sind sie auch gesondert (vorstellbar) und (in der Vorstellung von anderem) trennbar; sie können (also) als für sich existierend vorgestellt werden und (demnach) tatsächlich für sich existieren. Sie bedürfen keines anderen, das den Träger ihrer Existenz abgeben würde. Sie sind also Substanzen, soweit nämlich jene Definition das Wesen der Substanz zutreffend bezeichnet.

Somit können wir weder durch eine Betrachtung des Ursprungs der Vorstellungen, noch durch eine Vermittlung ihrer Definition zu einer befriedigenden Vorstellung der Substanz gelangen. Dies scheint mir ein ausreichender Grund, den Streit über die Körperlichkeit und Unkörperlichkeit der Seele ganz und gar aufzugeben. Ja, ich kann aufgrund dieses Ergebnisses nicht umhin, die ganze Frage überhaupt abzuweisen. Nur von unseren Perzeptionen haben wir eine vollkommene Vorstellung. Eine Substanz aber ist etwas von einer Perzeption durchaus Verschiedenes; wir haben also keine Vorstellung einer Substanz. Man hält es für erforderlich, daß unsere Perzeptionen einem anderen, das den Träger ihrer Existenz bildet, "inhärieren". Die Perzeption erscheint aber eines Trägers ihrer Existenz überhaupt unbedürftig. Wir haben also auch keine Vorstellung von Inhärenz. - Wie sollen wir die Frage beantworten können, ob die Perzeptionen einer körperlichen oder unkörperlichen Substanz inhärieren, wenn wir (nach dem Gesagten) nicht einmal den Sinn der Frage verstehen?

Ein Argument für die Unkörperlichkeit der Seele, das häufig vorgebracht worden ist, scheint mir immerhin bemerkenswert. Was ausgedehnt ist, besteht aus Teilen, und was aus Teilen besteht, ist teilbar, wenn nicht in Wirklichkeit, so doch in der Phantasie. Es kann aber unmöglich ein Gedanke oder eine Perzeption, da dies vollständig unteilbare Dinge sind, an etwas Teilbares gebunden sein. Oder, wenn wir eine solche annehmen, existiert dann der unteilbare Gedanke auf der linken oder auf der rechten Seite dieses ausgedehnten, teilbaren Körpers? Auf der Oberfläche oder in der Mitte? Auf der Rückseite oder auf der Vorderseite? Ist er an die Ausdehnung gebunden, so muß er sich (ja doch gewiß) an irgendeinem Ort innerhalb des Bereichs dieser Ausdehnung befinden. Wenn er sich aber innerhalb des Bereichs dieser Ausdehnung befindet, so muß er sich entweder in einem bestimmten Teil derselben befinden, und dann ist dieser bestimmte Teil unteilbar und die Perzeption ist in Wahrheit nur an ihn, nicht an die (ganze) Ausdehnung gebunden; oder falls sich der Gedanke in jedem Teil befindet, so muß er, ebensogut wie der Körper, ausgedehnt und teilbar sein, was vollkommen absurd und in sich widersprechend ist. Oder kann sich jemand einen Affekt von einem Yard Länge, einen Fuß Breite und einem Zoll Dicke denken? Gedanken und Ausdehnung sind vollständig unvergleichbare Dinge, sie können also niemals an einem Gegenstand zusammen vorkommen.

Diese Beweisführung trifft nicht die Frage nach der Substanz der Seele, sondern nur die Frage nach ihrer räumlichen Verbindung mit der Materie; deshalb mag es nicht unangebracht sein, hier ganz im Allgemeinen zu erwägen, welche Gegenstände einer räumlichen Verbindung fähig sind und welche nicht. Dies ist eine interessante Frage, die uns zu Entdeckungen von großer Wichtigkeit führen kann.

Die Vorstellung des Raumes und der Ausdehnung vermittelt uns ursprünglich einzig und allein der Gesichtssinn und der Tastsinn; außer dem, was farbig und tastbar ist, gibt es nichts, dessen Teile in einer solchen Weise angeordnet wären, daß sie uns jene Vorstellung verschaffen könnten. Wenn wir einen Geschmacksreiz größer oder kleiner werden lassen, so ist dies nicht dasselbe, als wenn wir einen sichtbaren Gegenstand größer oder kleiner machen; und wenn verschiedene Töne zu gleicher Zeit unser Ohr treffen, so werden wir nur durch Gewohnheit und Überlegung veranlaßt, uns (gleichzeitig) eine Vorstellung von der bestimmten (wechselseitigen) Entfernung der Körper zu machen, von denen sie herrühren. Was sich uns als irgendwo existierend darstellen soll, muß entweder ausgedehnt oder ein mathematischer Punkt, (also ein Punkt) ohne Teile oder Zusammensetzung sein. Was ausgedehnt ist, muß eine bestimmte Gestalt haben, wie viereckig, rund, dreieckig. Keines dieser Merkmale aber ist anwendbar etwa auf einen Wunsch, (den wir in uns fühlen), überhaupt auf einen Eindruck oder eine Vorstellung, mit Ausnahme derer, die den beiden oben genannten Sinnen angehören. Ebensowenig kann aber ein Wunsch, obgleich er unteilbar ist, als ein mathematischer Punkt betrachtet werden. Denn dann müßte es möglich sein, durch die Hinzufügung anderer Wünsche ein System von zwei, drei oder vier Wünschen zu bilden, in dem die einzelnen Wünsche in einer solchen Weise zusammengeordnet und gegeneinander gelagert wären, daß sie ein Ganzes von bestimmter Länge, Breite und Dicke ergeben, was augenscheinlich absurd ist.

Hiernach wird es nicht überraschen, wenn ich einen Satz aufstelle, der von mehreren Metaphysikern verurteilt und den sichersten Prinzipien menschlicher Vernunft widersprechend erachtet worden ist. Dieser Satz besagt, daß ein Gegenstand existieren kann ohne doch irgendwo zu sein. Ich füge hinzu, daß dies nicht bloß möglich ist, sondern daß das Meiste, was existiert, in dieser Weise existiert und existieren muß. Man kann sagen, ein Gegenstand sei nirgends, wenn weder seine Teile zueinander so gelagert sind, daß sie irgendeine Figur oder (räumliche) Größe bilden, noch das Ganze zu anderen Körpern in den räumlichen Beziehungen steht, wie sie in den Vorstellungen der Nähe oder Entfernung gegeben sind. Dies trifft nun augenscheinlich bei allen unseren Perzeptionen und Objekten, außer denen des Gesichts- und Tastsinns zu. Eine moralische Überlegung kann sich nicht auf der rechten oder linken Seite eines Affekts befinden; ein Geruch oder Ton kann weder eine runde, noch eine viereckige Gestalt haben. Weit entfernt, einen bestimmten Ort zu erfordern, sind diese Gegenstände oder Perzeptionen vielmehr mit allen Ortsbestimmungen durchaus unverträglich; selbst die Einbildungskraft kann ihnen keinen Ort anweisen. Hält man trotzdem den Gedanken, daß sie tatsächlich nirgendwo sind, für absurd, so kann noch bemerkt werden, daß wenn unsere Affekte und Gefühle für unsere Wahrnehmung einen bestimmten Ort besäßen, die Vorstellung der Ausdehnung ebensogut aus ihnen wie aus den Empfindungen des Gesichts und Getasts müßte gewonnen werden können; dem widerspricht aber, was wir bereits oben festgestellt haben. Stellen sie sich dagegen dem Bewußtsein als ortlos dar, so können sie auch in einer solchen Weise existieren; denn alles, was wir uns vorstellen können, ist möglich.

Ich habe nun wohl nicht mehr nötig besonders zu beweisen, daß diejenigen Perzeptionen, die einfach sind und nirgends existieren, einer örtlichen Verbindung mit einem Körper oder materiellen Gegenstand, der ausgedehnt und teilbar ist, unfähig sind. Eine Beziehung zwischen Objekten setzt ja notwendig etwas den Objekten Gemeinsames voraus, worauf die Beziehung beruth. (7) Dagegen mag es sich schon eher verlohnen, hier darauf aufmerksam zu machen, daß sich die Frage der örtlichen Verknüpfung von Gegenständen nicht allein in einem metaphysischen Streit über die Natur der Seele aufdrängt, sondern daß wir auch schon im gewöhnlichen Leben jeden Augenblick Gelegenheit haben sie zu stellen. Vergegenwärtigen wir uns etwa Folgendes: Am einen Ende eines Tisches liegt eine Feige, am anderen Ende desselben Tisches eine Olive. Gewiß ist innerhalb der zusammengesetzten Vorstellung, die wir von jeder dieser beiden Substanzen haben, eine der am meisten sich aufdrängenden einfachen Vorstellungen die Vorstellung des verschiedenen Geschmackes. Ebenso steht fest, daß wir diese Eigenschaften mit der Farbe der Früchte und den Eigenschaften derselben, die Objekte des Tastsinns sind, verbinden und zur Einheit eines materiellen Dings vereinigen. Es scheint uns demgemäß der bittere Geschmack der einen und der süße der anderen in den sichtbaren Körpern selbst zu liegen. Beide scheinen also durch die Länge des Tisches voneinander getrennt. Dies ist eine so auffallend und doch zugleich eine so natürliche Täuschung, daß es vielleicht angebracht ist, die Vorausseztungen zu betrachten, auf denen sie beruth.

So gewiß ein ausgedehnter Körper einer örtlichen Verbindung mit einem anderen, der ohne Ort und Ausdehnung existiert, unfähig ist, so gewiß sind viele andere Beziehungen zwischen ihnen möglich. So sind der Geschmack und der Geruch einer Frucht mit der Farbe und den tastbaren Eigenschaften derselben untrennbar verbunden; welche von ihnen auch Ursache oder Wirkung (der anderen) sein mag, gewiß ist, daß sie jederzeit koexistieren. Und sie sind nicht nur überhaupt (oder ansich) koexistenz, sondern sie treten auch im Geist gleichzeitig auf; indem der ausgedehnte Körper (als ausgedehnter) auf unsere Sinne wirkt, nehmen wir zugleich seinen bestimmten Geschmack und Geruch wahr. Diese Beziehungen nun, der Ursächlichkeit und des gleichzeitigen Auftretens im Geist, die zwischen dem ausgedehnten Körper und der ortlos existierenden Eigenschaft bestehen, bewirken notwendig, daß der Geist, wenn ihm der Körper entgegentritt, seine Vorstellungstätigkeit sofort von ihm auf diese Eigenschaft richtet. Und das ist nicht alles. Wir richten nicht allein wegen jener Beziehung unsere Gedanken sofort vom Körper auf die ortlose Eigenschaft, sondern wir suchen uns dann auch diesen Fortgang unserer Vorstellungstätigkeit dadurch noch leichter und natürlicher zu machen, daß wir zwischen beiden eine neue Beziehung herstellen. Dies nun ist die örtliche Verbindung. Daß wir, wenn Gegenstände durch irgendeine Beziehung verbunden sind, sehr geneigt sind, ihnen eine weitere Beziehung beizulegen, und dadurch die Verbindung zu vervollständigen, das ist ja eine Eigentümlichkeit der menschlichen Natur, die hervorzuheben ich noch öfter Gelegenheit haben werde, und die an ihrer Stelle näher erörtert werden soll. Auch wenn wir wirkliche Gegenstände (frei) zusammenordnen, so verfehlen wir nie, ähnlichen ihre Stelle nebeneinander oder zumindest an einander entsprechenden Punkten anzuweisen. Weshalb? Doch nur weil es uns eine Befriedigung gewährt, die Beziehung des Nebeneinander zur Beziehung der Ähnlichkeit oder die Ähnlichkeit der Lage zur Ähnlichkeit der Eigenschaften hinzuzufügen. Die Wirkung dieser Neigung ist uns auch schon bei einer früheren Gelegenheit entgegengetreten; ich erinnere etwa an die Neigung zwischen den Eindrücken und ihren äußeren Ursachen eine Ähnlichkeit anzunehmen (8). Nirgends aber bietet sich uns ein sprechenderes Beispiel dieser Neigung als hier, wo wir aufgrund der zwischen zwei Gegenständen bestehenden Beziehungen der Ursächlichkeit und des zeitlichen Zusammen, um ihre Verknüpfung zu steigern, noch die Beziehung einer örtlichen Verbindung hinzudichten.

Welcherlei unklare Vorstellungen einer örtlichen Verbindung zwischen einem ausgedehnten Körper, z. B. einer Feige und ihrem bestimmten Geschmack, wir nun aber auch uns bilden mögen, bei näherer Untersuchung müssen wir gewiß in einer solchen Verbindung etwas ganz und gar Unvorstellbares und in sich Widersprechendes finden. Stellen wir uns nur die einfache Frage, ob sich der Geschmack, den wir als innerhalb der Grenzen des Körpers vorhanden vorstellen, in jedem Teil desselben oder in nur einem einzigen Teil befindet. Wir geraten dann sofort in Verlegenheit; wir finden, daß es völlig unmöglich ist, auf diese Frage eine befriedigende Antwort zu geben. Wir können nicht antworten, er befinde sich nur in einem Teil: denn die Erfahrung lehrt uns, daß jeder Teil denselben Geschmack besitzt. Wir können ebensowenig antworten, er existiert in jedem Teil; denn dann müßten wir voraussetzen, daß er Gestalt und Ausdehnung besitzt, was absurd und unvorstellbar ist. Wir unterliegen danach hier der Wirkung zweier Faktoren, die einander direkt widerstreiten, nämlich der Neigung unserer Einbildungskraft, die uns veranlaßt, den Geschmack mit dem ausgedehnten Körper körperlich zu verbinden, und unserer Vernunft, die uns die Unmöglichkeit einer solchen Verbindung erkennen läßt. Zwischen diese beiden entgegengesetzten Antriebe gestellt, entziehen wir uns nun weder dem einen noch dem anderen, sondern hüllen den Gegenstand derart in Unklarheit und Dunkel, daß wir den Widerspruch nicht mehr bemerken. Wir nehmen an, der Geschmack habe sein Dasein innerhalb der Grenzen des Körpers, aber so, daß er ohne Ausdehnung das Ganze ausfüllt und ohne Außereinander in jedem Teil vollständig existiert. Kurz: wir huldigen in unserer gewöhnlichen Weise, die Dinge zu betrachten, durchaus jenem scholastischen Satz, der uns, wenn wir ihn direkt aussprechen hören, so anstößig erscheint, nämlich dem Satz des "totum in toto et totum in qualibet parte"; was ungefähr dasselbe sagt wie: ein Ding ist an einem Ort und gleichzeitig auch nicht an diesem Ort.

Alle diese Ungereimtheiten gehen hervorf aus unserem Bestreben, dem einen Ort anzuweisen, was vollständig unfähig ist, einen solchen einzunehmen; und dieses Bestreben wieder entsteht aus unserer Neigung, eine Verbindung, die auf Ursächlichkeit und unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang beruth, dadurch zu vervollständigen, daß wir den Gegenständen zugleich einen räumlichen Zusammenhang zuschreiben. Besitzt aber die Vernunft nur genügend Stärke, um Vorurteile zu überwinden, so muß sie zweifellos in diesem Fall die Oberhand gewinnen. Gewissen Dingen gegenüber ist uns nur die dreifache Wahl gelassen, entweder anzunehmen, daß sie ortlos existieren, oder daß sie Gestalt und Ausdehnung besitzen, oder daß sie in ausgedehnten Gegenständen in der Weise körperlich enthalten sind, daß sich das Ganze im Ganzen und zugleich das Ganze in jedem seiner Teile befindet. Die Ungereimtheit dieser beiden letzten Annahmen beweist zur Genüge die Richtigkeit der ersteren. Denn es gibt keine vierte Möglichkeit. Die Annahme, sie existierten in der Form mathematischer Punkte, läuft auf die zweite Möglichkeit hinaus; sie setzt voraus, daß sich beispielsweise verschiedene Affekte zu einer runden Figur zusammenordnen oder daß eine bestimmte Anzahl von Gerüchen zusammen mit einer gewissen Anzahl von Tönen einen Körper von zwölf Kubikzoll ausmachen können. Ich denke, um das Lächerliche eines solchen Gedankens zu zeigen, braucht man ihn nur auszusprechen.

Mit dieser Auffassung verurteilen wir (zunächst) die Anhänger der materialistischen Schule, die alles Denken an ein Ausgedehntes gebunden sein lassen. Geringes Nachdenken zeigt uns aber, daß wir ebensoviel Grund haben, ihre Gegner zu tadeln, für die alles Dingen an eine einfache und unteilbare Substanz gebunden ist. Die allerlandläufigste Philosophie belehrt uns, daß sich kein äußerer Gegenstand dem Geist unmittelbar und ohne Dazwischentreten eines Bildes oder einer Perzeption darstellen kann. Dieser Tisch, den ich jetzt eben vor Augen habe, ist nur eine Perzeption und alle seine Eigenschaften sind Eigenschaften einer Perzeption. Die augenfälligste aller seiner Eigenschaften aber ist die Ausdehnung. Die (fragliche) Perzeption besteht (zweifellos) aus Teilen; diese Teile sind so angeordnet, daß sie uns das Bild der Entfernung und des Nebeneinander, der Länge, Breite und Dicke geben. Seine Begrenzung nach diesen drei Dimensionen ist das, was wir Gestalt nennen. Diese Gestalt ist bewegbar, zerlegbar und teilbar. Bewegbarkeit und Teilbarkeit aber sind die unterscheidenden Eigenschaften ausgedehnter Objekte. (Es gibt also ausgedehnte Perzeptionen.) Um vollends allen Streit abzuschneiden: unsere Vorstellung der Ausdehnung ist in jedem Fall lediglich die Kopie eines Eindrucks. Sie muß also mit diesem Eindruck völlig übereinstimmen. Wenn wir aber sagen, die Vorstellung der Ausdehnung stimmt mit etwas überein, so sagen wir damit, dies sei ausgedehnt.

Jetzt können die Freidenker ihrerseits triumphieren, und nachdem sie sich in solcher Weise überzeugt haben, daß es wirklich ausgedehnte Eindrücke und Vorstellungen gibt, ihre Gegner fragen, wie sie einem einheitlichen und unteilbaren Gegenstand eine ausgedehnte Perzeption glauben räumlich einverleiben zu können? Alle Beweisgründe, welche die Theologen vorgebracht haben, wenden sich gegen sie zurück. Befindet sich der unteilbare Gegenstand, oder wenn man will, die immaterielle Substanz, auf der linken oder auf der rechten Seite der Perzeption? Befindet sie sich in diesem oder jenem bestimmten Teil? Gehört sie allen Teilen gemeinsam an, ohne doch darum ausgedehnt zu sein? Oder befindet sie sich ungeteilt in jedem einzelnen Teil, ohne doch in den übrigen zu fehlen? Es ist unmöglich, auf diese Fragen eine Antwort zu geben, die nicht absurd wäre und außerdem ebensoweohl dazu verwandt werden könnte, die Verbindung unserer unteilbaren Perzeptionen mit einer ausgedehnten Substanz zu rechtfertigen.

Dies gibt mir Anlaß, die Frage nach der Substanz der Seele von Neuem zu stellen. Obgleich ich diese Frage bereits als vollkommen unverständlich abgewiesen habe, kann ich doch nicht umhin, noch einige darauf bezügliche Bemerkungen zu machen. Ich behaupte, daß die Lehre von der Unkörperlichkeit, Einfachheit und Unteilbarkeit der denkenden Substanz ein richtiger Atheismus ist und dazu dienen kann, all die Gedanken zu rechtfertigen, die SPINOZA so allgemein in Verruf gebracht haben. Aus dem Nachweis dieser Behauptung hoffe ich zumindest den einen Vorteil zu ziehen, daß meine Gegner sich scheuen werden, die hier vorgetragene Lehre durch ihre Deklamationen verhaßt zu machen; da sie daraus ersehen werden, wie leicht diese Deklamationen gegen sie selbst gewandt werden können.

Der grundlegende Gedanke des Atheismus SPINOZAs ist die Lehre von der Einfachheit des Universums und der Einheit der Substanz, der seiner Annahme nach sowohl das Denken wie die Materie inhärieren [beinhalten - wp]. Es gibt in der Welt, so sagt er, nur eine Substanz und diese Substanz ist vollkommen einfach und unteilbar und existiert überall ohne örtliche Gegenwart. Alles was wir äußerlich durch die Sinne wahrnehmen, alles dessen wir uns innerlich durch Reflexion bewußt werden, ist nichts als eine Modifikation des einen einfachen, notwendig existierenden Wesens, es kommt ihm also keine gesonderte, für sich bestehende Existenz zu. Jeder Affekt der Seele, alle materiellen Gebilde, wie verschieden von anderen und mannigfach geartet sie auch immer sind, inhärieren derselben Substanz; sie haben in sich ihren unterschiedlichen Charakter, ohne denselben doch dem Subjekt, dem sie inhärieren, mitzuteilen. Dasselbe "Substrat", wenn ich so sagen darf, ist Träger der verschiedensten Modifikationen, ohne daß es in sich irgendwie verschieden wäre, und es verändert sie, ohne daß es sich selbst ändert. Weder Zeit, noch Ort, noch irgendwelche Verschiedenheiten der Natur sind imstande, innerhalb seiner vollkommenen Einfachheit und Identität irgendeine Zusammensetzung oder Veränderung zu bewirken.

Ich denke, diese kurze Darlegung der Prinzipien jenes berühmten Atheisten wird für unseren Zweck genügen. Ohne daß ich mich weiter in das nebelhafte Dunkel seiner Gedanken zu verlieren brauche, kann ich zeigen, daß diese abscheuliche Hypothese ziemlich zusammenfällt mit der Annahme der Unkörperlichkeit der Seele, die so populär geworden ist. Um dies klar zu machen, wollen wir uns an folgendes erinnern: Da jede Vorstellung aus einer vorangegangenen Wahrnehmung stammt, so kann uns die Vorstellung einer Wahrnehmung und die Vorstellung eines Gegenstandes oder eines äußeren Daseins unmöglich etwas qualitativ Verschiedenes vergegenwärtigen. Was für einen Unterschied wir auch zwischen jener und dieser Vorstellung behaupten mögen, derselbe bleibt doch für uns völlig unfaßbar; wir sind gezwungen, uns den äußeren Gegenstand entweder als eine bloße Beziehung ohne einen Gegenstand, der in dieser Beziehung steht, vorzustellen, oder ihn mit einer Wahrnehmung oder einem Eindruck zusammenfallen zu lassen.

Der Schluß, den ich hieraus ziehe, mag auf den ersten Blick als ein bloßer Trugschluß erscheinen; bei näherer Prüfung aber wird er sich als begründet und zwingend erweisen. Ich sage: weil wir einen spezifischen Unterschied zwischen einem Gegenstand und einem Eindruck wohl annehmen mögen, ihn uns aber vorzustellen nicht imstande sind, so wissen wir zwar nicht sicher, ob das, was wir über die Verknüpfung und den Widerstreit der Eindrücke erschließen können, von den Eindrücken auf die Gegenstände übertragen werden darf; wohl aber wird umgekehrt alles, was wir über die Beziehung und den Widerstreit der Gegenstände auszumachen imstande sind, ganz gewiß auf die Eindrücke übertragbar sein. Der Grund hierfür ist nicht schwer ersichtlich. Wenn man annimmt, die Gegenstände seien von den Eindrücken verschieden, so können wir, nachdem uns die Betrachtung der Eindrücke zu einem bestimmten Ergebnis geführt hat, nicht sicher sein, ob die Besonderheit des Eindrucks, auf die wir unseren Schluß bauten, den Eindrücken und den Gegenständen gemeinsam ist. Es wäre immerhin möglich, daß sich der Gegenstand in einem fraglichen Punkt vom Eindruck unterscheidet. Wenn wir aber zuerst den Gegenstand zum Objekt unseres Nachdenkens machen, so ist kein Zweifel, daß unser Ergebnis auch für den Eindruck Geltung haben muß; es muß ja die Eigenschaft des Gegenstandes, auf die sich die Beweisführung stützt, doch immer vom Geist vorgestellt werden können und sie könnte nicht vorgestellt werden, wenn es nicht einen Eindruck gäbe, der die fragliche Eigenschaft besitzt; da wir ja keine Vorstellung haben, die nicht aus Eindrücken entspringt. Wir können also den Grundsatz aufstellen, daß wir niemals und auf keine Weise, es sei denn vermöge eines regelwidrigen Erfahrungsschlußes (9), eine Verknüpfung oder einen Widerstreit zwischen den Gegenständen feststellen können, die nicht auch zwischen den Eindrücken bestehen. Dagegen ist die umgekehrte Behauptung, daß alle wahrnehmbaren Beziehungen der Eindrücke den Gegenständen eigen sein müssen, vielleicht nicht ebenso wahr.

Wenden wir dies nun auf unseren Fall an. Zwei Welten treten mir entgegen, denen ich mich genötigt glaube, eine Substanz oder ein Etwas, das ihnen zugrunde liegt, oder dem sie inhärieren, zuzuerkennen. Zuerst das Universum der (wirklichen äußeren) Gegenstände oder der Körper: Sonne, Mond und Sterne; Erde, Meer, Pflanzen, Tiere, Menschen, Schiffe, Häuser und andere Werke der Kunst oder Natur. Hier tritt SPINOZA auf und sagt mir, alle diese Dinge sind nur Modifikationen; der Gegenstand, an dem sie haften, ist einfach, unzusammengesetzt und unteilbar. Von da wende ich mich dann zu einer anderen Welt, nämlich der Welt meines Bewußtseins (universe of thought), d. h. zu meinen Eindrücken und Vorstellungen. Hier finde ich eine andere Sonne, einen anderen Mond und andere Sterne; auch hier wiederum gibt es eine Erde und Meere, bedeckt mit oder bewohnt von Pflanzen oder Tieren, eine Erde mit Städten, Häusern, Bergen und Flüssen, kurz mit all dem, was ich auch schon in jener ersten Welt entdecken und erkennen konnte. Forsche ich nach, wie es mit dieser Welt bestellt ist, so kommen die Theologen und bedeuten mich, daß wir es bei ihr nur mit Modifikationen zu tun haben und zwar wiederum mit Modifikationen einer einfachen, unzusammengesetzten und unteilbaren Substanz. Zugleich betäubt mich der Lärm von hundert Stimmen, welche jene erste Annahme mit Abscheu und Verachtung behandeln und der zweiten Beifall und Hochachtung zollen. Jetzt wende ich beiden Annahmen meine Aufmerksamkeit zu, um zu sehen, was wohl der Grund dieser leidenschaftlichen Parteinahme sein mag. Da finde ich dann, daß sie beide den gleichen Fehler haben, nämlich den, für die Vorstellung überhaupt unfaßbar zu sein; sie gleichen sich, soweit wir sie nämlich verstehen können, so sehr, daß es unmöglich ist, in der einen von ihnen eine Ungereimtheit zu entdecken, die nicht beiden gemeinsam wäre. Wir können nicht an einem Gegenstand eine Eigenschaft vorstellen, die nicht mit einer Eigenschaft des Eindrucks übereinstimmt und sie nachbildet; da nun einmal alle unsere Vorstellungen aus unseren Eindrücken stammen. Wir können deshalb niemals einen Widerspruch in dem Gedanken entdecken, ein ausgedehnter Körper sei eine Modifikation und ein einfaches unzusammengesetztes Wesen seine Substanz, ohne daß der gleiche Widerspruch auch für die Perzeption oder den Eindruck jenes ausgedehnten Gegenstandes und die Perzeption oder den Eindruck dieses unzusammenhängenden Wesens in Geltung bleibt. Jede Vorstellung von Eigenschaften eines Körpers ist durch den entsprechenden Eindruck vermittelt, und darum muß jede wirklich auffindbar Beziehung, sei es der Verknüpfung, sei es des Widerstreits, den Gegenständen und den Eindrücken gemeinsam sein.

Diese Erklärung erscheint in ihrer Allgemeinheit so einleuchtend, daß sie über alle Zweifel und Einrede erhaben sein sollte. Wir wollen aber, um sie noch klarer und überzeugender zu machen, die Sache auch noch im Einzelnen betrachten und zusehen, ob es nicht wirklich so ist, daß alle Ungereimtheiten, die man in SPINOZAs System gefunden hat, im System der Theologen ebensowohl entdeckt werden können.

Erstens hat man gegen SPINOZA gemäß der scholastischen Art, mehr zu reden als zu denken, eingewandt, da ein Modus keine besondere oder für sich bestehende Existenz hat, so müsse er mit der Substanz in Eines zusammenfallen; folglich müsse auch die Ausdehnung des Universums in gewisser Weise mit jenem einfachen unzusammengesetzten Wesen, dem die Welt der Dinge inhärieren soll, identisch sein. Dies ist aber, wie man wohl behaupten darf, gänzlich unmöglich und unvorstellbar, es sei denn, daß auch die unteilbare Substanz sich dazu bequemt, zu einer ausgedehnten zu werden, und sich so mit der ausgedehnten Welt in Einklang zu setzen, oder daß umgekehrt die Welt der Ausdehnung sich zusammenzieht, und so der unteilbaren Substanz gleichartig wird. - Dieses Argument scheint, soweit wir es verstehen können, völlig in Ordnung; es ist aber deutlich, daß es nur einer Veränderung des Ausdrucks bedarf und dasselbe Argument kann auf unsere ausgedehnten Perzeptionen und das einfache seelische Wesen angewandt werden; denn unsere Vorstellungen von Gegenständen und von Perzeptionen sind in jeder Hinsicht einander gleich. Man behauptet ja freilich eine Verschiedenheit beider, aber diese bleibt völlig unbekannt und unvorstellbar.

Zweitens ist gesagt worden, wir haben keine Vorstellung von einer Substanz, die nicht auf die Materie anwendbar wäre, noch eine Vorstellung von einer gesonderten Substanz, die nicht auf einen jeden gesonderten Teil der Materie anwendbar ist. Die Materie sei also kein Modus, sondern eine Substanz, und jeder Teil der Materie sei kein gesonderter Modus, sondern eine gesonderte Substanz. - Ich habe bereits gezeigt, daß wir keine vollkommene Vorstellung einer Substanz haben, daß aber, wenn wir unter Substanz etwas verstehen, das für sich allein existieren kann, jede Perzeption offenbar eine Substanz und jeder gesonderte Teil einer Perzeption eine gesonderte Substanz ist. Demnach unterliegt auch in dieser Hinsicht die eine Hypothese denselben Schwierigkeiten wie die andere.

Drittens ist gegen die Statuierung einer einzigen einfachen Substanz im Universum der Einwand erhoben worden, diese Substanz müsse, da sie Träger oder Substrat von allem ist, zu gleicher Zeit in entgegengesetzte und miteinander vereinbare Formen eingehen. Runde und viereckige Gestalt an derselben Substanz und zur selben Zeit sind unvereinbar. Wie kann sich also die gleiche Substanz zur gleichen Zeit zu diesem viereckigen und diesem runden Tisch "modifizieren?" - Ich stelle dieselbe Frage betreffs der Eindrücke dieser beiden Tische und finde die Antwort hier nicht befriedigender als dort.

Es ergibt sich somit, daß uns in beiden einander entgegenstehenden Lehren die gleichen Schwierigkeiten begegnen, und daß wir der Behauptung der Einheit und Unkörperlichkeit der Seele keinen Schritt nachgeben können, ohne einem gefährlichen und unüberwindlichen Atheismus den Weg zu bahnen. Es verhält sich aber auch nicht anders, wenn wir etwa dem Gedanken, anstatt ihn eine Modifikation der Seele zu nennen, den älteren und doch moderneren Namen einer Tätigkeit beizulegen. Mit einer Tätigkeit meinen wir so ziemlich dasselbe, was sonst als abstrakter Modus bezeichnet wird, d. h. etwas, was im eigentlichen Sinne von seiner Substanz weder unterscheidbar noch trennbar ist, sondern nur vermöge einer "Unterscheidung durch die Vernunft" oder einer Abstraktion von uns erfaßt werden kann. Es wird aber durch diese Vertauschung des Wortes Modifikation mit dem Wort Tätigkeit nichts gewonnen; wie die beiden folgenden Bemerkungen zeigen werden, kommen wir dadurch über keine einzige der Schwierigkeiten hinweg.

Erstens bemerke ich, daß das Wort Tätigkeit, die obige Erklärung desselben voraussetzt, niemals auf eine Perzeption, zur Bezeichnung der Abhängigkeitsbeziehung zwischen ihr und dem Geist oder der denkenden Substanz, zutreffend angewandt werden kann. Unsere Perzeptionen sind alle voneinander und von allem, was wir uns sonst ausdenken können, tatsächlich verschieden, trennbar und unterscheidbar, und es ist darum unverständlich, wie sie die Tätigkeit oder der abstrakte Modus irgendeiner Substanz sein sollten. Das Beispiel der Bewegung, das man so oft angeführt hat, um die Art, wie die "Tätigkeit" der Perzeption von ihrer Substanz abhängt, zu verdeutlichen, verwirrt die Sache eher, als daß es uns belehrt. Die Bewegung führt, soviel wir nur irgendwie sehen, keine wirkliche oder wesentliche Veränderung des bewegten Körpers herbei, sondern verändert nur seine Beziehung zu anderen Gegenständen. Dagegen scheint mir zwischen einem Menschen, der morgens in angenehmer Gesellschaft im Garten spazieren geht, und einem Menschen, der nachmittags in ein Gefängnis eingesperrt und von Furcht, Verzweiflung und Groll erfüllt ist, allerdings ein wesentlicher Unterschied zu bestehen, (jedenfalls) ein Unterschied von ganz anderer Art wie der, welcher an einem Körper durch die Veränderung seiner Lage hervorgebracht wird. Nun erschließen wir aus der Möglichkeit, die Vorstellungen äußerer Objekte gesondert und für sich zu vollziehen, daß diese Objekte voneinander gesondert existieren können. Dann müssen wir, wenn wir diese Vorstellungen selbst zu unseren Objekten machen, auch hinsichtlich ihrer - gemäß unserer obigen Darlegung - den gleichen Schluß ziehen. Zumindest muß zugegeben werden, daß wir, da uns jede Vorstellung von der Substanz der Seele fehlt, nicht sagen können, wie dieselbe ohne eine fundamentale Veränderung ihrer selbst solche Unterschiede und selbst Widersprüche in der Perzeption aufkommen lassen kann; daß wir also auch niemals zu sagen vermögen, in welchem Sinn Perzeptionen Tätigkeiten jener Substanz sein sollten. Da wir demnach mit dem Wort Tätigkeit hier gar keinen Sinn verbinden, so kann durch die Anwendung des Wortes "Tätigkeit" anstelle des Wortes Modifikatio auch keine Bereicherung unseres Wissens erzielt werden; es kann insbesondere für die Lehre von der Unkörperlichkeit der Seele kein Vorteil daraus erwachsen.

Zweitens füge ich hinzu, daß wenn jener Worttausch für diese Lehre von irgendeinem Vorteil wäre, er der Sache des Atheismus in gleicher Weise dient. Oder wollen unsere Theologen etwa das Wort Tätigkeit monopolisieren? Können nicht auch die Atheisten von ihm Besitz ergreifen und behaupten, daß Pflanzen, Tiere, Menschen etc. nichts sind als bestimmte Tätigkeiten einer einfachen, allgemeinen Substanz, die mit blinder absoluter Notwendigkeit wirkt? Dies, wird man sagen, wäre vollkommen ungereimt. In der Tat gebe ich zu, daß man sich nichts dabei vorstellen kann, aber ich behaupte zugleich, in Übereinstimmung mit dem oben erörterten Grundsatz, daß es unmöglich ist, in der Behauptung, alle die mancherlei Gegenstände in der Natur seien Tätigkeiten einer einfachen Substanz, eine Ungereimtheit zu entdecken, die nicht ebensowohl in der entsprechenden Behauptung über unsere Eindrücke und Vorstellungen zu finden wäre.

Von den Fragen nach der Substanz, die unseren Perzeptionen zugrunde liegt, und nach der räumlichen Verbindung der letzteren mit der ersteren gehen wir jetzt über zu einer Frage, die verständlicher ist als jene erstere und wichtiger als die letztere, nämlich zu der Frage nach der Ursache unserer Perzeptionen. Materie und Bewegung, so lehrt man uns in den Schulen, mögen sich noch so sehr verändern, sie bleiben doch immer Materie und Bewegung und erzeugen nur Unterschiede des Ortes und der Lage der Gegenstände. Man teile einen Körper, so oft man will, er bleibt immer ein Körper. Man gebe ihm eine beliebige Gestalt, niemals entsteht daraus etwas anderes als eben eine Gestalt oder eine räumliche Beziehung der Teile. Man bewege ihn in irgendeiner Weise, man entdeckt an ihm nichts als Bewegung oder Veränderung räumlicher Beziehungen. Auch wäre es gewiß ungereimt, sich einzubilden, eine kreisförmige Bewegung etwa sei nichts als eben eine kreisförmige Bewegung, eine Bewegung von anderer, etwa elliptischer Form dagegen sei zugleich ein Affekt oder eine sittliche Überlegung; der Zusammenstoß zweier runder Stoffteilchen werde zu einer Empfindung des Schmerzes oder das Zusammentreffen zweier dreieckiger Stoffteilchen ergebe eine Empfindung der Lust. Da es sich nun so verhält, d. h. da die verschiedenartigen Zusammenstöße, Umgestaltungen und Mischungen in der Materie uns nie die Vorstellung eines Gedankens oder einer Perzeption liefern, da andererseits diese Vorgänge die einzigen Veränderungen sind, deren die Materie fähig ist, so, meint man, ist es überhaupt unmöglich, daß das Denken durch die Materie verursacht wird.

Wenige sind imstande gewesen, der scheinbaren Evidenz dieser Beweisführung zu widerstehen, und doch ist nichts in der Welt leichter, als sie zu widerlegen. Wir brauchen uns nur des Satzes zu erinnern, dessen Gültigkeit ehemals von uns ausführlich dargelegt worden ist, daß wir nämlich die Verknüpfung zwischen Ursachen und Wirkungen niemals wahrnehmen, sondern immer nur aufgrund der Beobachtung einer konstanten Verbindung derselben zur Kenntnis dieser Beziehung gelangen können. Nun sind alle Gegenstände, die sich nicht widersprechen, (ansich) einer solchen konstanten Verbindung fähig. Wirkliche Gegenstände aber widersprechen sich niemals. Hieraus habe ich schon ehemals die Folgerung gezogen, daß, wenn wir die Sache a priori betrachten, Beliebiges Beliebiges hervorbringen könnte, daß keinerlei Vernunftgründe ausfindig gemacht werden können, aus denen sich ergäbe, daß ein Gegenstand die Ursache eines anderen sein oder nicht sein könnte, die Ähnlichkeit zwischen den Gegenständen mag so groß oder so klein sein wie sie will.

Dies nun macht offenbar die (ganze) obige Überlegung über die Ursache unserer Gedanken oder Perzeptionen zunichte. Daß wir keinerlei Verknüpfung zwischen Bewegung und Denken zu entdecken vermögen, tut nichts zur Sache; denn eine solche finden wir bei anderen Ursachen und Wirkungen ebensowenig. Man bringe einen Körper, der ein Pfund wiegt, an das eine Ende eines Hebels und einen anderen Körper, der das gleiche Gewicht hat, an das andere Ende; man wird in diesen Körpern ebensowenig irgendein - durch die Entfernung der Körper vom Mittelpunkt bedingtes - bewegendes Prinzip entdecken, als ein denkendes Prinzip oder ein Prinzip der Perzeption. Wenn man daher a priori erklärt, Raumbeziehungen von Körpern könnten niemals die Ursache eines Gedankens sein, weil sie, man wende sie, wie man will, nichts sind als eben Raumbeziehungen von Körpern, so muß man ganz in derselben Weise schließen, daß Raumbeziehungen niemals eine Bewegung veranlassen können, da im einen Fall die Verknüpfung nicht wahrnehmbarer ist, als im anderen. Da der letztere Schluß offenbar unseren Erklärungen widerspräche, da es andererseits denkbar wäre, daß wir hinsichtlich der Tätigkeiten des Geistes gleiche Erfahrungen besitzen, d. h. daß wir auch zwischen Gedanken und Bewegungen konstante Verbindungen wahrnähmen, so heißt es allzu hastig schließen, wenn man aus der bloßen Betrachtung der Vorstellungen folgert, es sei unmöglich, daß Bewegung ein Denken erzeugt, oder daß voneinander verschiedene räumliche Lagen der Teile eines Körpers voneinander verschiedene Affekte oder Gedanken hervorrufen. In der Tat ist es nicht allein denkbar, daß wir solche Erfahrungen machen können, sondern es ist sicher, daß wir sie machen; jeder kann sich überzeugen, daß Unterschiede in den Zuständen des Körpers die Gedanken und Gefühle verändern. Sagt man, dies beruth auf der Verbindung von Seele und Körper, so antworte ich, daß wir hier die Frage nach der Substanz des Geistes von der nach der Ursache des Denkens trennen müssen. Tun wir dies und beschränken uns auf die letztere Frage, so finden wir zunächst, wenn wir die Vorstellungen des Denkens und der Bewegung miteinander vergleichen, daß sie voneinander verschieden sind. Andererseits lehrt uns die Erfahrung, daß sie beständig miteinander verbunden sind. Da Verschiedenheit der Ursache und Wirkung und Konstanz ihrer Verbindung (jederzeit) die einzigen Faktoren sind, die in den Begriff der Ursächlichkeit eingehen, wenn wir ihn auf die Wirkungsweisen der Materie anwenden, so können wir mit Sicherheit schließen, daß eine (materielle) Bewegung auch die Ursache unserer Gedanken und Perzeptionen sein kann, vielmehr daß sie es tatsächlich ist.

Nur zwischen zwei Möglichkeiten, so scheint es, haben wir im vorliegenden Fall die Wahl. Entweder wir behaupten, es gebe keine Ursächlichkeit außer daß der Geist in der Vorstellung der Gegenstände die (kausale) Verknüpfung zu entdecken vermag, oder wir sagen, alle Gegenstände, die wir beständig miteinander verbunden finden, müssen eben deswegen als Ursache und Wirkung angesehen werden. Entscheiden wir uns für die erstere Annahme, so ergibt sich daraus Folgendes: Erstens behaupten wir damit in Wahrheit, daß es im Weltall gar nichts derartiges wie eine Ursache oder ein hervorbringendes Prinzip gibt, daß auch die Gottheit kein solches ist; denn auch unsere Vorstellung dieses höchsten Wesens stammt aus bestimmten Eindrücken; und von diesen enthält keiner ein Element in sich, das den Namen einer wirkenden Kraft tragen könnte; keiner läßt uns irgendeine (notwendige) Verknüpfung mit irgendetwas anderem an sich entdecken. Wenn gesagt wird, die Verknüpfung zwischen der Vorstellung eines unendlich mächtigen Wesens und der eines von ihm gewollten Erfolges sei notwendig und unvermeidlich, so antworte ich, daß wir keine Vorstellung von einem Wesen haben, das irgendeine Macht besitzt, und noch weniger von einem, das mit unendlicher Macht ausgestattet ist. Wir gewinnen auch nichts, wenn wir andere Ausdrücke einführen. "Macht" können wir nur definieren als (notwendige) Verknüpfung. Sagen wir also, die Vorstellung von einem unendlich mächtigen Wesen sei mit der Vorstellung aller von ihm gewollten Erfolge notwendig verknüpft, so behaupten wir in Wirklichkeit nichts anderes, als: ein Wesen, dessen sämtliche Willensakte mit dem entsprechenden Erfolg notwendig verknüpft sind, sei mit allen dieser Erfolgen notwendig verknüpft. Diese Behauptung aber wäre eine identische und gewährt uns keinerlei Einsicht in die Natur dieser Macht oder notwendigen Verknüpfung.

Zweitens führt uns aber die Annahme, die Gottheit sei das große und wirkende Prinzip, das zu den ansich unzulänglichen Ursachen überall ergänzend hinzutritt, zu den gröbsten Gottlosigkeiten und Ungereimtheiten. Denn wenn wir sagen, die Materie kann nicht aus sich selbst eine Bewegung mitteilen oder ein Denken hervorrufen, weil hier keinerlei unmittelbar auffindbare (kausale) Verknüpfung besteht, und dies zwingt uns bei den materiellen Wirkungen zu jenem göttlichen Prinzip unsere Zuflucht zu nehmen, so müssen wir aus eben demselben Grund auch annehmen, daß die Gottheit Urheberin aller unserer Willensakte und Perzeptionen ist: denn die Verknüpfung dieser Willensakte und Perzeptionen untereinander oder mit der angenommenen, wenngleich unbekannten Seelensubstanz ist nicht auffindbarer. Eine solche Machtbetätigung des höchsten Wesens ist dann auch, wie wir wissen, von verschiedenen Philosophen mit Rücksicht auf alle Tätigkeiten des Geistes, ausgenommen das Wollen, oder richtiger einen unwesentlichen Teil des Wollens, behauptet worden; es ist aber leicht zu erkennen, daß auch diese Ausnahme nur eine Ausflucht ist, um den gefährlichen Folgen jener Lehre zu entgehen. Wenn nichts tätig ist als das, was eine in ihm selbst auffindbare Kraft besitzt, so ist das Denken jedenfalls nicht tätiger als die Materie; und wenn diese Untätigkeit uns veranlassen muß, zu einer Gottheit unsere Zuflucht zu nehmen, so ist das höchste Wesen die wahre Ursache aller unserer Handlungen, der guten wie der bösen, der sündhaften wie der tugendhaften.

So sehen wir uns notwendig zur anderen Seite des obigen Dilemmas hingedrängt, also zu der Annahme, die Gegenstände, die sich als beständig miteinander verbunden erweisen, sind, lediglich vermöge dieser Verbindung, Ursachen und Wirkungen. Da nun alle Gegenstände, die einander nicht widersprechen, einer beständigen Verbindung (ansich) fähig sind, und wirklich Gegenstände sich nie widersprechen, so muß, soweit wir nur irgendwie nach bloßen Vorstellungen entscheiden können, Beliebiges die Ursache oder Wirkung von Beliebigem sein können. Dies gibt offenbar den Materialisten den Vorzug vor ihren Gegnern.

Um jetzt unser zusammenfassendes und endgültiges Urteil auszusprechen, so ist die Frage nach der Substanz der Seele vollständig unverständlich. Unsere Perzeptionen sind einer örtlichen Verbindung sowohl mit dem, was ausgedehnt, als mit dem, was unausgedehnt ist, unfähig, da einige von ihnen der einen und andere der anderen Art sind. Da andererseits die beständige Verbindung von Gegenständen das wahre Wesen der ursächlichen Beziehung ausmacht, so können, soweit wir überhaupt eine Vorstellung von dieser Beziehung haben, Materie und Bewegung recht wohl als Ursachen des Denkens angesehen werden.

Es ist sicherlich für die Philosophie, deren allbeherrschende Autorität überall anerkannt werden sollte, eine Art von Beleidigung, daß sie bei jeder Gelegenheit gezwungen ist, für ihre Ergebnisse Entschuldigungsgründe zu suchen und sich gegenüber den einzelnen Künsten und Wissenschaften, die sich von ihr gekränkt fühlen mögen, zu rechtfertigen. Dies erinnert an einen König, der des Hochverrats gegen seine Untertanen angeklagt ist. Nur eine Gelegenheit gibt es, bei welcher die Philosophie es für nötig und selbst für ehrenwert halten muß, sich zu rechtfertigen. Diese Gelegenheit tritt dann ein, wenn die Religion, deren Rechte ihr ebenso teuer sind, wie ihre eigenen, und die auch tatsächlich dieselben Rechte, wie sie selbst besitzt, im Geringsten angegriffen erscheint. Sollte jemand denken, daß unsere obigen Darlegungen für die Religion irgendwie gefährlich sein könnten, so hoffe ich, die folgende Apologie [Rechtfertigung - wp] wird seine Befürchtungen zerstreuen.

Für einen Schluß a priori bezüglich der Wirkungsweisen oder der Dauer irgendeines Objektes, von dem sich der menschliche Geist eine Vorstellung machen kann, fehlen alle Voraussetzungen. Man kann sich bei jedem Gegenstand vorstellen, daß er einmal aufhört, tätig zu sein, oder daß er in irgendeinem Augenblick ganz und gar vernichtet wird. Es ist aber ein evidenter Satz, daß dasjenige, was wir uns vorstellen können, auch möglich ist. Und es gilt dies von der Materie nicht mehr, als vom Geist, von einer ausgedehnten und zusammengesetzten Substanz nicht mehr, als von einer einfachen und unausgedehnten. (Mögen wir also die Seele in dieser oder in jener Weise denken), die metaphysischen Beweise für die Unsterblichkeit der Seele sind in beiden Fällen gleich wenig überzeugend. Dafür sind in beiden Fällen die moralischen Beweise, und diejenigen, die auf Analogien mit der Natur beruhen, gleich stark und überzeugend. Wenn daher meine Philosophie zu den Beweisgründen für die Religion nichts hinzufügt, so habe ich wenigstens die Genugtuung, zu wissen, daß sie nichts von ihnen fortnimmt, also alles genau so bleibt wie zuvor.
LITERATUR: David Hume, Traktat über die menschliche Natur [in deutscher Bearbeitung von THEODOR LIPPS] Bd. I, Hamburg und Leipzig 1904.
    Anmerkungen
    7) Teil II, Abschnitt 5
    8) Abschnitt 2.
    9) Wie der in Abschnitt 2 besprochene Schluß aus der Kohärenz der Wahrnehmungen.