ra-1cr-4 F. H. JacobiE. PfleidererA. RiehlK. F. Stäudlin    
 
DAVID HUME
Von den skeptischen und
anderen Systemen der Philosophie

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"Ein edler oder ein gemeiner Charakter, Sanftmut oder Grausamkeit, Mut oder Kleinmütigkeit, all das kann (im Traum) die Wahngebilde der Einbildungskraft vollkommen frei beeinflussen und offenbart sich darum in ihnen in den grellsten Farben. In gleicher Weise, scheint mir, kann uns eine Kritik der Wahngebilde der alten Philosophie betreffend die Substanzen, substanziellen Formen, Akzidenzien und verborgenen Qualitäten zu allerlei nützlichen Entdeckungen führen."

"Es wird von den urteilsfähigsten Philosophen zugestanden, daß die Vorstellung eines Körpers nichts anderes ist als ein vom Geist geschaffenes Zusammen von Vorstellungen verschiedener, ansich selbständiger sinnlicher Qualitäten, die ein Objekt zusammensetzen und dabei eine konstante Verbindung miteinander zeigen."

"Es ist wohl der Mühe wert, über die Gründe nachzudenken, durch die wir veranlaßt werden, uns so allgemein in solchen offenbaren Widersprüchen zu bewegen, und über die Mittel, mit deren Hilfe wir diese Widersprüche verbergen suchen."

"Wenn Farben, Töne, Geschmack und Geruch bloß für unsere Wahrnehmung existieren, so besitzt überhaupt nichts, was wir vorstellen können, eine wirkliche, dauernde und von uns unabhängige Existenz; auch der Bewegung, Ausdehnung und Festigkeit, also den primären Qualitäten, auf die man vor allem Gewicht legt, kann dann keine solche Existenz zukommen."


Dritter Abschnitt
Von der alten Philosophie

Mehrere Moralisten sind der Meinung gewesen, ein ausgezeichnetes Mittel, das eigene Herz kennen zu lernen und des Fortschritts auf dem Weg der Tugen sich bewußt zu werden, bestehe darin, daß man sich morgens an seine Träume erinnert und sie mit derselben Strenge prüft, mit der man seine ernstesten und überlegtesten Handlungen prüfen würde. Unser Charakter, sagen sie, ist überall der gleiche, er erscheint aber da am deutlichsten, wo Vorstellung, Furcht und Weltklugheit keine Rolle spielen und die Menschen weder sich selbst, noch anderen gegenüber Heuchler sein können. Ein edler oder ein gemeiner Charakter, Sanftmut oder Grausamkeit, Mut oder Kleinmütigkeit, all das kann (im Traum) die Wahngebilde der Einbildungskraft vollkommen frei beeinflussen und offenbart sich darum in ihnen in den grellsten Farben. In gleicher Weise (nun), scheint mir, kann uns eine Kritik der Wahngebilde der alten Philosophie betreffend die Substanzen, substanziellen Formen, Akzidenzien und verborgenen Qualitäten zu allerlei nützlichen Entdeckungen führen; so unvernünftig und wunderlich auch (alle) diese (Fiktionen) sind, so stehen sie doch mit den Prinzipien der menschlichen Natur in engstem Zusammenhang.

Es wird von den urteilsfähigsten Philosophen zugestanden, daß die Vorstellung eines Körpers nichts anderes ist als ein vom Geist geschaffenes Zusammen von Vorstellungen verschiedener, ansich selbständiger sinnlicher Qualitäten, die ein Objekt zusammensetzen und (dabei) eine konstante Verbindung miteinander zeigen. So gewiß nun aber diese Qualitäten ansich selbstständige Bewußtseinsobjekte sind, so betrachten wir doch jedesmal das Ganze, das sie bilden, als Eines und zugleich als etwas, das trotz sehr wesentlicher Veränderungen dasselbe bleibt. Die zugestandene Zusammengesetztheit steht aber offenbar mit dieser angenommenen Einfachheit, und (ebenso) die Veränderung mit der Identität im Widerspruch. Es ist wohl der Mühe wert, über die Gründe nachzudenken, durch die wir veranlaßt werden, uns so allgemein in solchen offenbaren Widersprüchen zu bewegen, und über die Mittel, mit deren Hilfe wir diese Widersprüche verbergen suchen.

Da die Vorstellungen der mancherlei voneinander unterschiedenen sukzessiven Qualitäten der Gegenstände durch eine sehr enge Beziehung untereinander verbunden sind, so muß offenbar der Geist der Betrachtung einer solchen Sukzession leicht von einem Element zum anderen fortgeleitet werden; er wird demgemäß eines Wechsels hier ebensowenig inne werden, als wenn er denselben unveränderlichen Gegenstand betrachten würde. Dieser leichte Übergang ist die Wirkung, oder besser gesagt, das Wesen der (assoziativen) Beziehung. Da nun die Einbildungskraft leicht eine Vorstellung für eine andere nimmt, wenn die Wirkung beider auf den Geist eine ähnliche ist, so ergibt sich, daß jede derartige Aufeinanderfolge miteinander in einer assoziativen Beziehung stehender Eigenschaften leicht als ein dauernder Gegenstand angesehen wird, der unverändert derselbe bleibt. Der Umstand, daß das Denken hier ebenso ungehemmt und ununterbrochen fortgleitet, wie bei der Betrachtung eines Objekts, das tatsächlich unverändert dasselbe bleibt, täuscht den Geist und veranlaßt uns, der Aufeinanderfolge miteinander verknüpfter Eigenschaften trotz ihrer Veränderung gleichfalls Identität zuzuschreiben.

Nun ändern wir aber die Art der Betrachtung einer solchen Aufeinanderfolge. Anstatt der stetigen Veränderung in den aufeinanderfolgenden Zeitpunkten ebenso stetig zu folgen, greifen wir zwei auseinanderliegende Zeitpunkte heraus, um sie uns zugleich zu vergegenwärtigen. Vergleichen wir jetzt die diesen getrennten Zeitpunkten angehörigen Eigenschaften miteinander, so stellen sich die Veränderungen, die unmerklich waren, solange wir sie allmählich entstehen sahen, als in in die Augen fallende Veränderungen dar. Damit scheint die Identität wiederum gänzlich vernichtet. So entsteht, indem wir den Gegenstand nacheinander von verschiedenen Gesichtspunkten betrachten, d. h. so, daß wir bald unmittelbar benachbarte, bald voneinander entfernte Zeitpunkte miteinander vergleichen, eine Art Widerspruch in unserer Auffassung. Wenn wir den Gegenstand in seinen aufeinanderfolgenden Veränderungen stetig verfolgen, so veranlaßt uns das ungehemmte Fortgleiten der Vorstellungstätigkeit, der Aufeinanderfolge Identität zuzuschreiben; da der Geist, wenn wir einen unveränderlichen Gegenstand betrachten, in ähnlicher Weise tätig ist. Wenn wir dagegen einen Zustand ins Auge fassen, in dem er sich befindet, nachdem er eine beträchtliche Veränderung erfahren hat, so geschieht der Fortschritt des Vorstellens sprungweise; wir gewinnen demgemäß die Vorstellung der Verschiedenheit. Um nun diese sich widerstreitenden Gedanken zu versöhnen, ist die Einbildung geneigt, etwas Unbekanntes und Unsichtbares zu erdichten, von dem sie annimmt, daß es in all jenen Veränderungen sich gleich bleibt; dieses unfaßbare Etwas nennt sie Substanz oder ursprüngliche und erste Materie.

Unsere Vorstellung der Einfachheit der Substanzen ist gleicher Art und beruth auf dem gleichen Grund. Angenommen, ein vollkommen einfacher und unteilbarer Gegenstand stellt sich uns dar, und daneben eine anderer Gegenstand, dessen koexistente Teile durch eine enge Beziehung miteinander verknüpft sind. Auch bei der Betrachtung dieser beiden Gegenstände sind die geistigen Vorgänge nicht sehr verschieden. Die Einbildungskraft erfaßt den einfachen Gegenstand mit einem Mal, mit Leichtigkeit, durch eine einmalige Anstrengung der Vorstellungstätigkeit, ohne Wechsel oder Veränderung innerhalb derselben. Die Verknüpfung der Teile in diesem zusammengesetzten Gegenstand aber macht, daß sich der Geist zu ihm fast ebenso verhält. Sie macht den Gegenstand in sich derart einheitlich, daß die Einbildungskraft den Übergang von einem Teil zum andern nicht empfindet. Daher werden Farbe, Geschmack, Gestalt, Festigkeit und andere Eigenschaften, die in einem Pfirsich oder einer Melone verbunden sind, so aufgefaßt, als ob sie Eines bilden; und zwar hat dies seinen Grund in der engen Beziehung dieser Eigenschaften, die sie auf unser Vorstellen so wirken läßt, als ob die Objekte vollkommen unzusammengesetzt wären. Dabei beruhigt sich der Geist jedoch nicht. Eine andere Weise, den Gegenstand zu betrachten, läßt ihn all diese Eigenschaften wiederum als verschieden und unterscheidbar und voneinander trennbar erkennen. Da nun diese Auffassung von den Dingen jener ersten und natürlichen Auffassung zuwiderläuft, so sieht sich die Einbildungskraft auch hier veranlaßt, ein unbekanntes Etwas oder eine "ursprüngliche Substanz oder Materie" zu erdichten, und hierin das die Einheit oder den Zusammenhang der Eigenschaften herstellende Prinzip zu sehen, also das, was dem zusammengesetzten Gegenstand das Recht gibt, trotz der in ihm vorhandenen Verschiedenheit oder trotz seiner Zusammengesetztheit ein Gegenstand zu heißen.

Die peripatetische [aristotelische - wp] Philosophie behauptet, die "ursprüngliche Materie" sei in allen Körpern vollkommen homogen; sie sieht in Feuer, Wasser, Erde und Luft wegen der zwischen ihnen stattfindenden allmählichen Übergänge und Verwandlungen überall ein und dieselbe Substanz. Zu gleicher Zeit erkennt sie aber jeder besonderen Art von Dingen eine besondere substanzielle Form zu. Diese substanzielle Form ist, nach Annahme jener Philosophie, die Quelle all der Eigenschaften, welche die Dinge voneinander unterscheiden; sie ist es zugleich, die in jeder besonderen Art von Gegenständen in besonderer Weise die Einfachheit und Identität begründet. (Dies alles ist psychologisch wohl verständlich.) Die Anwendung der fraglichen Begriffe hängt jedesmal von unserer Art ab, die Gegenstände zu betrachten. Wenn wir auf die unmerklichen Veränderungen der Körper sehen, so nehmen wir an, es sei in allen dieselbe Substanz oder dasselbe Wesen. Wenn wir ihre wahrnehmbaren Unterschiede ins Auge fassen, so schreiben wir jedem eine substanzielle oder Wesensverschiedenheit zu. Um uns schließlich in diesen beiden Betrachtungsweisen unserer Gegenstände zugleich ergehen zu können, nehmen wir an, daß alle Körper zu gleicher Zeit eine Substanz und eine substanzielle Form besitzen. Die Vorstellung der Akzidenzien [das Nicht-Wesentliche - wp] ist eine unvermeidliche Folge dieser Art, Substanzen und substanzielle Formen zu fingieren. Dieselbe nötigt uns, Farben, Töne, Geschmack, Gestalt und die anderen Eigenschaften der Körper als Existenzen anzusehen, die nicht für sich bestehen können, sondern ein Substrat erfordern, dem sie anhaften oder das sie trägt und hält. Wir haben niemals eine dieser sinnlichen Eigenschaften wahrgenommen, ohne uns aus den oben erwähnten Gründen einzubilden, es müsse auch eine zugehörige Substanz existieren. Daraus entsteht eine Gewohnheit von derselben Art, wie die Gewohnheit, die dem Gedanken der ursächlichen Verknüpfung zugrunde liegt. Dieselbe läßt hier den Gedanken einer Abhängigkeit aller Eigenschaften von der unbekannten Substanz entstehen. Die Gewohnheit, sich eine Verbindung der Qualitäten mit einer Substanz einzubilden, hat dieselbe Wirkung, die die Gewohnheit, sie zu beobachten haben würde. Diese Täuschung ist jedoch nicht vernünftiger als irgendein eine der früher erörterten. Da jede Eigenschaft ein von jeder anderen unterschiedenes Etwas ist, so kann sie als für sich existierend vorgestellt werden und (demnach tatsächlich) für sich oder ohne anderes existieren; nicht allein ohne eine andere Eigenschaft, sondern auch ohne jene unfaßbare Chimäre [Zwitterwesen - wp], die man als Substanz bezeichnet.

Jene Philosophen treiben aber ihre Fiktionen noch weiter in der Lehre von den verborgenen Eigenschaften. Hier statuieren sie außer der als Träger dienenden Substanz, von der sie nichts wissen, auch noch eine von ihr getragene Eigenschaft, von der sie eine ebenso unvollkommene Vorstellung haben. Das ganze System wird auf solche Weise zu einem System von Unvorstellbarkeiten. Und doch beruth es auf Voraussetzungen, die dem menschlichen Geist ebenso natürlich sind wie nur irgendwelche der früher erörterten.

Wenn wir genauer zusehen, so können wir hier eine Stufenfolge von drei Anschauungen statuieren, die sich entsprechend dem Grad von vernünftiger Einsicht und Wissen, dessen sich ihre Vertreter erfreuen, eine über die andere erheben. Es sind dies: die Anschauung der Menge, die Anschauung, der eine falsche, und diejenige, der die wahre Philosophie huldigt. Bei näherer Untersuchung ergibt sich, daß die wahre Philosophie dem Urteil der Menge näher kommt als den Anschauungen der falschen Wissenschaft. Es ist den Menschen in ihrer gewöhnlichen und sorglosen Art zu denken durchaus natürlich, sich einzubilden, sie nähmen zwischen den Gegenständen, die sie beständig miteinander verbunden gesehen haben, eine Verknüpfung wahr. Weil die Gewohnheit es ihnen schwer gemacht hat, die Vorstellungen der Gegenstände zu trennen, so sind sie geneigt zu denken, eine solche Trennung sei an und für sich unmöglich und in der Vorstellung unvollziehbar. Die Philosophen dagegen, die, ohne sich durch die Wirkungen der Gewohnheit beirren zu lassen, die Vorstellungen der Dinge zum Gegenstand einer vergleichenden Betrachtung machen, überzeugen sich leicht von der Irrtümlichkeit dieser landläufigen Meinung; sie finden, daß keine erkennbare Verknüpfung zwischen den Gegenständen besteht. Jedes einzelne der Objekte erscheint ihnen als etwas vollkommen Gesondertes und für sich Bestehendes; sie wissen, daß wir nicht aufgrund einer Einsicht in die Natur und die Eigenschaften der Gegenstände von dem einen auf den anderen schließen, sondern nur weil wir bemerkt haben, daß die Gegenstände in mehreren Fällen konstant miteinander verbunden gewesen sind. Anstatt nun aber die richtige Folgerung aus dieser Beobachtung zu ziehen und einzusehen, daß wir keine Vorstellung einer außerhalb des Geistes vorhandenen, den Ursachen selbst angehörigen Kraft oder Fähigkeit des Wirkens besitzen; anstatt, sage ich, diese Folgerung zu ziehen, forschen jene Philosophen nun doch wieder nach den Qualitäten, in denen jene Fähigkeit des Wirkens liegen könnte. Sie tun dies, obgleich ihnen keiner der Versuche ihrer Vernunft, ihnen (auch nur) das Wesen dieser "Fähigkeit" deutlich zu machen, genügt. Sie haben geistige Energie genug, um sich von dem gewöhnlichen Irrtum loszumachen, als bestehe eine natürliche und wahrnehmbare Verknüpfung zwischen den verschiedenen sinnlich wahrnehmbaren Eigenschaften und Tätigkeiten der Materie, aber sie haben nicht genug geistige Energie, um sich nicht doch immer wieder verführen zu lassen, diese Verknüpfung in der Materie oder in den Ursachen selbst zu suchen. Hätten sie aus jener Einsicht die richtige Konsequenz gezogen, so würden sie es machen, wie es die Menge zu machen pflegt, d. h. sie würden all den Bemühungen, jene "verborgenen Qualitäten" zu finden, gleichgültig und interesselos zusehen. Jetzt scheinen sie sich in einem sehr beklagenswerten Zustand zu befinden, einem Zustand, von dem uns die Dichter in ihren Beschreibungen der Bestrafung des Sisyphus und Tantalus nur einen schwachen Begriff gegeben haben. Oder kann man sich eine größere Qual denken als die, mit Eifer zu suchen, wo es sich unmöglich jemals finden kann?

Wie aber die Natur überall bestrebt scheint, eine Art ausgleichender Gerechtigkeit zu üben, so behandelt sie schließlich auch die Philosophen nicht erbarmungsloser als die übrigen Glieder der Schöpfung; immer wieder läßt sie dieselben in ihren Enttäuschungen und Kümmernissen ein Trostmittel finden. In unserem Fall nun besteht das Haupttrostmittel in der Erfindung der Wörter Vermögen und verborgene Eigenschaft. Es geschieht gar häufig, daß wir nach öfterem Gebrauch sinnvoller und verständlicher sprachlicher Ausdrücke diese Ausdrücke verwenden, auch ohne die zugehörige Vorstellung damit zu verbinden. Es besteht dann doch zwischen dem Ausdruck und der zugehörigen Vorstellung ein gewohnheitsmäßiger Zusammenhang, vermöge dessen wir uns die Vorstellung nach Belieben ins Gedächtnis zurückrufen können. In der Folge aber geschieht es dann auch, und zwar ganz naturgemäß, daß wir nach dem häufigen Gebrauch von Ausdrücken, die gänzlich nichtssagend und unverständlich sind, wähnen, es verhalte sich bei ihnen ebenso wie bei jenen sinnvollen Ausdrücken, daß wir ihnen demnach gleichfalls einen verborgenen Sinn zuschreiben, den wir durch Nachdenken meinen entdecken zu können. Die Ähnlichkeit in der Art des Auftretens dieser und jener Ausdrücke täuscht, wie es so häufig geschieht, den Geist und läßt uns an eine vollkommene Ähnlichkeit und Übereinstimmung glauben. Hiermit ist das Mittel bezeichnet, durch dessen Anwendung unsere Philosophen die Ruhe ihrer Seele wiederfinden. Eine Täuschung führt sie schließlich zu derselben Sorglosigkeit, zu der die Menge durch Denkunfähigkeit und die wahren Philosophen durch einen maßvollen Skeptizismus gelangt sind. Sie brauchen nur bei jeder Erscheinung, die ihnen rätselhaft ist, zu sagen, sie entspringe aus einem Vermögen oder einer verborgenen Eigenschaft, und jede Meinungsverschiedenheit und jede Untersuchung hat ein Ende.

Schließlich ist aber nicht so geeignet uns zu zeigen, wie sehr sich die Peripatetiker auch vom allergewöhnlichsten Impuls der Einbildungskraft leiten lassen, wie ihren Sympathien und Antipathien und ihrem horror vacui [Angst vor der Leere - wp]. Der menschliche Geist zeigt in auffallender Weise die Neigung, äußeren Gegenständen die Gefühlserregungen beizulegen, die er in sich beobachtet, und überall die Vorstellungsobjekte zu finden, die ihm am unmittelbarsten gegenwärtig sind. Diese Neigung freilich wird durch ein wenig Nachdenken unterdrückt, sie besteht aber noch bei Kindern, bei Dichtern und bei den alten Philosophen. Bei Kindern tritt sie in dem Wunsch zutage, die Steine zu schlagen, die sie verletzen, bei Dichtern in ihrer Geneigtheit, alles zu personifizieren und bei den alten Philosophen in der Annahme von Sympathien und Antipathien in der Natur. Wir müssen den Kindern verzeihen ihres Alters wegen, den Dichtern, weil sie zugestehen, daß sie sorglos den Eingebungen ihrer Einbildung folgen. Welche Entschuldigung aber haben unsere Philosophen, wenn sie eine solche geistige Schwäche an den Tag legen?


Dritter Abschnitt
Von der modernen Philosophie

Da nach meiner eigenen Aussage die Einbildungskraft die letzte Richterin ist in allen philosophischen Fragen, so könnte gegen mich der Vorwurf erhoben werden, ich sei ungerecht, wenn ich die alten Philosophen tadle, daß sie diesem Vermögen vertrauen und sich in ihren Überlegungen so vollkommen von ihm leiten lassen. Gegen diesen Vorwurf rechtfertige ich mich, indem ich inner halb der Einbildungskraft die Antriebe unterscheide, die dauernd, unwiderstehlich und allgemein sind, wie der gewohnte Übergang von Ursachen zu Wirkungen und von Wirkungen zu Ursachen; und diejenigen, die veränderlich, schwach und unregelmäßig sind, wie beispielsweise die jetzt eben besprochenen. Die ersteren sind die Grundlage all unserer Gedanken und Handlungen, so daß mit ihrem Entschwinden die menschliche Natur alsbald zugrunde gehen müßte. Die letzteren sind für die Menschen weder unvermeidlich, noch nötig, noch auch nur für ihre Lebensführung von Nutzen; es zeigt sich vielmehr, daß sie nur von schwachen Geistern Besitz ergreifen, und, da sie den anderen, auf Gewohnheit und Überlegung beruhenden Antrieben widerstreiten, leicht aufgehoben werden können, wenn man ihnen diese in gebührender Weise entgegenstellt. Es werden darum die ersteren von der Philosophie anerkant, die letzteren verworfen. Wenn jemand, der im Dunkeln eine artikulierte Stimme hört, daraus schließt, es sei jemand in seiner Nähe, so denkt er richtig und natürlich, obgleich dieser Schluß lediglich der Gewohnheit entstammt, die in ihm die Vorstellung eines menschlichen Wesens erweckt und derselben, vermöge ihrer gewohnheitsmäßigen Verbindung mit dem gegenwärtigen Eindruck, Lebhaftigkeit verleiht. Wenn aber jemand, ohne zu wissen weshalb, im Dunkeln von der Angst vor Gespenstern gequält wird, so kann man zwar vielleicht von ihm auch sagen, er denke und denke natürlich, aber "natürlich" ist ein solches Denken dann doch nur in dem Sinne, in dem man auch von einer Krankheit sagt, daß sie natürlich ist. Sie ist es, sofern sie aus natürlichen Ursachen entsteht; sie bleibt darum doch der Gesundheit, also dem eigentlich angemessenen und natürlichen Zustand des Menschen entgegengesetzt.

Die Anschauungen der alten Philosophen nun, die Fiktion von Substanzen und Akzidenzien, die Spekulationen über substanzielle Formen und verborgene Eigenschaften, sind gleich den Gespenstern im Dunkeln; sie rühren aus Vorstellungsantrieben her, die, wie gewöhnlich sie auch sein mögen, in der menschlichen Natur weder allgemeine (wirksam) noch unvermeidlich sind. (Im Gegensatz hierzu) erhebt die moderne Philosophie den Anspruch, von diesem Fehler vollkommen frei zu sein und ausschließlich auf den festen, dauernden und beständigen Antrieben der Einbildungskraft zu beruhen. Woraus sich dieser Anspruch gründet, dies muß nun Gegenstand unserer Untersuchung sein.

Der Grundgedanke dieser Philosophie liegt in der Auffassung, die sie hinsichtlich des Wesens der Farben, Töne, des Geschmacks, Geruchs, der Wärme und Kälte vertritt. Diese sind, wie sie behauptet, nichts als Eindrücke des Geistes, herrührend aus der Einwirkung äußerer Gegenstände, ohne irgendeine Ähnlichkeit mit den wirklichen Eigenschaften dieser Gegenstände. Prüfe ich diese Anschauung näher, so finde ich, daß nur einer der Gründe, die für sie gewöhnlich vorgebracht zu werden pflegen, befriedigt, nämlich derjenige, der abgeleitet ist aus den Veränderungen, die jene Eindrücke erleiden können, während der äußere Gegenstand allem Anschein nach derselbe bleibt. Diese Veränderungen hängen von verschiedenen Umständen ab: Vom verschiedenen Zustand unserer Gesundheit: einem kranken Menschen schmecken die Speiese, die ihm vorher behagten, unangenehm; von der verschiedenen Körperbeschaffenheit oder Konstitution der Menschen: dem einen scheint das bitter, was dem anderen süß ist; von der Verschiedenheit des Ortes und der räumlichen Lage der Gegenstände: Farben, die von den Wolken reflektiert werden, verändern sich je nach der Entfernung der Wolken und dem Winkel, den sie mit dem Auge und dem leuchtenden Körper bilden; Feuer verursacht in einer Entfernung eine angenehme und in einer anderen eine schmerzhafte Empfindung. Beispiele dieser Art sind sehr zahlreich und häufig.

Und es ergibt sich auch aus ihnen der denkbar befriedigenste Schluß. Wenn derselbe Sinn von einem Gegenstand verschiedene Eindrücke gewinnt, so kann unmöglich jedem dieser Eindrücke eine gleiche Qualität in einem Gegenstand entsprechen. Derselbe Gegenstand kann nicht zu gleicher Zeit mit verschiedenen, auf dieselben Sinne wirkenden Eigenschaften ausgestattet sein, und ebensowenig kann dieselbe Eigenschaft gänzlich verschiedenen Eindrücken gleichen. Es folgt also klar, daß viele unserer Eindrücke kein Original oder Urbild außerhalb des Geistes haben können. Nun vermuten wir aber bei gleichen Wirkungen gleiche Ursachen. Wir schließen: Viele der Eindrücke von Farben, Tönen usw. sind zugestandenermaßen nichts als als innere Existenzen und entstehen aus Ursachen, die ihnen keineswegs gleichen. Diese Eindrücke sind ihrem Charakter nach von den anderen Eindrücken von Farben, Tönen usw. nicht verschieden. Also werden sie alle in gleicher Weise von Ursachen herstammen, die ihnen nicht gleichen.

Ist nun dieser Satz einmal zugegeben, so scheinen alle anderen Lehren jener Philosophie leicht aus ihm zu folgen. Sprechen wir den Tönen und Farben, der Wärme, Kälte und anderen wahrnehmbaren Eigenschaften den Rang als dauernde und von uns unabhängige Existenzen ab, so bleiben nur die sogenannten "primären" Eigenschaften als wirkliche Eigenschaften, von denen wir eine adäquate Vorstellung haben, übrig. Ursprung, Wachstum, Verfall, Verwesung der Tiere und Pflanzen, das alles sind Arten der Veränderungen der Gestalt und Bewegung. Das Gleiche gilt von den Wirkungen der Körper aufeinander, den Wirkungen des Feuers, Lichts, des Wassers, der Luft, der Erde und aller sonstigen Elemente und Kräfte der Natur. Eine Gestalt und Bewegung ruft eine andere Gestalt und Bewegung hervor, und im ganzen materiellen Universum gibt es außer diesem Grund des Geschehens keinen irgendwie vorstellbaren, weder einen aktiven, noch einen passiven.

Es scheint mir nun aber, als könnten gegen dieses System dennoch mancherlei Einwände erhoben werden. Von diesen will ich hier einen einzigen hervorheben, der meiner Meinung nach ausschlaggebend ist. Ich behaupte, daß die dargelegte Anschauung, statt die Vorgänge in der Außenwelt zu erklären, vielmehr die ganze Außenwelt vollständig vernichtet und uns nur die extravagantesten Anschauungen der Skeptiker übrig läßt. Wenn Farben, Töne, Geschmack und Geruch bloß für unsere Wahrnehmung existieren, so besitzt überhaupt nichts, was wir vorstellen können, eine wirkliche, dauernde und von uns unabhängige Existenz; auch der Bewegung, Ausdehnung und Festigkeit, also den primären Qualitäten, auf die man vor allem Gewicht legt, kann dann keine solche Existenz zukommen.

Um mit der Untersuchung der Bewegung zu beginnen, so ist diese offenbar eine Eigenschaft, die für sich allein und losgelöst aus dem Zusammenhang mit anderem nicht vorgestellt werden kann. Die Vorstellung einer Bewegung setzt notwendigerweise die eines bewegten Körpers voraus. Welcher Art ist nun unsere Vorstellung des bewegten Körpers, ohne den die Bewegung unvorstellbar ist? Dieselbe muß sich irgendwie zurückführen auf die Vorstellung der Ausdehnung oder der Festigkeit; folglich hängt die Wirklichkeit der Bewegung von der Wirklichkeit dieser von ihr verschiedenen Qualitäten ab.

Daß es sich mit der Bewegung so verhält, ist allgemein anerkannt. Ich habe aber auch schon gezeigt, daß Analoges auch wiederum hinsichtlich der Ausdehnung gilt, d. h. daß es unmöglich ist, sich eine Ausdehnung vorzustellen, wenn sie nicht als aus farbigen und mit Festigkeit ausgestatteten Punkten zusammengesetzt vorgestellt wird. Die Vorstellung der Ausdehnung ist ja eine zusammengesetzte Vorstellung; da sie nicht aus einer unendlichen Zahl von Teilen oder elementareren Vorstellungen zusammengesetzt sein kann, so muß sie sich schließlich in solche Vorstellungen auflösen, die vollkommen einfach und unteilbar sind. Diese einfachen und unteilbaren Elemente sind aber, da sie nicht mehr Vorstellungen eines Ausgedehnten sind, überhaupt nichts mehr, sofern sie nicht als farbig oder fest gedacht werden. Nun wird die Farbe (von der modernen Philosophie) aus der Welt der Wirklichkeit ausgeschlossen. Es hängt also die Realität der Vorstellung der Ausdehnung ganz und gar von der Realität der Vorstellung der Festigkeit ab; Ausdehnung kann nicht wirklich sein, wenn die Festigkeit chimärisch [zweifelhaft - wp] ist. Wenden wir uns also zur Prüfung der Vorstellung der Festigkeit.

Die Vorstellung der Festigkeit ist nichts anderes als die Vorstellung, daß Körper, auch wenn sie mit größter Kraft aufeinander einwirken, sich wechselseitig nicht zu durchdringen vermögen, sondern für sich und voneinander gesondert weiter existieren. Festigkeit ist also ansich, d. h. ohne die Vorstellung von Körpern, die fest sind und in gesonderter oder getrennter Existenz verharren, vollkommen unvorstellbar. Welcher Art ist nun die Vorstellung dieser Körper? Vorstellungen von Farben, Tönen und anderen sekundären Eigenschaften sind ausgeschlossen. Die Vorstellung der Bewegung hängt ab von der Vorstellung der Ausdehnung und die Vorstellung der Ausdehnung von der Vorstellung der Festigkeit. Dann ist es unmöglich, daß die Vorstellung der Festigkeit von einer dieser beiden letzteren Vorstellungen abhängt. Denn das hieße sich im Kreis drehen und eine Vorstellung von einer anderen abhängig machen, während zu gleicher Zeit diese von jener abhängig gemacht wird. Es gibt also, wenn die moderne Philosophie Recht hat, gar keine der Wirklichkeit entsprechende und den Forderungen unseres Vorstellens genügende Vorstellung der Festigkeit. Das Gleiche gilt dann hinsichtlich der Vorstellung der Materie.

Diese Beweisführung wird denen zwingend erscheinen, die sie verstehen. Da sie der Mehrzahl der Leser abstrus und verwickelt erscheinen könnte, so bitte ich um Entschuldigung, wenn ich versuche, durch gewisse Änderungen im Ausdruck die Sache noch einleuchtender zu machen. Um die Vorstellung der Festigkeit zu gewinnen, müssen wir uns zwei Körper vergegenwärtigen, die aufeinander drücken, ohne einer in den anderen einzudringen; dagegen können wir unmöglich zu dieser Vorstellung gelangen, wenn wir uns in unserer Vorstellung auf ein Objekt beschränken, viel weniger, wenn wir uns überhaupt kein solches vorstellen. Zwei Nichtseiende können einander nicht räumlich ausschließen, weil sie weder einen Raum einnehmen, noch mit irgendeiner Eigenschaft (auf der jene Wirkung beruhen könnte) ausgestattet sein können. Nun frage ich, welcher Art ist die Vorstellung, die wir uns von diesen Körpern oder Gegenständen, denen nach unserer Voraussetzung Festigkeit zukommt, machen? Sagen, daß wir sie bloß als fest ansehen, hieße sich ins Endlose verlieren. Mit der Behauptung, daß wir sie uns als ausgedehnt vergegenwärtigen, löst man entweder alles in eine falsche Vorstellung auf, oder man dreht sich im Kreis; die Ausdehnung muß entweder als farbig angesehen werden, und das ist ja (der Voraussetzung nach) eine falsche Vorstellung, oder als fest, und das bringt uns auf unsere erste Frage zurück. - Da wir hinsichtlich der Bewegbarkeit und Gestalt zum gleichen Ergebnis gelangen würden, so lautet unser Gesamtresultat, daß, wenn Farben, Töne, Wärme und Kälte etc. aus der Außenwelt ausgeschlossen werden, nichts übrig bleibt, was uns eine sachgemäße und konstitutive Vorstellung äußerer Gegenstände (d. h. eine Vorstellung, die zur Konstitution eines der Sache entsprechenden Bildes geeignet wäre) geben könnte.

Hierzu füge man noch, daß, wie bereits bemerkt wurde, Festigkeit und Undurchdringlichkeit genau genommen nichts anderes sind als eine Unmöglichkeit der Vernichtung; umso dringender bedürfen wir dann der Vorstellung eines bestimmten Gegenstandes, dessen Vernichtung wir als unmöglich vorstellen können. Die Unmöglichkeit, vernichtet zu werden, kann nicht für sich existieren oder als für sich existierend vorgestellt werden, sondern erfordert notwendig irgendeinen Gegenstand oder ein wirkliches Dasein, dem sie als Merkmal zukommen kann. Dann bleibt die Frage, wie wir uns eine Vorstellung von diesem Gegenstand oder dieser Existenz machen können, ohne schließlich zu den sekundären und sinnlich wahrnehmbaren Eigenschaften unsere Zuflucht zu nehmen, bestehen.

Wir dürfen bei dieser Gelegenheit aber auch nicht darauf verzichten, gemäß der sonst von uns geübten Methode, die Vorstellungen dadurch zu prüfen, daß wir nach den Eindrücken fragen, aus denen sie stammen. Die moderne Philosophie behauptet, den Eindrücken, die durch Gesicht, Gehör, Geschmack, Geruch aufgenommen werden, entsprächen keine ähnlichen realen Gegenstände; folglich kann die Vorstellung der Festigkeit, der der Annahme nach Realität zukommt, durch keinen der genannten Sinne vermittelt sein. Als der einzige Sinn, der den Eindruck, welcher das Original der Vorstellung der Festigkeit ist, vermitteln kann, bleibt dann der Tastsinn übrig. In der Tat ist es uns natürlich, uns einzubilden, wir könnten die Festigkeit der Körper tasten (oder "fühlen"), d. h. wir bräuchten nur einen beliebigen Gegenstand zu berühren, um diese Eigenschaft wahrzunehmen. Diese Anschauung ist jedoch mehr eine populäre als eine philosophische, wie sich aus folgenden Überlegungen ergeben wird.

Erstens erkennt man leicht, daß zwar Körper vermöge ihrer Festigkeit Gegenstände der Tastempfindung werden, daß aber trotzdem die Tastempfindung etwas von der Festigkeit durchaus Verschiedenes ist, ja daß beide nicht die geringste Ähnlichkeit miteinander haben. Dem Menschen, dessen eine Hand gefühllos geworden ist, gibt die Wahrnehmung, daß diese Hand, wenn sie auf dem Tisch ruht, von ihm getragen wird, eine ebenso vollkommene Vorstellung der Festigkeit, als wenn er denselben Tisch mit der anderen Hand "fühlt". Ein Gegenstand, der auf irgendeines unserer Glieder drückt, stößt auf Widerstand und dieser Widerstand führt freilich, vermöge der Bewegung, die er den Nerven und Lebensgeistern mitteilt, dem Geist eine gewisse Empfindung zu; daraus folgt aber nicht, daß der Inhalt dieser Empfindung einerseits und die Bewegung und der Widerstand andererseits irgendwie einander ähnlich sein müßten.

Zweitens sind die Eindrücke des Tastsinns, von ihrer Ausdehnung, - die für uns hier nicht in Betracht kommt - abgesehen, einfache Eindrücke. Aus dieser Einfachheit folgere ich, daß sie uns weder Festigkeit, noch sonst irgendetwas Reales vergegenwärtigen können. Denn stellen wir folgende zwei Möglichkeiten einander gegenüber: daß ein Mensch mit seiner Hand auf einen Stein oder einen beliebigen anderen festen Körper einen Druck ausübt, und daß zwei Steine gegeneinander drücken. Ohne weiteres wird zugegeben werden, daß diese beiden Möglichkeiten einander nicht in jeder Hinsicht gleich sind. Im ersteren Fall ist mit der Festigkeit eine Empfindung oder sinnliche Wahrnehmung verbunden, die im letzteren Fall fehlt. Um die beiden Fälle einander gleich zu machen, müssen wir also in Gedanken einen Teil des Eindrucks, den die auf den Stein drückende Person durch ihre Hand oder allgemein, das die Empfindung vermittelnde Organ gewinnt, wegnehmen. Da die bloße Wegnahme eines Teils bei einem einfachen Eindruck unmöglich ist, so sehen wir uns genötigt, den ganzen Eindruck in Gedanken wegzulassen. Damit ist dann zugleich bewiesen, daß dieser ganze Eindruck kein Muster oder Urbild in äußeren Gegenständen besitzt. Hierzu können wir weiterhin den Umstand fügen, daß Festigkeit notwendigerweise zwei Körper, die Berührung derselben, und einen von ihnen ausgeübten Druck voraussetzt. Da sie demnach ein zusammengesetzter Gegenstand ist, so kann sie niemals als ein einfacher Eindruck erscheinen. Dabei habe ich schließlich noch unterlassen, zu erwähnen, daß die Festigkeit stets unverändert die gleiche bleibt, die Eindrücke der Berührung hingegen sich jeden Augenblick verändern; ein deutlicher Beweis dafür, daß die letzteren uns unmöglich die ersteren vergegenwärtigen können.

Mit dem Vorstehenden haben wir einen direkten und vollkommenen Gegensatz zwischen unserer Vernunft und unseren Sinnen, oder richtiger ausgedrückt, zwischen den Schlüssen, die wir aus Ursachen und Wirkungen ziehen, und denen, die uns von der dauernden und unabhängigen Existenz der Körper überzeugen, statuiert. Wenn wir aus Ursachen und Wirkungen schließen, so gelangen wir zu dem Ergebnis, daß weder Farbe, noch Ton, noch Geschmack, noch Geruch eine dauernde und von uns unabhängige Existenz haben. Wenn wir aber diese sinnlich wahrnehmbaren Eigenschaften ausschließen, so gibt es nichts in der Welt, was eine solche Existenz besitzen könnte.
LITERATUR: David Hume, Traktat über die menschliche Natur [in deutscher Bearbeitung von THEODOR LIPPS] Bd. I, Hamburg und Leipzig 1904.