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Die Entwicklung der Wertlehre [ 3 / 3 ]
LAPLACE ist 1812 in seiner Lehre von der fortune morale und fortune physique von BERNOULLI ausgegangen und hat seinerseits F. B. W. HERMANN, dessen erste, 1826 veröffentlichte Schrift ein Lehrbuch der Arithmetik und Algebra war, in seiner 1832 zuerst erschienen Preislehre beeinflußt. In dieser gelangt die Abhängigkeit der Lustempfindung von der Größe der zur Befriedigung der Bedürfnisse verfügbaren Gütermenge bei der Erörterung des Einflusses der Zahlungsfähigkeit des Käufers auf den Preis zur Anerkennung. HERMANN führt, wie BERNOULLI, aus, daß je geringer die Zahlungsfähigkeit einer Person für ein Gut sei, umso größer sei der Wert, den dieses für sie habe, und umgekehrt. In denselben Gedankengängen bewegt sich 1838 COURNOT in einen "Recherches sur les principes mathématiques le la théorie des richesses", wo er eingehende algebraische Berechnungen anstellt über die Höhe des Preises, den mit Rücksicht auf die Nachfrage die Inhaber eines Monopols fordern, und über die Abnahme des Preises, die durch eine immer größere Zahl konkurrierender Verkäufer bewirkt werde. Nachdem dann im Gegensatz zu J. B. SAY dessen Nachfolger am Collége de France, PELLEGRINO ROSSI, die Veränderlichkeit des Gebrauchswerts betont hat, ohne jedoch die für den Tauschwert sich daraus ergebenden Folgerungen zu ziehen, hat der Ingenieur DUPUIT die Bedeutung, die jemand einem Gut für die Befriedigung seiner Bedürfnisse beilegt, zur Grundlage einer mathematischen Berechnung des Werts gemacht. Die Nützlichkeit eines Dings, so ist DUPUITs Gedankengang, ist nichts Absolutes. Sie ist für verschiedene Individuen verschieden und ein Ding, das fähig ist, verschiedenen Bedürfnissen zu dienen, hat auch für ein und dasselbe Individuum eine verschiedene Nützlichkeit je nach der Bedeutung, welche es der Befriedigung dieser Bedürfnisse beilegt. Diese wird wesentlich durch die Zahlungsfähigkeit des Individuums beeinflußt; sie bestimmt, welche Bedeutung jemand angesichts der Gesamtmenge der Güter, die ihm für die Befriedigung seiner Bedürfnisse verfügbar sind, der Befriedigung des einen oder anderen Bedürfnisses beilegt. So angenommen, es handle sich um den Verkauf von Wein; viele Käufer sind anwesend, von denen jeder das Bedürfnis, sich in den Besitz des gebotenen Weins zu setzen in verschiedenem Maß empfindet. Die einen würden bis zu 3 Mark die Flasche geben, wenn sie sie nicht billiger haben könnten, andere nur bis zu 1,50, wieder andere nur zu 1 Mark, wieder andere nur bis zu 50 Pfennig und andere nur 30 Pfennige. Wäre die Flasche nur zu 1,50 Mark zu haben, so würden alle die kaufen, die dem Wein eine entsprechende Bedeutung für die Befriedigung ihres Bedürfnisses beilegen; die anderen würden leer ausgehen. Oder, eine Stadt leidet an Mangel an gutem Wasser. Folge davon ist, daß für die Lieferung eines Hektoliters Wassers pro Tag 50 Mark im Jahresabonnement gezahlt wird. Es ist klar, daß jeder verbrauchte Hektoliter Wasser einen Nutzen hat von wenigstens 50 Mark. Infolge einer Verbesserung der Wasserleitung sinkt der Preis auf 30 Mark. Zunächst hat nun der bisherige Konsument einen Nutzen von 20 Mark pro Hektoliter; allein wahrscheinlich verbraucht er nun mehr Wasser, indem er es zur Befriedigung von minder dringlichen Bedürfnissen benützt. Es zeigt sich, daß von den zwei Hektolitern, die er jetzt täglich verbraucht, der eine einen Nutzen von mehr als 50 Mark, der andere einen Nutzen von zwischen 50 und 30 Mark für ihn hat. Bei einer weiteren Mehrung des Wasserzuflusses sinkt der Preis auf 20 Mark pro Hektoliter; nun benutzt der Konsument das Wasser, um täglich sein Haus zu waschen; bei 10 Mark begießt er seinen Garten; bei 1 Mark schafft er sich einen Springbrunnen an, der fortwährend springt. Also: Die Güter haben eine verschiedene Nützlichkeit nicht bloß für die verschiedenen Menschen, sondern auch für jeden Einzelnen je nach dem Bedürfnis, dem er sie dienstbar macht. Der Preis ist der Ausdruck der Bedeutung, die einem Gut für die Befriedigung eines Bedürfnisses beigelegt wird, der Ausdruck des Nutzens, den ein Ding für jemanden hat. Den Geschäftsleuten ist diese Verschiedenheit des Nutzens sehr bekannt; die Geschicklichkeit des Verkaufens besteht darin, von jedem Käufer den Preis zu erlangen, welcher der größten Bedeutung entspricht, die er einem Gut für die Befriedigung seiner Bedürfnisse beilegt, von dem einen 100, dem andern 50, dem andern 10 Mark. Bei der Bemessung der Gütertarife gelangt dieses Prinzip zur Anwendung, indem man je nach der Kostbarkeit des zu transportierenden Gutes einen höheren oder geringeren Satz pro Doppelzentner und Kilometer verlangt. Der Gesamtnutzen eines vorhandenen Gütervorrats ergibt sich durch Addition all der verschiedenen Preise, welche beim Verkauf sämtlicher Teile derselben gezahlt worden sind, indem man also zum Preis, den derjenige für das Gut bezahlt hat, der ein Bedürfnis am dringlichsten empfindet, alle Preise addiert, welche für die übrigen Teile des Gütervorrats bis zu dessen völliger Erschöpfung gezahlt worden sind. DUPUIT hat die Aufsätze, in denen er diese Lehren entwickelt hat, als Teile eines Systems der Nationalökonomie bezeichnet, das er zu veröffentlichen beabsichtigt. Dieses System ist meines Wissens niemals erscheinen. Vielmehr war es HERMANN HEINRICH GOSSEN, der als erster den Gedanken der abnehmenen Lustempfindung bei der Mehrverwendung von Genußeinheiten auf die Befriedigung eines Bedürfnisses zur Grundlage eines nationalökonomischen Systems gemacht hat. Sein Buch "Entwicklung der Gesetze des menschlichen Verkehrs und der daraus fließenden Regeln für das menschliche Handeln", Braunschweig 1853, zeigt uns den Verfasser als einen Mathematiker, der sich ganz in den Bahnen eines LAPLACE, EULER, BERNOULLI bewegt, so daß es schwer ist anzunehmen, daß GOSSENs Neffe recht hat, wenn er meint (15), GOSSEN habe EULER ganz sicher niemals gelesen. Ebensowenig kann ich denen beistimmen, die meinen, GOSSEN habe BENTHAM nicht gelesen. Vielmehr ist er ein so rigoroser Utilitarier und zeigt so viele Anklänge an BENTHAM, dessen Werke gerade damals ins Deutsche übersetzt wurden (16), daß die Übereinstimmung geradezu wunderbar wäre, wäre BENTHAM GOSSEN unbekannt geblieben. Bei der Bedeutung, die GOSSENs Wertlehre erlangt hat, ist es nötig, bei seinem System etwas ausführlicher zu verweilen. Nach GOSSEN ist für den Wert der Dinge maßgebend einzig der Genuß, den es bringt, wenn man sie auf die Befriedigung der Bedürfnisse verwendet. Alles Genießen aber wird durch zwei Gesetze beherrscht:
2. eine ähnliche Abnahme des Genusses findet statt, wenn wir den früher bereiteten Genuß wiederholen; sowohl die anfängliche Größe als auch die Dauer des Genusses vermindern sich umso mehr, je rascher die Wiederholung erfolgt. Damit steht nicht im Widerspruch, daß bei einer Fortsetzung und Wiederholung ein und desselben Genusses der Genußsinn gesteigert wird; denn nichtsdestoweniger sinkt ein und derselbe Genuß, wenn er fortgesetzt oder wiederholt wird. Angesichts der Beschränktheit der Zeit und der Mittel, die jemanden zur Befriedigung seiner Bedürfnisse verfügbar sind, muß er bestrebt sein, jedes seiner Bedürfnisse so weit zu befriedigen, daß die Summe seines Genusses ein Größtes werde. Dies erreicht er, wenn er mit der Befriedigung desjenigen Bedürfnisses beginnt, welches das dringlichste ist, und mit der Verwendung von Zeit und Mitteln auf seine Befriedigung in dem Augenblick aufhört, in dem der mit der Befriedigung sich einstellende Genuß auf das Größte an Genuß herabsinkt, den die Befriedigung des nächst dringlichen Bedürfnisses verschaftt und so weiter. Ferner muß jeder bestrebt sein, die Kenntnis aller dem Menschen möglichen Genüsse, sowie der Mittel zu ihrer Steigerung zu erlangen; denn so oft es ihm gelingt, einen neuen Genuß, sei diese ansich auch noch so klein, zu entdecken oder einen bereits bekannten zu steigern, bietet sich die Möglichkeit, die Summe seines Lebensgenusses zu vergrößern. Diese Gesetze, welche für die Größe des Genusses, den die Befriedigung eines Bedürfnisses schafft, maßgebend sind, sind es auch für den Wert der Dinge, welche der Befriedigung eines Bedürfnisses dienen. Sie haben Wert in dem Maß, in dem sie geeignet scheinen, Lebensgenuß zu verschaffen. Damit ist gesagt: Da ein und derselbe Genuß abnimmt, wenn man ihn ununterbrochen fortsetzt oder ihn wiederholt, haben auch die verschiedenen Einheiten einer Güterart, welche auf die Befriedigung eines bestimmten Bedürfnisses verwendet werden, nicht den gleichen Wert; es sinkt ihr Wert je nach dem Maß, in dem bereits eine Sättigung eingetreten ist. Folgerichtig hat für jeden Menschen nur eine bestimmte Zahl von Einheiten einer Güterart Wert; wird ihre Zahl über dieses Maß vermehrt, so werden sie wertlos; diese Wertlosigkeit aber tritt erst ein, nachdem mit zunehmender Menge der Wert die verschiedensten Größenstufen durchlaufen hat. Handelt es sich um Güter, die auf die Befriedigung mehrerer Bedürfnisse, sei es nacheinander, sei es gleichzeitig verwendet werden können, so folgt aus dem Dargelegten, daß man im ersteren Fall das Gut zunächst auf das Bedürfnis verwendet, welches das dringlichste ist, mit dieser Verwendung aber in dem Augenblick aufhört, in dem der dadurch bereitete Genuß auf das Größte an Genuß herabsinkt, den seine Verwendung auf das nächste dringliche Bedürfnis schafft. Die Bedeutung, welche die Befriedigung des am wenigsten dringlichen Bedürfnisses, dem die letzte verfügbare Einheit der Güterart dient, für den Lebensgenuß hat, wird dann maßgebend für den Wert jeder einzelnen der verfügbaren Gütereinheiten. Wo dagegen ein Gut gleichzeitig mehreren Bedürfnissen dienstbar gemacht werden kann, ist sein Wert gleich der Bedeutung, für die Befriedigung sämtlicher Bedürfnisse, denen es dient; wie z. B. der Wert eines geschmackvoll gearbeiteten Stuhls gleich ist der Bedeutung, die ihm für das Sitzen und für die Befriedigung eines ästhetischen Bedürfnisses beigelegt wird. Bei immateriellen Bedürfnissen ist der Wert des ihnen dienenden Gutes gleich der Zeitdauer des Genusses, den es bringt. Nicht anders auch bei materiellen Bedürfnissen. Bei Genußmitteln, die nur des einmaligen Gebrauchs fähig sind, richtet sich die verbrauchte Menge nach der Zeitdauer des Genusses; die verzehrte Menge ist der Zeit proportional. Ist der Augenblick momentaner Sättigung erreicht, so hat eine größere Masse keinen Wert; sie erlangt erst wieder Wert, wenn das Bedürfnis sich wieder einstellt. Diese Wertgesetze gelten für alle Klassen von Gütern; es sind drei Klassen zu unterscheiden:
2. Komplementäre Güter, d. h. Güter, welche allein keinen Genuß zu verschaffen vermögen, sondern nur in Verbindung mit anderen; z. B. ein Ofen, der nur Genuß bereitet in Verbindung mit Feuerungsmaterial. Bei solchen Gütern läßt sich bei einem erzielten Genuß nicht feststellen, in welchem Maß er den verschiedenen vereinten Gütern zu danken ist. Diese Güter haben für die Befriedigung der Bedürfnisse nur Bedeutung, wenn sie in dem hierzu erforderlichen Verhältnis miteinander verbunden sind. Daher die Güter, an denen es zur Herstellung des richtigen Verhältnisses fehlt, während alle übrigen, zur Schaffung des Genusses erforderlichen im richtigen Maß gegeben sind, einen steigenden Wert erlangen. Es kann dann vorkommen, daß der Wert des fehlenden letzten Gutes einen größeren Wert erlangt als alle bereits vorhandenen, zur Befriedigung des fraglichen Bedürfnisses bestimmten Güter zusammen. GOSSEN nennt diese komplementären Güter Güter zweiter Klasse. 3. Die Güter dritter Klasse sind solche, die niemals selbst Genußmittel oder Teile von Genußmitteln sind, aber zur Erzeugung solcher dienen. So der Grund und Boden, Maschinen und dgl. Sie sind genausoviel wert, wie die Hilfe beträgt, die sie bei der Hervorbringung von Genußmitteln leisten. Auch für sie gilt, daß nur die Summe des Wertes bestimmbar ist, welchen alle zur Hervorbringung eines Genußmittels dienenden Dinge in ihrer Vereinigung besitzen, während die Bestimmung des auf jedes Einzelne fallenden Wertteils von den besonderen Umständen abhängt; daß ferner der Wert des letzten, was noch erforderlich ist, um einen Genuß zu schaffen, gleich ist der Ergänzung zu der Summe, die die Größe des Genusses darstellt, so daß jedes Einzelne den Wert gleich der ganzen Größe dieses Genusses erlangen kann, wenn nämlich bis auf dieses Eine alles übrige, was, um diesen Genuß zu bereiten, nötig ist, da ist. zur dritten Klasse gehören auch die Dinge, die nötig sind, um Güter dritter Klasse herzustellen. Für die Güter aller drei Klassen gilt der Satz, daß ihr Wert abhängig ist von der Intensität des Bedürfnisses, zu dessen Befriedigung sie dienen sollen und daß dementsprechend ihr Wert sinkt, in dem Maße, in dem dieses Bedürfnis Sättigung findet. Dementsprechend hat derjenige, der nach dem Größten des Lebensgenusses strebt, wenn seine Kräfte nicht ausreichen, um sich alle Genußmittel vollauf zu schaffen, sich ein jedes soweit schaffen, daß die letzte Einheit eines jeden für ihn gleichen Wert hat; d. h. er muß mit der Beschaffung des Genußmittels beginnen, welches dem Bedürfnis dient, welches für ihn das dringlichste ist, und mit seiner Beschaffung in dem Augenblick aufhören, in dem die Befriedigung dieses Bedürfnisses auf das Größte an Genuß herabsinkt, den ihm die Befriedigung des nächst dringlichen Bedürnisses bereitet. Dann muß er sich der Beschaffung des diesem Bedürfnis dienenden Genußmittels zuwenden und damit fortfahren, bis sich auch hier die gleiche Abnahme des Genusses geltend macht usw. Dies gilt für die Güter erster und zweiter Klasse; die Beschaffung der Güter dritter Klasse ist in einem solchen Maß vorzunehmen, wie die Produktion der als vernünftig erscheinenden Menge der Genußmittel es als wünschenswert erscheinen läßt. Die Verwendung von Gütern zur Befriedigung eines Bedürfnisses bringt nun aber in den meisten Fällen keinen reinen Genuß. Nur in wenigen Fällen sind die zur Befriedigung eines Bedürfnisses nötigen Güter den Menschen ohne Gegenleistung verfügbar. Meist kann sich der Mensch die benötigten Güter nur bei mehr oder minder großer Kraftanstrengung verschaffen. Nach vorausgegangener Ruhe schafft jede Kraftanstrengung zunächst Genuß. Darauf bei Fortsetzung einer Anstrengung nimmt der Genuß ab, bis an die Stelle des Genusses die Beschwerde tritt. Diese steigt, je mehr die Bewegung fortgesetzt wird, bis zur schließlichen Erschöpfung der Kräfte. Eine Unterbrechung der Anstrengung bringt alsdann die geschwundenen Kräfte wieder. Eine neue Kraftanstrengung schafft dann abermals zunächst wieder Genuß und führt zur Erneuerung der Fähigkeit, die Beschwerde zu überwinden; bei weiterer Fortsetzung der Anstrengung aber steigt die Beschwerde bis zur abermaligen Erschöpfung der Kräfte, die dann durch eine neue Ruhe wieder ersetzt werden usw. Diese mit der Beschaffung eines Gutes verbundene Beschwerde muß von dem Genuß, den es bereitet, in Abzug kommen, um die wirklich Größe des durch das Gut bereiteten Genusses zu messen. Wie der Genußsinn bei Fortsetzung und Wiederholung ein und desselben Genusses gesteigert wird, so auch die Muskelkraft durch Übung. Jede Steigerung der Muskelkraft führt zur Minderung der Beschwerde bei Betätigung derselben. Damit verlängert sich die Zeit, während welcher die Kraftanstrengung Genuß bringt. Es erhellt sich, daß die Kraft zu genießen und die, deren Betätigung eine Beschwerde verursacht, dieselbe ist, nur daß ihre Wirkung je nach der verschiedenen Dauer ihrer Wirksamkeit als Genuß oder Beschwerde empfunden wird. Eine Kraftanstrengung in der Absicht, etwas neues Genußbringendes, d. h. Wertvolles, zu schaffen, heißt Arbeiten. Wir erhöhen durch Arbeiten solange die Summe unseres Lebensgenusses wie der Genuß des durch die Arbeit Geschaffenen höher als die durch die Arbeit verursachte Beschwerde zu schätzen ist. Der durch das Geschaffene bereitete Genuß erreicht sein Größtes, wenn die Arbeit so lange fortgesetzt wird, daß der Zuwachs an Beschwerde, den sie bringt, dem Zuwachs an Genuß, den das durch sie Geschaffene bereitet, gleichkommt. Aber es handelt sich nicht darum, das Größte an Genuß zu schaffen, den ein einzelnes Gut bereiten kann, sondern ein Größtes an Lebensgenuß. Der Mensch hat nicht nur ein, sondern viele Bedürfnisse. Um ein Größtes an Lebensgenuß zu schaffen, müssen sie alle befriedigt werden. Da nun Zeit und Kräfte des Menschen beschränkt sind, müssen sie, um ein Größtes an Lebensgenuß zu schaffen, auf die Befriedigung aller Bedürfnisse richtig verteilt werden. Das Größte an Lebensgenuß wird dann erreicht, wenn die Befriedigung des letzten Bedürfnisses einen Genuß schafft gleich der Größe der Beschwerde, welche die letzte Kraftanstrengung verursacht, die nötig ist, um dieses letzte Bedürfnis zu befriedigen. Für die Bereitung des Größten an Lebensgenuß ist somit von Bedeutung: Einmal, daß es kein Gut gibt, dem ein absoluter Wert zukäme. Für alle Güter gilt, daß die Bedeutung einer Einheit derselben für die Bedürfnisbefriedigung abnimmt in dem Maße, in dem der Vorrat an Gütern im Verhältnis zum Bedürfnis, zu dessen Befriedigung sie verwendet werden, zunimmt. Die Tatsache, daß der Sammler in ihm fehlendes Stück höher schätzt als was er bereits besitzt, steht damit nicht in Widerspruch, denn
2. gehören alle Sammlungen zu den Gütern zweiter Klasse, die erst in ihrer Vereinigung mit anderen Genuß gewähren; denn die Sammlung gewährt erst den Genuß, bei dessen Erreichung jeder Zuwachs von Genußeinheiten eine Abnahme des Genusses verursacht, wenn die Vollständigkeit der Sammlung erreicht ist. Daher steigt der Wert des zur Vollkommenheit Fehlenden umso höher, je näher man dem Ziel gekommen ist, während die Mehrung bereit erreichter Gutseinheiten, die der Annäherung an das angestrebte Ideal dienten, zur Minderung ihrer Wertschätzung führt. Die Summe des Lebensgenusses steigert sic also jedesmal dann, wenn es dem Menschen gelingt, die Lustempfindung bei der Befriedigung eines Bedürfnisses zu steigern oder die dazu nötige Kraftanstrengung zu midnern. Dementsprechend hat der Mensch, um seinen Lebensgenuß zum Höchsten zu steigern, dahin zu streben:
2. seine Arbeitskraft und Geschicklichkeit möglichst zu steigern, 3. die zur Befriedigung seiner Bedürfnisse nötige Arbeit möglichst zu mindern, und 4. seine Kraft auf die Befriedigung der verschiedenen Genüsse derart zu verteilen, daß er mit der Befriedigung des dringlichsten Bedürfnisses da abbricht, wo der dadurch bereitete Genuß auf das Größte des Genusses herabgesunken ist, den die Befriedigung des nächst dringlichen Bedürfnisses bereitet. Aber nicht bloß, wenn das für den einen Überflüssige gegen das Überflüssige des anderen ausgetauscht wird, bringt der Tausch Gewinne; er ist, und zwar für jeden der Tauschenden, auch dann noch vorteilhaft, wenn man mehr als das Überflüssige hingibt, solange nur die letzte hingegebene Gutseinheit gleichen Wert hat, wie die letzte Einheit der Güterart, die man dafür empfängt. Der Tausch würde erst dann aufhören, für jeden der beiden Tauschenden vorteilhaft zu sein, wenn das, was der eine empfängt, für ihn zwar wertvoller wäre als das, was er hingibt, dagegen das vom anderen Empfangene für diesen nicht mehr als das von ihm Hingegebene wert ist. Der letztere würde sich also nach dem Tausch nicht besser stellen als vor demselben. Hier also die Grenze des Tauschs. Das Größte an Wert wird durch den Tausch dann hervorgerufen, wenn die letzte Einheit der vertauschten Wren, die ein jeder der beiden vom anderen erhält, beiden gleich großen Wert schafft, d. h. wenn die Befriedigung der Bedürfnisse, welche durch den Umtausch möglich wird, für beide von gleich großer Bedeutung ist. Allein nur selten befinden sich die Tauschenden in derartig gleichen Verhältnissen, daß die Massen von Wren, die der eine dem anderen hingeben muß, damit beide gleich große Befriedigung empfinden, gleichviel Arbeit gekostet hat; das würde voraussetzuen, daß beide Menschen sich genau in derselben Lage befinden, mithin im gleichen Alter, in gleicher Lebenskraft, versehen mit gleichen Mitteln, auf gleicher Bildungsstufe, von gleichen Neigungen usw., denn all dies hat Einfluß auf den Wert. Dies dürfte sich nur selten finden. Damit beide Tauschenden gleich großen Wert erhalten, ist als Regel nötig, daß die ausgetauschten Güter ungleiche Mengen an Arbeitskraft enthalten. Die Regel, wie ein Tausch beschaffen sein muß, damit ein Größtes an Wert entsteht, ändert sich nicht, wenn mehr wie zwei Menschen und mehr wie zwei Gegenstände vorhanden sind. "Damit durch den Tausch ein Größtes an Wert entsteht, muß sich nach demselben jeder einzelne Gegenstand unter alle Menschen so verteilt finden, daß das letzte Atom, welches jedem von einem jeden Gegenstand zufällt, bei ihm den gleich großen Genuß schafft, wie das letzte Atom desselben Gegenstandes bei einem jeden anderen." Beschränkt sich ein jeder auf die Herstellung eines oder von so viel Gütern als wünschenswert ist, damit er die höchste Geschicklichkeit erwirbt, und tauscht die übrigen Güter von denen ein, die sie besser oder mit Aufwand von weniger Arbeit herzustellen vermögen, so führt diese Arbeitsteilung zu einer Wertvermehrung, zur Steigerung seines Lebensgenusses. Dasselbe ist die Folge, wenn man jedermann gestattet, seine Kräfte da zu betätigen, wo er die von ihm benötigten Güter mit dem geringsten Aufwand an Kraft beschaffen kann, und wenn alle Güter da hergestellt werden, wo die für sie günstigsten Produktionsbedingungen bestehen. So führt das Streben nach dem größten Wert, d. h. von Lebensgenuß, zur Arbeitsteilung, Freizügigkeit und Freihandel. Aber freilich kann nicht jeder Teil jedes Genußmittels, dessen er bedarf, selbst in den entlegendsten Erdteilen aufsuchen. Allein die Wertvermehrung, welche der Tausch schafft, ist so groß, daß sie "den Tausch fast ohne Ausnahme auch dann noch vorteilhaft macht, wenn nicht jeder Tauschende die ganze Masse vollständig erhält, die sein Mittauschender hinzugeben geneigt ist, sondern unter Umständen statt deren einen sogar nur einen sehr kleinen Teil derselben, da ja, wenn er nach dem Tausch noch seinen vollen Bedarf behält, jede noch so kleine Quantität, die er von einem fremden Gegenstand bekommt, für ihne eine Wertvermehrung mit sich bringt." Damit hängt zusammen, daß den Händlern ein Gewinn gewährt werden kann. Die Händler übernehmen die Aufgabe, die Hindernisse aus dem Weg zu räumen, welche dem zur Wertvermehrung führenden Tausch im Wege zu stehen. Dafür erhalten sie das, was die Tauschenden beim Austausch weniger erhalten, als die Gegenpartei für das Produkt, das vertauscht wird, hinzugeben geneigt ist und hingibt. Der Eintauschende gewinnt dann bei diesem Tausch doch noch so lange, wie die Arbeit, welche er darauf zu verwenden hat, um das im Tausch Hingegebene zustande zu bringen, geringer ist als die Arbeit, welche es ihn kosten würde, das Eingetauschte an seinem Wohnort zu verfertigen. GOSSEN gelangt also hier zu demselben Ergebnis wie aufgrund seiner Kostenwerttheorie RICARDO, wo er lehrt, daß der Austausch für ein Land noch vorteilhaft ist, selbst wenn es dem Ausland in der Produktion aller Produkte, aber nicht gleichmäßig in der Produktion aller Produkte überlegen ist; beschränkt es sich auf die Produktion der Güter, in deren Herstellung seine Überlegenheit über das Ausland am größten ist, so erhält es im Austausch die übrigen Güter gegen diese Produkte unter geringerem Aufwand, als wenn es sie selbst herstellt, obwohl es auch diese billiger als das Ausland herzustellen vermöchte. "Der Handel", sagt GOSSEN, "schafft solange eine Wertvermehrung, als indirekt dadurch eine Arbeitsminderung bewirkt wird." Das Größte an Lebensgenuß tritt ein, wenn nach dem Austausch jedes einzelne Produkt unter alle Menschen so verteilt ist, daß das im Besitz eines jeden befindliche Teilchen eines jeden Produkts jedem den gleich großen Nutzen schafft, wie das letzte Teilchen desselben Produkts jedem anderen, und wenn ferner die Produktion der verschiedenen Güter so eingerichtet wird, daß das letzte Teilchen eines jeden Produkts, das einem jeden zufällt, im Verhältnis zur Anstrengung beim Schaffen desselben den gleich großen Genuß gewährt. Bei jeder anderen Verteilung der menschlichen Kräfte würde weniger Genuß und damit weniger Wert geschaffen werden. Aber nicht nur, daß bei einer solchen Ordnung der Produktion ein Größtes an Wert geschaffen wird: jeder Einzelne erhält dann genau den Anteil von dieser Summe, auf welchen er billigerweise Anspruch erheben kann. Dieser wünschenswerte Zustand wird dann erreicht, wenn jeder, um seinen eigenen Lebenszweck in vollkommenster Weise zu erreichen, seine Handlungen so einrichtet, daß bei ungehinderter Wirksamkeit jenes Größte an Lebensgenuß verwirklicht wird. Da die Nationalökonomen dies bisher verkannt haben, sind die hirnverbrannten Theorien des Kommunismus und Sozialismus entstanden. Um jenen idealen Zustand zu verwirklichen, ist nämlich nichts anderes nötig, als die Hindernisse zu beseitigen, die sich dem Einzelnen entgegenstellen, sein Geld in der zweckmäßigsten Weise zu verwenden und den Produktionszweig zu ergreifen, der je nach den Verhältnissen der für ihn vorteilhafteste ist. Geschieht dies, so wird jeder zunächst die Arbeit verrichten, die ihm den größten Verdienst verspricht. Indem jeder dies tut, wird von jedem der verschiedenen Güter eine bestimmte Menge hergestellt. Beim Austausch der Güter gegeneinander zeigt sich, wieviel von jedem Produkt begehrt wird. Dabei kann sich zeigen, daß sowohl mehr als auch weniger, als begehrt wird, hergestellt worden ist. Ist von etwas zuviel produziert, so wird das über den Bedarf Produzierte nicht abgesetzt, bis der Preis so weit herabgesetzt wird, daß alle hergestellten Produkte Käufer finden. Umgekehrt, wenn von einer Ware weniger, als begehrt wird, hergestellt worden ist. Dann wird der Preis so weit erhöht, daß gerade noch alles Hergestellte verkauft wird. Der Preis stellt sich also bei jedem Produkt genau so hoch, daß die ganze produzierte Menge ausgetauscht wird. Steht der Preis über den Kosten, so wenden sich mehr Menschen dieser Produktion zu; damit die Notwendigkeit, mit dem Preis herunterzugehen, um die Gesamtmenge des Produzierten absetzen zu können; das dauert so lange fort, bis der Preis auf das Niveau der Kosten mit Zuschlag des üblichen Gewinns gesunken ist. Umgekehrt, wenn der Preis unter den Kosten steht. Hier wird die Produktion gemindert, bis der Preis so hoch steigt, daß er wieder die Deckung der Kosten und den üblichen Gewinn bringt. Das dauert fort, bis in allen Produktionszweigen die Verhältnismäßigkeit der Belohnung hergestellt ist. Auf diese Weise wird nicht nur der höchste Lebensgenuß aller verwirklicht, sondern es erhält auch ein jeder an den zu seiner Verwirklichung hergestellten Produkten Anteil entsprechend des von ihm bei ihrer Herstellung übernommenene Aufwands. Sehen wir von diesem letzten Satz ab, so zeigt die Lehre GOSSENs wie in den Grundgedanken, so auch in der Lehre, daß die Kosten der beliebig vermehrbaren Güter deren Wert insofern bedingen, als sie deren Seltenheit bestimmen, also eine völlige Übereinstimmung mit der oben dargelegten Lehre GALIANIs. Dieses Zusammenfallen von Seltenheitswert und Kostenwert wird nach GOSSEN durch das Streben nach einem Ausgleich des Gewinns herbeigeführt. Allein die Konkurrenz der nach dem größten Gewinn Strebenden kann dies selbstverständlich nur bei beliebig vermehrbaren Gütern bewirken, nicht dagegen beim Boden und dessen Erträgen. Die Menge verfügbaren Landes, zumal von Land einer bestimmten Qualität, ist ein für allemal gegeben. Die Folge ist die Differenzialrente, welche die Besitzer bevorzugter Grundstücke beziehen. In Übereinstimmung mit seinem Prinzip, daß die Produktion so einzurichten ist, daß das letzte Teilchen eines jeden Produkts, das einem jeden zufällt, im Verhältnis zur Anstrengung beim Schaffen derselben den gleichen Genuß gewährt, gelangt daher GOSSEN trotz seiner Verurteilung jedes Kommunismus und Sozialismus zur Forderung, das Eigentum am Boden aus dem Privatbesitz in den Staatsbesitz überzuführen. Ob die mathematischen Jllustrationen und Beweisführungen GOSSENs bei der Darlegung seiner Lehre die Ursache waren oder sein unerhört schlechter Stil, der seine Sätze oft geradezu unverständlich macht, oder die Umständlichkeit, mit der er selbstverständliche Dinge gelegentlich breittritt, oder sein im Lande HEGELs nie populärer Utilitarismus, oder sein Verlangen nach Beseitiung aller Hindernisse, die der freien Betätigung der Kräfte aller Einzelnen im Weg stehen, oder sein die Grenz des Ernstes hinter sich lassender Optimismus in der Lobpreisung dieser Welt als der besten aller Welten, sobald dies geschehen ist, oder sein Postulat nach Verstaatlichung des Grund und Bodens, jedenfalls haben sein e Zeitgenossen nicht anerkannt, daß er "für die Erklärung des Zusammenseins der Menschen auf der Erdoberfläche" das geleistet habe, "was einem KOPERNIKUS zur Erklärung des Zusammenseins der Welten im Raum gelang". Erst lange Zeit nach seinem Tod hat seine Wertlehre in der nationalökonomischen Wissenschaft aller Völker triumphiert (17). Es findet sich weder bei ROSCHER noch auch in der Allgemeinen Deutschen Biographie auch nur sein Name (18), ja selbst in der zweiten Auflage des Handwörterbuchs der Staatswissenschaften ist über ihn noch nichts zu finden! Übrigens ist es dem Engländer JENNINGS ähnlich ergangen, der zwei jahre nach GOSSEN in seiner Behandlung der Volkswirtschaftslehre auf physiologischer Grundlage dieselben Gedanken wie GOSSEN zum Ausgangspunkt seiner Betrachtungen genommen hat (19). Bei SENIOR findet sich allerdings, ohne Bezugnahme auf JENNINGS, der Satz (20): "Nicht nur, daß es Grenzen gibt für die Lustempfindung, die eine jede Art von Gütern gewährt, sondern diese Lustempfindung nimmt auch in rasch wachsendem Maß ab, lange bevor diese Grenzen erreicht sind." Allein es werden von SENIOR lange nicht alle aus dieser Erkenntnis zu ziehenden Folgerungen abgeleitet. Die Lehre von der Abnahme des Zuwachses an Empfindungen mit der Zunahme gleich großer Reizeinheiten und ihre Bedeutung für die Wertlehre mußte vielmehr ganz neu entdeckt werden, bevor sie seitens der ganz im Geleis ADAM SMITHs und RICARDOs sich bewegenden Nationalökonomen Beachtung fand. Das geschah seitens des Benthamiten JEVONS, der zuerst 1862 auf dem Kongreß der "British association for the advancement of science in Cambridge (21), dann 1866 im Journal of the Statistical Society of London, (22) die Grundlinien einer auf dieser Lehre aufgebauten Nationalökonomie entwarf. Seit der 1869 lehrte Professor ALFRED MARSHALL in Cambridge eine auf dem Satz von der abnehmenden Lustempfindung aufgebauten Wertlehre (23). Im Jahre 1871 erschien die Ausführung des in den gedachten Grundlinien von JEVONS entworfenen wissenschaftlichen Programms in seiner "Theory of political economy". Die Grundgedanken der Theorie von JEVONS sind, wie JEVONS, der erst im August 1878 von GOSSEN zum erstenmal hörte (24), anerkannt hat, in erstaunlichem Maß in Übereinstimmung mit der Lehre von GOSSEN. Der Ausgangspunkt aller Wirtschaft ist das Bedürfnis; alle Produktion findet nur statt im Hinblick auf die Befriedigung der Bedürfnisse, die sie verschafft; die Bedeutung jeder einzelnen Einheit eines Produkts wird durch den Zuwachs an Befriedigung bestimmt, den sie hervorzurufen vermag. Aber die Bedeutung dieses Zuwachses ist keine absolut feststehende. Sie wird durch den Vorrat an Gütern der betreffenden Art bedingt, den das Individuum oder die Gesamtheit, deren Bedürfnisbefriedigung in Frage steht, bereits besitzt. Für die Verwendung von Produktionselementen auf die Herstellung des ein oder anderen Produkts ist maßgebend, ob voraussichtlich der Zuwachs des Ergebnisses der einen Kombination von Produktionselementen eine größere Bedeutung für die Bedürfnisbefriedigung und das Produkt demnach einen größeren Wert hat, als der Zuwachs des Ergebnisses einer anderen Kombination der Produktionselemente. Das Produkt, dem eine größere Bedeutung für die Bedürfnisbefriedigung zukommt, wird vermehrt, das weniger Bedeutsame wird vermindert werden. Folglich wird die Bedeutung des Zuwachses des ersteren abnehmen, die des letzteren zunehmen, bis beide sich im Gleichgewicht befinden. Nunmehr wirden die auf die Herstellung der respektiven Güter gemachten Aufwendungen und die Werte derselben gleich groß sein; es sind aber nicht die Herstellungskosten, welche den Wert der Produkte bestimmt haben, sondern der voraussichtliche Wert der Produkte ist es, der die Richtung der Verwendung der Produktionselemente bestimmt hat. Unterdessen hatte BERNOULLIs Lehre, daß ein Dukat für die Glücksempfindung des Reichen weit weniger Wichtigkeit hat, als für die des Armen oder, wie LAPLACE sie genannt hat, die Lehre vom Verhältnis der fortune morale zur fortune physique in Deutschland erst ihre breitere Begründung gefunden. Die Darlegungen STEINHEILs über die Reizempfindung bei Zuwachs von Licht, vor allem aber die ERNST HEINRICH WEBERs "über die kleinsten Verschiedenheiten der Gewichte, die wir mit dem Tastsinn, der Länge der Linien, die wir mit dem Gesicht, und der Töne, die wir mit dem Gehör unterscheiden können", hat GUSTAV THEODOR FECHNER zum Ausgangspunkt einer großen Reihe von Untersuchungen genommen (25), worin er zeigte, daß sich auf allen Gebieten der Empfindung dasselbe Gesetz für die Abhängigkeit der Empfindung vom Reiz herausstellt, welches BERNOULLI für die Abhängigkeit der Glücksempfindung, die der Zuwachs einer Summe Geldes bereitet, von der Größe des Vermögens des Empfindenden aufgestellt hatte. FECHNER nannte dieses BERNOULLI'sche Gesetz das Webersche Gesetz und bezeichnete es als das psychophysische Grundgesetz. So vielerlei Einwendungen gegen die FECHNERsche Psychophysik erhoben worden sind, so von HELMHOLTZ und AUBERT, MACH, BERNSTEIN, PLATEAU, FRANZ BRENTANO, DELBOEUF, HERING, LANGER, gegen das Prinzip des Empfindungsmaßes aufgrund der funktionellen Abhängigkeit der Empfindung von Reiz ist kein ausdrücklicher prinzipieller Einwand erhoben worden. (26) Wir finden in den heutigen Lehrbüchern der Physiologie (27) viel mehr als für alle Lebewesen gültiges Gesetz, daß der Lebensvorgang an Intensität abnimmt, sobald die Lebensbedingungen in einem ein bestimmtes Maß, das Optimum, überschreitenden Menge gegeben sind, um bei der Erreichung eines Maximalmaßes überhaupt aufzuhören. So steht es auch mit dem Bedürfnisleben der Menschen. Um eine Empfindung überhaupt wachzurufen, ist ein Reiz von einer bestimmten Größe erforderlich, die bei den verschiedenen Personen je nach dem Grad ihrer Empfindlichkeit verschieden ist. Diese Größe hat FECHNER die Schwelle genannt. Jeder weitere Reizzuwachs von gleicher Größe steigert die Empfindung mindestens proportional zum Reizzuwachs, bis eine gewisse Größe des Reizes, die abermals je nach der Reizempfindlichkeit der verschiedenen Personen verschieden ist, die Proportionalitätsgrenze, erreicht ist. Gelangen dann noch weitere Reizmengen zur Verwendung, so nimmt die Größe der Empfindung zwar noch absolut zu, allein sie nimmt im Verältnis zum Reizzuwachs ab, mit anderen Worten jeder weitere Zuwachs von Reiz hat einen geringeren Zuwachs von Empfindung zur Folge. Bei Verwendung noch größerer Reizmengen nimmt die Empfindung auch absolut ab, bis bei einer Anwendung des Maximus von Reizmitteln der empfindende Nerv getötet wird und jede weitere Empfindung aufhört. Dieses Gesetz war in der Nationalökonomie namentlich seit TURGOT als Gesetz des abnehmenden Bodenertrags zur Anerkennung gelangt (28), denn es beherrscht das Wachstum der Pflanzen (29). Anklänge an dasselbe auch in den Erörterungen über den Wert finden sich dann schon in der zweiten Auflage von SCHÄFFLEs "Nationalökonomie" (30), Winterthur 1870, die FECHNERsche Lehre als auch für die Lehre vom Wert ausschlaggebend den Nationalökonomen nahegebracht und ihnen gleichzeitig GOSSENs Theorie zur Beachtung empfohlen (31). Um dieselbe Zeit erfolgte die Veröffentlichung der 2. Auflage der unzugänglich gewordenen "Staatswirtschaftlichen Untersuchungen" HERMANNs, in deren Preislehre, wie schon dargelegt, der Tauschwert als abhängig vom Gebrauchswert und dieser als je nach der Zahlungsfähigkeit der Käufer verschieden hingestellt worden war. Ein Jahr darauf erschienen KARL MENGERs "Grundsätze der Volkswirtschaftslehre", Wien 1871, worin in Übereinstimmung mit COURNOT, DUPUIT, GOSSEN, JENNINGS, JEVONS sehr verständlich, wenn auch in wenig fesselnder Darstellung, die Lehre von der abnehmenden Lustempfindung bei zunehmender Verwendung gleichgroßer Genußeinheiten auf ein Bedürfnis als Grundlage der Wertlehre durchgeführt ist. Unabhängig von GOSSEN wie von JEVONS und MENGER veröffentlichte LEON WALRAS in Lausanne 1874 seine Élements d'economie pure, die von denselben Grundgedanken wie die Schriften der Genannten getragen sind. (32) Die Schüler MENGERs, namentlich BÖHM-BAWERK und WIESER, haben dann in eifriger Propaganda für die Verbreitung der Lehre gewirkt. So läßt sich heute sagen, daß dereinst in allen Ländern der Welt die BERNOULLIsche Lehre, mögen die einzelnen Nationalökonomen sie kennen oder nicht kennen, den Ausgangspunkt aller wissenschaftlichen Betrachtungen über den Güterwert bildet. Selbst die sozialdemokratischen Schriftsteller, soweit sie nicht im Bann einer Marxgläubigen Orthodoxie stehen, lehren heute, daß es nicht die gesellschaftlich-notwendige Arbeitszeit, die auf die Herstellung einer Ware verwendet wurde, ist, was deren Wert bestimmt, sondern ihr Grenznutzen (33). Somit um zusammenzufassen: Ausgangspunkt allen Wirtschaftens ist das Bedürfnis. Gut nennt der Mensch alles, was er für geeignet hält, ein Bedürfnis zu befriedigen. Daß etwas wirklich hierzu geeignet sei, ist nicht nötig, damit es ein Gut ist. Unzählige Dinge haben Gutscharakter bloß, weil ihnen eine Brauchbarkeit beigelegt wird, auch wenn sie ihnen nicht zukommt. Wert ist das Maß oder der Grad, in dem etwas ein Gut ist, oder die Bedeutung, die einem Gut für die Befriedigung der Bedürfnisse beigelegt wird. Der Begriff des Werts ist also weit verschieden von dem der technischen Tauglichkeit. Er ist keine den Gütern innewohnende Eigenschaft. Er sinkt aoder steigt je nach der Meinung, welche die Menschen hinsichtlich der Bedeutung eines Gutes für die Befriedigung der Bedürfnisse hegen. Das Bedürfnis ist also nicht nur Ausgangspunkt, wie schon ARISTOTELES gesagt hat, sondern auch Maßstab des Werts. Aller Wert beruth auf der Beziehung eines Dings zu den Bedürfnissen eines wertschaffenden Subjekts. Aller Wert ist subjektiver Wert. Ebenso ist aller Wert Gebrauchswert. Der wirtschaftende Mensch schätzt alle Güter mit Rücksicht auf irgendeinen Gebrauch; er sieht sie eben an im Hinblick auf die Bedürfnisse, die es zu befriedigen gilt. Jedes Besitzstück hat aber, wie ARISTOTELES sagt, einen doppelten Gebrauchswert, einen seiner technischen Natur entsprechenden, natürlichen Gebrauchswert und einen zum Eintausch anderer Güter, einen Tauschwert. Der natürliche Gebrauchswert ist keineswegs identisch mit Brauchbarkeit, wie schon BARBON und GALIANI betont haben. Unter Brauchbarkeit versteht man die Fähigkeit, die man etwas beilegt, einer Gattung von Bedürfnissen zu dienen; es handelt sich dabei um Eigenschaften der Güter ohne die Beziehung auf ein bestimmtes Subjekt. Spricht man dagegen von Gebrauchswert, so setzt man das Gut in Beziehung auf festumgrenzte Bedürfnisse, die ein bestimmtes Subjekt unter gegebenen Verhältnissen empfindet. Sind diese Bedürfnisse rein individuelle, so spricht man, wie die klassischen römischen Juristen betonen, von Affektionswert; das ist die Schätzung gemäßt der Willkür eines Einzelnen, die HEKTOR in der eingangs zitierten Stelle dem TROILUS vorwirft; faßt man dagegen die Bedürfnisse ins Auge, wie sie die große Masse der Menschen einer Zeit und einer Klasse unter den gleichen Verhältnissen empfindet, so nennt man die einem Gut mit Rücksicht aufd diese Bedürfnisse beigelegte Bedeutung seinen üblichen Wert. Er ist nicht identisch mit dem Wert, den der Normalmensch der Kirchenväter und der Naturrechtler einer Sache beilegt, denn bei diesem werden nicht bloß normale Bedürfnisse, sondern auch gleichbleibende Verhältnisse, unter denen sie empfunden werden, vorausgesetzt. Der übliche Wert ist verschieden je nach den Verhältnissen, unter denen die Masse der Menschen die üblichen Bedürfnisse empfindet. Der natürliche Gebrauchswert steht nicht in einem Gegensatz zum Tauschwert, vielmehr bestimmt er, wieviel man für ein Gut an Geld zu geben bereit ist. Der natürliche Gebrauchswert der Güter bestimmt also ihren Tauschwert, d. h. die Fähigkeit, die ihnen beigelegt wird, einen Preis zu erzielen. Dieser natürliche Gebrauchswert ist aber nicht identisch mit ihrem Totalnutzen, sondern mit ihrem Grenznutzen. Unter Totalnutzen versteht man die Bedeutung, welche der Gesamtheit einer verfügbaren Gütermenge für die Befriedigung der Bedürfnisse nach Maßgabe ihrer Bedeutung für die Erhaltung und die Annehmlichkeit des Lebens zukommt. Nehmen wir an, eine Bevölkerung brauche pro Kopf 180 kg Getreide im Jahr; soviel soll ihr auch zur Verfügung stehen. Der Totalnutzen dieser Getreidemenge besteht in ihrer Bedeutung für die Erhaltung des Lebens und kann als unbegrenzt erachtet werden. Mindert sich der verfügbare Vorrat, so verschlechtert sich die Lage der Bevölkerung; es sinkt also der Totalnutzen des Getreides, denn die Bedürfnisse der Bevölkerung können nur mehr ungenügend befriedigt werden. Mehrt sich der Getreidevorrat, so nimmt der Totalnutzen zu, d. h. die Bedeutung, welche der verfügbaren Getreidemenge für Erhaltung und Annehmlichkeit des Lebens zukommt. Aber nach der Regel von GREGORY KING steigt der Getreidepreis, wenn sich der Getreidevorrat um die Hälfte mindert, im Verhältnis 1 : 5,65 und sinkt, wenn er sich auf das Doppelte mehrt, im Verhältnis von 1 : 0,17. Angenommen nun, der normale Getreidebedarf einer Bevölkerung sei 1000 Doppelzentner; angenommen ferner, auch der Getreidevorrat sei 1000 Doppelzentner und der Doppelzentner kostet 10 Mark; in diesem Fall betrüge der Tauschwert des Getreidevorrats 10 000 Mark. Eine Minderung des Getreidevorrats auf 500 Doppelzentner würde dann zwar den Totalnutzen der verfügbaren Menge um die Hälfte verringern, der Tausch, der Tauschwert der 500 Doppelzentner aber würde auf 28 250 Mark steigen; umgekehrt würde eine Mehrung des Getreidevorrats auf 2000 Doppelzentner den Totalnutzen verdoppeln, den Tauschwert der verfügbaren Menge aber auf 3400 Mark herabmindern. Es ist also augenscheinlich nicht der Totalnutzen, was den Tauschwert bestimmt. Der natürliche Gebrauchswert, der den Tauschwert der Güter bestimmt, ist vielmehr der Grenznutzen, d. h. die Bedeutung für das Wohlgefühl, welche die Menschen der Befriedigung desjenigen Bedürfnisses beilegen, das durch die letzte Einheit eines vorhandenen Gütervorrats noch befriedigt werden kann. Auf der einen Seite befindet sich eine begrenzte Menge von Gütern, auf der anderen sind Menschen, die sie zur Befriedigung von Bedürfnissen der mannigfachsten Art begehren. Reicht der Vorrat nur zur Befriedigung der dringendsten Bedürfnisse aus, so ist entsprechend ihrer Bedeutung für das Wohlgefühl der Tauschwert pro Gütereinheit hoch; mit jedem Anwachsen des Vorrats wird die Befriedigung minder wichtiger Bedürfnisse möglich, und es geht entsprechend der zunehmenden Unerheblichkeit derselben der Tauschwert zurück; ist die Menge unbegrenzt, so daß selbst die wichtigsten Bedürfnisse befriedigt werden können, so sinkt der Tauschwert auf Null. Da jede der vorhandenen Gütereinheiten die andere zu ersetzen vermag, gleichviel ob sie auf die Befriedigung des wichtigsten oder des nichtigsten Bedürfnisses verwendet wird, so gibt niemand für die Beschaffung einer Gütereinheit, die er zur Befriedigung des wichtigsten Bedürfnisses verwendet, mehr als für die Gütereinheit, welche ihm zur Befriedigung des nichtigsten dient; so wird die Bedeutung der letzten Gütereinheit eines vorhandenen Vorrats für das Wohlgefühl maßgebend für den Tauschwert aller vorhandenen Gütereinheiten. Dies vermöge des Gesetzes der abnehmenden Reizempfindung, dessen Entwicklung von ARISTOTELES an bis zur Stellung, die es in der heutigen Physiologie erlangt hat, wir verfolgt haben. Auch steht damit nicht in Widerspruch, daß es vorkommt, daß das Bedürfnis nach Gütern bestimmter Art umso mehr zunimmt, je mehr der Vorrat an eben diesen Gütern, den jemand bereits erlangt hat, wächst. So wenn ein Reicher umso mehr Dukaten begehrt, je mehr er bereits erlangt hat, oder wenn ein König umso mehr Soldaten oder Schiffe haben will, als die Armee oder die Flotte zunimmt, über die er verfügt. Es ist nämlich etwas anderes als die einzelnen Dukaten, was jener Reiche verlangt, ebenso wie der gedachte Köngi nicht den einzelnen Soldaten oder das einzelne Schiff umso mehr schätzt, je größer seine Armee oder seine Flotte ist. Das Bedürfnis des ersten ist größtmöglicher Reichtum wegen der Macht, die er verleiht, das des anderen eine Armee oder eine Flotte, welche den Armeen oder Flotten anderer Reich überlegen ist. Nun hat schon ARISTOTELES gesagt (Politik I, 9), daß das Begehren desjenigen, der Vollkommenheit erstrebt, eben wegen der Unerreichbarkeit jeden Ideals unendlich ist. Je mehr er in der Verfolgung desselben bereits erreicht hat, desto heißer begehrt er, was zur Vollendung noch fehlt. Dagegen sinkt die Bedeutung, die er den einzelnen Gütern, die ihn seinem Ziel näher bringen, für die Befriedigung der Bedürfnisse beilegt, denen jedes allein zu dienen vermag, in dem Maße, in dem eben diese Bedürfnisse schon Befriedigung gefunden haben. Während für die einzelnen Güter derselben Art, wie er sie bereits erreicht hat, das Gesetz der abnehmenden Lustempfindung sich fühlbar macht, steigt sein Bedürnis nach dem noch nicht erreichten Ganzen, was er erstrebt, in dem Maße, in dem er ihm näher kommt. Vergleiche das oben von GOSSEN über den Wert komplementärer Güter Gesagte. So sehen wir nicht selten ländliche wie städtische Grundbesitzer für ein Grundstück, das in ihren Besitz eingesprengt liegt, so daß sie diesen nicht so, wie sie es wünschen, zu nutzen vermögen, mehr zalen als für weit größere Grundstücke, die sie vorher erworben haben. So sehen wir mitunter einen Sammler, der nach Vollständigkeit strebt, für ein ihm noch fehlendes Stück, auch wenn dessen Bedeutung ansich eine weit geringere ist als die anderer Stücke, die er bereits besitzt, doch einen größeren Preis zahlen, als er für diese gezahlt hat. Es ist dies nicht im Widerspruch mit dem Gesetz der abnehmenden Reizempfindung nach eingetretener Sättigung des Bedürfnisses, denn das Bedürfnis, um das es bei dem nach einer Vollkommenheit irgendwelcher Art Strebenden handelt, ist nicht gesättigt worden. Es ist auch nicht im Widerspruch mit der behaupteten Abhängigkeit des Tauschwerts vom Gebrauchswert, sondern nur ein neuer Beleg für dieselbe, nicht im Widerspruch mit dem Satz, daß es der Grenznutzen ist, der den Tauschwert bestimmt. Denn es sind verschiedene Bedürfnisse, zu deren Befriedigung derjenige ein Gut begehrt, der es um des Nutzens willen wünscht, den es als einzelnes Gut bringt, und derjenige, der es nur als Mittel in der Verfolgung irgendeines Ideals von Vollkommenheit erstrebt. Der Grenznutzen der zuletzt hinzugekommenen Gütereinheit ist bei beiden verschieden und dementsprechend auch der Tauschwert derselben. Wie nun verhalten sich die Produktionskosten zum Grenznutzen und damit zum Tauschwert? Selbstverständlich können die Produktionskosten nur da den Wert der Güter beeinflussen, wo diese Produkte sind, und zwar nur dann, wo diese beliebig vermehrt werden können. Wo das letztere nicht der Fall ist, sei es, daß es sich um freie Gaben der Natur handelt, die nur in beschränktem Maße gegeben sind, oder um Güter, die infolge einer künstlichen Beschränkung der Beschaffungsmöglichkeit, wie durch Zölle und Kartelle, einen Monopolcharakter erlangt haben, wird der Tauschwert durch den Grenznutzen bestimmt, den das letze dieser Güter, das auf den Markt gebracht wird, für diejenigen hat, die so zahlungsfähig sind, ihrem Bedürfnis das entsprechende Opfer zu bringen. Handelt es sich dagegen um Güter, die beliebig vermehrt werden können, und es steht der Preis, der dem Grenznutzen eines Gutes entspricht, über dessen Produktionskosten, so wird dies, wie schon GALIANI gesagt hat, die Veranlassung, so lange mit der Produktion fortzufahren, bis infolge der dadurch bewirkten Mehrung des Vorrats der Grenznutzen des Gutes sinkt und Tauschwert und Kosten übereinstimmen. Es sind dies aber auch hier nicht die Kosten, die unmittelbar den Preis bestimmen. Sie üben nur durch ihre Wirkung auf die Menge einen Einfluß auf den Wert; d. h. auch hier ist es der durch die Menge bestimmte Grenznutzen, der den Tauschwert bestimmt (34) Suchen wir uns das Dargelegte anhand der Regel von GREGORY KING über die Beziehungen zwischen Getreidevorrat und Getreidepreis zu veranschaulichen. Jedermann braucht eine gewisse Menge Getreide zur Nahrung. Aber der braucht weniger davon, der schon satt ist, als der, der es nicht ist. Nach der Schätzung des Direktors des Kaiserlichen Statistischen Amts H. von SCHEEL, wurden im Durchschnitt von 1880 bis 1898 in Deutschland pro Kopf 187,8 kg Brotgetreide für menschliche Ernährung gebraucht. Allein das ist nur eine Durchschnittsziffer. In den wohlhabenderen Klassen der Bevölkerung, in den ärmeren ein größerer. Nach den vom Berliner Statistischem Amt veröffentlichten Haushaltsrechnungen für das Jahr 1903 kamen dort auf den Kopf nur 133 kg; es gibt ebensoviele reiche Leute in Berlin, welche ihren nötigen Bedarf an Eiweißstoffen, Fetten und Kohlehydraten in Fleisch, Gemüse, kurz teureren Nahrungsmitteln aufnehmen, daß die Durchschnittsgröße des Berliner Getreidebedarfs unter dem Reichsdurchschnitt liegt. Aber auch der Getreidebedarf der Städtebewohner steigt in den tieferen Einkommensschichten. Bei einem Eisenbahnarbeiter der Eisenbahnwerkstätte in Frankfurt am Main, der 1056, 46 Mark Einnahmen im Jahr hatte, und dem ein größerer Fleischgenuß möglich war, stellte sich der Getreidebedarf auf 150 kg pro Kopf, bei den armen Handwebern in Zittau steigt er bis auf 367 kg pro Kopf (35). Der Getreidebedarf und damit der Gebrauchswert eines Kilogramms Getreide pro Kopf ist also ums größer je ärmer der Haushalt. Es gibt sogar Bevölkerungen, bei denen er so hoch ist, daß er ihre Zahlungsfähigkeit übersteigt, und für die das Getreide als Nahrungsmittel so wenig in Betracht kommt, als ob es gar nicht vorhanden wäre. So essen nach englischen Statistikern die irischen Arbeiter im Durchschnitt täglich 4 - 6 ½ kg Kartoffel (36), weil ihr Einkommen zur Beschaffung der benötigten 100 Gramm Eiweiß in Brotform nicht ausreicht; daher dort im Jahre 1821 Hungersnot, als die Kartoffeln außerordentlich im Preis stiegen (37), während der Weizen niedrig im Preis stand und aus Irland eingeführt wurde (38). Maßgebend für die Höhe, bis zu der der Getreidepreis steigen kann, ist also das Einkommen der unteren Klassen eines Gemeinwesens, d. h. der Gebrauchswert des Getreides für die Ärmsten unter denen, deren Zahlungsfähigkeit ihnen überhaupt noch Getreide zu verzehren gestattet. Wo die unteren Klassen, wie in Irland, auf das Maß dessen beschränkt sind, was zur Beschaffung des baren Lebensunterhaltes eben ausreicht, ist die Konkurrenz um das Getreide bei einer Mißernte auf die oberen Klassen beschränkt; hier vermag der Preis daher nicht sehr über das Maß des Ausfalls am Ernteertrag zu steigen (39). Wo dagegen die unteren Klassen, wie in England, sehr viel zahlungsfähiger sind, steigt nach GREGORY KING bei einer Minderung des Ernteertrags um die Hälfte der Preis im Verhältnis von 1 : 5,65. Hier vermögen eben die unteren Klassen auch in Zeiten der Not als Konkurrenten auf Getreide zu bieten. Umgekehrt, wenn Überfluß vorhanden ist. Die Nachfrage derjenigen, die bisher schon genug Getreide verzehrt haben, bleibt unverändert; denn Getreide ist nichts, wovon man nach erreichter Sättigung weitere Mengen zu verzehren vermag. Es sinkt also der natürliche Gebrauchswert des Kilogramm Getreides für denjenigen, die schon bisher genug davon hatten; damit sinkt der Getreidepreis. Nun wird das Getreide auch denen zugänglich, die wegen des zu hohen Preises auf seinen Genuß bis dahin verzichten mußten, und der Verbrauch derer, für die es ein Luxusartikel war, nimmt zu. Der natürliche Gebrauchswert, den es für diese Schichten der Bevölkerung hat, wird nun maßgebend für den Getreidepreis. Aber auch für die Angehörigen der untersten Schichten hat der Verbrauch von Getreide als unmittelbares Nahrungsmittel eine Grenze. Daher muß bei noch weiterer Steigerung des Vorrats jedes neu hinzukommende Kilogramm den Gebrauchswert des Getreides als unmittelbares menschliches Nahrungsmittel weiter vermindern. Aber es bietet noch andere Verwendungsmöglichkeiten, etwa als Viehfutter, d. h. es wird veredelt in Fleisch, und ferner zu industriellen Zwecken. Die unendliche Ausdehnbarkeit dieser Verwendungen verhindert, daß er natürliche Gebrauchswert und damit der Preis des Getreides je auf Null sinken kann. Immer aber ist es die Bedeutung, welche der Befriedigung des nichtigsten unter den Bedürnissen, dem das zuletzt hinzugekommene Kilogramm dient, für das Wohlgefühl beigelegt wird, welche den Tauschwert allen Getreides bestimmt. Daher dann nach der Regel GREGORY KINGs bei einer Verdoppelung des Vorrats der Preis von 1 auf 0,17 hergabgehen würde. Damit stimmen dann auch die Beobachtungen TOOKEs (40) überein: "Die Geschichte der englischen Landwirtschaft zeigt klar, daß Mißernten und gute Ernten zu allen Zeiten Preisschwankungen außer Verhältnis zur Veränderung in der Größe der Erntemenge zur Folge gehabt haben, und daß in jeder Zeit energischen Übergangs vom Mangel zum Überfluß die Landwirte über die Not der Landwirtschaft geklagt haben." Was aber ist nach dem Dargelegten die Wirkung auf die Preise, wenn ein Land, welches Getreide vom Ausland einführt, einen Einfuhrzoll auf Getreide legt? Nach der Lehre, daß der Preis durch die Produktionskosten bestimmt wird, erschen es unbestreitbar, daß der Inlandpreis um den ganzen Betrag des Zolls über den Satz steigen müsse, auf dem er ohne Zoll stehen würde. Fürst BISMARCK dagegen hat seinerzeit geltend gemacht, daß das Ausland den Zoll ganz oder teilweise tragen wird. Darauf hat LEXIS dem teilweise zugestimmt (41). Gewiß wird durch den Zoll die Menge des ausländischen Getreides auf dem Inlandsmarkt verringert, der Grenznutzen des Kilogramm Getreides und damit sein Inlandpreis erhöht, und als Folge können Landwirte auf unfruchtbaren Böden, die wegen ihrer großen Produktionskosten sonst den Getreidebau einstellen müßten, diesen noch fortsetzen. Aber auch, wenn der Inlandpreis um den ganzen Zollbetrag höher als der Weltmarktpreis stehen würde, folge daraus noch nicht, daß er um den ganzen Zollbetrag höher sein müsse, als er ohne Zoll sein würde. Eben weil infolge der Einführung des Zolls das im Ausland produzierte Getreide nicht mehr frei ins Inland einfließen kann, staut es sich auf dem Weltmarkt. Als Folge dieser Mehrung des Vorrats auf dem Weltmarkt sinkt der Weltmarktpreis. Der Inlandpreis, auch wenn er um den vollen Betrag des Zolls den Weltmarktpreis übersteigt, ist dann doch nur unerheblich höher, als er ohne Zoll sein würde; eventuell wird er gar nicht höher sein und das Ausland trägt den Zoll. Für die Beantwortung der gestellten Frage und die Prüfung der beiden entgegenstehenden Lehrmeinungen kommt es augenscheinlich auf ein Zweifaches an:
b) In welchem Maß wird der Vorrat auf dem Weltmarkt durch den Stau vermehrt? Nun wird die Einfuhr von Getreide nach Deutschland mit einem Zoll von 5 Mark pro Doppelzentner belastet, während der Weltmarktpresi 10 Mark pro Doppelzenter beträgt. Die Folge wäre, daß ein Sechstel = 0,17 des deutschen Bedarfs nur dann nach Deutschland eingeführt werden könnte, wenn der Preis in Deutschland auf 15 Mark steigt. Das würde in der Weise erreicht: Zunächst würde der heimische Vorrat durch ein Ausbleiben der Zufuhr infolge des Zolls um 0,17 vermindert; wo früher 100 kg waren, wären jetzt nur mehr 83. Nach der aufgrund der KINGschen Regel abstrahierten, von LINDEMANN verbesserten JEVONS'schen Formel stiege dann der Getreidepreis in Deutschland von 1 : 1,57. Auf den nichtdeutschen Märkten würde dagegen der Vorrat um ein Fünfzigstel der Welternte vermehrt; während bis dahin 880 Millionen Doppelzentner für 870 Millionen Menschen verfügbar waren, würden ihnen fortan 900 Millionen Doppelzentner verfügbar sein. Während der deutschen Bevölkerung nur mehr 166 kg statt, wie bisher, 200 kg pro Kopf verfügbar wären, würde die der nichtdeutschen Getreide produzierenden und konsumierenden Bevölkerung verfügbaren Menge von 101 auf 103 Doppelzentner steigen. Das würde nach er verbesserten JEVONS'schen Formel ein Sinken des Preises im Verhältnis von 1 : 0,96 verursachen. Allein der Getreideverbrauch pro Kopf der nichtdeutschen Getreide verzehrenden Bevölkerung ist, wie der Vergleich mit dem deutschen Getreideverbrauch zeigt, noch einer großen Steigerung fähig; die geringfügige Minderung des Weltmarktpreises dürfte also alsbald wieder aufhören, und wenn Deutschland das ein Sechstel, das es aus dem Ausland bisher bezogen hat, nicht sollte entbehren können, müßte der deutsche Preis um den vollen Betrag des Zolls nicht nur über dem Weltmarktpreis sondern auch über dem Betrag stehen, den das Getreide ohne Zoll kosten würde. Nur in dem Fall würde das Ausland einen Teil des Zolls übernehmen müssen, wenn es zur Erfüllung dringender Zahlungsverpflichtungen an das Land, das den Einfuhrzoll eingeführt hat, genötigt wäre, Getreide an dieses Land zu verkaufen. Es zeigt sich: an der Antwort auf die Frage nach der Wirkung auf die Preise, wenn ein Land einen Einfuhrzoll auf Getreide legt, wie sie die frühere objektive Wertlehre gegeben hat, wird durch die subjektive Wertlehre nichts geändert. Fragt man schließlich nach der Gerechtigkeit einer Preisbildung nach Maßgabe des Grenznutzens, so haben, wie dargelegt, die Kirchenväter den Preis für gerecht erklärt, der mit den Produktionskosten eines Guts übereinstimmt, und das Mittelalter hat zwar an der Art, wie die Produktionskosten zu berechnen sind, nicht aber an diesem Prinzip etwas abgeändert. Für sich allein ein höchst unvollkommener Maßstab, weil er nicht für alle Arten von Gütern anwendbar ist, nämlich für alle nicht, die von den Menschen nicht produziert werden! Dagegen hatte ARISTOTELES gelehrt, daß der Austausch gerecht sei, der einem jeden der beiden Tauschenden einen Nutzen schafft von gleicher Größe, gemessen an dem Wohlgefühl, welches die Befriedigung der Bedürfnisse durch das im Austausch erworbene Gut hervorruft. Mit dieser aristotelischen Lehre stimmt überein, wenn GOSSEN die Frage, wie ist der Tausch einzurichten, damit ein Größtes an Wert entsteht? dahin beantwortet (42): "Es muß jeder der beiden Gegenstände nach dem Tausch unter A und B derart sich verteilt finden, daß das letzte Atom, welches jeder von einem jeden erhält, beiden gleich großen Wert schafft", mit anderen Worten, wenn das Wohlgefühl, das der letzte durch den Austausch bewirkte Zuwachs an Gütern verursacht, für die beim Austausch bewirkte Zuwachs an Gütern verursacht, für die beim Tausch Beteiligten gleich groß ist. Also der Preis erscheint nach der Grenznutzenlehre als gerecht, bei dem der Grenznutzen der ausgetauschten Güter gleich groß ist. Für die von der Natur gegebenen Güter wäre also dieses justum pretium [gerechter Preis - wp] der durch ihre einmal gegebene Menge bedingte Grenznutzen. Dagegen gilt, wie schon bemerkt, für die vermehrbaren Güter, daß, wo freie Konkurrenz herrscht, mit ihrer Produktion solange fortgefahren wird, als ihr Grenznutzen über ihrem Kostenpreis steht. Da bei freier Konkurrenz Kostenpreis und Grenznutzen der vermehrbaren Güter also übereinstimmen, würde also für sie der Grenznutzenpreis sogar mit dem justum pretium der Kirchenväter in Einklang sein. Wie dagegen steht es mit dem justum pretium, wo die freie Konkurrenz durch Zölle, Schifffahrtsabgaben, Eisenbahntarife, Kartelle und andere künstlicher Maßnahmen beschränkt ist? Kein Zweifel, der Grenznutzen eines Gutes für den Begehrer wird durch alles, was seinen Vorrat mindert, gesteigert; ob es eine Mißernte ist, die ein verringertes Angebot von Getreide auf dem Markt zur Folge hat oder ein Zoll, ist dabei egal. Auch der Hektoliter Wasser, dessen Grenznutzen als Regel minimal ist, kann in der Wüste einen Grenznutzen erlangen, daß der dem Verschmachten Nahe seinen ganzen Besit dafür hinzugeben bereit ist. Allein das Wohlgefühl desjenigen, dem infolge der künstlichen Steigerung des Grenznutzens unentbehrlicher Güter weniger Mittel zur Befriedigung anderer Bedürfnisse bleiben, wird erheblich vermindert. Nehmen wir ein von HERMANN gebrauchtes Beispiel (43). Der Verdienst eines Tagelöhners sei jährlich 160 Gulden, sein Jahresbedarf an Roggen 4 Scheffel zu 10 Gulden, der Aufwand, der den Notbedarf deckt, 140 Gulden; es bleiben somit dem Tagelöhner 20 Gulden für Bequemlichkeit, Erheiterung, Bildung. Angenommen nun infolge der Einführung eines Roggenzolls wird der Roggenvorrat so beschränkt, daß der Grenznutzen eines Scheffel Roggen auf 15 Gulden steigt, so wird dem Tagelöhner damit der ganze Betrag abgenommen, den er bisher für Bequemlichkeit, Erheiterung und Bildung aufwenden konnte (44). Das Wohlgefühl des Tagelöhners ist gemindert, das des Roggenverkäufers allerdings gesteigert worden, aber ohne daß der letztere dem ersteren für seine Mehrleistung eine entsprechende Gegenleistung zuteil werden ließ. Auch hier also im Urteil kein Unterschied von dem, zu dem auch die Kostenwerttheoretiker gelangt sind. Dagegen bleibt als der große Vorzug der subjektiven vor der objektiven Werttheorie, daß sie einen Maßstab gibt, der ebenso anwendbar ist für die von der Natur gegebenen und die durch die gesellschaftlichen Verhältnisse geschaffenen wie für die durch Menschen erzeugten Güter mittels dessen es möglich ist, den Wert des zufällig gefundenen Diamanten oder den Wert eines Rechts oder einer Absatzgelegenheit ebenso zu erklären wie die Wertlosigkeit einer Fülle von Produkten, trotzdem auf ihre Herstellung sehr viel gesellschaftlich notwendige Arbeitszeit oder große anders berechnete Kosten verwendet worden sind. Zum Beweis für meine obige Behauptung, daß GALIANI die Schrift BERNOULLIs gekannt hat, als er über den Wert schrieb, sei hier folgende Stelle aus seinem Werk Della Moneta (Economisti classici italiani, parte moderna, tomo IV, Seite 242 - 247) beigefügt, die auch sonst für die Geschichte der Wertlehre von Interesse ist:
Daraus wurde das Geschwisterpaar Wechsel und Zins. Der eine dient dem Ausgleich zwischen Geld an verschiedenen Orten, die dadurch bewirkt wird, daß man an dem einen Ort scheinbar etwas zugibt, um es dem inneren Wert des Geldes an einem anderen Ort gleichzustellen, an dem dieser Wert geringer ist, sei es, weil es weniger Nutzen bringt oder größere Gefahr. In gleicher Weise dient der Zins dem Ausgleich zwischen dem inneren Wert des gegenwärtigen und zukünftigen Geldes; bei ihm übt die Verschiedenheit der Zeit dieselbe Wirkung wie beim Wechsel die Verschiedenheit des Ortes; die Grundlage des einen wie des anderen Vertrags ist die Gleichheit des wahren inneren Werts. Das ist so wahr, daß beim Wechsel bisweilen das Geld am Ort weniger wert ist als Geld an einem fernen Ort; dann steht sein Preis unter pari. Mitunter gelten die Wechselbriefe an einem fernen Ort, die, wenn es gut geht, nichts anderes als künftiges Geld sind, mehr als Bargeld; dann spricht man von Agio. Es erhellt sich also, daß all das, was an den Gefühlen des NIKOLAUS BROEDESSEN (eines Gegners des Zinsnehmens) falsch ist, in falschen Vorstellungen und in einem irrigen Gebrauch der Worte wurzelt; der ganze Schein von Wahrheit, der bei ihm durchschimmert, steht bei ihm verhüllt durch eine schlecht erkannte Wahrheit. Es ist irrig, von einem Gewinn und von der Rückzahlung von mehr als dem hingegebenen Geld zu reden, wo es sich nur um den Wiederersatz von etwas Fehlendem handelt, nur um eine Leistung, wodurch die Gleichheit wiederhergestellt wird. Jeder Gewinn an Geld, mag er groß oder klein sein, ist tadelnswert, da das Geld unfruchtbar ist; auch läßt er sich nicht als Frucht der Arbeit bezeichnen, da die Arbeit von dem verrichtet wird, der die Anleihe aufnimmt, nicht von dem, der das Darlehen gibt. Wo aber Gleichheit ist, gibt es keinen Gewinn; und wo der innere Wert beeinträchtigt und geschmälert wird durch Gefahr und Nachteil, läßt sich das, was zum Ersatz dient, nicht als Gewinn bezeichnen. (Darauf ein Anzahl Sätze, die sich gegen die Verwechslung von Gerechtigkeit und Mitleid wenden.) "Umgekehrt haben viele Theologen, welche den Wucher und das Darlehen ausgezeichnet definiert haben, ihre Definition nicht völlig begriffen. Wucher ist "der Gewinn, der über das geliehene Kapital kraft des Darlehensvertrags bezogen wird". Eine ausgezeichnete Definition; und wer auch immer (wie dies neuerdings viele Nichtkatholiken getan haben), sie ändern will und sagt, ein nicht unentgeltlich gegebenes Darlehen sei kein Darlehen und sein Ertrag somit kein Wucher, spielt nicht weniger ruchlos wie unnütz mit Worten: denn gegenüber Gott gibt es weder Kunst noch Mittel zu betrügen und Menschen gegenüber hat man es nicht nötig. Es sind schon so viele Formeln gefunden worden, um der Strenge der gegen den Wucher erlassenen Gesetze der Menschen zu entfliehen, daß es schließlich überflüssig und unerträglich ist, zum Schluß auch noch die innere Erkenntnis des Gerechten zu beleidigen und zu beunruhigen. Desgleichen ist die Definition des Darlehens äußerst zutreffend, wonach es in der Überlassung einer Sache mit dem Abkommen, daß der gleiche Wert, aber nicht mehr, zurückgegeben wird, besteht. Aber die Vorstellung von dem, was der gleiche Wert ist, die durch das lateinische tantundem [ebenso viel - wp] ausgedrückt ist, muß besser und klarer werden. Der Wert ist die Bedeutung, welche die Dinge für unsere Bedürfnisse haben. Diejenigen haben gleichen Wert, die die gleiche Befriedigung bringen für die Bedürfnisse, im Hinblick auf die wir sie vergleichen. Wer auch immer die Gleichheit anderswo sucht, indem er anderen Prinzipien folgt und sie finden will, sei es im Gewicht, sei es in der gleichen Gestalt, zeigt sich mit den menschlichen Dingen wenig bekannt. Ein Blatt Papier ist sehr oft ebensoviel wert wie Geld, von dem es sowohl dem Gewicht wie auch der Gestal nach verschieden ist; umgekehrt sind häufig zwei Münzen von gleichem Schrot und Korn und gleicher Gestalt verschieden im Wert. Wenn an einem Ort eine fremde Münze, obgleich gut, nicht in Zahlung genommen wird, bringt es nicht den gleichen Nutzen, ein unnützes und von allen zurückgewiesenes Stück Metall zu haben, wie ein anderes gleichartiges Stück, das gang und gäbe ist. Demgemäß muß man vermeiden, in Geld zu zahlen, das nicht anerkannt ist, und man darf es nur so hoch schätzen, wie es angenommen wird, d. h. nur nach dem inneren Wert seines Metallgehalts; und dies ist eine ausreichend gerechte und vernünftige Art des Tauschs. Endlich ist klar, daß bei den Menschen nichts Wert hat als der Genuß, noch auch werden andere als Genuß bringende Dinge gekauft: und gleichwie jemand (der ein Darlehen empfängt) Genuß nicht empfinden kann ohne Nachteil und Beschwerde eines anderen, so bezahlt er dem anderen nichts als den Schaden und die Entbehrung des Genusses, der ihm überlassen ist. Jemandem Herzklopfen bereiten, heißt schmerzen; daher ist es am Platz, dafür zu zahlen. Also was sich Frucht des Geldes nennt, ist, soweit es berechtigt ist, nichts anderes als der Preis für das Herzklopfen; und wer etwas anderes glaubt, irrt sich."
15) Vgl. die Mitteilungen des verstorbenen Professor KORTÜM in Bonn an LEON WALRAS, die in dessen Aufsatz über GOSSEN, "Un Économiste inconnu", im Journal des Èconomistes, Bd. XXX, Seite 88 abgedruckt sind. 16) Vgl. zum Beispiel JEREMY BENTHAMs, des englischen Juristen, Prinzipien der Gesetzgebung, hg. von ETIENNE DUMONT, Köln 1833. 17) Vgl. JEVONS, Theory of political economy, Seite XXXXIIf; LÉON WALRAS a. a. O.; MAFFEO PANTALEONI, Principii di economia pura, Florenz, 1889, Seite 96 sagt von Buch GOSSENs "in cui trattata la dottrina del grado finale di utilita con tanta perfezione, che fine ad oggi pochissimo si é agginuto, o coretto, in essa." [daß er die Lehre vom letzten Grad der Nützlichkeit in einer solchen Perfektion behandelt, daß kein Zusatz und keine Korrektur nötig ist. - wp] 18) HERMANN HEINRICH GOSSEN wurde 1810 in Düren geboren, wurde Königlich Preußischer Regierungsassessor, trat 1847 außer Dienst und starb 1858. Biographische Notizen finden sich, aufgrund von Mitteilungen von GOSSENs Neffen, in dem oben zitierten Aufsatz von LEON WALRAS im "Journal des Économistes", Bd. 30, 1885 19) RICHARD JENNINGS, Natural elements of political economy, London 1855. Vgl. darüber JEVONS, Theory of political economy, dritte Ausgabe, Seite 55 und PANTALEONI, a. a. O., Seite 38 und a. a. O. Mir selbst ist es nicht möglich gewesen, trotz jahrelangen Bemühens, ein Exemplar des Buches von JENNINGs zu Gesicht zu bekommen. 20) W. N. SENIOR, Political Economy, fünfte Ausgabe, London 1863, Seite 12 21) Report of the 32nd meeting of the British association for the advancement of science held at Cambridge in October 1862, Seite 158 22) Journal of the Statistical Society of London, June 1866, Bd. 29, Seite 282 - 287. 23) Siehe hierfür MAFFEO PANTALEONI, a. a. O. Seite 96 24) Vgl. JEVONS, a. a. O., Seite XXXV und "Letters and Journal aof W. Stanley Jevons", edit. by his wife, London 1886, Seite 387, 389, 409. 25) FECHNER, Elemente der Psychophysik, 2 Bde., Leipzig 1860) 26) FECHNER, In Sachen Psychophysik, Leipzig 1877, § 211 27) Vgl. MAX VERWORN, Allgemeine Physiologie, 4. Auflage, Jena 1903, Seite 371 - 504. 28) Vgl. BLACK, Das Gesetz des abnehmenden Bodenertrags bis John Stuart Mill, in den "Annalen des Deutschen Reichs", 1904, Seite 146 - 168 und 177 - 217; ferner Dr. JOSEPH ESSLEN, Das Gesetz des abnehmenden Bodenertrags seit Justus von Liebig, München 1905 29) Vgl. "Untersuchungen über den Einfluß der Wachstumsfaktoren auf das Produktionsvermögen der Kulturpflanzen" in WOLLNYs Forschungen uf dem Gebiet der Agrikulturphysik, Bd. 20. 30) SCHÄFFLE, Das gesellschaftliche System der menschlichen Wirtschaft, 2. Auflage, Tübingen 1867, Seite 35, 52, 119f. 31) F. A. LANGE, Die Arbeiterfrage, 2. Ausgabe, Winterthur 1870, Seite 114f, 125. 32) Vgl. Journal des Économistes, Bd. 34, 1874, Seite 5 und 417. 33) Vgl. GEORGE BERNARD SHAW, Fabian Essays in Socialism, London 1889, Seite 12f. Siehe auch KAULLA, Seite 279. 34) Vgl. SENIOR, a. a. O., Seite 23 und PANTALEONI, a. a. O., Seite 205f 35) Vgl. PAUL MOMBERT, Die Belastung des Arbeitereinkommens durch die Kornzölle, Jena 1901 36) BUNGE, Lehrbuch a. a. O., Seite 73 und 74 37) Vgl. ROSCHER, System der Volkswirtschaft, Bd. 1, § 104, Anm. 2. Ähnlich bei der irischen Hungersnot 1816 und 1847 und bei der Not der Landbauarbeiter in Ostpreußen 1867. Vgl. HERMANN, Staatswirtschaftliche Untersuchungen, zweite Auflage, München 1870, Seite 404. 38) Vgl. TOOKE, A history of prices, Bd. 2, London 1838, Seite 79 und 84. 39) Vgl. TOOKE, a. a. O., Bd. 1, Seite 13 und 14. 40) TOOKE, a. a. O., Bd. 1, Seite 11 und 12 41) "Die Wirkung der Getreidezölle" in der Festgabe für GEORG HANSSEN zum 31. Mai 1889, Tübingen 1889, Seite 197 - 236. 42) GOSSEN, a. a. O., Seite 85 43) HERMANN, Staatswirtschaftliche Untersuchungen, München 1832, Seite 73; zweite Auflage 1870, Seite 404. 44) Vgl. GOSSEN, a. a. O., Seite 134 |