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HERBERT CHARLES SANBORN
Über die Identität der Person
bei William James

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"Ähnlich wie auf physikalischem Gebiet der geübte Klavierstimmer in einem Klang abwechselnd nicht nur den Klang als Ganzes, sondern auch den Grundton nebst den Obertönen zu hören vermag, ebenso hält der geübte Psychologe ein Gesamtbewußtseinserlebnis fest und zerlegt es in seine Bestandteile."

"Vom Bewußtseinsleben der Tiere, Kinder oder selbst anderer Menschen wissen wir zunächst einmal gar nichts; daher dürfen wir dieses nicht zum Prinzip der Psychologie machen. Ebensowenig ist es gestattet, das Bewußtsein überhaupt zum Ausgangspunkt unserer Wissenschaft zu nehmen, denn dieses existiert für uns ebensowenig wie der Körper. Sowie wir von einem irgendwo in der Wirklichkeit vorkommenden Bewußtsein sprechen, knüpfen wir es notwendigerweise an ein Individuum oder Substrat."


A. Kritische Orientierung
- Einleitung -

Mit Genehmigung der hohen philosophischen Fakultät der Königlichen Ludwig-Maximilian-Universität zu München veröffentliche ich folgenden Abschnitt aus einer größeren, bei Doktorexamen vorgelegten, kritischen Abhandlung über "Die Geschichte des Selbstbewußtseins", die später ebenfalls in deutscher Sprache erscheinen wird. Daß ich zwecks einer solchen Veröffentlichung gerade JAMES' Darstellung des betreffenden Problems gewählt habe, geschieht aber, wie aus dem Folgenden hervorgehen wird, nicht, weil ich mich etwa dieser Auffassung anschließen möchte, noch, weil ich sie für origineller oder dem Inhalt nach wichtiger halte, als manche andere neuere, sondern vielmehr, weil bei JAMES eine typische Anschauungsweise unverkennbar und konsequenter als sonst zur Geltung kommt, und man außerdem in Deutschland für die Ansichten des nordamerikanischen Psychologen mehr Interesse als Kenntnis über dieselben gezeigt hat.

Das sogenannte Ich-Problem ist in der Neuzeit, insbesondere bei HUME, eine brennende Streitfrage der Psychologie geblieben. Auf der einen Seite befinden sich diejenigen, für welche HUMEs Auffassung des Bewußtseins der Weisheit letzter Schluß bleibt - allgemein gesprochen, die Sensualisten, die unter diesem oder jenem wohlklingenden Namen und passenden Bild, als da sind "Statue" "Bühne", "Republik", "Vermögen", "Licht, das die Maschine beleuchtet", "Brett" usw., HUMEs "Bündel", nebst seiner Verwechslung von "Seele" und "Ich" beibehalten haben - auf der anderen stehen die Vertreter einer Richtung, als deren Ausgangspunkt LEIBNIZ und KANT anzusehen sind, die irgendein sich gleichbleibendes Prinzip als Träger der Einheit und Identität konstatieren.

Außerdem gibt es in neuester Zeit, öfters unter der genannten Nichtunterscheidung von Erkenntnis- und Realgrund, noch Erklärungen, die als Vermittlungen zwischen beiden Gegensätzen gelten wollen. Ein solcher Vermittlungsversuch ist der von JAMES, der sowohl in seiner Lehre über die Kontinuität der Bewußtseinserlebnisse, welche bei ihm der Ausgangspunkt für die Betrachtung unserer Frage bildet, als auch in seiner Lösung des "Rätsels" selbst nicht nur zu den Assoziationsphilosophen, sondern auch zu den "Egoisten" im Gegensatz stehen will.

Diese Auffassung vom Bewußtsein und der persönlichen Identität bei JAMES hat nun gewisse innere Schwierigkeiten; die Hauptsache aber ist, daß sie nicht mit unseren empirischen Erkenntnissen übereinstimmt. Was zunächst die letzteren betrifft, so besteht hier vor allen Dingen eine grundsätzliche, für die englisch-französische Psychologie beinahe charakteristische Verwechslung einerseits von "Empfindung" und "Gefühl", andererseits von "Inhalt" und "Gegenstand", für welche die von LOCKE und insbesondere von HUME ausgehende psychologische Terminologie wohl teilweise verantwortlich zu machen ist. Zur vorläufigen einleitenden Kritik wollen wir also einige der Hauptpunkte dieser Lehre in Augenschein nehmen, indem manches, was hier nur angedeutet oder gar unberücksichtigt bleibt, entweder anhand der Darstellung selbst oder eingehender in einem nachfolgenden Kapitel der erwähnten Arbeit noch zur Sprache kommt. Hier interessieren uns zunächst allgemeine Schwierigkeiten der englischen Terminologie.

Für HUME bedeutet feel bzw. feeling nicht nur "empfinden", "Empfindung", "wahrnehmen", "Wahrnehmung", "tasten" oder "betasten", "Tastempfindung" oder "Tastsinn", sondern auch zugleich - ähnlich wie in der heutigen englischen und deutschen Umgangssprache "fühlen" und "Gefühl". "Gefühl" im angedeuteten eingeschränkten Sinn drückt er gewöhnlich durch sentiment, aber auch durch sensation aus. Sentiment wird nun ferner von ihm nicht nur im Sinne von "Gesinnung" oder "Meinung", sondern auch als Synonym von feeling gleich "Empfindung" gebraucht; während sensations oder perceptions of sense die unmittelbaren Eindrücke (impressions) des inneren oder äußeren Sinnes, gewöhnlich "Empfindungen" oder "Wahrnehmungen" gelegentlich aber auch, wie bereits bemerkt, "Gefühle" bezeichnen.

Für alle drei Ausdrücke, also: feeling, sentiment und sensation, nicht wie JAMES gelegentlich sagt, für "Empfindung" allein, ist der Allgemeinname: impression, der als ihre reproduktive Wiederholung oder Kopie idea, gleich "Vorstellung", gegenübersteht. Im Wort perception, gleich "Bewußtseinserlebnis überhaupt", faßt HUME alle impressions und ideas beider Sinne zusammen; und schließlich heißt bei ihm to think nicht nur "denken" im logischen Sinne - wofür er gewöhnlich to reason hat - sondern auch, ähnlich wie bei CARTESIUS, MALEBRANCHE, SPINOZA und LEIBNIZ, einfach "vorstellen" oder "meinen", "glauben", "halten" usw. Das Substantiv thought bei ihm gibt man im Deutschen abwechselnd durch "das Denken", "das Denkvermögen", "die Vorstellung" und dgl. wieder.

Allein trotz dieser oft äußerst verwirrenden Terminologie, nebst der Zusammenwerfung von "Inhalt" und "Gegenstand", "Gedanke" und "Gedachtes", "Erleben" und "Erlebtes", "Erkennen" und "Erkanntes" usw., kennt HUME sachlich eine wichtige Tatsache, die bekanntlich den meisten seiner Nachfolger verloren ging, nämlich den Unterschied zwischen "Empfindung" und "Gefühl", den er größtenteils durch deren sprachliche Auseinandersetzung mittels feeling und sentiment richtig angibt.

I. Finden nun aber hier bei aller sprachlichen Unbestimmtheit genaue, gewöhnlich aus dem Zusammenhang sich ergebende Scheidungen von Begriffen statt, so ist doch JAMES in beiderlei Hinsicht zu tadeln. Zu seiner unwissenschaftlichen, äußerst populär gehaltenen Sprache und Darstellungsweise gesellt sich neben manchem Widerspruch eine solche Vermengung von Begriffen und Tatsachen, die den Leser in Bezug auf die wirklich beabsichtigte Meinung des Verfassers unter Umständen vollständig in Dunkelheit lassen kann, und den unbestrittenen Wert von JAMES Buch (1) sicherlich erheblich beeinträchtigt.

Es scheint sogar ferner ein Grundtrieb (2) von JAMES' Philosophieren, nicht nur, wie erklärt, "der Psychologie ihr Vages, Unbestimmtes" zurückgeben, sondern auch Unterschiede überhaupt verwischen und die verschiedenartigsten Tatsachen - die er vorher in diesem oder jenem "vagen, neutralen Wort" zusammengefaßt hat - als einander gleichartig betrachten und behandeln zu wollen. Es verdient aber kaum bemerkt zu werden, daß solche Wörter, die alles mögliche bedeuten, und mit denen es sich trefflich streiten und Systeme bereiten läßt, in Wirklichkeit gar nichts bezeichnen.

Klarheit wird durch eine solche Willkür in der Anwendung der wissenschaftlichen Termini durchaus nicht geschaffen, sondern vielmehr das Gegenteil, und auch JAMES begeht, scheinbar infolge seiner eigenen grundsätzlich zusammenfassenden, andeutenden Termini nicht selten den bedenklichsten aller methodologischen Fehler, daß er Haupt- und Nebensache miteinander verwechselt und die Begleiterscheinungen gewisser Bewußtseinserlebnisse für das Wichtigste ansieht.

Auf die große Menge dieser Verwechslungen und Widersprüche, die in den Kapiteln über "die Wahrnehmung des Raumes", bzw. "der Wirklichkeit", "die Aufmerksamkeit" und ganz besonders "den Willen" gipfeln, wollen wir hier nicht eingehen. Außer diesem und dem sofort zu besprechenden Grundirrtum, auf den vielleicht alle anderen zurückzuführen wären, seien nur einige beiläufig erwähnt.

Auch für JAMES ist to feel überall gleich "Empfinden" und "Fühlen" und HUMEs perception entspricht sein Ausdruck experience, der zugleich das "Erfahrene" und das "Erfahren" bedeutet. To know bedeutet unter anderen "erfahren" oder "erleben", "vorstellen", "urteilen", "schließen", "apperzipieren", "erkennen", "kennen", "empfinden" und "fühlen". Bei ihm heißt ferner object bald "Gegenstand überhaupt", bald bloß "Ding" und dauch thing bald "Gegenstand überhaupt" bald "Ding" ist, so gehen die beiden Begriffe ziemlich bunt durcheinander.

Die sensation ist für ihn ein element of experience, die sich von der "Wahrnehmung" durch die äußerste Einfachheit ihres object unterscheidet. Reine sensations kommen jedoch nur in der frühesten Kindheit vor; sie sind im Leben des Erwachsenen nur ein Bestandteil des jedesmaligen object, nicht aber des "Gedankens" der diese kennt, denn der "Gedanke" selbst ist eine unzerlegbare Einheit, die je nach der Art ihres object einen mehr oder weniger sinnlichen, bzw. intellektuellen Charakter trägt.

Bei JAMES baut sich zunächst alles auf experiences oder sensations auf. Es gibt Reale und Gemüts-Zustände, und diese kennen jene. Die sensations sind die ursprünglichen Bewußtseinselemente, die uns zunächst mit unzähligen things bekannt machen, dann aber in der Folge durch "Gedanken" ersetzt und verdrängt werden, welche dieselben things auf ganz andere Weise erkennen. Diese Anfänge des Bewußtseins gehen allen Vorstellungen voran.

Die Struktur des Gehirns ist von solcher Art, daß alle Strömungen darin in derselben Richtung laufen. Irgendein Bewußtsein begleitet alle Strömungen, allein erst beim Eintritt neuer hat es den sinnlichen Beigeschmack. Das Bewußtsein trifft erst dann mit einem äußeren Realen unmittelbar zusammen. Der Unterschied zwischen einem solchen Zusammentreffen und aller begrifflichen Erkenntnis ist sehr groß.

Vor der Geburt des Kindes existiert das Bewußtsein so gut wie gar nicht. Das Gehirn liegt vor, ja noch eine ziemliche Zeitlang nach der Geburt in einem tiefen Schlaf, und die erste sensation, die ein Kind erhält, ist sein Weltall. Diese einheitliche experience, die alle Kategorien des Verstandes enthält und zwar in ganz demselben Sinn wie irgendeine späteres object oder System von objects, läßt eine unvorstellbare Spur im Gehirn zurück oder bewirkt eine solche Veränderung des Stoffes der Gehirnwindungen, die mit der Hirnrückwirkung auf den nächsten Sinneseindruck zur Erzeugung eines höheren Grades der Erkenntnis führt, und die Verwicklung setzt sich weiter bis zum Ende des Lebens fort. Die ersten "Gedanken" haben einen fast ausschließlich sinnlichen Charakter (3). So entsteht bei JAMES der Gedankenstrom, dessen Zerlegbarkeit von ihm, wie gesagt, durch den angeblich unteilbaren "Gedanken" als Grenze willkürlich bestimmt wird.

Dagegen bemerken wir hier zunächst kurz, daß "Gedanke", "Gefühl", "Empfindung", "Vorstellung" und dgl., vom Fluß des psychischen Geschehens abgesehen, im gleichen Sinne Abstraktionen sind. Als Ergebnisse der psychologischen Analyse, obgleich auf verschiedenen Stufen derselben stehend, verhalten sie sich zueinander in dieser Beziehung ganz gleich. Und wenn man zweifellos die verschiedensten Bewußtseinstatsachen unter die eine Rubrik experience, perception, thought oder feeling zusammenfassen kann, so ist ein solches Verfahren, wenn man dabei bleibt, nicht wissenschaftlicher als das eines Historikers, der etwa sagte: Im 19. Jahrhundert ereigneten sich viele schnell aufeinanderfolgende, eng zusammenhängende, jedoch untrennbar miteinander verknüpfte und deshalb durchaus nicht zu bestimmende Tatsachen, oder aber das eines Statistikers, der sagen wollte: In Deutschland gibt es lebende Wesen. Ein Haufen oder eine Sammlung von kleinen Haufen ununterschiedener Tatsachen macht selbstverständlich noch keine Wissenschaft aus.

Aber wenn auch die Bewußtseinserlebnisse, wegen ihrer zeitlichen Aufeinanderfolge, sich als einen Strom darstellen lassen, so besteht hier nicht weniger wie bei anderen Wissenschaften, deren Gegenstände uns zunächst auch sub specie aeternitatis [im Licht der Ewigkeit - wp] erscheinen, die unvermeidliche nächste Aufgabe in der Zergliederung und Zurückführung des gegebenen Zusammengesetzten auf letzte, nicht weiter zerlegbare Einheiten.

So redet z. B. der Botaniker vom normalen Rosenkelchblatt, vielleicht mit vollem Bewußtsein, daß es keine zwei wirklichen Kelchblätter gibt, die einander ganz gleich wären. Dabei wird er auch nicht vergessen, daß in der Natur Kelchblätter nur an Blumen und letztere nur an Pflanzen vorkommen, und er wird vor allen Dingen auch nicht Kelchblätter mit Staubfäden oder Stengeln oder Wurzeln verwechseln. Ebenso spricht der Physiker vom Fallen eines Körpers, der Chemiker von Urstoffen, der Petrograph von Mineralien usw. Und in jeder dieser verwandten Wissenschaften, die man als Naturwissenschaften den Geisteswissenschaften gegenüberstellt, wird übrigens die ihr eigene Methode nicht von vornherein willkürlich nach der einer anderen, sondern, insofern sie eine selbständige Wissenschaft ist, durch den jedesmaligen Ausgangspunkt und das gesteckte Ziel bestimmt. Ebenso ist es auch hier.

Die Bestimmung der eigentümlichen Gesetzmäßigkeit des psychischen Geschehens kann selbstverständlich nicht durch eine Einfügung der Tatsachen in ein schon vorher fertiges begriffliches, etwa naturwissenschaftliches Schema, sondern immer nur nach eigener, Prinzip und Problem berücksichtigender Methode, und zwar erst nach der genauen Feststellung der Tatsachen und letzten Elemente des Bewußtseinslebens, erfolgen. Die Möglichkeit der jeder möglichen Synthese vorausgesetzten psychischen Analyse beruth auf der Tatsache, daß die Elemente des gedachten Stroms in den mannigfaltigsten Zusammensetzungen auftreten, und sich außerdem für die apperzipierende Selbstbeobachtung willkürlich als Ganzes wiederholen und zu neuen Einheiten verbinden lassen.

Statt das aber, wie JAMES meintm bei einer solchen Analyse, bzw. Synthese, die Bewußtseinserlebnisse und -elemente in ihrer besonderen Eigenart zerstört werden, gilt vielmehr das Gegenteil, daß die Erlebnisse, vermöge des Festhaltens und Heraushebens der einzelnen Elemente eines Ganzen durch die Tätigkeit des geistigen Auges, erst recht in ihrem eigentlichen Charakter erkannt wird. Etwa wie - um ein grobes Beispiel anzuführen - bei der Momentaufnahme des Rennpferdes dieser oder jener bestimmte Moment seines Laufes vom Apparat festgehalten wird (4), so wird vom beobachtenden Psychologen dieses oder jenes Einzelerlebnis im fortgehenden Strom festgehalten, so werden seine Teile verselbständigt und beobachtet.

Ähnlich wie auf physikalischem Gebiet der geübte Klavierstimmer in einem Klang abwechselnd nicht nur den Klang als Ganzes, sondern auch den Grundton nebst den Obertönen zu hören vermag, ebenso hält der geübte Psychologe ein Gesamtbewußtseinserlebnis fest und zerlegt es in seine Bestandteile. Er beobachtet vorhergehende und nachfolgende Erscheinungen und ist bestrebt, alle möglichen Veränderungen und Wirkungen, die ein vorkommendes Bewußtseinselement in anderen hervorzubringen vermag, zu bestimmen, um dann für die festgestellten Tatsachen unverbrüchliche Gesetzmäßigkeiten zu gewinnen. Eben dieses Festhalten, das Wesen der psychologischen Analyse scheint JAMES entweder gar nicht zu kennen oder aber er verwechselt, bei der Behauptung ihrer Unmöglichkeit, die Analyse der Bewußtseinserlebnisse mit der Analyse des Erlebenden. Verhielte es sich mit der psychologischen Analyse wirklich so schlecht, wie JAMES behauptet, so gäbe es weder Psychologie noch überhaupt eine Wissenschaft, denn ein Wissen überhaupt, was auch schon SOKRATES gegen die "objektive" Methode seiner Zeit geltend machte, setzt eben das gedachte Festhalten und Zerlegen voraus.

Das erwähnte innere Experiment, nicht, wie JAMES zu meinen scheint, die Beobachtung zufällig entstandener Erlebnisse halten wir für die wichtigste, wenn auch für die schwierigste Arbeit des Psychologen. Indessen ist sie die unentbehrliche, durchaus nicht zu vermeidende Vorarbeit, die condition sine qua non [Grundvoraussetzung - wp] alles wissenschaftlichen psychologischen Verfahrens und läßt sich durchaus nicht durch allgemeine "vage" Klassifikationen ersetzen. Dazu kann aber zwar das äußere Experiment in einigen Fällen ergänzend hinzutreten. Bei der Anwendung dieses bescheidenen Hilfsmittels muß jedeoch vor der großen Neigung zur Verwechslung von Psychischem und Physischem, die sich so häufig bei den sogenannten Reaktionsexperimenten und dergleichen offenbart, gewarnt werden. Solange man sich von dem gewaltigen Unterschied dieser beiden Gebiete nicht überzeugt hat und das eine vom anderen nicht auf das Schärfste abzugrenzen weiß, solange ist man gar nicht imstande, sich an die Lösung von psychischen Problemen heranzuwagen.

Worin nun die angebliche Unzerlegbarkeit des "Gedankens" bei JAMES besteht, wird nach und nach zur Sprache kommen. Für uns gründet sich zunächst die Annahme und Unterscheidung von objektiven und subjektiven Bewußtseinselementen auf die einfache Erfahrungstatsache, daß, wie wir sehen werden, das Erleben jedes Bewußtseinsinhaltes zwei verschiedene, unterscheidbare, jedoch nur im abstrahierenden Denken trennbare Momente in sich schließt. Und als letzte Einheit der objektiven Bewußtseinserlebnisse, den Ausgangspunkt für die Erklärung des Bewußtseinslebens überhaupt, sehen wir den Empfindungsinhalt an; diesen unterscheiden wir ferner auf das Genaueste vom unmittelbar erlebten "Empfinden", dem realen Vorgang "Empfindung" und vor allen Dingen von "Vorstellungsinhalt", "Vorstellen" oder "Vorstellung", die alle bei JAMES unter Umständen in dem einen Wort sensation oder experience zusammengefaßt werden.

Die Annahme einer "Seele oder irgendeiner sonstigen tiefer liegenden Entität" als Substrat für das Bewußtseinsleben meint JAMES als zu metaphysisch auf das entschiedenste ablehnen zu müssen; so was erkläre garnichts und die Bewußtseinserscheinungen ließen sich ohne eine solche Annahme vollständig formulieren. Indessen nimmt er gar keinen Anstoß daran, mit dem Gehirn offenbar ein ebensolches Substrat anzunehmen, und bei seiner Zurückführung der Bewußtseinstatsachen auf rein hypothetische Gehirnvorgänge und -zustände, Überlappungen von Gehirnerregungen usw. päpstlicher als der Papst zu sein; er verfährt dabei metaphysischer als der ausgesprochenste Spiritualist.

Mit der tabula rasa des anfänglichen, als Substrat für das Bewußtsein dienenden Gehirns und mit der Auffassung, die mit seiner Erklärung des sogenannten Doppel-Ich im Zusammenhang steht, daß dasselbe Gehirn entweder gleichzeitig oder abwechselnd als Substrat mehrerer "Gedankenströme" dienen kann, übersetzt JAMES die Anschauungen LOCKEs einfach ins Physiologische. Er scheint auch trotz seiner Behauptung, Bewußtseinserlebnisse rein phänomenal betrachten und den bloßen Parallelismus des Psychischen und des Physiologischen konstatieren zu wollen, zuletzt doch der Meinung LOCKEs zu sein, daß auf irgendeine noch nicht erklärte Weise, die mit der Entdeckung eines nexus [Verbindung - wp] zwischen dem Gehirn und dem Bewußtsein aufgeklärt würde, das Gehirn denken könne - den jeweiligen, gegenwärtigen "Gedanken" letzten Endes als das Produkt einer Mitwirkung des Gehirns oder eines Teils desselben mit einem object anzusehen.

Abgesehen davon aber, daß wir von einer solchen Mitwirkung nichts wüßten, ließe diese Auffassung die Art und Weise derselben vollständig außer Acht. Das Wort "Mitwirken", wie auch JAMES weiß, besagt ja in der physischen Mechanik, woher es zunächst genommen ist, nicht etwa, daß aus dem Zusammentreffen oder dem einfachen Beisammensein zweier Kräfte eine einfache Resultante als Produkt oder Summe derselben entstünde, sondern daß die beiden Komponenten bei einem gleichzeitigen Zusammenwirken auf ein drittes reales Element, den sogenannten unteilbaren Angriffs- oder Einheitspunkt, in diesem einen neuen Zustand als Produkt oder Resultante hervorbrächten. Welches wäre bei der fraglichen Auffassung dieses dritte Element des Mitwirkens? Das object oder das veränderte Gehirn kann es nicht sein, denn diese beiden wären Komponenten, und das anfängliche Gehirn ist doch im veränderten mit einbegriffen. Was JAMES ferner unter "der Person im weiteren Sinne" oder "dem ganzen vergangenen Gedankenstrom", den ja der "Gedanke" eines jeden Augenblicks vertreten soll, versteht, erklärt er auch nicht näher.

Insofern aber der vergangene "Gedankenstrom" überhaupt, d. h. potentiell oder dispositionell für den gegenwärtigen aktuellen Teil des Stromes existiert, wäre er nach dieser Auffassung wohl in der Gestalt des veränderten Gehirns oder des stetig sich ausdehenden Systems von Gehirnspuren vorhanden; der "Gedanke eines jeden Augenblicks" wäre demnach der Vertreter eines veränderlichen physischen Aggregats oder einer reinen Abstraktion. Von zwei "Gedankenströmen", denen als Substrat dasselbe Gehirn dienen könnte, wäre aber dabei wohl keine Rede, es sei denn, daß man sich das Gehirn nicht mehr als ein Ganzes vorstellt, sondern als in Partien verteilt, die abhängig voneinander funktionieren: was wohl mit der physiologischen Lehre über die Lokalisation gewisser Gehirnfunktionen im Widerspruch stünde.

Die wirkliche Meinung des Verfassers in Bezug auf das von ihm gedachte Verhältnis zwischen der Erscheinung "Gehirn" genannt, bzw. zwischen den Gehirnvorgängen und dem Bewußtseinsstrom oder die Frage, ob für ihn das Ansich des Gehirns mit der individuellen Seele in eins zusammenfällt, scheint schwer zu ermitteln, da seine gelegentlichen Äußerungen über diese und verwandte Fragen ziemlich unbestimmt und zweideutig lauten. Auch gehen sie uns hier weniger an.

Was die beschriebenen Gehirnvorgänge oder das Gehirn überhaupt anbelangt, so bewegen wir uns dort in lauter Hypothesen auf einem Gebiet, das für die wissenschaftliche Psychologie gar nicht in Betracht kommt. Es handelt sich hier auch durchaus nicht, wie JAMES sagt, um bekannte Tatsachen. Was im Gehirn beim Empfinden, Denken, Fühlen, Wollen und dergleichen vorgeht, hat noch kein Mensch beobachtet. Ob bei dem Gedanken: "Es braust ein Ruf wie Donnerhall" ein bewegterer oder ruhigerer Zustand des Gehirns stattfindet, als bei "über allen Gipfeln ist Ruh", ob die Gehirnbahn für ars longa [die Kunst ist lang - wp] länger ist als für vita brevis [das Leben ist kurz - wp], ja ob diesen überhaupt etwas derartiges entspricht, darüber wissen wir schlechterdings gar nichts, brauchen übrigens auch für die psychologische Betrachtungsweise durchaus nichts darüber zu wissen.

Für diejenigen, welche Bewußtseinstatsachen und die physischen Begleiterscheinungen, an die diese auf unbeschreibbare Weise gebunden erscheinen, auseinanderzuhalten vermögen, verspricht die von JAMES erwartete Entdeckung eines nexus zwischen "Gehirn" und "Bewußtsein" gar nichts. Und wenn nun die Physiologie für ihre Absichten solche Vorgänge zu gebrauchen und sie die von ihr beobachteten Körpererscheinungen denkend zugrundelegen zu müssen glaubt, so dürfen zumindest diese Annahmen nicht zu dem Versuch mißbraucht werden, Bewußtseinszustände zu erklären. Psychologie ist eben nicht Physiologie und eine Grenzwissenschaft könnte es nur unter der Voraussetzung der vollendeten Aufgaben dieser beiden Wissenschaften geben.

Erst wenn es einem gelingen könnte, den Parallelismus des Psychischen und Physischen im Einzelnen auszuführen und etwa zu zeigen, welchen besonderen "Gehirnvorgängen" bestimmte "Gedanken", also: "ich bin derselbe, der ich gestern war", oder aber die notwendigen und ewigen Wahrheiten entsprächen, dürfte man diese Behauptung von JAMES, daß: "jedesmal wenn das Gehirn funktioniert, ein Gedanke kommt", mit Recht aufstellen. Und wie leicht es wohl auch immer sein mag, Bewußtseinserlebnisse ins Physiologische zu übersetzen, so macht dieses Verfahren doch nicht, wie JAMES meint, daß sie dann etwas Wirkliches vertreten. Solche Übersetzungen, und seien sie auch mit noch so schönen Vollbildern illustriert, bedeuten für den Psychologen ebensowenig wie für den Deutschen die Übersetzung des "Faust" ins Chinesische. Aufgrund bloßer physiologischer Erklärungen durch Worte oder Zeichnungen oder vermöge der Übertragung psychischer Vorgänge in die Sprache der Gehirnphysiologie Bewußtseinstatsachen erklären oder erläutern zu wollen, ist doch ein hysteron proteron [das Spätere als das Frühere - wp].

Vom Bewußtseinsleben der Tiere, Kinder oder selbst anderer Menschen wissen wir hinwiederum zunächst gar nichts; daher dürfen wir dieses nicht zum Prinzip der Psychologie machen. Ebensowenig ist es gestattet, das "Bewußtsein überhaupt" zum Ausgangspunkt unserer Wissenschaft zu nehmen, denn dieses existiert für uns ebensowenig wie der Körper. Sowie wir von einem irgendwo in der Wirklichkeit vorkommenden "Bewußtsein" sprechen, knüpfen wir es ipso facto [notwendigerweise - wp] an ein Individuum oder Substrat.

Wir kennen unmittelbar bloß die eigenen Bewußtseinserlebnisse und diese bilden den nächsten Ausgangspunkt wissenschaftlicher, psychologischer Untersuchung. Ob am Anfang meines bewußten Lebens eine sensation einem object genauso gegenübergestanden hat, wie es JAMES beschreibt, davon kann ich leider nichts berichten, aber jedenfalls stimmt die Durchführung und Ausdehnung dieses physiologischen Schemas durchaus nicht mit meinen empirischen psychologischen Kenntnissen, denn, soviel ich irgendwie beurteilen kann, stehen, in dem einzigen mir bekannten Bewußtseinsleben, die Erlebnisse als object einem gegenwärtigen, denkenden, urteilenden, sich erinnernden "Gedanken" nicht in gleicher Weise gegenüber, wie in des Verfassers Gedankenstrom. Freilich bedarf diese Objektivität einer Erklärung.

II. Sie ist zunächst das unmittelbare Ergebnis der Übertragung und Anwendung einer physiologischen Theorie auf psychologisches Gebiet und besteht, wie schon eingangs angedeutet, einerseits in der Gleichsetzung von "Inhalt" und "Gegenstand", andererseits in der Zusammenwerfung von objektiven und subjektiven Bewußtseinserlebnissen. Im Übrigen hängt sie mit des Verfassers bekanntem Versuch, "Gefühle" und "Affekte" auf Körper- oder Organempfindungen zurückzuführen, eng zusammen, und macht ferner den eigentlichen Sinn seines anfänglichen Vorbehalts aus, thought und feeling in einem etwas ungewöhnlichem Sinn für Bewußtseinszustände überhaupt gebrauchen zu dürfen. Die genannten Ausdrücke bezeichnen aber für mein Bewußtsein in der Tat äußerste Gegensätze.

Die Blume, z. B., die ich jetzt vor mir sehe, ist, so sage ich, zugleich Inhalt meines Bewußtseins und Gegenstand meiner gegenwärtigen Betrachtung, aber damit meine ich jedenfalls nicht, daß der Gegenstand "Blume" vermöge seines Inhaltseins irgendeine Qualität gewinnt, und auch nicht, daß der Inhalt oder das Bild "Blume" und der Gegenstand "Blume" identisch sind. Beides fällt für mein Bewußtsein nicht zusammen, sondern vielmehr auseinander. Ich kann ja, falls ich nach der Betrachtung der Blume mich umdrehe oder die Augen zumache, immer wieder, so glaube ich, dieselbe Blume zum Gegenstand haben, während der Inhalt ein ganz anderer wird, oder der Inhalt kann bleiben, während der Gegenstand wechselt (5), und ich kann schließlich den Inhalt "Blume" haben, indem ich mich mit einem ganz anderen Gegenstand beschäftige.

Es gehört ferner nicht zum Gegenstand "Blume", zur Blume "selbst", Bewußtseinsinhalt zu sein, denn das hieße ihr so oft ich mich ihrer nicht bewußt wäre, die Existenz absprechen oder von mir abhängig zu machen, und es scheint mir doch, daß die Blume ohne mein Zutun mir gegenübersteht, daß sie für sich existiert, nicht daß ich sie selber auf eigene Faust erzeuge.

Als Bewußtseinsinhalt kann ich nun aber nicht nur einen Gegenstand haben, der noch fortfährt - zumindest der naiven Auffassung nach - derselbe Gegenstand zu sein, auch wenn er in keinem Bewußtsein vorkommt, der außerdem früher da war, ehe er mein Bewußtseinsinhalt wurde, sondern sogar einen Gegenstand, der schon existierte, als es noch kein Bewußtsein gab. Und zwar meine ich in jedem dieser Fälle nach wie vor genau denselben Gegenstand. Betrachten wir nun weiter - mein Freund und ich - dasjenige, was wir als dieselbe Blume bezeichnen, so heißt dies nicht, daß zwei Blumen vor uns sind, sondern daß die eine Blume als Bewußtseinsinhalt zweimal vorkommt.

Bei der Voraussetzung, daß mein Freund farbenblind oder gar blind ist, leuchtet es unmittelbar ein, daß unsere Inhalte anders beschaffen, daß sie nicht nur numerisch, sondern auch qualitativ verschieden sind, aber dies gilt auch für meine eigenen, sich auf denselben Gegenstand beziehenden Inhalte. Im Fieber kann mir vielleicht der Zucker, der mir sonst süß schmeckt, und meinem Freund immer noch süß schmeckt, bitter schmecken und im völlig bildlosen Denken kann ich in den Wörtern flos, fleur, flor, fiore, flower oder bloem den betreffenden Gegenstand ebensogut denken als in "Blume". Einem Wesen mit noch stärker ausgebildeten Sinnen oder einer höheren Erkenntnisweise käme wohl ferner jeder meiner Inhalte sehr inadäquat, mangelhaft und dürftig vor, aber das alles ändert doch gar nichts an der Blume selbst.

Ihr Inhaltsein ist bloß eine ihrer Daseinsweisen, kurz ihr Dasein für mich, nicht aber ihr Dasein ansich. Der Ausdruck: "die Blume ist Bewußtseinsinhalt" bezeichnet nun offenbar keine Qualität der Blume selbst, sondern - tertium non datur [ein Drittes ist ausgeschlossen - wp] - eine Beziehung des Gegenstandes, und zwar, da zu jeder Beziehung zwei aufeinander bezogene gleichzeitig in mir vorhandene Termini gehören, zu einem Etwas, vorläufig "Bewußtsein" genannt. Das Wort "Bewußtseinsinhalt" heißt ja, wie schon öfters hervorgehoben wurde, Inhalt meines Bewußtseins.

Im allgemeinsten Sinne des Wortes nun, als Bezeichnung für all das, was bewußt erlebt wird, ließe sich vielleicht der Ausdruck "Bewußtseinsinhalt" auf alles irgendwie im Bewußtsein Enthaltene anwenden, in welchem Fall "Bewußtseinsinhalt" gleichzusetzen wäre mit "Bewußtseinserlebnis". Zur genaueren Benennung besonderer, sofort zu besprechender Verschiedenheiten im Bewußtseinsleben wollen wir jedoch im Folgenden "Bewußtseinserlebnis" in diesem ausgedehnteren Sinn gebrauchen, "Bewußtseinsinhalt dagegen auf die objektiven Bewußtseinserlebnisse, als da sind die Empfindungs-, Wahrnehmungs- und Vorstellungsinhalte, einschränken. Zu unterscheiden sind also ferner gleich von vornherein, außer Inhalt und Gegenstand, einerseits Erleben und Erlebtes, das Haben von Inhalten und das Denken von Gegenständen, andererseits zwischen objektiven und subjektiven Gegenständen, sowie auch zwischen der objektiven und der subjektiven Seite von Bewußtseinserlebnissen.

Ich habe zum Beispiel oder ich erlebe einen so oder so beschaffenen Inhalt; das Haben oder das Erleben des Inhalts ist aber nicht der Inhalt selbst, so gewiß auch das Inhaltsein ein Erleben des Inhalts in sich schließt. Das Erleben oder Haben des Inhalts darf nicht, wie oft geschieht, mit dem Inhalt des Erlebens oder Habens verwechselt werden, wenn auch jenes in diesem implizit gegeben ist oder darin liegt. Und andererseits ist wiederum das Erleben oder Haben des Inhalts vom Erlebenden oder Habenden auseinanderzuhalten.

Von einem Gegenstand weiß ich nun zuerst vermöge seines Inhaltseins. Für micht ist er überhaupt zunächst als Inhalt da, und hätte ich diesen nicht gehabt oder erlebt, so würde ich von jenem selbstverständlich keine Ahnung haben. Ebenso wüßte ich nichts vom Erleben, ohne das im Inhalt implizit liegende Erleben gehabt o der erlebt zu haben. Aber ein Erleben, ein Empfinden, Wahrnehmen, Vorstellen kann ja nicht bloß überhaupt da sein, sondern man müßte genau bestimmen, wer es denn eigentlich haben soll. Ein Erleben setzt schon das Erlebende voraus, und wie nun im Inhalt einerseits der Gegenstand, andererseits das Erleben implizit gegeben ist, ebenso liegt implizit im Erleben für mein Bewußtsein auch das Erlebende. Ebenso wie ich weder von einem Gegenstand noch von einem Erleben gewußt hätte, ohne den Inhalt gehabt zu haben, geradeso hätte ich niemals von mir gewußt ohne ein Erleben erlebt zu haben.

Von Bewußtseinserlebnissen anderer Menschen weiß ich ja wirklich und ursprünglich gar nichts; gegeben sind mir zunächst bloß solche, die ich selber habe oder die mir zugehören. Ich erlebe mich stets auf diesen oder jenen der in meinen Inhalten liegenden Gegenstände unmittelbar bezogen, und zwar in der Weise, die da heißt: "die Zugehörigkeit zu mir", und diesen Tatbestand gibt schon der Ausdruck: "mein Erleben eines Bewußtseinsinhaltes" ohne weiteres an. Aber alle wirklich mir bekannten Inhalte gehören auch, wie oben angedeutet zu einem Etwas, das wir vorderhand "Bewußtsein" nannten. Und habe ich nun im vorkommenden Fall das Bewußtsein: die Blume ist jetzt Bewußtseinsinhalt, so bin ich mir in der Tat dreierlei - der Blume, der fraglichen Beziehung und ferner des obenbezeichneten "Etwas", zu welchem die Blume in Beziehung steht - bewußt.

Um klarzumachen, wie es mit diesem rätselhaften "Etwas" bestellt ist, brauche ich bloß an die Stelle des Ausdrucks: ich habe die Blume als Bewußtseinsinhalt oder die Blume ist jetzt Bewußtseinsinhalt, den gleichbedeutenden: die Blume ist mein Gegenstand oder die Blume ist für mich da, zu setzen. Das Wort "Bewußtsein" ist ja schließlich bloß ein anderer Ausdruck für das Wort "Ich". Dieses empirische Ich steht mir, dem denkenden, jetzt in einer rückschauenden Betrachtung geistig gegenüber. Wie verhält es sich zu mir? bzw.: wie verhalte ich mich zu ihm? Dies ist die später zu betrachtende Frage nach der persönlichen Identität.

Für dieselbe ist nun von großer Wichtigkeit eine weitere Unterscheidung, zu deren Erklärung der soeben gebrauchte Ausdruck: "das Ich ist für mich Gegenstand", Anlaß gibt - die Unterscheidung nämlich erstens zwischen objektiven und subjektiven Gegenständen und zweitens zwischen der objektiven und der subjektiven Seite von Bewußtseinserlebnissen. Auseinanderzuhalten sind zunächst der Gegenstand ansich und ein Gegenstand für mich.

Gegenstand ansich ist überhaupt alles, was mir gegenübersteht, kurz: das mir Gegenüberstehende oder alles, was ich überhaupt denken kann; Gegenstand für mich ist alles, was mir im vorkommenden Augenblick bewußt gegenübersteht, alles was mir dann im Bewußtsein ist. In jedem Bewußtseinsinhalt liegt implizit, wie oben angedeutet, zweierlei: der Gegenstand ansich und das Erleben, somit aber implizit auch das Erlebende, das Subjekt, welches das Erleben hat. Im Gegenstand ansich liegt jedoch gar nichts vom Subjekt, weswegen wir dieses einen objektiven, jenes einen subjektiven Gegenstand nennen.

Indem ich aber nun von der Form der Leistung abstrahiere, kann ich bald den Inhalt, bald das in ihm implizit liegende Erleben desselben ins Auge fassen, und jenen erlebe ich in ganz anderer Weise als dieses. Bei jenem Erleben unterscheide ich ein objektives und ein subjektives Moment, nämlich den Inhalt und das Erleben desselben, beim Erleben des Erlebens kommt bloß das eine Moment vor. Das Erleben des Erlebens und das Erleben selbst sind ein und dasselbe, wenn ich freilich auch hier eine objektive und eine subjektive Seite unterscheiden kann. Und in einem solchen Fall kann ich auch hier sagen: das Erleben ist mir Gegenstand, denn ich kann das Erleben nicht nur einfach erleben, sondern auch denken. Das Erleben oder Haben von Inhalten ist nun aber ferner vom Denken von Gegenständen genau zu unterscheiden.

Während ich an meinem Schreibtisch sitze, habe ich allerlei sinnliche Inhalte oder Bilder, als das sind alle möglichen Körperempfindungen, allein ich denke sie nicht. Ich beschäftige mich vielleicht mit etwas ganz davon Verschiedenem, etwa einem bevorstehenden Krieg oder einem philosophischen Problem. Dies hindert jedoch nicht, daß die bezeichneten Inhalte, während ich dies denke, in mir sind. Vielleicht tritt mir nun einer derselben allmählich deutlicher gegenüber; er zieht, wie ich sage, meine Aufmerksamkeit vom Krieg ab oder nimmt meine psychische Kraft in Anspruch. Ich dachte eben an das rote, fließende Blut verwundeter Soldaten und auf einmal vermöge einer oberflächlichen Ideenassoziation hat meine Empfindung des roten Federhalters an Stärke zugenommen. Er wird auf einen Augenblick zum Mittelpunkt meines Bewußtseins, indem ich mich ihm unwillkürlich innerlich zuwende oder ihn auffasse.

Nun kann ich mich aber von ihm als einem jetzt nicht zur Sache gehörigen Gegenstand innerlich abwenden, ich kann mich unter Umständen auch weiter mit ihm beschäftigen. In diesem Fall wird das bloße Haben des Inhalts zum Denken des in diesem Inhalt implizit liegenden Gegenstandes. Das Haben des Inhalts ist nun aber von meiner Willkür ganz und gar unabhängig; ebenso die erwähnte Zuwendung oder Auffassung. Der Inhalt tritt mir eben gegenüber, ohne daß ich bewußt etwas tue; er ist einfach ohne irgendein bewußtes Zutun meiner selbst da. Ob ich ihn dagegen denke, hängt lediglich von mir, insbesondere von meiner augenblicklichen Gemütsverfassung ab.

Solange ich mich dem Gegenstand noch nicht völlig zugewandt habe, d. h. solange ich noch bei der Auffassung des im Inhalt gegebenen Gegenstandes bin, ist dieser nicht gedacht, denn noch verhalte ich mich rezeptiv. Sobald ich aber den in einem Inhalt implizit liegenden Gegenstand expliziere oder denke, tue ich im Gegenteil etwas; ich bin bewußt tätig. Beim Haben von Inhalten bin ich leidend, beim Denken bin ich wirkend, dieses ist ein geistiger, jenes ein seelischer Vorgang, in diesem bin ich Geist, in jenem Seele. Allein dies will nun nicht heißen, daß "Seele" und "Geist" Wesensverschiedenheiten bezeichnen, sondern es sind beide nur zwei Seiten oder aber zwei Prädikate des einen selben Wesens "Ich".

In dieser bewußt auf Gegenstände gerichteten oder geistigen Tätigkeit gibt es ferner Stufen oder Grade, je nachdem ich mich mehr oder weniger intensiv mit dem betreffenden Gegenstand beschäftige. Ich kann den Gegenstand einfach als etwas mir Gegenüberstehendes denken, ohne mir irgendwie über seine Beschaffenheit und Beziehungen zu anderen Rechenschaft geben zu wollen, und ich kann auch intensiv in den Gegenstand eindringen und über ihn denken. Jenes Denken, das ein unmittelbare Ergebnis der seelischen Zuwendung ist, ist ein Akt; wir nennen es den schlichten Denkakt. Dieses weitere intensive Eindringen in und Denken über den Gegenstand ist Apperzeption.

Wenn ich nun bei vorkommender Gelegenheit sage: ich nehme jetzt diesen Berg - etwa den Hohentwiel - oder aber, um gleich ein anderes Beispiel zu nennen, dieses Goldstück war, so meine ich nach dem Früheren selbstverständlich, daß weder der Hohentwiel noch das Goldstück in mein Bewußtsein, in mich hineingewandert ist, sondern daß ich, wie oben ausgeführt, zunächst einen flächenhaften Inhalt vom Hohentwiel bzw. dem Goldstück habe. Ich habe, so sage ich, den Hohentwiel, respektive das Goldstück als Bewußtseins-, spezieller Wahrnehmungsinhalt. In diesem zweidimensionalen Inhalt denke ich aber nun den betreffenden dreidimensionalen Gegenstand, den ich auch in einer zwar nicht näher beschreibbaren, jedoch dem Menschen völlig vertrauten Weise für wirklich halte. Dieser Glaube an die selbständige oder von mir unabhängige Existenz, dieses oder jenes der von mir gedachten Gegenstände, das Bewußtsein der Wirklichkeit ist, wie Grundtatsachen des Bewußtseins überhaupt ein letztes nicht weiter zurückführbares Erlebnis. (6)

Habe ich aber ferner einmal die beiden erwähnten Gegenstände gesehen, so können dieselben in mir immer wieder als Erinnerungsbilder auftauchen; und in diesen den ursprünglichen Wahrnehmungsbildern sehr unähnlichen Inhalten kann ich jedesmal den in Betracht kommenden Gegenstand denken. Ich habe dabei ebenfalls das Bewußtsein seiner Wirklichkeit, d. h. ich stelle mir jetzt den Hohentwiel und das einst gesehene Stück Gold als wirkliche Gegenstände vor. An den gewonnenen Inhalten kann ich auch wiederum andere Geistestätigkeiten üben. Ich kann zum Beispiel neben anderen den Vorstellungsinhalt, der da heißt "Hohentwiel" und denjenigen, welchen ich mit dem Wort "Goldstück" bezeichne, beide zugleich in den Blickpunt meines geistigen Auges rücken und dann vermöge der abstrahierenden und vereinheitlichenden Fähigkeiten meines Geistes einen neuen Inhalt gewinnen. Ich kann den Vorstellungsinhalt "goldener Berg" haben, sogar in diesem auch den goldenen Berg "selbst" denken.

Allein ich habe in letzterem normalerweise nicht mehr wie bei den vorerwähnten das Bewußtsein der Wirklichkeit. Dieser Gegenstand, obschon ein denkbarer, "fordert" nicht, als ein wirklicher gedacht zu werden, sondern ich habe ich Gegenteil das Bewußtsein, ihn willkürlich ins Dasein gerufen, auf meine eigene Verantwortung hin gedacht zu haben. Ich nenne den betreffenden Vorstellungsinhalt ein Phantasiebild, den darin gedachten Gegenstand einen Phantasiegegenstand. Die in Vorstellungsinhalten gedachten Gegenstände werden also nicht immer, wie es doch bei den Wahrnehmungsinhalten der Fall ist, vom Bewußtsein der Wirklichkeit begleitet. Der oben besprochenen Wahrnehmung, sowie auch der Vorstellung steht nun ferner die innere Wahrnehmung gegenüber.

Wir haben schon oben gesehen, wie bei dem Erlebnis, das da heißt: "ich habe die Blume als Bewußtseins-, nämlich als Wahrnehmungsinhalt" sowohl der Gegenstand als auch das Erleben des Inhalts ins Auge gefaßt werden kann. Ich nehme beides, freilich auf verschiedene Weise wahr, und diese Verschiedenheit bezeichnet eine sehr wichtige Bewußtseinstatsache. Die Blume kann ich durch den Gesichts-, Geruchs-, Geschmacks- und Tastsinn, eine gespielte Melodie durch den Gehörsinn wahrnehmen. Dagegen hat es selbstverständlich keinen Sinn zu behaupten, daß ich das Erleben sehe, rieche, schmecke, taste oder höre, sondern ich nehme es innerlich wahr. Diese beiden Arten geistiger Tätigkeit bezeichnet man bekanntlich als "sinnliche" oder "äußere" und als "innere Wahrnehmung".

Bei der sinnlichen Wahrnehmung habe ich nun also zunächst einen den Gegenstand repräsentierenden Inhalt, in dem ich den Gegenstand "selbst" denke. Bei der inneren Wahrnehmung fällt, wie oben gesagt, Erleben und Erlebtes in eins zusammen; im Übrigen ist aber auch sie ein Denken und bei dieser wie bei jener, also bei der Wahrnehmung überhaupt, habe ich stets das Bewußtsein der Wirklichkeit der wahrgenommenen Gegenstände. Und das Bewußtsein der Wirklichkeit der wahrgenommenen Bewußtseinserlebnisse schließt in sich, wie man kaum zu oft wiederholen kann, zugleich das Bewußtsein der Wirklichkeit des Erlebenden. Mit Rücksicht auf die Beschaffenheit ihrer Inhalte ist nun weiter zwischen den äußeren und der inneren Wahrnehmung ein Unterschied zu konstatieren.

Habe ich z. B. bei der Wahrnehmung eines Gegenstandes etwa ein ästhetisches Gefühl der Lust oder Unlust an demselben, so ist es unmöglich, daß ich zu gleicher Zeit das Wahrnehmen bzw. das Gefühl selbst betrachte. Dies kann ich erst, nachdem ich sie erlebt habe, also im nächsten Augenblick. Die innere Wahrnehmung ist nämlich im Gegensatz zur äußeren, eine Betrachtung nicht in der unmittelbaren Gegenwart, sondern in der Vergangenheit, oder mit einem geläufigen Ausdruck: sie ist jederzeit "rückschauende Betrachtung". Ich denke das vergangene Bewußtseinserlebnis in einem je nach der zwischen dem Erleben und der Betrachtung verstrichenen Zeit verschieden beschaffenen Erinnerungsbild.

Ist diese Zwischenzeit groß, so besitzt das Bild in hohem Grad die Eigenschaften, die die Erinnerungsbilder von früheren äußeren Wahrnehmungen durch die Bank zu haben pflegen. Wie das Erinnerungsbild des hellsten Glanzes nicht leuchtet, das des stärksten Schalles nicht kling oder aber das der größten Qual nicht wehtut, ebenso ist das Bild eines vergangenen Erlebnisses, das ich mir in die Erinnerung zurückrufe, zunächst vom Erlebnis selbst verschieden; ihm fehlt vor allem, wie HUME hervorhebt, die Lebhaftigkeit und Stärke seines Vorbildes. Bei der Erinnerung an soeben vergangenes Innerlichwahrgenommenes verhält es sich wesentlich anders.

Die in der Zeit stattfindenden Bewußtseinserlebnisse entstehen freilich und vergehen wiederum. Allein sie verschwinden nicht sofort, sondern ein soeben gehabtes, nun vergangenes Erlebnis setzt sich tatsächlich in der Gegenwart fort oder "klingt nach". Und es gelingt dem Psychologen, zwar nicht jedesmal und auch nicht jederzeit, aber doch bei einiger Übung, das soeben stattgefundene verschwindende Erlebnis festzuhalten und es wieder zu erleben (7). Das in der unmittelbaren Vergangenheit stattfindende Erlebnis wird in der Gegenwart zugleich mit dem Bewußtsein, daß es ein vergangenes ist, wiederum erlebt; in einer solchen unmittelbar rückschauenden Betrachtung bestehen ja die eigentliche Aufgaben des Psychologen.

Die Nichtberücksichtigung solcher einfacher Bewußtseinstatsachen wie die vorhin aufgezeichneten, insbesondere die der inneren Wahrnehmung hat manchmal in der Psychologie zu den allerirrtümlichsten Auffassungen der persönlichen Identität geführ. Ehe war aber diese Frage selbst näher besprechen, wollen ir nun zunächst versuchen, die Bedeutung gewisser Erlebnisse noch schärfer zu betonen.

Den himmelweiten Unterschied zwischen "Inhalt" und "Gegenstand" versuchten wir bereits neben anderen ganz besonders dadurch hervorzuheben, daß wir zeiigten, inwiefern diese beiden unabhängig voneinander wechseln können. Den erwähnten Gegensatz, drückten wir auch so aus, daß wir sagten: in dem von mir als seelischem Auge aufgefaßten Inhalt denke ich als geistiges Auge den im Inhalt implizit liegenden Gegenstand. Zugleich zeigten wir, wie sich auf jedes mit sich identische Empfinden eines Inhalts ein doppeltes entgegengesetztes Gegenstandsbewußtsein gründen kann, daß aber dieser Gegensatz erst durch und für das Denken tatsächlich entsteht.

Wir konstatierten mit anderen Worten, daß das Denken, insofern es ein richtiges ist, für mein Bewußtsein subjektiv bedingt und objektiv begründet - eine Wechselbeziehung zwischen der wirklichen Welt und den denkenden Ich ist, daß nämlich der Geist im Denken über sich selbst hinausgreift und aufgrund der aufgefaßten Inhalte, bewußt aber nicht willkürlich, der Erscheinungswelt die Welt der Reale gegenüberstellt.

Die gedachte Zeit der Auffassungstätigkeit nun, worauf unmittelbar als deren Vollendung und naturgemäßes Ergebnis der Denkakt folgt, kann aber unter Umständen lange dauern, ja sogar oft überhaupt nicht zur Vollendung kommen. Höre ich mitten in der Stille einen kräftigen Donnerschlag, so ist bloß damit noch nicht gesagt, daß ich notwendig oder sofort den Gegenstand denke. Die erwähnte Tätigkeit kann auch lange dauern, wenn der Inhalt ein Vexierbild oder ein Ausdruck in einer mir nur wenig vertrauten oder ganz unbekannten Sprache ist; es gibt übrigens eine Art dummer Aufmerksamkeit, wobei man bei aller Anstrengung nicht begreift, d. h. den im Inhalt gegebenen Gegenstand nicht denkt.

Da sich nun aber diese Zuwendungstätigkeit nicht so wie die von der Naturwissenschaft betrachteten Vorgänge der Außenwelt beobachten und messen läßt, so ist sie für einige Psychologen entweder gar nicht konstatierbar oder als quantité négligeable [zu vernachlässigende Größe - wp] anzusehen, sie wird insbesondere von der höheren geistigen Tätigkeit oder vom Denkakt gar nicht unterschieen. Im alltäglichen Leben ist es uns freilich so zur anderen Natur geworden, in gewissen Symbolen gleichsam unmittelbar das Symbolisierte geistig zu erfassen, daß der tatsächliche Vorgang des Erfassens, ja daß es überhaupt einen solchen Vorgang gibt, uns ganz unbekannt bleibt. Und der gewöhnliche Mensch glaubt ja immer noch, nicht nur in den sinnlichen Inhalten unmittelbar das Wesen des Erscheinenden, sondern sogar auch die Entfernung wahrzunehmen.

Allein nur die anfängliche Naturansicht - die freilich auch für jeden Moment unseres gewöhnlichen nichtwissenschaftlichen Denkens maßgebend ist - glaubt dies. Die Wissenschaft dagegen hat längst auf eine wirkliche sinnliche Anschauung der Dinge verzichtet und ist überzeugt, daß Farben, Töne, Geschmäcke, Härte usw. Erscheinungen in unserem Bewußtsein sind. Das Leuchten einer Farbe, das niemand sieht, das Tönen eines Klangs, das niemand hört, oder der Schmerz eines Nadelstiches, den niemand hat, ist nirgends, während die betreffenden Dinge, unserem Glauben nach - ob dieser berechtigt ist oder nicht, kommt hier für den psychologischen Standpunkt nicht in Betracht - immerfort unabhängig von uns existieren. Diese bestehen so wenig aus "Empfindungsinhalten", "Empfindungen", "Vorstellungen", "Wahrnehmungen", sensations, perceptions, experiences und dgl. als die Gegenstände in einem archäologischen Museum aus Ausgrabungen. Die Empfindungen und Vorstellungen sind weder blau, kalt, bitter, hart, groß, lang, breit, kurz, viereckig noch elliptisch; die eines linken Punktes liegt nicht links von der eines rechten usw.

Ganz gewiß haben die betreffenden Erscheinungen ein Dasein; sie sind in meinem Bewußtsein, aber dies ist sicher nicht für mein Bewußtsein das Dasein des von mir gedachten Erscheinenden, so gewiß die Erscheinung in mir eine seiner Daseinsweisen ist. Das Bewußtsein trifft nicht, wie JAMES sagt, mit einem äußeren Realen unmittelbar, sondern im Gegenteil für das Denken stets mittelbar mit demselben zusammen.

Die große Falle des Psychologen ist nach JAMES die Verwechslung des eigenen Standpunktes mit dem der Bewußtseinstatsache, worüber er berichtet. Der Psychologe steht außerhalb des Bewußtseinszustandes, von dem er spricht; dieser nebst dessen object sind für ihn objects. Er kennt das object des "Gedankens" in anderer Weise als dieser, wird aber leicht zu dem Irrtum verleitet, der "Gedanke" kenne es auf dieselbe Weise und durch diesen "Trugschluß des Psychologen par excellence" [beispielhaft - wp] sind die allerfingiertesten Rätsel und Vexierfragen [Fangfragen - wp] in die Psychologie eingeführt. Die sogenannte Frage der präsentativen oder repräsentativen Wahrnehmung, d. h. ob ein object dem denkenden "Gedanken" in Gestalt eines Bildes oder unmittelbar ohne in dazwischenstehendes Bild gegenwärtig ist; die Frage des Nominalismus und des Konzeptualismus usw. sind verhältnismäßig leicht zu lösen, sowie man einmal bei der Behandlung derselben den Trugschluß des Psychologen ausgeschaltet hat (8).

Allein dies wäre ein Trugschluß nur unter JAMES' willkürlichen Voraussetzungen, daß "die aufeinanderfolgenden Gedanken objects in einer auch vom Psychologen gekannten Welt kennen, und daß ferner ihre Beziehungen zu ihren objects, zum Gehirn und der übrigen Welt Gegenstand der psychologischen Wissenschaft sind", d. h. insbesondere nur unter dem später zu besprechenden, wirklich nicht denkbaren Tatbestand, daß der "Auffassende", "Denkende" und "Erkennende" Wesensverschiedenheiten bezeichnen. Das Logische aus der Psychologie verbannen heißt sie freilich als Wissenschaft vernichten, und in der Tat scheint JAMES bei dieser Auffassung das wirkliche Wesen des Denkens im physischen Leben ebensowenig zu kennen als HUME.

LITERATUR - Herbert Charles Sanborn, Über die Identität der Person bei William James, [Inauguraldissertation] Leipzig-Eutritzsch 1909
    Anmerkungen
    1) WILLIAM JAMES, Principles of Psychology, 2 Bde., New York 1904
    2) Meine Ansicht erfährt durch den synkretistischen Versuch von James, sich widersprechende Meinungen unter die eine Rubrik "Pragmatismus" zu bringen, gewissermaßen eine Bestätigung.
    3) Principles of Psychology, Bd. 2, Seite 1f.
    4) Der Vergleich hinkt selbstverständlich - "wie es das Recht der Vergleiche ist", insofern der Apparat sich seines Tuns nicht bewußt ist und das, was er erfaßt nur in veränderter Form - so wie wir z. B. die Ergebnisse einer genauen Selbstbeobachtung eines anderen kennen lernen - uns darstellt.
    5) Den von mir im Inhalt ursprünglich gedachten Gegenstand "Blume" kann ich, ähnlich wie der Physiker den für das naive Bewußtsein gegebenen Ton in Schwingungen auflöst, in einen ganz davon verschiedenen umdenken, oder aber ich denke in ein und derselben geometrischen Zeichnung vielleicht abwechselnd zwei grundverschiedene Gegenstände.
    6) Das hiergenannte Bewußtsein der "Wirklichkeit" nennt LOCKE bekanntlich "sensitive Erkenntnis" oder "sensitives Wissen", das für ihn, wenn auch in kleinerem Grad und Umfang als die Erkenntnis unser Selbst und Gottes doch Evidenz, Gewißheit besitzt.
    7) Auf dieser Tatsache beruth ja in den sogenannten Reaktionsexperimenten die Möglichkeit des Vergleichs verschiedener aufeinanderfolgender Reize.
    8) vgl. JAMES, Principles I, Seite 196-197.