cr-2    
 
HANS LEISEGANG
Begriffslogik,
Definition und Klassifikation


Der Begriff ist etwas Unsinnliches, nicht mit den Sinnen Wahrnehmbares; er läßt sich nicht empfinden, nicht sehen, nicht fühlen.

Die unter dem Titel "Organon" zusammengefaßten Schriften in denen ARISTOTELES seine Forschungen über die Schlüsse, die Sätze und die Begriffe niedergelegt hatte, wurden den Scholastikern des Mittelalters überliefert, und von ihnen wurde diese Logik zu einem System ausgebaut, das einen besonderen Typus der Logik darstellt, der als die aristotelisch-scholastische, die traditionelle oder auch die klassische Logik bezeichnet wird. Sie soll im folgenden Begriffslogik genannt werden, da die letzten Bestandteile, aus denen sich ihre Gedankengebilde zusammensetzen, Begriffe sind, im Unterschied von der Satzlogik, die mit Sätzen als den Elementen des logischen Denkens arbeitet.

Denn neben dieser Begriffslogik trat fast gleichzeitig und ebenfalls aus der Schule PLATONs hervorgehende eine Form logischen Denkens und wissenschaftlicher Systematik auf, die von vornherein mit einer Wissenschaft verbunden war, sich aber von ihr ablösen und verallgemeinern läßt. Es war die Wissenschaft der Mathematik, speziell der Geometrie, die von EUKLID zu einem System ausgebaut wurde. Eine Menge geometrischer Lehrsätze war zu seiner Zeit bereits gefunden. Sie hingen miteinander irgendwie zusammen; denn um einen Lehrsatz zu beweisen, konnte man andere bereits bewiesene heranziehen. Sie waren offenbar aus der Kombination einzelner weniger Grundsätze entstanden. Diese galt es zu finden, und zwar nicht mehr und nicht weniger als zum Aufbau des Ganzen nötig waren. Sie sind die letzten nicht mehr zerlegbaren Elemente des ganzen Systems und werden Axiome genannt.

Aus einer endlichen Zahl solcher Axiome soll sich die unendlich Zahl von Lehrsätzen herleiten lassen. Da die letzten Elemente dieser Logik aus solchen Sätzen bestehen, wird sie eine Satzlogik genannt. Dieses System von Sätzen, von denen mit Ausnahme der keines Beweises bedürftigen und auch keines Beweises fähigen Axiome jeder bewiesen ist und die alle zusammenhängen, so daß sich jeder aus dem anderen in strenger logischer Folge ergibt, wird nun zum Ideal eines wissenschaftlichen Systems erhoben und gefordert, daß eine Wissenschaft in strengem Sinne nur als solche gelten und anerkannt werden soll, die aus beweisbaren Sätzen besteht, die sich auf wenige Axiome zurückführen lassen.

Das Verfahren, durch das die einzelnen Ergebnisse wissenschaftlicher Forschung in einen solchen Zusammenhang gebracht werden, nennt man Axiomatik, und wenn man von der Axiomatisierung einer Wissenschaft redet, so versteht man darunter die Herstellung eines solchen Begründungszusammenhangs. Im allgemeinen wird unter einem Begründungszusammenhang eine Folge von Sätzen verstanden, die so beschaffen ist, daß aus vorausgehenden wahren Sätzen andere wahre Sätze denknotwendig folgen.

Da der größte Teil der Terminologie der Logik aus der von ARISTOTELES geschaffenen Begriffslogik übernommen wurde, soll hier mit ihr begonnen und eine Einführung in diese Disziplin gegeben werden.

Die Begriffslogik enthält die Darstellung der Beziehungen, die zwischen Begriffen von verschieden großen Umfängen bestehen. Unter dem Umfang eines Begriffs ist dabei die mehr oder weniger große Zahl von anderen Begriffen zu verstehen, die in ihm zusammengefaßt werden. So enthält zum Beispiel der Umfang des Begriffs 'Realwissenschaften' unter anderen die Wissenschaften der Physik und der Biologie, während die Philologie, die Geschichte und andere ihnen gleichgeordnete Begriffe in den Umfang der Geisteswissenschaften fallen.

Die Begriffe sind dabei so geordnet, daß einem Begriff von größerem Umfang die von nächst kleinerem, diesen wieder die von nächst kleinerem Umfang und so fort eingeordnet sind, wodurch ein System entsteht, das ein Art-Gattungsschema oder eine Begriffspyramide heißen soll.

Außer der Darstellung dieser Beziehungen enthält die Begriffslogik auch die Beschreibung der Beziehungen, die zwischen Sätzen, den logischen Urteilen, und Satzkombinationen, den logischen Schlüssen, bestehen, die aus solchen zu demselben System gehörenden Begriffen gebildet werden können und einen sich aus diesem System ergebenden Begründungszusammenhang darstellen. Als klassische Muster solcher Systeme können die Pflanzen- und Tiersysteme betrachtet werden, die Linnè ausgearbeitet hat.

Es ist nun zunächst zu fragen, was in dieser Logik unter einem Begriff verstanden werden soll. Die ersten Wesenszüge des Begriffs treten hervor, wenn man von der Wahrnehmung oder der Anschauung zur Vorstellung und von dieser zum Begriff fortschreitet.

Unter einer Wahrnehmung soll das Bewußtwerden der Gegenwart eines realen individuellen Gegenstandes verstanden werden, das durch die Sinne und die von ihnen hervorgerufenen Empfindungen verursacht wird. Die Wahrnehmung ist dabei ein psychischer Vorgang, bei dem die Empfindungen mit einem Akt der Auffassung zusammenwirken, durch den unter den Empfindungen eine Auswahl getroffen wird, diese Empfindungen ergänzt, bereichert, gegliedert werden, wodurch ein Erkenntnisbild des Gegenstandes entsteht, das keine einfache Abbildung ist.

Die durch den Gesichtssinn vermittelte Wahrnehmung ist eine Anschauung. Eine Vorstellung ist die im Gedächtnis reproduzierte Wahrnehmung oder Anschauung, die dadurch entsteht, daß man sich an einen wahrgenommenen oder angeschauten Gegenstand erinnert. Die Vorstellung trägt dabei die individuellen Züge des wahrgenommenen Gegenstandes, wobei meist einzelne verloren gehen und vergessen werden. Es ist auch möglich, nicht real existierende Gegenstände vorzustellen wie etwa ein geflügeltes Pferd. Nur in diesem Sinne soll das Wort 'Vorstellung' hier gebraucht werden, da alle anderen Arten von Vorstellungen, die sonst noch in der Psychologie und in der Erkenntnistheorie unterschieden werden, für die Beziehungen, in denen ein Begriff in der Begriffslogik zu den Vorstellungen steht, nicht in Betracht kommen.

Die Vorstellungen und die ihnen zugrunde liegenden Anschauungen und Wahrnehmungen sind zwar das Material, das zur Begriffsbildung dient, aber die Begriffe selbst - der Mensch überhaupt, die Pflanze als solche - sind nichts Vorstellbares, sondern etwas Gedachtes. Der Begriff ist etwas Unsinnliches, nicht mit den Sinnen Wahrnehmbares; er läßt sich nicht empfinden, nicht sehen, nicht fühlen. Er kann nur gedacht, nicht angeschaut und nicht vorgestellt werden. Der Begriff ist etwas Unwirkliches, wenn wir unter dem Wirklichen das Dasein von Dingen und Vorgängen in der realen Außen- und Innenwelt verstehen. Aber als Unwirkliches hat er doch ein Sosein. Wir finden ihn vor als Denkinhalt mit bestimmten Eigenschaften oder Merkmalen, und hierin besteht seine eigentümliche Seinsweise.

Der Begriff ist das Allgemeine im Gegensatz zum Besonderen, das aber das Besondere beherrscht, ordnet und bestimmt. Er ist das Universelle im Gegensatz zum Individuellen.

Der Begriff ist das Gemeinsame, das vielen Dingen zukommt und in ihm zusammengefaßt wird. Er ist scharf zu fassen, begrenzbar durch eine Definition und die Angabe sämtlicher Merkmale, die ihn bestimmen. Daher hat er einen eindeutig feststellbaren Erkenntnisgehalt. Die Begriffe sind voneinander geschieden; sie sind diskrete ideale Gegenstände, die kein Kontinuum bilden, nicht ineinander übergehen können. Kontinuierliche Vorgänge lassen sich daher nicht in Begriffe fassen. Der Begriff ist das Abstrakte im Gegensatz zum Konkreten, das von der Fülle der Erscheinungen Abgezogene, Abstrahierte.

Zum Begriff gehören die Merkmale der Klarheit und der Deutlichkeit. Klar ist ein Begriff, wenn eindeutig feststeht, was mit ihm gemeint ist. Setzt sich ein Begriff aus mehreren Bestandteilen zusammen wie zum Beispiel die Begriffe des Säugetiers, des rechtwinkligen Parallelogramms, des Strafgerichtsprozesses, so sind sie klar, wenn die Bestandteile und ihre Beziehungen bekannt und bestimmt sind und sich nicht widersprechen. Als Schulbeispiel für einen in sich widerspruchsvollen Begriff wird das "hölzerne Eisen" angeführt. Deutlich ist ein Begriff, wenn er von anderen, besonders von den mit ihm verwandten, genau unterschieden und von ihnen trennbar ist.

Die wichtigste Eigenschaft, die den Begriff zum logischen Begriff macht, ist sein Zusammenhang mit anderen Begriffen. Jeder logische Begriff gehört zu einem Begriffssystem und erhält erst aus der Struktur dieses Systems seine eigentlich logische Bedeutung. Diese Systeme können verschiedene Strukturen haben. So hat das periodische System der Elemente, in dem jedes Element seinen logischen Ort im ganzen System hat und durch die Angabe dieses Ortes definiert werden kann, eine andere Struktur als das in Gattungen und Arten gegliederte Pflanzensystem und dieses wieder andere als etwa ein Stammbaum, in den die einzelnen Personen nach ihren Verwandtschaftsbeziehungen eingeordnet sind.

Gegenstand der klassischen Begriffslogik waren zunächst nur solche Begriffssysteme, deren Struktur sich wie die des Pflanzensystems in einem Art-Gattungsschema graphisch darstellen läßt. Aus dem System, das die Art- und Gattungsbegriffe bilden, ergibt sich, daß ein jeder Begriff einen Komplex von Merkmalen darstellt, durch die er bestimmt ist und sich zugleich von anderen Begriffen desselben Systems unterscheidet. Der Begriff darf dabei nicht, wie dies die Begründer einer algebraischen mathematisierten Logik wollten, als die Summe seiner Merkmale aufgefaßt werden. Aus der Zahl der vielen Eigenschaften eines Gegenstandes werden nur die herausgegriffen, die sich für die Begriffsbildung und die Ordnung der Begriffe eignen. Sie werden nicht summiert, sondern dienen dazu, jedem Begriff im System einen mehr oder weniger hohen Grad der Abstraktion zu verleihen.

Wenn dem Begriff einer Pflanze die Merkmale "getrenntblumenblättrig, zweikeimblättrig, bedecktsamig, sich offen fortzeugend" zuerteilt werden, so bilden diese Merkmale keine Summe, sondern eine aufsteigende Skala der Abstraktion. Der Sinn dieser Merkmalzusammenstellung ist: Die Pflanze, die unter diesen Begriff fällt, gehört zur Reihe der Getrenntblumenblättrigen, diese zur Unterklasse der Zweikeimblättrigen, diese zur Klasse der Bedecktsamigen und diese zur Abteilung der Phanerogamen oder sich offen Fortzeugenden, und hierin besteht der Inhalt des in sich gegliederten Begriffs, der, wenn man jedes Merkmal für sich nimmt, sich nicht als eine Summe der einzelnen Merkmale darstellt, sondern als ein Begriff, der andere Begriffe in sich enthält, und zwar so, daß der um ein Merkmal reichere jeweils in dem um ein Merkmal ärmeren enthalten ist.

Werden gleiche Merkmale verschiedener Begriffe zu einem neuen Begriff zusammengefaßt, so entsteht die Gattung. Werden zum Beispiel die gleichschenklig-spitzwinkligen und die gleichschenklig-stumpfwinkligen Dreiecke in dem Begriff "gleichschenkliges Dreieck" zusammengefaßt, so ist dieser die Gattung, die in drei Arten zerfällt, von denen jede je ein bestimmtes Merkmal mehr aufweist als die Gattung. Handelt es sich um ein mehr als zweistufiges System, so werden zur Bezeichnung der Stufen neue Begriffe eingeführt: Abteilungen, Klassen, Unterarten, Familien. Das Merkmal, das den Begriff einer Stufe von dem der nächst höheren unterscheidet, bezeichnet man als das artbildende Merkmal oder die spezifische Differenz, da im Lateinischen das Wort 'species' zur Bezeichnung der Art gebraucht wird, während 'genus' die Gattung bedeutet.

Bei der Aufstellung eines Art-Gattungsschemas oder einer Klassifikation können zwei Wege eingeschlagen werden: die Rationalisierung von oben und die Rationalisierung von unten. Die Rationalisierung von oben geschieht dadurch, daß ein weiter Begriff von großem Umfang gewählt wird, zum Beispiel der Begriff "Gegenstand". Dieser Begriff wird in seine weitesten Gattungen - wirkliche und ideale Gegenstände - zerlegt, diese wieder in Arten und so weiter. Man nennt dies eine Einteilung oder eine 'divisio'.

Die Rationalisierung von unten wird dadurch vollzogen, daß man eine Anzahl von Gegenständen betrachtet, die verschiedene Merkmale gemeinsam haben. Sie werden nach den übereinstimmenden Merkmalen in Gruppen geordnet, die sich durch je ein Merkmal voneinander unterscheiden. Aus den dadurch erhaltenen Begriffen werden wieder die übereinstimmenden Merkmale herausgenommen und zu weiteren Begriffen zusammengefaßt. So wird fortgefahren, bis man bei dem umfassendsten Begriff, dem Spitzenbegriff des Systems, angelangt ist. Dabei entsteht beim Aufsteigen von einer Stufe zur anderen die Gattung aus den Arten analytisch, das heißt durch Zerlegung des Inhalts des Artbegriffs in seine Merkmale und die Weglassung der spezifischen Differenz. Beim Herabsteigen entstehen die Arten aus der Gattung synthetisch, das heißt durch Hinzufügung der spezifischen Differenzen. Beide Verfahren gehören zur Technik der in jeder Wissenschaft gebrauchten Klassifikation.

Die Begriffe, die in einem solchen System auftreten, stehen in dem Verhältnis der Über- und Unterordnung oder der Subordination zueinander. Die Begriffe, die auf gleicher Stufe des Schemas stehen, sind nebengeordnet oder koordiniert. Begriffe, die anderen übergeordnet sind, haben einen größeren Umfang, aber einen geringeren Inhalt als die ihnen subordinierten. Diese haben den kleineren Umfang, aber einen reicheren Inhalt.

So hat der Begriff "Realwissenschaft" einen größeren Umfang als der Begriff "Physik", da zu den Realwissenschaften außer der Physik noch viele andere Wissenschaften gehören, die von realen Gegenständen handeln, aber die Zahl der Merkmale, die ihn kennzeichnen und seinen Inhalt darstellen, ist kleiner als die Zahl der Merkmale, die angegeben werden müssen, um den Begriff "Physik" zu bestimmen. Der allgemeinste Begriff, das Seiende als solches, der alles umfaßt, was in irgend einem Sinne "ist", hat daher den größten Umfang, aber den gerinsten Inhalt. Man kann sich darunter nichts irgendwie Bestimmtes mehr denken.

Ein Begriff ist erst dann ein logischer Begriff, wenn er definiert ist. Die Definition setzt ein System von Begriffen voraus, das die Form eines Art-Gattungsschemas hat. Es gilt die alte scholastische Regel: "Definitio fit per genus proximum et differentiam specificam". Das heißt: Der zu definierende Begriff wird dem nächst übergeordneten Gattungsbegriff (genus proximum) untergeordnet und von den ihm koordinierten Arten durch die Angabe des artbildenden Merkmals (differentia specifica) unterschieden.

Wird das Parallelogramm definiert als ein regelmäßiges Viereck mit zwei parallelen Seitenpaaren, so setzt diese Definition voraus, daß die Vierecke in unregelmäßige und regelmäßige und diese wieder in solche mit einem parallelen Seitenpaar (Trapeze) und mit zwei parallelen Seitenpaaren geteilt wurden. Oder ein anderes Beispiel: Die Demokratie ist eine Staatsform, in der verfassungsgemäß die Staatsgewalt der Gesamtheit der Staatsbürger zusteht. Zugrunde liegt die Einteilung der Staatsformen in solche, bei denen die Staatsgewalt von einem ausgeht (die Monarchien), von einer Gruppe (die Aristokratie) und von der Gesamtheit der Staatsbürger. Das 'genus proximum' ist die Staatsform, in der verfassungsgemäß die Staatsgewalt den Mitgliedern des Staates zusteht. Die 'differentia specifica' ist die Gesamtheit der Staatsbürger im Unterschied von einer Gruppe und einem einzelnen.

Beim Definieren können Fehler gemacht werden. Man erhält dann eine Definition, die zu weit oder zu eng ist. So ist zum Beispiel die Definition: Der Staat ist eine organisierte menschliche Gemeinschaft auf einem bestimmten Territorium, zu weit; denn es ist in ihr nicht die spezifische Differenz angegeben, die den Staat von jeder anderen organisierten menschlichen Gemeinschaft, etwa einem Verein, unterscheidet. Fügt man die Bestimmung hinzu, daß diese menschliche Gemeinschaft zum Zwecke der Rechtssicherung organisiert ist, so genügt auch das noch nicht, da der Staat sich auch von solchen Gemeinschaften unterscheiden muß, die nur zur Sicherung ihrer Rechte gegründet werden, aber deshalb noch keine Staaten zu sein brauchen.

Die Definition ist zu eng, wenn der Umfang des Begriffs durch die Definition zu klein angegeben wird. Wenn man definiert: Die Demokratie ist eine Staatsform, in der verfassungsmäßig die Staatsgewalt unmittelbar von der Gesamtheit der Staatsbürger ausgeübt wird, so hat man damit nicht die Demokratie als solche, sondern eine ganz bestimmte Art von Demokratie definiert; denn es gibt Demokratien, in denen die Staatsgewalt nicht unmittelbar, sondern nur mittelbar von der Gesamtheit der Staatsbürger vollzogen wird. Hierdurch werden die Unterarten der Demokratie aus ihrem Begriff ungerechtfertigter Weise dadurch ausgeschlossen, daß nur eine Unterart als Demokratie bezeichnet wird, die anderen aber nicht in den Begriff mit aufgenommen werden. Wie die Klassifikationen, so treten auch die Definitionen in jeder Wissenschaft auf; denn jeder Wissenschaftler ist verpflichtet, nicht nur sein Material zu ordnen, sondern auch die Begriffe zu definieren, mit denen er arbeitet.

Die Definitionen sind nach den Regeln der Logik gebaute Sätze, sie gehören deshalb zu den logischen Sätzen, die in der Wissenschaft der Logik Urteile genannt werden.

Das logische Urteil hat die Form eines Satzes. Es ist aber kein Satz im sprachlichen und im psychologischen Sinne. Der Satz als sprachliches, psychologisch verstandenes Gebilde ist der Ausdruck eines inneren Vorgangs im Bewußtsein, der kein Gedanke zu sein braucht, und nur um Gedanken handelt es sich in der Logik. Der gesprochene lebendige Satz enthält immer mehr als nur die Feststellung eines objektiv bestehenden Sachverhalts. Auch wenn ein Satz einen Gedanken ausdrückt, hat er nicht nur einen gedanklichen Gehalt, sondern auch einen Ton, und der Ton ist mitbestimmend für seinen Sinn. Der Gedanke und der Ton können zusammenfallen und sich decken, aber sie müssen es nicht. Der Gedanke, den ein Satz ausdrückt, muß auch nicht immer mit dem Sinn der Wörter und der zwischen ihnen bestehenden grammatischen Verbindung zusammentreffen. Der Ton, mit dem ein Satz ausgesprochen wird, die Betonung, durch die das eine oder andere Wort des Satzes hervorgehoben wird, die Gefühle, die dadurch erregt werden, der tiefere Sinn, der Nebensinn, der Hintersinn, der sich hinter den Wörtern verbirgt, der ganze Zauber, die Magie der beseelten Sprache, das alles kommt in der Logik nicht vor.
LITERATUR - Hans Leisegang, Einführung in die Philosophie, Berlin 1966