Jürgen MittelstraßRobert Tigerstedt | |||
Wesen und Methoden der sozialen Psychologie
Der allgemeinste rein kopierende Begriff einer Wissenschaft entsteht meistens aus Vorstellungen, welche auf möglichst voller Inkludierung typischer und individueller Naturmomente, viel seltener aus solchen, welche auf möglichst voller Inkludierung typischer, möglichst voller Ausschaltung individueller Naturmomente und auf organistischer, relativ voller Ergänzungskomplementierung beruhen, weil sich die letztere vor hinreichender Orientierung gewöhnlich anorganisch gestaltet. Nachdem aber der allgemeinste, rein kopierende Begriff einer Wissenschaft, somit auch der Sozialwissenschaft, schon entstanden ist, wird hierdurch das Entstehen solcher konkreter Vorstellungen sehr befördert, die auf Inkludierung solcher typischer Momente, welcher der Allgemeinbegriff hervorhebt, auf Ausschaltung derjenigen individuellen Momente, welche er nicht hervorhebt und auf organischer, relativ voller Ergänzungskomplementierung beruhen. - Somit vermag das Hervorbringen des allgemeinsten rein kopierenden Allgemeinbegriffs dem ästhetishen Vollendungsmaximum viel seltener, als der hervorgebrachte Allgemeinbegriff bedeutend angenähert zu werden, da er sehr leicht und häufig konkrete Vorstellungen assoziative hervorrufen kann, welche auf möglichst voller Inkludierung typischer, möglichst voller Ausschaltung individueller Naturmomente und auf organischer, relativ voller Ergänzungskomplementierung beruhen. - Nachdem der Sozialphilosoph den allgemeinsten, rein kopierenden Begriff der Sozialwissenschaft hervorgebracht hat, kann er zu den abstrakten Konkretisierungen, d. h. zum Verallgemeinern der Teilgebiete I., II., III. ... N-ter Ordnung des gesamten Gebietes der Sozialwissenschaft schreiten. Vom allgemeinsten empirischen Sozialbegriff kann er also zunächst zum Verallgemeinern eines Teilgebietes I. Ordnung schreiten, welches weniger Glieder als das Gesamtgebiet umfaßt. Er kann jetzt eher als beim Hervorbringen des allgemeinsten Begriffs des sozialen Gesamtgebiets von solchen Vorstellungen ausgehen, welche durch organistische Komplementierung, bzw. organische, relativ volle Ergänzungskomplementierungen mitbedingt worden sind, weil sie jetzt viel leichter und häufiger entstehen und weil er schon über die gemeinsamen Momnte sämtlicher Bestandteile des sozialen Gesamtgebietes, somit auch über diejenigen gemeinsamen Momente sämtlicher Bestandteile des Teilgebiets I. Ordnung, welche auch sämtlichen Bestandteilen aller anderen Teilgebiete gemein sind, hinreichend orientiert ist. Er kann, von solchen Vorstellungen ausgehend, eher zum allgemeinsten, rein kopierenden Begriff des Teilgebiets I. Ordnung gelangen, als er vorher von ihnen ausgehend, den des sozialen Gesamtgebietes bilden konnte. Nachdem er den allgemeinsten Begriff des Teilgebietes I. Ordnung gefunden hat, kann der Sozialphilosoph zum Verallgemeinern eines Teilgebietes des Teilgebiets I. Ordnung, d. h. zum Teilgebiet zweiter Ordnung fortschreiten, wobei er noch eher von organisch komplementierten Vorstellungen ausgehen kann, als beim Hervorbringen des allgemeinsten Begriffs des sozialen Gebietes und des Teilgebietes erster Ordnung, weil er über diejenigen gemeinsamen Momente sämtlicher Bestandteile des Teilgebiets zweiter Ordnung orientiert ist, von denen manche sämtlichen Bestandteilen des Gesamtgebietes erster Ordnung und somit auch denen des Teilgebietes zweiter Ordnung gemein sind. Zu je weiteren Konkretisierungen der Teilgebiete III., IV., ... N-ter Ordnung der Sozialphilosoph schreitet, desto eher kann er sich der organisch komplementierten Vorstellungen zum Abstrahieren allgemeiner Begriffe bedienen, ohne Gefahr zu laufen, individuelle, bzw. anorganische Momente in die hervorzubringenden Begriffe zu inkludieren. Hat der Sozialphilosoph auf diesem Konkretisierungsweg sämtliche Teilgebiete I., II., III., ... bis zur N-ten Ordnung erschöpft, welche sich auf das in Vergangenheit und Gegenwart Vorkommende beziehen, so kann er zu weiteren Abstraktionen nur durch Fingierung typisch analoger Vorstellungskomplexe mittels möglichst voller Inkludierung typischer Ausschaltung individueller Naturmomente und organischer Zusatz-, bzw. Ergänzungskomplementierung gelangen. Die so entstandenen Begriffe werden umso revolutionärer und umso mehr neu sein, je voller die vorhergehende Ausschaltung individueller Naturmomente und die Ergänzungskomplementierung war. Ein sozialphilosophisches Schaffen wird umso mehr dem ästhetischen und wissenschaftlichen Vollendungsmaximum angenähert werden, auf je mehr abstrakte Konkretisierungsreihen es sich erstrecken wird, deren Abstraktionen nur aus organisch relativ voll ergänzungskomplementierten Vorstellungen hervorgehen konnten. Das Gebiet sozialer Menschenbeziehungen ist so unabsehbar groß, daß eine sehr spezialisierte Teilgebietssystematik kaum antizipiert werden könnte. Vielmehr müßte eine solche Systematik aus den Forschungen der Sozialphilosophen allmählich herauswachsen. - Die einzelnen Menschengefühle sind so sehr miteinander verknüpft und kommen in so zahlreichen Modifikationen und Verschlingungen vor, daß fast ein jedes Gefühl zu Gegenstand einer eigenen Disziplin werden könnte. Wahrscheinlich wird eine solche Psychologie in Zukunft sehr kultiviert werden. Die Wahl und der Umfang der Teilgebiete wird in der Sozialwissenschaft bedeutend mehr von den Lebensbedürfnissen des Philosophen mitbedingt und bestimmt werden, als in anderen Wissenschaften, da die Sozialwissenschaft über sämtliche geistige Verkehrsverhältnisse des Menschenlebens orientieren soll. Je komplizierter und mannigfaltiger die Erlebnisse des Sozialphilosophen, desto kompliziertere und mannigfaltigere eigene und mitmenschliche Orientierungsbedürfnisse wird er, hinreichende Begabung und Vorbereitung vorausgesetzt, durch seine Sozialanalysen befriedigen können. - Meine eigenen sozialpsychologischen Untersuchungen, die in meiner Psychologie der sozialen Gefühle (1) enthalten sind, entsprangen hauptsächlich ethischen und künstlerischen Bedürfnissen, die mich beim völligen Mangel an entsprechender, deskriptiver fremder Erfahrungsorientierung zum Selbst-hervorbringen einer solchen drängten. Das Auffinden der unumgänglichen Bedingungen der Annäherung der menschlichen und menschheitlichen Entwicklung an das allseitige Vollendungsmaximum empfand ich als größte und großartigste Aufgabe des Philosophen und gelangte so zur allgemeinen genetischen und vergleichenden Analyse des menschlichen Idealverhaltens, d. h. des Verhaltens, welches antizipierte und verwirklichte "Ideale" betrifft. Erst nach der zentralsten und wichtigsten Problemlösung der "Ideal"-Psychologie ist mir die Systematik meiner Sozialpsychologie völlig klar geworden, da sie sich zum großen Teil - ganz unwillkürlich und nicht nur aus antizipierten methodologischen Reflexionen entwickelt hatte. Die Frage nach dem möglichst vollkommenen Ideal, nach einem Panideal, welches für ein Individuum von größtmöglicher Entwicklung unvermeidlich und unentbehrlich wäre - kann nur nach vorhergehender allgemeiner Analyse des Idealverhaltens überhaupt und nach der ethischen, ästhetischen bzw. künstlerischen und sämtlichen Schätzungsverhaltens beantwortet werden. - Die Lösung der Teilfragen der Idealpsychologie nach dem möglichst vollkommenen ethischen, ästhetischen, entwicklungspsychologischen Ideale etc. muß aus den allgemeinsten Analysen menschlichen Schätzens und Schaffens hervorgehen, soll sie nicht das Schicksal der Predigten teilen. - Da die Annäherung an das Vollendungsmaximum nur durch Vergleichen verschiedener Entwicklungsinhalte zustande kommen kann, so müssen auch alle vorbereitenden sozial- und koordinationspsychologischen Analysen die graduellen Entwicklungsunterschiede der menschlichen Individuen und der Entwicklungsphasen eines Individuums berücksichtigen und hervorheben. Die Psychologie sowohl der entwicklungsgenialsten und produktivsten Individuen, als auch der minimal Entwickelten, wird auf diesem Weg nicht in zwei heterogene Teilgebiete zerklüftet, sondern durch End- und Übergangsglieder einheitlich nuanciert. Fast bei jedem Verhalten, bei allen Gefühlen wurden die intra- und extrasozial unterscheidenden graduellen Merkmale gesucht und wenigstens angedeutet. Dieses Verfahren finden in den Schätzungsanalysen selbst seine ethische und ästhetische Rechtfertigung und Billigung. Da diese Rechtfertigung für die ganze Sozialanalyse wesentlich charakteristisch ist, so will ich sie hier besonders hervorheben. Die Psychologie sowohl der entwicklungsgenialsten und produktivsten Individuen, als auch der minimal Entwickelten, wird auf diesem Weg nicht in zwei heterogene Teilgebiete zerklüftet, sondern durch End- und Übergangsglieder einheitlich nuanciert. Fast bei jedem Verhalten, bei allen Gefühlen wurden die intra- und extrasozial unterscheidenden graduellen Merkmale gesucht und wenigstens angedeutet. Dieses Verfahren finde in den Schätzungsanalysen selbst seine ethische und ästhetische Rechtfertigung und Billigung. Da diese Rechtfertigung für die ganze Sozialanalyse wesentlich charakteristisch ist, so weill ich sie hier besonders hervorheben. Die unumgängliche Mitbedingung einer bedeutenden Entwicklungsfähigkeit ist eine hinreichend bedeutende Selbstentwicklung und Selbstentwicklungsliebe, bzw. hinreichend stabiles und intensives Begehren oder Wollen der Beförderung und Erhaltung eigener Entwicklung. Die relativ bedeutende und komplizierte Selbstentwicklungsliebe setzt ein relativ bedeutendes und kompliziertes Verstehen nicht eigener Entwicklung voraus:
2. weil sie stets eine größere Selbstentwicklung antizipiert als diejenige ist, welche das antizipierende Individuum besitzt. Diese Antizipation könnte ohne irgendwelche Kenntnis nichteigener Entwicklung und ohne irgendwelche Übung im ästhetischen Genießen fremder Mehrentwicklung bedeutend kompliziert nicht vorkommen. Die unumgängliche Mitbedingung der größtmöglichen Selbstentwicklung ist die größtmögliche Selbstentwicklungsliebe, geknüpft an größtmögliche Entwicklungsliebe überhaupt, d. h. entsprechende, rein deskriptive Sozialorientierung vorausgesetzt, an größtmögliche Liebe der unterschiedsgraduellen Menschheitsentwicklung. Wie der Mensch aus nacheinanderfolgenden und gleichzeitigen Änderungskomplexen, so besteht auch die Menschheit aus nacheinanderfolgenden und gleichzeitig nebeneinander vorkommenden Menschengruppen. Ein jeder Mensch ist in manchen Richtungen mehr entwicklungsfähig, in manchen mehr entwickelt, als in anderen, somit kommt bei allen eine ganze Skala von nacheinanderfolgenden und gleichzeitigen potentielen und kinetischen Entwicklungskräften vor. Demnach besteht die Menschheitsentwicklung aus einer Skale von kinetischen und potentiellen inter- und intra-individuellen Entwicklungsunterschieden. Je mehr die Entwicklung eines Individuums dem Vollendungsmaximum angenähert ist, desto näher ist auch die Liebe der unterschiedsgraduellen Menschheitsentwicklung ihrem Vollendungsmaximum. Dabei entspricht die Skale der Liebesintensitäten der mehr oder weniger deskriptiv erfaßten Skala inter- und intra-individueller Entwicklungsunterschide; die größere Liebe wird auf die für größer geschätzte (eigene oder nichteigene) Entwicklung gerichtet. Nur bei Beobachtung des Postulats unterschiedsgradueller Entwicklungsberücksichtigung kann die bedeutenste, vielseitigste und komplizierteste Menschheitsentwicklung erreicht, bzw. erhalten, bewahrt, gerettet werden:
2. weil unvermeidlichenfalls die geringere Entwicklung, bzw. Entwicklungsfähigkeit um einer größeren willen aufgeopfert wird. Die Absicht eines Menschen kann auf die Beförderung der unterschiedsgraduellen Menschheitsentwicklung gerichtet sein und dennoch wegen der Unvollkommenheit der Ausführungsmittel statt zum beabsichtigten Erfolg, zur Hemmung oder Schädigung der unterschiedsgraduellen Menschheitsentwicklung führen. Analog kann die Absicht auf Hemmung oder Schädigung der unterschiedsgraduellen Menschheitsentwicklung gerichtet sein und dennoch wegen der Unvollkommenhit der Ausführungsmittel statt zum beabsichtigten Erfolg, zur Beförderung der unterschiedsgraduellen Menschheitsentwicklung führen. - Demnach wird die Beförderung, bzw. Hemmung der unterschiedsgraduellen Menschheitsentwicklung umso mehr von den Absichten des Individuums und umso weniger von unvorhergesehenen, unerwünschten Umständen abhängen, je entwickelter und je vollkommener orientiert das Individuum sein wird. - Die Hemmung, bzw. Schädigung der unterschiedsgraduellen Menschheitsentwicklung erfordert bei weitem unkompliziertere Mittel (schon die Unterlassung der Förderung kann als ein solches gelten) als deren Beförderung. Unvorhergesehene Umstände förden die unterschiedsgraduelle Menschheitsentwicklung nur sehr selten; dafür hemmen sie dieselbe sehr häufig, weil sie doch leichter geschädigt als gefährdet werden kann. Die eventuelle Schädigung der unterschiedsgraduellen Menschheitsentwicklung, bzw. Gefahren, Bedrohungen in Bezug auf dieselben ließen sich sehr häufig und sehr leicht, jedenfalls bei weitem leichter als deren Förderungsmittel von normalen Individuen voraussehen. Absichten, welche auf Lebensänderungen ohne positive Mitberücksichtigung der unterschiedsgraduellen Menschheitsentwicklung gerichtet sind, führen sehr häufig zur Hemmung derselben. Enthielten sie diese Mitberücksichtigung, so wäre dieser Hemmung in vielen und vielleicht in den meisten Fällen vorgebeugt. Unvermutet könnten dann nur entwicklungsfördernde, wenn auch unbeabsichtigte Erfolge kommen. Überdies vervollkommnen die auf unterschiedsgraduelle Menschheitsentwicklung gerichteten oder mitgerichteten Absichten die Orientierung des Individuums in Bezug auf Beförderung der unterschiedsgraduellen Menschheitsentwicklung und steigern so die Möglichkeit, in der Folge solche, bzw. ähnliche Absichten ausführen zu können. Folglich könnten die auf Beförderung der unterschiedsgraduellen Menschheitsentwicklung gerichteten oder mitgerichteten Absichten normaler Menschen unter vielen, vielleicht meisten Umständen zum Objekt rein deskriptiver, positiver Kritik in Bezug auf unterschiedsgraduelle Menschheitsentwicklung werden, allenfalls unter bei weitem mehr Umständen als die, welche entweder auf Hemmung der letzteren oder auf irgendwelche Lebensänderungen ohne positive Mitberücksichtigung der unterschiedsgraduellen Menschheitsentwicklung gerichtet sind. Bevor ich an die Darstellung der Systematik der Hauptgebiete meiner Sozialpsychologie gehe, will ich vorerst die Methoden der vorausgeschickten vorbereitenden Analysen schildern. Letztere verhalfen mir nämlich zur Erweiterung und schärferen Bestimmung der Sozialpsychologie. - Am prägnantesten können die sozialen Verkehrsgefühle hervorgehoben und analytisch abgegrenzt werden, wenn man deren Analyse die Untersuchung der mit ihnen direkt kontrastierenden Gefühle, d. h. der Isolationsgefühle entgegenstellt. Das Isolationsgefühl stellt sich hier als ein soziales Beziehungsgefühl dar, welches nur als Kontrast zum Verkehrsgefühl zur Abhebung gelangt, auf einem Verhältnis der Individuen zu ihren Verkehrsobjekten beruth und ohne solches ganz unvorstellbar ist. Eine Beziehung, ein Verhältnis kann geändert, modifiziert werden, wenn ein Glied oder mehrere, bzw. alle Mitglieder variiert werden. Somit vermag die soziale Koordinationspsychologie und analog die Soziologie die mannigfaltigsten Beziehungsvariationen nur durch Substituierung allerlei individueller Inhalte anstelle der zum Zweck einer begrifflichen Variierung ausgeschalteten Mitgliedsinhalte analytisch zu zergliedern und zu konkretisieren. So erhalten wir für die Sozialwissenschaft folgendes methodologisches Variierungsschema:
Änderung der Beziehung: 1. durch Änderung der Individuums; 2. durch Änderung des Beziehungsgegengliedes
b) des vorgestellten [b1: kopierten; b2: fingierten; b3: anthropomorphen; ab1: extrasozialen; ab2: intrasozialen; II.Für die Individualsoziologie: Änderung der Beziehung: 1. Durch Änderung des Individuums; 2. Durch Änderung der Beziehungsgruppe, bzw. der Beziehungsgruppen
b) der vorgestellten [b1: kopierten; b2: fingierten; b3: anthropomorphen; III. Für die Soziologie: Änderung der Beziehung: 1. durch Änderung einer sozialen Gruppe; 2. durch Änderund einer Gegenglied-Gruppe
b) vorgestellten [b1: kopierten; b2: fingierten; b3: anthropomorphen Daher kann das obige Schema folgendermaßen konkretisiert werden
Änderung der Beziehung: 1. durch Änderung des Erhaltungs - Entwicklungs - Lust - Unlust - Zustandes oder aller dieser Zustäde des Individuums 2. oder des Beziehungsgegengliedes; 3. oder sowohl des Individuums, wie auch des Beziehungsgegengliedes. II. Für die Individualsoziologie: Änderung der Beziehung: 1. durch Änderung des Erhaltungs - Entwicklungs - Lust - Unlust - Zustandes, oder aller dieser Zustände des Individuums; 2. oder der Beziehungsgruppe, bzw. Beziehungsgruppen; 3. oder sowohl des Individuums, wie auch der Beziehungsgruppe, bzw. -Gruppen. II. Für die Soziologie Änderung der Beziehung: 1. durch Änderung des Erhaltungs - Entwicklungs - Lust - Unlust - Zustandes oder aller dieser Zustände der Gruppe; 2. oder der Gegenglied-Gruppe; 3. oder sowohl der Gruppe, wie auch der Gegengliedgruppe. Die menschlichen Beziehungsglieder stehen im engsten Zusammenhang mit nicht-menschlichen Komplexen. Die Änderungen dieser Komplexe kommen natürlich bei denen der Beziehungsglieder, bzw. der Beziehungen mehr oder minder in Betracht - je nachdem sie eine mehr oder minder bedeutende Mitbedingungsrolle spielen. Hier können und müssen oft allerlei Hilfswissenschaften eingreifen, sollen die Sozialwissenschaften nicht einseitig psychologisch oder gar unpsychologisch werden. Man vergesse aber nicht, daß es sich hier um Mitbedingungen psychischer Erlebnisse handelt und daß die nichtpsychologischen Hilfswissenschaften auf Kosten der Psychologie nicht überschätzt werden dürfen. Eine ausführlich konkretisierende Untersuchung müßte demnach die den Anfangs-, Übergangs- und Endzustand der Beziehungsglieder mitbedingenden, außerhalb der sozialen Beziehung liegenden Komplexänderungen berücksichtigen, ja, oft ganz besonders hervorheben. Sämtliche psychophysiologische Zustände des Menschen sind zugleich Entwicklungs-Mitbedingtes und Entwicklungsmitbedingung. Daraus ergibt sich eine neue Aufgabe der Analyse:
2. die Entwicklungsstufe, welche die Anfangs-, Übergangs- und Endzustände der Beziehung in der unterschiedsgraduellen Entwicklungsskala des Individuums und der Menschheit einnehmen; 3. die außerhalb der geistigen Beziehung vorkommenden Mitbedingungen der Entwicklung, bzw. Rückentwicklung - darzustellen.
2. die Erhaltungs- und Gefühlsstufe, welche die Anfangs-, Übergangs- und Endzustände der Beziehung in der unterschiedsgraduellen Erhaltungsskala des Individuums und der Menschheit einnehmen. (Die Erhaltungsskala unterscheidet sich sehr wesentlich von der Entwicklungsskala); 3. die außerhalb der geistigen Beziehung vorkommenden Mitbedingungen der Erhaltung und Lust, bzw. Unlust darzustellen. Da die Entwicklungssteigerung erst in der Zukunft ihre Verwirklichung erreichen kann, so können sowohl die Bedingungen als auch die Inhalte unerreichter Entwicklung nur durch analoge Antizipierungen vorgestellt werden. Nur solche Komplementierungen vermögen das Leben des Individuums und der Menschheit zu revolutionieren und dem Vollendungsmaximum anzunähern. Diese Antizipationen können zu Maßstäben für die jeweilige individuelle Entwicklung werden. Sie entsprechen aber nur dann der Wirklichkeit, wenn sie die allen Annäherungen an das Vollendungsmaximum gemeinsamen Momente begrifflich inkludieren. Daß hier die geringste methodische Unvorsichtigkeit oder Neigungsschwäche zu ungeheuerlichen Zukunftsdeutereien führen kann, ist selbstverständlich.
Dem Obigen gemäß müßte man bei der Untersuchung der Isolation von den Verkehrsgefühlen ausgehen, um durch den Übergangszustand des Isoliert- werdens zum Isoliert- sein zu gelangen. Dabei zeigt sich aber auch eine nachfolgende Umkehrung des Verhältnisses sehr fruchtbar und für sämtliche Beziehungsanalysen sehr empfehlenswert. So entstehen folgende Schemata:
B. Individuum verkehrend, ändert sich - wird isoliert, ist verändert - ist isoliert. C. Individuum verkehrend, wird mehr (positiv, bzw. negativ) entwickelt, oder mehr (positiv, bzw. negativ) erhaltungsgesichert, - wird isoliert, ist mehr (positiv, bzw. negativ) entwickelt oder mehr (positiv, bzw. negativ) erhaltungsgesichert - ist isoliert. Umkehrung: A. Isolation - Verkehrssozial-werden - Verkehrsgefühl. B. Individuum ist isoliert, ändert sich - wird verkehrssozial, ist verändert - Individuum verkehrt. C. Individuum ist isoliert, wird mehr (positiv, bzw. negativ) entwickelt oder erhaltungsgesichert - wird verkehrssozial, ist mehr (positiv, bzw. negativ) entwickelt oder erhaltungsgesichert - verkehrt. Während die Einsamkeit mehr den Charakter der Freiwilligkeit besitzt, so ist die Vereinsamung durch die Unfreiwilligkeit, den Zwang, die Notwendigkeit charakterisiert. Es muß also gezeigt werden, wie Individuen von allerlei Entwicklungsgraden und in allerlei Entwicklungsphasen zum Begehren, bzw. Wollen einer Verkehrsunterbrechung gedrängt, wie sie durch eigene oder nichteigene Änderung zur Verkehrsunterbrechung gezwungen und wie sie von andern Individuen von allerlei Entwicklungsgraden und -Phasen verstoßen, verlassen, verbannt werden. So können die Keime der Feindseligkeiten, Entzweiungen, Kriege, die gegenseitige Entfremdung von Gruppen, Rassen, Völkern beleuchtet werden. Die Isolation kann durch Unterbrechung des Verkehrs des Individuums mit Mitmenschen oder mit sich selbst bedingt werden. Die Isolationsanalyse zerfällt demnach in neue Abzweigungen:
2. Untersuchung der Isolation in Bezug auf sich selbst. Während die Unterbrechung des Verkehrs mit den Mitmenschen sowohl durch geistige wie auch körperliche, bzw. räumliche Trennung bedingt werden kann, so vermag das Individuum in Bezug auf sich selbst fast nie räumlich, meistens nur zeitlich isoliert zu werden. Somit muß die Analyse ferner in folgende Teilgebiete geschieden werden:
2. Untersuchung der mitmenschenleeren Isolation; 3. Untersuchung der Isolation in Bezug auf sich selbst.
2. die metaphysische, 3. die philosophische und künstlerische Vorstellungsisolation Eine Übergangsanalyse werden hier die Isolationsuntersuchungen in Bezug auf introjektionistisch, bzw. anthropomorph aufgefaßte Wahrnehmungskomplexe bilden. Sehr fruchtbar müßte auch eine Analyse des Introjezierens der Verkehrs- und Isolationsgefühle in Wahrnehmungs- und Vorstellungs-, selbst Begriffskomplexe werden. Auch die Erkenntnistheorie müßte dabei gewinnen, da die Gefühle des "Wissens", "Erkennens", "Seins" etc. zweifelsohne Nachklänge menschlicher Beziehungen enthalten. Alles, was der Mensch wahrnimmt oder vorstellt, findet er als Glied eines Zusammenhangs vor. Da dieses Zusammenhang-vorfinden an allem Vorkommenden erfahren, erlebt wird - wird alles auf dieses Grunderlebnis mehr oder minder bewußt apperzeptiv zurückgeführt. Alles wird nicht nur als ein Zusammenhangsglied, sondern als ein allem andern, als solches Zusammenhangsglied Ähnliches, d. h. als "Etwas" erlebt. Gelangt dieses Etwas-Erlebnis zur vorzüglichen Abhebung und wird es mit relativ konstanter Aufmerksamkeit fixiert, so entsteht das "Sein", d. h. das relativ konstante Aufmerken auf das Etwas-Erlebnis. - Ist einmal die Seinserfahrung entstanden, so kann sie antizipiert werden; knüpfen sich an die "Seins-Antizipation" "Erwartung" und Spannungsgefühle in Bezug auf ein Etwas-Erlebnis, welches aber zur erwarteten Zeit nicht eintrifft, so entsteht das "Vermissen von Etwas", das Erleben von "Nichts" und "Nichtsein", dem sich Enttäuschungsgefühle anschließen. Die soziale Gewohnheit, sich selbst als ein "Ich", ein "Einzelsein", somit als Gegenglied einer menschlichen Beziehung zu erleben, geht fast imme auf das Etwas-Erlebnis über. Die "Zusammenhänge" alles Vorkommenden werden dann als "Beziehungen", d. h. "soziale Beziehungen" introjektionistisch empfunden: das "Sein" wird als "Einzelsein", als "Subjektsein" erfahren. Dieses Gefühl kann ganz analog zum menschlichen "Einzelsein" mannigfaltigste Variationen durchlaufen: so kann es zum "Einzigsein", "Ausnahmesein", zum "Idealsein" werden. Da die Sozialwissenschaft fast immer mit dem Ichbegriff operieen muß uns besonder die Individualsoziologie die Ichbeziehungen hervorzuheben die Aufgabe hat - so sollte der Soziologe die Ich-Analyse und deren Konkretisierungen durchaus nicht vernachlässigen und womöglich mit derselben nicht allzuspät nach den allgemeinsten koordinationspsychologischen Begriffsbestimmungen einsetzen. Ich habe diese Untersuchung mit der Isolationsanalyse, welcher sie doch sehr verwandt ist, verwoben. Die wichtigste Konkretisierung der Ich-Untersuchung ist die Analyse des Genies, welche selbstverständlich mit der Auffindung des allgemeinsten, empirischen Geniebegriffs beginnen muß, wenn der Forscher, statt sich wissenschaftlich theoretisch zu verhalten, nicht in das hergebrachte subjektive Genieschätzungsverfahren geraten soll. Nur eine so konkretisierte Analyse der Ichgefüle vermag den großen Streit der Geschichtsforscher und Soziologen hinsichtlich der Feststellung des "Verhältnisses" des "Individuums", bzw. "Genies" zur "Gruppe", "Gesellschaft" oder "Masse" einer endgültigen Lösung entgegenzuführen. Die Desorientierung auf diesem Gebiet hat sowohl für die Wissenschaft, wie für Politik und Pädagogik die verhängnisvollsten Folgen gehabt. Gerade diese Erkenntnislücken sind für politische Agitatoren und ehrgeizige Selbstverherrlicher sehr erwünscht. Die einen vergöttern das Volk, die Gesellschaft, die Masse, die andern das Individuum, den Einzelnen, den Einzigen, das Genie. Aber keiner dieser Götzendiener vermochte klar und deutlich zu sagen, was er unter Bezeichnungen, wie "Gesellschaft", "Einziger", "Genie" verstehe. Während manche das Beeinflußtwerden des "Genies" durch seine Umgebung verleugnen, so möchten ihm andere sogar seine Existenz absprechen. Alle heben sie aber als allgemeines Merkmal des Genies nicht die Genieschätzung, sondern bevorzugte, individuelle Inhalte derselben hervor. Gewöhnlich wird das Neuschaffenkönnen oder auch die mystische "Intution" als "Genie" generalisiert. Um zu erfahren, wie das "Genie", bzw. das "schöpferische" oder "intuitive" Genie durch seine "Umgebung" beeinflußt werde, muß man, von einer allgemeinen Analyse menschlichen Handelns ausgehend, bis zur Analyse menschlichen Schaffens und Neuschaffens gelangen. Daß aber ein jedes menschliches Individuum überhaupt beeinflußt wird, kann niemand im Ernst bezweifeln, der nicht von bösen metaphysischen Geistern besessen ist. Je entwicklungsfähiger ein Individuum ist, desto vielseitiger kann es von der Umgebung beeinflußt werden. So ein Bedingtwerden soll man natürlich nicht mit dieser oder jener Abart desselben verwechseln oder identifizieren. Je nach der Anlage des Individuums und je nach der Art und Entwicklung seiner Umgebung kann seine eigene Entwicklung so oder anders bedingt oder bestimt werden. Die Umgebung kann entweder "Entwicklungsähnlichkeit" oder "Entwicklungsunähnlichkeit", mitbedingen, so daß das eine Individuum zur möglichst großen Übereinstimmung in Geschmack, Moral etc. mit seinem Volk, seiner Berufsgruppe, seiner Gesellschaft, seiner Zeit; ein anderes zur Empörung, eventuell zur Revolutionierung gedrängt wird. In beiden Fällen muß man ein soziales Gegenglied annehmen; im ersten dasjenige, mit welchem das Individuum übereinstimmt, im zweiten das Objekt, gegen welches das Individuum reagiert.
b) Verteidigungsmittel
B. Individuum in kampfloser Beziehung - ändert sich, beginnt anzugreifen - ist verändert, greift an; C. Individuum in kampfloser Beziehung - wird mehr (positiv, bzw. negativ) entwickelt oder mehr (positiv, bzw. negativ) erhaltungsgesichert - beginnt anzugreifen, ist mehr (positiv, bzw. negativ) entwickelt oder mehr (positiv, bzw. negativ) erhaltungsgesichert - greift an. Umkehrung: A. Angriff - Friedlichwerden - Friede; B. Individuum greift an - ändert sich, wird friedlich - ist verändert, ist friedlich; C. Individuum greift an - wird mehr (positiv, bzw. negativ) entwickelt oder erhaltungsgesichert - wird friedlich, ist mehr (positiv, bzw. negativ) entwickelt oder erhaltungsgesichert, ist friedlich. II. A. Kampflose Beziehung - Verteidigen - Verteidigung. B. Individuum in kampfloser Beziehung, ändert sich, beginnt zu verteidigen - ist verändert, verteidigt; C. Individuum in kampfloser Beziehung - wird mehr (positiv, bzw. negativ) entwickelt oder erhaltungsgesichert, beginnt zu verteidigen - ist mehr (positiv, bzw. negativ) entwickelt, bzw. erhaltungsgesichert, verteidigt. Umkehrung: A. Verteidigung - Friedlichwerden - Friede; B. Individuum verteidigt - wird mehr (positiv, bzw. negativ) entwickelt oder erhaltungsgesichert, wird friedlich - ist mehr (positiv, bzw. negativ) entwickelt oder erhaltungsgesichert, ist friedlich.
2. als in Vergangenheit gewesen, 3. antizipativ als künftig vorstellen.
1) RUDOLF HOLZAPFEL, "Panideal", Psychologie der sozialen Gefühle; mit einem Vorwort von Ernst Mach, Leipzig 1901 |