ra-2H. ArendtLeninA. LiebertKronstadtTrotzkiA. Cartellieri    
 
BLASIUS KOLOZSVARY
Von Revolution zu Revolution

"Als es gelungen war, die Reihen der Arbeiterschaft ins Wanken zu bringen, ihre revolutionäre Energie abzuzapfen, ihr den Glauben zu nehmen, das Proletariat der Ausbeutung des fremden und heimischen Kapitalismus auszuliefern, die Rätegewalt zu stürzen, die Kommunisten zu vertreiben, unter höchsteigener Ernennung zu Ministern das Privateigentum samt der ganzen Machtorganisation des Bourgeoisiestaates binnen vierundzwanzig Stunden wieder herzustellen, das Proletariat zu entwaffnen, die Bourgeoisie zu bewaffnen, da verkauften die Sozialdemokraten die Demokratie ebenso, wie sie die Diktatur verraten hatten."

"Die Kapitalistenklasse knechtet die Arbeiterklasse nicht nur mit physischer Gewalt, sondern auch mittels ihrer geistigen Gewaltorganisationen, die für die Macht der Bourgeoisie in der Unbewußtheit des Proletariats Stützpfeiler schaffen. Eine sozialdemokratische Partei, die sich schützend vor das Privateigentum stellt, eine Partei- und Gewerkschaftsbürokratie, die die Möglichkeit der Ausbeutung verlängert und das revolutionäre Bewußtsein der Arbeiterschaft zu trüben, ihre revolutionären Energien abzuleiten bestrebt ist, stellt ebenso einen integrierenden Bestandteil der Gewaltorganisation des Bourgeoisstaates dar, wie etwa die Kirche."


I. Kapitel
Von Revolution - zu Revolution

Die Diktatur des Proletariats in Ungarn ist gestürzt. Dieser Sieg der internationalen Gegenrevolution, die Zertrümmerung der Ungarischen Sozialistischen Föderativen Räterepublik, hat eine Phase der internationalen Revolution abgeschlossen. Die demokratische Gegenrevolutioin - die auf die Räteregierung folgende sozialdemokratische Regierung - hat ihre Aufgabe mit erstaunlicher Schnelligkeit vollbracht. In den drei Tagen ihres Seifenblasendaseins hat sie das Privateigentum an den Produktionsmitteln, die Ausbeutung der Arbeiterklasse, die alte Bürokratie und Armee, die Gendarmerie und Polizei, die Titel und Würden wiederhergestellt; sie hat die Demokratie geschaffen, das Proletariat entwaffnet, während eine kleine Gruppe der alten herrschenden Klasse, die Berufssoldaten, sich bewaffneten. Nachdem sie derart anstelle der Diktatur der Arbeiterschaft die Grundsteine zum demokratischen Bourgeoisiestaat gelegt, den Boden, die Fabriken, die Bergwerke jenen zurückgegeben hatte, denen diese nach bürgerlichem Recht einzig gehören und so die Sicherheit des Privateigentums wiederhergestellt war - ergab sie sich einem Militärzahnarzt, einem Polizei-Inspektor und 50 Polizisten.

Zugleich mit der Demokratie siegte auch der Pazifismus über den von den Kommunisten propagierten Geist des revolutionären Klassenkampfes. Den Entente-Mächten [Frankreich-England - wp] gelang es, das bolschewistische Ungarn durch die Waffenhilfe der rumänischen, tschechischen und jugoslawischen Armeen und deren Szegediner Schützlinge zu pazifizieren. Der durch den Bolschewismus hervorgerufene Klassenkrieg hörte auf und zusammen mit der Demokratie zog auch der Friede in Ungarn ein.

Den Händen der ungarischen Arbeiterschaft wurden die Waffen durch die demokratische Gegenrevolution entwunden, an der Frage aber, vor die der zum Imperialismus angeschwollene, dann in Verwesung übergegangene Kapitalismus die Arbeiterklasse gestellt hatte, war nichts zu ändern. Das auf eine  internationale  Lösung wartende Problem, das die revolutionären und gegenrevolutionären Kräfte der ganzen Welt einander gegenüberstellt und den Klassenkampf zum Abschnitt der letzten Entscheidung getrieben hat, kann nicht so gestellt werden, wie es die Verkünder des Zusammenwirkens der Klassen tun möchten:  Diktatur oder Demokratie.  Der Militärzahnarzt, der Polizei-Inspektor und die 50 Polizisten haben den Führern der demokratischen Gegenrevolutioin einen gründlichen Anschauungsunterrichte darüber erteilt, daß der Gang der Revolution nur eine einzige Problemstellung zuläßt, und die lautet:  Diktatur des Proletariats oder Diktatur der Bourgeoisie. 

Die Bourgeoisie Ungarns ist zur Ausübung der Diktatur vor dem 21. März zu schwach gewesen - zur Zeit der milden Handhabung der Diktatur aber kam sie zu Kräften. Unter den schirmenden Flügeln jener, die sich aus Opportunismus zu "Kommunisten" gehäutet hatten, organisierte sie sich, aus der internationalen Gegenrevoluton schöpfte sie Stärkung, und als die Agenten der Entente die Proletarier-Dikatatur von innen erfolgreich unterwühlt hatten - so daß bei dem von außen kommenden gegenrevolutionären Angriff die Arbeiterschaft teils feige und ungläubig, teils hoffnungslos die Waffen streckte - erschien die Bourgeoisie in vollen Waffen und voll blühender Kraft auf dem Plan. Klarer als jedes Schulbeispiel demonstrierte sie nicht nur, wie das Problem zu stellen sei, sondern auch, wie man die Werkzeuge der Diktatur handhaben muß und was eigentlich der vielgenannte Terror ist. Die Gegenrevolution, die sich parallel, aber voneinander nicht unabhängig in den Hotelzimmern der militärischen Entente-Missionen, in den Salons herrschaftlicher Maitressen, in Schlössern, Pfarrhäusern und in den Konventikeln der Gewerkschaftsbüros vorbereitete, begann in der Demokratie zu sprossen. Die halboffene Knospe aber trug schon konstitutionelle Nationalfarben, um sich dann im weißen Terror in voller Pracht zu entfalten. Das Ministerium der Gewerkschaftsbürokraten säumte die rote Fahne der Weltrevolution mit den Nationalfarben (noch war das Proletariat bewaffnet), dann wurde ihr leuchtendes Rot vom aufreizenden nationalistischen Saum überwunden (die Waffen wurden dem Proletariat durch die sozialdemokratischen Führer und deren Verbündeten von einst aus der Hand geschlagen), bis schließlich der weiße Terror in sein Reich einzog: es kamen die Bolschewisten- und Judenprogrome, es wurden auch Sozialdemokraten verfolgt. (Die Waffen, die den Händen des Proletariats entwunden waren, nahmen die Bourgeoisie und ihre Landsknechte in die Hand.)

Die Bürokratie des Bourgeoisiestaates war durch die Proletarier-Diktatur nicht völlig zerstört worden. Die, deren politische Vergangenheit und ganze Denkart auf den Parlamentarismus und eine mit diesem zusammenhängende Wahlpolitik des Stimmenfangs eingestellt war, mußten auf jede Art verhindern, daß das Proletariat jene Bürokratie zur Seite schiebt, auf die noch kürzlich in Vorbereitung der Wahlen zur Nationalversammlung die sozialdemokratischen Minister und ihre nach Mandaten fischenden Genossen als Wähler gerechnet hatten. In den Büros der Gewerkschaften, wo von der Zahl der eingeschriebenen Mitglieder nicht nur der Wohlstand, sondern auch die kampflose Ruhe abhing, konnte man nicht verstehen, wie jemand, der Mitglied einer "anerkannten Gewerkschaft" war, Feind des Proletariats sein könnte.

Der Regierung dieser demokratischen Gegenrevolution fiel es nicht schwer, in einer einzigen Sommernacht den ganzen bürokratischen Organismus des Bourgeoisiestaates zu neuem Leben zu erwecken. Nichtsdestoweniger wollte die Sozialdemokratie im Namen der Arbeiterschaft regieren. Die Bürokratie des Bourgeoisiestaates aber - und dies wollten sie niemals verstehen - steht im gleichen Verhältnis zur Arbeiterschaft, wie in der Pflanzenwelt der Parasit zur Mutterpflanze. Der Parasit saugt Nahrung aus der Mutterpflanze, so daß, mag im botanischen Sinne das Verhältnis der beiden wie immer zu definieren sein, eigentlich der Parasit der Tyrann ist. Kaum war die Bürokratie wieder zum Leben erwacht, wurde sie schon Herr über die sozialdemokratische Regierung. Der bürokratische Apparat, die Gewalt über die Beamtenschar entglitt den Händen der über geringe Routine verfügenden Gewerschaftsbürokraten. Die Bürokratie, auch die eines festgefügten kapitalistischen Regierungssystems, wird selbst zur Zeit ihrer Handhabung durch routinierte Staatsmänner zum Selbstzweck. Die Administration wird unabhängig von den kapitalistischen Machthabern und den gesetzgebenden Körperschaften - um wieviel eher mußte dies also unter der Gewerkschaftsregierung eintreten, hinter der außer einer "ohne Debatte" gefaßten Vertrauensmännerresolution und den im "Privatgespräch" gegebenen wohlwollenden Zusagen einiger, sich in der Rolle der Diplomaten gefallenden, nicht einmal sehr hochstehenden Entente-Offiziere höchstens eine zur Zeit der Klassenoperation und der Diktatur gleichermaßen kompromittierte Vergangenheit stand.

Die Bürokratie vereinigte sich mit der Brachialgewalt und machte, indem sie jede Demokratie graue Theorie nannte, die Früchte des goldenen Lebensbaumes für sich beschlagnahmte, auf eigene Faust ihre besondere Diktatur. An der Spitze der bestehenden Armee stand noch ein Mitglied der Regierung - es ist schwer zu entscheiden, als wessen Vertrauensmann: ob der sozialdemokratischen Partei oder der Entente-Missionen. Die Armee war eine geschlagene Armee, ihre Niederlage aber hatte nicht die Überzahl der rumänischen Bojarensöldner verursacht, sondern die innere Fäulnis, deren Pilze die gleichen verbreitet hatten, die jetzt am Ruder waren. Die Arbeiterbataillone waren aufgelöst, die Bauernregimenter in den Händen ihrer Offiziere und die wenigen Truppenkörper, die unter der Führung ihrer kommunistischen Kommandanten und politischen Bevollmächtigten bis zum letzten Hauch gekämpft hatten, konnten nach dem Sturz der Diktatur keine Stütze für die demokratische Gegenrevolution abgeben. Der Generalstab, der durch seine falschen Berichte der stürzenden Diktatur den letzten Stoß gegeben hatte, wartete nur auf die Gelegenheit, sich nicht nur mit der vereinigten Budapester Brachialgewalt und Bürokratie, sondern auch mit der Szegediner weißen Garde zu vereinigen. Die Bürokratie des Bourgeoisstaates, die Brachialgewalt und das Offizierskorps standen der armen, keines Widerstandes fähigen Demokratie gegenüber, die nach der erfolgreichen Demoralisierung der Arbeiterschaft eine Handvoll Gewerkschaftsbürokraten vertrat. Anderes als demokratische Phrasen vertraten sie jedoch nicht und auch diese nur stammelnd. Das Proletariat - das industrielle sowohl wie das landschaftliche - war von dem sozusagen übergangslosen Sturz der Diktatur vielleicht noch mehr überrascht, als von deren unerwarteter Errichtung am 21. März. Ein Entente-Versprechen - und nicht einmal ein offizielles - ein naiver, nur bei Menschen ohne politische Schulung und marxistische Bildung möglicher Glaube, daß die internationale Bourgeoisie die Verräter belohnen oder doch wenigstens begnadigen werden - all dies hätte der Regierung der demokratischen Gegenrevolution selbst dann keine Kraft zum Widerstand ihren Feinden gegenüber geben können, die sich selbst durch höhere Klasseninteressen nicht stören ließen, wenn auch die siegreichen Rumänen in der Existenz dieser Regierung keine Gefahr für ihre Interessen gesehen hätten.

Die Regierung der Gewerkschaftsbürokraten konnte jedoch die Interessen der rumänischen Eroberer nicht fördern. Die biederen Führer der Gewerkschaften machten sich erbötig, den  ungarischen  Kapitalismus wiederherzustellen, die verletzten Interessen der  ungarischen  Kapitalisten zu entschädigen und ihre Rolle bestand in erster Reihe in der Befriedigung der  ungarischen  kapitalistischen Klasseninteressen, in der Wiederherstellung der ungarländischen kapitalistischen Produktion. Nicht das war es, was die rumänischen Eroberer brauchten. Ihre Interessen konnten nur auf Kosten der ungarischen Kapitalisten gefördert werden. Den klaren Blick des eine Diktatur anstrebenden Blocks der Bourgeoisbürokratie, der Brachialgewalt und des Offizierskorps störten hingegen keinerlei Gesichtspunkte, die für die Gewerkschaftsbürokratie bindende Kraft haben. Jene hatten keine "Interessen der Produktion", sie mußten nicht ihren Verrat durch ähnliche Vorwände verhüllen, sie brauchten  Macht brutale unverhüllte Macht, zur Sicherung ihres unverhüllten Parasitendaseins. Gegen die "Interessen der Produktion" schoben sie den Schirm des nationalen Interesses vor, im Namen dieses nationalen Interesses verkündeten sie die Notwendigkeit einer "Konzentrierung sämtlicher Kräfte der Nation".

Sie gaben selbst nicht viel auf diese Maskierung. Sie bemühten sich also auch nicht allzuseh, ihre Parasiteninteressen wirksam zu verhüllen. Die Gewerkschaftsregierung und ihre Getreuen aber vertraten der Internationalität des Bolschewismus gegenüber den mit internationaler Tünche überzogenen Nationalismus noch aus den Zeiten vor der Diktatur. So waren sie also selbst dieser dünnen nationalistischen Hülle gegenüber machtlos und hätten höchstens als Konkurrent im gleichen Artikel auftreten können. Hätten sie den sozialistischen Mantel abgeworfen, um im nationalistischen Gewand zu prunken, so wären sie in den Augen der Massen in eine doppelt ungünstige Lage gedrängt worden und das sich an die Arbeiterschaft knüpfende, ohnehin dünne Vertrauensband wäre sofort gerissen. Doch hätten sie im gleichen Artikel wie jene gemacht, so wäre gerechterweise die Frage aufgetaucht, ob gerade die Arbeiterklasse, in deren Namen und Interesse sie agierten - ob gerade diese ärmste und ungebildetste Klasse die echte nationale Partei ist.

Inmitten dieses Kampfes der geschichtlichen Mächte wären die sozialdemokratischen Führer in Ermangelung jeder Kenntnis der Kräfte völlig vom politischen Schauplatz verschwunden. Die Arena der Politik hat ohnehin die einander bekämpfenden Kräfte noch nie so wenig als Personen maskiert gezeigt. Der Neben bekämpfte das Nichts und umgekehrt. Gewisse Gruppen des Entente-Imperialismus aber brauchten die Sozialdemokraten in Ungarn. Die namens der Bourgeoisie die Diktatur ausübende Gesellschaft von Parasiten hatte nämlich den Fehler begangen, zur Unterstützung der Autorität ihrer Waffen auch die politische Autorität in der Person eines Habsburgers heranzuziehen, und hatte dadurch eine internationale Verwicklung heraufbeschworen.

Die Interessengruppen der Entente-Imperialisten, diese Vorhut der internationalen Gegenrevolution, ließen, wie zur Zeit der Diktatur gegen die proletarische Revolution, jetzt gegen die monarchistischen Tendenzen die Sozialdemokratie aufmarschieren. Der habsburgische Erzherzog, der nach der Krone strebt, und die sozialdemokratischen Führer waren alte Bekannte. Sie hatten einander schon gegenseitig Eide geschworen: die sozialdemokratischen Führer hatten dem König, der Erzherzog der Republik mit Hand und Mund ewige Treue gelobt. Die einander so gut kannten, konnten nicht viel Vertrauen zueinander haben. Die Sozialdemokratie suchte also bei der Entente nach einer Unterstützung, deren imperialistische Ziele sie mangels politischer Bildung niemals richtig erkannte. So kam diese kleine Gruppe sozialdemokratischer Staatsmänner - mit dem "großen Verbannten" an ihrer Spitze - als Depositär des Vertrauens der Vorkämpfer der internationalen Gegenrevolution wieder zu einer Bedeutung in der Politik. Zur Hemmung des weißen Terrors hatten sie nicht die Kraft, selbst die Verfolgung der sozialdemokratischen Vertrauensmänner wußten sie nicht zu hindern. Tausende kamen ins Gefängnis in Budapest wurden viele hundert Arbeiter durch die Truppen der Brachialgewalt ausgerottet und in der Zwischenzeit verhandelten sie. Sie verhandelten mit den Entente-Vertretern, die die Sicherheit der Gewerkschaftsregierung garantierten. Sie verhandelten mit jenen, die die Gewerkschaftsregierung gestürzt hatten, die die gewesenen Exponenten der sozialdemokratischen Partei, die Mitglieder der Gewerkschaftsregierung einsperren und die organisierten Arbeiter in Haufen hinrichten ließen. Sie verhandelten mit den Resten der Politiker des TISZA-Ungarns, deren Finanzpolitiker laut seiner Äußerung in der "Neuen Freien Presse" einen sozialdemokratischen Kollegen in der Regierung aus dem Grunde für nötig hielt, damit es jemand gibt, der das Herabsetzen der Löhne auf sich nimmt. Sie verhandelten mit  Hinz und Kunz,  sie verhandelten in Budapest und in Wien und in der Schweiz, und sie hätten, wenn nötig, auch auf dem Mond verhandelt - nur an die Arbeiterschaft haben sie nicht appelliert. Dieses eine haben sie nicht getan, dieses eine haben sie vorsorglich gemieden.

Dennoch blieb ihre Politik nicht ergebnislos. Die Italiener, Tschechen und Jugoslawen, geängstigt durch das habsburgische Schreckgespenst, zwangen im Weg der Entente den Erzherzog-Statthalter, seinen mit Hilfe der sozialdemokratischen Führer auf die Republik geleisteten Eid zu halten und zu gehen. Die gewesenen sozialdemokratischen Minister wurden auf diese Art der unangenehmen Möglichkeit, daß jemand sie wegen Verletzung des nach  Ausbruch der Revolution  auf die Monarchie geleisteten Treueeids zur Rechenschaft ziehen könnte.

Die Bürokratie und die Brachialgewalt sowie das Offizierskorps kamen aber deshalb nicht in Verlegenheit. Sie hatten keine politische Vergangenheit. Nur um diese zu ersetzen, brauchten sie den Vertreter des Hauses Habsburg. Sie haben keine besonderen Klasseninteressen, also suchen sie sich bloß einen Hintergrund einer Klassen, die ihre Interessen in der Monarchie besser gewährleistet sähe. Bei ihnen ist das nationale Interesse bloß das luftige Mäntelchen und nicht die organisch gewachsene Haut zum besseren Schutz der Bedingungen ihres Parasitendaseins; die Unterstützung der rumänischen Eroberer schien ihnen also ebensowenig zu stinken, wie die der anderen verbündeten Truppen der Entente: die der Sozialdemokraten.

Übrigens ist ihrer Ansicht nach der Sozialismus kein Monopol der Gewerkschaftsbürokraten. Es gibt auch andere Sozialisten: die Christlichsozialen. Überhaupt ist das Christentum ein integrierender Bestandteil des Ungarntums. Nur im Christentum kann sich das Ungartum erneuern, nicht aber in der Sozialdemokratie, denn die sozialdemokratische Partei konnte nach ihrer Neugestaltung wohl aus ihrer Leitung sämtliche Juden hinausjagen, selbst den, der nicht in die Verbannung gegangen, aber doch der einzige von allen alten Führern war, der von jeder kommunistischen Beziehung frei zu bleiben wußte - sie war doch nur ein Bruchteil sowohl des christlichen Ungartums wie der Nation. "Christlich-nationale Konzentration" ist also das Zeichen, in dem das Ungartum über die Leichen der Progromopfer hinweg siegen wird. Zusammen mit dem Sozialismus haben sie auch dies von der sozialdemokratischen Partei übernommen. Die christlichen Führer der Sozialdemokratie erschraken auch schon zur Zeit der Diktatur nicht sehr vor dem Gedanken an ein kleines Judenprogrom, doch waren sie ihrer eigensten Natur entsprechend selbst hierin nicht genügend radikal und bestimmt. Sie begnügten sich damit, in der Menge Stimmung gegen die "jüdischen Volkskommissäre" zu machen, sie selbst aber blieben weiter im schirmenden Machtbereich der "jüdischen Volkskommissäre".

Die Gewerkschafts- und Parteibürokratie blieb standhaft in ihrem Entschluß, sich auf die Entente zu stützen und nicht auf die vom weißen Terror abgemarterte, allen Begleiterscheinungen des Kapitalismus ausgelieferten Arbeitermassen. An diese zu appellieren, hätte den "Interessen der Produktion" widersprochen. Den Geist des Klassenkampfes erwecken ist ein gefährliches Mit-dem-Feuer-spielen. Es konnte nicht bloß den derzeitigen Machthabern der Diktatur, den Bürokraten, der Brachialgewalt und den weißen Offiziersgarden unangenehm werden, sondern auch die "Konzentration der nationalen Kräfte" hemmen, diesen Bund der Sozialdemokratie mit den historischen Klassen; es konnte auch jenen Verbündeten unangenehm sein, die den vor der Revolution bestandenen Parteien angehörten und die mit den Führer der Sozialdemokratie zusammen die Wiederbelebung des Kapitalismus und der ungarischen Demokratie vom Entente-Imperialismus erwarteten.

An die Arbeiterschaft also appellierte niemand. Zu den Massen sprachen weder die daheimgebliebenen und während der Diktatur kompromittierten sozialdemokratischen Führer, noch die aus der Verbannung Heimgekehrten. Zu den Massen, die doch die Träger der Demokratie sind, jener Demokratie, der zuliebe die Führer der Sozialdemokratie und der Gewerkschaften in den Massen jeden Glauben an die eigene Kraft, an ihre Zukunft und Sendung, jeden Glauben an die Revolution ertötet hatten. Sie appellierten nicht an die Massen, deren Kampfformationen sie erschüttert hatten. Zersprengt hatten durch die Lehre, der natürliche Beruf der Arbeiterschaft sei der Pazifismus, daher sei der Kampf gegen die internationale imperialistische Gegenrevolution aussichtslos und überflüssig; desorganisiert durch die Vortäuschung herandonnernder Lebensmittelzüge der Entente, und damit, daß die Ursache des Elends die bolschewistische Diktatur, sein Heilmittel aber die auf den Wellen der Entente-Gnade fröhlich dahersegelnde Sozialdemokratie sei.

Als es gelungen war, all dies auszusprengen, dadurch die Reihen der Arbeiterschaft ins Wanken zu bringen, ihre revolutionäre Energie abzuzapfen, ihr den Glauben zu nehmen, das Proletariat der Ausbeutung des fremden und heimischen Kapitalismus auszuliefern, die Rätegewalt zu stürzen, die Kommunisten zu vertreiben, unter höchsteigener Ernennung zu Ministern das Privateigentum samt der ganzen Machtorganisation des Bourgeoisiestaates binnen vierundzwanzig Stunden wieder herzustellen, das Proletariat zu entwaffnen, die Bourgeoisie zu bewaffnen, da verkauften sie die Demokratie ebenso, wie sie die Diktatur verraten hatten. Ein Zahnarzt, ein Polizei-Inspektor und fünfzig Polizisten, das war das tapfere Heer, dem sie die Macht auslieferten, ohne auch nur den Versuch, an die Arbeiterschaft zu appellieren.

Die Arbeiterschaft - deren kommunistische Führer zusammen mit jenen, die sich voll Ekel von der Sozialdemokratie abwandten, vor dem weißen Terror fliehen mußten oder im Gefängnis sitzen - steht augenblicklich ohne Führer und Richtlinien da. Doch hat der Sturz der Proletarierdiktatur in Ungarn nur einen kurzen Abschnitt der internationalen Proletarierrevolution beendet. Die Form der Bourgeoisdiktatur hat sich geändert, die "vorrevolutionären Parteien" sind miteinander in Koalition getreten: die Überreste der Arbeitspartei, der 48-er Partei und der sozialdemokratischen Partei werden vielleicht gar eine Konzentration mit den Christlichsozialen bilden. Das Wesentliche aber hat sich nicht geändert. Der revolutionäre Klassenkampf des internationalen Proletariats geht weiter dem Sieg entgegen und in diesem Klassenkampf gliedert sich neuerdings das revolutionäre Proletariat Ungarns ein, das die Bourgeoisie keineswegs vernichtet hat, da sie mit ihm die Vorbedingung ihres eigenen Parasitendaseins vernichten würde.

Der revolutionäre Klassenkampf, dessen Krönung die revolutionäre Diktatur der Arbeiterklasse ist, schreitet seinem Ziel entgegen -  von Revolution zu Revolution. 


II. Kapitel
Mit neuer Kraft -
auf zum Klassenkampf

Die Welle der Gegenrevolution, in der die Herrschaft des ungarländischen Proletariats untergegangen ist, hat über die Arbeiterbewegung der ganzen kapitalistischen Welt hinweggefegt. Die ungarische Räterepublik hätte dieser Welle, auch von der großen Räterepublik in Rußland abgeschnitten, trotzen können, sie hätte vielleicht trotz der internationalen Situation bis zum revolutionären Auftreten des Proletariats der westlichen Länder ausharren können, wenn nur die an einer ununterbrochenen Reihe von Verrätereien schuldige sozialdemokratische Richtung nicht einen erst geheimen, dann offenen Bund mit der internationalen imperialistischen Gegenrevolution eingegangen wäre.

Es ist hier nicht der Ort, die Geschichte der Entstehung der Diktatur des Proletariats in Ungarn zu enthüllen, aber auch hier können wir feststellen, daß zur Entstehung dieser Diktatur die Gestaltung der internationalen Lage mehr beigetragen hat, als die revolutionäre Aktivität der ungarischen Proletariermassen. Noch weniger als an revolutionärer Aktivität besaßen die breiten Massen des Proletariats an revolutionärem Bewußtsein. Gleich der Herbstzeitlose, die im Spätherbst Blüten treibt, während sich ihr Blätterwerkt erst im Frühling entwickelt, haben sich an die Arbeiterbewegung in Ungarn alle Triebe der reformistischen Richtung angesetzt, ehe die Arbeiterklasse ihre Rechte, ihre parlamentarische Vertretung erlangt hatte: alle Triebe von der Bereitschaft zur Klassenkooperation angefangen bis zum Parlamentskretinismus. Die Diktatur des Proletariats, diese große Bildungsanstalt zum Sozialismus, hat Ungarns  international  vordem ganz unbedeutende und  innerpolitisch  ebenfalls auch nur seit kurzer Zeit bedeutungsvoller gewordene Arbeiterbewegung vor eine schwere Prüfung gestellt. In den Wahlrechtskämpfen, die die sozialdemokratische Partei für die Demokratie geführt hatte, konnte sich die ungarische Arbeiterschaft nicht einmal an selbstständige Klassenaktionen gewöhnen.

Im Krieg stellte sich die führende Partei der Arbeiterschaft jeder revolutionären Aktion - selbst jeder über die Wunschform hinausgehenden Offenbarung des Pazifismus entgegen, ihre amtlichen Manifestationen waren verkappte Denunziationen der revolutionären anti-militärischen Bewegungen, die auf Schritt und Tritt aus den Tiefen der Massen hervorbrachen. Am Vorabend der Oktoberrevolution war der Standpunkt der Anhänger der Revolution gegenüber der amtlichen Arbeiterpartei: "Mit euch, wenn es geht; gegen euch, wenn es sein muß." Und in der Tat, die Entscheidung ist ohne die Führer, ja vielfach im Gegensatz zu ihnen gefallen.

Die eingestandene Suspendierung des Klassenkampfes nach der Ausrufung der Bourgeoisrepublik hat die Teilnehmer nach der Ausrufung der Bourgeoisrepublik hat die Teilnehmer der revolutionären Aktion teils nach links, teils aus der Mehrheitspartei der Arbeiterschaft hinausgetrieben. Die Lage war zur Bildung der ungarländischen Partei der Kommunisten reif geworden. Gegenüber der sozialdemokratischen Partei hatte die junge revolutionäre Arbeiterpartei leichtes Spiel und die sozialdemokratische Partei konnte nur durch die Gewerkschaften mit Mühe und Not vor dem vollkommenen Zerfall geschützt werden.

Das Proletariat wollte handeln. Der vollständige Verfall des Kapitalismus, die immer größer werdende Ohnmacht der Staatsgewalt bot jeden Augenblick die besten Aktionsgelegenheiten. Doch war die Arbeiterklasse - eine sehr dünne Schicht abgerechnet - ohne revolutionäre Schulung und revolutionäres Selbstbewußtsein. Selbst die fortgeschrittenste, entschlossenste revolutionäre Elitetruppe der Arbeiterbewegung war durch die Politik der großen Gewerkschaften zum großen Teil korrumpiert, die darauf bestand, daß diese Gewerkschaften mit billiger Demagogie auf dem linken Flügel Aufstellung nahmen, um im geeigneten Augenblick die revolutionäre Aktion zur gewerkschaftlichen niederdrücken zu können.

Die institutionelle Errichtung der Diktatur hat die Arbeiterschaft Ungarns an die Spitze der internationalen Arbeiterbewegung neben die russische Arbeiterklasse gerufen. Diese Generaton der Arbeiterschaft ist ihr eigener revolutionärer Held geworden, da sie mangels revolutionärer Überlieferungen und marxistischer Erziehung nur über so viel revolutionärem Selbstbewußtsein verfügte, als die nur wenige Monate hindurch getriebene Propaganda der ungarischen Partei der Kommunisten ihr eingepflanzt hatte.

Und doch war diese Arbeiterklasse neben der russischen die fortschrittlichste Trägerin des revolutionären Selbstbewußtseins des internationalen Proletariats. Wie immer das Urteil der Geschichte über die ungarländische Phase der Proletarierdiktatur lauten mag, über allem Zweifel steht es, daß das ungarländische Proletariat während der 132-tägigen Dauer der Diktatur - eine Zeit, zweimal so lang, als die der Pariser revolutionären Kommune gegönnte -  für die internationale Arbeiterklasse und in deren Namen gehandelt hat. 

Und diese Taten wurden nicht ohne ein Wissen um ihre internationale Bedeutung vollführt. Selbst die sozialdemokratischen Führer wirkten nicht im Sinne einer Trübung dieses Bewußtseins. Sie, die vom versumpftesten Sozialchauvinismus den Übergang zum Internationalismus gefunden haben, suchten nämlich mittels der Ideologie des Internationalismus ihren sich nicht ans Tageslicht wagenden sozialpatriotischen Gesichtspunkt geltend zu machen. Für sie war der Internationalismus eine Frage der außenpolitischen Orientierung und so forderten sie den Internationalismus eine zeitlang noch unter der Diktatur.

Die internationale Lage der ungarländischen Räterepublik war es, die ihre Bedeutung für das Weltproletariat am klarsten erkennen ließ. Zu einer Zeit, da die Arbeiterparteien der besiegten und Siegerländer in ihrer gelben Internationale über die Umstellung des für den Krieg gelobten Burgfriedens auf eine Friedensindustrie berieten, um dem im Sterben liegenden Kapitalismus lebensverlängernde Injektionen zu verabreichen, war jede Tat des ungarländischen Proletariats ein Faustschlag ins Gesicht der Unterdrücker der Arbeiterklasse. Die internationale Gegenrevolution hat in der ungarländischen Räterepublik sehr wohl die Brücke erkannt, über die die revolutionäre Richtung des Ostens in die westlichen Länder ihren Einzug hält. SCHEIDEMANN und die deutschen Sozialpatrioten haben ebenso wie die zum Verrat an der Arbeiterbewegung mit Erfolg beitragenden österreichischen Sozialdemokraten mit der Waffe des ungarischen Beispiels dem Entente-Imperialismus Zugeständnisse zu erpressen getrachtet, Zugeständnisse für ihren Bourgeoisstaat, für ihre kapitalistische Produktion. Das erste international einheitliche, zum Teil freilich im Opportunismus versumpfte Auftreten des Proletariats in den neutralen und den Entente-Ländern haben am 21. June zum großen Teil Aktion und Propaganda des ungarländischen Proletariats ausgelöst. Die gegenrevolutionäre Welle, die die ungarländische Diktatur des Proletariats hinwegschwemmte, hat hinwiederum ihre Wirkung in den Arbeiterbewegungen der ganzen Welt spüren lassen. Der Sturz der Diktatur hat das Problem Ungarns für die Entente seiner sozialen Beziehungen entkleidet und die hochbedeutsame Bolschewikifrage zu einer Beuteaufteilungsfrage niederer Ordnung herabgedrückt.

Sinkt die ungarländische Bewegung mit dem Sturz der Räterepublik in jene Unbekanntheit zurück, in der sie zurzeit verborgen war, da die ungarischen Sozialchauvinisten ihre Vertreter waren, so büßt sie zweifellos auch ihre selbständige Bedeutung, ihre hervorragende Rolle in der internationalen Proletarierbewegung ein. Diese Lage begünstigt all diejenigen, die vor und während der Diktatur ebenso wie im Krieg jeder revolutionären Offenbarung der Arbeiterbewegung mit der Mahnung die Bahn versperren wollten, daß man  warten müsse,  bis das Proletariat anderer Länder den Weg der Revolution betritt. Diese Mahnung des Opportunismus gab ein Mäntelchen für die jederzeitige Ausschaltung des Klassenkampfes und eine Schminke für die makelhaftesten Erscheinungen der Klassenkooperation ab. Nur warten, warten, um keinen Preis etwas tun, daß das sorgfältig behütete Gleichgewicht der Klassen, die Interessen der ruinierten Produktion (bei diesem Anlaß wird das Attribut "kapitalistisch" stillschweigend weggelassen) stören könnte. Ja, warten und sogar, wie das Beispiel gezeigt hat, die schon einmal beseitigten Segnungen des Kapitalismus  zu neuem Leben erwecken,  bis hinunter zum freiesten Privatbesitz, zum freiesten Kettenhandel, zum schrankenlosesten weißen Terror, denn sonst - ist die Gewerkschaft, die Produktion, ja die nationale Evidenz in Gefahr! Also warten - untätig warten, jeder Initiative aus dem Weg gehen, froh, wenn der Arbeiterklasse nur ihre erworbene - Lohnsklaverei bewahrt bleibt.

Die Gläubiger der parlamentarischen Methode, die Götzenknechte der Legalität in der ungarländischen Arbeiterbewegung, die für eine kurze Frist die Oberhand gewonnen haben, müssen den Sturz der Diktatur benützen, um ihre "bewährte alte Methode" wieder einmal zur Anwendung zu bringen. Diese bewährte alte Methode hat nach dreitägiger Herrschaft der gewerkschaftlichen Sozialdemokratie zur Diktatur der Offiziere, der Polizeiknechte und Bürokraten, zur Auferstehung er TIZSA-Rudimente geführt, hat das ganze vornovemberische, gestorbene Ungarn aus seinem Todesschlaf erweckt - sie ist also vorzüglich geeignet, die Diktatur der Bourgeoisie zur "Verfassung" zu erheben und diese Diktatur in der Wiedereinführung der Leibeigenschaft für die Arbeiterklasse zu verankern.

Unsere Feststellung also, daß das ungarische Proletariat mit dem Sturz der Diktatur in internationaler Beziehung die Initiative aus der Hand gegeben, ihre früher innegehabte internationale BEdeutung in der Arbeiterbewegung verloren hat, bedeutet noch keineswegs den Triumph der "altbewährten Methode" untätigen Zuwartens über der revolutionären Taktik. Der Sturz der Diktatur hat, was die Methode des Klassenkampfes betrifft, keinerlei Wechsel für die Arbeiterklasse gebracht. Der Umstand, daß die demokratische Gegenrevolution die revolutionäre Diktatur des Proletariats besiegt hat, hat für das ungarische Proletariat keineswegs die Notwendigkeit herbeigeführt, nun auch seiner "eigenen" Bourgeoisie gegenüber die Initiative aus der Hand zu geben. Diese initiatorische Rolle ist nur in internationaler Beziehung vorüber. Es ist sehr wahrscheinlich in Anbetracht der Kräfteverhältnisse des internationalen Klassenkampfes, daß der neue revolutionäre Umsturz in Ungarn das revolutionäre Auftreten eines kapitalistisch entwickelteren Deutschlands oder eines dem Reifegrad der Proletarierrevolution mit großen Schritten zustrebenden Italiens bedeuten wird.

Dieser Umstand jedoch begründet noch keineswegs irgendeine Klassenkooperation mit der Bourgeoisie. Und namentlich entschuldigt er nicht jene Klassenkooperation, die bewußt oder unbewußt - was nicht nur für das Ergebnis, sondern auch für die moralische Wertung einerlei ist - seitens der sozialdemokratischen Führer der Arbeiterbewegung schon zu einer Zeit ausgeübt wurde, als die Arbeiterklasse das Grab ihrer Macht selbst zu schaufeln begonnen hatte, mit offener oder versteckter Sabotage der Verfügungen der Diktatur, ja Verkündigung der Schonung gegenüber der Bourgeoisie und alle bisher bekannten Beispiele des diplomatischen Dilettantismus in Schatten stellenden außenpolitischen Unterhandlungen.

Die Wiederherstellung der Produktion, des zertrümmerten Wirtschaftslebens des Landes, die Konzentrierung aller arbeitenden Schichten Ungarns ist eben nur eine neue Schlagworthülle dieser Klassenkooperation, die den Verrat an den Lebensinteressen der Arbeiterklasse nur dürftig verdeckt.

Die Produktion, die wiederbelebt werden soll, ist die kapitalistische Warenproduktion, deren einziger Motor und Ziel der Profit ist, der erreicht wird durch die Verkürzung der Arbeiterklasse an ihrem Arbeitsertrag. Der Kapitalist erzeugt nicht aus Bravheit, nicht um die nationalen Kräfte zu konservieren; nicht einmal zur Wahrung der Möglichkeit einer weiteren Produktion. Der ungarische Kapitalismus hat es durch jene kapitalistische Sabotage bewiesen, die unter dem Regime KÁROLYI beginnend mit dem Verbergen der Rohstoffe und ihrem Verschleudern in Form von altem Eisen und altem Kupfer bis zum mutwilligen Verstecken der Bestandteile von Präzisionsmaschinen sich überall gezeigt hat, wo die Macht der aufstrebenden Arbeiterklasse den Profitinteressen des Kapitals gefährlich zu werden drohte. Die Arbeiterschaft kann mithin an der Wiederherstellung der Produktion keinen anderen Anteil haben, als den, daß sie die den Profit gefährdenden Waffen des Klassenkampfes wegwirft und sich, schutzlos geworden, dem Skalpiermesser der Kapitalisten ausliefert. Und nicht einmal dann ist es ausgemacht, daß sie durch diese Methode die Wiederbelebung der Produktion bewirkt, da bei den verwickelten internationalen Beziehungen die Billigkeit der Arbeitskraft, die schrankenlose Möglichkeit zur Ausbeutung der Arbeit durchaus nicht die einzigen Bedingungen für die Produktion darstellen, namenlich in Staaten, die, wie Ungarn, seit dem Sturz der Diktatur, den fremden Imperialisten schutzlos ausgeliefert sind. Innerhalb der kapitalistischen Produktions- und Gesellschaftsordnung kann die Arbeiterklasse dreierlei Rollen spielen: sie kann die Ausbeutung dulden, ihr Vorschub leisten und gegen sie kämpfen. Diese dreifache Verhaltensmöglichkeit geht vom Betrieb bis zum politischen Leben hindurch. Die Arbeiterklasse kann, indem sie unorganisiert oder untätig verharrt, die Ausbeutung  dulden,  und zu diesem Ergebnis kann die Politik führen, welche diejenigen predigen, die noch glauben, dem Sarg MOHAMMEDs gleich, zwischen dem rechten und linken Flügel der Proletarierbewegung zu schweben, wenn sie schon infolge ihres abwartenden, schwankenden, untätigen Verhaltens bis zum Hals in einer die Arbeiterklasse schädigenden Politik stecken. Aktiv und organisiert kann die Arbeiterklasse seiner eigenen Ausbeutung durch den Kapitalismus Vorschub leisten, wenn sie eine Politik der Klassenkooperation treibt. Bei der Handhabung der Macht des Bourgeoisstaates mit den Parteien der Bourgeoisie zusammenwirkend, wird sie nicht nur zum Werkzeug der Senkung ihrer eigenen Löhne, der Verteuerung ihres täglichen Brotes, sondern auch ein Werkzeug dessen, daß sein Kerker, der Unterdrückungsorganismus der Bourgeoisie, der Staat, auf Kosten ihrer eigenen Klasseninteressen ihrer zukünftigen Befreiung noch stärker wird. Diese Politik ist eine Fortsetzung der im Krieg befolgten Politik der sozialdemokratischen Parteien. Sie ist die Fortsetzung jener Politik, die im Interesse der Produktion nicht nur duldete, daß die Arbeiterschaft auf die Schlachtbank geführt wird, sondern sie selbst auf diese Schlachtbank trieb und mithalf, als sie im Interesse des imperialistischen Raubkrieges in Spangen gelegt wurde. Wer dessen inne geworden ist, daß der Klassenkampf die Triebkraft der sozialen Entwicklung und die Arbeiterklasse die einzige Trägerin und Vorwärtstreiberin dieses Klassenkampfes ist, muß eine Politik, die durch die Abschleifung der Schärfen des Klassenkampfes, zu seiner Ausschaltung und schließlich zum Verrat an ihm führt, für ein Attentat auf die Zukunft der Gesellschaft halten. Was als "im allgemeinen Interesse der Gesellschaft liegend" verkündet wird, ist in Wirklichkeit eine anti-soziale Haltung, die auf den Ruin der Produktion und der Gesellschaft abzielt, indem sie ihr die Feder, den Motor des Entwicklungsprozesses, rauben will.

Die ungarländische Arbeiterschaft hat während der Diktatur den Unterschied, der zwischen der kapitalistischen Erzeugung und jener Erzeugungsart besteht, bei der die Arbeiterklasse die Produktion selbst organisiert und die Bedeutung dieses Unterschiedes für ihre Lage bald erkannt. Sie hat löbliche Beispiele des Strebens nach Schaffung der Arbeitsdisziplin, nach einer Steigerung des Produktionsertrages geliefert, obschon die sachlichen wirtschaftsorganisatorischen Voraussetzungen dieser Bestrebungen, die in der technischen und wirtschaftlichen Konzentrierung der Betriebe zu suchen sind, gefehlt haben. Sie fehlten teils infolge der internationalen Lage, teils infolge der schwankenden Politik der Diktatur, vor allem aber infolge der im Einverständnis mit der Bourgeoisie vorgehenden gewerkschaftlichen Wirtschaftsorganisatoren. Zur Zeit der Diktatur, als die Produktion nicht ein Mittel zur Ausbeutung, sondern ein Mittel zur Befriedigung der Bedürfnisse der Arbeitenden war, haben höchstens einige Gewerkschaftsführer die Notwendigkeit der Einführung neuer Methoden zur Hebung der Arbeitsdisziplin und Intensität geleugnet. Es waren eben diejenigen, die jetzt die Gesamtkraft der Arbeiterklasse in den Dienst der kapitalistischen Produktion und, was dasselbe besagt, zur Wiederherstellung der Ausbeutung der Arbeiterklasse stellen wollen.

Nach dem Sturz der Diktatur haben die Gewerkschaftsführer, zwar nicht amtlich, erklärt, daß die ungarische Arbeiterschaft "im Interesse der Produktion" der Anwendung der Waffe des Streiks entsagt, und in ihrer Eigenschaft als sozialdemokratische Politiker die materielle und geistige Entwaffnung der Arbeiterklassen proklamiert, als sie die Parole "Ruhe, Ruhe um jeden Preis" ausgaben. Der Zweck dieser Entwaffnung, der nun nicht mehr verwischt werden kann, ist nun nichts anderes, als die Wiederherstellung der kapitalistischen Produktoin und Ausbeutung, die Wiederherstellung des Unterdrückungsapparates der besitzenden Klassen des Bourgeoisstaates.

Der Klassenburgfriede - und jetzt noch mehr als im Krieg oder nach Ausbruch der Revolution - steht im Dienst dieses Zieles. Das ist die Bedeutung jener "Ruhe", die der als Depositär des Vertrauens des Entente-Imperialismus und des ungarischen Finanzkapitals in Kabinettsbildungen reisende sozialdemokratische Führer als Gebot der Stunde verkündet hat. Darauf läuft auch die "Wiederherstellung der Produktion", die "Regierung aller arbeitenden Schichten", die "Konzentration der nationalen Kräfte" hinaus, das und nichts anderes ist, und zwar in der allergefährlichsten Form, die Demokratie.

Die Arbeiterklasse kann im Rahmen der kapitalistischen Produktionsordnung - und kann namentlich jetzt, wo der Bankrott dieser Ordnung aus hundert Gründen unvermeidlich bevorsteht - ihre eigenen Klasseninteressen und auch die  Interessen der Produktion  nur dann fördern, wenn sie mit aller Kraft, mit allen ihr zur Verfügung stehenden Mitteln und mit der Eroberung der ihr bisher noch nicht zur Verfügung stehenden,  ihren Klassenkampf zur Eroberung der Staatsmacht, den Kampf um die Rolle des Organisators der Produktion, organisiert und durchführt. 

Das Streben nach kapitalistischer Wiederbelebung der Produktion ist zur Zeit des internationalen Bankrotts der kapitalistischen Produktioin ein doppelt starkes Hindernis der Erneuerung und überhaupt der Organisierung der Produktion. Da die Triebeder der Entwicklung auf dem Gebiet der Produktion und der Gesellschaft im Klassenkampf zu suchen ist, ist die möglichst schnelle, mit revolutionären Mitteln erzwungene Entscheidung dieses Klassenkampfes die einzige Art, das Hereinbrechen einer neuen Barbarei über die Menschheit hintanzuhalten. Diese letzte entscheidende Phase des Klassenkampfes, zu der die Gesellschaft durch die imperialistische Entwicklung geführt worden ist, wird entweder mit dem Endsieg der Arbeiterklasse oder mit dem Untergang beider Klassen, der Besitzenden und der Besitzlosen, enden. Die "Ordnungsparteien" und in ihrer Reihe nicht zuletzt die sozialdemokratischen Parteien, tragen letztenendes einen anti-sozialen Charakter. Ihre Handlungen: jede Mäßigung oder Ausschaltung des Klassenkampfes, sind anti-soziale Handlungen. Hier Sozialismus als die erste Phase des Kommunismus, dort Barbarei, Vernichtung aller zur Zeit des Kapitalismus auf der Arbeit der Proletarier aufgebauten Kultur, das sind die Extreme, die gegeneinander stehen, und einen Mittelweg gibt es nicht.

Hat die ungarländische Arbeiterschaft jede initiative Rolle, die sie mit der Ergreifung der Staatsgewalt erobert hat, auch verloren, so hat sie sie - wir wiederholen es - nur vom Standpunkt des internationalen Klassenkampfes aus verloren. Deswegen kann sie doch nicht zur Rolle der untätigen Zuschauerin oder gar zur Klassenkooperation verurteilt sein, mag auch ihr Selbstbewußtsein mit allen Mitteln der Sozialdemokratie getrübt, mögen auch die Reihen ihrer Vorkämpfer durch den weißen Terror gelichtet und ihr Selbstbewußtsein, ihr Glaube an ihre historische Sendung durch den Verrat ihrer eigenen Söhne erschüttert sein. Zu diesem Verhalten kann sie auch das Auf-sich-warten-lassen der internationalen Revolution nicht zwingen, haben doch die vier Monate der Diktatur nur eine kurze Episode in der welterlösenden internationalen sozialen Revolution bedeutet.

Der Sturz der Diktatur stellt die Arbeiterklasse Ungarns, die nun auf eine revolutionäre Vergangenheit zurückblickt, vor neue Aufgaben:
    1. Sie muß verhindern, daß die Bourgeoisie mit Hilfe ihrer sozialdemokratischen Lakaien sich zur Wiederherstellung der kapitalistischen Produktion des Machtapparates des Bourgeoisstaates ruhig bedient;

    2. sie muß sich organisatorisch auf die neue Phase der Proletarierrevolution vorbereiten, damit das revolutionäre Proletariat die zu erobernde Staatsgewalt nicht mit jedem sozialdemokratischen Lakaien zu teilen gezwungen wird;

    3. sie muß zu diesem Zweck das Proletariat idedologisch und organisatorisch vorbereiten, damit es die Staatsgewalt nicht in einem Zustand mangelnder Vorbereitung, gleich seinem Zustand im März vorigen Jahres, ergreift.
Diesen Kampf zu führen, diese Organisation zu schaffen, das revolutionäre Selbstbewußtsein des Proletariats mit Hilfe von Agitation zu vertiefen, das ist die Aufgabe der revolutionären Partei des Proletariats: der ungarländischen Partei der Kommunisten.


III. Kapitel
Grundsätzliche Organisation
und Aktionseinheit

Der Grund aller Fehler, die während der Diktatur begangen worden sind und zuletzt zu ihrem Sturz führten, war - wenn schon nicht ausschließlich, so doch vom Standpunkt der Taktik in erster Linie - im Gefüge der Arbeiterbewegung verborgen.

Die ungarische Arbeiterbewegung war durch lange Jahrzehnte nicht Schauplatz des Kampfes jener prinzipiellen und taktischen Richtungen, die die Arbeiterbewegung der ganzen Welt beschäftigt hat. Jene teils theoretischen, teils praktischen Differenzen, deren Kampf in den Arbeiterbewegungen aller Länder sich geltend gemacht hat, haben die ungarische Arbeiterpartei beinahe völlig unberührt gelassen. Dieser Kampf hat in der ungarischen Arbeiterpartei mit Ausnahme der allerletzten Zeit nicht Gruppierungen gezeitigt, deren Wettbewerb um den Sieg der durch sie vertretenen Richtungen wenigstens breitere Vertrauensmännerschichten beschäftigt und in diesen Schichten eine öffentliche Meinung geschaffen hätte. Eine geistig völlig träge Partei- und Gewerkschaftsbürokratie, deren Gesichtskreis vom Parlamentarismus (zu gut deutsch: Mandatspolitik) und geringfügige soziale Reformen begrenzt war, war  organisatorisch  unbeschränkter Herr über den Massen. In dem Maße, wie die Bürokratie von ihren Auftraggebern, den Arbeitern, unabhängig wurde, in dem Maß entfremdete sie sich den wahren revolutionären Interessen der Massen. Und in demselben Maß, als ihr Einfluß auf die Politik des Landes wuchs, in demselben Maß nahm ihre Bereitschaft zur Ausfechtung des Klassenkampfes ab. Der Aufbau der ungarischen Arbeiterbewegung war musterhaft zu nennen unter dem Gesichtspunkt der Forderung, daß der Wille der Massen  so indirekt wie möglich,  also in der am leichtesten verfälschbaren Form zum Ausdruck gelangt. Die ungarische sozialdemokratische Partei war schon seit den Neunzigerjahren bloß eine lose Zusammenfassung der Gewerkschaften, aber sie war meisterhaft angepaßt den Forderungen, die fachliche Abgeschlossenheit der Arbeitermassen mit dem streng zentralistischen Aufbau, die Herrschaft der Gewerkschaftsbürokratie zum Zweck ihrer unbeschränkten Herrschaft über die Massen, gleichzeitig auszubilden. Das ist der Grund, warum die ungarische Arbeiterbewegung es kaum zu politischen Parteiorganisationen gebracht hat. Sofern solche entstanden sein mögen, wurden sie nur durch die Hoffnung auf das Mandat erhalten, als Organisationen die Politik der Partei irgendwie hätten beeinflussen können. Dieser Aufbau der Arbeiterbewegung, die strenge Einheit der Partei- und Gewerkschaftsorganisation bot bei der Allmacht der Bürokratie alsbald die Gewähr dafür, daß dieser Arbeiterbewegung der Kampf der revolutionären und reformistischen Richtungen, mithin auch die Sondergruppierung der Anhänger dieser Richtungen, das Parteischisma erspart bleiben wird. Die wichtigsten prinzipiellen und taktischen Fragen der Arbeiterbewegung, wenn solche Fragen in einer wohlorganisierten Gewerkschafts- und Parteibürokratie auftauchten, oder, was selten geschah, von außenstehenden Elementen aufs Tapet gezwungen wurden, wurden als interne Angelegenheiten erledigt, womöglich ihres prinzipiellen Inhaltes und ihrer prinzipiellen Form entkleidet. Wer nicht geneigt war, die Sache der Arbeiter als eine interne Angelegenheit der Bürokratie zu behandeln, ein Ketzer also, der an die Massen zu appellieren sucht, sah sich alsbald dem ganzen bürokratischen Apparat der Partei- und Gewerkschaftsorganisationen gegenübergestellt.

Diese Einheit der ungarischen Arbeiterbewegung, in der nicht einmal der selbst die Arbeiterbewegungen der neutralen Staaten spaltende imperialistische Krieg eine Bresche zu schlagen vermochte, war weder die prinzipielle, noch die Aktionseinheit, sondern die Einheit der Partei- und Gewerkschaftsbürokratie in der Prinzipienlosigkeit, im Kompromißgeist und im Verrat des Klassenkampfes. Jedem Kompromiß, den die Führer der Partei mit der Bourgeoisie schlossen, folgte ein innerer Kompromiß in der Organisation, der nachträglich, nach der vollendeten Tatsache des auf Schritt und Tritt begangenen Verrats an der Arbeiterschaft, das feige Verhandeln ihrer Lebensinteressen bestätigte. Lüftete sich einmal die Hülle über das im Verborgenen getane Werk der Bürokratie dem Blick der Massen, so war man sofort mit dem alles verdeckenden zweiten Mäntelchen bei der Hand: mit der "heiligen Einheit" der Arbeiterbewegung. In diesem Zeichen läuterte sich der schamloseste Verrat zu ehrenhafter Handlung, veredelte sich ein der anti-revolutionären Trägheit entsprungener Kompromiß zur Opferwilligkeit, verdichtete sich die schlappe Untätigkeit zu emsiger Arbeit. Die nach dem Krieg immer stärker anwachsende revolutionäre Richtung mußte, wollte sich nicht mit der nur innerhalb eines geschlossenen Zirkels unantastbaren "Meinungsfreiheit" vorlieb nehmen, strebte sie Agitations- und Aktionsfreiheit an, sich eine besondere Organisation schaffen. Von einer Störung der Einheit der Arbeiterbewegung, die nun nicht nur für die revolutionäre Aktion, sondern auch für die revolutionäre Propaganda und Organisation zur Vorbedingung geworden war, konnte nur  nach dieser Revolution  die Rede sein. Der linke Flügel der Mehrheitspartei der Arbeiter verhielt sich nach der spät und unter großen Schwierigkeiten erfolgten Gründung der KPdSU schwankend, und ein Mangel an Klarheit hielt ihn auch weiterhin in der sozialdemokratischen Partei zurück, wo er zum Verrat am Proletariat beitrug. Die Spaltung der Arbeiterbewegung unter Aufnahme des ausgeschaltet gewesenen Klassenkampfes bedeutete unter dem Gesichtspunkt der allgemeinen Politik die Auflösung der "einheitlichen demokratischen Front". Als innere Frage der Arbeiterbewegung war die Bildung der revolutionären Arbeiterpartei die Aufnahme des Kampfes auf Leben und Tod gegen die reformistische, rein parlamentarische Kompromißpolitik, gegen Sozialchauvinismus, Gewerkschafts- und Parteibürokratie. Dies ist in der ungarischen Arbeiterbewegung jetzt zum ersten Mal offen erfolgt.

Die revolutionäre Arbeiterpartei war vor allem eine Organisation für revolutionäre Propaganda. Ihrem Ausbau als Organisations- und Aktionseinheit hat die nachher erfolgte "Wiedervereinigung" der Arbeiterbewegung ein Ziel gesetzt.

So ergebnisreich auch die Partei der Kommunisten in der von November bis März sich erstreckenden Phase der Revolution gearbeitet hat, so konnte sie doch nicht in genügend breiten Schichten des Proletariats das revolutionäre Bewußtsein in hinreichendem Maß vertiefen. Der Widerstand gegen die revolutionäre Richtung war vor allem innerhalb der Arbeiterbewegung groß. Ungeachtet der Hindernisse, die die sozialdemokratische Partei als Teilhaberin aller Verwaltung der Macht des Bourgeoisstaates mit den Mitteln dieser Staatsgewalt der revolutionären Propaganda und Organisation entgegensetzte, wirkte dieser Widerstand namentlich in drei Richtungen:
    1. Durch den von der sozialdemokratischen Partei verkündeten Sozialchauvinismus. Diese Richtung hat trotz aller Bereitschaft der Arbeitermassen zum Klassenkampf in der Arbeiterschaft Wurzel geschlagen. Es gab viele, die gern vom "revolutionären Patriotismus", von der Pflege "demokratischer Staatsinteressen" hörten, hauptsächlich wohl deshalb, weil die Arbeiterorganisationen seit November massenhaft auch kleinbürgerliche Elemente beherbergten.

    2. Die von den Gewerkschaften hochgehaltene sozialreformatorische Auffassung, die die Sozialpolitik zur obersten Frage der Arbeiterbewegung erhob und die Frage der Abschaffung der Lohnarbeit selbst im Interesse der "Wiederherstellung der Produktion um jeden Preis in den Hintergrund schieben wollte.

    3. Kam der Widerstand vom bürokratischen Apparat der Partei- und Gewerkschaftsorganisation und der dadurch auf die Revolutionsgegnerschaft, ja auf die Klassenkooperation gestellten Konstruktion der Arbeiterbewegung her.
Dieser Kampf zwischen der Methode des revolutionären Klassenkampfes und der Kompromißpolitik wurde in der vordiktatorischen Phase der Revolution nicht entschieden. Die Partei- und Gewerkschaftsbürokratie wich der Entscheidung dadurch aus, daß sie sich "gegen ihre bessere Überzeugung" mit den Kommunisten vereinigte. Diese Vereinigung entsprang nicht prinzipiellen Gründen. Bei der Partei- und Gewerkschaftsbürokratie waren vielmehr bei diesem Akt dieselben Gründe bestimmend, die gegen die kommunistische revolutionäre Propaganda gesprochen haben. Für den Sozialchauvinismus dieser Bürokratie war der Internationalismus bloß eine Frage der außenpolitischen Orientierung. Die Sozialpatrioten suchten in einer gegebenen außenpolitischen Lage Unterstützung bei der kommunistischen Richtung der Arbeiterbewegung. Sie hätten aus dem gestern noch laut verkündeten Schlagwort der "territorialen Integrität" unter der roten Decke des Internationalismus gern Wirklichkeit gemacht. Die Gewerkschaftsbürokratie, die einige Tage vor der Diktatur die Fabriksarbeiter zu Arbeitsmethoden zwingen wollte, die die kapitalistische Ausbeutung steigerten, wurde gezwungen, den Massen nachzugeben, die in Form "wilder Fabriksenteignungen" die Abschaffung der Lohnarbeit, die Expropriierung der Produktion mit all den eifrigsten Bemühungen, der Gewerkschaftsbürokratie zum Trotz, immer stärker und stärker forderten und durchsetzten. Da der ganze Apparat der Partei- und Gewerkschaftsorganisation offen zum Schutz der kapitalistischen Ausbeutung antrat und sie ihre Maske fast ganz zu lüften gezwungen war, ließ die Arbeiterschaft diese Organisation massenhaft im Stich. Dieser Opportunismus der Bürokratie, der vordem die Blüte der Klassenkooperation getrieben hatte, rief nun "ohne jede prinzipielle Überzeugung" die Einheit ins Leben. Die junge revolutionäre Arbeiterpartei, deren kommunistisches Programm scheinbar "rückhaltlos" von der sozialdemokratischen Parteileitung angenommen worden ist, ging, mangels entsprechend ausgebauter Organisation, in der von der Partei- und Gewerkschaftsbürokratie geschaffenen und im Sinne einer anti-revolutionären Taktik auf Klassenkooperation und Nur-Parlamentarismus gestellten sozialdemokratischen Organisation auf. In den Parteiorganisationen, deren Mehrheit kleinbürgerlich war, vermochten sich die revolutionären proletarischen Elemente kaum an der Oberfläche zu halten. Die Gewerkschaftsbürokratie, von deren Führern einer der Hervorragendsten nach der Erklärung eines der Hauptvertreter des Kapitalismus "schlaflose Nächte" wegen des Steigerns der Löhne verbrachte und dessen ganze Sorge der Frage galt, wie diese hohen Löhne dereinst wieder gesenkt werden könnten, widmet die Meditationen seiner Sorgennächte sicherlich noch immer demselben Gegenstand. Diese Gewerkschaftsbürokratie setzte die Kooperation mit dem Kapitalismus auch während der Diktatur fort und arbeitete Hand in Hand mit den Kapitalisten an der Verhinderung des Aufbaus einer sozialistischen Wirtschaftsorganisation. Der Führer der ungarischen Kohlenmagnaten kann nach dem Sturz der Diktatur offen aussprechen:
    "Die Räteregierung hatte die Liquidierung sämtlicher Kohlenbergwerksunternehmungen und ihrer Vereinigung in einen einheitlichen Bergwerksbetrieb beschlossen. Die Gewerkschaften haben die Durchführung dieser Vereinigung mit Hilfe der Gewerkschaftsführer verhindert."
Die sozialdemokratische Partei- und Gewerkschaftsbürokratie hat also die Klassenkooperation auch während der Diktatur den geänderten Verhältnissen entsprechend fortgesetzt. Sie unterhielt freundschaftliche Beziehungen nicht nur mit den verschiedenen Militärmissionen der Entente, diesen vorgeschobenen Posten der internationalen imperialistischen Gegenrevolution, sondern auch mit den "eigenen" Lohndrückern und Kerkerknechten der Arbeiterschaft.

Die Partei, die in der revolutionären Diktatur des Proletariats die führende, die Regierungspartei geworden ist, vermochte diejenigen nicht abzuschütteln, die ihrerseits der Klassenkooperation nicht entraten konnten. Die Einheit, diese Grundlage der Diktatur, machte vorläufig das Abrechnen mit den Verrätern unmöglich, da der Sturz der Diktatur die Verwirklichung jener Absichten verhinderte, die auf die Reinigung der Arbeiterpartei von diesen Elementen abzielten. Die sozialdemokratische, auf Klassenkooperation gerichtete Taktik hat sich, dank der aus der Einheit zwangsläufig hervorgehenden "Gleichgewichtspolitik", auf Schritt und Tritt durchgesetzt. Proletarierdiktatur mit Klassenkooperaton - selbst in der Vorstellung schwer zu vereinigende Begriffe.

Nun war aber die Klassenkooperaton eine aus der Organisation der Arbeiterbewegung zwangsläufig folgende Notwendigkeit. Eine Politik des Gleichgewichts innerhalb der Partei war eine organisatorische Notwendigkeit. Hätte doch die Spaltung der Einheit oder auch nur ihr vorzeitiger Bruch über die auf diese Einheit begründete Diktatur augenblicklich die Katastrophe heraufbeschworen. Der Kampf der beiden Richtungen ist erst hinter den Kulissen, sodann auf offener Bühne zur Hauptfrage der Arbeiterbewegung geworden, und in der Zeit, die dem Sturz der Diktatur unmittelbar vorausging, wurden bereits die Vorhutgeplänkel geliefert, die die Entscheidung einleiten sollten.

Die sozialdemokratische Taktik mündete in den weißen Terror. Der weiße Terror, dessen Einleitung die durch die offiziellen Führer der sozialdemokratischen Partei: die Partei- und Gewerkschaftsorganisationen hervorgerufene demokratische Gegenrevolutioin gewesen ist, rechtfertigt auf traurige, aber schlagende Weise die kommunistische Taktik. Das stürmische Hervordringen der Bürokratie, der Brachialgewalt und des Offizierskorps, die lächerliche Ohnmacht der sozialdemokratischen Partei, der unvermittelte Übertritt der kleinbürgerlichen Massen der Sozialdemokratie in die christlichsozisale Partei knickte alle Jllusionen, die man über die Klassenkooperation gehegt haben mochte. Das diktatorische Regiment des weißen Terrors und der Bourgeoisie, die sich den Teufel um demokratische Formen schert, manifestiert alsbald, indem es sich selbst zu beseitigen, die offene starre Form der Diktatur der Bourgeoisie aufzugeben sucht, daß die über die unbeschränkte Macht verfügende Bourgeoisie mit der Partei der Arbeiterschaft sich in die Regierung teilen nur dann geneigt ist, wenn die Arbeiterpartei die Erbschaft des weißen Terrors: den Schutz des Privateigentums und der Schmarotzerexistenz der Bourgeoisie und ihrer Bürokratie, ihren Schutz mit allen Mitteln auch ihrerseits zu übernehmen bereit ist. Nach dem weißen Terror kann die Demokratie nur in der NOSKEschen Form erscheinen.

Unter solchen Umständen ist die Kernfrage der kommenden Phase der ungarischen Arbeiterbewegung die alte geblieben. Es ist die Kernfrage der November-März-Periode der Revolution, aber auch die der Diktatur: die Entscheidung des Kampfes zwischen revolutionär-kommunistischer und sozialdemokratisch-kompromißlerischer Richtung. Die sozialdemokratische Partei ist dieser Frage seinerzeit geschicht ausgewichen, indem sie in einem historischen Augenblick die "Einheit" der Arbeiterbewegung zustande brachte, eine Scheineinheit, durch die sie ihren endgültigen Sturz hinausschieben konnte. Die Aufgabe der revolutionären Arbeiterschaft ist also jetzt: diese Entscheidung um jeden Preis zu erzwingen und sich auf diese Entscheidung vorzubereiten.

Also Kampf gegen die verräterische Sozialdemokratie und ihren Generalstab: die Partei- und Gewerkschaftsbürokratie! Scharfer und schonungsloser Kampf, nicht beeinflußbar durch Phrasen, wie "Bruderzwist", und daß die Bourgeoisie dem Kampf der beiden Richtungen der Arbeiterbewegung als lachende Dritte zusieht.

Der historische Beruf des Proletariats ist: mittels der sozialistischen Revolution den Kapitalismus zu stürzen und den Kommunismus zu errichten. Aber dieser historische Beruf des Klassenkampfes ist nicht dazu da, um den Verrat einzelner Proletarier oder auch ganzer Proletarierschichten oder selbst der Mehrheit des Proletariats zu rechtfertigen. Wer hätte jemals für den Streikbrecher eine sentimentale Rührseligkeit übrig gehabt?! Gegen die gelbe Bewegung haben wir bis aufs Messer gekämpft und da hat wahrlich niemand von einem Bruderkampf gesprochen. Und auch die Gendarmen, die Söldner der uns unterjochenden Gewaltorganisation, genannt Bourgeoisstaat, hat der Arbeiter niemals als seine Brüder betrachtet, mögen diese Werkzeuge der Bourgeoisie auch der Proletarierklasse entstammen. Die Kapitalistenklasse knechtet die Arbeiterklasse nicht nur mit physischer Gewalt, sondern auch mittels ihrer geistigen Gewaltorganisationen, die für die Macht der Bourgeoisie in der Unbewußtheit des Proletariats Stützpfeiler schaffen. Eine sozialdemokratische Partei, die sich schützend vor das Privateigentum stellt, eine Partei- und Gewerkschaftsbürokratie, die die Möglichkeit der Ausbeutung verlängert und das revolutionäre Bewußtsein der Arbeiterschaft zu trüben, ihre revolutionären Energien abzuleiten bestrebt ist, stellt ebenso einen integrierenden Bestandteil der Gewaltorganisation des Bourgeoisstaates dar, wie etwa die Kirche. Der ganze Unterschied besteht darin, daß die sozialdemokratische Agitation - Verkündung einer speziell getünchten Demokratie - in den Kreisen der industriellen Arbeiterschaft ein geeigneteres Werkzeug der Bourgeoisie bildet, als die kirchliche Propaganda. Die Bourgeoisie hat es verstanden, wie schon MARX und ENGELS im  Kommunistischen Manifest  festgestellt haben, ihre Klassenherrschaft "mit dem Mantel allgemeiner nationaler Volksherrschaft" zu bedecken. Der weiße Terror kann deshalb kein hohes Alter erreichen, weil die Bourgeoisie einer rohen und offenen Herrschaft der Gewalt abhold ist. Sie ist der Gewaltherrschaft nicht aus sentimentalen, humanen oder sittlichen Gründen abgeneigt, sondern weil die Herrschaft der nackten Gewalt sie außerstande setzt, gegenüber der Arbeiterklasse ihre volle Überlegenheit geltend zu machen. Wenn der weiße Terror herrscht, wenn die offene Diktatur gilt, hat die Bourgeoisie keine Gelegenheit, die geistigen und organisatorischen Chancen auszunützen, die ihr der Kapitalbesitz bietet, ihre im Laufe einer langen Herrschaft angesammelte Routine spielen zu lassen. Deswegen zieht sie dem offenen Klassenkampf die für sie angenehmere, weil ruhigere Klassenkooperation vor. Die Bourgeoisherrschaft in Form von Demokratie ist nicht nur ruhiger, sondern auch wohlfeiler, denn während der Bourgeoisdiktatur kann sie nur einen Teil, und zwar den kostspieliegeren und für sie gefährlicheren Teil ihrer Rüstung gegen das Proletariat ins Treffen führen und demaskiert überdies die sonst verborgen bleibende Grundlage ihrer Herrschaft: die Gewalt. In der Demokratie bindet die Kapitalistenklasse die revolutionären Kräfte der Arbeiterschaft mit der Partei der Arbeiterklasse selbst und spart so an den Regierungskosten. Der Schein, der die Arbeiterschaft an der Regierung des Staates beteiligt zeigt, ist eines der trefflichsten Vorbeugungsmittel gegen Revolutionen.

Die Arbeiterpartei, die der Bourgeoisie als Werkzeug beim Niederringen des Klassenkampfes, zur Bindung der revolutionären Energie der Arbeiterklasse zur Sicherung der Herrschaft der Bourgeoisie diente, die sich als Werkzeug dazu hergab, daß die Kapitalistenklasse an den Kosten der Knebelung der Arbeiterklasse spart, kann nicht Schwesterpartei genannt werden. Beherbergt diese Partei auch Proletarier, verblendete Arbeiter ohne Selbstbewußtsein, so ist der Kampf gegen sie, mag er die Grenzen bloßer Agitation auch überschreiten, noch kein Bruderkampf.

Aus all dem geht hervor, daß der Kampf der revolutionären Arbeiterpartei gegen die Kompromißler für die Bourgeoisie keinen Anlaß zum freudigen Aufatmen bietet. Diese Bourgeoisie sieht dem Kampf nicht als lachende Dritte zu, ihre Rolle gleicht vielmehr der des Spielers, der sein ganzes Vermögen aufs Spiel gesetzt hat, seine Fabrik, sein Haus, seine Frau, seine Maitresse, und der nun sein Leben auf die letzte Karte setzt. Die Kapitalistenklasse ist hier nicht der lachende, sondern der in seiner Todesangst ins Spiel eingreifen wollende Dritte.

Die Gestaltung des Klassenkampfes weist in allen Ländern auf eine so weit fortgeschrittene Schwächung der Bourgeoisie hin, daß es ihr unmöglich ist, ihre Herrschaft und damit die Möglichkeit der Ausbeutung ohne die tätige Mithilfe einer verräterischen Sozialdemokratie aufrechtzuerhalten. Die Parteien der Sozialverräter betreiben nicht nur das Unbewußtmachen der Arbeiterschaft, die Einschläferung ihrer revolutionären Kräfte, sondern sie beteiligen sich auch überall, wo sie am Ruder sind, - offen oder verdeckt - an der Unterdrückung der revolutionären Arbeiterschaft mit allen Waffen der Gewalt. Die Bourgeoisie sieht diesem Kampf also nicht lachend, sondern auf das Höchste beängstigt zu, diesem Kampf, der sich auf der ganzen Welt zwischen den Verrätern an der Arbeiterklasse und der revolutionären Arbeiterpartei abspielt. Die Bourgeoisie eilt überall mit dem Eifer des Bedrängten zur Unterstützung der Verräter herbei.

Der letzte, entscheidende Kampf zwischen den zwei Richtungen ist - unvermeidlich. Jedes Bestreben, das diesen Kampf durch Ausgleiche hinauszögern oder der Entscheidung ausweichen will, dient einzig den Interessen der Klassenoperationr Verräter des Sozialismus. Und es ist die Arbeiterklasse, die Schaden daran nimmt.

Das sogenannte Zentrum der Arbeiterbewegung, das sind jene Sozialdemokraten, die sich Linksstehende nennen, nehmen gewöhnlich die Rolle der Ausgleichsstifter in der Arbeiterbewegung auf sich. Sie sind es, die eine gegen die Interessen der Arbeiterklasse geführte Politik mit revolutionären Phrasen zu bemänteln pflegen, sie stehen Wache, während ihre Komplizen von rechts der Arbeiterklasse ihre Zukunft stehlen. Während ihre Erklärung zwischen revolutionärer und reformistischer Richtung schwanken, neigen sie mit ihren Taten zumeist der kompromißlerischen Richtung zu. Und die Führer dieser ausgleichstiftenden Richtung an den Pranger zu stellen, ist noch notwendiger, als diejenigen Führer, die sich offen von der Bourgeoisie als Lakaien haben dingen lassen. Diese Gruppe der Arbeiterbewegung ist es, die der Entscheidung, der Beschleunigung des Sieges der Revolution als Hindernis im Weg steht, denn mit ihren revolutionären Phrasen, ihrem Schwanken und Zaudern hält sie namhafte Massen von der revolutionären Handlung zurück und stellt sie in den Dienst der Verräter am Sozialismus.

Das vorrevolutionäre Zentrum der ungarischen Arbeiterbewegung gibt es nicht mehr. Diejenigen, denen das Wesen mehr galt als revolutionäre Phrasen, die haben die Erfahrungen der Diktatur bald ins Lager der Kommunisten getrieben, die ewig Zaudernden haben die revolutionäre Maske abgelegt und sind Wegmacher und Wortführer der demokratischen Gegenrevolution geworden. Der übrig gebliebene Teil des Zentrums hat sich während der Diktatur ebenso kompromittiert, wie in der demokratischen Gegenrevolutioin, doch wartete er, als wäre nichts dergleichen geschehen, nur auf die Gelegenheit, sein Gift der Arbeiterbewegung von neuem zuzuführen.

Jede organisatorische Gemeinschaft mit diesen Zögernden der Arbeiterbewegung ist von Schaden. War die Berührung mit ihnen vor und während der Diktatur noch zu begründen, so ist nach deren Sturz, in der neuen Phase des revolutionären Klassenkampfes, in die wir nun eingetreten sind, der unbedingte und vollständige Bruch mit ihnen zur historischen Notwendigkeit geworden. Gesetzt, daß es noch Massen gibt, die ihnen folgen würden, auch diese Massen können nur ernüchtert werden, wenn die Führer auf Schritt und Tritt enthüllt und an den Pranger gestellt werden.

Die ungarische Arbeiterbewegung hat in der Proletarierdiktatur gezeigt, daß die Amnestie, die der revolutionäre Flügel der Arbeiterbewegung den sozialchauvinistischen Führern, dank der Vermittlung der Schwankenden, gegeben haben, zu Schwächung der Revolution geführt hat. Und es ist eine unerläßliche Bedingung, zur stetigen Fortentwicklung der revolutionären Bewegung, zur Revolutionierung der Massen und zum festen Eingreifen der Staatsgewalt, daß jene Schwankenden sich von der Proletarierbewegung entfernen. Die Klasseneinheit der Arbeiterschaft ist eine unerläßliche Bedingung zur Erstarkung der Macht des Proletariats und ist geeignet, den Übergang vom Kapitalismus zur ersten Phase des Kommunismus, zum Sozialismus, zu sichern. Doch diese Klasseneinheit ruht auf der Grundlage der Einheit und Entschlossenheit in der Aktion, hat ihrerseits hinwiederum zur Vorbedingung, daß die Arbeiterbewegung mit ihren inneren Feinden den der Klassenkooperation ergebenen Verrätern und allen Arten von Schwankenden abrechnet, damit das Proletariat sie aus der Arbeiterbewegung entfernt.

Wie gegenüber den Schwankenden, so ist auch den übrigen, als Sozialisten verkleideten Lakaien der Bourgeoisie gegenüber die beste Taktik: sie zu zwingen, Farbe zu bekennen. In dieser letzten, bis zum Äußersten zugespitzten Phase des Klassenkampfes kann die Arbeiterschaft nur auf dem Standpunkt stehen: Wer nicht für mich ist, ist gegen mich. Bindet der Klassenfeind die Maske des Freundes oder gar des Revolutionärs vor, so wird er dadurch nur noch gefährlicher. Mithin muß sich die revolutionäre Arbeiterpartei streng vor all denjenigen Elementen abschließen, die für welchen Ausgleich auch immer mit den Sozialchauvinisten, mit den Bürokraten der Partei- und Gewerkschaftsorganisation zu haben sind und in die revolutionäre Arbeiterbewegung frühzeitig die Keimes des Zerfalls senken.

Die Einheit der Arbeiterbewegung - namentlich nach den Erfahrungen der Diktatur müssen wir das bei jeder Gelegenheit wieder betonen - ist nicht die Scheineinheit der Führer, nicht der Einklang mit der Partei- und der Gewerkschaftsbürokratie, sondern die entschlossene und gleichgerichtete revolutionäre Aktion der Massen. Die sich wiederbelebende ungarische Partei der Kommunisten hat die Aufgabe, diese Aktionseinheit der Massen zu schaffen. Doch ist dies nur möglich, wenn die Partei auf streng prinzipielle Einheit gestützt, kein Schwanken mehr kennt, den Ausgleich ausschließt, ihr Werk unter organisatorischer Einheit der zu revolutionärer Aktion entschlossenen Arbeiterpartei unter den Massen tut und sich derart in die Arbeit der internationalen revolutionären Arbeiterpartei einschaltet.
LITERATUR Blasius Kolozsvary, Von Revolution zu Revolution, Wien 1920