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Theorie der Typen-Einteilungen [4/4]
IX. Perioden-Typen In der Deutung der formalen Typen der äußeren Sprachform als Sprachstufen sind wir auf typische Arten gestoßen, die vom Umkreis der bisher betrachteten Typen nicht unwesentlich abweichen. Jene Deutung ergab sich allerdings als wenig wahrscheinlich. Aber es ist klar, daß jede Gliederung der Sprachentwicklungen in Perioden einen fließenden Zusammenhang zu teilen versucht, daß also die Perioden, die wir in jeder Sprachentwicklung unterscheiden können, selbst typische Glieder sind. Die Typen dieser Gruppe, die Perioden-Typen, sind sogar sehr viel älter als die morphologischen, genealogischen und repräsentativen Typen der Organismen sowie die formalen, formal-materialen und repräsentativen der Sprachen. Sie sind überdies allen Entwicklungsstufen eigen. Sie finden sich nicht nur in der Sprachwissenschaft, sondern ebensowohl in der wissenschaftlich einigermaßen zusammengeschrumpften Kosmogonie, in der Geologie, in der Wissenschaft von der organischen Entwicklung, in der politischen Geschichte, der Geschichte der wirtschaftlichen, der sozialen Beziehungen, in der Geschichte aller menschlichen Kultur mit Einschluß der Wissenschaften, der Künste und der Religion. In allen diesen Entwicklungswissenschaften zeigt der fließende Zusammenhang der Vorgänge, die sie zu untersuchen haben, eine Reihe von Gleichförmigkeiten. Dementsprechend sind unsere logischen Überlegungen im Hinblick auf sie alle anzustellen und müssen die Typen, die wir gewinnen, logisch im wesentlichen die gleiche Struktur erkennen lassen. Es wird genügen, die logischen Momente, die hier in Betracht kommen, mit vorwiegender Rücksicht auf die Geschichte im engsten Sinne, die politische Geschichte, zu besprechen. Vorweg ist zu bemerken, daß diese Einteilungen und zwar nicht infolge der fließenden Beziehungen ihrer Glieder, sondern aufgrund der Eigenart des Einteilungsganzen, notwendig machen, den Boden der überlieferten Lehre noch in anderer Richtung zu verlassen. Die Logik pflegt im Hinblick auf die Wechselbeziehungen von Definition und Einteilung zu behaupten, daß nur das Allgemeine, die Gattung, eine Einteilung vertrage, da nur in ihr sich der Begriff des Umfangs als Inbegriff der Arten, weiterhin der Exemplare erfülle. Nun ist es gewiß sachlich so abgeschmackt, wie formell zulässig, den Einzelgegenständen einen Umfang in analogem Sinne beizulegen wie den allgemeinen. Trotzdem gibt es zwar nicht Einzeldinge, aber Inbegriffe veränderlicher Beziehungen von und Inbegriffe sich entwickelnder Vorgänge in Einzeldingen, die eine einteilende Zerlegung vertragen, ja fordern. Speziell die Entwicklung von Einzelvorgängen, die uns hier allein interessiert, verlangt eine Gliederung in Entwicklungsperioden oder -Stufen oder -Phasen oder, unter besonderen Bedingungen, von Entwicklungsepochen; ganz so, wie die Entwicklung der allgemeinen Inbegriffe von Vorgängen. Dort wie hier finden wir sachliche Antriebe, das Ganze der Entwicklung eines Einzelgegenstandes systematisch zu gliedern, sei dieser eine historische Persönlichkeit, ein Staat, ein Produkt der freien Kunst oder der Technik, eine Wissenschaft, eine Religion, ein Stück der Erdoberfläche, unsere Erde selbst, unser Sonnensystem oder der Kosmos überhaupt. Hier wie dort umspannen die Glieder den Bereich des Ganzen; dort den Umfang im logischen Sinn, hier die Gesamtvorstellung der Vorgänge und ihrer Beziehungen. Auch hier bedürfen wir eines Grundes der Gliederung; und auch dieser geht zuletzt auf den Inhalt des eingeteilten Ganzen, d. h. hier den Entwicklungsverlauf zurück, wenn anders die Einteilung eine begrifflich bestimmte, eine Klassifikation ist. Und auch hier ist dieser Einteilungsgrund Gattung zu den Arten der Unterschiede, welche die einzelnen Glieder, d. h. die Perioden der Entwicklung, voneinander trennen. Auch hier endlich können alle Arten von Einteilungen Anwendung finden, die der stets fließende Zusammenhang der Glieder gestattet: Zwei, Drei- und Vielteilungen, ferner schematische, diagnostische oder sogenannte künstliche und sogenannte natürliche Klassifikationen. Typen dieses Sinnes, d. h. nicht Arten von Gattungen, sondern Spezialisierungen von Gesamtvorstellungen und zwar Entwicklungstypen, also kausale Typen des Entwicklungszusammenhangs, sind auch die Perioden der Geschichte im engsten Sinne, deren "Arbeitsgebiet" wir im Sinne RANKEs und DIETRICH SCHÄFERs überall um den Staat herum zentriert denken müssen. Art- und Gattungstypen dagegen sind die Perioden der politischen Geschichte unseres Geschlechts überhaupt, der wirtschaftlichen, religiösen, wissenschaftlichen, künstlerischen Entwicklung des Menschengeschlechts im allgemeinen. Die Behauptung, daß die Entwicklungstypen der Einzelgegenstände sich mit diesen Gattungstypen in ihren Einteilungscharakter decken, kann leicht nachgeprüft werden. Es wird deshalb genügen, hier nur die letzteren in Betracht zu ziehen. Jedem Versuch, die politische Geschichte in Perioden zu zerlegen, stellen sich bekanntlich schier unübersteigliche Hindernisse entgegen. Wenn wir von den älteren, schon der Zeit der Patristik unternommenen Einteilungen nach biblischen und kirchlichen Gesichtspunkten absehen, so bleibt vor allem die seit dem siebzehnten Jahrhundert üblich gewordene Dreiteilung in alte, mittlere und neuere Geschichte. Sie ist deutlich der praktischen Dreiteilung der menschlichen Entwicklung in Jugend, mittleres und späteres Alter nachgebildet. Ihr typischer Charakter liegt vor Augen. Nicht einmal die äußeren Beziehungen des Raums, auf dem, oder der Zeit, in der sich die Geschichte vollzieht, gestatten eine feste Begrenzung. Der fließende Zusammenhang dieser Beziehungen ist sogar ein streng kontinuierlicher. Aber auch die Unterschiede der Rassen, Völker oder Staaten, der wirtschaftlichen oder religiösen Faktoren, sowie der Sprachgemeinschaften, welche die Entwicklung bedingen, liefern keine scharfen Grenzen. Überdies ist zweifellos, daß die Einteilung nicht nur in Rücksicht auf das Mittelalter, sondern ebenso auch in Anbetracht jeder der beiden anderen Perioden, so unförmlich wie äußerlich ist. Aber wir könnten an ihrer Stelle jede beliebige andere wählen: die nicht seltene, aus praktischen Gründen bevorzugte Vierteilung in alte, mittlere, neuere und neueste Geschichte mit ihren sich unverhältnismäßig verkürzenden Gliedern; oder den wunderlichen Einfall einer Teilung nach je drei Generationen oder nach Jahrhunderten, den wohl nur die Nebel des versinkenden Jahrunderts als eine ernsthafte Meinung erscheinen lassen. Stets würde es unmöglich bleiben, irgendwo reinlich abzugrenzen, ganz abgesehen davon, daß alle diese Einteilungen im Grunde nicht weniger von außen an die Geschichte herangetragen sind, als die jetzt billig zu tadelnden älteren. Die Veränderungen, die zu einem neuen politischen Zustand führen, wachsen im allgemeinen langsam an; die einzelnen zugleich in verschiedenem Tempo sowie in verschiedenem Grad. Gleichzeitig stirbt das politisch Alte unter analogen Differenzen der Bewegung langsam ab. Vielfach ferner verknüpft sich das Beharrende mit beiden Veränderungsreihen; und das in allen Formen von der äußerlichsten Anknüpfung bis zur innigsten Verschmelzung. Vor- und rückschreitende Bewegung einerseits, Aktion und Reaktion im allgemeinsten Sinne andererseits, bilden zusammen ein dicht verschlungenes Geflecht, in dem die bedeutsam wirkenden Persönlichkeiten zugleich geschobene und schiebende Knotenpunkte von besonderer Spannungskraft sind. Jeder und Jedes ist Hammer und Amboß zugleich. Auch hier berühren sich die Extreme; auch hier laufen die Wege nach oben und nach unten, neben, in und durcheinander. Dieser Sachbestand wird für den Historiker auch kein anderer, wenn "tiefer er schaut und höher er nimmt", was die Gliederung der Geschichte vermittelt; wenn er also den Versuch macht, sich statt an "das Vergehende in der Erscheinung" vielmehr an "leitende Ideen" zu halten. Die leitenden Ideen mögen wie immer gefaßt werden: in einem metaphysisch-teleologischen Sinn der deutschen Spekulation seit dem Ende des vorigen Jahrhunderts; inder Weise der Aufeinanderfolge der theologischen, metaphysischen und positiven Denkart im Sinne COMTEs; in der dunklen Bedeutung, die ihnen RANKE gibt, wenn er, noch dazu in mißverständlicher Zeitbegrenzung, von "herrschenden Tendenzen in jedem Jahrhundert" spricht. Zu einer reinlichen Ausgleichung der Entwicklungsperioden, in denen sie erscheinen, führen sie nimmermehr. RANKE hat allerdings behauptet:
Wer wollte trotz alledem behaupten, daß die Ideen in dieser ihrer Selbständigkeit den Erscheinungen immanent sind, deren Inbegriff der Gegenstand unserer Einteilung bleibt? Denn welcher Unbefangene würde dem abgestorbenen aristotelischen Gedanken innerhalb der Kreise der Entwicklungstheorien wieder Leben einflößen wollen, daß die innerweltlich gedachten Ideen das eigentlich Substantielle der Erscheinungen seien und gar in der Weise, daß aus ihrem Inhalt feste Grenzen für die Perioden der Geschichte abgeleitet werden könnten? Auch wenn wir diese Meinungen nach dem Muster der Genossenschaftsidee dahin umbiegen wollten, daß das Substrat für die Wirklichkeit der Ideen nicht die Geister der Einzelnen seien, sondern der Geist eines die Einzelnen beherrschenden kollketiven Inbegriffs höherer Realität: immer bliebe es eben die in der Periodengliederung zu bewältigende Tatsache der Geschichte, daß die Macht der Ideen über die Geister und in den Geistern allmählich wächst und abnimmt, daß daher die vom Schauplatz abtretenden, in dieser ihrer Rolle verkommenden Ideen noch vorhanden und also wirksam sind, während die aufstrebenden schon agieren. Ebenso unberührt bliebe endlich die Tatsache eines solchen fließenden Zusammenhangs, wo das Extrem dieses Realismus in das individualistische umschlüge, daß alles tiefere Wirken in der Geschichte lediglich von den Auserwählten unter den Berufenen ausginge. Denn so weit darf auch dieser Gedanke nicht übertrieben werden, daß er das Recht verliehe, die Fäden des historischen Zusammenhangs auch nur an einer einzigen Stelle abzureißen, etwa um sie unmittelbar und ausschließlich an den Geist Gottes anzuknüpfen. Am deutlichsten tritt der fließende Zusammenhang gerade da hervor, wo die Existenz solcher leitender Ideen in den Geistern der Glieder einer Gemeinsachft keinem Zweifel unterworfen und ihr Sinn verhältnismäßig fest bestimmbar ist: in der Geschichte der Wissenschaften. Auch hier treffen wir ineinander fließende Perioden einerseits vorwiegenden, unter Umständen Epoche machenden Aufbaus, andererseits vorwiegender Durcharbeitung leitend gewordener Ideen in der Mathematik und vorwiegender Verifikation in den übrigen Wissenschaften; ebenso diesen sachlich gegliederten Perioden nicht notwendig entsprechende Zeitalter einesteils vorwiegender Neubildung, andernteils vorwiegender Zersetzung oder Zurückdrängung von Methoden und Ergebnissen, die führend und anscheinend gesichert waren. Mit beiden kreuzen sich ferner die Perioden der Aktion herrschender Gedankenmassen und der Reaktion der ihnen entgegengesetzten; dazu, durch sie alle hindurchfließend, der Strom der teils unberührten, teils nur äußerlich umgeformten Überlieferung. Die Typen dieser Art, auch die naturwissenschaftlichen, sind durchgängig sehr viel verwickelter zusammengesetzt, als selbst die genealogischen unter den früher besprochenen. Sie sind Inbegriffe von Entwicklungsvorgängen individueller oder kollektiver Einzelgegenstände. Sie bleiben das nicht nur, sofern sie in ihrer Einzelheit betrachtet, sondern auch wenn sie allgemein genommen, d. h. nach ihrer Gleichartigkeit zu größeren Gruppen zusammengefaßt werden. Die Vorgänge, die in diesen Perioden-Typen zusammengefaßt werden, stehen in durchgängiger Kausalgemeinschaft. So weit entwickeltes geistiges Leben in ihren Gliedern vorhanden ist, sind diese Gemeinschaften zugleich teleologisch verknüpft. Es ist möglich, in jedem dieser Typen Gruppen von vorherrschenden wirkenden Ursachen herauszufinden; sowohl dann, wenn die Ursachen lediglich mechanische sind, als auch dann, wenn sich diesen teleologisch wirkende zugesellen. Unmöglich ist es, diese Gruppen in Gedanken reinlich zu isolieren; ebenso, ihren Bestand zugleich übersichtlich und vollständig anzugeben. Es sind repräsentative Typen der kausal verbundenen Glieder. Bedenklich ist es, diese vorherrschenden, gestaltenden Kräfte auch da als Ideen zu bezeichnen, wo die Entwicklung nicht durch handelnde Personen geschieht. Ist der Zusammenhang der Gemeinschaft dagegen ein teleologisch bedingter, wie in der Geschichte des Menschengeschlechts, so ist es geboten, ihn im Sinne solcher Ideen zu konstruieren. Erst durch sie enthüllt sich der tiefere Zusammenhang des Geschehens. Sie verhüllen ihn nur, wenn sie zu selbständigen Realitäten verdichtet werden. Der kausale Zusammenhang der Periodentypen wie der in ihnen vorherrschenden Kräfte ist, soweit lediglich mechanische Energien in Frage kommen, ein streng kontinuierlicher. In denjenigen Gruppen, deren Entwicklung durch das Zusammen- und Gegeneinander-Wirken belebter und beseelter Wesen zustande kommt, steht der Zusammenhang, innerhalb der kausalen Glieder der Ideen wie in er zu gliedernden Entwicklung selbst, der Kontinuität im strengen Sinne näher, als in den morphologisch-genealogischen Typen der Organismen und den formal-materialen Sprachen. Er entfernt sich jedoch von dieser Kontinuität in allen Periodentypen umso mehr, je mehr in ihren Inhalt neben den Energiemomenten auch vorherrschende Züge, d. h. Inbegriffe von Zuständen, Formen und Dingen aufgenommen werden, die durch die Entwicklung hervorgerufen sind: Lagerungen der Erdringe, Verteilung von Land und Wasser, Versteinerungen, dominierende Gruppen der Flora und Fauna, Nationalcharaktere, soziale Institutionen jeder Art. Denn diese den Periodentypen eigenen materialen Charaktere, wie sie im Unterschied von den morphologischen der Organismen und den formalen Sprachen genannt werden können, stehen mit den beiden letzteren logisch auf gleicher Stufe. In wechselnder Fülle werden diese materialen Charaktere mit den kausalen verflochten. Sie stehen überall im Vordergrund der Beschreibung. In der Paläontologie der Erde und ihrer organischen Bewohner erhalten sie diese Stellung schon deshalb, weil es Postulat der Naturforschung geworden ist, für alle Räume und Zeiten eben die mechanischen Energien vorauszusetzen, die wir gegenwärtig wirksam finden. Analoge Voraussetzungen leiten neuerdings auch in der Sprachwissenschaft. Aus mehrfachen Gründen bedürfen endlich die Entwicklungswissenschaften des geistigen Lebens solcher materialen Charaktere: einmal: weil dieselben hier in besonderem Maße den Ausgangspunkt für die kausale Konstruktion bilden; dann, weil sie vor allem ermöglichen, ein anschauliches Gesamtbild für die Einbildung zu entwerfen; zuletzt, weil die Konstruktion der wirkenden Bedingungen, eben weil sie sich für jede Periode ins unbegrenzte zersplittern, über die leitenden Ideen nicht hinausgeführt werden kann. Denn diese sind gerade infolge ihres verwickelten Gefüges im allgemeinen mehr zu skizzieren als auszuführen. Die Einzeldarstellung hat deshalb in eben jenen Zügen dsa Material zu schaffen, das jene Ideen für das nachbildende Verständnis anschaulich macht. Die Entwicklungstypen sind demnach material-kausale. Die zeitlichen und räumlichen Erscheinungen geben nur den äußeren Halt und individualisierende Bestimmungen. Ersteren auch nur, sofern sie material bezogen, in den teleologisch durchsetzten Entwicklungen z. B. an leitende Persönlichkeiten oder Völker oder zentrale Ortsgebiete, an bedeutungsvolle Ereignisse oder Taten geknüpft sind. Jede anscheinden geschlossene Einrahmung dieser Art ist nur ein Ungefähr; sie gibt nicht Daten für das Verständnis, sondern für das Gedächtnis. Scharf zu trennen sind endlich nach alldem die Periodentypen von den früher besprochenen schlechterdings nicht. Der Erblichkits-Zusammenhang der Geschlecht, der organische Fortpflanzungszusammenhang jeder Art knüpft Beziehungen zu den genealogischen Typen. In ähnlicher Weise wirkt die Dauter des Anorganischen. Die synthetische und die analytische Sprachstufe, die WILHELM von SCHLEGEL zuerst in den flektierenden Sprachen unterschieden hat, sind zugleich formalen Charakters. Die materialen Charaktere heben sich von den morphologischen und formalen trotz aller Unterschiede nur bei peinlich logischer Beleuchtung deutlich ab. Es ist ein vernächlässigtes Feld der Methodenlehre der Logik, dem wir durch die vorstehenden Typen-Einteilung der hauptsächlichsten Typen unserer wissenschaftlichen Erkenntnis einigen Ertrag abzugewinnen suchten. JOHN STUART MILL war wohl nach WHEWELL der erste, der die Eigenart dieser Einteilungen mit einiger Aufmerksamkeit betrachtet hat. Aber seine Erörterung, deren polemische Seite wir außer Acht lassen dürfen, steht hinter den Darlegungen seines Vorgängers zurück. Sein Blick geht über das Gebiet der Organismen nicht hinaus. AUch in den späteren Auflagen vermag er überdies die Unklarheit des Artbegriffs von DARWIN nicht zu überwinden. Ihm gilt nach wie vor als Wahrheit, daß
Nicht überall nämlich, wo die Naturforscher sich gewöhnt haben, von Typen zu reden, liegen Typen im Sinne von Arten fließenden Zusammenhangs vor; so wenig wie umgekehrt überall da, wo Typen in dieser Bedeutung vorhanden sind, der sprachliche Ausdruck ihrem Wesen nach angepaßt ist. Insbesondere fügen sich trotz einzelner Analogien, die den Sprachgebrauch entstehen ließen, die "Typen" älterer chemischer Hypothesen sowie die kristallographischen "Typen" nicht in den logischen Rahmen fließender Zusammenhänge. Die "chemischen Typen", deren Theorie J. B. DUMAS seit 1839 im Anschluß an LAURENTs Substitutionshypothese entwickelt hat, sind vorerst von den "mechanischen Typen" desselben Autors zu scheiden. Die letzteren können hier beiseite bleiben; denn sie haben die klassifikatorische Bedeutung, die ihr Urheber sich versprach, nicht zu erlangen vermocht. DUMAS' chemische Typen waren in erster Linie Reihen chemischer Verbindungen mit ähnlichen Grundeigenschaften, in denen die gleiche Anzahl von Äquivalenten in der gleichen Weise vereinigt angenommen wurde. DUMAS verglich die Verbindungen eines solchen Typus mit Planetensystemen. Die Atome sind durch ihre Affinität zusammengehalten.
Ebenso feste Arten liegen endlich in den Einteilungen der Kristalle vor. Es können allerdings innerhalb der einzelnen, durch theoretische Ableitung fest zu scheidenden kristallographischen Systeme, von den "typischen" Grund- und den allgemeinsten Formen aus andere Formen durch streng kontinuierliche Übergänge abgeleitet werden. Aber diese Grenzbetrachtung verrückt nach den Erörterungen des oben zweiten Abschnitts das feste Gefüge der Formen, die sie in fließenden Zusammenhang bringt, so wenig, wie die Grenzbetrachtung in der Geometrie und Analysis. Das biquadratische Prisma bleibt von der biquadratischen Doppelpyramide streng geschieden, obgleich es aus dieser allgemeinsten Gestalt des quadratischen Sytems dann erhalten wird, wenn man die Hauptachse in unendlicher Entfernung schneiden läßt; ebenso der "Typus" des Hexakisoktaeders, der allgemeinsten Form des regulären Systems, vom "Typus" des Oktaeders, der einfachsten Grundform des Systems. Das Motiv, diese Formen als Typen aufzufassen, liegt wiederum lediglich in ihrer repräsentativen Bedeutung. Einer Umbildung, die ein repräsentatives Glied fester Arten in den logischen Typus fließenden Zusammenhangs überführte, sind sie nicht fähig. Die allgemeinen Resultate der vorstehenden Untersuchung sind die folgenden:
2) Der fließende Zusammenhang ist nicht notwendig ein kontinuierlicher. Er ist vielmehr in vielen Fällen durch die Ungleichmäßigkeit der Korrelationen eines kollektiven Inbegriffs bedingt, die bei jedem möglichen Einteilungsgrund bestehen bleiben. 3) das einzuteilende Ganze, dessen Glieder fließend zusammenhängen, ist nicht notwendig eine Gattung, sondern kann auch ein Einzelgegenstand, die Entwicklung eines einzelnen Inbegriffs sein. 4) Das Gebiet der Einteilungen von Inbegriffen, deren Glieder fließend zusammenhängen, erstreckt sich nicht nur über die Naturwissenschaften, sondern über unser praktisches und theoretisches Erkennen überhaupt. 5) das Wort "Typus", das im praktischen Erkennen wesentlich die Bedeutung eines repräsentativen Gliedes hat und auch im wissenschaftlichen Erkennen ursprügnlich, von BLAINVILLE, in Beziehung auf Gruppen von Organismen in solchem Sinne gebraucht wurde, hat sich im wissenschaftlichen Sprachgebrauch allmählich als Bezeichnung von Arten eingebürgert, die in fließendem Zusammenhang stehen. 6) Die Einteilungen der Gegenstände, deren Glieder fließend zusammenhängen, werden demnach zweckmäßig Typen-Einteilungen genannt. 7) Es gibt verschiedene Arten von Typen:
b) Repräsentative Typen (IV) c) Entwicklungstypen der Organismen (VI) d) Typen der Sprachen (VIII) e) Periodentypen (IX) 8) Die logische Klassifikation der Typen ist selbst eine Typen-Einteilung eines kollektiven Inbegriffs, dessen Glieder in verwickeltem fließendem Zusammenhang stehen und zwar eine Typen-Einteilung in repräsentative Typen. 9) Die ursprünglich (BLAINVILLE-CUVIER) sogenannten Typen der Zoologie und Botanik waren nicht Typen fließenden Zusammenhangs, sondern lediglich repräsentative Gattungen fester Begrenzung (V). Ebensowenig sind die chemischen und die kristallographischen sogenannten Typen eine Art der Typen im logischen Sinne des Worts (X). 10) Der kontinuierlich fließende Zusammenhang, den die mathematische Grenzbetrachtung zwischen festbegrenzten Arten herstellt, macht diese Arten nicht zu typischen in logischer Bedeutung (II). ![]() LITERATUR - Benno Erdmann, Theorie der Typen-Einteilungen, Philosophische Monatshefte, Bd. 30, Berlin 1894 |