p-4 A. SpirK. RokitanskyW. StarkTh. Nagel    
 
JULIUS von KIRCHMANN
(1802 - 1884)
Die Lehre vom Wissen

"Die  vierte  Richtung des trennenden Denkens ist das  begriffliche  Trennen, durch welches die Vorstellung eines einzelnen Gegenstandes in den  Begriff  und in den  bildlichen Rest  gesondert wird. Durch dieses Trennen wird z. B. das Rot dieser Siegellackstange in die Farbe überhaupt und in den Rest getrennt, welcher durch seine Verbindung mit der Farbe  überhaupt dieses  Rot hervorbringt. Ebenso wird dieses Dreieck auf der Tafel dadurch in das Dreieck  überhaupt  und in den bildlichen Rest gesondert, welcher letzterer ihm die  bestimmte  Größe seiner Seiten und Winkel gibt. So wir das Saure dieses Essigs in Geschmack  überhaupt  und in einen bildlichen Rest gesondert, welcher den allgemeinen Geschmack zu diesem bestimmten Essiggeschmack macht. So wird die Lust an dem Empfang dieses Ordens in die Lust  überhaupt  und in den Rest gesondert, durch dessen Hinzutritt diese zur bestimmten Lust an diesem Orden wird."

Die Philosophie ist eine Wissenschaft; die Wissenschaften enthalten ein Wissen; das tägliche Leben enthält ebenfalls ein mannigfaches Wissen. Dieses Letztere ist dem Menschen am bekanntesten und geläufigsten; jede Wissenschaft und jede Philosophie muß deshalb von diesem Letzteren aus beginen und von da ab allmählich weiter schreiten, wenn sie überhaupt verstanden werden soll. Die natürlichste Einleitung in die Philosophie bildet deshalb eine Untersuchung des menschlichen Wissens in dieser Auffassung kann  Vorstellen  genannt werden. Dem Vorstellen gegenüber tritt dann das  Erkennen welches sich mit der  Wahrheit  der Vorstellungen beschäftigt. Die Lehre vom  Wissen  zerfällt demnach in zwei Teile: in die Lehre vom  Vorstellen  und in die Lehre vom  Erkennen. 


I. Das Vorstellen

A. Das Wahrnehmen
1. Die Sinneswahrnehmungen

1. Das Vorstellen der menschlichen Seele ist kein stetig zusammenhängendes unteilbares Ganzes, sondern besteht aus einzelnen  Vorstellungen,  welche bald getrennt, bald verbunden auftreten. Die nächsten und geläufigsten dieser Vorstellungen sind die  Sinnes-Wahrnehmungen. 

2. Gewöhnlich werden  fünf  Sinne angenommen: Sehen, Hören, Fühlen, Schmecken und Riechen; indessen ergibt sich bei näherer Prüfung, daß mit  Fühlen zwei  Sinne bezeichnet werden, welche sowohl nach ihren Organen als nach dem Inhalt ihrer Wahrnehmungen durchaus voneinander verschieden sind, und welche mit  reinem  und  tätigem  Fühlen bezeichnet werden sollen. Jeder dieser Sinne gibt seine eigentümlichen Wahrnehmungen. Diese Wahrnehmungen sind ein Wissen und nur in der Seele; sie werden aber durch Organe des Körpers vermittelt, ohne welche sie nicht zustande kommen können. Dieser Gegensatz von Seele und Körper ist im gewöhnlichen Vorstellen enthalten und wird deshalb hier zunächst zugrunde gelegt; seine Begründung kann erst später erfolgen. Die einzelnen Sinnesorgane zeigen einen höchst kunstvollen Bau. Man kann an ihnen den Vorbau und die Sinnesnerven unterscheiden. Letztere gehen zum Rückenmark oder Gehirn und verlieren sich dort in das Gewebe dieses Zentralorgans. Die Nerven samt dem Zentralorgan erscheinen als die wichtigsten Vermittler der Wahrnehmungen; allein die Veränderungen, welche innerhalb ihrer während des Wahrnehmens stattfinden, sind bis jetzt nicht festgestellt; selbst die galvanischen Ströme, welche neuerlich in den Nerven beobachtet wurden, bieten dafür noch wenig Anhalt. Auch würde die genaueste Kenntnis dieser körperlichen Vorgänge zur Erklärung des Entstehens der Wahrnehmungs vorstellungen  beim Gegensatz von Körperlichem und Geistigem nicht ausreichen oder die Umwandlung des einen in das andere nicht verständlich machen.

3. Alle Wahrnehmungsvorstellungen, welche durch eine Erregung der Sinnesorgane veranlaßt werden, haben miteinander gemein, daß sie ihren Inhalt
    1) als  seiend  setzen;
    2) als  außerhalb  der wahrnehmenden Seele;
    3) als  gegeben  und nicht von der wahrnehmenden Seele erzeugt;
    4) als einen  einigen,  in dem die Unterschiede erst als das Spätere hervortreten.
4. Der Vorzug in den körperlichen Organen der Sinne, wenn eine Wahrnehmung eintreten soll, mag seinen Zeitverlauf haben und ein verwickeltes Geschehen enthalten; allein sein Ergebnis, die  Vorstellung  ist
    1)  plötzlich  da; sie ist

    2) ein  einfaches  Geschehen, wo von Aktion und Reaktion oder sonstiger Verwicklung nicht zu spüren ist; sie ist endlich

    3) ein  notwendiges  Vorstellen, welches, wenn das Organ die geeignete Stellung zum Gegenstand hat, nicht gehemmt werden kann.
Umgekehrt kann der Wille, ohne diese Bedingung, durch sich allein die Wahrnehmungsvorstellung nicht in der Seele erzeugen. Dagegen können krankhafte Zustände des Organs oder unnatürliche Reizungen desselben zwar Wahrnehmungsvorstellungen erwecken; indessen läßt deren krankhafte Natur sie leich von den regelmäßigen Wahrnehmungen unterscheiden oder bei wiederkehrender Gesundheit erkennen.

5. Indem die Sinnes- Wahrnehmungen ihren Inhalt  außerhalb  der Seele als  seiend  setzen, ergibt sich daraus für den Menschen die  sinnliche  oder  äußere  oder  körperliche Welt,  welche ihn umgibt, und zu der auch sein eigener Körper gehört. Die Sinne vermitteln das Wissen von dieser Welt, und  es gibt außer ihnen kein weiteres Mittel  dafür. Am Inhalt der Sinneswahrnehmungen hat daher die Seele den Inhalt der Körperwelt selbst; der Mensch hat vom Inhalt dieser Welt kein anderes Wissen, als was die Sinneswahrnehmungen ihm bieten; sie allein geben ihm die Elemente, aus denen die Körperwelt aufgebaut ist. Andere Elemente außer diesen kann der Mensch selbst in seinen wildesten Phantasien nicht erreichen.

6. Es ist deshalb von hohem Interesse, diesen  Inhalt  der Sinneswahrnehmungen zu untersuchen. So mannigfach derselbe ist, so läßt er sich doch leicht in seinen obersten Arten darlegen, auf die es hier allein ankommt. Es zeigt sich dann, daß gewisse Bestimmungen nur in  einem  Sinn vorkommen und ihm eigentümlich sind, andere dagegen in den Wahrnehmungen  mehrerer  Sinne angetroffen werden. Zu jenen gehören die Farben für das Gesicht, die Töne für das Gehör, die Temperatur und die Glätte stamt dem Rauhen für das reine Fühlen, was die sensiblen Nerven vermitteln, der Druck und die Bewegung für das tätige Fühlen, was unter dem Namen  Kraft  zusammengefaßt wird, und was die vom Willen erregten motorischen Nerven und Muskeln vermitteln, der Geschmack für die Zunge und der Geruch für die Nase. Diese Bestimmungen werden die  materialen  Bestimmungen des Wahrgenommenen genannt. Zu ihnen gehört auch der Grad oder die unterschiedene Stärke dieser Bestimmungen.

7. Diesen gegenüber stehen die  formalen  Bestimmungen, welche mit dem Raum und der Zeit zusammenhängen. Über diese herrscht Streit, ob sie ebenso, wie die materialen, der Seele  gegeben  werden, oder ob sie nicht vielmehr von dieser selbst den materialen Bestimmungen hinzugefügt werden, wie KANT behauptet. Zu diesen formalen Bestimmungen gehört:
    1) die Raum größe  und

    2) die Raum gestalt,  welche durch  zwei  Sinne, durch das Sehen und das reine Fühlen der Seele zugeführt werden,

    3) die  Richtung  im Raum, welche durch  drei  Sinne, durch das Sehen, Hören und das tätige Fühlen (bei Druck und Bewegung) wahrgenommen wird,

    4) die Zeit größe,  und

    5) die  zeitliche Veränderung,  welche von allen sechs Sinnen wahrgenommen werden, endlich

    6) die  Bewegung  (räumliche Veränderung), welche von den drei Sinnen des Sehens, des reinen und tätigen Fühlens wahrgenommen wird.
8. Der Streit, ob diese formalen Bestimmungen der Seele von einem äußerlichen Gegenstand durch die Sinne zugeführt werden, oder ob die Seele sie aus sich selbst hinzufügt, gehört in die Lehre vom Erkennen; hier ist nur zu bemerken, daß das Bewußtsein beim Wahrnehmen eines solchen Unterschied nichts weiß; vielmehr gilt dem unbefangenen Menschen die Gestalt, die Raum- und Zeitgröße eines Gegenstandes samt seiner Bewegung und Veränderung ebenso als gegeben und dem Gegenstand angehörend, wie seine Farbe, seine Glätte, seine Schwere usw.

9. Jene materialen Bestimmungen bilden die  Qualität jene formalen Bestimmungen die  Quantität  der äußeren Gegenstände. Indessen sind die Begriffe nicht streng begrenzt; man rechnet auch den Grad einer Qualität zur Quantität, und umgekehrt gehört die Gestalt, die Bewegung und die Veränderung, abgesehen von ihrer Größe zur Qualität. Auch die materialen Bestimmungen gelten vielfach als solche, welche erst in der Seele sich bilden, und denen in den äußeren Gegenständen keine gleiche Bestimmung entspricht.

10. Mit diesen formalen und materialen Bestimmungen der Sinneswahrnehmungen, wie sie hier aufgeführt worden sind, ist der Inhalt der Körperwelt für den Menschen erschöpft. Es können noch andere Bestimmungen in ihr bestehen, allein sie bleiben dem Menschen unerreichbar, weil ihm die Sinne als die Vermittler dazu fehlen. Dies gilt selbst für die Dinge, welche der Mensch über die Sinneswahrnehmung hinaus durch Denken und Kombinieren sich setzt, wie z. B. die Moleküle und der Lichtäther. Alles, was in der Wissenschaft davon ausgesagt wird, fällt unter die oben aufgezählten Bestimmungen der Sinneswahrnehmung, und die bloße Verkleinerung oder Verfeinerung dieser Bestimmungen bis zu einem Grad, welcher den Sinnen nicht mehr erreichbar ist, hebt diese Abstammung derselben aus der Wahrnehmung nicht auf. Weder die kühnste und ungezügeltste Phantasie des Dichters, noch der höchste Scharfsinn der Philosophen kann sich ein andere Körperwelt setzen als die, welche aus elementaren Bestimmungen der Sinneswahrnehmung zusammengesetzt ist und darin aufgelöst werden kann.


2. Die Selbstwahrnehmung

1. Die Wahrnehmungen sind mit denen der Sinne nicht abgeschlossen. Es besteht neben ihnen noch eine andere, welche hier  "Selbstwahrnehmung"  genannt werden soll. Gewöhnlich werden die Worte: innerer Sinn, Selbstbewußtsein, innere Wahrnehmung dafür gebraucht; hier ist das Wort "Selbstwahrnehmung" gewählt, um damit die wesentliche Übereinstimmung dieses Vorgangs mit der Sinneswahrnehmung anzudeuten.

2. Der Gegenstand der Selbstwahrnehmung ist die  eigene Seele  des Wahrnehmenden. Fremde Seelen sind so wenig wie der eigene Körper ein Gegenstand der Selbstwahrnehmung. Auch fehlen bei ihr die körperlichen Organe; die Selbstwahrnehmung erfolgt ohne solche, wenigstens weiß die Seele von solchen nichts. Dies sind die einzigen Unterschiede gegen die Sinneswahrnehmung; im Übrigen teilt die Selbstwahrnehmung alle Gesetze mit jener; insbesondere setzt sie ebenfalls ihren Inhalt als  seiend,  als  gegeben  und als  einen.  Ebenso ist die einzelne Selbstwahrnehmung ein  plötzlicher, einfacher, unvermittelter  Vorgang, welcher das Sein seines wahrgenommenen Inhalts mit  Notwendigkeit  setzt.

3. Dagegen ist der  Inhalt  der Selbstwahrnehmung wesentlich von dem der Sinneswahrnehmung verschieden. Dieser Inhalt ordnet sich, trotz seiner großen Mannigfaltigkeit, leicht in drei Arten von Zuständen, deren Eigentümlichkeit schon seit alten Zeiten bemerkt worden ist; es sind die Zustände des  Wissens,  des  Gefühl und des  Begehrenss  oder Wollens. Man kann diese Zustände auch die  materialen  Bestimmungen der Seele, als des Gegenstandes der Selbstwahrnehmung, nennen; ihnen stehen dann ebenfalls  formale,  wie bei der Sinneswahrnehmung, gegenüber. Zu diesen gehören
    1) der  Grad  oder die unterschiedene Stärke,
    2) die  Zeitgröße  oder die Dauer, und
    3) die  zeitliche Veränderung,  welche formalen Bestimmungen sich mit den materialen zu  einem  Zustand verbinden und nur in dieser Einheit wahrgenommen werden.
4. Aus den Unterschieden der materialen Bestimmungen der Seele entwickelt sich der für die Philosophie überaus wichtige Unterschied von  Sein  und  Wissen.  Insofern das Wissen in einer einzelnen Seele auftritt, darin seinen Grad, seine Zeitdauer und seinen Wechsel des Inhalts hat, nimmt es an der Natur der seienden Seele Teil und hat eine  seiende,  wenn auch der Selbstwahrnehmung in ihrer näheren Bestimmung entzogene Unterlage. Allein abgetrennt von dieser seienden Unterlage, erscheint das Wissen als der höchste und stärkste Gegensatz gegen das Sein; der Unterschied beider ist ein unendlicher und unsagbarer. Nur gleichnisweise kann man sagen: Das Wissen ist bloß der Spiegel des Seienden; das Wissen will nichts für sich sein, sondern nur ein Anderes, das Seiende, bieten; das Wissen ist durchaus selbstlos; seine Vollkommenheit besteht darin, daß es als ein Selbst verschwindet gegen das Andere, was es bietet, wie ein Spiegel umso vollkommener ist, je mehr er nicht selbst, sondern nur das gespiegelte Andere in ihm gesehen wird. Das  Seiende  dagegen ist der Gegensatz dieser Selbstlosigkeit; es ist nur es selbst; es spiegelt kein Anderes, und sein Ziel und Wesen ist zu  sein,  und nicht in einem Anderen zu verschwinden. Das  Seiende  ist deshalb unabhängig vom Wissen; es kann bestehen, auch ohne daß es gewußt wird.

5. Das  reine Wissen  ist das, von allen Seiens-Elementen in seiner Form befreite Wissen; ein solches besteht in der menschlichen Seele nicht; hier ist es immer mit dergleichen Elementen vermischt und nimmt dadurch mannigfache Unterschiede an, welche mit dem reinen Bild des Seienden nichts zu tun haben. Die Untersuchung des Wissens ist die Aufgabe dieser Einleitung, und mit der Untersuchung des Wahrnehmens ist bereits begonnen. In der Natur des Wissens liegt es, nicht bloß seinen Inhalt, sondern auch sich selbst zu wissen; dieses, dem Wissen einwohnende Bewußtsein seiner selbst ist keine Selbstwahrnehmung, welche nur Seiendes bietet; indessen gleich es darin derselben, daß es das einzelne Wissen als ein Gegebenes behandelt und dem Denken unterbreitet.

6. Das  Seiende,  welches den Gegensatz des reinen Wissens bildet, ist nicht bloß in den Gegenständen der Sinneswahrnehmung, in den Dingen der körperlichen Welt gegeben, sondern es besteht auch innerhalb der Seele. Das  Gefühl  und das  Begehren  der Seele sind kein Wissen, sondern  seiende  Zustände der Seele; sie bieten nicht das Bild eines Anderen, sondern sie sind ein Eigenes, Seiendes, was wohl durch Anderes bewirkt werden oder Anderes bewirken kann, aber nicht Anderes spiegelt und dabei selbst verschwindet. Der Mensch weiß deshalb von seinen Gefühlen und Begehren nur durch die Selbstwahrnehmung, so wie von den Dingen außerhalb der Seele nur durch die Sinneswahrnehmung. Es können mithin auch Gefühle und Begehren, als seiende Zustände in der Seele bestehen, ohne daß sie gewußt werden, insofern ihre Selbstwahrnehmung gehemmt ist.

7. Die  Gefühle  des Menschen sondern sich in zwei Arten; die eine bilden die Gefühle der  Lust  und des  Schmerzes;  die andere die Gefühle der  Achtung  und  Verachtung,  zu welchen auch die religiösen und sittlichen Gefühle gehören. In den Gefühlen der Lust und des Schmerzes erhält das  Ich  seine höchste Steigerung oder Stärke; in denen der Achtung geht das Ich in ein erhabenes Anderes auf und erhält erst, wenn es in diesem Aufgehen sich selbst als Teil des Erhabenen fühlt, seine Stärkung von diesem.

8. Die Gefühle sind an bestimmte Ursachen geknüpft und können ohne diese nicht durch das bloße Wollen hervorgebracht werden. Nach der Art dieser Ursachen besondern sich diese Gefühle. Alle Gefühle haben einen  Grad,  eine  Zeitdauer  und können  wechseln,  welche drei Bestimmungen auch im sinnlich Wahrgenommenen bestehen. Im Vergleich mit den Vorstellungen wechseln die Gefühle der Seele nicht so schnell wie die Vorstellungen; ja, während die leichte Beweglichkeit des Wahrnehmens und Denkens als ein Vorzug der Seele gilt, wird die zu große Beweglichkeit der Gefühle als ein Mangel erachtet.

9. Das  Begehren  sondert sich nicht, wie die Gefühle, in besondere Arten, es ist immer ein und dasselbe; die Unterschiede kommen hier nur von den  Zielen  und von den dafür in Bewegung gesetzten Mitteln; allein diese gehören nicht zum Begehren selbst. Deshalb ist auch das  Wollen  vom Begehren nicht unterschieden. Der Unterschied, welchen man dafür aufstellt, trifft nicht das Begehren ansich, sondern seine Ursache; je nachdem die Lust oder die Vernunft nach dieser Meinung das Begehren erweckt oder leitet. Aber selbst bei dieser Ansicht besteht das Wollen ansich und getrennt von seiner Ursache und Leitung nur in einem Begehren.

10. Die Ursachen allen Begehrens liegen nur in Vorstellungen von Gefühlen. Die Vorstellung einer erreichbaren Ursache der Lust erweckt das Begehren nach dieser Ursache; die Vorstellung des Gebotes eines erhabenen Willens erweckt das Begehren nach seiner Erfüllung. Ob sich außerhalb solcher Ursachen ein Wollen in der Seele  frei,  d. h. ohne alle Ursache erheben kann, ist sowohl in der Philosophie wie in der Auffassung des gewöhnlichen Lebens bestritten. Die Begriffe der Reue, der Buße, der Strafe, der Zurechnung beruhen auf der Freiheit des menschlichen Willens; allein dagegen hält man am Wert der Charaktere, an der Notwendigkeit und Gesetzlichkeit der geschichtlichen Entwicklung der Menschheit und an der Vorsehung Gottes fest, welche Begriffe mit der Freiheit des Willens in Widerspruch stehn. Die Entscheidung dieser Frage kann hier nicht erfolgen.

11. Da das  Handeln  des Menschen durch das Wollen bedingt ist, und dieses von den Gefühlen; da auch die Bewegung innerhalb des Wissens der Seele im letzten Grund von der unterschiedenen Stärke der erregten Gefühle abhängig ist, so erhellt sich, daß der Kern des Menschen, der Mittelpunkt, um den sich bei ihm alles dreht, das Maß, auf dem alle Wertschätzung beruth, seine Gefühle sind, und zwar beide Arten, die der Lust und der Achtung mit ihren Gegensätzen. Alles, was der Mensch unternimmt, geschieht nur im Hinblick auf seine Gefühle und um ihrer willen; alles andere, selbst das höchste Wissen, ist nur Mittel; die Gefühle sind allein der Zweck, das Letzte, über das hinaus der Mensch nicht einmal  kann,  selbst wenn er auch wollte; denn selbst das Wollen regt sich nur durch die Gefühle.

12. Die Untersuchung der  seienden  Seele ist deshalb für den Menschen von der höchsten Bedeutung, insbesondere Kann das menschliche Handelns sowohl innerhalb des Gebietes des Nutzens (der Lust), wie innerhalb des Gebietes der Sittlichkeit (der Achtung) nicht erschöpfend erkannt werden, wenn nicht zuvor seine Grundlagen, die Gefühle und das Begehren, auf das Vollständigste erkannt sind. Jede philosophische Grundlegung des Sittlichen und des Schönen, so wie die Entwicklung des Rechts, der Moral, des Schönen und der Kunst sind bedingt von den Gesetzen, welche innerhalb der Gefühle und des Wollens der menschlichen Seele bestehen. Nur an diesen  seienden  Grundlagen können diese Wissenschaften dieselbe Festigkeit erlangen, wie sie die Naturwissenschaft mittels der Körperwelt, als ihrer  seienden  Grundlage, besitzt.

13. Neben der Sinnes- und Selbstwahrnehmung gibt es kein Drittes, was den Inhalt des Seienden dem menschlichen Wissen zuführt. In den Religionen gilt als ein solches Drittes die Offenbarung; allein die daraus abgeleiteten Vorstellungen lassen sich ihrem Inhalt nach leicht in Elemente auflösen, welche aus der Sinnes- und Selbstwahrnehmung abstammen und ihr entlehnt sind. Ähnlich verhält es sich mit dem "Hellsehen"; mit dem "unmittelbaren Verkehr der Geister", mit dem "intellektuellen Ausschauen", mit dem "intuitiven Erkennen" und anderen im Leben und in der Wissenschaft auftauchenden besonderen und geheimnisvollen Mitteln, das Seiende zu erreichen. Sie sind die Erzeugnisse einer im Dienst der Gefühle und Wünsche stehenden Phantasie oder eines unklaren Denkens; ihre Ergebnisse lassen sich leicht auf Bestimmungen zurückführen, welche aus dem Wahrnehmen und Denken entnommen sind.


B. Das Denken
1. Das bloße Vorstellen

1. Die Wahrnehmungsvorstellungen haben das Besondere, daß sie ihren Inhalt als  seiend  außerhalb der Vorstellung setzen und daß ihnen die  Notwendigkeit  dieses Setzens anhängt. Selbst wenn das  wirkliche  Sein dieses Inhaltes außerhalb des Vorstellens geleugnet wird, wie das im Idealismus geschieht, so können doch diese Bestimmungen als solche, welche der Wahrnehmungsvorstellung innewohnen und sie von anderen Vorstellungen unterscheiden, nicht abgeleugnet werden.

2. Gegenüber diesen Wahrnehmungsvorstellungen bestehen aber im menschlichen Wissen noch mannigfach andere Vorstellungen. Indem ihnen allen diese unmittelbare Notwendigkeit, ihren Inhalt als seiend zu setzen, abgeht, bilden sie zusammen den Gegensatz zu den Wahrnehmungen. Es zeigt sich weiter, daß sich bei ihnen eine eigene Tätigkeit der Seele in der Herstellung dieser Vorstellungen äußert, während die Wahrnehmungsvorstellungen ganz ohne eigenes bewußtes Zutun der Seele in ihr auftreten.

3. Es erscheint deshalb gerechtfertigt, diese gesamten übrigen Vorstellungen unter dem gemeinsamen Namen:  Vorstellungen des Denkens,  oder:  Gedanken,  zu befassen und den Vorstellungen des Wahrnehmens gegenüber zu stellen. Da sich zeigen läßt, daß außer diesen beiden Arten von Vorstellungen keine weiteren in der Seele bestehen, so sind  Wahrnehmen  und  Denken  die beiden alleinigen Quellen aller Vorstellungen in der menschlichen Seele.

4. Das  Denken  entfaltet sich nach fünf Richtungen, woraus fünf Unterarten von Vorstellungen hervorgehen. Die erste bilden die  bloßen  Vorstellungen. Es zeigt sich, daß die Seele die Vorstellung eines Gegenstandes, welche sie durch Wahrnehmung gewonnen hat, auch beim Verschwinden des Gegenstandes festhalten und später ohne dessen Gegenwart wiederholen kann. Solche bloßen Vorstellungen können den Wahrnehmungen an Inhalt und an Stärke völlig gleich stehen, ihr wesentlicher Unterschied liegt lediglich darin, daß sie ihren Inhalt nicht als gegenwärtig oder wirklich seiend setzen. Es muß deshalb zwischen ihnen und den Wahrnehmungen in der Art ihres Seins innerhalb der Seele ein Unterschied bestehen, der aber als solcher der Seele nicht erkennbar ist, sondern der sich nur in der Wirkung ausdrückt, daß der bloßen Vorstellung diess wirkliche Sein des Inhalts fehlt. Deshalb gehört die bloße Vorstellung zum Denken; es findet bei ihr eine von der Seele ausgehende Tätigkeit statt, während die Wahrnehmung ohne eine solche entsteht.

5. Die bloße Vorstellung kann wohl auch das Sein ihres Gegenstandes vorstellen; allein dieses bloß vorgestellte Sein bleibt immer von dem durch die Wahrnehmung gegebenen Sein des Gegenstandes ganz verschieden. Dieser Unterschied wird mit dem  wirklich Sein  ausgedrückt; eine Bestimmung, die nur an der Wahrnehmung haftet, aber nie an einer bloßen Vorstellung; deshalb sind auch die Wahrnehmungsvorstellungen durch bloßes Denken nicht herzustellen, und insofern die Wahrnehmung als das Kennzeichen des wirklichen Seins ihres Inhaltes gilt, können bloße Vorstellungen des Denkens, welcher Art sie auch sein mögen, nie als ein Beweis für das  Dasein  ihres Inhaltes gelten.

6. Wenn auch die bloßen Vorstellungen nicht unter den Bedingungen der Wahrnehmung stehen, so zeigt doch die Beobachtung, daß sie nicht zufällig und regellos in der Seele auftreten, sondern daß sie von anderen Vorstellungen abhängig sind, deren Auftreten das Nachfolgen dieser mit sich führt. Man bezeichnet diese Vorgänge mit dem Wort: Ideenassoziation. Das Gesetz derselben ist, daß von Vorstellungen, welche zugleich, oder unmittelbar einander folgend, in der Seele gewesen sind, die eine oder die erste, wenn sie in der Seele später auftritt, die andere wieder erweckt. Diese Wirkung kann jedoch durch andere Vorgänge gehemmt werden. Je öfter die Verbindung stattgehabt hat, desto kräftiger wirkt sie, und desto weniger wird ihre Folge durch anderes gehemmt.

7. Die Beobachtung zeigt weiter, daß die Wiederkehr der Vorstellungen sich nicht auf Wahrnehmungen beschränkt, sondern daß überhaupt jede Vorstellung wiederkehren kann. Diese Richtung des Denkens ist zu einem besonderen Vermögen der Seele erhoben worden, welches mit  Gedächtnis  und  Erinnerung  bezeichnet wird.

8. Dieses bloße Vorstellen der Seele ist für ihr Wissen von der höchsten Bedeutung; erst dadurch wird sie in ihrem Denken von der Gegenwart der Gegenstände selbst unabhängig. Hat nur  einmal  die Wahrnehmung eines Gegenstandes stattgehabt, so kann der Gegenstand verschwinden oder untergehen; sein Inhalt bleibt dennoch der Seele unbenommen und kann mittels des bloßen Vorstellens wieder erweckt und vom Denken weiter verarbeitet werden. Während die Menschen in der Schärfe des Wahrnehmens oft von den Tieren übertroffen werden, sind sie ihnen im bloßen Vorstellen und folgeweise im Denken überhaupt weit überlegen.


2. Das trennende Denken

1. Die  zweite  Richtung des Denkens ist das  trennende  Denken. Es kann sich, wie überhaupt alles Denken, ebensowohl an Wahrnehmungen wie an bloßen Vorstellungen vollziehen, dieser Unterschied wird deshalb nicht weiter hervorgehoben werden. Das trennende Denken vollzieht sich in  vier  verschiedenen Weisen, woraus  vier  Unterarten von  Trennvorstellungen  hervorgehen. Die erst ist das  teilende Trennen,  welches den Gegenstand nach seiner räumlichen oder zeitlichen Ausbreitung in  Teile  sondert, welche  neben  oder  nach einander bestehen. Durch dieses Trennen wird z. B. der wahrgenommene Baum in Stamm, Zweige, Blätter, Blüten gesondert; ebenso das Jahr in Monate, Tage, Stunden; eine Spazierfahrt in Anspannen, Einsteigen, Fahren und Aussteigen; die Erdoberfläche in Grade der Breite und der Länge.

2. In einzelnen Fällen, wie beim Baum, kann dieses Trennen des Denkens auch in der Wirklichkeit ausgeführt und der Gegenstand danach wirklich geteilt werden; allein in den meisten Fällen geht das Trennen dieses Denkens viel weiter, und in der Trennung des Zeitlichen und der vergangenen Dinge kann das wirkliche Teilen dem trennenden Denken nicht folgen. Diese Richtung des Denkens vollzieht sich deshalb nicht am Gegenstand, sondern nur an der Vorstellung desselben, und es kann aus der Trennbarkeit dieser nicht auf die gleiche Trennbarkeit des Gegenstandes selbst geschlossen werden. Insoweit jedoch der ganzen Vorstellung ein Gegenstand entspricht, entspricht auch der Teilvorstellung ein Teil des Gegenstandes, selbst wenn sich diese Teilung in Wirklichkeit nicht vollziehen läßt. Der Inhalt dieser Teilvorstellungen ist deshalb nicht bloß im Denken, sondern auch im Sein.

3. So unbedeutend dieses teilende Denken auf den ersten Blick erscheint, so wichtig ist es dennoch als Grundlage vieler Wissenschaften und aller Mitteilung. Die Astronomie, die Chronologie wären ohne nicht möglich und der Physiologe könnte die Muskelbewegungen nicht scharf beobachten, wenn er stets die Vorstellung des  ganzen  Körpers und  aller  seiner Teile gegenwärtig haben müßte.

4. Die  zweite  Richtung des trennenden Denkens ist das  eigenschaftliche  Trennen. Es sondert den Gegenstand nach seinen  Eigenschaften,  die sich in derselben Stelle des Raumes und der Zeit an ihm befinden und deshalb einander und den Raum und die Zeitstelle  durchdringen,  so daß die eine da ist, wo die andere ist. Dadurch wird z. B. die Rose in ihre Gestalt, in ihre Größe, in ihre Farbe, in ihren Geruch, in ihre Weichheit getrennt. Erst durch dieses Trennen ist es dem Menschen möglich, die Eigenschaften vom Gegenstand abzusondern und als ein Besonderes sich vorzustellen. In der Wirklichkeit, am Gegenstand selbst, ist dieses Trennen nicht ausführbar. Dennoch ist der Inhalt dieser eigenschaftlichen Trennung nicht bloß im Denken, sondern ebenso im Sein, wie es der Inhalt der ganzen Vorstellung ist.

5. Dieses trennende Denken ist schwieriger auszuführen wie das teilende Denken. Während hier die Teile mit Leichtigkeit rein für vorgestellt werden können, drängen sich bei der Vorstellung  einer  Eigenschaft stets andere Eigenschaften desselben Gegenstandes mehr oder weniger mit ein. Durch Übung kann allmählich dieses Eindringen abgehalten werden. So sieht der Lehrer in seinen geometrischen Figuren nichts als die Eigenschaft der Gestalt; Größe, Farbe, Zeitstelle sind in seinem Vorstellen ganz beseitigt. Im eigenschaftlichen Trennen beginnt der Übergang des Denkens zum  Allgemeinen.  Die so getrennten Eigenschaften sind zwar noch Eigenschaften  dieses  Einzelnen; aber sie finden sich auch in anderen Einzelnen genau von derselben Beschaffenheit, und es beginnt mit ihnen die Vorstellung einer mehreren Einzelnen Gemeinsamen Bestimmung.

6. Die  dritte  Richtung des trennenden Denkens ist das entmischende Trennen, welches zu den Elementen der Mischungen führt. Durch dieses Trennen wird z. B. das Rosa dieser Rose in die elementaren Vorstellungen von Rot und Weiß aufgelöst; ebenso der Laut dieser Silbe in die Laute der einzelnen Vokale und Konsonanten; der Ton dieses Dreiklangs in den Ton der Prime, Terz und Quinte; der Geschmack dieses Punsches in das Süße, Saure und Geistige. In der Wahrnehmung der Mischungen sind diese Elemente mehr verhüllt, als es die Eigenschaften sind, welche durch das eigenschaftliche Trennen gewonnen werden. Das Grün, die Gestalt, die Bewegung, die Weichheit eines Blattes sind bei weitem nicht so eng geeint wie jene Elemente in ihren Mischungen; dort sind die Eigenschaften nur durch die Dieselbigkeit der Raum- und Zeitstelle verbunden, aber sie werden jede unvermischt in dieser Stelle wahrgenommen; hier hört aber die besondere und getrennte Wahrnehmung der Elemente auf; es hat sich das eine gleichsam wie ein Flor über das andere gelegt und läßt es nur verhüllt durch sich hindurchscheinen. Diese Mischung zeigt sich auch im Inhalt der Selbstwahrnehmungen; so sind die Affekte und Leidenschaften Mischungen von Gefühlen und Begehren; in den Wissensarten ist Sein und Wissen gemischt.

7. Indem die Mischung eine innigere Verbindung darstellt, ist auch das entmischende Trennen für das Denken schwieriger als das eigenschaftliche Trennen. Übung kann auch hier die Ergebnisse reiner erreichen lassen; ein Maler erkennt die Elemente einer Mischfarbe, ein Virtuose die Einzeltöne einer Harmonie, ein Koch die Elemente einer Speise, wo der Laie dazu nicht imstande ist. Die Körper werden durch das entmischende Trennen in Flächen und Ecken, diese in Linien, Winkel und Punkte, der Raum in die drei Richtungen gesondert.

8. Da das entmischende Trennen nur das Auflösen einer Verbindung ist, so folgt, daß die dadurch gewonnenen Elemente nicht bloß im Vorstellen sind, sondern daß ihnen ebenso ein Stück im Sein entspricht, wie der ganzen Vorstellung ein seiender Gegenstand. Auch werden diese Elemente trotz der Mischung in dieser  wahrgenommen;  wäre das nicht der Fall, so wäre das Denken nicht imstande, sie daraus zu sondern. Diese Elemente, einschließlich der Flächen, Winkel, Linien und Punkte der geometrischen Gestalten, haben daher ein Sein, soweit der Gegenstand Sein hat, aus dem sie ausgesondert sind; durch bloßes Trennen im Denken kann das Sein nicht untergehen. Alle Zweifel dagegen entspringen nur daraus, daß diese Elemente nicht  für sich  abgesondert im Sein bestehen und nicht  für sich  wahrgenommen werden können; allein das hindert nicht, daß die Seele nach erfolgter Sonderung im Denken die Elemente als solche in der Mischung wahrnimmt.

9. Die  vierte  Richtung des trennenden Denkens ist das  begriffliche  Trennen, durch welches die Vorstellung eines einzelnen Gegenstandes in den  Begriff  und in den  bildlichen Rest  gesondert wird. Durch dieses Trennen wird z. B. das Rot dieser Siegellackstange in die Farbe überhaupt und in den Rest getrennt, welcher durch seine Verbindung mit der Farbe  überhaupt dieses  Rot hervorbringt. Ebenso wird dieses Dreieck auf der Tafel dadurch in das Dreieck  überhaupt  und in den bildlichen Rest gesondert, welcher letzterer ihm die  bestimmte  Größe seiner Seiten und Winkel gibt. So wir das Saure dieses Essigs in Geschmack  überhaupt  und in einen bildlichen Rest gesondert, welcher den allgemeinen Geschmack zu diesem bestimmten Essiggeschmack macht. So wird die Lust an dem Empfang dieses Ordens in die Lust  überhaupt  und in den Rest gesondert, durch dessen Hinzutritt diese zur bestimmten Lust an diesem Orden wird.

10. Es gibt keine bildliche Vorstellung irgendeiner Art, welche nicht in dieser Weise begrifflich getrennt werden könnte. Auch kann das begriffliche Trennen am gewonnenen Begriffsstück von Neuem geschehen; so kann aus dem Begriff des Dreiecks der Begriff der geradlinigen Figur, aus dieser der Begriff der Gestalt überhaupt, aus dieser der Begriff der Eigenschaft überhaupt begrifflich ausgetrennt werden. Es entstehen auf diese Weise die  höheren  Begriffe, welche deshal einen geringeren Inhalt haben.

11. Die Aufmerksamkeit wendet sich bei diesem Trennen meist nur den  Begriffen  zu, die  bildlichen Reste  werden nicht beachtet, und die Sprache hat nur Worte für jene, nicht auf für diese gebildet. Allerdings sind für die Mitteilung der Gedanken im Leben und für die Auffindung der Gesetze in den Wissenschaften die Begriffe das Wichtigere. Dessenungeachtet machen sich auch die bildlichen Reste da geltend, wo es mit dem Begrifflichen nicht abgetan ist, sondern das Einzelne als solches und in seiner Vollständigkeit interessiert. Die Sprache bezeichnet aber auch dann die bildlichen Reste nicht besonders für sich, sondern sie bildet  ein  Wort für das Einzelne als Ganzes; das sind die Einzelnamen, wie sie den einzelnen Menschen, Ländern, Meeren, Bergen, Flüssen, Städten usw. gegeben werden. In der Landwirtschaft erhalten auch die einzelnen Kühe, in der Gastwirtschaft die einzelnen Zimmer ihre Namen oder Nummern und dies wiederholt sich überall, wo das Einzelne als solches von Wichtigkeit ist.

12. Die Sprache hat daher auch Mittel, das Einzelne zu bezeichnen, was HEGEL leugnet; wo diese nicht zureichen, ersetzt es die Gebärde des Zeigens oder des Weisens auf den Gegenstand. Während die Wissenschaften sich nur mit dem Begrifflichen der Dinge beschäftigen, gehen die schönen Künste umgekehrt auf die Darstellung eines Einzelnen aus, z. B. auf die Herstellung eines Bauwerkes, einer Statue, eines Gemäldes, eines Musikstückes. Auch die Dichtkunst schafft ein solches Einzelnes in der Phantasie des Dichters; allein da sich dieser zur Mitteilung seines Bildes an andere nur der begrifflichen Worte bedienen kann, so erreicht er sein Ziel nicht vollständig, und das Bild der Dichtung schwankt zwischen Begrifflichem und Einzelnem. Hieraus erklärt sich, weshalb die Dichter für die Sprachbildung nach dem Einzelnen und Anschaulichen (Plastischen) hin wirken; während die Denker die Sprache für die Bezeichnung des Allgemeinen und der höheren Begriffe fortbilden. Es ist deshalb unrecht, wenn man die Ehre der Fortbildung der Sprache nur den Dichtern und nicht auch den Forschern der Wissenschaft zuerkennt.

13. Das begriffliche Trennen der Seele erhält den Anstoß zu seiner Entfaltung durch das Dasein mehrerer Gegenstände, welche einander ähnlich sind, d. h. welche neben ihren Unterschieden auch ein Gleiches enthalten. Dieses Gleiche kann eine bloße Eigenschaft oder ein Element sein; dann bedarf es zu seiner Absonderung nur des eigenschaftlichen oder des entmischenden Trennens; allein es kann auch begrifflicher Natur sein; und dann bedarf es zu seiner Aussonderung des begrifflichen Trennens.

14. Man bemerkt leicht, daß die Verbindung zwischen dem Begriffsstück und dem bildlichen Rest noch inniger ist als die Verbindung zwischen den Elementen einer Mischung. Bei dieser schimmern die Elemente eines durch das andere, wenn auch getrübt, hindurch und bieten so dem Denken noch mehr Anhalt für ihre Aussonderung. Allein beim begrifflichen Stück und dem bildlichen Rest fehlt selbst dieses Durchschimmern, und auf den ersten Blick hat es den Anschein, als wenn der Begriff eine Vorstellung wäre, deren Inhlalt in der Wahrnehmung oder bildlichen Vorstellung gar nicht enthalten wäre, sondern nur im Denken bestände und da erzeugt würde.

15. Allein das Vergleichen der Dinge, von welchem das begriffliche Trennen seinen Anstoß erhält, könnte gar nicht zu einem Gemeinsamen in den Begriffen führen, wenn dieses Gemeinsame nicht schon in de wahrgenommenen Gegenstände oder Eigenschaften selbst enthalten wäre. So wie schon die Eigenschaften und Elemente gleichsam durch einen geistigen Schnitt aus der Vorstellung des ganzen Dinges herausgeschnitten werden, so geschieht es auch mit den Begriffen; nur daß hier dieser geistige Schnitt noch feinerer und eigentümlicher Natur ist.

16. Dem Begriff oder der durch begriffliches Trennen gewonnenen Vorstellung entspricht deshalb ebenso genau ein  seiendes  Begriffsstück im Gegenstand, wie der ganzen Vorstellung ein ganzer seiender Gegenstand entspricht. Die Begriffe schweben nicht  über  den Dingen oder  über  den Wahrnehmungsvorstellungen, sondern sie sind ein Trennstück dieser letzteren selbst. Die Begriffe sind deshalb, als Vorstellungen, ihrem Gegenständlichen ebenso nahe, sie bieten es dem Wissen ebenso unmittelbar, wie die Wahrnehmung oder Anschauung den  ganzen  Gegenstand der Seele zuführt. Die Ansicht KANTs, daß sich nur die Wahrnehmungen auf den Gegenstand unmittelbar beziehen, die Begriffe aber nur  mittelbar  durch jene, ist deshalb unwahr. Der Unterschied beider liegt nicht in einer solchen Unmittelbarkeit und Mittelbarkeit, sondern darin, daß die bildliche Vorstellung den ganzen, ungetrennten Gegenstand bietet, die begriffliche Vorstellung aber nur  ein Stück  davon, wie es durch das Denken aus ihm geistig ausgeschnitten worden ist.

17. Diese Auffassung von der Natur der Begriffe ist für die Philosophie von der höchsten Wichtigkeit. Je nachdem sie festgehalten oder verlassen wird, ändert sich ihr ganzes System. Die großartigsten Gebäude, wie z. B. die Kritik der reinen Vernunft von KANT, fallen von selbst zusammen, wenn die hier gebotene Auffassung die wahre ist. Daß ein Trennen im Denken bei der Bildung der Begriffe und der Wissenschaften vor sich geht, hat man von jeher bemerkt; das Wort:  "Abstrakte"  (Abgezogene, Einzelnes Liegenlassende), Vorstellungen, womit man die Begriffe bezeichnet, hat von diesem Trennen seinen Ursprung. Es muß also der Inhalt des Begriffes bereits in der Wahrnehmung enthalten sein; sonst könnte er durch Absondern (der bildlichen Reste) nicht gewonnen werden.

18. Ist das richtig, so folgt, daß das Begriffsstück im Gegenstand nicht bloß ein Sein hat, wie dieser selbst, sondern daß es auch in der Wahrnehmung mit enthalten ist oder mit wahrgenommen wird. Die Begriffe bezeichnen deshalb nicht bloß ein Seiendes, sondern dieses Begrifflich-Seiende ist selbst wahrnehmbar, wie der ganze Gegenstand es ist. Alle Zweifel dagegen entspringen nur aus der Ungewohnheit, die Dinge auf diese Art der Teilung anzusehen, so wie daraus, daß man diese Begriffsstücke in Wirklichkeit nicht abgesondert oder getrennt für sich wahrnehmen kann. Allein dies hindert die besondere Wahrnehmung derselben nicht, wenn das begriffliche Trennen vorausgegangen ist und dem Wahrnehmen durch den trennenden Schnitt den Weg gewiesen hat. Es ist richtig, daß in den meisten Fällen die bildlichen Reste der Einzelnen sich an die Vorstellung des begrifflichen Gemeinsamen herandrängen und mehr oder weniger lebhaft die Begriffsstücke im Vorstellen umschwärmen. Allein diese Schwierigkeit der Absonderung ist durch Übung auch hier zu überwinden. Schon daß diese mitspielenden bildlichen Reste im Grad schwächer sind, zeigt, daß die reine Vorstellung des begrifflichen Trennstücks nur eine Sache der Übung ist und keine Unmöglichkeit für das Denken, wie HUME und andere behaupten.

19. Selbst das tägliche Leben bietet für die Wahrnehmbarkeit der begrifflichen Stücke die schlagendsten Beweise. Jeder  sieht  in den Gesichtszügen von Geschwistern die Ähnlichkeit; diese Ähnlichkeit ist nur eine begriffliche, und dennoch wird diese Ähnlichkeit  gesehen  und selbst von Kindern schnelle bemerkt. Wenn Knaben Trauben und Melonen essen, so nennen sie beide Früchte süß; dieses  geschmeckte  Süß ist aber nur ein begriffliches, ebenso wie die begriffliche Farbe in Beziehung auf das einzelne Rot, Gelb, Blau usw. Wovon sollte überhaupt entnommen werden, zu welcher Gattung und Art ein einzelnes Tier oder eine Pflanze gehört, wenn nicht der Inhalt der Art und Gattung selbst in ihnen mit  gesehen  würde? Man meint wohl,d aß dies auf der Erkenntnis der einzelnen Merkmale beruhe; allein auch die Merkmale sind schon Begriffe; steckte das Begriffliche nicht in den einzelnen Dingen, und würde es nicht mit diesen zugleich wahrgenommen, so würden Merkmale dazu so wenig helfen können wie die Begriffe der Art, vielmehr würden die Merkmale, als die höheren Begriffe, nocht weiter vom Einzelnen abführen.

20. Es ist deshalb die Ansicht, daß das Einzelne  unter  den Begriff zu subsumieren sei und dadurch das  Urteil  über es entstehe, eine durchaus falsche. Das Einzelne, oder vielmehr die Vorstellung des Einzelnen, wird nicht dem Begriff, als einem frei für sich Schwebenden, untergeschoben und daran wie an einem Maß probiert, ob sie passe oder nicht; sondern das Begriffliche  steckt im  Einzelnen und der Begriff wird aus der ganzen Vorstellung nur ausgesondert. Wenn auf diese Weise ein Begriff für sich von der Seele gewonnen worden ist, dann ist sie imstande, das Einzelne oder Besondere, was ihr später geboten wird, daraufhin zu prüfen, ob jenes ihr bereits bekannte Begriffliche in diesem Einzelnen oder Besondere enthalten ist oder nicht. Sie muß zum Ende dieses Einzelne oder Besondere ebenfalls begrifflich sondern, wobei ihr der bereits bekannte Begriff für die Richtung des Trennens den Weg zeigt. Bei einer richtigen Anwendung dieses Trennens ergibt sich dann bald, ob dieser bereits bekannte Begriff im Einzelnen enthalten ist oder nicht und danach wird von ihm der Begriff, als Prädikat, ausgesagt oder verneint. Dies ist das, was in der Logik  Urteilen  genannt wird. Man sieht, daß dieses Urteilen durchaus keine besonder Tätigkeit ist und kein besonderes Vermögen der Seele erfordert, was dem  Verstand,  als einem Vermögen der Begriffe, gegenüber zu stellen wäre; vielmehr sind bei nichts als ein begriffliches Trennen, und sie unterscheiden sich nur dadurch, daß beim Urteilen der Begriff bereits bekannt ist und der Einzelvorstellung, welche beurteilt werden soll, vorhergeht; während bei der ersten Gewinnung des Begriffs die Einzelvorstellungen vorausgehen müssen, da der Begriff nur aus ihnen zuerst gewonnen werden kann. Wenn einzelnen Menshcen das Urteilen schwer wird, so liegt das daran, daß sie die Begriffe für sich im Denken nicht festhalten können; deshalb können sie dieselben auch schwerer im Einzelnen wiedererkennen.

21. Der Anlaß und die Absicht beim begrifflichen Trennen ist auf die Gewinnung solcher Begriffsstücke gerichtet, welche mehreren Einzelnen gemeinsam sind. Das begriffliche Trennen ist zwar nicht notwendig darauf angewiesen; allein der Wert und die Bedeutung der Begriffe für das Leben und die Wissenschaft steigt mit der Zahl der Einzelnen, welche sie umfassen. Es wird deshalb der Begriff einer Art von Tieren oder Pflanzen geändert, wenn neue Einzelne entdeckt werden, welche den alten Altbegriff nicht voll in sich enthalten.

22. Es ist das Verdienst HEGELs, dieser hier dargelegten Natur der Begriffe zuerst wieder Bahn gebrochen zu haben. Die seienden Begriffsstücke nennt er  objektive Gedanken,  und die ihnen entsprechnden Vorstellungen der Seele  subjektive Begriffe.  Bei KANT, SCHOPENHAUER und im gewöhnlichen Vorstellen herrscht noch die Auffassung, daß die Begriffe nur im Denken sind und sich nur  mittelbar  auf die Dinge beziehen.

23. Oft wird auch der Unterschied der Begriffe gegen die Einzelvorstellungen in die  Unbestimmtheit  jener gesetzt. Allerdings wird der Einzelgegenstand durch den Begriff nicht vollständig erfaßt; er gibt nur einen Teil von ihm; wenn mithin ein Einzelnes nur mit einem Wort bezeichnet wird, was zunächst nur den Begriff oder die Gattung bezeichnet, so bleibt allerdings diese Bezeichnung des Einzelnen eine unbestimmte oder nicht vollständig bestimmte. Allein wird das begriffliche Wort nur für das begriffliche Stück angewendet, so ist die Bezeichnung ebenso vollständig und bestimmt, wie die Einzelvorstellung in Bezug auf ihren Gegenstand. Die Begriffe sind deshalb an sich in der Beschaffenheit und Grenze ihres Inhalts ebenso bestimmt wie die Einzelvorstellungen. Nur wenn sie zur Bezeichnung der letzteren benutzt werden, entsteht erst die Unbestimmtheit, welche mithin nicht den Begriffen ansich, sondern nur ihrem zweideutigen Gebrauch anhängt.

24. Die Begriffe werden oft mit den eigenschaftlichen und elementarn Trennvorstellungen verwechselt; allein die bisherige Darstellung wird ihren Unterschied haben erkennen lassen. So ist dieses bestimmte Gelb dieser Blume eine eigenschaftliche Trennvorstellung, aber kein Begriff. Es kann sein, daß dieses Gelb genau in dieser Weise noch an vielen anderen Blumen und anderen Dingen angetroffen wird, daß es mithin eine Vorstellung ist, die vielen Gegenständen gemeinsam ist; allein dennoch ist zu ihrer Gewinnung kein begriffliches Trennen erforderlich. Ähnlich verhält es sich mi der Vorstellung des Kreises, des gleichseitigen Dreiecks, der Parabel, der Kugel, des Würfels. Diese Gestalten sind in allen Einzelnen, wo sie vorkommen, genau dieselben; der Unterschied haftet nicht an diesen Gestalten, sondern kommt von der Größe, oder Lage, oder von der Farbe derselben. Indem sie so, als Gestalt, überall dieselben sind, bedarf es zu ihrer Gewinnung nur des eigenschaftlichen, nicht des begrifflichen Trennens. Ebenso verhält es sich mit den Elementen. Deshalb gehören auch die Vorstellungen des Raumes oder der Zeit nicht zu den Begriffen, wie schon KANT geltend gemacht hat.

25. Man kann fragen, woher es komme, daß die Seele neben den früheren Arten des Trennens auch dieses begriffliche Trennen zur Anwendung bringe, da doch dasselbe nicht allein Mühe und Anstrengung kostet, sondern auch die Gegenstände in ihrer vollen Anschaulichkeit zerstört und Vorstellungen an ihre Stelle setzt, welche in voller Reinheit kaum zu fassen sind. Es sind  zwei  Umstände, welche die Seele dazu nötigen. Zunächst das Bedürfnis der  Mitteilung  an andere. Alle Mittel dafür, mögen sie in Gebärden oder in Lauten oder in Schriftzeichen bestehen, fordern eine Beschränkung der Zahl der mitzuteilenden Vorstellungen auf eine vom menschlichen Gedächtnis faßbare. Dies ist aber nur dadurch möglich, daß nicht für jeden einzelnen Gegenstand eine besondere Vorstellung festgehalten wird, sondern daß eine große Zahl von einzelnen Gegenständen, welche sich für den betreffenden Fall nicht wesentlich unterscheiden, mit  einer  Vorstellung erfaßt werden. Das ist aber nur möglich durch das begriffliche Trennen, durch welches das Wesentliche vieler Gegenstände auf  eine  und doch möglichst treffende und vollständige Vorstellung zurückgebracht wird. Es bedarf dann nur  eines  Zeichens oder Lautes für diese  eine  Vorstellung, und dieses  eine  Zeichen, diese  eine  Wort kann für die Mitteilung sehr vieler Vorstellungen von Einzeldingen benutzt werden. Daher kommt es, daß die meisten Worte in den Sprachen nur begriffliche Vorstellungen bezeichnen. Daneben bestehen auch auch Worte zur Bezeichnung der Einzeldinge, wo es das Interesse des Menschen fordert. Dies sind die  Einzelnamen.  Die begriffliche Natur der eigentlichen Worte ist deshalb kein Zeichen der göttlichen Natur der Sprachen, wie HEGEL meint; vielmehr würden Götter nur in Einzelnamen zueinander sprechen.

26. Der zweite Grund für die Bildung der Begriffe liegt in den  Naturgesetzen.  Die Beobachtung zeigt, daß in der körperlichen und geistigen Welt gewisse Bestimmungen an andere geknüpft sind, so daß, wenn die eine da ist, auch die andere zugleich da ist oder nachfolgt. Diese Verknüpfungen sind für den Menschen von der höchsten Wichtigkeit, weil nur dadurch seine Macht über die Natur begründet wird; denn sobald er eine solche Verknüpfung kennt, kann er, wenn er nur das erste zu setzen vermag, dadurch auch das damit verknüpfte zweite verwirklichen. Die Beobachtung zeigt aber weiter, daß diese Verknüpfungen nicht zwischen einzelnen Dingen als solche bestehen oder von deren ganzer Vollständigkeit bedingt sind, sondern nur zwischen  begrifflichen  Stücken derselben. So fällt dieser Stein nicht zur Erde, weil er von dieser Farbe, von dieser Gestalt und Größe ist, oder weil die Erde diese gegenwärtige Stellung der Gestalt hat, sondern die Verbindung zwischen beiden beruth lediglich auf der Verknüpfung von begrifflichen Stücken in beiden, welche die Physik mit Materie oder Stoff bezeichnet, und welche mit gegenseitiger Anziehung verbunden sind. Die Gesetze der Natur können daher nur mittels des begrifflichen Trennens der Gegenstände gefunden werden, und alles Beobachten und Versuchen ist nur ein fortgehendes begriffliches Trennen in mannigfachen Richtungen, bis diejenigen Begriffsstücke oder Ausschnitte gefunden sind, welche im Sein miteinander verknüpft sind.

27. PLATO und andere haben es höchst wunderbar gefunden, daß der Begriff eines Gegenstandes nur  einmal  bestehe, während die Zeit der einzelnen Gegenstände, welche er befaßt, eine unbestimmt große sei, PLATO untersucht wiederholt, wie es möglich sei, daß die Idee sich an so viele mitteilen könne, ohne doch selbst ihre Einheit und Fülle zu verlieren. In Wahrheit sind der begrifflichen Stücke gerade so viele als Einzelne; jene stecken in diesen; allein wenn von diesen die Unterschiede der bildlichen Reste, zu welchen auch das Sein in unterschiedenen Orten des Raumes und der Zeit gehört, begrifflich abgesondert werden, so muß die  Vorstellung  dieser vielen in eine einzige zusammenfallen. Die Einheit des Begriffs im Vorstellen entspringt also aus der Beseitigung der Unterschiede der Orte und Zeiten.
LITERATUR - Julius von Kirchmann, Die Lehre vom Wissen als Einleitung in das Studium philosophischer Werke, Berlin 1871