tb-3cr-2W. SchuppeW. SchuppeP. Stern    
 
THEODOR ZIEHEN
(1862 - 1950)
[mit NS-Vergangenheit]
Erkenntnistheoretische
Auseinandersetzungen

2. Schuppe. Der naive Realismus
[2/2]

"Eine Erklärung und Begründung können wir für die naturwissenschaftlichen Kausalgesetze nicht geben. Wir können nicht erklären, weshalb Attraktionserscheinungen existieren und nicht begründen, warum für diese Attraktionserscheinungen gerade diese und keine anderen Gesetze gelten. Schon das erste Gesetz der Mechanik, den Lehrsatz vom Parallelogramm der Kräfte, müssen wir als eine Tatsache hinnehmen. Nicht einmal im einfachsten Fall zweier gleicher, z. B. rechtwinklig zueinander auf einen Punkt wirkender Kräfte können wir erklären oder beweisen, daß die Resultante den rechten Winkel halbiert und nicht etwa gerade in entgegengesetzter Richtung verläuft, d. h. den überstumpfen Winkel (von 270°) halbiert."

"Erst durch eine besondere Tat (erste Bewegung) wird die noch nicht zum Gedanken erhobene Nervenaffektion oder Empfindung in das Bewußtsein gehoben und zum Gedanken. Mit Ulrici erblickt Schuppe in diesem Vorgang ein Werk des Identitätsprinzips, aber - abweichend von Ulrici - nimmt er an, daß das Identitätsprinzip, welches später in allen unseren Urteilen wirksam ist, hier schon unbewußt, gewissermaßen vorhistorisch als wirksam vorausgesetzt werden muß."

"Eigentlich, dürfen wir uns jenen Vorgang nicht wie ein gewöhnliches Urteil vorstellen, in welchem ein Prädikat mit einem Subjekt verbunden wird, sondern als eine Vereinigung des geistigen Elementes mit dem sinnlichen, hervorgebracht durch jene geheimnisvolle Kraft, welche eben jenes geistige Element, das Denken selbst ist, ohne welches eine weitere Verwendung und Verbindung unmöglich ist, das nicht nur den ersten Sinnenreiz zum Gedachten und zum Wort macht, sondern auch alle weitere Verbindung von Gedanken und Worten zu Urteilen und Schlüssen bewirkt."


C. Die Bedeutung der Sinnesorgane und zerebralen
Sinnesleitungen und -zentren
für die Empfindungen. ν-Empfindungen.

Eine wesentliche weitere Differenz zwischen SCHUPPEs Erkenntnistheorie und der meinigen besteht in der erkenntnistheoretischen Auffassung der Bedeutung der sinnesphysiologischen Prozesse. Im Allgemeinen berücksichtigt SCHUPPE die für die Erkenntnistheorie entscheidende Fundamentaltatsache der Sinnesphysiologie zu wenig. Diese Fundamentaltatsache läßt sich kurz folgendermaßen angeben: Die Beschaffenheit (25), räumliche und zeitliche Lage einer Empfindung ist in mannigfacher Weise vom Zustand der Sinnesorgane, Sinnesbahnen und Sinneszentren abhängig. Erkenntnistheoretisch exakter ist folgende Formulierung: Wenn die Empfindungen unserer Sinnesorgane, Sinnesbahnen und Sinneszentren (26) - die ν-Empfindungen - sich ändern, so ändern sich auch die Objektempfindungen. Diese Änderungen habe ich als "Rückwirkungen" bezeichnet. Wenn ich beispielsweise fühle oder im Spiegel sehe, daß ein Freund meinen rechten Augapfel nach links verschiebt, so ändern sich meine Objektempfindungen insofern, als z. B. eine vor mir stehende Stand doppelt gesehen wird. Ebenso bedingt jede Veränderung der Einwirkung der Objekte auf meine Sinnesorgane (27), z. B. das Vorhalten eines grünen Glases vor mein Auge, eine Veränderung vieler Empfindungen. Die älteren Erkenntnistheorien kannten in dieser Beziehung keine Schwierigkeiten. Beherrscht von der Introjektion nahmen sie fast ausnahmslos an, daß die vom Objekt, dem Reiz, verursachten Erregungen, in das Gehirn gelangt, in diesem oder auch noch jenseits desselben die Empfindungen auslösten; damit wird es natürlich überflüssig von Rückwirkungen zu sprechen. AVENARIUS und SCHUPPE haben nachgewiesen, daß die Introjektionslehre [Lokalisierung der Empfindungen im Gehirn - wp] unzulässig ist. Unabhängig von beiden bin ich zu demselben Ergebnis gekommen. Sowohl AVENARIUS wie auch SCHUPPE haben jedoch versäumt, der oben erwähnten sinnesphysiologischen Tatsache, deren Bedeutung nunmehr gerade durch die Verwerfung der Introjektion rätselhaft scheint und für die Erkenntnistheorie entscheidend ist, genügend Rücksicht zu tragen. Wir fragen, wenn wir die Empfindungen nicht mehr in das Gehirn, sondern an den Ort der sogenannten Objekte verlegen, billigerweise: wie kommt es, daß die Empfindungen ihrer Beschaffenheit nach allenthalben von einem Gehirnzustand, von der Möglichkeit und von der Art und Weise der Einwirkung auf das Gehirn abhängig sind? Im Santoninrausch erscheinen helle Flächen grüngeblich, bei geschlossenen Augen verschwinden die Gesichtsempfindungen, bei einem Aufsetzen einer blauen Brille werden alle Gesichtsempfindungen bläulich usw. Wie erklären sich diese eigentümlichen "Rückwirkungen" unseres Gehirns? Wie kommen gar Halluzinationen zustande, welche wie die normalen Empfindungen an einem bestimmten Ort auftreten und offenbar oft ausschließlich auf krankhaften Prozessen unseres Gehirns beruhen?

SCHUPPE hat in seinem Hauptwerk alle diese Fragen nur sehr flüchtig berührt (vgl. z. B. auch Seite 665f). Etwas mehr nähert er sich ihnen in seiner jüngsten im Jahre 1902 erschienenen Schrift "Der Zusammenhang von Leib und Seele" (28). Seite 44 spricht er ausdrücklich von der oben erwähnten Schwierigkeit. Er findet, daß dieselbe "kaum geringer wird, wenn das Gehirn als Empfänger der Einwirkung und Ausüber der Gegenwirkung, welche das Sehen ist, gedacht werden soll"; er will das jedoch nicht als wissenschaftliche Erklärung gelten lassen, sondern "viel lieber bekennen, den eigentlichen Hergang der Sache nicht zu kennen". Nur "einige Hilfe" glaubt SCHUPPE von seinem Standpunkt gewähren zu können. Er setzt zunächst auseinander, daß
    "das Ich, wenn es in einem Menschenleib (29) oder als ein Menschenleib eine konkrete Existenz haben soll, die Fähigkeit, Sichtbares zum Inhalt seines Bewußtseins zu haben, d. h. zu sehen, in sich selbst haben muß".
Alles, was oben gegen die Aufstellung eines primären Ich gesagt worden ist, ist auch gegenüber diesem Satz geltend zu machen. Die oben berührte Schwierigkeit löst er überdies nicht im Geringsten. SCHUPPE selbst fühlt dies. Es bleibt noch zu erklären,
    "welchen Anteil die Sinnesorgane und die Vorgänge in ihnen am Gesamtresultat haben, daß jedes Ich von allem sinnlich Wahrnehmbaren gerade immer dieses oder jenes zum Inhalt seines Bewußtsein gewinnt oder wahrnimmt", und "ohne eine bestimmte Behauptung zu wagen, will er doch folgenden Gedanken der Beachtung empfehlen": da nach Schuppe sich das Ich "als raumerfüllendes, einen Platz im Raum einnehmendes findet, und da es selbst, dieses diesen Ort einnehmende Ich die sichtbare Welt zu seinem Bewußtseinsinhalt haben soll, so muß die sichtbare Welt sich auch in Bezug auf diesen Ort, den das Ich einnimmt, ordnen und zwar in Beziehung auf einen ganz bestimmten Punkt in diesem Ort, das Auge".
Darin kann ich nun allerdings keine Lösung, auch keine annähernde, des Rätsels finden. Es bleibt doch die Tatsache bestehen, daß unsere Sinnesapparate inklusive Gehirn nicht nur der Ordnung der Eindrücke dienen, sondern vor allem ihre Qualität bestimmen. Letztere ist sogar in viel höherem Maß von unseren Sinnesorganen abhängig als erstere. SCHUPPE selbst erkennt dann auch sofort an, daß er dem Auge eine Lichtempfindlichkeit zuerkennen muß und daß damit die ganze Schwierigkeit wiederkehrt, und meines Erachtens behauptet er daher mit Unrecht unmittelbar danach doch, daß sein Lösungsversuch die philosophische Schwierigkeit der Erklärung der Leistungen der Sinnesapparate erheblich gemindert hat. Sie ist dieselbe geblieben und bleibt bestehen, solange man sich nicht auf den Boden der 1898 von mir entwickelten Sätze stellt. Danach ergibt die Analyse der Welt, d. h. unserer Empfindungen zwei Gesetzlichkeiten, die eine entspricht den *Kausalgesetzen der Naturwissenschaft, die andere habe ich als das Parallel- oder Rückwirkungsgesetz bezeichnet. Populär ausgedrückt, gibt letzteres an, welcher psychische Prozeß jeder Hirnerregung des Individuums und daher auch - ceteris paribus [unter vergleichbaren Umständen - wp] - einem bestimmten Reiz entspricht. Das Gesetz der spezifischen Energie ist ein Spezialfall dieser Parallelgesetzlichkeit. Jede einzelne Erscheinung (Empfindung) ist die Resultante beider Gesetzlichkeiten (30). Durch Eliminierung der individuellen Rückwirkungen gelange ich zu den "Reduktionsbestandteilen" der Empfindungen oder versuche ich zumindest zu solchen Reduktionsbestandteilen zu gelangen. Ich glaube, daß diese Auffassung, deren einzelne Darlegung und Begründung ich in meiner Erkenntnistheorie nachzulesen bitten muß, im Gegensatz zu SCHUPPE den Tatsachen der Hirn- und Sinnesphysiologie wirklich Rechnung trägt und die nach der Verwerfung der Introjektion sich ergebende erkenntnistheoretische Schwierigkeit bezüglich des Einflusses unserer *Sinnesapparat (einschließlich des Gehirns) auf die Empfindungen wirklich beseitigt. Freilich eine "Erklärung" darf man für diese Rückwirkungen, eine "Begründung" für das einzelne Rückwirkungsgesetz nicht verlangen. Eine solche Erklärung und Begründung können wir jedoch auch für die naturwissenschaftlichen Kausalgesetze nicht geben. Wir können nicht erklären, weshalb Attraktionserscheinungen existieren und nicht begründen, warum für diese Attraktionserscheinungen gerade diese und keine anderen Gesetze gelten. Schon das erste Gesetz der Mechanik, den Lehrsatz vom Parallelogramm der Kräfte, müssen wir als eine Tatsache hinnehmen. Nicht einmal im einfachsten Fall zweier gleicher, z. B. rechtwinklig zueinander auf einen Punkt wirkender Kräfte können wir erklären oder beweisen, daß die Resultante den rechten Winkel halbiert und nicht etwa gerade in entgegengesetzter Richtung verläuft, d. h. den überstumpfen Winkel (von 270°) halbiert. Ebensowenig dürfen wir Erklärungen und Beweise für die Rückwirkungen und ihre Gesetze verlangen. Auch hier können wir nur *Tatsachen konstatieren und die Tatsachen zu *Gesetzen zusammenfassen. Ich glaube also, daß die erkenntnistheoretische Bedeutung unserer Sinnesapparate richtiger in meiner Erkenntnistheorie dargelegt ist.

Damit hängt noch eine andere Schwierigkeit zusammen, welche auch SCHUPPE nicht entgangen ist. Wenn wir auf die Introjektion verzichten und als das Wirkliche die Summe der Empfindungen betrachten, so erhebt sich die Frage: was wird aus dem Baum, wenn ich ihm den Rücken zukehre und - wie wir etwa noch hinzufügen können - auch kein anderes lebendes Wesen ihn gerade sieht? SCHUPPE meint, daß
    "die absolut zuverlässige Gesetzlichkeit, daß ich und jeder andere, die nötigen Bedingungen voraussetzt, z. B. die der Anwesenheit an einem bestimmten Ort, eine *Wahrnehmung bestimmter Art machen wird, nicht nur ein Beweis für die Existenz dieses Wahrnehmbaren, sondern gleichbedeutend mit seiner Existenz ist, auch wenn gerade niemand diese Wahrnehmung macht. (31)
Daher betont er auch, daß
    "der Begriff des wirklichen Seins nicht in der bloßen Empfindung aufgeht, sondern die absolute Gesetzlichkeit einschließt, nach welcher je nach den Umständen und Bedingungen bestimmte Empfindungsinhalte bewußt werden."
Diesen Sätzen gegenüber muß man vor allem fragen, welche absolute *Gesetzlichkeit SCHUPPE meint. Die naturwissenschaftlichen Kausalgesetze genügen nicht. Die Rückwirkungsgesetze meiner Erkenntnistheorie sind ganz unerläßlich. Die Erscheinungen (Empfindungen) lassen eine Gesetzlichkeit überhaupt nicht erkennen, bevor die Zerlegung in die Kausalgesetzlichkeit und die Parallelgesetzlichkeit erfolgt ist. Für SCHUPPE geht der Begriff des existierenden Unwahrgenommenen im Begriff dessen auf, was seinem Begriff nach Wahrnehmbares ist, z. B. Rotes, Rundes. Hier klingt wieder die oben bereits bestrittene Lehre von der *Realität des Allgemeinen* [nomina] oder Gattungsmäßigen hinein, und, auch hiervon abgesehen, ist nicht verständlich, mit welchem Recht das seinem Begriff nach Wahrnehmbare als existierend bezeichnet werden kann. Die Notwendigkeit des Eintretens bei tatsächlicher Anwesenheit bestimmter Bedingungen kann man eventuell mit SCHUPPE dem Sein gleichsetzen, jedoch die Notwendigkeit des Eintretens bei einem möglichen Erfülltsein bestimmter Bedingungen ist vom *Sein absolut zu trennen. Von zahllosen Objekten ist es sehr fraglich, ob sie z. B. jemals gesehen werden. Darf ich sie nun deshalb als existierend bezeichnen, weil sie, wenn jemand in ihrer Nähe und in einer bestimmten Stellung (mit offenen Augen etc.) ihnen gegenüber stände, gesehen würden? Mit welchem Recht darf ich die Begriffe der Existenz so über das tatsächlich *Gegebene hinaus auf das Gebiet des Möglichen erweitern? Jedenfalls meine ich noch etwas ganz anderes als diese "Möglichkeit" oder "Erwartung", sie sei auch noch so gesetzlich und zuverlässig, wenn ich etwas Nicht-Wahrgenommenes als existierend bezeichne: ich schreibe ihm auch während des Nicht-Wahrnehmens irgendetwas zu, was wir eben als Existenz bezeichnen. Über diese Schwierigkeit kommt SCHUPPE nicht hinweg. Meine Erkenntnistheorie scheint mir auch hier den richtigen Ausweg zu bieten. Dieser zufolge ergaben sich bei der Zerlegung der Empfindungen (der Erscheinungswelt oder wie man das *Unmittelbargegebene sonst nennen will) zwei Bestandteile, die Reduktionsbestandteile und die ν-Komponenten (Parallelkomponenten) (32). Erstere stellen den naturwissenschaftlichen Kausalgesetzen gehorchenden Teil der Empfindungen, letztere den von den Parallelgesetzen (Gesetzen der spezifischen Energie) beherrschten Teil der Empfindungen dar. Die ersteren hören infolge der Reduktionen nicht auf psychisch oder, was hiervon nicht verschieden ist, bewußt (33) zu sein, nur die individuelle Rückwirkung des individuellen Gehirns ist eliminiert. Wir gelangen also zur Vorstellung (34) einer Existenz, für welche die ν-Komponenten ausgeschaltet sind. Das Psychische ist bei diesem Begriff der Existenz nicht preisgegeben, nur die Individualrückwirkung. Wir haben nicht das geringste Recht, etwa für letztere ausschließlich das Attribut "psychisch" zu reservieren und für die Reduktionsbestandteile (die "reduzierten Empfindungen") eine andere ganz inhaltlose Form der Existenz (*Materie etc.) zu ersinnen. Wenn ich (35) die Augen schließe und damit z. B. die Rückwirkungen in Bezug auf ein bestimmtes Sehobjekt zu Null werden, so verschwindet die individuelle Gesichtsempfindung, aber nicht ihr Reduktionsbestandteil. Es ist eine der in der Parallelgesetzlichkeit enthaltenen Tatsachen, daß der Rückwirkung Null oder, auf die Hirnrinde bezogen, der Erregung Null bzw. einer unter der Schwelle bleibenden Erregung oder schließlich, auf die Reize bezogen, der Abwesenheit des Reizes oder einem im Sinn des *Weberschen Gesetzes* unter der Schwelle bleibenden Reiz das Verschwinden der Individualempfindung entspricht. Ich sehe nicht ein, weshalb wir ein solches Gesetz nicht ebensogut als Tatsache hinnehmen solten wie z. B. die Gesetze des Gleichgewichts in der Mechanik. Damit ist die Existenzfrage der gerade nicht wahrgenommenen Objekte erledigt. Für die Naturwissenschaft scheint mir nur durch meine Lösung eine volle Aktionsfreiheit gesichert zu sein.

Aus dem soeben besprochenen Fehler in SCHUPPEs Erkenntnistheorie erklärt sich meines Erachtens auch die Neigung SCHUPPEs, die sekundären Qualitäten LOCKEs nicht zum Subjektiven, sondern zum "objektiv Wirklichen" zu rechnen (36). Der Raum ist für SCHUPPE mit Qualitäten erfüllt (Seite 446 und vielfach öfter). Die Abhängigkeit der Farbe von der Lagerung und Bewegung der Atome soll für die erkenntnistheoretische Logik nicht in Betracht kommen. Alle diese Widersprüche mit den physikalischen Tatsachen fallen bei meiner Deutung weg. Bei meiner "Reduktion" fällt nicht nur das weg, was ein individuelles Subjekt vom anderen unterscheidet, sondern all das, was wir als spezifische Energien bezeichnen.


D. Ding ansich und
Kausalitätsprinzip

Darin, daß ein *Ding-ansich ein Unding, d. h. ein ganz inhaltsloser und noch dazu durch einen falschen Schluß gebildeter Begriff ist, stimme ich mit SCHUPPE völlig überein. Speziell lassen seine Ausführungen im "Grundriß" (Seite 10f) in dieser Richtung an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig. Ich habe daher hier nur wenig anzumerken. Zunächst bezüglich der Anwendung des sogenannten Kausalitätsprinzips auf die Erscheinungen (Empfindungen) zum Zweck der Konstruktion eines Ding-ansich. Bekanntlich hat man KANT schon sehr bald vorgeworfen, daß er bei der Annahme eines Dings-ansich vom Kausalitätsbegriff einen unerlaubten transzendenten Gebrauch gemacht hat. Viel wesentlicher scheint mir die fehlerhafte doppelte Anwendung (37) des Kausalitätsprinzips, welche bei dieser Konstruktion des *Dings-ansich unvermeidlich unterläuft. Für einen Erscheinungskomplex b postulieren wir erstens einen ihn verursachenden Erscheinungskomplex a innerhalb einer Erscheinungsreihe und zweitens ein ihm zugrunde liegendes, d. h., wenn wir das Kausalitätsprinzip zum Beweis des Dings-ansich gebrauchen, auch wieder ihn verursachendes "Ding ansich" außerhalb der Erscheinungsreihe. Die Allgemeingültigkeit des Kausalgesetzes ist nur innerhalb der Erscheinungsreihe nachgewiesen; damit verbietet sich geradezu eine zweite Anwendung auf irgendein anderes Gebiet hin.

Daß ich endlich dem Kausalitätsgesetz nicht die Apriorität zugestehen kann, welche SCHUPPE ihm namentlich im "menschlichen Denken" (Seite 130f) vindiziert, bedarf nicht der Hervorhebung. Ich hoffe auf diese Frage demnächst bei einer Auseinandersetzung mit erkenntnistheoretischen Anschauungen MACHs ausführlich zurückzukommen.

Schuldig bleibt uns SCHUPPE eine erkenntnistheoretische Untersuchung der Umformungsmethoden, welche die Naturwissenschaft an den Erscheinungen ausführt. Darin erblicke ich die Bedeutung meiner Reduktionsvorstellungen bzw. Reduktionsbestandteile. Daß sie im Sinne der naturwissenschaftlichen Beobachtungstatsachen (nicht im Sinne vieler naturwissenschaftlicher Hypothesen über Materie etc.) anstelle des Dings ansich treten.


E. Die Pluralität des Ich (38)

AVENARIUS hat das Problem, welches in der Tatsache liegt, daß der eine "Umgebungsbestandteil" (z. B. ein bestimmter Baum) seiner Terminologie bei mir und zahlreichen Mitmenschen ebensoviele Empfindungen hervorruft, fast ganz übersehen. Mit der Verwerfung der Introjektion taucht auch dieses Problem auf. Wenn die Empfindungen nicht "in unserer Hirnrinde sind", sondern, wie AVENARIUS, SCHUPPE und ich gemeinschaftlich annehmen, nur da sind, wo sie im Raum von uns gesehen, gehört, gefühlt werden usw., so erhebt sich doch die Frage: wie verhält sich meine Empfindung eines bestimmten Baums zur Empfindung, welche mein Mitmensch M an derselben Stelle von demselben Baum hat? Um so dringlicher wird diese Frage, als unsere beiden Empfindungen je nach unserem Standort nicht vollständig übereinstimmen. SCHUPPE hat zuerst einen wesentlichen Teil dieser Frage gelöst, und hierin erblicke ich - nächst der Beseitigung der Introjektion - seine zweite große erkenntnistheoretische Entdeckung. Schon in der "erkenntnistheoretischen Logik" (Seite 77f) spricht er den Satz aus, daß "ein Teil des Bewußtseinsinhalts den Ich - seiner und ihrer Natur nach - gemeinsam ist" (vgl. auch Seite 658 und 696f). Klarer noch ist die Darstellung im "Grundriß der Erkenntnistheorie und Logik". Ich kann mir nicht versagen, die Hauptstelle hier wörtlich anzuführen (Seite 30):
    "Da nach obiger Lehre (d. h. derjenigen Schuppes) das Ich, welches Inhaber der Wahrnehmungen ist, nicht räumlich begrenzt ist, so liegt nicht nur nicht der mindeste Grund vor, die natürliche Ansicht, daß die Iche im Fall einer übereinstimmenden Wahrnehmung wirklich dasselbe numerisch Eine wahrnehmen, gewaltsam umzudeuten, sondern es ist auch nicht mehr möglich. Der erfüllte Raum, welcher uns bewußt ist, ist derselbe eine Raum, und wenn die Ausschnitte desselben und die ihn erfüllenden Wahrnehmbaren nach festen Gesetzen in den Bewußtseinsinhalten wechseln bzw. irgendwie voneinander abweichen, so ist es absolut nichts Widersprechendes, nichts Unmögliches oder auch nur Befremdliches, sondern ganz selbstverständlich, daß es dasselbe wirklich Eine ist, welches bald von mehreren zugleich, bald nacheinander wahrgenommen wird, und daß die Unterschiede der *Wahrnehmungen, soweit sie in dieser *objektiven Wirklichkeit als gesetzlich an bestimmte Bedingungen geknüpfte begründet sind, dieselbe Existenz des für alle Wahrnehmbaren haben, soweit sie dies aber nicht sind, auf die physische oder psychische Eigenart des Individuums zurückführbar als subjektive Alterationen [Änderungen - wp] gelten müssen. Auch im letzteren Fall ist, soweit die Wahrnehmungen doch noch übereinstimmen, dasselbe wirklich Eine wahrgenommen, und mit ihm verquickt, zum Bild des einen Dings oder Ereignisses verschmolzen ist das Alterierende, Subjektive. Wenn auch die beiden Bestandsstücke nicht wie Konkreta voneinander abtrennbar sind, sondern jenes nur in gewissen Partien zum Teil abstrakter Art besteht, so ist es eben die das physische und psychische Individuum ausmachende Gesetzlichkeit, nach welcher das wirklich Eine nicht vollständig, sondern mit subjektiven Abänderungen dieses Bewußtseis Objekt wird."
Mit diesen Sätzen kann ich fast vollständig übereinstimmen. Meine Ansicht gestaltet sich nur dadurch viel einfacher, daß das Gemeinsame der Empfindungen der verschiedenen Individuen nichts anderes ist als der Reduktionsbestandteil der Empfindungen, d. h. ihre von den individuellen Rückwirkungen befreite Komponente.

In den weiteren Schlüssen und in den folgenden Entwicklungen gehen allerdings unsere Meinungen wieder weit auseinander. SCHUPPE meint,
    "daß die überein- und zusammenstimmenden Wahrnehmungen eben auch an dasjenige geknüpft und in demjenigen begründet sind, was dem individuellen Bewußtsein gemeinsam ist, das ist das Gattungsmäßige des Bewußtseins überhaupt, welches allen möglichen spezifischen und individuellen Unterschieden (den Bestimmtheiten) als Bedingung ihrer Denkarbeit zugrunde liegt."
Ich kann nicht einsehen, weshalb das Gemeinsame der Wahrnehmungen der verschiedenen Menschen überhaupt noch einmal an etwas geknüpft oder in etwas begründet sein sollte. Und gar nun das "Gattungsmäßige des *Bewußtseins überhaupt*"! Gewiß trägt das Gemeinsame der Wahrnehmungen, der Reduktionsbestandteil der Empfindungen insofern einen allgemeineren Charakter, als die individuellen ν-Komponenten eliminiert worden sind, aber deshalb hat es doch mit einem Allgemeinbegriff im gewöhnlichen Sinn, einem Gattungsbegriff nichts zu tun. Ein solcher umfaßt eine Reihe verschiedener, aber ähnlicher Individuen, deren gemeinsame Merkmale numerisch nicht identisch sind: die charakteristische Fühlerform des Maikäfers existiert so oft, als es Maikäfer-Individuen gibt. Der Reduktionsbestandteil, das Gemeinsame der Empfindungen existiert hingegen nur einmal, es ist dasselbe numerisch Eine, wie SCHUPPE selbst sagt. Es verhält sich zu den individuellen Empfindungen nicht wie die Gattung zur Art, sondern etwa wie ein Bild zu seinen Erscheinungsweisen bei verschiedener Beleuchtung. Es handelt sich nicht um einen Gattungsbegriff, sondern um ein gemeinsames Substrat der Individualempfindungen, dessen Vorstellung durch unsere Ideenassoziation aus den Individualempfindungen abgeleitet worden ist, und nur in diesem Sinn um eine Allgemeinvorstellung (39).

So wird es auch verständlich, daß SCHUPPE die Grenze zwischen dem gemeinsamen Substrat und den individuellen Zugaben ganz anders zieht als ich. Wenn ich SCHUPPE recht verstehe, ist er geneigt, dem ersteren die sekundären Qualitäten LOCKEs, Farbe etc. nicht völlig abzusprechen, während sie nach meiner Anschauung als solche ganz den "Rückwirkungen" zufallen (siehe oben).

Auch die Auffassung der anderen "Ichs" gestaltet sich bei SCHUPPE - vielleicht auch im Zusammenhang mit der soeben besprochenen Differenz, namentlich aber im Zusammenhang mit der verschiedenen Auffassung des eigenen Ich - abweichend SCHUPPE betont: die Existenz anderer Ichs ist zwar erschlossen, aber doch ebenso unzweifelhaft wie z. B. gewisse Aussagen über die Sterne oder das Erdinnere, welche ebenfalls nicht auf tatsächlicher Wahrnehmung beruhen (Seite 77). Ein Transcensus scheint ihm mit diesem Schluß auf andere Ichs nicht verbunden (vgl. auch Seite 699). Da ich schon die Annahme des eigenen Ichs, wenn sie etwas anderes bedeuten soll als die Annahme eines an mein Gehirn gebundenen Komplexes von Rückwirkungen, als eine unzulässige Transzendenz erwiesen zu haben glaube, so gilt dies natürlich auch von einem Analogieschluß auf andere solche transzendente Ichs. Nach meiner Auffassung (Psychophysiologische Erkenntnistheorie, Seite 38) handelt es sich sowohl bei eigenen Ich wie bei den fremden Ichs um Komplexe individueller Rückwirkungen (ebd. Seite 40) oder, was auf dasselbe hinausläuft, die Summe der "Rückwirkungen" der einzelnen Gehirne (streng genommen der Reduktionsbestandteile derselben). Eine spätere Auseinandersetzung mit der Erkenntnistheorie von SCHUBERT-SOLDERN wird mir Gelegenheit geben, die Differenz zwischen dieser Anschauung und den verschiedenen Formen des Solipsismus noch näher zu erörtern.


F. Die Reflexionsprädikate

Es ist eines der größten Verdienste SCHUPPEs, die eigenartige Stellung der von ihm sogenannten Reflexionsprädikate aufgedeckt und namentlich auch auf ihre erkenntnistheoretische Bedeutung hingewiesen zu haben. Bei diesen Reflexionsprädikaten soll es sich um eine Prädikation handeln, "welche das Prädikat einem anderen der drei von SCHUPPE abgegrenzten Gebiete entnimmt, als dem das Subjekt angehört" (Seite 155). Das als Objekt fungierende Ding, auf welches sich die inneren Zustände und Tätigkeiten der Seele beziehen, kann auch zum Subjekt gemacht und von ihm ausgesagt werden, was die Tätigkeit der Seele an ihm getan hat, z. B. daß es gesehen, gedacht, geliebt, gewollt wird usw., daß es existiert usw. Weitere Ergänzungen zu dieser Lehre von den Reflexionsprädikaten finden sich im Hauptwerk namentlich Seite 269, 276, 428, 456, 506, 522f, 564 und schließlich widmet ihnen SCHUPPE eine besonderes Kapitel Seite 622f. Das erkenntnistheoretische Interesse an diesen Reflexionsprädikaten liegt klar zutage; beziehen sich doch alle die hierhergehörigen Urteile direkt oder indirekt gerade auf dasjenige Verhältnis, welches für die Erkenntnistheorie ein Hauptproblem ist, auf die Beziehung zwischen "Ich" und *Objekt.

So sehr ich nun das Verdienst SCHUPPEs anerkenne bezüglich der Hervorhebung dieser "Reflexionsprädikate", so kann ich doch seiner Auffassung derselben in manchen Punkten nicht beipflichten. Vor allem glaube ich nicht, daß SCHUPPEs Reflexionsprädikate, sofern man von der logischen Form absieht und ihren psychologischen Inhalt berücksichtigt, getrennt werden können von den Prädikationen über das Ich. SCHUPPE sagt, daß das Ich in seiner besonderen Form der Prädikation sich selbst zum Objekt macht und von sich Bestimmungen aussagt, die so in ihm als Teil oder Bestandteil erkannt werden können, wie in den Objekten ihre Eigenschaften (Seite 154), und unterscheidet davon noch Prädikationen, in welchen die Denkarbeit als solche zum Gegenstand des Bewußtseins gemacht wird (Seite 155). Ich kann nun zwischen diesen beiden Prädikationen und den Reflexionsprädikaten keinen inhaltlichen Unterschied finden. Inhaltlich kommt es doch auf dasselbe hinaus, ob ich sage: "ich sehe eine Rose" und "ich denke eine Rose" oder ob ich sage: "eine Rose wird von mir gesehen" und "eine Rose wird von mir gedacht". Auch in den Prädikationen über mein Ich muß ich ein Objekt, ein spezielles oder im Allgemeinen ein Objekt, hinzudenken; Prädikat und Subjekt liegen schließlich also doch auch auf verschiedenen "Gebieten". Bei den Prädikationen über mein Ich in der Aktivform ("ich sehe die Rose") wird diese Tatsache nur dann verschleiert, wenn es sich um allgemeine Prädikationen handelt ("ich sehe" ohne spezielles Objekt). Dann könnte man glauben, daß das Sehen noch auf dem Gebiet des Ichs liegt und daß sich demnach die ganze Prädikation auf einem einzigen "Gebiet" im Sinne SCHUPPEs abspielt. Eine nähere Überlegung ergibt jedoch sofort, daß auch hier das Objekt nicht verschwunden, sondern nur verallgemeinert bzw. unbestimmt gelassen ist (40). Ein *Sehen ohne Sehobjekt ist ein Unding. Gerade, wer wie SCHUPPE mit Recht die Introjektion und Projektion verwirft, darf nicht zwei Gebiete (41) unterscheiden und nun das Sehen, Denken, Wollen etc. als Verbindungsstraße zwischen beiden behandeln. Auch als Abstraktion ist das nicht zulässig.

Auch wenn SCHUPPE etwa die Ich-Prädikationen auf Willens-, Gefühls- (42) und Denkprozesse sensu stricto [im engeren Sinne - wp] einschränken wollte, würde ich eine Trennung dieser Ich-Prädikationen im engeren Sinn von den "Reflexions-Prädikatioinen" nicht für zulässig halten. Auch bei den Ich-Prädikationen sensu stricto ist das Hinzudenken eines speziellen oder allgemeinen Objekts unerläßlich.

Meines Erachtens fallen also die Reflexionsprädikationen SCHUPPEs, soweit sie überhaupt eine besondere Stellung beanspruchen, mit den Ich-Prädikationen zusammen. Beide gemeinschaftlich verdienen jedoch in der Tat psychologisch und erkenntnistheoretisch die größte Beachtung. Es frägt sich nämlich, ob wir nun wirklich mit diesen Reflexionsprädikaten im weiteren Sinn - unter diesem Namen möchte ich SCHUPPEs Reflexionsprädikate sensu stricto und die Ich-Prädikate zusammenfassen - neue Inhalte denken oder ob es sich um bequeme verallgemeinernde Zusammenfassungen häufig vorkommender psychologischer Situationen ("Sehen" etc.) durch die *Sprache handelt. Ich entscheide mich durchaus für die letztere Alternative und verweise auf die Beweisführung in meiner "physiologischen Psychologie" (sechste Auflage, Seite 148). Ich will hier nur hinzufügen, daß z. B. auch SIGWART (43) die Schwierigkeit dieser Reflexionsprädikate im weiteren Sinn nicht entgangen ist und daß er, um die Existenz solcher Reflexionspräparate zu retten, sich genötigt sieht, z. B. für alles Sehen
    "eine gleichartige sich als solche auf unmittelbare Weise ankündigende Erregung des Subjekts anzunehmen, die unmittelbar als verschieden von der Erregung aufgefaßt wird, welche allem Hören gemeinsam ist."
Es liegt auf der Hand, daß dies "sich auf unmittelbare Weise Ankündigen" das Problem nicht im Geringsten löst. Nach meiner Auffassung ist das Problem falsch gestellt. Wir kommen über die Allgemeinvorstelungen Farbe, Licht etc. auf optischem Gebiet nicht hinaus, im Reflexionsprädikat "Sehen" wird uns dies nur vorgetäuscht. Wenn ich das Urteil fälle: "die Rose wird von mir gesehen", so stelle ich mir nicht etwa ein "Sehen" vor, sondern ich assoziiere mit der Gesichtsvorstelung bzw. *Gesichtsempfindung Rose die Vorstellungen meines Auges, meines Gehirns, meines Körpers, meiner Persönlichkeit im allgemeinen (meines "sekundären Ich") und kausale Beziehungsvorstellungen zwischen der ersteren und den letzteren. Wenn ich "Hören" und "Sehen" und "*Vorstellen" und "*Urteilen" und "Fühlen" unterscheide, so meine ich damit doch nichts anderes als die undefinierbaren Verschiedenheiten, welche zwischen den Gesichtsvorstellungen im Allgemeinen, Gehörsvorstellungen im Allgemeinen, Erinnerungsbildern im Allgemeinen etc. bestehen. Von den zugehörigen psychischen Prozessen als solchen habe ich keine Vorstellung, kann also über sie auch keine Urteile bilden. Die geläufigen Sätze der Sprache: ich sehe, fühle, freue mich etc. drücken dann in der Tat auch nichts anderes als einen speziellen oder allgemeinen Tatbestand von Empfindungen und Vorstellungen aus und ihre Beziehung zum Körper und zum sekundären Ich. Eine Vorstellung des psychischen Prozesses wollen wir damit gar nicht geben. Höchstens können wir dabei noch einen unbestimmten und unbestimmbaren Vergleich mit körperlichen Prozessen im Auge haben. SCHUPPE hat in so ausgezeichneter Weise dargelegt (Seite 152), daß der Satz "die Rose ist rot" psychologisch ganz anders zu analysieren ist, als es die gewöhnliche Logik, irregeleitet vom sprachlichen Ausdruck getan hat; sollten nicht auch Urteile wie "die Rose wird von mir gesehen" bei der psychologischen Analyse eine ganz andere und zwar die oben von mir gegebene Zusammensetzung zeigen? Ein solches Ergebnis würde mit der Verwerfung von SCHUPPEs Ich natürlich in bestem Einklang stehen.

Im "Grundriß der Erkenntnistheorie und Logik" findet sich Seite 164f eine eingehende Behandlung der Reflexionsprädikate. Wenn ich SCHUPPE recht verstehe, ist hier der Begriff des Reflexionsprädikats wesentlich modifiziert. Hier äußert SCHUPPE z. B.:
    "Die Urteile: die Rose ist rot, sie blüht, ist eine Blume, ziert den Garten und dgl. stellen direkt die Begriffsinhalte des Subjekts und des Prädikats als das eine Ganze vor Augen; fragen wir nach den Verhältnis zwischen Subjekt und Prädikat und erkennen, daß dieses Ganze nicht bloß in einem augenblicklichen räumlichen Nebeneinander besteht, sondern in einem Zusammengehören, einem Verursachen und vielfältigen Bedingen, sich gegenseitig notwendig bzw. möglich sein, so ist, wenn diese Auskunft der logischen Reflexion in den obigen Worten ausgedrückt zum Prädikat gemacht wird, dieses ein Reflexionsprädikat".
Ich halte diese neue Definition nicht für unmittelbar identisch mit derjenigen der "Erkenntnistheoretischen Logik". Die "Tätigkeit der Seele", von welcher in letzterer die Rede war, scheint hier zurückzutreten und die mehr als räumliche Beziehung in den Vordergrund zu treten. Ich will nicht bestreiten, daß eine Verbindung der beiden Definitionen eventuell herzustellen ist, und hoffe, daß SCHUPPE sich noch entschließen wird, seine Lehre von den Reflexionsprädikaten nochmals in einer übereinstimmenden, definitiven Form abzuhandeln. Vorläufig sind wir auf seine jetzigen Darstellungen angewiesen. Bei diesen ist mir unverständlich, inwiefern z. B. "Die Rose wird gesehen" ein Reflexionsprädikat involvieren soll, während das das Urteil: "die Rose ist rot" kein solches enthalten soll. "Die Rose ist rot" kann schließlich doch auch nur bedeuten, "die Rose wird rot gesehen", das Urteil "die Rose ist rot" unterscheidet sich inhaltlich demnach nur dadurch vom Urteil "die Rose wird gesehen", daß erstens das Prädikat qualitativ spezieller ist ("rot" bzw. "rot gesehen" statt "gesehen"), zweitens aber dieses selbe Prädikat zeitlich allgemeiner ist, d. h. weniger deutlich auf ein gegenwärtiges Gesehenwerden hinweist. Natürlich sind dies auch Differenzen, aber diese Differenzen scheinen mir erkenntnistheoretisch von untergeordneter Bedeutung und namentlich nicht von der ihnen durch SCHUPPE zugeschrieben Bedeutung zu sein.

Man könnte im Hinblick auf die soeben hervorgehobene Verschiedenheit der Darstellung geradezu zweifeln, ob SCHUPPE vom Standpunkt des "Grundrisses" (1894) noch das Urteil: die Rose wird gesehen, uneingeschränkt als Reflexionsprädikation gelten lassen würde. In der "Erkenntnistheoretischen Logik" schien das Wesentliche der Reflexionsprädikationen die Aussage einer Tätigkeit der Seele zu sein, und als solche Seelentätigkeit schien z. B. auch die "einfach-räumliche Wahrnehmung" zu genügen. Im "Grundriß" scheint SCHUPPE die Aussage einer durch unsere Seelentätigkeit und zwar speziell durch logische Reflexion herausfindbaren mehr als räumlichen Beziehung für die Reflexionsprädikationen zu verlangen.

Gerade, weil ich auch anderweitig gehört habe, daß die Lehre SCHUPPEs von den Reflexionsprädikaten, so wie sie vorliegt, unklar und widerspruchsvoll ist oder zumindest so erscheint, wollte ich diesen Zweifeln im Vorstehenden kurz Ausdruck geben. Ein näheres Eingehen wird sich erst dann empfehlen, wenn über die eigentliche Meinung SCHUPPEs kein Zweifel mehr besteht.


G. Die kategoriale Beziehungsvorstellung der
Verschiedenheit. Die erste Verarbeitung des
erkenntnistheoretischen Fundamentalbestandes.

Oben wurde bereits in einem ablehenden Sinn die erkenntnistheoretische Bewertung der Allgemeinbegriffe bei SCHUPPE besprochen. Aber wenn man von dieser absieht, bleibt eine nicht unwesentliche Differenz zwischen SCHUPPEs und meiner Darstellung der ersten Verarbeitung des erkenntnistheoretischen Fundamentalbestandes, eine Differenz, welche wohl zum guten Teil mit der logischen Tendenz und Grundlage von SCHUPPEs Erkenntnistheorie zusammenhängt (44).

Schon im "Menschlichen Denken" spricht SCHUPPE davon, daß durch die besondere Tat ("erste Bewegung") die "noch nicht zum Gedanken erhobene Nervenaffektion oder Empfindung erst in das Bewußtsein gehoben wird und zum "Gedanken" (45) wird. Mit ULRICI erblickt er in diesem Vorgang ein "Werk des Identitätsprinzips", aber - abweichend von ULRICI - nimmt er an, daß das Identitätsprinzip, welches später in allen unseren Urteilen wirksam ist, hier schon unbewußt, gewissermaßen "vorhistorisch" als wirksam vorausgesetzt werden muß.
    "Eigentlich", sagt er selbst (46), "dürfen wir uns jenen Vorgang nicht wie ein gewöhnliches Urteil vorstellen, in welchem ein Prädikat mit einem Subjekt verbunden wird, sondern als eine Vereinigung des geistigen Elementes mit dem sinnlichen, hervorgebracht durch jene geheimnisvolle Kraft, welche eben jenes geistige Element, das Denken selbst ist, ohne welches eine weitere Verwendung und Verbindung unmöglich ist, das nicht nur den ersten Sinnenreiz zum Gedachten und zum Wort macht, sondern auch alle weitere Verbindung von Gedanken und Worten zu Urteilen und Schlüssen bewirkt ..."
Auch als Fixieren, Bestimmt- und Festmachen des aufgenommenen Eindrucks, Aufnehmen des Eindrucks in seiner positiven Bestimmtheit, Aneignen, Aufnehmen der Hirnaffektionen (47) ins Bewußtsein, kann man nach SCHUPPE diesen ersten Prozeß bezeichnen. Das eigentliche Unterscheiden und Wiedererkennen (Identifizieren) ist nach SCHUPPE nur sekundär, ist, wie er sich ausdrück, "nur die sichtbare notwendige Folge jener Tat".

Wenn ich recht sehen, ist SCHUPPE dieser Lehre auch in der "Erkenntnistheoretischen Logik" im Wesentlichen treu geblieben. Seite 145 heißt es:
    "Wir können uns der Erkenntnis nicht verschließen, daß in diesem einfachsten Bewußtseinsinhalt, der sich uns als unzerlegbares Ganzes präsentiert, auch ein Anteil ist, der dem Denken als solchem zukommt, zwar nicht dem Denken im engeren und eigentlichen, doch aber dem im weiteren Sinn, und daß er ein geistiges Eigentum ist, etwas im weiteren Sinne doch jedenfalls allem geistigen Geschehen Gleichartiges, insofern schon, um überhaupt in ihm erscheinen und als Bestandteil verwendet werden zu können. Daß die vorauszusetzende Denkarbeit passend mit dem Namen des Identitätsprinzipes bezeichnet werden kann, glaube ich im Menschlichen Denken erwiesen zu haben, weil wir uns diesen Vorgang nicht anders denken können als das Aufnehmen des Eindrucks in seiner positiven Bestimmtheit, zugleich natürlich mit dem Ausschluß von allem anderen, worin allein seine Denkbarkeit und seine Verwendbarkeit im Denken besteht."
Im "Grundriß" (Seite 39) weicht die Darstellung insofern etwas ab, als SCHUPPE bestimmter erklärt, daß man das Fixieren und Aufnehmen nicht als eine subjektive Tätigkeit denken darf, sondern nur als das Bewußtsein von dieser positiven Bestimmtheit, durch welche eben erst eine Unterscheidbarkeit von anderem möglich ist. Ausdrücklich fügt er bei:
    "Die psychologische Voraussetzung des nötigen Erinnerungsbildes sowie die psychologische Seite des Wiedererkennens gehen uns hier nichts an. Das Wiedererkennen oder Insbewußtseintreten der Identität findet freilich mit der ins Bewußtsein tretenden positiven Bestimmtheit zugleich statt, aber der Begriff desselben und der dieses Bestimmten sind doch zu unterscheiden."
Es versteht sich von selbst, daß an dieser Frage der ersten Verbindung der gegebenen Empfindungen sowohl die Psychologie als auch die Erkenntnistheorie ein ganz wesentliches Interesse hat. Ich will deshalb im Folgenden auf die Antwort SCHUPPEs noch etwas ausführlicher eingehen.

Zunächst muß ich im geraden Gegensatz zu SCHUPPE behaupten, daß in erster Linie eine psychologische und psychophysiologische quaestio facti vorliegt. Wir haben einfach empirisch festzustellen: Was geschieht tatsächlich? Meine Antwort lautet so: Alle unsere Empfindungen sind als solche bewußt. Unbewußte Empfindungen sind erst durch ungenügend begründete Hypothesen eingeschmuggelt worden. Die Empfindung weckt durch Assoziation ein Erinnerungsbild einer gleichen oder mehr oder weniger ähnlichen Empfindung. Diesen Ähnlichkeitsassoziationen, welche man sich natürlich nicht als disparaten, d. h. springenden Prozeß, sondern ebenso wie den zugrunde liegenden materiellen Vorgang als kontinuierlich im Sinne einer "Verschmelzung" oder partiellen Koinzidenz vorzustellen hat, entspricht das Wiedererkennen im Sinn der sogenannten Bekanntheitsqualität. Nur zuweilen schließt sich daran weiter ein Wiedererkennungsurteil, d. h. das Urteil: dieser Gegenstand ist derselbe, den ich früher schon gesehen etc. habe.

Woher weiß SCHUPPE, daß "eine noch nicht zum Gedanken erhobene Nervenaffektioin oder Empfindung" existiert? Und vor allem, was fügt SCHUPPEs "Auffassen des Eindrucks in seiner positiven Bestimmtheit", welches SCHUPPE vom Wiedererkennen trennen will, zur Empfindung hinzu? Die Empfindung ist doch als solche qualitativ bestimmt und positiv und bewußt. Was soll noch dieses Auffassen? Ich kann es mir nicht anders denken, als daß SCHUPPE hier durch den Einfluß (48) des kantischen Apprehensionsbegriffs und dieser oder jener Variante des Apperzeptionsbegriffs von der durch seine eigenen erkenntnistheoretischen Sätze gewiesenen Bahn abgedrängt worden ist. Der Begriff "dasselbe" und "der Begriff dieses Bestimmten" sind gewiß zu unterscheiden, aber nicht, wie SCHUPPE will, durch das Auffassen des Eindrucks in seiner positiven Bestimmtheit, sondern dadurch, daß der Begriff "dasselbe" ein Wiedererkennungsurteil (Wiedererkennen in Urteilsform) involviert, während der "Begriff dieses Bestimmten" nichts anderes ist als das von jeder Empfindung zurückbleibende Erinnerungsbild. Ich betrachte das "Auffassen" als einen durch nichts belegten, hypothetischen Akt, der, wie so viele andere hypothetische Seelentätigkeiten, nichts erklärt und nichts zu erklären hat.

Damit ist auch das Identitätsprinzip der etwas mystischen Rolle entkleidet, welche es nach SCHUPPE bei allen Bewußtseinsvorgängen spielen soll. Bei der bewußten Empfindung als solcher hat es überhaupt nichts zu tun und ist vielmehr nichts anderes als eine der wichtigsten Beziehungsvorstellungen, welche nicht nur beim Wiedererkennen, sondern auch beim Aufbau unserer zusammengesetzten Vorstellungen und unserer Urteile als Hauptfaktor wirksam ist und die Verarbeitung des erkenntnistheoretischen Fundamentalbestandes zusammen mit der Kausalitätsvorstellung und der von mir hinzugefügten Rückwirkungsvorstellung vollständig beherrscht. Insofern habe ich sie als Kategorialvorstellung bezeichnet. Man darf jedoch nicht vergessen, daß der Name Identitätsprinzip sehr unglücklich gewählt ist. Es handelt sich erstens nicht um ein Prinzip, sondern um eine Beziehungsvorstellung, und zweitens ist die Identität ein relativ seltener Spezialfall. Verschiedenheit und Ähnlichkeit, Veränderung und Ähnlichbleiben sind die Hauptfälle, welche das Prinzip umfaßt (vgl. auch meine Erkenntnistheorie, Seite 7f).

Dabei verkenne ich durchaus nicht, daß das Wiedererkennen selbst erkenntnistheoretisch noch große Schwierigkeiten darbietet. Die Beziehung des Erinnerungsbildes auf die Grundempfindung und die Identifikation beider im Wiedererkennen bleibt ein Problem, zu dessen Lösung ich nur auf die tatsächliche Übereinstimmung der an die Grundempfindung und der an das Erinnerungsbild assoziierten Vorstellungen hinweisen kann; aber das Problem wird durch SCHUPPEs Hypothese der Lösung keinen Schritt näher geführt.

Schließlich kann ich nicht umhin zu betonen, daß SCHUPPE zu seiner hypothetischen Zerlegung der Empfindung in ein Objekt und in ein Ergreifen des Objekts, jedenfalls auch durch seine früher bereits besprochene und von mir bekämpfte Ich-Hypothese gedrängt worden ist. Nachdem er ein Ich als Urtatsache aufgestellt hatte, muß natürlich dieses Ich die Empfindung erst "ergreifen" (Seite 145). Es scheint mir auch gar nichts zu helfen, daß SCHUPPE ausdrücklich selbst erklärt, daß
    "die Vorstellung von einer Tätigkeit des Subjekts, welche das Objekt ergreift, nicht im eigentlichen Sinn zulässig ist, da wir das Objekt als noch ungegriffenes, welches erst ergriffen wird, uns nicht vorstellen können, und daß dieses Zusammen der beiden Bestandteile eben eine Urtatsache ist und uns als Urvoraussetzung gelten muß".
In welchem Sinn ist dann diese Vorstellung des Ergreifens noch zulässig oder gar als Hypothese zwecks kürzerer, korrekterer und allgemeinerer Beschreibung der Tatsachen gerechtfertigt? Auch an diesem Punkt scheint mir sich wieder zu zeigen, daß die Spaltung des erkenntnistheorischen Fundamentalbestandes in Objekt und Ich und ein Ergreifen bei SCHUPPE nicht nur unbewiesen und unaufklärend, sondern auch undurchführbar ist. Sie fügt zu den schweren Problemen der Erkenntnistheorie ein neues Rätsel hinzu und entpuppt sich selbst als "nicht im eigentlichen Sinn zulässig". Demgegenüber scheint mir meine Zerlegung des erkenntnistheoretischen Fundamentalbestandes in die "Reduktionsbestandteile" und die ν-Komponenten bis in alle Konsequenzen durchführbar und durchaus geeignet zur allgemeinsten und kürzesten und korrektesten Beschreibung der Tatsachen. Anstelle des "Ergreifens" treten die wohlbekannten physikalischen und psychophysiologischen Vorstellungen der Kausalwirkungen und der Parallelwirkungen (d. h. der sogenannten spezifischen Energien.)


Selbstverständlich habe ich mit diesen Auseinandersetzungen die Lehren SCHUPPEs nicht erschöpft. Eine erschöpfende Darstellung war auch in keiner Weise mein Zweck, ich beabsichtigte vielmehr nur einen Vergleich einiger Hauptpunkt der Erkenntnistheorie SCHUPPEs und der meinigen zu versuchen und die meinige gegenüber der SCHUPPEs zu verteidigen und in einzelnen Punkten weiter zu entwickeln. Die Erkenntnistheorie SCHUPPEs hat nach meiner Überzeugung noch nicht die verdiente Beachtung gefunden. Ich halte sie für eine der bedeutendsten des vergangenen Jahrhunderts. Auch die Begründung dieser Ansicht ist ein Zweck der vorausgegangenen Erörterungen gewesen.
LITERATUR: Theodor Ziehen, Erkenntnistheoretische Auseinandersetzungen, 2. Schuppe. Der naive Realismus, Zeitschrift für Psychologie und Physiologie der Sinnesorgane, Bd. 33, Leipzig 1903
    Anmerkungen
    25) Unter Beschaffenheit will ich hier Qualität, räumliche und zeitliche Anordnung, Form und Ausdehnung kurz zusammenfassen.
    26) Genitivus objectivus!
    27) Die exaktere erkenntnistheoretische Formulierung ergibt sich auch hier ohne weiteres.
    28) Dieselbe ist mir erst zur Kenntnis gekommen, als dieses Manuskript bereits im Wesentlichen abgeschlossen war. Sie erschien mir jedoch wichtig genug, um einzelne Erörterungen über die in ihr niedergelegten Erörterungen nachträglich in das Manuskript einzuschieben.
    29) Damit hängt auch die Lehre SCHUPPEs zusammen, daß das konkrete Ich "das sich als seinen Leib wissende Ich" ist. Vgl. auch "Natürliche Weltansicht", a. a. O., Seite 10: "unmittelbar findet sich das Ich ein Stück Raum erfüllend". SCHUPPE übersieht hier die Rolle der Organ- und Bewegungsempfindungen.
    30) Die Unterschiede beider Gesetzlichkeiten habe ich hier nicht nochmals auseinanderzusetzen. Ich hebe nur nochmals hervor, daß die Zeit als unabhängige Variable nur bei der Kausalgesetzlichkeit eine Rolle spielt; nur die Kausalvorgänge laufen in der Zeit ab, mit der bestimmten Rindenerregung ist hingegen gleichzeitig die parallele psychische Qualität im Sinne der Rückwirkungen gegeben. Von den "Wirkungen" im gewöhnlichen Sinn ist also bei letzteren nicht die Rede.
    31) "Grundriß", a. a. O., Seite 30. Die Sperrung in den letzten Worten habe ich hinzugefügt.
    32) Beiläufig gesagt, erinnern dieselben an die Upâdhis der Vedântalehre.
    33) Mit dem Wort bewußt kann man entweder einfach alle tatsächlich gegebenen psychischen Prozesse bezeichnen und dies ist der übliche Sprachgebrauch, oder man kann als bewußt diejenigen psychischen Prozesse bezeichnen, deren Ablauf ausdrücklich und tatsächlich mit der Vorstellung der Beziehung auf mein Ich verbunden ist. Vom letzteren Sinn des Wortes, welcher besser durch die Bezeichnung "selbstbewußt" oder "ichbewußt" wiedergegeben wird, sehe ich hier wie auch in meinen früheren Schriften ganz ab. Die Reduktionsbestandteile sind schlechthin psychisch oder bewußt (im ersten Sinn) oder, wenn man die Eliminierung der individuellen Rückwirkungen besonders betonen will, "allgemeinbewußt. Letzteres bedeutet also nicht etwa: "im Bewußtsein eines allgemeinen Ichs oder eines allgemeinen Selbstbewußtseins gegeben", sondern bedeutet eben nur schlechthin, daß die individuellen Parallelrückwirkungen eliminiert sind.
    34) Ich sage geflissentlich "zur Vorstellung einer Existenz" und nicht "zu einer Existenz" und bitte dies meinem skeptischen Standpunkt (Psychophysische Erkenntnistheorie, Seite 97) zugute zu halten.
    35) Vgl. meine Erkenntnistheorie Seite 33, 35 usw.
    36) Vgl. z. B. "Grundriß", Seite 33. Siehe auch "Normen des Denkens", a. a. O., Seite 394.
    37) Ich wage nicht, bestimmt zu entscheiden, ob SCHUPPE im "Menschlichen Denken" Seite 9 auch an diese doppelte Anwendung gedacht und sie schon damals verworfen hat.
    38) SCHUPPE gebraucht meist den Plural "die Iche", wie man ihn z. B. bei FICHTE findet. Dem jetzt herrschenden Sprachgebrauch, welcher übrigens auch früher überwog, scheint mir die Form "die Ichs" mehr zu entsprechen.
    39) Man täte wohl besser in der Logik die Allgemeinbegriffe eines Gemeinsamen, welches in den Individuen numerisch ein und dasselbe ist, als Substratbegriffe besonders abzuscheiden.
    40) In der Tat kann ich auch sehr gut die entsprechenden allgemeinen Reflexionsprädikate bilden: "etwas wird gesehen" oder "es wird gesehen".
    41) Daher halte ich auch den von SCHUPPE vielfach gebrauchten Vergleich (Ich-Mittelpunkt und Peripherie der Objekte) nicht für zweckmäßig.
    42) vgl. Seite 526 und 623f.
    43) SIGWART, Logik, zweite Auflage, Bd. 2, Seite 189f, 1893.
    44) Auch der Einfluß ULRICI dürfte beteiligt sein. (vgl. "Das menschliche Denken", a. a. O., Seite 46)
    45) Dabei ist zu beachten, daß SCHUPPE stets geneigt ist, das Wort "Denken" im Sinne von "im Bewußtsein haben" zu gebrauchen. Das Bewußtsein ist ihm stets lebendige Tätigkeit, während ich es nur als eine allgemeine Eigenschaft der psychischen Prozesse kenne (vgl. z. B. auch "Natürliche Weltansicht", Seite 9f.
    46) Das menschliche Denken, Seite 49
    47) Demgegenüber bitte ich zu bedenken, daß uns diese "Hirnaffektionen" doch auch nur als bewußte Empfindungen gegeben sind.
    48) vgl. auch "Erkenntnistheoretische Logik", Seite 36, Anm. 1