von HartmannR. WeinmannSchuppeW. WundtSchubert-Soldern | |||||||
Über naiven und kritischen Realismus [ 5/5 ]
I. Die immanente Philosophie 5. Aprioristische Elemente der immanenten Erkenntnistheorie Daß ein solches Resultat nicht möglich wäre, wenn sich nicht mannigfache aprioristische Elemente in der Erkenntnistheorie der immanenten Philosophie vorfänden, ist bei der nahen Verwandtschaft zwischen aprioristischer Spekulation und transzendenter Metaphysik beinahe selbstverständlich. Über diese Elemente vollständig Rechenschaft zu geben, würde hier zu weit führen. Ich muß mich darauf beschränken, zwei Punkte hervorzuheben, die für die oben behandelten Fragen von besonderer Bedeutung sind: solche sind die Theorie der Gattungsbegriffe und die Lehre vom Ichbewußtsein als der Bedingung allen Bewußtseins und Denkens überhaupt. Die Art und Weise, wie die immanente Erkenntnistheorie die logische Entwicklung der Begriffe schildert, erweckt auf den ersten Anblick die Vorstellung einer streng empirischen Analyse. Da wird vor allem hervorgehoben, daß nicht das Einzelding, sondern ein unmittelbarer und ungeschiedener Eindruck als das Substrat jeder Begriffsbildung gegeben sei und daß diese Begriffsbildung selbst durch eine Denkarbeit zustande komme, die nach dem Satz der Identität Übereinstimmendes gleich setze und Verschiedenes unterscheide und dann weiterhin nach dem Kausalgesetz Beziehungen zwischen unabhängigen Daten herstelle. (1) Dieser Eindruck empirischer Analyse wird noch dadurch verstärkt, daß besonders für die abstrakten Beziehungsbegriffe, wie Ding, Eigenschaft, Zustand und dgl. in denen der ältere Apriorismus Begriffsformen sah, die entweder selbst die Bedeutung von Stammbegriffen des Verstandes besäßen oder doch solchen kategorialen Einheitsfunktionen besonders nahe stünden, hier durchgängig eine verwickelte logische Entstehungsweise angenommen wird. Man mag daher mit der Deduktion der einzelnen Begriffe nicht einverstanden sein - wie ich es denn in der Tat sowohl im allgemeinen, wie insbesondere mit der Deduktion des Dingbegriffs nicht bin - so muß man doch anerkennen, daß hier von fertig in uns liegenden Begriffen oder auch nur von kategorialen Funktionen etwa im Sinne der kantischen Transzendentalphilosphie nicht die Rede ist. Aber bei näherem Zusehen begreift man, daß es für die Immanenzphilosophie bei der Eigentümlichkeit ihres Standpunktes nahe liegen muß, gerade diejenigen Begriffe, die der kantische Apriorismus, abgesehen von den in ihnen enthaltenen kategorialen Elementen, einfach als Produkte der Erfahrung hinnahm, insofern nämlich der Erfahrungsinhalt und die Denkfunktion eigentlich gar nicht voneinander verschieden, sondern in einem und demselben Bewußtseinsinhalt gegeben seien. Dies wird nun gerade von den fundamentalsten Art- und Gattungsbegriffen behauptet, die zugleich als die Grundlagen aller zusammengesetzteren betrachtet werden, welche letzteren im allgemeinen erst aus einer logischen Verbindung jener fundamentaleren Begriffe mit dem Dingbegriff hervorgehen sollen. Solche eigentliche und ursprüngliche Art- und Gattungsbegriffe sind also z. B. die der Rundheit, Dreieckigkeit oder auch der Farbe, des Tones und dgl. Diese gattungsmäßigen Bestimmungen sollen unmittelbar im Gegenstand selbst wahrgenommen werden. Für sich allein sollen sie zwar keinen vorstellbaren Inhalt haben, aber gleichwohl wirklich im Wahrgenommenen enthalten, "mitwahrgenommen" sein. (2) "Im-Bewußtsein-Haben ist schon Denken, freilich Denken im allgemeinsten Sinne." Das sich der einzelnen Bestimmungen des Gegebenen Bewußtwerden ist dann im Gegensatz zum ursprünglich Gegebenen (den Empfindungen) das "Denken im engeren Sinne,d as in diesem Gegensatz selbstverständlich a priori ist". Das Hervortreten jener Bestimmtheiten erfolge nach den Kategorien der Identität und der Kausalität. Aber die kantische Annahme einer Subsumtion des Gegebenen unter diese Kategorien sei keine Lösung des Problems. Denn sie "existieren von vornherein nur als Bestimmungen von Gegebenem, als etwas, was da identisch oder verschieden ist und mit anderem etwa kausal verknüpft ist". Daher haben jene Kategorien "dieselbe Objektivität wie das Gegebene, ein subjektives Tun findet bei diesem Denken nicht statt." "Denn ohne diese Bestimmungen gibt es keine Wirklichkeit des Gegebenen, kann überhaupt nichts als Inhalt des Bewußtseins gedacht werden." Deshalb fügt auch das Urteil "nicht zusammen, was vorher getrennt war, sondern nennt die Art des Zusammenseins der Daten." (3) Aus diesen Sätzen ergibt sich der Standpunkt dieser Erkenntnistheorie hinreichend deutlich. Mit KANT und dem kritischen Empirismus steht sie darin auf gleichem Boden, daß ihr alles Denken an die konkrete Anschauung geknüpft ist. Von beiden trennt sie sich aber dadurch, daß sie das begriffliche, d. h. die Empfindungen nach Übereinstimmungen, Unterschieden und Beziehungen ordnende Denken weder mit KANT als eine unmittelbare Subsumtion unter Kategorien, noch mit dem Empirismus, als das Ergebnis einer besonderen, am Wahrnehmungsinhalt ausgeführten Denkarbeit, sondern als eine immanente Eigenschaft des Wahrnehmungsinhaltes selbst ansieht, so daß die Denktätigkeit und ihr Substrat überhaupt zusammenfallen. Nun ist diese Auffassung sicherlich insoweit im Recht, als sie der Annahme einer unabhängig und abgesondert von jedem konkreten Bewußtseinsinhalt existierenden "Denktätigkeit" und ebenso der Voraussetzung, daß alles Denken in einer Subsumtion unter bereit liegende Allgemeinbegriffe bestehe, entgegentritt. Aber die Gebundenheit des Denkens an ein konkretes Substrat beweist noch nicht, daß es auch umgekehrt keine sinnliche Wahrnehmung ohne begriffliche Unterscheidungen und Beziehungen gibt. Um wirklich darzutun, daß "Im-Bewußtsein-Haben" und Denken zusammenfallen, müßte man beweisen, daß es keine Bewußtseinsinhalte gebe, an denen nicht bereits jene "Denkarbeit", die das Gegebene nach den Gesetzen der Identität und Kausalität ordnet, vorgefunden würde. Dieser Beweis läßt sich aber nicht nur nicht liefern, sondern wir finden tatsächlich fortan eine Menge von Wahrnehmungsinhalten, bei denen von einer solchen Ordnung keine Rede sein kann, es sei denn, daß man den unmittelbaren psychologischen Tatbestand durch Reflexionen und Abstraktionen fälscht, die man ihm nachträglich unterschiebt. Eine solche Unterschiebung ist es nun, wenn behauptet wird, die Qualität, das Wo und das Wann seien, die "Bestimmtheiten", in die sich ohne weiteres das Gegebene im Bewußtsein zerlege, so daß wir von Anfang an das Räumliche und das Zeitliche neben der Qualität als Bestimmungsstücke des Gegebenen "mitwahrnehmen". Insofern damit eine Unterscheidung dieser Elemente im Sinne des Identitätsgesetzes gemeint ist, widerspricht eine solche Annahme zweifellos dem psychologischen Tatbestand. Gerade so gut, wie wir das Objekt unmittelbar außer uns sehen, ohne erst, wie SCHOPENHAUER meinte, nach dem Gesetz der Kausalität unsere Wahrnehmung auf ein kausal wirkendes Objekt zu beziehen, gerade so sind Sinnesqualität, Raum und Zeit nicht in dem Sinne Bestimmungsstücke des Eindrucks, daß dieser gar nicht im Bewußtsein sein könnte, ohne daß dieselben sofort unterschieden würden. Vielmehr ist solche Unterscheidung im naiven Bewußtsein überhaupt noch nicht anzutreffen. Diesem sind die Farbe rot und die räumliche Fläche, an der sie wahrgenommen wird, zunächst noch gar nicht verschiedene "Bestimmungsstücke" der Wahrnehmung, sondern sie bilden eine untrennbare Wahrnehmung, deren Teile die verschiedenen Teile der roten Fläche, nicht aber der Raum und die Farbe rot siund. Diese beiden werden daher nicht, wie man annimmt, zuerst unterschieden, damit dann erst jedes in abstracto gedacht werde, (4) sondern Unterscheidung und Abstraktion fallen hier in einen Akt zusammen, weil eben in der konkreten Erscheinung beide niemals gesondert vorkommen können, jede Unterscheidung aber an die Möglichkeit, das zu Unterscheidende getrennt zu denken, gebunden ist. Die Ausführung dieser Abstraktion setzt eine logische Arbeit voraus, die weder durch dsa "Im-Bewußtsein-Haben" an und für sich, noch auch durch die unmittelbare Unterscheidung der Wahrnehmungsbestandteile geleistet wird. Eben wegen dieser vom naiven Bewußtsein noch nicht zu leistenden Denkarbeit ist es nun aber auch noch nicht zureichende, wenn man die besondere Stellung, die Raum und Zeit als sogenannte "Formen der Anschauung" den Sinnesqualitäten gegenüber einnehmen, darin sieht, daß "räumliche und zeitliche Bestimmtheit für alle Sinnesdaten, wie verschieden sie auch sein mögen, die eine und selbe Grundbedingung ihres konkreten Gegebenseins" seien, "während für die Wahrnehmbarkeit von Raum und Zeit eine große Zahl von ganz verschiedenen Qualitäten zur Verfügung steht, von welchen eben nur im allgemeinen eine verlangt wird." (5) Denn diese Ausführung läßt dahingestellt, mittels welcher Merkmale Raum und Zeit selbst voneinander unterschieden werden. Solche Merkmale anzugeben kann man aber nur dann für überflüssig halten, wenn man der Ansicht ist, daß beide in der unmittelbaren Anschauung verschieden seien, etwa so wie die Farben rot und gelb, wenn man sie neben einander wahrnimmt. Nun zeigt die logische Analyse beider Begriffe, daß die räumlichen und die zeitlichen Bestimmungen durch Merkmale ausgezeichnet sind, durch die sie sich nicht nur vom Empfindungsinhalt, sondern auch voneinander unterscheiden. (6) Die Auffassung diesr Formen der Ordnung unserer sämtlichen Empfindungen und Vorstellungen kann schon deshalb unmöglich auf ähnlichen, nicht weiter zu motivierenden Empfindungsunterschieden beruhen, wie ein solcher zwischen zwei verschiedenen Empfindungsqualitäten stattfindet, weil Raum und Zeit mit den verschiedensten Empfindungsinhalten verbunden sein können und gleichwohl nur mittels diese Inhalte wahrnehmbar werden. Wegen dieser Eigenschaft hat sie ja schon KANT als Formen der Ordnung unserer Empfindungen bezeichnet. Wenn sie aber dies sind, so können sie nur durch Merkmale, die ihnen in ihren Beziehungen zu den Empfindungen zukommen und in denen sie zugleich voneinander abweichen, empirisch unterschieden werden. Umgekehrt führt daher die Annahme, daß wir sie unmittelbar und ohne solche Beziehungsmerkmale voneinander und vom Empfindungsinhalt trennen, notwendig zur Voraussetzung, daß sie entweder als a priori in uns bereit liegende Anschauungsformen oder doch als Bewußtseinselemente betrachtet werden, die unmittelbar zugleich Funktionen des unterscheidenden Denkens sind. Die letzten Motive dieses hinter einer streng empirischen Außenseite verborgenen Apriorismus der immanenten Begriffslehre sind augenscheinlich doppelter Art. Erstens verschmäht man grundsätzlich die Hilfe der Psychologie, indem man der Ansicht ist, daß sich nicht die Erkenntnistheorie auf Psychologie, sondern diese auf jene zu stützen habe. Infolge dessen wird man dann durch keinerlei psychologische Erwägungen gehindert, in das Bewußtsein von Anfang an irgendwelche Denkfunktionen zu verlegen. Vielmehr wird durch eine solche der Psychologie vorausgehende Behandlung der Erkenntnistheorie das ohnehin der Vulgärpsychologie innewohnende Streben nach logischer Interpretation der Bewußtseinsdata gewissermaßen wissenschaftlich legalisiert. Zweitens ist es der Standpunkt der absoluten Immanenz des Objekts im Subjekt, der zu jener Auffassung treibt. Sind Subjekt und Objekt schlechterdings nicht voneinander zu sondern, so muß auch jede Behandlung der Erkenntnisprobleme vermieden werden, welche das Denken als eine, wenn auch nur in abstracto vom objektiven Bewußtseinsinhalt zu trennende Funktion betrachtet. Nun ist diese Einheit des Denkens und seiner Objekte nur insoweit wahr, als damit die Unmöglichkeit gemeint ist, daß das Denken anders als an einem konkreten Inhalt sich betätigen und daher anders als gebunden an einen solchen Inhalt von uns beobachtet werden könne. Sie ist aber falsch, insofern man dabei umgekehrt keinen Bewußtseinsinhalt anerkennt, der unabhängig von den logischen Funktionen des Denkens vorkommen könnte. Denn es gibt fortan zahlreiche Wahrnehmungen und Vorstellungen, an denen keinerlei Funktionen der Unterscheidung, der Feststellung von Übereinstimmungen und der bewußten kausalen Beziehung zu anderen Erfahrungen zu bemerken sind. Nur, weil es tatsächlich solche sich völlig reflexionslos uns darbietende Wahrnehmungsdata gibt, vermögen wir die "Denkarbeit" in Wirklichkeit als ein zum Bewußtseinsinhalt hinzukommendes psychisches Geschehen aufzufassen, wobei allerdings diese Unterscheidung des Denkens von seinem Substrat psychologisch noch wesentlich durch begleitende Gefühle von charakteristischer Beschaffenheit erleichtert wird. Und nur weil solche besondere, an und für sich nicht jedem Bewußtseinsinhalt zukommende Merkmale des Denkens existieren, ist es überhaupt begreiflich, daß wir das Denken und seine Objekte immerhin in abstracto voneinander scheiden können. Es erklärt sich aber auch freilich, daß wir uns nachträglich jeden beliebigen Bewußtseinsinhalt als begleitet von den Funktionen des Denkens vorzustellen vermögen. Und diese Freiheit ist es nun, von der alle jene intellektualistischen Theorien, welche Erfahrungsinhalte in logische Denkprozesse umdeuten und von der die immanenten Erkenntnistheorien Gebrauch machen, wenn sei "Im-Bewußtsein-Haben" und Denken und zwar nach logischen Kategorien, identisch setzen. Da nun für diese Theorien außerdem auch "Im-Bewußtsein-Haben" und Sein identisch sind, so kommt auf diese Weise die immanente Philosophie zu einer Erneuerung der Lehre von der Identität von Denken und Sein, bei der sie allerdings durch ihren empirischen Ausgangspunkt vor den spekulativen Konstruktionen der vormaligen Identitätsphilosophie einigermaßen bewahrt wird, dafür aber auch um so unvermeidlicher der einzigen Rettung zusteuert, die einer Identitätsphilosophie übrig bleibt, die aus Respekt vor dem Gegebenen auf solche Konstruktionen Verzicht leistet, dem Solipsismus. Das bestätigt vor allem auch derjenige Teil der immanenten Erkenntnistheorie, in dem sie sich durch eine Art von metapsychischem Gewaltstreich die Möglichkeit zu verschaffen sucht, dem Solipsismus zu entgehen, die Lehre vom Ich. Nachdem die Begriffslehre im Satz von der unmittelbaren Einheit der fundamentalen Denkbestimmungen der Bewußtseinsinhalte mit diesen Inhalten selbst die geeignete Grundlage geschaffen hat, vollendet sich der Apriorismus dieser Erkenntnistheorie in der Lehre vom abstrakten Ich. Diese Lehre läßt sich in zwei Prinzipien sondern, denen offenbar eine axiomatische, d. h. unmittelbar evidente Geltung zugeschrieben wird. Das erste Prinzip lautet: "Ohne Subjekt kein Objekt und ohne Objekt kein Subjekt. Wie im denkenden Subjekt stets Objekte gegeben sind, so lassen sich auch Objekte immer nur in Beziehung auf ein Subjekt denken." Das zweite Prinzip lautet: "In jedem einzelnen Wahrnehmungs- oder Denkakt wird der Begriff des reinen oder abstrakten Ich stets mitgedacht." Es mag gewagt erscheinen, Sätze, die nicht bloß von der immanenten Philosophie, sondern auch von Philosophen der verschiedensten anderen Richtungen als absolut einleuchtend und unbestreitbar angesehen worden sind, zu bestreiten. Dennoch bestreite ich diese Sätze auf das entschiedenste und behaupte, daß sich für die Wahrheit derselben auch nicht der Schatten eines logischen oder tatsächlichen Beweises beibringen läßt. 1) Der Satz "Kein Subjekt ohne ein Objekt und kein Objekt ohne ein Subjekt" kann in einem doppelten Sinn verstanden werden. Entweder bedeutet er: "Überall, wo ich über die Bedingungen reflektiere, unter denen Objekte vorgestellt und gedacht werden oder unter denen es vorstellende und denkende Subjekte gibt, finde ich beide, die Vorstellungen und das Subjekt, aneinander gebunden." Oder er kann auch bedeuten: "Es gibt keine Vorstellung von einem Objekt, in welcher nicht auch das vorstellende Subjekt unmittelbar mitgedacht würde, ebenso, wie es kein Subjekt gibt, dem nicht irgendwelche Vorstellungsobjekte gegeben wären." (7) So unzweifelhaft richtig nun der Satz im ersten Sinn ist, so unzweifelhaft falsch ist er im zweiten. Es ist unbestreitbar, so oft ich über die Bedingungen reflektiere, unter denen vorgestellte Objekte vorkommen, so oft finde ich ein vorstellendes Subjekt als die Hauptbedingung vor. Es ist aber für jeden, der die Tatsachen der unmittelbaren Erfahrung von der Reflexion über sie zu unterscheiden vermag, ebenso unbestreitbar, daß wir unzähligemale Objekte als gegebene anerkennen, ohne über sie zu reflektieren und ohne also darum daran zu denken, daß sie einem Subjekt gegeben sind oder daß ein Subjekt erforderlich ist, damit sie überhaupt gegeben sein können. In jedem Moment, in dem unser Bewußtsein ganz in der Anschauung der Objekte aufgeht - und diese Momente gibt es wahrscheinlich mehr, als solche, in denen wir bei der Wahrnehumg der Außendinge zugleich auf das Subjekt reflektieren, - in jedem solchen Moment ist die Vorstellung der Objekte nicht von derjenigen des Subjektes begleitet: die Existenz der Vorstellungen ist zwar in diesen Fällen selbstverständlich wie immer von der Existenz des Subjekts abhängig, aber wir werden uns dieser Existenz nicht bewußt. So oft demnach auch die Behauptung, der Satz "ich denke" begleite alle unsere Bewußtseinsvorgänge, als eine ausgemachte Wahrheit verkündet wurde, so ist derselbe doch tatsächlich falsche; und es ist nicht einzusehen, warum er etwa im Widerspruch mit der tatsächlichen Beobachtung aus logischen Gründen geglaubt werden müßte. Denn die Tatsache, daß Objekte vorgestellt werden ohne unmittelbare Beziehung auf ein seiner selbst bewußtes Subjekt, enthält nicht den geringsten logischen Widerspruch in sich und kann keinen solchen enthalten, weil es sich hier überhaupt nur um eine Frage der tatsächlichen Erfahrung handelt. Demnach sind es eigentlich zwei Quellen, auf die jenes falsche Prinzip von der immerwährenden Koexistenz der Vorstellungen von Subjekt und Objekt zurückgeführt werden kann. Die eine besteht in der Vermengung einer nachträglichen Reflexion über die Tatsachen des Bewußtsein mit diesen Tatsachen selber, die hier aus den üblichen Betrachtungsweise der Vulgärpsychologie in die philosophische Erkenntnistheorie hineinreicht. Die andere besteht in der Umwandlung einer einseitigen in eine doppelseitige Abhängigkeitsbeziehung, zu der wiederum die Erkenntnistheorien bis heute eine uralte Neigung bewahrt haben. Unbestreitbar können wir uns in concreto kein vorstellendes Subjekt denken ohne vorgestellte Objekte. Daraus wird nun ohne weiteres gefolgert, daß es ebenso unmöglich sei, Objekte vorzustellen, ohne zugleich ein Subjekt mitzudenken. Nun beruht aber die Unvorstellbarkeit eines reinen Subjekts lediglich darauf, daß dieses ein abstrakter Begriff ist, abstrakte Begriffe aber überhaupt nur in ihren konkreten Verwirklichungen vorgestellt werden können. Die konkrete Wirklichkeit des Subjekts besteht nun immer in Vorstellungen und in Gefühlen, die diese Vorstellungen begleiten, sowie schließlich in den aus Vorstellungen und Gefühlen hervorgehenden und selber wieder in solche zerlegbaren Willensakten. Dagegen ist ein konkretes Objekt auch gesondert von irgendeinem mitzudenkenden Subjekt kein abstrakter Begriff, sondern es ist in irgendeiner konkreten Vorstellung wirklich gegeben. Ob mit einer solchen Vorstellung Elemente verbunden sind, an die unmittelbar unser Selbstbewußtsein geknüpft ist, hängt von speziellen psychologischen Bedingungen ab, die keineswegs immer erfüllt sind und die aus keinem irgendwie a priori anzugebenden Grund immer erfüllt sein müssen. Wieder ist es also nur eine Tatfrage, ob jene konkreten Bewußtseinsinhalte, die wir Objekte nennen, ohne hinzugedachtes Subjekt vorkommen oder nicht und diese Frage wird durch die psychologische Erfahrung zweifellos im bejahenden Sinn entschieden. So erweist sich also der Satz "ohne Subjekt kein Objekt" in jeder Beziehung, sofern mit demselben die Notwendigkeit eines unmittelbaren Mitdenkens des Subjekts zu jedem Bewußtseinsinhalt gemeint ist, als eine unbegründete und unhaltbare spekulative Annahme. 2) Das Subjekt soll nun aber nach der Annahme der Immanenzphilosophie nicht bloß als eine konkrete Vorstellung, sondern als abstrakter Begriff, als "reines Ich" nicht nur die eigentlichen Denkhandlungen, sondern überhaupt alle Bewußtseinsinhalte begleiten. In keinem Punkt verrät sich so deutlich, wie in diesem, die Verwandtschaft dieser Richtung mit dem aprioristischen Idealismus vergangener Zeiten. Nur freilich daß nicht, wie dereinst bei FICHTE, das reine inhaltsleere Ich durch eine Reihe im immanenter Denkhandlungen die Welt der Objekt als eine "Schranke", über die es fortwährend hinausstrebt, aus sich selber erzeugen, sondern daß es diese nur überall als ein notwendiger Begriff begleiten soll. Aber durch diese Konzessionen an die Erfahrung ist die ursprüngliche Existenz des reinen Ich weder psychologisch noch logisch haltbarer geworden. Psychologisch widerspricht ihr nicht nur alles, was wir von der Entwicklung des Bewußtseins wahrnehmen können, sondern auch der Tatbestand dieses Bewußtseins, wie er uns fortwährend gegeben ist. Denn dieser Tatbestand enthält jenes abstrakte Ich nie und nirgends. Er enthält eine Anzahl von Gefühlen und Vorstellungen, unter denen die letzteren vor anderen, ausschließlich auf Objekte bezogenen Vorstellungen durch ihre enge Verbindung mit Gefühlen und außerdem noch durch ihre größere Konstanz sich auszeichnen. Aus diesen sinnlichen Elementen entwickelt sich dann der Begriff des abstrakten Ich, analog wie sich jeder abstrakte Begriff entwickelt, als eine logische Forderung, die wir an jene psychologischen Substrate knüpfen, die aber in unserem Bewußtsein stets durch eben jene Substrate vertreten werden muß. Diese Forderung, die darin besteht, daß wir von allen fortwährend veränderlichen Bewußtseinsinhalten abstrahieren und bloß auf die Fähigkeit Objekte überhaupt zu denken reflektieren, ist jedenfalls ein sehr spätes, erst durch den wissenschaftlichen Gebrauch des Denkens entstandenes Produkt desselben und es besteht daher nicht der geringste psychologische Grund, der es rechtfertigen könnte, dieses Erzeugnis schon in den ursprünglichen Inhalt des naiven Bewußtseins zu verlegen. Aber auch die logische Begründung, die man anzuführen pflegt, ein solches abstraktes Ich sei deshalb notwendig, weil ohne dasselbe der Zusammenhang des Bewußtseins nicht erklärlich wäre, besteht nicht zu Recht. Vielmehr macht sich dieselbe einer offenbaren Umkehrung des Verhältnisses von Grund und Folge schuldig. Ohne den Zusammenhang unserer Bewußtseinsvorgänge wäre es nicht denkbar, daß der Begriff des reinen Ich entstünde. Denn dieser Begriff ist in Wahrheit nichts anderes, als eben jener Zusammenhang in abstracto und losgelöst gedacht von allen wirklichen Verbindungen psychischer Vorgänge und Zustände. Es ist die Verwechslung, die der Apriorismus überall begeht: er ignoriert die wirkliche Arbeit der logischen Funktionen und verlegt darum die Begriffe, die die Erzeugnisse dieser Funktionen sind, in die ursprüngliche Anschauung. Ob man annimmt, daß alle sinnlichen Erscheinungen sofort unter die Kategorie der Einheit, Vielheit, Realität, Substanz, Kausalität usw. subsumiert werden oder ob man voraussetzt, daß wir unmittelbar in jeden Bewußtseinsinhalt ein abstraktes Ich hineindenken, macht hier keinen wesentlichen Unterschied. Beiden Auffassungen gegenüber ist wieder die Lehre FICHTEs nicht die haltbarere, aber die folgerichtigere, weil sie, in reiner Umkehrung des empirischen Tatbestandes, das abstrakte ich zum absoluten Anfangspunkt macht, aus dem sie den ganzen Bewußtseinsinhalt zu entwickeln sucht. Auch kommt dabei immerhin der Einfluß der Denkfunktionen, wenngleich ebenfals in völligem Gegensatz zu ihrer wirklichen Richtung, zur Geltung. Hier zeigt es sich nun aber auch, daß von allen verwandten Anschauungen gerade die immanente Philosophie dem Standpunkt FICHTEs am nächsten kommt, wie das ja nach der Rolle, die der Ichbegriff in ihr spielt, begreiflich ist. Nicht die ganze, aber ein Teil jener wunderbaren Zeugungskraft des FICHTEschen Ich lebt in ihr wieder auf, so daß sie in dieser Beziehung eine Art Mittelstellung einnimmt zwischen KANT und seinem kühneren Nachfolger. Das Ich ist ihr nämlich von Anfang an gleichzeitig ein konkretes und ein abstraktes. Als konkretes Ich bleibt es individuell, als abstraktes aber ist es, weil zeit-, raum- und überhaupt bestimmungslos, das "gattungsmäßige Ich". Und eben darin soll, wie wir oben gesehen haben, zugleich die Bürgschaft seiner objektiven Realität liegen. In der Tat ein merkwürdiger Schluß, wie man ihn auch betrachten möge. Daß das "reine Ich" durch irgendeine sich selbst beschränkende Tätigkeit eine konkrete Vorstellungswelt erzeuge, läßt sich als metaphysische Hypothese, wenn man die Hilfe der Phantasie nicht verschmäht, allenfalls noch denken. Daß aber das abstrakte Ich, weil es gar keinen Inhalt hat, eben darum den allgemeingültigen Inhalt aller gleichartigen "Iche" in sich bergen soll, - das ist mehr mystisch, als phantastisch. Nach diesem Wunder braucht man sich eigentlich über nichts mehr zu wundern, auch nicht darüber, daß das abstrakte Ich die Unsterblichkeit beweist oder daß es einen "gattungsmäßigen Menschenleib" als seinen Träger fordert. (siehe oben 1, oben 2) Die Ansicht, welche die immanente Philosophie über die von ihr angewandten allgemeinsten Prinzipien des Denkens, die der Identität und Kausalität, zur Geltung bringt, ist nicht neu. Sie entspricht im allgemeinen denjenigen unter den älteren Anschauungen, die das apriorische Denken und die empirische Betrachtung als grundsätzlich verschiedene Gebiete behandelten. Der klassische Zeuge hierfür ist LEIBNIZ, dem die beiden Sätze der Identität und des Widerspruchs diejenigen Denknormen waren, die für das logische Schließen, sowie für alle demonstrativen Wissenschaften, z. B. die Mathematik, maßgebend seien, während ihm das "Principium rationis sufficientis" [der Satz vom zureichenden Grunde - wp] als das Grundgesetz für die Verknüpfung empirischer Tatsachen galt. (8) Genau mit dieser LEIBNIZschen Unterscheidung stimmt nun die Stellung überein, welche die immanente Philosophie der Identität und der Kausalität anweist. Wenn sie hierbei die von LEIBNIZ unterschiedenen Sätze der Identität und des Widerspruchs in ein Prinzip zusammenzieht, so ist vielleicht diese Vereinfachung schon vom Bestreben eingegeben, das vergleichende und schließende Denken auf eine ebenso einheitliche Norm zurückzuführen, wie die kausale Verknüpfung. (9) Denn wenn auch niemand zweifelt, daß Identifizierungen und Unterscheidungen in unserem wirklichen Denken eng aneinander gebunden sind, so kann man doch nicht behaupten, daß jede in abstracto denkbare Gleichsetzung auch schon eine Unterscheidung in sich schließe. Vielmehr ist die letztere jedenfalls eine besondere logische Funktion. Jene beiden Sätze sind daher Prinzipien, die zwar in unseren wirklichen Denkfunktionen eng verflochten sind, die aber gleichwohl verschiedene Seiten dieser Funktionen zum Ausdruck bringen und daher bei einer abstrakten Formulierung der logischen Axiome voneinander gesondert werden müssen. Von größerem Belang als diese formale Frage ist jedoch der Umstand, daß im gleichen Maß, in welchem jene beiden Grundgesetze in Folge ihrer Zusammenfassung einander genähert werden, das dritte Prinzip, das der Kausalität, eine abgesonderte Stellung gewinnt. dazu trägt auch noch die Bezeichnung "Kausalität" das übrige bei, da in Folge der Differenzierung der Begriffe Ratio und Causa, die seit LEIBNIZ eingetreten ist, die Causa ausschließlich für das empirische Verhältnis der in eine gesetzmäßige Verbindung gebrachten Erscheinungen gebraucht zu werden pflegt. Nun ist, wenn man auf die logische Wurzel des Kausalgesetzes zurückgeht, jedenfalls die völlige Trennung der Begriffe Ursache und Grund ebenso zulässig, wie es deren frühere Gleichsetzung war. Denn der zwingende Charakter des Kausalbegriffs wird uns ebenso wie die Bedeutung, die er im Zusammenhang der empirischen Wissenschaften spielt, nur verständlich, wenn wir ihn als die unmittelbare Anwendung des logischen Prinzips der Beziehung von Grund und Folge auf die Verbindung empirischer Tatsachen betrachten. Nicht minder unzulässig ist es aber auch, wenn man gegenüber dem engen Zusammenhang von Identität und Unterschied dem Prinzip des Grundes eine abgesonderte Stellung gibt. Diese Trennung von den anderen Denkgesetzen wird vor allem dadurch bewirkt, daß man als das Prinzip, welches im Schluss die Verbindung der Prämissen mit den Konklusion erzeuge, das Identitätsgesetz in jener seiner doppelten Bedeutung der Identifizierung und Unterscheidung betrachtet. Demnach beherrscht, wie die immanente Philosophie mit LEIBNIZ annimmt, das Identitätsprinzip überhaupt weitaus den größten Umfang des logischen Denkens und seiner Anwendungen. Es liegt allen Urteilen zugrunde, in denen eine Identität oder Subsumtion ausgesprochen oder aufgehoben wird und es bedingt überall die Fähigkeit des Schließens aus gegebenen Urteilen auf andere. Dagegen findet das Kausalprinzip nur in einer beschränkten Anzahl von Urteilen, in jenen nämlich, die direkt eine äußere Verknüpfung zwischen verschiedenen Bewußtseinsdaten enthalten, seine Stelle. Insbesondere ist es daher auch das Identitätsgesetz, auf das der Begriff jener Notwendigkeit zurückgeführt wird, der sich für uns überall mit der Schlußfolgerung verbindet. Der Notwendigkeit des Schließens gegenüber erscheint die Verbindung durch Kausalität als eine zufällige, daher man, im offenbaren Anklang an HUME, der Analogie für die kausale Verbindung verschiedener Bewußtseinsdaten die entscheidende Bedeutung beilegt. Wenn dann gleichwohl auch der regelmäßigen Aufeinanderfolge eine gewisse Notwendigkeit, im Unterschied von derjenigen der Identität, nicht auf unmittelbarer Evidenz, sondern auf der Übereinstimmung mit bereits anerkannten Zusammenhängen beruhen. (10) Diese Auffassung der Kausalität ist, wie ich glaube, eine durchaus ungenügende und für die wichtigsten Erkenntnisgebiete unzutreffende. Sie verkennt nicht nur die wahre Bedeutung derselben, sondern sie verkennt auch die enge Beziehung, in der sie, oder - wie wir sie eben in diesem allgemeinen Sinn angemessener nennen - in der das Prinzip von Grund und Folge zu den anderen logischen Prinzipien steht. Wenn ich den Durchmesser eines Kreises zunehmen lasse, so vermindert sich stetig und in regelmäßigem Verhältnis die Krümmung des Kreises. Ist etwa diese Beziehung der zwei sich begleitenden Veränderungen zueinander eine Identität? Gewiss setzt sie, um entdeckt zu werden, die Konstatierung von Übereinstimmungen und Unterschieden voraus. Aber sie selbst besteht nicht im mindesten in diesen, sondern sie enthält ein neues logisches Verhältnis, das der Abhängigkeit, der Funktion. Daß ferner dieses Verhältnis im aufgeführten Beispiel minder evident sei, als z. B. die Gleichheit zweier kongruenter Dreiecke, wird niemand behaupten; ebensowenig, daß es erst durch die Analogie mit vorausgegangenen ähnlichen Tatsachen seine Notwendigkeit empfange. Vielmehr ist die Beziehung von Grund und Folge hier eine so unmittelbare, daß eine einzige Beobachtung sie als eine evidente und notwendige erkennen läßt. Nun sind derartige Verhältnisse einseitier oder wechselseitiger Abhängigkeit ebenso geläufige und überall vorkommende Inhalte der Erfahrung wie die Gleichheit und die Verschiedenheit. Die letzteren sind allerdings die einfacheren, da wir keine Abhängigkeit konstatieren können, ohne uns dabei der Funktionen der Vergleichung identischer und verschiedener Teile eines Ganzen zu bedienen. Aber das Einfache ist uns in der Regel in der wirklichen Erfahrung in Zusammensetzungen gegeben. So auch hier. Wenn es sich fragt, ob Anwendungen des Identitäts- oder solche des Kausalgesetzes - dieses wieder in der allgemeinen logischen Bedeutung als Prinzip des Grundes genommen - die häufigeren sind, so muß die Antwort zweifellos lauten: die der Kausalität. Identitäten und Unterschiede gewinnen wir zumeist erst mittels Abstraktion aus verwickelteren Relationen, die sich dem Prinzip von Grund und Folge unterordnen. Da man aber die einfachen Fälle früher entdeckt, so ist man geneigt, die Beziehung zum Zusammengesetzten zu übersehen und so das relativ Einfache für eine selbständig existierende Tatsache zu halten, die es nicht ist. Die augenfälligsten Belege hierfür bietet die Mathematik dar. Sie ist es stets gewesen, die der Anschauung, daß das exakte logische Denken in allen seinen Anwendungen allein vom Identitätsaxiom beherrscht sei, zur Stütze gedient hat. Ist doch die mathematische Gleichung, in der jede genau bestimmbare Größenrelation ihren Ausdruck findet, anscheinend immer nur eine mehr oder minder verwickelte Anwendung des Identitätsaxioms. Alle mathematischen Schlüsse beruhen aber auf Substitutionen und Transformationen, in denen immer und immer wieder von jenem Axiom Gebrauch gemacht wird. Nichts desto weniger erweist sich diese Auffassung als irrig, sobald wir uns den Ursprung der Probleme, die in Gleichungen ihren Ausdruck finden und die daraus sich ergebende allgemeine Bedeutung der Gleichungen selbst vergegenwärtigen. Tritt uns eine Gleichung in der Form y = A entgegen, in der y eine zu bestimmende unbekannte Größe und A irgendeine andere bekannte Größe von gleicher Art bedeutet, so ist allerdings die in einer solchen Gleichung ausgedrückte Relation ausschließlich dem Identitätsgesetz unterworfen. Aber die Beobachtung der Entstehung derartiger Gleichungen zeigt, daß dieselben in Wirklichkeit nur Grenzfälle sind, die bloß bei den allereinfachsten, noch nicht Objekte eigentlich mathematischer Berechnung bildenden Messungsaufgaben unmittelbar vorliegen. Im allgemeinen ist dagegen eine solche einfache Identität y = A zunächst das Ergebnis einer zusammengesetzteren Größenrelation y = (a, b, c ...), wo a, b, c ... gegebene, für die vorliegende Aufgabe als konstant anzusehende Größen sind, während die Klammer irgendwelche mehr oder weniger verwickelte arithmetische Relationen zwischen a, b1, c ... andeuten soll. Die Betrachtung solcher Gleichungen von der Form y = (a, b, c ...) ergibt ferner, daß einer jeden derselben, abgesehen wieder von den einfachsten Grenzfällen, im allgemeinen nicht bloß eine einzige numerische Identität y = A, y = B, y = C usw., als Lösung entspricht, ein Resultat welches bereits zeigt, daß jene Gleichung y = (a, b, c ...) nicht mehr als eine ausschließliche Anwendung des Identitätsgesetzes betrachtet werden kann. Denn um zu entscheiden, ob in einem gegebenen Fall irgendeine der Lösungen y = A, y = B, usw. vor den anderen, die möglich sind, den Vorzug verdiene, dazu bedarf es stets besonderer Erwägungen, bei denen es erforderlichist, von einer solchen vieldeutigen Lösung auf die allgemeine Form des Problems zurückzugehen, als welcher die Gleichung y = (a, b, c ...) hervorgegangen ist. Ein solches Größenproblem allgemeiner Art läßt sich nun aber stets in eine Form wie y = f (x) oder y = f (x,z) usw. bringen, wo x, z ... veränderliche Größen bedeuten, die noch irgendwie mit konstanten Größen verbunden sein können und mit denen sich y im allgemeinen stetig verändert. Auf diese Weise führt jede mathematische Gleichung, insofern sie nicht Ausdruck eines unmittelbaren Messungsergebnisses ist, das überhaupt kein mathematisches Problem mehr einschließt, prinzipiell zurück auf eine Funktionsgleichung. Jede Funktionsgleichung ist aber Ausdruck der Abhängigkeit veränderlicher Größen voneinander. Das für sie zunächst maßgebende logische Prinzip ist das von Grund und Folge. Da nun die meisten und jedenfalls die wichtigsten mathematischen Probleme schließlich auf Funktionsprobleme zurückzuführen sind, so erhellt sich hieraus ohne weiteres, daß das Prinzip des Grundes, nicht das der Identität, auch in der Mathematik das herrschende Prinzip ist. Freilich schließt dasselbe das Identitätsgesetz mit ein und bei den einfachsten Größenrelationen kommt schließlich dieses allein zur Anwendung. Hierbei handelt es sich aber immer nur um die letzten einfachen Resultate von Erwägungen, für die vor allem das Prinzip des Grundes maßgebend gewesen ist. Wenn dieses Verhältnis, so einfach es ist, sogar einem LEIBNIZ verborgen bleiben konnte, so erklärt sich das teils aus dem Zustand der Mathematik, teils aus dem der Philosophie seiner Zeit. So mächtig LEIBNIZ als Mathematiker dem modernen Funktionsbegriff vorgearbeitet hat, wie ja eigentlich seine ganze Differentialrechnung schon auf Funktionsbetrachtungen ruth, so fehlte doch seiner Zeit eine hinreichend klare logische Erkenntnis des Wesens der Funktion. Auf der anderen Seite ließ die monadologische Metaphysik ihren Urheber begierig nach einem Hilfsmittel suchen, welches die Erfahrungserkenntnis seinem System einfüge und doch ihren Wesensunterschied von der apriorischen, metaphysischen und mathematischen Erkenntnisweise gebührend hervorhebe. Dieses Hilfsmittel glaubte er im Prinzip des zureichenden Grundes gefunden zu haben, wobei das Prädikat "zureichend" ihn überdies über die Beziehungen der empirischen Kausalität zum logischen Grund hinwegtäuschte. Was aber in einer Zeit, in der der Funktionsbegriff noch im Werden begriffen und die Erkenntnistheorie von der Metaphysik beherrscht war, sogar einem LEIBNIZ entgehen konnte, das sollte heute von niemandem mehr übersehen werden. Die mathematischen Anwendungen des Kausalprinzipgs machen es deutlich, daß dasselbe ebenso das Prinzip des begründenden Denkens ist, wie die Sätze der Identität und des Widerspruchs diejenigen des vergleichenden Denkens genannt werden können. Da Begründung ohne Vergleichung unmöglich ist, während diese sehr wohl in gewissen Fällen für sich allein stattfinden kann, so kommt hierin zugleich das logische Verhältnis dieser Prinzipien zueinander zum Ausdruck. Außerdem ergibt sich aber aus diesem Gesichtspunkt ihre Bedeutung für den Schluß. Ohne Vergleichung, ohne Feststellung des Übereinstimmenden und des Unterscheidenden können die Prämissen nicht zueinander in Beziehung gesetzt werden. Aber die Ableitung der Konklusion läßt sich aus solcher Vergleichung niemals vollständig gewinnen. Sie setzt außerdem einen Akt des begründenden Denkens voraus, der das neue Urteil als eine Folge jener Vergleichung hinstellt. Je einfacher der Schluß, um so mehr verbirgt sich natürlich diese begründende hinter jener vergleichenden Funktion, je verwickelter, um so selbständiger tritt sie hervor. Aber schon beim einfachen Identitätsschluß A = B, B = C, A = C ist mit der Feststellung der zwei Identitäten A = B, B = C noch keineswegs die dritte Identität A = C von selbst gegeben, sondern sie gründet sich auf die Erwägung, daß infolge jener ersten Identität dem B sowohl A wie auch C in allen Urteilsverbindungen substituiert werden kann. Diese Substitution ist aber ein weiterer Akt des Denkens, der zur Vergleichung hinzukommt und der, insofern er erst der Grund eines neuen Urteils wird, dem Prinzip des begründenden Denkens untergeordnet werden muß. Diese selbständige Bedeutung der Begründung im Schlusse tritt besonder dann klar hervor, wenn wir solche Fälle ins Auge fassen, in denen die in die Prämissen eigehenden Urteile bestimmte ausgezeichnete Fälle aus je einer ganzen Reihe möglicher Urteile bezeichnen. Wenn im ersten Urteil A = B der Mittelbegriff B in den Variationen B, B', B'' ..., im zweiten B = C in den anderen B, B1, B2 ... vorkommt, so ist nur in dem einzigen Fall, wo die Identitäten von A und C im Begriff B koinzidieren, der Schluß A = C möglich. Nun ist die starr und unveränderlich gedachte Identität in Wirklichkeit auch hier nur ein Grenzfall. Denn die Denkobjekte sind Veränderungen unterworfen, vermöge deren jedes aufgrund bestimmt gegebener Beziehungen erschlossene Begriffsverhältnis immer nur als ein bedingtes erscheint, das so lange gilt, als die Denkobjekte in den durch die Prämissen ausgedrückten Relationen verharren. Der Zusammenhang dieser Gesichtspunkte mit den für die mathematischen Gleichungen maßgebenden springt in die Augen. In der Tat bringt der mathematische Funktionsbegriff hier nur, wie das der exakte Ausdruck der Größenrelation ermöglicht, in besonders einleuchtender Weise die allgemeine Gesetzmäßigkeit des logischen Denkens zum Ausdruck. Weist man so dem Kausalprinzip die ihm gebührende Stellung innerhalb der allgemeinen logischen Normen des Denkens an, so wird damit nun aber auch jene Unterscheidung zwischen apriorischem und empirischem Denken hinfällig, nach welcher beide völlig verschiedenen Grundsätzen folgen sollen. Das Kausalprinzip ist ebenso gut, wie das Identitätsgesetz empirisch und apriorisch zugleich: empirisch, insofern es in der Erfahrung gegebene Anschauungen voraussetzt, auf die es anwendbar ist, apriorisch, insofern dem Denken die Eigenschaft zukommen muß, das in der empirischen Anschauung Gegebene vergleichend und begründend zu verbinden. Indem die immanente Philosophie die Auffassung der Außenwelt nicht von der Außenwelt selbst unterscheidet, besteht ihr die wahre Realität derselben in Bewußtseinsvorgängen, die wir zugleich vermöge der oben erörterten Korrelation von Subjekt und Objekt unmittelbar als solche wahrnehmen sollen. Diese Annahme führt unvermeidlich zu der Frage, wie jene Bewußtseinsvorgänge, die wir Außenwelt nennen, sich von anderen unterscheiden, denen wir bloß eine subjektive Bedeutung zuschreiben. Als das für diese Unterscheidung maßgebende Merkmal betrachtet die immanente Philosophie, auf den Begriff des "gattungsmäßigen Ich" gestützt, die Gemeinsamkeit der Wahrnehmungen. Insoweit die Wahrnehmung der Körperwelt bei den verschiedenen Individuen eine übereinstimmende sei, müsse sie notwendig als ein einmaliges Eigentum des einen gattungsmäßigen Ich betrachtet werden. Vielfach gegeben seien "nur die Modifikationen des Gesehenen, welche von der Stellung des Sehenden und von Eigentümlichkeiten seiner Organisation und seiner Auffassungsweise abhängen." Und "so vielfach wie Objekte da sind, sind ferner die Erinnerungsbilder, die reproduzierten Vorstellungen, welche trotz glücklichster Verständigung der Subjekte doch imer noch individuell verschieden sind." (11) Das Verhältnis der Einheit der objektiven Welt zur Vielheit der Wahrnehmung kann man sich also nach dieser Ansicht etwa durch eine Menge teilweise interferrierender Kreise versinnlichen, die sämtlich einen gewissen Teil ihrer Flächen gemeinsam haben, während jeder außerdem seinen Teil für sich besitzt. (12) Nun ist die Gemeinsamkeit der Wahrnehmungen offenbar kein unmittelbar gegebenes Merkmal, sondern nur eine allgemeine logische Forderung. Soll diese auf unsere Unterscheidung des Ich und der Außenwelt einen wirklichen Einfluß ausüben, so müssen daher notwendig in der Wahrnehmung selbst empirische Kennzeichen enthalten sein, mittels derer wir entscheiden können, ob jene Forderung erfüllt sei oder nicht. Es ist aber klar, daß, wenn unter diesen Kennzeichen Tatsachen verstanden werden, die eine absolute Erfüllung der angegebenen Forderung verbürgen, solche Tatsachen überhaupt nicht existieren und daß daher eine gemeinsame Wahrnehmungswelt in absolutem Sinn nicht aufzufinden ist. Doch auch wenn man unter dieser bloß das für eine beschränkte Anzahl von Individuen Gemeinsame verstehen sollte, bleibt die Auffindung brauchbarer empirischer Merkmale unerläßlich, sobald an dem im ganzen übereinstimmenden Wahrnehmungsinhalt wieder das wirklich Gemeinsame von den unendlich mannigfaltigen individuellen Variationen desselben gesondert werden soll. So nimmt denn auch die immanente Erkenntnistheorie an, an der ursprünglichen Wahrnehmung müßten gewisse Berichtigungen vorgenommen werden, um aus derselben solche veränderliche Bestandteile auszuscheiden. Wenn nun aber einmal diese Unterscheidungen zwischen dem, was zunächst allgemeingültig scheint, es aber in Wirklichkeit nicht ist und dem, was sich endlich als wirklich allgemeingültig bewährt, nötig sind, warum soll dann gerade da Halt gemacht werden, wo jene Berichtigungen durch Sinnestäuschungen, individuelle Verschiedenheiten der Organisation und ähnliches nahe gelegt werden? Und warum soll man sie nicht vor allem auch auf diejenigen Eigenschaften der Wahrnehmung ausdehnen, bei denen sie durch die Bedürfnisse der wissenschaftlichen Analyse gefordert werden? Räumt man das Recht dieser Forderung ein, dann wird aber der Standpunkt der immanenten Erkenntnistheorie sofort hinfällig, weil die naturwissenschaftliche Analyse der objektiven Erscheinungen dazu zwingt, überhaupt die unmittelbaren Empfindungsinhalte als subjektive Elemente der Erfahrung anzusehen, die zwar unter Umständen einer mehr oder minder großen Anzahl von Individuen gemeinsam sein können, als ein "gemeinsamer" Erfahrungsinhalt aber nicht gelten dürfen, falls man diesen Begriff der Gemeinsamkeit in der Bedeutung versteht, in der er jetzt noch allein einen möglichen Sinn hat, nämlich in dem der Allgemeingültigkeit für alle diejenigen, die sich im Besitz der zureichenden Erkenntnisbedingungen dem Gegebenen gegenüber befinden. Der Mangel der Immanenzphilosophie besteht also darin, daß sie auf dem Boden der gewöhnlichen Erfahrung stehen bleibt, für diese aber Bedingungen der Allgemeingültigkeit aufstellt, die im strengsten Sinne überhaupt nicht und mit einer gewissen Annäherung nur in der wissenschaftlichen Bearbeitung der Erfahrung zu erfüllen sind. Auch diese Widersprüche lehren wieder, daß nicht die Annahme einer Außenwelt, deren Objekte von vielen erkennenden Subjekten in mannigfacher, je nach Eigenart und Standpunkt teils übereinstimmender, teils verschiedener Weise wahrgenommen werden, sondern daß der metaphysische Satz "Sein ist Bewußtsein", aufgrund dessen man jene Annahme bestreitet, unhaltbar ist. Wäre dieser Satz richtig, dann würde aber auch von vornherein die Auffassungsweise der Naturwissenschaft eine verfehlte sein, welche sich überall gedrängt sieht, Hilfsbegriffe einzuführen, die in Wahrheit darauf ausgehen, den Begriff eines vom Bewußtsein verschiedenen objektiven Seins festzustellen, sodaß in Bezug auf dieses die Bewußtseinsvorgänge nicht selbst als das Sein, sondern nur als Zeichen betrachtet werden können, die auf dasselbe hinweisen. Läßt man dagegen jenes trügerische Prinzip des Esse = Percipi [Sein ist Wahrnehmung - wp] fallen, so birgt die angebliche Vervielfältigung der objektiven Wirklichkeit in den auf sie bezogenen subjektiven Wahrnehmungen nicht den geringsten Widerspruch in sich. Demnach besteht denn auch die von der Erkenntnistheorie der positiven Wissenschaften gemachte Voraussetzung darin, daß der unmittelbare Inhalt der objektiven Erfahrung so lange als Wirklichkeit anzusehen sei, als die logische Bearbeitung desselben nicht dazu nötigt, irgendwelche Elemente als subjektive zu eliminieren. Zu diesen subjektiven Elementen kann aber der Natur der Sache nach die Existenz einer vom Subjekt unabhängigen Wirklichkeit selbst niemals gehören, weil eben diese Existenz die Voraussetzung ist, aufgrund deren erst alle jene den ursprünglichen Wahrnehmungsinhalt berichtigenden Unterscheidungen zwischen subjektiven und objektiven Elementen möglich werden. In der Tat gehen daher alle begrifflichen Bearbeitungen der Erfahrung nur darauf aus, in der Bestimmung der objektiven Wirklichkeit von denjenigen Eigenschaften des Subjekts zu abstrahieren, die nicht zu den Erkenntnisfunktionen selbst gehören und diese Erkenntnisfunktionen wiederum nur als Hilfsmittel zur Erkenntnis der realen Erfahrungsinhalte, nicht selbst als Bestandteil derselben anzusehen. Die Möglichkeit dieser Abstraktion wurzelt aber in einer Tatsache, die von der immanenten Philosophie nur geleugnet wird, weil sie den ursprünglichen Erfahrungsinhalt mit der Reflexion über denselben vermengt, indem sie behauptet, daß wir nicht Objekte denken könnten, ohne stets das Subjekt mitzudenken. Dieser Satz von der notwendigen Immanenz der Objekte im Subjekt steht jedoch nicht bloß mit dem unmittelbaren Inhalt der naiven Erfahrung, sondern auch mit allen wissenschaftlichen Lösungsversuchen der Erkenntnisprobleme, die naturgemäß jenen unmittelbaren Inhalt zur Grundlage ihrer kritischen Berichtigungen nehmen, im Widerstreit. Die Ursache dieses Mißgeschicks liegt auch diesmal wieder, wie in allen anderen ähnlichen Fällen, schließlich darin, daß man die wissenschaftlichen Erkenntnisprinzipien verwirft, weil man sich keine zureichende Mühe gibt, sie kennen zu lernen. Daß das abstrakte Ichbewußtsein die Grundlage sei, auf welcher alle objektive Erfahrung ruhe und daß darum keine Erfahrung anders, denn als eine im Bewußtsein gegebene aufgefaßt werden könne, das ist das proton pseudos [erste Lüge, Grundirrtum, falsche Grundvoraussetzung und Quelle anderer Irrtümer - wp] der verschiedensten Gestaltungen des Subjektivismus, mögen sie nun subjektiver Idealismus, Solispsismus oder immanente Philosophie genannt werden. Die primitive Erfahrung ist aber nicht das im, sondern das außer dem Bewußtsein gelegene Objekt. Daß dieses äußere Objekt überhaupt im Bewußtsein vorgestellt wird, ist eine erst aufgrund hinzutretender Reflexionen entstandene Erkenntnis. Da sich nun diese Erkenntnis immer zugleich mit der weiteren verbindet, daß durch das Vorstellen des Objekts im Bewußtsein subjektive Veränderungen bewirkt werden, so kann sie den ursprünglichen Tatbestand der Erfahrung nicht aufheben, sondern nur dahin ergänzen, daß die Wahrnehmung ein auf das Objekt hinweisendes Symbol sei, aus dem sich das reale Objekt selbst ergebe, sobald man alle die Eigenschaften in Abzug bringe, die sich durch die Vergleichung der objektiven Erfahrungen als subjektive herausstellen. Diesen Weg, den schon die gewöhnliche praktische Welterkenntnis einschlägt, verfolgt die Naturwissenschaft weiter und indirekt setzt ihn auch jede den unmittelbaren Erfahrungstatsachen selbst zugewandte Psychologie als den wahren voraus, da eine solche Psychologie aus dem Bedürfnis entsteht, eben jenen Anteil des Subjekts am Inhalt der Erfahrung zu untersuchen, von dem die Naturwissenschaft geflissentlich abstrahiert hat. Auf diese Weise gewähren dann freilich auch erst Psychologie und Naturwissenschaft zusammen eine volle Erkenntnis der Wirklichkeit. Denn es darf niemals übersehen werden, daß die Betrachtungsweise der Naturwissenschaft, weil sie von den erkennenden Subjekten abstrahiert, eine einseitige und unvollständige bleibt. Das Problem, wie diese zwei Betrachtungsweise in einer sie beide umfassenden Weltauffassung zu vereinigen seien, wird dann stets die wichtigste Aufgabe der Philosophie bleiben. Man darf aber nicht meinen, dieses Problem dadurch lösen zu können, daß man, wie es immer und immer wieder die philosophischen Erkenntnistheorien tun, die naturwissenschaftliche Betrachtungsweise negiert oder ihr willkürlich Motive unterschiebt, die ihr fremd sind. Das geschieht vor allem dann, wenn jene Theorien das Objekt nicht als ein gegebenes anerkennen, sondern wenn sie es mit aller Gewalt aus dem Subjekt hervorgehen lassen und ihm dann doch entweder eine Realität außerhalb des Subjekts oder eine solche in einem begrifflich postulierten Gattungsbewußtsein sichern wollen. Der erste dieser Wege führt notwendig in irgendeiner Weise auf das phantastische Verfahren der Erzeugung eines Nicht-Ich durch das Ich zurück, ein Verfahren, dem auch dadurch nicht geholfen werden kann, daß man die dialektische Konstruktion FICHTEs durch eigens zu diesem Zweck erfundene psychische Funktionen, z. B. durch eine projezierende Tätigkeit, ein Widerstandsgefühl und dgl. ersetzt. Alles solche Deduktionen setzen das voraus, was sie erklären wollen und dem Nicht-Ich können sie trotzdem zu keiner unabhängigen Realität verhelfen. Die Gleichsetzung dieser Realität mit dem gattungsmäßigen Ich aber scheitert an der leeren Scheinexistenz dieses Begriffs, als dessen einziger realer Rest das subjektive und individuelle Ich zurückbleibt, womit dann wiederum die Immanenzphilosophie nach allen ihren Irrfahrten beim Solipsismus angelangt ist. Was den Solipsismus betrifft, so hat bekanntlich HUME von ihm gesagt, er sei zwar theoretisch nicht zu widerlegen, werde aber fortwährend widerlegt durch das praktische Leben; und SCHOPENHAUER meinte, er sei nicht zu widerlegen, aber er gehöre ins Irrenhaus. Doch da so manche Wahrheit anfänglich für absurd gehalten wurde, so sind diese Argumente schwerlich überzeugen. In der Tat liegt aber die Sache so, daß die Erkenntnistheorien HUMEs und SCHOPENHAUERs eigentlich im stillen an demselben Übel kranken wie die immanente Philosophie und andere subjektivistische Erkenntnistheorien, an dem Glauben, daß das Objekt ursprünglich eine bloß subjektive "Bewußtseinserscheinung" sei, die dann nachträglich durch Assoziationen, Reflexionen und Kausalitätsschlüsse zum äußeren Objekt werde. Darum sind denn auch witzige Bemerkungen das einzige, was sie gegen den Solipsismus vorzubringen wissen. Immerhin verbirgt sich hinter dem Hinweis auf das praktische Leben und auf die geistig Gesunden die Anerkennung, die von diesen Denkern nur noch nicht zureichend begründet wird, daß die wirkliche Entwicklung der Erkenntnis schon in der naiven Erfahrung und mehr noch in der Wissenschaft mit dem Solipsismus unvereinbar ist. Darum ist nun abe auch dieser nicht eine mögliche, nur aus äußeren Gründen verwerfliche, sondern eine unmögliche Denkweise. Und unmöglich ist diese nicht bloß deshalb, weil sie praktisch unbrauchbar, sondern vor allem, weil sie theoretisch grundlos ist. Wenn, wie die immanente Philosophie behauptet, Sein und Bewußtsein identisch, wenn Naturereignisse und psychische Prozesse beide ihrer eigentlichen Bedeutung nach Bewußtseinsvorgänge sind, so erhebt sich die Frage: Wie lassen sich die Gegenstände der Naturwissenschaft und der Psychologie überhaupt gegen einander abgrenzen? Gewiss kann es der immanenten Philosophie nicht verargt werden, wenn sie die populäre Unterscheidung, wonach es die Psychologie mit den Bewußtseinsvorgängen, die Naturwissenschaft mit den Erscheinungen außerhalb des Bewußtseins zu tun habe, nicht für zureichend hält. Werden wir doch durch eine naheliegende Reflexion belehrt, daß uns die Gegenstände und Vorgänge der Außenwelt ebenfalls nur durch Bewußtseinsvorgänge bekannt sein können, weshalb sich ja auch die Notwendigkeit herausstellt, daß die nämlichen Gegenstände, mit denen sich die Naturwissenschaft beschäftigt, unter einem anderen Gesichtspunkt, nämlich als Wahrnehmungen, die wir auf Außendinge beziehen, noch einmal in der Psychologie wiederkehren. Sobald man eine vom Subjekt abhängige reale Welt anerkennt, so löst sich nun diese Schwierigkeit durch die Voraussetzung, daß es nicht an sich verschiedene Erfahrungsinhalte, sondern verschiedene Gesichtspunkte der Betrachtung einer und derselben Erfahrung sind, die der Scheidung in Naturwissenschaft und Psychologie zugrunde liegen, indem jene nur die Objekte der Erfahrung nach Abstraktion vom Subjekt, diese aber das Subjekt selbst samt Einfluß, den es auf die unmittelbare Erfahrung und ihren Zusammenhang ausübt, berücksichtigt. (13) Aber dieser Weg ist für die immanente Philosophie ungangbar. Behauptet sie doch, daß vom Subjekt überhaupt nie abstrahiert werden könne. Eine Naturwissenschaft, die das unternimmt, existiert also für sie nicht und es bleibt so nichts anderes übrig, als den Bewußtseinsinhalt selbst zwischen Naturwissenschaft und Psychologie angemessen zu verteilen. Daß hierbei der auf die Naturwissenschaft fallende Anteil das "gattungsmäßige Bewußtsein" ist, versteht sich nach dem, was oben über die Kriterien der objektiven Wirklichkeit ausgeführt wurde, von selbst. Nicht so leicht läßt sich jedoch die Aufgabe der Psychologie bestimmen. Daß man hierbei nicht einfach das Nicht-Gattungsmäßige, also Individuelle der Psychologie zuteilen darf, ergibt sich daraus, daß die Psychologie doch ebensogut wie die Naturwissenschaft allgemeingültige, für jedes Bewußtsein richtige Tatsachen und Gesetze feststellen will. Demnach ist es schließlich ebenfalls etwas "gattungsmäßiges", nur ein solches anderer Art, mit dem sich die Psychologie beschäftigen soll. Auch die individuellen Bewußtseinsanteile zeigen nämlich wieder gewisse allgemeine Eigenschaften, die für die Individualität im allgemeinen charakteristisch seien. In diesem Sinne wird daher "Psychologie" nicht die Wissenschaft vom ganzen individuellen Bewußtsein mit seinem Inhalt, sondern von demjenigen, was darin zur Individualität gehört und diese ausmacht", definiert. Während sich also die Natuwissenschaft mit dem Gattungsmäßigen nach Abstraktion von allem Individuellen beschäftigt, soll die Aufgabe der Psychologie im Individuellen in abstracto, d. h. im Begriff der Individualität nach Abstraktion nicht bloß vom rein Gattungsmäßigen, sondern auch vom konkret Individuellen bestehen. (14) Da diese abstrakte Gebietsscheidung ziemlich schwer erkennen läßt, wie denn eigentlich im einzelnen das, was jedem der beiden großen Wissenschaftsgebiete zufalle, zu bestimmen sei, so ist übrigens von anderen Vertretern der immanenten Philosophie der Versuch gemacht worden, unmittelbarere, deutlich erkennbare Merkmale aufzustellen. Dabei wird dann entweder der Unterschied von Naturwissenschaft und Psychologie mit dem von Sinneswahrnehmung und reproduzierter Vorstellung identifiziert, indem man der Naturwissenschaft die Untersuchung der ersteren, der Psychologie die der letzteren zuweist. (15) Oder es wird der Unterschied in den Bedinugungen der Beobachtung gesehen, wie z. B. darin, daß die Objekte der Naturwissenschaft immer für mehrere Beobachter, die der Psychologie nur für einen einzigen vorhanden seien, sowie darin, daß der Gegenstand der Naturwissenschaft mehreren unmittelbar, der Gegenstand der Psycholoie nur einem unmittelbar, allen anderen aber mittelbar gegeben sei. (16) Welche dieser Definitionen sie aber auch bevorzugen mögen, immer bleiben die Vertreter der immanenten Philosophie darin einig, daß die Erkenntnistheorie allen anderen Wissenschaften vorausgehen müsse, wie sich dies schon daraus ergebe, daß erst mit ihrer Hilfe alle solche Grenzbestimmungen verschiedener Bewußtseinsinhalte möglich seien. Vergleichen wir nun diese Definitionsversuche mit den wirklich in der Entwicklung der Wissenschaft maßgebend gewesenen Motiven der Gebietsabgrenzungen, so ist klar, daß jene mit diesen nicht zusammentreffen. Aber es ergibt sich auch weiterhin, daß die bisherigen Aufgaben der Psychologie wie der Naturwissenschaft, am Maß dieser Definitionen gemessen, falsch sein würden und daß also von diesem Standpunkt aus eine allgemeine Umkehrung der Wissenschaften gefordert sein müßte. Die erste dieser Begriffsbestimmungen, die abstrakt logische, die der Naturwissenschaft das "Gattungsmäßige überhaupt", der Psychologie die "Individualität im allgemeinen" zuweist, begegnet zunächst dem oben schon geltend gemachten Bedenken, daß im abstrakten Ich überhaupt keine Empfindungsinhalte mehr anzutreffen sind, mit der Lösung von jedem konkreten Bewußtseinsinhalt also der Naturwissenschaft überhaupt ihr Inhalt verloren gehen würde. Dazu kommt dann die weitere Schwierigkeit, daß eine sichere Grenzbestimmung zwischen dem abstrakt Individuellen und dem abstrakt Gattungsmäßigen unmöglich zu sein scheint. In der Tat pflegt man dieser Schwierigkeit lediglich dadruch zu begegnen, daß man einfach auf die herkömmlich der Psychologie zugerechneten Bewußtseinsdata hinweist, die im allgemeinen jedem Individuum zukommen, ohne jedoch als objektiv geltende Normen angesehen zu werden. (17) Darum werden denn auch jenen abstrakten Grenzbestimmungen immer wieder konkrete Unterscheidungsmerkmale substituiert, die dem abstrakten Ich an und für sich gar nicht und die dem "gattungsmäßigen Bewußtsein" nur dann zukommen können, wenn man voraussetzt, es sei erlaubt, die Grenzen dieses letzteren Begriffs willkürlich abzustecken. So besteht denn auch das Verfahren, durch welches die Immanenztheorie vom Gattungsmäßigen zu den empirischen Objekten der Natur gelangt, eigentlich in einer doppelten Begriffsvertauschung. Zuerst wird an die Stelle des Gattungsmäßigen überhaupt das gesetzt, was "unabhängig von den Individualitäten" sei und dann wird für die letztere Unabhängigkeit das empirische Merkmal darin gesehen, daß nicht nur "Laune und Willkür den Sinnesdaten gegenüber machtlos sind, sondern vor allem darin daß in ihnen selbst, den Empfindungsinhalten, gleichviel wann und wo sie Objekte eines individuellen Bewußtseins werden mögen, ein Gesetz ihres Zusammen und ihres Nacheinander entdeckbar ist. Der Gesichtseindruck der Flamme z. B. bürgt für die Empfindung gesteigerter Temperatur, der des brennenden Hauses für nachfolgende Gesichtseindrücke, z. B. verkohlter Balken, eingestürzter Mauern und dgl." (18) Hier führt nun das erste Merkmal, das der Unabhängigkeit von der Individualität, augenscheinlich wieder auf das oben schon besprochene Prüfungsmittel objektiver Wirklichkeit, auf die Übereinstimmung der Wahrnehmenden, zurück. Daß dasselbe bei der tatsächlichen Entwicklung der naturwissenschaftlichen Erkenntnis gar keine oder eine höchst untergeordnete Rolle spielt, haben wir bereits gesehen (vgl. oben). Daß es überdies, wenn es überhaupt zur Idee eines abstrakt Gattungsmäßigen führen soll, die Existenz dieser Idee schon voraussetzt, ist einleuchtend. Denn die Übereinstimmung verschiedener Wahrnehmender kann immer nur die Vorstellung der Unabhängigkeit von diese und jener einzelnen Individualität erwecken. Als ein Hinweis auf eine absolute Unabhängigkeit von der Individualität überhaupt kann sie erst dann betrachtet werden, wenn die Idee der abstrakten Gattung zuvor schon in uns liegt. Auch hier ist also die platonische Idee der latente Hintergedanke der immanente Erkenntnistheorie. Damit stimmt es überein, daß zu den Empfindungen, "welche sich zu einem System kausaler Zusammenhänge gestalten lassen", wiederum der "Gattungsbegriff Menschenleib" gehören soll, (19) ein Gedanke, der nur verständlich ist, wenn man die Naturerscheinungen als die konkreten Gestaltungen allgemeiner Ideen auffasst, zu welchen letzteren dann auch der ideale Typus des Menschenleibes gehören mag. Ferner wird als ein besonderes Hilfsmerkmal die regelmäßige Aufeinanderfolge der Empfindungen angeführt, die uns zur Anwendung des Kausalitätsbegrifss nötige. Das schließt die Annahme ein, daß der Zusammenhang psychischer Vorgänge ein völlig unregelmäßiger sei und wir daher auf ihn überhaupt nicht den Kausalitätsbegriff anwenden. Daß diese Annahme falsch ist, lehrt im Grunde schon die Existenz der Psychologie, die doch gar nicht möglich wäre, wenn sich nicht das Bedürfnis regte, den Zusammenhang der psychischen Vorgänge irgendwie kausal zu verstehen. Nun mag zugegeben werden, daß sich in manchen Fällen - sicherlich nicht in allen, man denke z. B. an gewisse metereologische Phänomene einerseits und an die logischen Denkprozesse andererseits - der regelmäßige Zusammenhang der Naturvorgänge mehr unserer Auffassung aufdrängt, als derjenige, der rein psychischen Prozesse, jedenfalls handelt es sich aber dabei nur um ein mehr oder minder. Das gibt auch diese Theorie selbst zu, wenn sie der Psychologie die Untersuchung der Individualität im allgemeinen nach Abzug aller Besonderheiten der einzelnen Individuen als Aufgabe zuweist. Denn wenn es nur unregelmäßige und inkonstante psychische Vorgänge gäbe, so wäre natürlich auch der Begriff der Individualität in abstracto unmöglich, der ja eben das, was an den individuellen Eigenschaften wieder allgemeingültig ist, ausmachen soll. So sieht man, daß dieser ganze Versuch, durch allgemeine Festlegung von Begriffen das abstrakt Gattungsmäßige von der abstrakten Individualität und diese wieder vom konkreten Individuum zu scheiden, notwendig mißlingen muß, weil alles das, was dem Einzelnen und was der Individualität überhaupt angehört und weil ebenso die Vorstellungen, die wir auf äußere Objekte beziehen und die, bei denen solches nicht der Fall ist, als "Bewußtseinsvorgänge" betrachtet zusammengehören und darum als solche auch nicht mehr verschiedenen Wissenschaften zugewiesen werden können. Eine abstrakte Individualität gibt es nicht. Wir können nur konkrete Vorgänge in konkreten Individuen untersuchen und da, wo diese Vorgänge zwischen verschiedenen Individuen abweichen, erfolgen sie gleichwohl ebensogut nach allgemeingültigen psychischen Gesetzen als da, wo sie übereinstimmen. Die Naturvorgänge aber lassen sich nur daran von den Bewußtseinsvorgängen unterscheiden, daß jene unmittelbar als außerhalb des Bewußtseins stattfindende aufgefaßt werden. Nur aufgrund dieser von der Naturwissenschaft von Anfang an festgehaltenen Auffassung lassen sich dann auch die Hilfsbegriffe, die dieselbe anwendet und lassen sich die Motive verstehen, durch die sie überhaupt zu einer begrifflichen Konstruktion der Wirklichkeit genötigt wird. die vom unmittelbar gegebenen Inhalt der Sinneswahrnehmung wesentlich abweicht. Sobald man dagegen die Naturvorgänge selbst als eine besondere Art von Bewußtseinsvorgängen betrachtet, müssen alle solche Verfahrensweisen eigentlich als unerlaubte Hilfsmittel erscheinen, da in diesem Fall die Wirklichkeit der Natur mit unserer unmittelbaren Sinneswahrnehmung identisch ist. Doch nicht bloß mit der Naturwissenschaft, sondern auch mit der Psychologie gerät die immanente Erkenntnislehre in einen unheilbaren Zwiespalt. Das zeigen vor allem die Versuche einer konkreteren Unterscheidung zwischen den Gegenständen der Psychologie und der Naturforschung. Diese soll es mit den Sinneswahrnehmungen, jene mit den reproduzierten Vorstellungen zu tun haben, denen dann wohl auch noch die Gefühle zugerechnet werden. Nach dieser Begriffsbestimmung würde die Sinneswahrnehmung überhaupt kein psychischer Vorgang sein, sondern das psychische Gebiet würde überall erst mit den Erinnerungs- und Phantasiebildern beginnen. Dabei müßte man offenbar annehmen, daß Sinneswahrnehmung und Phantasiebild an sich verschiedene und überall durch sichere Merkmale zu unterscheidende Bewußtseinsvorgänge seien. Eine solche Trennung auszuführen ist aber unmöglich. Es gibt keine Sinneswahrnehmung, an der nicht reproduktive Elemente beteiligt wären und beide, Wahrnehmungen und Reproduktionen, sind zusammengesetzte Bewußtseinsvorgänge, die als solche eine psychologische Analyse erfordern. Dieses Gebietsscheidung, die sich auf die heute völlig überwundene Theorie HUMEs mit ihrer Trennung der Perzeptionen in starke und schwache (impressions and ideas) stützt, raubt also der Psychologie eines ihrer wichtigsten Gebiete. Der Natuwissenschaft wiederum kann durch die Zuweisung desselben nicht im entferntesten Genüge geschehen. Denn in der Gestalt, in der sie sich unmittelbar unserer Beobachtung darbieten, sind eben die Wahrnehmungen "Bewußtseinsvorgänge", nicht reale Objekte. Zur Sinneswahrnehmung gehören auch die normalen Sinnestäuschungen und die subjektiven Elemente des Eindrucks. Soll die Naturwissenschaft diese eliminieren, so bleiben als ihre Objekte überhaupt nicht mehr die Sinneswahrnehmungen selbst übrig, sondern diese gewinnen nur die Bedeutung von Zeichen, die auf eine erst zu erschließende objektive Realität hinweisen. Damit ist die Behauptung, daß auch die Naturwissenschaft bloße Bewußtseinsvorgänge zu ihren Objekten habe, hinfällig. Die Sinneswahrnehmungen als Bewußtseinsvorgänge bilden vielmehr nur die Hilfsmittel, mit denen die Naturwissenschaft die Erforschung ihres eigentlichen Gegenstandes, der vom wahrnehmenden Subjekt unabhängigen Wirklichkeit, unternimmt. Auch hier wieder zeigt es sich daher: der Standpunkt der Immanenzphilosophie beseitigt den Gegenstand der Naturwissenschaft, die objektive Wirklichkeit, um an dessen Stelle die gewöhnliche, vorwissenschaftliche Erfahrung zu setzen. Daß schließlich jene äußeren Bedingungen der Beobachtung, ob ein Gegenstnad gleichzeitig mehreren Beobachtern oder nur einem einzigen unmittelbar gegeben sei, zur Unterscheidung der Objekte der Naturforschung von denen der Psychologie nicht zureichen, bedarf kaum der näheren Ausführung. Nimmt man den Ausdruck wörtlich, so ist er zweifellos unrichtig. Ein Naturereignis wird dadurch, daß es nur von einem einzigen Beobachter wahrgenommen wird, noch nicht zu einem psychischen Vorgang. Gemeint kann also offenbar nur die allgemeine Möglichkeit sein, daß ein Objekt von mehreren wahrgenommen werden könne. Dieses Merkmal ist dann aber sachlich wieder nichts anderes, als eine der Sinneswahrnehmung zukommende Eigenschaft. Es fällt also diese Unterscheidung mit der in Sinneswahrnehmungen und Erinnerungsbildern zusammen. Indem nun die Grenzen zwischen den Sinneswahrnehmungen und den Erinnerungsvorgängen, sobald man beide als Bewußtseinsvorgänge betrachtet, völlig verwischt werden, führt die Konsequenz des Standpunktes der immanenten Philosophie eigentlich dahin, die gesamte Naturwissenschaft der Psychologie einzuverleiben und wenn diese Konsequenz den Vertretern dieser Philosophie verborgen bleibt, so ist das nur dadurch möglich, daß sie auf eine wirkliche psychologische Analyse der Bewußtseinsvorgänge nicht eingehen. Darum zieht nun aber auch die Psychologie aus dieser ihr tatsächlich eingeräumten Herrschaft keinen Gewinn. Denn in der Psychologie ist die Tendenz der immanenten Philosophie lediglich auf die logische Unterscheidung jener allgemeinen Begriffe gerichtet, unter die sich die verschiedenen der "Individualität überhaupt" zugehörigen Inhalten ordnen lassen. An die Stelle einer wirklichen Untersuchung des konkreten psychischen Geschehens tritt so ein Verfahren begrifflicher Unterscheidung und Subsumtion. Die Gegenstände desselben bilden nicht die psychischen Vorgänge selbst, sondern die aus ihnen abstrahierten Begriffe, in deren logischer Definition und Klassifikation das eigentliche Geschäft der Psychologie aufgeht. Die letztere erscheint in dieser Beleuchtung als eine Art angewandter Logik. Hieraus wird es zugleich verständlich, daß die immanente Philosophie auf die Überordnung der Erkenntnistheorie über alle anderen Wissenschaften so großen Wert legt. Auch hierin stellt sie sich wieder auf gleiche Linie mit dem spekulativen Aphorismus, speziell mit FICHTEs Wissenschaftslehre, die ganz ebenso von ihrem Urheber als eine allgemeine Prinzipienwissenschaft gedacht war, auf der alle positiven Wissenschaften weiterzubauen hätten. Nun bedarf gewisse jede Einzelwissenschaft der allgemeinen Denknormen und der Voraussetzung gewisser Prinzipien der Erkenntnis. Aber in der wirklichen Entwicklung der Wissenschaften geschieht die Anwendung dieser Normen und Prinzipien überall zunächst ohne eine vorausgehende Prüfung und ohne daß man sich über ihren Ursprung und ihre Begründung Rechenschaft gibt. Dieses teils instinktive teils provisorische Verfahren empfängt seine Rechtfertigung daraus, daß eine genaue Rechenschaft über solche Prinzipien überhaupt erst aufgrund bereits gesicherter wissenschaftlicher Resultate möglich ist So kommt es, daß die wissenschaftliche Erkenntnistheorie nur allmählich und infolge fortwährend hin- und hergehender Bewegungen zwischen spezieller wissenschaftlicher Arbeit und allgemeiner Untersuchung entstehen kann. Da aber hier wie überall das Allgemeine aus dem Einzelnen gewonnen werden muß, so ist trotz dieser unaufhörlichen Wechselwirkungen, wenn wir auch nur an einen vorläufigen Abschluß der Gebiete denken, der Ausbau der speziellen Wissenschaften als das frühere, derjenige der allgemeinen Erkenntnistheorie als das spätere anzusehen. Dem entspricht es, daß die Erkenntnistheorie ihre wichtigsten Anregungen wie ihre maßgebenden Gesichtspunkte aus der Arbeit der einzelnen Wissenschaften geschöpft hat und daß sie nur, insoweit sie das tat, ihrerseits wieder fördernd und anregend auf diese zurückzuwirken vermochte. Wenn die immanente Philosophie dieses Verhältnis umkehren will, so erneuert sie daher das schon so oft der Philosophie verderblich gewordene Bemühen, aus sich selbst heraus und außer Fühlung stehend mit dem wirklichen wissenschaftlichen Denken ein System zu errichten. Daß sich auch solche isolierten Systeme dem Strom der wissenschaftlichen Gedankenbewegung ihrer Zeit nicht ganz entziehen können, versteht sich von selbst; ja schon der Versuch einer solchen Systembildung ist wohl ein Zeichen der Zeit oder wenigstens ein Symptom einer der vielen in ihr miteinander kämpfenden Tendenzen. Dem heutigen Menschen fehlt neben der Neigung zur objektiven, den geschichtlichen Bedingungen des Werdens nachgehenden Betrachtung auch nicht die grüblerische Versenkung in das eigene Ich. Daß die immanente Philosphie diesen Zug energisch und mit einem anerkennenswerten Aufwand von Scharfsinn zur Geltung bringt, das wird daher, auch wenn sich ihre eigenen Aufstellungen als unhaltbar erweisen, allezeit ein Verdienst der ausgezeichneten Vertreter dieser Denkweise bleiben.
1) Vgl. WILHELM SCHUPPE, Erkenntnistheoretische Logik, Seite 142f und 555f. 2) SCHUPPE, ebenda, Seite 563 und Grundriss, Seite 90f. Zu bemerken ist übrigens auch hier, daß trotz der allgemeinen Übereinstimmung in beiden Werken, im ersten die empirische, im späteren die aprioristische Seite der Theorie mehr hervortritt. 3) SCHUPPE, Grundriss der Erkenntnistheorie, Seite 35f 4) SCHUPPE, Grundriss der Erkenntnistheorie, Seite 81 5) SCHUPPE, Grundriss der Erkenntnistheorie, Seite 86 6) Vgl. über diese logischen Merkmale mein System der Philosophie, Seite 109, 127f und über die psychologischen Motive der entsprechenden Vorstellungsformen meinen Grundriss der Psychologie, Seite 180f. 7) Ich will nicht unterlassen zu bemerken, daß ich hier überall das Wort "Vorstellung" nicht in der bei den Vertretern der immanenten Erkenntnistheorie üblichen Beschränkung auf die sogenannten reproduzierten Vorstellungen verstehe, sondern in der allgemeinen, in der neueren Psychologie üblichen Bedeutung, in der es auch die Wahrnehmungen umfaßt. 8) LEIBNIZ, Monadologie, Seite 31 - 26 [Edition Erdmann Seite 707] 9) WILHELM SCHUPPE, "Grundriss der Erkenntnistheorie", Seite 45 und "Erkenntnistheoretische Logik", Seite 375f 10) WILHELM SCHUPPE, "Grundriss der Erkenntnistheorie ", Seite 47f, 61f und von SCHUBERT-SOLDERN, "Grundlagen der Erkenntnistheorie", Seite 238f 11) WILHELM SCHUPPE, Die natürliche Weltansicht, Philosophische Monatshefte XXX, Seite 13 12) Vgl. dazu auch SCHUPPE, "Grundriss der Erkenntnistheorie", Seite 30f. 13) Vgl. meinen Aufsatz über die "Definition der Psychologie" in Philosophische Studien, Bd. XII, Seite 1f 14) WILHELM SCHUPPE, Begriff und Grenzen der Psychologie, Zeitschrift für immanente Philosophie, Bd. I, Seite 50 und 64f 15) RICHARD von SCHUBERT-SOLDERN, Grundlagen der Erkenntnistheorie, Seite 337 16) JOHANNES REHMKE, Lehrbuch der allgemeinen Psychologie, Seite 10. Neben diesen äußeren Merkmalen hebt übrigens auch REHMKE in erster Linie das innere hervor, "daß das Seelenleben nichts anschaulich Gegebenes ist, während der Gegenstand der Naturwissenschaft im anschaulich Gegebenen liegt". Man darf wohl vermuten, daß dieses positive Merkmal im wesentlichen mit Unterscheidung zwischen Sinneswahrnehmung und reproduzierter Vorstellung zusammenfällt, da hier das Wort "Anschauung" kaum anders, als im Sinn der äußeren Sinneswahrnehmung, namentlich einer solchen durch den Gesichtssinn, gebraucht sein kann, eine Bedeutung, die allerdings seit KANT selbst in der Philosophie kaum mehr die übliche ist. 17) WILHELM SCHUPPE, Begriff und Grenzen der Psychologie, Zeitschrift für immanente Philosophie, Bd. I, Seite 50f 18) WILHELM SCHUPPE, Begriff und Grenzen der Psychologie, Zeitschrift für immanente Philosophie, Bd. I, Seite 69f 19) SCHUPPE, ebenda, Seite 69 und vgl. oben |