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OSKAR VOGT
Zur Kenntnis des Wesens und der
psychologischen Bedeutung des Hypnotismus
(1)

"Der Selbstbeobachtung zeigt sich, daß es ein absolutes Bewußtsein ohne Inhalt nicht gibt. Ein solches ist lediglich eine logische Abstraktion. Das Bewußtsein wird uns nur soweit bewußt, als es sich uns in der Form eines Bewußtseinsinhaltes offenbart. Diese Offenbarung können wir stets als ein einfaches Bewußtwerden eines Inhalts auffassen. Keine Erfahrungstatsache nötigt uns zur Aufnahme einer besonderen Bewußtseinstätigkeit."

"Je leichter ein Vorstellungselement erregbar ist, umso öfter wird es auch weiterhin erregt werden. Beim Wort  Rose  denke ich viel eher an die Form einer Rose als an ihren Geruch, weil ich mehr Rosen gesehen als gerochen habe. Auf diese Weise treten gewisse Teilkomplexe einer assoziativen Verbindung in eine sozusagen übergeordnete Stellung zu anderen. Wird die Gesamtassoziation nur kurz erregt, dann tritt nur dieser Teilkomplex ins Bewußtsein. Wird nun aber dieser Teilkomplex festgehalten, dann werden uns der Reihe nach auch die anderen Elemente der Assoziation bewußt. Halte ich das Gesichtsbild der Rose fest, dann erinnere ich mich im weiteren der verschiedenen Farben der Blüten, der grünen Blätter, der Dornen etc. Wird also eine übergeordnete Vorstellung stärker erregt, so kann sie für längere Zeit bestimmend auf den Bewußtseinsinhalt einwirken."

Man ist sich heutzutage darüber einig geworden, daß es sich bei den hypnotischen Erscheinungen wesentlich um psychische Phänomene handelt. Deshalb muß auch ihr Wesen aus den allgemeinen Lehren der Psychologie heraus erklärt werden. Dabei wird dann natürlich jede Theorie den psychologischen Standpunkt ihres Autors widerspiegeln. Bei der Mannigfaltigkeit dieser Standpunkte ist es angezeigt, eine kurze Schilderung des eigenen dem Erklärungsversuch voranzuschicken.

Diesem erscheint die Psychologie als eine  empirische  Wissenschaft. Ihre einzige primäre Erkenntnisquelle ist dementsprechend die Selbstbeobachtung. Diese ist selbstverständlich nur möglich, soweit Bewußtsein vorhanden ist.  Demnach gelten Bewußtseinserscheinungen und psychische Erscheinungen als identisch. 

Nun lehrt die Selbstbeobachtung, daß wir jedes Mal, wo wir eine Bewußtseinserscheinung an uns beobachten, dieser Tatsache auch durch bestimmte Bewegungen, speziell durch die der Sprache, nach Außen Ausdruck geben können. Dadurch hat eine Außenwelt ein objektives Merkmal für die subjektive Erfahrung eines Ichs. Diese Tatsache ergibt dann weiter die Grundlage zu dem Analogieschluß, daß Objekte der Außenwelt, z. B. unsere Mitmenschen, bei entsprechenden Bewegungen ebenfalls entsprechende psychische Erscheinungen haben, wie ein jeder von uns sie durch die subjektive Erfahrung kennt. So kommen wir zu einer sekundären psychologischen Erkenntnisquelle. Ohne ihre Berechtigung hätte die Psychologie keine über das Individuum hinausgehende Bedeutung. Wir nehmen also außer unserem eigenen Bewußtsein soweit psychische Erscheinungen als vorhanden an, wie die Bewegungen darauf schließen lassen, daß in den Subjekten der Bewegungen Bewußtseinsvorgänge stattfinden.

Die Bewußtseinsvorgänge als solche stehen nun, so lehrt weiter die Erfahrung, bei ihrem Auftreten in einer gewissen Beziehung zu materiellen Erscheinungen. Dafür spricht schon die Tatsache der Abhängigkeit der Empfindungen von äußeren Reizen. Vor allem aber hat es die Beeinflussung der verschiedensten psychischen Phänomene durch pathologische oder experimentelle Hirnveränderungen dargetan, indem dieselbe zugleich im Speziellen zeigte, daß die psychischen Erscheinungen beim Menschen wohl ausschließlich zu physiologischen Vorgängen der Großhirnrinde in Beziehung stehen.

Dieses Abhängigkeitsverhältnis führt zu einer zweifachen Betrachtungsweise der Erscheinungen, zu einem  psycho-physiologischen  Standpunkt. Von diesem aus erscheint dann das Abhängigkeitsverhältnis als ein Parallelismus zweier unabhängiger, aber empirisch miteinander verbundener Erscheinungsreihen. Diese Auffassung wird zunächst durch die qualitative Verschiedenheit beider Erscheinungsreihen begründet. Eine weitere theoretische Stütze erwächst ihr sodann aus dem Prinzip der geschlossenen Naturkausalität. Diese führt uns nun andererseits zu einer Konsequenz in der Durchführung des Parallelismus, wie sie nicht von allen Autoren gezeigt wird. (2) Wir gehen dabei (3) von der mit zunehmender Prüfung der Verhältnisse immer allgemeiner sich bestätigenden Erfahrungstatsache aus, daß jeder psychischen Erscheinung eine materielle Reaktion folgt. Für diese Reaktion, als deren empirische Ursache ein psychisches Phänomen erscheint, muß das Prinzip der geschlossenen physischen Kausalität als einzigen Grund eine materielle Erscheinung annehmen. So muß jeder psychischen Erscheinung eine materielle parallel gehen. Wir werden auf diese Seite des Parallelismus später näher eingehen.

Hier haben wir nun zunächst hervorzuheben, daß die Erfahrung für die meisten materiellen Vorgänge, die wir beobachten oder erschließen können, keine parallel gehenden Bewußtseinserscheinungen feststellen kann. Ja selbst von den Erregungen der Großhirnrinde werden nur wenige von psychischen Erscheinungen begleitet. Diese dürfen wir als die stärksten ihrer Art auffassen.

Nun hängt aber die Stärke einer solchen zentralen Erregung nicht nur von der Intensität des äußeren Reizes, sondern vom Gesamtmechanismus aller zentralen Leitungen und Erregbarkeitsverhältnisse ab. Diesen Gesamtmechanismus bezeichnen wir als Konstellation. Dieselbe erscheint als Resultante nicht allein aller bisherigen bewußten Erregungen des Zentralnervensystems, sondern auch der unbewußten und weiter aller nutritiven [die Ernährung betreffend - wp] Beeinflussungen desselben. Sie resultiert also mit einem Wort aus Momenten, die zum teil außerhalb der Bewußtseinserscheinungen liegen.

Ebenso beeinflußt die Konstellation den Ort der zentralen Erregung und damit - wie wir unten sehen werden - auch ihren qualitativen Charakter. Diese Art der Beeinflussung überwiegt an Bedeutung bei weitem die der Intensität. Sie überragt sogar vielfach in ihrer "assimilierenden Tätigkeit" die Bedeutung der peripheren Reize für das Quale der zentralen Erregung. (4) Man kann mit WUNDT (5) diese Konstellationswirkung als eine Beeinflussung der  Extensität  der zentralen Erregung bezeichnen.

Auf diesen Verhältnissen beruth zum Beispiel die scheinbare Freiheit unseres Willens. Ferner gehört hierher - als Beweis für die nutritive Beeinflussun - die Tatsache, daß stärkste periphere Reize nicht zu einem intensivsten Bewußtseinsvorgang führen, sondern zu einer biologisch höchst zweckmäßigen, vasomotorisch [die Gefäßnerven betreffend - wp] bedingten Ausschaltung aller Bewußtseinsvorgänge, die wir als Ohnmacht etc. bezeichnen.

Aus diesen Ausführungen ergibt sich, daß die Bewußtseinserscheinungen keine kausale Reihe darstellen. Unser Kausalitätsbedürfnis mit seiner Forderung einer zwingenden Notwendigkeit von Grund und Folge kann nur durch die physiologische Seite des psychophysiologischen Standpunkts befriedigt werden. 

Man hat sich nun bemüht, die psychische Reihe ebenfalls zu einer kausalen zu gestalten. So ist man dazu gekommen, unbewußt bleibenden nervösen Erregungen und schließlich jeder materiellen Bewegung ein begleitendes Äquivalent von dem zuzuschreiben, was sich bei einem stärkeren Intensitätsgrad als Bewußtseinsphänomen dem Subjekt offenbart. Man operiert dementsprechend mit Begriffen, wie Unterbewußtsein, unbewußter psychischer Erscheinung etc.

Diese Schlußfolge erscheint mir vom philosophischen Standpunkt aus durchaus berechtigt. Sie entspricht den Einheitsbestrebungen des heutigen Monismus. Sie findet - wie dieser überhaupt - in der vergleichenden und entwicklungsgeschichtlichen Betrachtungsweise eine Stütze. Aber wir haben mit ihr die Grenze der Empirie überschritten und das Gebiet der Metaphysik betreten. Die Erfahrung wird eben auch in der fernsten Zukunft nur eine ununterbrochene materielle Reihe und bloß bei einigen - wohl den kompliziertesten - Bewegungen dieser ein aufblitzendes Bewußtsein erkennen können.

Dies ist auch von den einsichtsvollen Vertretern einer monistischen Bewußtseinslehre vollständig anerkannt worden. So stehen die jetzigen Ausführungen zur FORELs Bewußtseinslehre (6) in keinem sachlichen, sondern nur in einem nomenklatorischen Gegensatz. Die hier durchgeführte Nomenklatur hat aber den Vorzug, den Begriff der Bewußtseinserscheinung eindeutig zu begrenzen, so daß dann weitschweifige Definitionen, wie sie z. B. KÜLPE vorschlägt, unnötig sind. (7)

So wird die Empirie auch in der fernsten Zukunft nur auf physiologischem Gebiet unser Kausalitätsbedürfnis befriedigen können. Das kausale Verhältnis der physiologischen Reihe wird einst verständlich werden und so die psychische Reihe mittelbar erklären. Aber wir sind heutzutage noch ungeheuer weit von diesem Endziel entfernt. Und dabei können wir uns ihm erst auf Umwegen nähern. Wir können die materiellen Parallelprozesse der psychischen Erscheinungen heute noch nicht beobachten. Die Hirnanatomie beginnt erst uns den Bau jener Elemente zu lehren, in welchem jene materiellen Prozesse ablaufen. Die Physiologie beginnt erst mit dem Studium der Bedingungen für das Zustandekommen dieser Prozesse. Dem eigentlichen Wesen derselben tritt sie noch vorläufig gar nicht näher. Infolgedessen betreibt sie bisher auch nur äußere Molekularmechanik, (8) indem sie sich beschränkt, die nervösen Vorgänge einfach als Bewegungsvorgänge irgendwelcher Art hinzustellen. Wenn wir unter diesen Umständen schon heute eine Mechanik der materiellen Parallelprozesse aufstellen, so leitet uns in unseren hypothetischen Schlüssen lediglich der Verlauf der psychischen Erscheinungen selbst. Dieses dürfen wir nicht vergessen.  Die subjektive Wahrnehmung muß unseren Spekulationen als Richtschnur dienen.  Es zeigt sich der Selbstbeobachtung nun zunächst (9), daß es ein absolutes Bewußtsein ohne Inhalt nicht gibt. Ein solches ist lediglich eine logische Abstraktion. Das Bewußtsein wird uns eben nur soweit bewußt, als es sich uns in der Form eines Bewußtseinsinhaltes offenbart. Diese Offenbarung können wir stets als ein einfaches Bewußtwerden eines Inhalts auffassen. Keine Erfahrungstatsache nötigt uns - so meine ich und hoffe ich im weiteren zeigen zu können - zur Aufnahme einer besonderen Bewußtseinstätigkeit.

So reduziert sich die Aufgabe der inneren Wahrnehmung lediglich auf das Studium des Bewußtseinsinhaltes. Dieser zeigt einen zusammengesetzten Charakter. Daraus läßt sich die Aufgabe der Selbstbeobachtung näher festlegen. Sie hat einmal den Inhalt zu zerlegen und dann die Form seiner Synthese zu studieren. (10) In beiden Fällen ist eine Tätigkeit der Selbstbeobachtung im Wesentlichen die gleiche: sie ist eine analytische. Man kann mit HÖFFDING (11) die Analyse für den ersteren Fall als elementare, für den letzteren als generalisierende bezeichnen.

Die elementare Analyse stellt den Bewußtseinsinhalt als eine Zusammensetzung aus einzlnen - wenigstens gegenwärtig - nicht weiter zerlegbaren Elementen dar. Diese werden von  elementaren Empfindungen  und deren  Erinnerungsbildern,  den  Vorstellungen,  so wie von dieselben begleitenden elementaren Gefühlen, den  Gefühlstönen,  dargestellt. Bezüglich der Nomenklatur folge ich dabei ZIEHEN (12), meinem ersten Lehrer in der Psychologie. Unter Empfindungen verstehen wir alle einfachen und komplexen Sinnesempfindungen, d. h. also die Bewußtseinserscheinungen, die in peripheren adäquaten Reizen ihre Ursache haben. Den Begriff der "Vorstellung" gebrauchen wir als Synonym für "Erinnerungsbild einer Empfindung". Besondere Elemente, die auf einen Willen hinweisen, läßt die Selbstbeobachtung - wenigstens muß ich das von meiner Selbstbeobachtung sagen - nicht erkennen.  Die elementare Willensqualität  reduziert sich auf bestimmte Empfindungen und Vorstellungen sowie deren Gefühlstöne und auf nichts anderes. (13) Auf das Verhältnis zwischen den Gefühlen und den Empfindungen, bzw. ihren Erinnerungsbildern, braucht hier nicht näher eingegangen zu werden, weil diese Frage für unsere weitere Ausführung belanglos ist. Soweit die Empfindungs- und Vorstellungselemente eine qualitative Verschiedenheit zeigen und soweit sie ferner von verschiedenen Gefühlstönen begleitet werden, scheint mir die Annahme einer proportionalen qualitativen Verschiedenheit der materiellen Parallelprozesse am nächsten zu liegen. Eine derartige Annahme findet - sofern man sich unseren weiteren Ausführungen anschließt - in der zuerst von MEYNERT aufgedeckten histologischen Verschiedenheit der einzelnen Hirnrindenbezirke eine anatomische Stütze.

Ferner halte ich die sich gegen FECHNER wendende Annahme einer Proportionalität zwischen der Intensität einer Bewußtseinserscheinung und ihrem materiellen Parallelvorgang wegen ihrer Einfachheit für vorläufig am meisten berechtigt.

Das Vorstellungselement unterscheidet sich vom Empfindungselement für gewöhnlich durch einen Mangel an sinnlicher Lebhaftigkeit. Aber es gibt, wie wir später sehen werden, Übergänge. Deshalb schließen wir uns entgegen der von MEYNERT (14) und ZIEHEN (15) vertretenen Ansicht der schon lange von den englischen Psychologen gepflegten Anschauung an, daß der Unterschied zwischen Empfindung und Vorstellung - soweit es sich um Elemente handelt - kein qualitativer, sondern ein gradueller ist. Wir übertragen natürlich diese Auffassung auch auf die materiellen Parallelprozesse.

Indem wir in der geschilderten Weise proportionale qualitative und quantitative Verschiedenheiten in den beiden Parallelreihen annehmen, wird uns physiologisch verständlich, daß uns die Unterschiede verschiedener psychischer Erscheinungen bewußt werden. In nichts anderem aber als einem solchen  passiven  Bewußtwerden besteht unser sogenanntes Unterscheidungsvermögen. Dieses ist ohne das Hinzutreten einer besonderen psychischen Tätigkeit verständlich. Auf dem Unterscheidungsvermögen aber beruth weiter überhaupt die Analyse des Bewußtseinsinhaltes. So stellt sich schließlich diese selbst in ihrer passiven Abhängigkeit vom psychophysischen Parallelismus dar.

Wenden wir uns jetzt der Synthese der Bewußtseinserscheinungen zu! Als Gesamtresultat der inneren Wahrnehmung können wir da den Satz voranstellen:  wo Bewußtseinserscheinungen auftreten, tendieren diese zu synthetischen Prozessen; die Folge dieser Tendenz ist die Tatsache, daß der Mensch schon in früher Jugend nur noch zusammengesetzte psychische Erscheinungen hat.  (16) Die notwendige Bedingung für den Vorgang der Synthese ist die  synchrone  Erregung der einzelnen Bewußtseinselemente. Diese führt zu mehr oder weniger innigen Verbindungen, sogenanntenn Assoziationen. Letztere haben - dem phyhsiologischen Prinzip der Übung folged (17) - die Tendenz sich mehr und mehr zu fixieren. In solchen Fixationen bekundet sich das Wesen der latenten Erinnerungsbilder. (18) Ein erster Grad einer solchen Fixierung dürfte überhaupt nötig sein, um eine zusammengesetzte Bewußtseinserscheinung zu ermöglichen. Das neugeborene Kind - so glaube ich - wird wohl nur psychische Phänomene elementarer Art haben. Ein weiterer Grad der Fixierung äußert sich im Wiedererkennen bei einer späteren gleichen Empfindung. (19) Der höchste Grad stellt die assoziative Reproduktionsfähigkeit dar. Diese wird uns weiter unten noch beschäftigen.

Die Assoziationen selber lassen sich nach der Innigkeit ihrer Verknüpfung in  simultane  und  sukzessive  trennen. (20) Übergänge fehlen aber dabei nicht. Die simultanen stellen Verbindungen zu Bewußtseinseinheiten, die sukzessiven solche dar, die sich in einer Zeitreihe kundgeben.

Die simultanen Assoziationen umfassen Elemente gleicher Art oder solche disparate, die sehr oft zusammen erregt wurden. Zu ihnen gehört jede reale Emfindung oder Vorstellung. Empfindungs- oder Vorstellungselemente kommen - wie wir bereits oben festgestellt haben - isoliert in unserem Bewußtsein nicht vor. Andererseits bedarf es aber erst eines methodischen Vergleichens, um den zusammengesetzten Charakter unserer Empfindungen und Vorstellungen nachzuweisen. So verbindet sich ein Ton mit seinen Obertönen zu einer einheitlichen Empfindung. In diesem Fall war es vor allem das Experiment, das die Elementaranalyse ermöglichte. Bei einer optischen Empfindung führt, um noch ein Beispiel anzuführen, die Erregung des Lichtsinns, des Farbensinns und des Muskelsinns der Augenmuskeln zu einer einzigen Bewußtseinserscheinung. Hierüber gibt uns auch die Psychopathologie näheren Aufschluß, indem sie uns Fälle zeigt, wo ein einzelner diser drei Bestandteile ausgefallen ist.

Jeder entwickelte Mensch hat eine ungeheure Menge fixierter Assoziationen. Deshalb hat jeder von uns auch nur noch Empfindungen, deren einzelne Elemente bereits zu anderweitigen Erinnerungsbildern assoziiert sind. Auf diese Weise gibt es keine Empfindung ohne Miterregung von Erinnerungsbildern. Ja diese treten so sehr in den Vordergrund, daß sich jene Empfindung als ein Mischprodukt von Elementen darstellt, die teils unmittelbar durch den Reiz erregt und teils durch die Erinnerung wachgerufen wurden. Diese Erscheinung hat WUNDT zuerst erkannt und - wie bereits oben erwähnt - als  Assimilation  beschrieben (21). Indem sich an ihr eine große Reihe von Erinnerungsbildern mit wechselnder Intensität beteiligen, zeigen die Empfindungen auch bei gleich bleibenden Reizen starke Schwankungen.

Das Vorhandensein zahlreicher ähnlicher Erinnerungsbilder hat ferner zur Folge, daß sich auch Vorstellungen nie kongruent sind. Das Gesichtsbild der Rose, an das ich heute durch die Ideenassoziation erinnert werden, ist mehr oder weniger verschieden von dem, welches das nächste Mal in mir wachgerufen wird.

Aus dieser Tatsache sowie aus der Erscheinung der Assimilation hat WUNDT (22) das Prinzip der psychischen Synthese erkannt. Dieses besagt, daß  Verbindungen nur zwischen Bewußtseinselementen, nie zwischen Komplexen derselben stattfinden.  Daraus ergibt sich dann auch die Art und Weise der assoziativen Reproduktion von Assoziationen. Diese kommt dadurch zustande, daß in der auslösenden Bewußtseinserscheinung Elemente der folgenden Vorstellung erregt werden udn von diesen aus der ganze Komplex der nunmehr im Bewußtsein auftretenden Vorstellung in Miterregung versetzt wird. Um reproduziert werden zu können, muß also eine Assoziation soweit fixiert sein, daß sie in ihrer Gesamtheit von einzelnen ihrer Elemente aus erregt werden kann.

Die zusammengesetzten Vorstellungen haben selbstverständlich das oben für deren Elemente als meist zutreffen festgestellte Charakteristikum des Mangels der sinnlichen Lebhaftigkeit. Auch ohne weitere Kritik werden wir für gewöhnlich ein Erinnerungsbild von der entsprechenden Empfindung unterscheiden können. Aber wir sagten schon oben, daß die Kluft überbrückt ist. Es gibt eben eine Reihe von Fällen, wo das Kriterium mehr oder weniger schwindet. Zunächst sei auf die - unter den Klinikern zuerst von CHARCOT hervorgehobene -  große individuelle Verschiedenheit der Lebhaftigkeit der Erinnerungsbilder  aufmerksam gemacht. So gibt z. B. ALFRED LEHMANN (23) von sich an, durchaus lebhafte Erinnerungsbilder zu haben. Er sah, um eine seiner Selbstbeobachtungen anzuführen, eine Viertelstunde nach der Wahrnehmung eines Hundes "mit geschlossenen Augen sehr klar den kleinen schwarzen Hund auf der Straße laufen." Ebenso gibt SACHS (24) an, "eine gedachte Farbe sich sinnlich vorstellen zu können". Eine Patientin von mir, die während des Hypnotisiertwerdens mir ins Auge zu schauen pflegte, brachte sich später in schlaflosen Nächten dadurch in den Schlaf, daß sie sich mein Auge vorstellte. Dies sah ich dann "vollständig natürlich." Haben wir Menschen mit abnorm gesteigerter "Phantasie", d. h. mit einer auf erblicher Degeneration beruhenden konstitutionellen Dissoziation [Auseinanderfallen von Wahrnehmung und Gedächtnis - wp], vor uns, so werden wir Angaben über eine sinnliche Lebhaftigkeit ihrer Vorstellungen noch häufiger bekommen. Als das entgegengesetzte Extrem kann ich die Mangelhaftigkeit meines eigenen Reproduktionsvermögens anführen. Diese übertrifft vielleicht noch die MEYNERTs. Ich kenne aus der Selbstbeobachtung des Wachzustandes meines Bewußtseins keinen einzigen Übergang zwischen meinen vollständig "blassen" Vorstellungen und meinen Empfindungen. Dies äußert sich auch in der zeichnerischen Wiedergabe meiner Vorstellungen. Während ich sonst nicht ungeschickt im Zeichnen bin, vermag ich aus Vorstellungen heraus kaum die einfachsten Gegenstände niederzuzeichnen. Dabei beweist mir andererseits mein Wiedererkennen, daß wenigstens für Gesichtsempfindungen mein Gedächtnis ein durchaus gutes ist. Ich möchte dann weiter auf die sogenannten  Sekundärempfindungen  hinweisen. Darunter versteht man die Eigentümlichkeit mancher Menschen, mit gewissen Empfindungen oder Vorstellungen stets andere Bewußtseinserscheinungen zu verbinden, die nicht durch äußere Reize hervorgerufen sind, dementsprechend also Erinnerungsbilder darstellen. Diese assoziierten Bewußtseinserscheinungen zeigen nun bald die gewöhnliche Stärke von Vorstellungen, bald aber eine mehr oder weniger sinnliche Lebhaftigkeit. So kenne ich einen Kollegen, der mit allen Vokalen Farbenvorstellungen, mit dem Buchstaben  R  die Vorstellung einer Zickzacklinie, mit  L  die einer Reihe von Kreise verbindet. Bei ihm treten aber diese Erinnerungsbilder nie mit der Intensität einer Empfindung auf. Dagegen kenne ich einen anderen Herrn, der mit allen Vokalen, mit zahlreichen Tonarten, mit manchen Monaten und Wochentagen besondere Farbempfindungen verbindet. Diese Farbempfindungen werden in zwei Meter Entfernung projiziert und zwar in der Form eines Vierecks. Bei mehrsilbigen Wörtern reihen sich die assoziierten Farbempfindungenn der einzelnen Vokale nach Art eines Spektrums aneinander. Mit dem Vokal  A  verbindet der Herr z. B. die Empfindung eines schwarzen Vierecks, mit  E  die eines gelben. Bei dem Wort "Wasser" sieht er nun ein Viereckt, das zur Hälfte schwarz, zur anderen Hälfte gelb ist. Diese Sekundärempfindungen treten bei diesem Herrn auch auf, wenn die auslösende Bewußtseinserscheinung nur als Vorstellung auftritt. Die Sekundärempfindungen sind bei ihm so lebhaft, daß er sie nur durch seine Kritik von wirklichen Empfindungen unterscheiden kann. Eine andere Form solcher Sekundärempfindungen habe ich an mir selbst beobachtet. Höre ich aus der Ferne jemanden die Melodie eines mir bekannten Liedes auf einem Musikinstrument spielen, so kann ich bald nicht mehr unterscheiden, ob die Melodie gesungen oder auf einem Instrument gespielt wird, so lebhaft werden die den musikalischen Tönen assoziierten Worte erregt. Es sei schließlich vor allem noch auf die bereits behandelten  Assimilationserscheinungen  hingewiesen. Diese enthalten sehr oft Elemente, die lediglich reproduziert sind und doch eine sinnliche Lebhaftigkeit zeigen. Überwiegen dabei die reproduzierten Elemente, so sprechen wir von einer  Jllusion Sinnlich lebhaft erregte Erinnerungsbilder sind es, auf denen z. B. das Verlesen oder Verhören beruth. Die Jllusionen zeigen schließlich einen allmählichen Übergang zu den  Halluzinationen.  Diese stellen sinnlich lebhafte Reproduktionen dar, ohne daß für sie auch nur ein annähernd adäquater peripherer Reiz vorhanden war.

ALFRED LEHMANN (25) hat nun hervorgehoben, daß man an Erinnerungsbildern die  sinnliche Lebhaftigkeit  und die  Deutlichkeit  unterscheiden muß. LEHMANN hatte in dem oben erwähnten Beispiel wohl eine intensive  Gesamtvorstellung  von dem betreffenden Hund; aber über  Einzelheiten  vermochte er sich doch keine Rechenschaft zu geben. Die sinnliche Lebhaftigkeit hängt eben von der Intensität der Erregung der einzelnen Elemente ab. Dagegen bedingt die Zahl der erregten Elemente, also die Extensität des Prozesses, die Klarheit der Einzelheiten, d. h. eben die Deutlichkeit. Intensität und Extensität der psychischen Erregung machen aber zusammen erst die Stärke derselben aus. Vergegenwärtgen wir uns nun, daß die psychischen Elemente, deren Zahl die Extensität ausmacht, qualitative Verschiedenheiten darstellen, so muß es uns selbstverständlich erscheinen, daß eine Vorstellung, die sich von der entsprechenden Empfindung durch ihre Extensität unterscheidet, auch qualitativ verschieden erscheint. Was vom mechanischen Standpunkt nur quantitativ verschieden ist, unterscheidet sich in seiner psychischen Seite gar oft qualitativ. Kommen wir so MEYNERT und ZIEHEN entgegen, indem wir eine qualitative Verschiedenheit zwischen einer  komplexen  Empfindung und Vorstellung als meist vorhanden zugeben, so müssen wir doch das Vorhandensein aller Übergänge und das Fehlen eines prinzipiellen Unterschiedes zwischen ihnen hervorheben. Werden sich doch auch Empfindungen verschiedener Intensität in diesem Sinne ebenfalls qualitativ unterscheiden!

Die Zahl reproduzierbarer assoziativer Verbindungen ist eine sehr große. Ihre gegenseitige Verknüpfung ist dabei eine so mannigfaltige, daß jede Variation möglich ist. Die Folge dieser Mannigfaltigkeit ist die scheinbare Regellosigkeit der Ideenassoziation. Dieser Erscheinung wirkt nun aber die mit der Vermehrung der Komplikation der Ideenverbände zunehmende Tendenz der Bildung von Gesamtvorstellungen entgegen. Diese kommen auf folgende Weise zustande. Je komplexer eine assoziative Verbindung wird, umso seltener werden die einzelnen Elemente an der Reproduktion teilnehmen. Je weniger Pflanzen ich kenne, umso öfter werde ich an die einzelne denken, wenn ich mich überhaupt an Pflanzen erinnere. Nach dem Gesetz der Übung wird nun ein Vorstellungselement umso leichter erregbar, je öfter es bereits erregt worden ist. Je leichter aber ein Vorstellungselement erregbar ist, umso öfter wird es auch weiterhin erregt werden. Das gilt natürlich ebenso für Komplexe von Elementen. Beim Wort "Rose" denke ich viel eher an die Form einer Rose als an ihren Geruch, weil ich mehr Rosen gesehen als gerochen habe. Auf diese Weise treten gewisse Teilkomplexe einer assoziativen Verbindung in eine sozusagen übergeordnete Stellung zu anderen. Wird die Gesamtassoziation nur kurz erregt, dann tritt nur dieser Teilkomplex ins Bewußtsein. Wird nun aber dieser Teilkomplex festgehalten, dann werden uns der Reihe nach auch die anderen Elemente der Assoziation bewußt. Halte ich im obigen Beispiel das Gesichtsbild der Rose fest, dann erinnere ich mich im weiteren der verschiedenen Farben der Blüten, der grünen Blätter, der Dornen etc. Wird also eine übergeordnete Vorstellung stärker erregt, so kann sie für längere Zeit bestimmend auf den Bewußtseinsinhalt einwirken. Derartig übergeordnete Teilkomplexe stellen nun bei uns vor allem die Wortklangbilder dar. Sie ermöglichen, indem sie nun wieder untereinander in eine assoziative Verknüpfung treten und sich dann der obige Prozeß von neuem abspielt, die Bildung immer mehr zusammenfassender übergeordneter Teilkomplexe, die wir eben als Gesamtvorstellungen bezeichnen. Diese bilden die Grundlage für unser begriffliches, unser logisches Denken. Eine letzte assoziative Verknüpfung zwischen solchen Gesamtvorstellungen führt schließlich zu jener höchsten psychischen Leistung: der  Einheit des Bewußtseins,  dem Bewußtwerden der individuellen Persönlichkeit. Daß auch diese letzte Einheit eine Verknüpfung aus Vielheiten ist, beweist unser Traumleben, bewußt vor allem die Psychopathologie. Der Halluzinant, der Paralytiker, der Hysteriker: sie geben uns prächtige Beispiele eines solchen Zerfalls der Bewußtseinseinheit. Wir werden uns mit diesen Dissoziationserscheinungen später näher beschäftigen.

Fassen wir jetzt einmal den Verlauf der Ideenassoziation in seiner Gesamtheit ins Auge, so zeigt sich, daß sich die Bewußtseinserscheinungen zumeist unter das Schema von Assoziationsreihen zusammenfassen lassen. (26) Diese beginnen mit einer Empfindung. An diese schließen sich dann Vorstellungen und als letzte eine Bewegungsvorstellung an. Die nächste Bewußtseinserscheinung ist demnach eine Empfindung und zwar von einem Inhalt, der uns belehrt, daß die vorher gedachte Bewegung ausgeführt ist oder ausgeführt wird. Solche vielfach sich durchkreuzende und verzweigende Reihen stellen den Hauptinhalt unseres Bewußtseins dar. Hierbei kann nun aber das Schlußglied fortbleiben. Ebenso kann eine Empfindung sofort zu einer Bewegung führen, ohne daß Vorstellungen dazwischen auftreten. Es brauch auch eine Bewegungsvorstellung nicht der Bewegung voranzugehen. Schließlich ist die innere Wahrnehmung nicht immer imstande, eine Empfindung als Anfangsglied einer Assoziationsreihe nachzuweisen. So lernten wir als Charakteristikum für Halluzinationen eben die Eigentümlichkeit kennen, daß der für eine Empfindung charakteristisce äußere Reiz fehlt. Aber es sind nicht nur die Halluzinationen, die vielfach ohne jede nachweisbare Beziehung zur übrigen Ideenassoziation stehen, sondern es gibt auch solche Vorstellungen. HERBART hat sie als frei aufsteigende bezeichnet. Es erscheint mir erforderlich, diese trotzdem auf assoziative Verknüpfungen zurückzuführen. (27) Wir werden unten dieser Erscheinung eine andere Erklärung geben, wie überhaupt dieser Tatsachenkomplex der Selbstbeobachtung im Licht einer physiologischen Betrachtung ein viel einheitlicheres Bild darbietet.

Vergleichen wir den Gesamtinhalt des Bewußtseins in einem bestimmten Zeitabschnitt mit der großen Zahl von peripheren Reizen, so muß uns die geringe Anzahl von Empfindungen auffallen. Es besteht eben für periphere Reize eine Bewußtseinsschwelle. Der Reiz muß eine bestimmte Stärke haben, um eine Empfindung hervorzurufen. Diese Bewußtseinsschwelle zeigt nun aber starke Schwankungen. Diese Schwankungen sind ein Ausdruck der Tatsache, daß der jedesmalige Inhalt des Bewußtseins ein eng begrenzter ist. Gebe ich mich einer konzentrierten Denktätigkeit hin, so überhöre ich vollständig lauten Straßenlärm. Oder fesselt mich eine Gesichtswahrnehmung, so kann ich heftigen Schmerz lange vergessen. Macht sich nun aber der Schmerz doch wieder bemerkbar, so beobachte ich, daß die Gesichtsempfindung an Intensität umso mehr abnimmt, als der Schmerz zunimmt. Diese Beobachtung bestätigt sich überall.  Es besteht eben ein reziprokes Verhältnis zwischen Intensität und Extensität des Bewußtseinsinhaltes.  Man kann dieses "Prinzip der funktionellen Ausgleichung" (28) auch so fassen:  unter gleichen Ernährungsbedingungen bildet die psychische Energie eines Individuums eine Konstante.  (29)

Tritt eine Empfindung in unserem Bewußtsein auf und füllt diese in zunehmendem Maß seinen Inhalt aus, so beobachtet man ein zunehmendes Deutlicherwerden dieser Empfindung. Dasselbe kann nicht durch den peripheren Reiz bedingt sein. Denn diser hat unter Umständen schon längere Zeit zuvor auf das Nervensystem eingewirkt, ohne überhaupt perzipiert zu sein. Auch kann höchstens ein Teil des Deutlicherwerdens auf einer Einstellung der peripheren Sinnesorgane beruhen. Denn ein Einstellen ist nur beim Gehör und beim Auge möglich. Außerdem gilt dieses Deutlicherwerden auch für Vorstellungen. Hier kommt ein peripheres Einstellen überhaupt nicht in Betracht. So haben wir dieses Deutlicherwerden als eine spezifisch psychische Erscheinung aufzufassen. Diese Erscheinung ist das, was man allgemeine als das Phänomen der  Aufmerksamkeit  bezeichnet. Indem wir feststellen, daß das Deutlicherwerden durch die Aufmerksamkeit auf Kosten anderer Bestandteile des augenblicklichen Bewußtseinsinhaltes geschieht, tritt die Erscheinung der Aufmerksamkeit in eine nahe Beziehung zum engen Begrenztsein des Bewußtseinsinhaltes und der Konstanz der psychischen Energie.

Man hat sich darüber gestritten, ob die attentionelle Intensitätssteigerung, wie ich die durch die Aufmerksamkeit bedingte im Anschluß an EXNERs "attentionelle Bahnung" nennen will, sich qualitativ von einer durch Verstärkung des peripheren Reizes hervorgerufenen unterscheidet. Während ECKENER (30) dies behauptet, gibt KÜLPE (31) an, unaufmerksam erlebte stärkere und aufmerksam erlebte schwache Geräusche gleich empfunden zu haben. Ich glaube, daß analoge Verhältnisse wie beim Unterschied zwischen Empfindung und Vorstellung liegen.  Die attentionelle Stärkezunahme kann sich bald intensiv, bald extensiv äußern. 

Je konzentrierter nun die Aufmerksamkeit ist, umso mehr beobachten wir zugleich Begleiterscheinungen. Diese sind gefühlsbetonte Empfindungen mehr oder weniger unbestimmter Art. Aber wir können sie ingesamt als Organempfindungen analysieren. Wenigstens habe ich an mir nie ein noch daneben bestehendes besonderes Tätigkeitsgefühl beobachten können. Diese Organempfindungen zeigen sich in gleichem Maße, gilt nun die Aufmerksamkeit einer Bewegungsvorstellung, d. h. einem Willensakt, einer Wahrnehmung oder einer Reflexion.

Wir sahen nun oben, daß Gesamtvorstellungen infolge ihrer assoziativen Verbindungen da, wo sie erregt werden, bestimmend auf die Ideenassoziationi einwirken. Diese Einwirkung ist umso intensiver, je stärker solche Vorstellungen erregt werden. Dies hängt aber wieder von der Konzentration der Aufmerksamkeit auf dieselben ab. Da diese aber bezüglich ihrer Stärke in einem proportionalen Verhältnis zu begleitenden Organempfindungen steht, hält sich eine Assoziationsreihe umso länger im Bewußtsein, je mehr sie von solchen Organempfindungen begleitet wird. Eine längere einseitige Denkrichtung ist aber weiter notwendig, wenn die vorhandenen assoziativen Verbindungen untereinander neue eingehen sollen. Deshalb ist dazu eine Konzentration der Aufmerksamkeit nötig, deshalb geht die Bildung dieser neuen Assoziation unter begleitenden Organempfindungen einher.

Auf diese Erfahrungstatsachen - aber auch auf nichts weiteres - darf sich unserer Ansicht nach die im Anschluß an LEIBNIZ von WUNDT (32) ausgebildete Einteilung der psychischen Synthesen in assoziative und apperzeptive Verbindungen stützen. Wir sind nicht imstande daneben noch WUNDTs entscheidendes Charakteristikum, das Gefühl der inneren Tätigkeit, anzuerkennen. Uns erscheint jede psychische Synthese als eine passive. Wir sehen dementsprechend auch keine Qualitätsveränderung, sondern eine auf leichtere Erregbarkeit zurückzuführende Herabsetzung der zur Erregung notwendigen Reizintensität in der Tatsache, daß aus einer eingeübten apperzeptiven Verbindung allmählich eine innere und schließlich eine äußere assoziative Verknüpfung wird. (33) Es bedarf zur Erregung der betreffenden Verbindung nicht mehr der durch die Aufmerksamkeit bewirkten Reizverstärkung.

Versuchen wir nun aus diesen Tatsachenn der inneren Wahrnehmung einen Rückschluß auf das Wesen der physiologischen Parallelprozesse, so leiten uns andererseits folgende anatomische und physiologische Erfahrungen.

Die Histologie hat den Grundbauplan des Nervensystems im Vorhandensein von Zentralstätten und diese Zentralstätten verbindenden Leitungen erkannt. Dieses Prinzip bezieht sich ebensogut auf das gegenseitige Verhältnis zwischen Zentren, die eine Reihe von Elementen umfassen, wie auf das der Elemente eines Zentrums. Die elementaren Zentren stellen die Knotenpunkte der verschiedenen Leitungen dar. Die anatomische Abgrenzung dieser Knotenpunkte ist heute noch unsicher. Inwieweit die Zellleiber, das feine Fasernetz und schließlich die Kontaktstellen, wohl die Hauptpunkte des Widerstandes, beteiligt sind, ist noch nicht festgestellt. Andererseits dürfen wir in den Nervenfasern wohl die Leitungen der nervösen Erregung sehen. Einmal kennen wir keine anderen Gebilde, die wir als Leitungen deuten können, und andererseits hört die Leitung auf, wenn die Fasern irgendwo eine Unterbrechung zeigen. Dies gilt nicht nur für  subkortikale  [unter der Hirnrinde - wp] Leitungsunterbrechungen, sondern auch für die sogenannten  transkortikalen  [zwischen den einzelnen Feldern der Gehirnrinde - wp]. Diese sind es, die uns hier näher interessieren.

Um auf dieselben näher eingehen zu können, müssen wir zuvor den Zentralstätten näher treten, die zu den Parallelprozessen der psychischen Phänomene in einer näheren Beziehung stehen. Es ist im höchsten Grad wahrscheinlich, daß dieselben ausschließlich in der Hirnrinde liegen. Jedenfalls betraf jede Lokalisation, die bisher bezüglich des nervösen Parallelvorgangs einer Bewußtseinserscheinung möglich war, stets eine Stelle der Großhirnrinde. Es hat nun schon seit langem ein Streit bestanden, ob die einzelnen Gebiete der Großhirnrinde sich in der Qualität ihrer Funktion voneinander unterscheiden. Soweit es sich um materielle Qualitätsunterschiede handelt, die den Qualitäten der elementaren Bewußtseinserscheinungen parallel gehen, hat sich der Streit zugunnsten einer funktionellen Verschiedenheit der einzelnen Hirnrindenpartien entschieden. Von BROCA (34) hirnpathologisch und von FRITSCH und HITZIG (35) experimentell begründet, ist diese Form der Lokalisationstheorie durch unzählige experimentelle und pathologische Befunde fest begründet worden.

Man hat nun aber die Lokalisationslehre weiter differenzieren wollen. Zunächst haben Autoren, unter ihnen MUNK (36) und ZIEHEN (37), für die Empfindungen und Erinnerungsbilder (es ist im Folgenden natürlich stets dabei an die materiellen Parallelprozesse gedacht) getrennte Zentren angenommen. Wir kamen oben zu dem Resultat, daß sich die entsprechenden nervösen Parallelprozesse wie ihre psychischen Äquivalente nur durch Intensität voneinander unterscheiden. Wir haben deshalb auch keinen Grund, sie verschieden zu lokalisieren. Ebenso unnötig erscheint es uns, ein "Mitschwingen" subkortikaler Teile - wie FOREL (38) und SACHS (39) wohl im Anschluß an MEYNERT es zu tun geneigt sind - zur Erklärung der sinnlichen Lebhaftigkeit heranzuziehen.

Sodann ist von WUNDT (40) und im Anschluß an ihn auch von KÜLPE (41) die materielle Grundlage der apperzeptiven Verbindungen und der Einheitlichkeit des Bewußtseins als besonders lokalisiert angenommen worden. Vermutlich nehmen sie das Stirnhirn als Zentrum der Aufmerksamkeit in Anspruch. WUNDT hebt die Indifferenz des Stirnhirns bezüglich der Symptome der Bewegung und Empfindung gegen Verletzungen hervor. Wir möchten dagegen betonen, daß Paralytiker bei ausgeprägter Erkrankung des Stirnhirns einen stark nach vor überfallenden Gang zeigen. Diese Tatsache ist mir zuerst aus BINSWANGERs Vorlesungen bekannt geworden. Dann hat BRUNS (42) neuerdings wiederholt bei Geschwülsten im Stirnhirn Störungen des aufrechten Gangs beobachtet. FERRIER (43) hat beim Affen eine Unfähigkeit, "eine gerade Lage einzunehmen oder seinen Kopf und seine Augen seitwärts zu bewegen", dann gefunden, wenn er die Stirnlappen zerstörte. Zugleich zeigte sich ein merklicher psychischer Defekt: eine Erscheinung, die ich "in engste Beziehung zu den Willkürbewegungen des Kopfes und des Auges" (44) bringe. Wenn wir nun noch hervorheben, daß MUNK beim Hund eine - allerdings von anderer Seite in Zweifel gezogene - Abhängigkeit der Rumpfbewegungenn vom Stirnhirn nachgewiesen hat, so dürfen wir wohl mit WERNICKE den nicht dem sensomotorischen Schreib- (45) und Sprachzentrum dienenden Teil des Stirnhirns als sensomotorisches Zentrum für gewisse Rumpfbewegungen und speziell für den aufrechten Gang in Anspruch nehen. Damit ist zugleich seine anthropologische Entwicklung erklärt. Sodann wird auch durch diese dreifache Funktion des Stirnhirns seine ausgeprägt Faserverknüpfung mit anderen Hirnteilen, die WUNDT für seine Theorie verwerten will, genügend begründet. Zudem hat SACHS (46) mit Recht hervorgehoben - wenn auch seinerseits wieder in zu einseitiger Weise (47) -, daß der Schläfenlaen stärkere Faserverbindungen aufweist als das Stirnhirn. Die Allgemeinerscheinungen schließlich, die neuerdings wieder BIANCHI (48) als charakteristisch für die Zerstörung des Stirnhirns zusammengestellt hat, sind nicht - wie es ZIEHEN (49) bereits früheren ähnlichen Behauptungen gegenüber hervorgehoben hat - als Herdsymptome aufzufassen, sondern als Begleiterscheinungen, die "bei jeder Hirnerkrankung, sei sie wie auch immer lokalisiert, auftreten" können.

Eine Zwischenstellung zwischen der MUNK-ZIEHEN'schen und der WUNDT'schen Ansicht nimmt neuerdings FLECHSIG (50) aufgrund anatomischer Befunde ein. Der Autor hat erkannt, daß im kindlichen Großhirn zu einer Zeit, wo der Hirnfuß in seinen mittleren Partien und die Haube bereichts markhaltige Fasern führt, erst gewisse Gebiete, die "Sinneszentren", markhaltige Fasern zeigen. Daraus schließt nun FLECHSIG, daß die jetzt noch markhaltiger Fasern entbehrenden Rindengebiete keine oder fast keine Projektionsfasern bekommen. Die Zentren sollen nur Assoziationsfasern und Kommissurfasern haben und dementsprechend als eigentliche "geistige Zentren" (51) nur der assoziativen Verknüpfung dienen. Die FLECHSIG'sche Behauptung, daß gewissen Hirnrindenpartien die Projektionsfasern fehlen, ist übrigens nicht die erste dieser Art. Für eins der fraglichen Gebiete, die Insel, ist es bereits früher von SCHNOPFHAGEN (52) behauptet worden. Als ein großes Assoziationszentrum mit einer Umgrenzung von Sinneszentren stellt FREUD (53) ferner bereits sein einheitliches Sprachzentrum hin. Aber FLECHSIGs Schlußfolgerung scheint mir zwei Sprünge zu haben. Erstens hat FLECHSIG nicht bewiesen, daß in den mittleren Partien des Hirnfußes und in der Haubenregion  alle  Fasern bereits markhaltig sind. Es können doch zu der fraglichen Zeit marklose Fasern dazwischen gelagert sein. Dann aber sind zu jener Zeit die Kollateralen überhaupt noch nicht markhaltig. Die bisher noch der Projektionsfasern entbehrenden Gebiete können also derartige Kollaterale bekommen. Diese Annahme findet meiner Ansicht nach noch eine direkte theoretische Stütze. Aus den entwicklungsgeschichtlichen Feststellungen FLECHSIGs geht meiner Ansicht nach  sicher  hervor, daß die sogenannten "Assoziationszentren" phylogenetisch jünger sind als die "Sinneszentren". Nun müssen wir und doch eine Zunahme der Neuronen so denken, daß unter einer Volumenzunahme der Zelle der Achsenzylinder an Fibrillen, d. h. bezüglich der peripheren Verzweigung an Kollateralen [Seitenäste - wp], zunimmt. Ein derartiges Wachstum dürfte einer Teilung der Neuronen [Sinneszellen der Nasenschleimhaut - wp] vorangehen. Vergrößert sich nun ein Sinneszentrum, so dürften zunächst die Kollateralen an Zahl zunehmen. So ist es meiner Ansicht nach für die phylogenetisch jüngeren "Assoziationszentren" von vornherein sehr gut möglich, daß sie wenigstens Kollaterale bekommen. Neben diesen theoretischen Bedenken muß ich aber direkt Tatsachen gegen die FLECHSIG'sche Lehren anführen. Zunächst habe ich bei einem etwas älteren Gehirn Projektionsfasern ganz deutlich in die basalen Partien des Stirnhirns, eins der "Assoziationszentren", verfolgen können. Sodann habe ich aus dem  Trigonum olfactorium  [primäre Riechrinde - wp] ein Faserbündel in die äußere Kapsel ziehen sehen. Ich habe es allerdings nicht bis in die Rinde der Insel verfolgen und auch nicht gena feststellen können, ob es im  Tractus olfactorius  entspringt oder aus dem Bulbus stammt. Beim Erwachsenen habe ich schließlich keine Stelle des Parietal- oder Temporallappens gefunden, der ich die Projektionsfasern absprechen kann.

So erscheinen mir die bisherigen speziellen Differenzierungsversuche als unbegründet. Wir sprechen  allen  Rindenpartien die Fähigkeit zu, das physiologische Korrelat von Empfindungen abzugeben. Nur bezüglich der Qualität zeigt sich eine topische Verschiedenheit.

War diese Verschiedenheit aber einmal anerkannt, so mußte die Überlegung andererseits zur Annahme einer gegenseitigen Verbindung der einzelnen Rindenbezirke führen, sollte anders der nervöse Parallelprozeß einer Assoziationsreihe eine ununterbrochene Reihe darstellen. Folgte z. B. der Gesichtsempfindung eines Tisches als nächste Vorstellung im Bewußtsein das entsprechende Wortklangbild "Tisch", so lag entschieden die Vermutung am nächsten, daß sich die nervöse Erregung vom Zentrum der optischen Empfindungen zu dem der Wortklangbilder fortgepflanzt hat. Hierzu bedurfte es nun einer Bahn. Diese erkannte MEYNERT in seinen Kommissur- und Assoziationsfasern, die die Verbindung zwischen den Rindengebieten herstellen. Die Ausfallserscheinungen, die man als charakteristisch für eine Erkrankung derselben kennengelernt hat, haben ihm Recht gegeben. Am beweiskräftigsten sind für die MEYNERT'sche Lehre - wie schon von SACHS (54) hervorgehoben - die Ausfallserscheinungen bei einer Erkrankung des Balkenwulstes. Hier sind tatsächlich die psychischen Erscheinungen, deren physiologisches Korrelat wir in einem Zusammenwirken des rechten Hinterhauptlappens und linken Schläfenlappens erblicken, aufgehoben, wie unter Umständen auch jene optischen assoziativen Verbindungen, deren anatomische Grundlage wir in beide Hinterhauptlappen zu lokalisieren haben. Es sei deshalb allerdings nicht versäumt hervorzuheben, daß eine einwandfreie Deutung auch der zirkumskriptesten [scharf abgegrenzten - wp] Herderkrankungen heutzutage noch nicht möglich ist (55): BIANCHI (56) hat einen Fall von optischer Aphasie beschrieben. Der linke Schläfenlappen und der rechte Hinterhauptlappen waren intakt. Aber im Splenium war ein primärer Herd. Indem dieser die Faserverknüpfungen zwischen jenen beiden Hirnregionen zerstörte, wird es verständlich, daß der Patient keine Gegenstände benennen konnte, die er im linken Gesichtsfeld erkannte. DÉJÉRINE (57) beobachtete bei einer Erkrankung, die sich später als eine Erweichung des Lichtfeldes der linken Hemisphäre mit einer gleichzeitigen Erweichung im Splenium herausstellte, vier Jahre hindurch vollständige Alexie [Verlust der Lesefähigkeit - wp], bei der Fähigkeit spontan und auf Diktat schreiben zu können. Mit Recht führt SACHS (58) diese Erscheinung auf eine "transkortikale" Leitungsunterbrechung zwischen dem funktionsfähigen rechten Hinterhauptlappen und dem ebenfalls intakten linksseitigen Lobulus angularis, dem optischen Buchstabenzentrum, zurück.

In diesen Fällen hat eine Unterbrechung der anatomischen Verbindung zwischen den zwei Rindenbezirken zugleich die assoziative Verbindung zwischen denjenigen psychischen Erscheinungen aufgehoben, deren materielle Parallelprozesse wir in jene Zentren zu lokalisieren haben. So stützen also die klinischen Erfahrungen durchaus bezüglich  getrennter Rindenpartien  die am nächsten liegende Annahme, daß die psychischen Assoziationen ein physiologisches Korrelat haben und sich dieses als die in den verbindenden Nervenbahnen fortschreitende nervöse Erregung darstellt.  So findet die Forderung einer geschlossenen Naturkausalität für alle diejenigen Assoziationen ihre Befriedigung, deren Elemente ihrem physiologischen Korrelat nach in verschiedene Rindenbezirke zu lokalisieren sind. 

Nichts hindert uns aber, dieses Prinzip auch auf die Elemente des Rindenbezirks zu übertragen.  Zunächst stellen sich der inneren Wahrnehmung Assoziationen zwischen Elementen, deren nervöse Parallelvorgänge sich in verschiedenen Rindenbezirken abspielen, als nicht qualitativ verschieden von denen dar, die sich auf Elemente mit physiologischen Prozessen  eines  Bezirkes beziehen. Sodann ist der anatomische Bauplan - wie wir oben sahen - der gleiche. Dabei sind die anatomischen Verknüpfungen so vielseitig, daß wir jedes zentrale Element als direkt oder indirekt mit allen anderen verbunden ansehen dürfen. Die Mannigfaltigkeit der Assoziationen übertrifft also nicht die der anatomischen Verbindungen. Schließlich stützen gewisse experimentelle und klinische Erfahrungen unsere Verallgemeinerung. Wir haben oben festgestellt, daß wir die latenten Erinnerungsbilder als fixierte Assoziationen aufzufassen haben. Je komplizierter die Erinnerungsbilder nun sind, umso komplizierter die Assoziationen. Es hat nun MUNK gefunden, daß bei einer partiellen Läsion eines Rindenbezirks zunächst dessen höchste Funktion verloren geht. Wir dürfen diesen Befund doch wohl so deuten, daß die kompliziertesten Assoziationen einzelne Elemente eingebüßt haben, daß auf diesem  Ausfall  einzelner Elemente das Verschwinden der am meisten zusammengesetzten Vorstellungen beruth. Zirkumskripte Herde in den mittleren Abschnitten der Zentralwindungen rufen, wie WERNICKE (59) und RIEGNER (6) beschrieben haben und auch ich wiederholt beobachten konnte, zuerst oder bei akuter Erkrankung als am längsten dauernes Symptom eine "Tastlähmung" hervor. Die Kranken haben keine Tastvorstellungen mehr und sind ungeschickt bei feineren Bewegungen. Es wird uns andererseits wohl kein Einwand gemacht werden, wenn wir mit WERNICKE (61) die Tastvorstellungen als die kompliziertesten Bewegungsvorstellungen auffassen. So verstehen wir ihren Ausfall bei einer Erhaltung gröberer, d. h. weniger komplizierter Bewegungsvorstellungen. Ebenso dürfte wenigstens zum Teil auf den Ausfall von Elementen des optisch-motorischen Rindenfeldes beider Hinterhauptlappen das Verlorengehen des Raumsinns bei einem Erhaltensein einfacher Gesichterinnerungsbilder beruhen (62). Schließlich sprechen alle pathologisch-anatomischen Untersuchungen dafür, daß die unter dem Bild einer zunehmenden Dissoziation fortschreitende Verblödung der progressiven Paralyse auf den Ausfall einzelner Neurone zurückzuführen ist. Es wäre nun doch einseitig, in all diesen Fällen die Funktionsschädigung immer auf die Vernichtung der eigentlichen Zentralstätten der Neurone zurückführen zu wollen, und nicht auch den Untergang von Nervenfasern dafür verantwortlich zu machen.

Solange aber dem Versuch, die synthetischen Prozesse der psychischen Phänomene mit Leitungsvorgängen in den Nervenbahnen in Beziehung zu bringen, keine  Tatsachen  widersprechen, ist er berechtigt.  Ja unsere Annahme hat dieselbe logische Gültigkeit wie die sogenannten Naturgesetze. Mit diesen hat sie die große Bedeutung gemein, zugleich ein methodisches Prinzip zu sein.  (63)  Dieses liegt darin, daß unsere Hypothese uns auffordert, für jede psychische Synthese den materiellen Parallelprozeß nachzuweisen, sowie die Gesetze der Assoziation als Spezialfälle physiologischer Erscheinungen darzulegen. 

LITERATUR - Oskar Vogt, Zur Kenntnis des Wesens und der psychologischen Bedeutung des Hypnotismus, Zeitschrift für Hypnotismus, Bd. 3, Leipzig 1895
    Anmerkungen
    1) Nach einem in der biologischen Gesellschaft zu Leipzig am 5. Juli 1895 gehaltenen Vortrag.
    2) Vgl. bezüglich der gegenteiligen Ansicht vor allem: WILHELM WUNDT, Über psychische Kausalität und das Prinzip des psychophysischen Parallelismus, Philosophische Studien, Bd. 1, Leipzig 1894
    3) Vgl. HUGO MÜNSTERBERG, "Über Aufgaben und Methoden der Psychologie", Schriften der Gesellschaft für psychologische Forschung, Bd1., Heft 2, 1891
    4) Vgl. WUNDT, Bemerkungen zur Assoziatonslehre, Philosophische Studien, Bd. 7, Seite 336
    5) WUNDT, Physiologische Psychologie II, 4. Auflage, Seite 469
    6) Vgl. AUGUSTE FOREL, Hypnotismus, 3. Auflage, 1895; Über Gehirn und Seele. Mit Anmerkungen, Bonn 1894; Zeitschrift für Hypnotismus Bd. 1, Seite 1f; Bd. 3, Seite 65f
    7) OSWALD KÜLPE, Grundriß der Psychologie, Seite 2f
    8) WUNDT, Physiologische Psychologie I, Seite 241
    9) MÜNSTERBERG, Aufgaben a. a. O., Seite 64f
    10) MÜNSTERBERG, Aufgaben a. a. O., Seite 37
    11) HÖFFDING, Psychologie, 2. Auflage, Seite 25
    12) THEODOR ZIEHEN, Leitfaden der physiologischen Psychologie, Seite 108
    13) Vgl. KÜLPE, Psychologie, Seite 185
    14) THEODOR MEYNERT, Psychiatrie, 1884.
    15) ZIEHEN, LEITFADEN, Seite 108f
    16) WUNDT, Psychische Kausalität.
    17) WUNDT, Physiologische Psychologie II, Seite 474
    18) Vgl. WERNICKE, Grundriß der Psychiatrie I, Seite 25 und 29
    19) Es ist die "sinnliche Erkennung" WUNDTs (Assoziationslehre, Seite 345), die "primäre Identifikation" WERNICKEs Grundriß, Seite 8) gemeint.
    20) WUNDT, Zur Assoziationslehre
    21) WUNDT, Zur Assoziationslehre, Seite 333
    22) WUNDT, Zur Assoziationslehre, Seite 329f und "Physiologische Psychologie II, Seite 467f
    23) ALFRED LEHMANN, Hypnose, Seite 109
    24) SACHS, Großhirn, Seite 112
    25) LEHMANN, Hypnose, Seite 109
    26) ZIEHEN, Leitfaden, Seite 15
    27) WUNDT, Zur Assoziationslehre, Seite 361
    28) WUNDT, Hypnotismus, Seite 56
    29) SACHS, Großhirn, Seite 110. WERNICKE, Psychiatrie I, Seite 72f
    30) ECKENER, Philosophische Studien, Bd. 8
    31) KÜLPE, Psychologie, Seite 445
    32) WUNDT, Physiologische Psychologie II, Seite 437f
    33) WUNDT, Physiologische Psychologie II, Seite 457
    34) BROCA, Sur le siége de la faculté du language articulé avec deux observations d'aphémie 1861
    35) FRITSCHE und HITZIG, im Archiv der DUBOIS-REYMOND, 1870
    36) MUNK, Über die Funktion der Großhirnrinde, 1890
    37) Ziehen, Leitfaden und Psychiatrie
    38) FOREL, Hypnotismus, 3. Auflage, Seite 20
    39) SACHS, Großhirn, Seite 111
    40) WUNDT, Physiologische Psychologie I, Seite 227f
    41) KÜLPE, Psychologie, Seite 461
    42) BRUNS, Verhandlungen der 64. Versammlung der Gesellschaft deutscher Naturforscher und Ärzte, 1892
    43) FERRIER, Vorlesungen über Hirnlokalisation, 1892, Seite 161f
    44) Bekanntlich findet sich dieses frontale Zentrum für Augenbewegungen - soweit unsere Erfahrung reicht - beim Menschen nicht.
    45) Das Vorhandensein eines besonderen Schreibzentrums, wie es CHARCOT zuerst angenommen hat, wird von DÉJÉRINE und WERNICKE bestritten (WERNICKE, Zwei Fälle von Rindenläsion, Seite 51).
    46) SACHS, Der Hinterhauptlappen, Seite 24
    47) Vgl. meine Bemerkungen in "Über Fasersysteme in den mittleren und kaudalen Balkenabschnitten", Neurologisches Zentralblatt, 1895
    48) Berliner klinische Wochenschrift, 1894
    49) ZIEHEN, Leitfaden, Seite 162
    50) PAUL FLECHSIG, Über ein neues Einteilungsprinzip der Großhirnoberfläche, Neurologisches Zentralblatt, 1894
    51) FLECHSIG, Gehirn und Seele, Rektoratsrede, 1894
    52) SCHNOPFHAGEN; Die Entstehung der Windung des Großhirns, Seite 2
    53) SIGMUND FREUD, Zur Auffassung der Aphasien, Seite 64
    54) SACHS, Großhirn, Seite 196f
    55) Jede Herderkrankung führt im weiteren Verlauf zu Schrumpfungsprozessen. Wir können nun nie sicher zwischen  Ausfallserscheinungen,  die auf einer Zerstörung von nervösen Elementen beruhen, und  sekundären  Hemmungserscheinungen, denen eine durch den Schrumpfungsprozeß bewirkte Herabsetzung der Funktionsfähigkeit gewisser Elemente zugrunde liegt, unterscheiden. Außerdem können  primäre Hemmungserscheinungen,  die als sogenannte "Allgemeinerscheinungen" die Hämoraghie [Blutung - wp] oder Embolie [Verschluß eines Blutgefäßes - wp] bei ihrem Auftreten begleiteten, durch eine konsekutive Fixierung der durch die Herderkrankung zunächst geschaffenen Konstellationsanomalien bestehen bleiben. Dieser Gesichtspunkt, daß gewisse vermeintliche Ausfallserscheinungen solche funktionelle, "auf Autosuggestion beruhende" Hemmungserscheinungen darstellen können, ist leider noch gar nicht bei der Deutung von Herderscheinungen berücksichtigt.
    56) BIANCHI, Klinischer und pathologisch-anatomischer Beitrag zur Lehre von der Wortblindheit, Berliner klinische Wochenschrift, 1894, Seite 333f
    57) Vgl. VIALET, Les centres cérébraux de la vision, Seite 256f
    58) SACHS, Großhirn, Seite 265
    59) WERNICKE, Zwei Fälle von Rindenläsion, Arbeiten aus der psychiatrischen Klinik in Breslau, Heft 2.
    60) Deutsche medizinische Wochenschrift 1894
    61) WERNICKE, Psychiatrie I, Seite 54f
    62) SACHS, Das Gehirn des Förster'schen "Rindenblinden". Arbeit aus der psychiatrischen Klinik in Breslau, II / 3.
    63) Vgl. HÖFFDING, Psychologie, Seite 43