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IMMANUEL KANT
(1724-1804)
Prolegomena
Der transzendentalen Hauptfrage
erster Teil
[3/9]

    Einleitung
Vorerinnerung
Der transzendentalen Hauptfrage - erster Teil
Der transzendentalen Hauptfrage - zweiter Teil
Anhang zur reinen Naturwissenschaft
Der transzendentalen Hauptfrage - dritter Teil
Beschluß
Auflösung der allgemeinen Frage
Anhang von dem geschehen kann, um ...

"Anschauung ist eine Vorstellung, so wie sie unmittelbar von der Gegenwart des Gegenstandes abhängen würde. Daher scheint es unmöglich,  a priori ursprünglich  anzuschauen, weil die Anschauung ja ohne einen weder vorher, noch jetzt gegenwärtigen Gegenstand, worauf sie sich bezöge, stattfinden müßte und also nicht Anschauung sein könnte."

"Es sind uns Dinge als außer uns befindliche Gegenstände unserer Sinne gegeben, allein von dem, was sie an sich selbst sein mögen, wissen wir nichts, sondern kennen nur ihre Erscheinungen d. i. die Vorstellungen, die sie in uns wirken, indem sie unsere Sinne affzieren."

"Wenn uns Erscheinung gegeben ist, so sind wir noch ganz frei, wie wir die Sache daraus beurteilen wollen. Jene, nämlich Erscheinung, beruthe auf den Sinnen, diese Beurteilung aber auf dem Verstand und es fragt sich nur, ob in der Bestimmung des Gegenstandes Wahrheit sei oder nicht. Der Unterschied aber zwischen Wahrheit und Traum wird nicht durch die Beschaffenheit der Vorstellungen, die auf Gegenstände bezogen werden, ausgemacht, denn sie sin in beiden einerlei, sondern durch die Verknüpfung derselben, nach den Regeln, welche den Zusammenhang der Vorstellungen im Begriff eines Objekts bestimmen und wiefern sie in einer Erfahrung beisammen stehen können oder nicht. Und da liegt es gar nicht an den Erscheinungen, wenn unsere Erkenntnis den Schein für Wahrheit nimmt, d. i. wenn Anschauung, wodurch uns ein Objekt gegeben wird, für den Begriff vom Gegenstand oder auch der Existenz desselben, die der Verstand nur denken kann, gehalten wird."

"Meine Prinzipien ... sind das einzige Mittel, den transzendentalen Schein zu verhüten, wodurch Metaphysik von jeher getäuscht und eben dadurch zu den kindischen Bestrebungen verleitet worden, nach Seifenblasen zu haschen, weil man Erscheinungen, die doch bloße Vorstellungen sind, für Sachen an sich selbst nahm..."

Wie ist reine Mathematik möglich?
§ 6.

Hier ist nun eine große und bewährte Erkenntnis, die schon jetzt von bewunderungswürdigem Umfang ist und unbegrenzte Ausbreitung für die Zukunft verspricht, die durch und durch apodiktische [logisch zwingende, demonstrierbare - wp] Gewißheit, d. i. absolute Notwendigkeit bei sich führt, also auf keinen Erfahrungsgründen beruht, mithin ein reines Produkt der Vernunft, überdem aber durch und durch synthetisch ist: "wie ist es nun der menschlichen Vernunft möglich, eine solche Erkenntnis gänzlich  a priori  zustande zu bringen?" Setzt dieses Vermögen, da es sich nicht auf Erfahrung fußt, noch fußen kann, nicht irgend einen Erkenntnisgrund  a priori  voraus, der tief verborgen liegt, der sich aber durch diese seine Wirkungen offenbaren dürfte, wenn man den ersten Anfängen derselben nur fleißig nachspürte?


§ 7.

Wir finden aber, daß alle mathematische Erkenntnis dieses Eigentümliche habe, daß sie ihren Begriff vorher  in der Anschauung  und zwar  a priori,  mithin einer solchen, die nicht empirisch, sondern reine Anschauung ist, darstellen müsse, ohne welches Mittel sie nicht einen einzigen Schritt tun kann; daher ihre Urteile  intuitiv  sind, anstatt daß Philosophie sich mit  diskursiven  Urteilen  aus bloßen Begriffen  begnügen und ihre apodiktischen Lehren wohl durch Anschauung erläutern, niemals aber daher ableiten kann. Diese Beobachtung in Ansehung der Natur der Mathematik gibt uns nun schon eine Leitung auf die erste und oberste Bedingung ihrer Möglichkeit, nämlich: es muß ihr irgend  eine reine Anschauung  zum Grund liegen, in welcher sie alle ihre Begriffe  in concreto  und dennoch  a priori  darstellen, oder, wie man es nennt, sie  konstruieren  kann. (1) Können wir diese reine Anschauung und die Möglichkeit einer solchen ausfinden, so erklärt sich daraus leicht, wie synthetische Sätze  a priori  in der reinen Mathematik und mithin auch, wie diese Wissenschaft selbst möglich sei; denn so, wie die empirische Anschauung es ohne Schwierigkeit möglich macht, daß wir unseren Begriff, den wir uns von einem Objekt der Anschauung machen, durch neue Prädikate, die die Anschauung selbst darbietet, in der Erfahrung synthetisch erweitern, so wird es auch die reine Anschauung tun, nur mit dem Unterschied: daß im letzteren Fall das synthetische Urteil  a priori  gewiß und apodiktisch, im ersteren aber nur  a posteriori  und empirisch gewiß sein wird, weil diese nur das enthält, was in der zufälligen empirischen Anschauung angetroffen wird, jene aber, was in der reinen notwendig angetroffen werden muß, indem sie, als Anschauung  a priori,  mit dem Begriff  vor aller Erfahrung  oder einzelnen Wahrnehmung unzertrennlich verbunden ist.


§ 8.

Allein die Schwierigkeit scheint bei diesem Schritt eher zu wachsen, als abzunehmen. Denn nunmehr lautet die Frage:  wie ist es möglich, etwas a priori anzuschauen?  Anschauung ist eine Vorstellung, so wie sie unmittelbar von der Gegenwart des Gegenstandes abhängen würde. Daher scheint es unmöglich,  a priori  ursprünglich' anzuschauen, weil die Anschauung ja ohne einen weder vorher, noch jetzt gegenwärtigen Gegenstand, worauf sie sich bezöge, stattfinden müßte und also nicht Anschauung sein könnte. Begriffe sind zwar von der Art, daß wir uns einige derselben, nämlich die, die nur das Denken eine Gegenstandes überhaupt enthalten, ganz wohl  a priori  machen können, ohne daß wir uns in einem unmittelbaren Verhältnis zum Gegenstand befänden, z. B. den Begriff von Größe, von Ursache usw., aber selbst diese bedürfen doch, um ihnen Bedeutung und Sinn zu verschaffen, einen gewissen Gebrauch  in concreto  d. i. Anwendung auf irgendeine Anschauung, dadurch uns ein Gegenstand derselben gegeben wird. Allein wie kann  Anschauung  des Gegenstandes vor dem Gegenstand selbst vorhergehen?


§ 9.

Müßte unsere Anschauung von der Art sein, daß sie Dinge vorstellte,  so wie sie an sich selbst sind,  so würde gar keine Anschauung  a priori  stattfinden, sondern sie wäre allemal empirisch. Denn was im Gegenstand an sich selbst enthalten sei, kann ich nur wissen, wenn er mir gegenwärtig gegeben sei, kann ich nur wissen, wenn er mir gegenwärtig und gegeben ist. Freilich ist es auch dann unbegreiflich, wie die Anschauung einer gegenwärtigen Sache mir diese sollte zu erkennen geben, wie sie an sich ist, da ihre Eigenschaften nicht in meine Vorstellungskraft hinüber wandern können; allein die Möglichkeit davon eingeräumt, so würde doch dergleichen Anschauung nicht  a priori  stattfinden, d. i. ehe mir noch der Gegenstand vorgestellt würde; denn ohne das kann kein Grund der Beziehung meiner Vorstellung auf ihn erdacht werden, sie müßte denn auf Eingebung beruhen. Es ist also nur auf eine einzige Art möglich, daß meine Anschauung vor der Wirklichkeit des Gegenstandes vorhergehe und als Erkenntnis  a priori  stattfinde,  wenn  sie nämlich nichts anderes enthält, als die Form der Sinnlichkeit, die in meinem Subjekt vor allen wirklichen Eindrücken vorhergeht, dadurch ich von Gegenständen affiziert werde.' Denn daß Gegenstände der Sinne dieser Form der Sinnlichkeit gemäß allein angeschaut werden können, kann ich  a priori  wissen. Hieraus folgt: daß Sätze, die bloß diese Form der sinnlichen Anschauung betreffen, von Gegenständen der Sinne möglich und gültig sein werden, genauso umgekehrt, daß Anschauungen, die  a priori  möglich sind, niemals andere Dinge als Gegenstände unserer Sinne betreffen können.


§ 10.

Also ist es nur die Form der sinnlichen Anschauung, wodurch wir  a priori  Dinge anschauen können, wodurch wir aber auch die Objekte nur erkennen, wie sie uns (unseren Sinnen)  erscheinen  können, nicht, wie sie an sich sein mögen und diese Voraussetzung ist schlechterdings notwendig, wenn synthetische Sätze  a priori  als möglich eingeräumt oder im Falle, daß sie wirklich angetroffen werden, ihre Möglichkeit begriffen und zum voraus bestimmt werden soll.

Nun sind Raum und Zeit diejenigen Anschauungen, welche die reine Mathematik allen ihren Erkenntnissen und Urteilen, die zugleich apodiktisch und notwendig auftreten, zum Grunde legt; denn Mathematik muß alle ihre Begriffe zuerst in der Anschauung und reine Mathematik in der reinen Anschauung darstellen, d. i. sie konstruieren, ohne welche (weil sie nicht analytisch, nämlich durch Zergliederung der Begriffe, sondern synthetisch verfahren kann) es ihr unmöglich ist, einen Schritt zu tun, so lange ihr nämlich reine Anschauung fehlt, in der allein der Stoff zu synthetischen Urteilen  a priori  gegeben werden kann. Geometrie legt die reine Anschauung des Raums zum Grunde. Arithmetik bringt selbst ihre Zahlbegriffe durch sukzessive Hinzusetzung der Einheiten in der Zeit zustande, vornehmlich aber reine Mechanik kann ihre Begriffe von Bewegung nur vermittels der Vorstellung der Zeit zustande bringen. Beide Vorstellungen aber sind bloß Anschauungen; denn wenn man von den empirischen Anschauungen der Körper und ihrer Veränderungen (Bewegung) alles Empirische, nämlich was zur Empfindung gehört, wegläßt, so bleiben noch Raum und Zeit übrig, welche also reine Anschauungen sind, die jenen  a priori  zum Grunde liegen und daher selbst niemals weggelassen werden können, aber eben dadurch, daß sie reine Anschauungen  a priori  sind, beweisen, daß sie bloße Formen unserer Sinnlichkeit sind, die vor aller empirischen Anschauung, d. i. der Wahrnehmung wirklicher Gegenstände vorhergehen müssen und denen gemäß Gegenstände  a priori  erkannt werden können, aber freilich nur, wie sie uns erscheinen.


§ 11.

Die Aufgabe des gegenwärtigen Abschnitts ist also aufgelöst. Reine Mathematik ist, als synthetische Erkenntnis  a priori,  nur dadurch möglich, daß sie auf keine anderen, als bloße Gegenstände der Sinne geht, deren empirischer Anschauung eine reine Anschauung (des Raums und der Zeit) und zwar  a priori  zum Grunde liegt und darum zum Grunde liegen kann, weil diese nichts anderes, als die bloße Form der Sinnlichkeit ist, welche vor der wirklichen Erscheinung der Gegenstände vorhergeht, indem sie dieselbe in der Tat allererst möglich macht. Doch betrifft dieses Vermögen,  a priori  anzuschauen, nicht die Materie der Erscheinung, d. i. das, was in ihr Empfindung ist, denn diese macht das Empirische aus, sondern nur die Form derselben, Raum und Zeit. Wollte man im mindesten daran zweifeln, daß beide gar keine den Dingen an sich selbst, sondern nur bloße ihrem Verhältnis zur Sinnlichkeit anhängende Bestimmungen seien, so möchte ich gerne wissen, wie man es möglich finden kann,  a priori,  also vor aller Bekanntschaft mit den Dingen, ehe sie nämlich uns gegeben sind, zu wissen, wie ihre Anschauung beschaffen sein müsse, welches doch hier der Fall mit Raum und Zeit ist. Dieses ist aber ganz unbegreiflich, sobald beide für nichts weiter, als formale Bedingungen unserer Sinnlichkeit, die Gegenstände aber bloß für Erscheinungen gelten; denn alsdenn kann die Form der Erscheinung, d. i. die reine Anschauung, allerdings aus uns selbst d. i.  a priori  vorgestellt werden.


§ 12.

Um etwas zur Erläuterung und Bestätigung beizufügen, darf man nur das gewöhnliche und unumgänglich notwendige Verfahren der Geometer ansehen. Alle Beweise von durchgängiger Gleichheit zweier gegebener Figuren (da eine in allen Stücken an die Stelle der anderen gesetzt werden kann) laufen zuletzt darauf hinaus, daß sie einander decken; welches offenbar nichts anderes, als ein auf der unmittelbaren Anschauung beruhender synthetischer Satz ist und diese Anschauung muß rein und  a priori  gegeben werden, denn sonst könnte jener Satz nicht für apodiktisch gewiß gelten, sondern hätte nur empirische Gewißheit. Es würde nur heißen: man bemerkt es jederzeit so und er gilt nur so weit, als unsere Wahrnehmung sich bis dahin erstreckt hat. Daß der vollständige Raum (der selbst keine Grenze eines anderen Raumes mehr ist) drei Abmessungen habe und Raum überhaupt auch nicht mehr derselben haben könne, wird auf den Satz gebaut, daß sich in einem Punkt nicht mehr als drei Linien rechtwinklig schneiden können; dieser Satz aber kann gar nicht aus Begriffen dargetan werden, sondern beruth unmittelbar auf Anschauung, und zwar reiner  a priori,  weil er apodiktisch gewiß ist; daß man verlangen kann, eine Linie solle ins Unendliche gezogen  (in definitum)  oder eine Reihe Veränderungen (z. B. durch Bewegung zurückgelegte Räume) solle ins Unendliche fortgesetzt werden, setzt doch eine Vorstellung des Raumes und der Zeit voraus, die bloß an der Anschauung hängen kann, nämlich sofern sie an sich durch nichts begrenzt ist; denn aus Begriffen könnte sie nie geschlossen werden. Also liegen doch wirklich der Mathematik reine Anschauungen  a priori  zum Grunde, welche ihre synthetischen und apodiktisch geltenden Sätze möglich machen und daher erklärt unsere transzendentale Deduktion der Begriffe in Raum und Zeit zugleich die Möglichkeit einer reinen Mathematik, die ohne eine solche Deduktion und ohne daß wir annehmen: "alles, was unseren Sinnen gegeben werden mag (dem äußeren im Raum, dem inneren in der Zeit) werde von uns nur angeschaut, wie es uns erscheint, nicht wie es an sich selbst ist," zwar eingeräumt, aber keineswegs eingesehen werden könnte.


§ 13.

Diejenigen, welche noch nicht vom Begriff loskommen können, als ob Raum und Zeit wirkliche Beschaffenheiten wären, die den Dingen an sich selbst anhingen, können ihre Scharfsinnigkeit an folgendem Paradoxon üben und wenn sie dessen Auflösung vergebens gesucht haben, wenigstens auf einige Augenblicke von Vorurteilen frei, vermuten, daß doch vielleicht die Abwürdigung des Raumes und der Zeit zu bloßen Formen unserer sinnlichen Anschauung Grund haben möge.

Wenn zwei Dinge in allen Stücken, die an jedem für sich nur immer können erkannt werden (in allen zur Größe und Qualität gehörigen Bestimmungen) völlig einerlei sind, so muß doch folgen, daß eins in allen Fällen und Beziehungen an die Stelle des anderen könne gesetzt werden, ohne daß diese Vertauschung den mindesten kenntlichen Unterschied verursachen würde. In der Tat verhält sich das auch so mit ebenen Figuren in der Geometrie; allein verschiedene sphärische zeigen, ungeachtet jener völligen inneren Übereinstimmung, doch eine solche im äußeren Verhältnis, daß sich eine an die Stelle der andern gar nicht setzen läßt, z. B. zwei sphärische Triangel von beiden Hemisphären, die einen Bogen des Äquators zur gemeinschaftlichen Basis haben, können völlig gleich sein, in Ansehung der Seiten sowohl, als Winkel, so daß an keinem, wenn er allein und zugleich vollständig beschrieben wird, nichts angetroffen wird, was nicht zugleich in der Beschreibung des andern läge und dennoch kann einer nicht an die Stelle des andern (nämlich auf der entgegengesetzten Hemisphäre) gesetzt werden; und hier ist denn doch eine  innere  Verschiedenheit beider Triangel, die kein Verstand als innerlich angeben kann und die sich nur durch das äußere Verhältnis im Raum offenbart. Allein ich will gewöhnlichere Fälle anführen, die aus dem gemeinen Leben genommen werden können.

Was kann wohl meiner Hand oder meinem Ohr ähnlicher und in allen Stücken gleicher sein, als ihr Bild im Spiegel? Und dennoch kann ich eine solche Hand, als im Spiegel gesehen wird, nicht an die Stelle ihres Urbildes setzen; denn wenn dieses eine rechte Hand war, so ist jene im Spiegel eine linke und das Bild des rechten Ohres ist ein linkes, das nimmermehr die Stelle des ersteren vertreten kann. Nun sind hier keine inneren Unterschiede, die irgendein Verstand nur denken könnte; und dennoch sind die Unterschiede innerlich, so weit die Sinne lehren, denn die linke Hand kann mit der rechten, ungeachtet aller beiderseitigen Gleichheit und Ähnlichkeit, doch nicht zwischen denselben Grenzen eingeschlossen sein (sie können nicht kongruieren); der Handschuh der einen Hand kann nicht der ander andern gebraucht werden. Was ist nun die Auflösung? Diese Gegenstände sind nicht etwa Vorstellungen der Dinge, wie sie an sich selbst sind und wie der pure Verstand erkennen würde, sondern es sind sinnliche Anschauungen, d. i. Erscheinungen, deren Möglichkeit auf dem Verhältnis gewisser an sich unbekannten Dinge zu etwas anderem, nämlich unserer Sinnlichkeit beruth. Von dieser ist nun der Raum die Form der äußeren Anschauung und die innere Bestimmung eines jeden Raumes ist nur durch die Bestimmung der äußeren Verhältnisse zum ganzen Raum, davon jeder ein Teil ist (dem Verhältnis zum äußeren Sinn), d. i. der Teil ist nur durchs Ganze möglich, welches bei Dingen an sich selbst, als Gegenständen des bloßen Verstandes niemals, wohl aber bei bloßen Erscheinungen stattfindet. Wir können daher auch den Unterschied ähnlicher und gleicher, aber doch inkongruenter Dinge (z. B. widersinnig gewundener Schnecken) durch keinen einzigen Begriff verständlich machen, sondern nur durch das Verhältnis zur rechten und linken Hand, welches unmittelbar auf Anschauung geht.


Anmerkung I.

Die reine Mathematik und namentlich die reine Geometrie kann nur unter den Bedingung allein objektive Realität haben, daß sie bloß auf Gegenstände der Sinne geht, in Ansehung deren aber der Grundsatz feststeht: Daß unsere sinnliche Vorstellung keineswegs eine Vorstellung der Dinge an sich selbst, sondern nur der Art sei, wie sie uns erscheinen. Daraus folgt, daß die Sätze der Geometrie nicht etwa Bestimmungen eines bloßen Geschöpfes unserer dichtenden Phantasie und also nicht mit Zuverlässigkeit auf wirkliche Gegenstände könnten bezogen werden, sondern daß sie notwendigerweise vom Raum und darum auch von allem, was im Raum angetroffen werden mag, gelten, weil der Raum nichts anderes ist, als die Form aller äußeren Erscheinungen, unter der uns allein Gegenstände der Sinne gegeben werden können. Die Sinnlichkeit, deren Form die Geometrie zum Grunde legt, ist das, worauf die Möglichkeit äußerer Erscheinungen beruth; diese also können niemals etwas anderes enthalten, als was die Geometrie ihnen vorschreibt. Ganz anders würde es sein, wenn die Sinne die Objekte vorstellen müßten, wie sie an sich selbst sind. Denn da würde aus der Vorstellung vom Raum, die der Geometer  a priori  mit allerlei Eigenschaften desselben zum Grunde legt, noch gar nicht folgen, daß alles dieses samt dem, was daraus gefolgert wird, sich gerade so in der Natur verhalten müsse. Man würde den Raum des Geometers für bloße Erdichtung halten und ihm keine objektive Gültigkeit zutrauen; weil man gar nicht einsieht, wie Dinge notwendig mit dem Bild, das wir uns selbst und zum voraus von ihnen machen, übereinstimmen müßten. Wenn aber dieses Bild oder vielmehr diese formale Anschauung die wesentliche Eigenschaft unserer Sinnlichkeit ist, vermittels deren uns allein Gegenstände gegeben werden, diese Sinnlichkeit aber nicht Dinge an sich selbst, sondern nur ihre Erscheinungen vorstellt, so ist ganz leicht zu begreifen und zugleich unwidersprechlich bewiesen: daß alle äußeren Gegenstände unserer Sinnenwelt notwendig mit den Sätzen der Geometrie nach aller Pünktlichkeit übereinstimmen müssen, weil die Sinnlichkeit durch ihre Form äußerer Anschauung (den Raum) womit sich der Geometer beschäftigt, jene Gegenstände als bloße Erscheinungen selbst allererst möglich macht. Es wird allemal ein bemerkenswertes Phänomen in der Geschichte der Philosophie bleiben, daß es eine Zeit gegeben hat, da selbst Mathematiker, die zugleich Philosophen waren, zwar nicht an der Richtigkeit ihrer geometrischen Sätze, sofern sie bloß den Raum beträfen, aber an der objektiven Gültigkeit und Anwendung dieses Begriffs selbst und aller geometrischen Bestimmungen desselben auf Natur zu zweifeln anfingen, da sie besorgten, eine Linie in der Natur möchte doch wohl aus physischen Punkten, mithin der wahre Raum im Objekt aus einfachen Teilen bestehen, obgleich der Raum, den der Geometer in Gedanken hat, daraus keineswegs bestehen kann. Sie erkannten nicht, daß dieser Raum in Gedanken den physischen, d. i. die Ausdehnung der Materie selbst möglich mache, daß dieser gar keine Beschaffenheit der Dinge an sich selbst ist, sondern nur eine Form unserer sinnlichen Vorstellungskraft sei, daß alle Gegenstände im Raum bloße Erscheinungen, d. i. nicht Dinge an sich selbst, sondern Vorstellungen unserer sinnlichen Anschauung seien und da der Raum, wie ihn sich der Geometer denkt, ganz genau die Form der sinnlichen Anschauung ist, die wir  a priori  in uns finden und die den Grund der Möglichkeit aller äußeren Erscheinungen (ihrer Form nach) enthält, diese notwendig und auf das Präziseste mit den Sätzen des Geometers, die er aus keinem erdichteten Begriff, sondern aus der subjektiven Grundlage aller äußeren Erscheinungen, nämlich der Sinnlichkeit selbst zieht, zusammen stimmen müssen. Auf solche und keine andere Art kann der Geometer wider alle Schikanen einer seichten Metaphysik wegen der ungezweifelten objektiven Realität seiner Sätze gesichert werden, so befremdend sie auch dieser, weil sie nicht bis zu den Quellen ihrer Begriffe zurückgeht, scheinen müssen.


Anmerkung II.

Alles, was uns als Gegenstand gegeben werden soll, muß uns in der Anschauung gegeben werden. Alle unsere Anschauung geschieht aber nur vermittels der Sinne; der Verstand schaut nichts an, sondern reflektiert nur. Da nun die Sinne nach dem jetzt Erwiesenen uns niemals und in keinem einzigen Stück die Dinge an sich selbst, sondern nur ihre Erscheinungen zu erkennen geben, diese aber bloße Vorstellungen der Sinnlichkeit sind, "so müssen auch alle Körper mitsamt dem Raum, darin sie sich befinden, für nichts, als bloße Vorstellungen in uns gehalten werden und existieren nirgend anders, als bloß in unseren Gedanken." Ist dieses nun nicht der offenbare Idealismus?

Der Idealismus besteht in der Behauptung, daß es keine anderen, als denkende Wesen gebe; die übrigen Dinge, die wir in der Anschauung wahrzunehmen glauben, wären nur Vorstellungen in den denkenden Wesen, denen in der Tat kein außerhalb diesen befindlicher Gegenstand korrespondierte. Ich dagegen sage: es sind uns Dinge als außer uns befindliche Gegenstände unserer Sinne gegeben, allein von dem, was sie an sich selbst sein mögen, wissen wir nichts, sondern kennen nur ihre Erscheinungen d. i. die Vorstellungen, die sie in uns wirken, indem sie unsere Sinne affzieren. Demnach gestehe ich allerdings, daß es außer uns Körper gebe, d. i. Dinge, die, obzwar nach dem, was sie an sich selbst sein mögen, uns gänzlich unbekannt, wir durch die Vorstellung kennen, welche ihr Einfluß auf unsere Sinnlichkeit uns verschafft und denen wir die Benennung eines Körpers geben, welches Wort also bloß die Erscheinung jenes uns unbekannten, aber nichts desto weniger wirklichen Gegenstandes bedeutet. Kann man dieses wohl Idealismus nennen? Es ist ja gerade das Gegenteil davon.

Daß man, unbeschadet der wirklichen Existenz äußerer Dinge von einer Menge ihrer Prädikate sagen könne: sie gehörten nicht zu diesen Dingen an sich selbst, sondern nur zu ihren Erscheinungen und hätten außer unserer Vorstellung keine eigene Existenz, ist etwas, was schon lange vor LOCKE's Zeiten, am meisten aber nach diesem allgemein angenommen und zugestanden ist. Dahin gehören die Wärme, die Farbe, der Geschmack etc. Daß ich aber noch über diese, aus wichtigen Ursachen, die übrigen Qualitäten der Körper, die man  primarias  nennt, die Ausdehnung, den Ort und überhaupt den Raum, mit allem, was ihm anhängig ist (Undurchdringlichkeit oder Materialität, Gestalt etc.), auch mit zu den bloßen Erscheinungen zähle, dawider kann man nicht den mindesten Grund der Unzulässigkeit anführen; und so wenig, wie der, so die Farben nicht als Eigenschaften, die dem Objekt an sich selbst, sondern nur dem Sinn des Sehens als Modifikationen anhängen, will gelten lassen, darum ein Idealist heißen kann, so wenig kann mein Lehrbegriff idealistisch heißen, bloß deshalb, weil ich finde, daß noch mehr,  ja alle Eigenschaften, die die Anschauung eines Körpers ausmachen,  bloß zu seiner Erscheinung gehören: denn die Existenz des Dinges, was erscheint, wird dadurch nicht wie beim wirklichen Idealismus aufgehoben, sondern nur gezeigt, daß wir es, wie es an sich selbst sei, durch Sinne gar nicht erkennen können.

Ich möchte gerne wissen, wie denn meine Behauptungen beschaffen sein müßten, damit sie nicht einen Idealismus enthielten. Ohne Zweifel müßte ich sagen: daß die Vorstellung vom Raum nicht bloß dem Verhältnis, was unsere Sinnlichkeit zu den Objekten hat, vollkommen gemäß sei, denn das habe ich gesagt, sondern daß sie sogar dem Objekt völlig ähnlich sei; eine Behauptung, mit der ich keinen Sinn verbinden kann, so wenig, als daß die Empfindung des Roten mit der Eigenschaft des Zinnobers, der diese Empfindung in mir erregt, eine Ähnlichkeit habe.


Anmerkung III

Hieraus läßt sich nun ein leicht vorherzusehender, aber nichtiger Einwurf gar leicht abweisen: "daß nämlich durch die Idealität des Raums und der Zeit die ganze Sinnenwelt in lauter Schein verwandelt werden würde." Nachdem man nämlich zuvörderst alle philosophische Einsicht von der Natur der sinnlichen Erkenntnis dadurch verdorben hatte, daß man die Sinnlichkeit bloß in einer verworrenen Vorstellungsart setzte, nach der wir die Dinge immer noch erkennten, sie sie sind, nur ohne das Vermögen zu haben, alles in dieser unserer Vorstellung zum klaren Bewußtsein zu bringen; dagegen von uns bewiesen worden, daß Sinnlichkeit nicht in diesem logischen Unterschied der Klarheit oder Dunkelheit, sondern im genetischen des Ursprungs der Erkenntnis selbst bestehe, da sinnliche Erkenntnis die Dinge gar nicht vorstellt, wie sie sind, sondern nur die Art, wie sie unseren Sinnen affizieren und also daß durch sie bloß Erscheinungen, nicht die Sachen selbst dem Verstand zur Reflexion gegeben werden: nach dieser notwendigen Berichtigung regt sich ein aus unverzeihlicher und beinahe vorsätzlicher Mißdeutung entspringender Einwurf, als wenn mein Lehrbegriff alle Dinge der Sinnenwelt in lauter Schein verwandelte.

Wenn uns Erscheinung gegeben ist, so sind wir noch ganz frei, wie wir die Sache daraus beurteilen wollen. Jene, nämlich Erscheinung, beruthe auf den Sinnen, diese Beurteilung aber auf dem Verstand und es fragt sich nur, ob in der Bestimmung des Gegenstandes Wahrheit sei oder nicht. Der Unterschied aber zwischen Wahrheit und Traum wird nicht durch die Beschaffenheit der Vorstellungen, die auf Gegenstände bezogen werden, ausgemacht, denn sie sin in beiden einerlei, sondern durch die Verknüpfung derselben, nach den Regeln, welche den Zusammenhang der Vorstellungen im Begriff eines Objekts bestimmen und wiefern sie in einer Erfahrung beisammen stehen können oder nicht. Und da liegt es gar nicht an den Erscheinungen, wenn unsere Erkenntnis den Schein für Wahrheit nimmt, d. i. wenn Anschauung, wodurch uns ein Objekt gegeben wird, für den Begriff vom Gegenstand oder auch der Existenz desselben, die der Verstand nur denken kann, gehalten wird. Den Gang der Planeten stellen uns die Sinne bald rechtläufig, bald rückläufig vor und hierin ist weder Falschheit noch Wahrheit, weil, solange man sich bescheidet, daß dieses vorerst nur Erscheinung ist, man über die objektive Beschaffenheit ihrer Bewegung noch gar nicht urteilt. Weil aber, wenn der Verstand nicht wohl darauf achtet, zu verhüten, daß diese subjektive Vorstellungsart nicht für objektiv gehalten werde, leichtlich ein falsches Urteil entspringen kann, so sagt man: sie scheinen zurückzugehen; allein der Schein kommt nicht auf Rechnung der Sinne, sondern des Verstandes, dem es allein zukommt, aus der Erscheinung ein objektives Urteil zu fällen.

Auf solche Weise, wenn wir auch gar nicht über den Ursprung unserer Vorstellungen nachdächten und unsere Anschauungen der Sinne, sie mögen enthalten, was sie wollen, in Raum und Zeit nach Regeln des Zusammenhangs  aller  Erkenntnis in einer Erfahrung verknüpfen, so kann, nachdem wir unbehutsam oder vorsichtig sind, trüglicher Schein oder Wahrheit entspringen; das geht lediglich den Gebrauch sinnlicher Vorstellungen im Verstand und nicht ihren Ursprung an. Ebenso, wenn ich alle Vorstellungen der Sinne, samt ihrer Form, nämlich Raum und Zeit, für nichts als Erscheinungen und die letzteren für eine bloße Form der Sinnlichkeit halte, die außer ihr an den Objekten gar nicht angetroffen wird und ich bediene mich derselben Vorstellungen nur in Beziehung auf mögliche Erfahrung, so ist darin nicht die mindeste Verleitung zum Irrtum oder ein Schein enthalten, daß ich sie für bloße Erscheinungen halte; denn sie können dessenungeachtet nach Regeln der Wahrheit in der Erfahrung richtig zusammenhängen. Auf solche Weise gelten alle Sätze der Geometrie vom Raum ebensowohl von allen Gegenständen der Sinne, mithin in Ansehung aller möglichen Erfahrung, ob ich den Raum als eine bloße Form der Sinnlichkeit, oder als etwas an den Dingen selbst Haftendes ansehe; wiewohl ich im ersteren Fall allein begreifen kann, wie es möglich sei, jene Sätze von allen Gegenständen der äußeren Anschauung  a priori  zu wissen; sonst bleibt in Ansehung aller nur möglichen Erfahrung alles eben so, wie wenn ich diesen Abfall von der gemeinen Meinung gar nicht unternommen hätte.

Wage ich es aber mit meinen Begriffen von Raum und Zeit über alle mögliche Erfahrung hinauszugehen, welches unvermeidlich ist, wenn ich sie für Beschaffenheiten ausgebe, die den Dingen an sich selbst anhingen, (denn was sollte mich da hindern, sie auch von ebendenselben Dingen, meine Sinne möchten nun anders eingerichtet sein und für sie passen oder nicht, dennoch gelten lassen?) alsdenn kann ein wichtiger Irrtum entspringen, der auf einem Schein beruht, da ich das, was eine bloß meinem Subjekt anhangende Bedingung der Anschauung der Dinge war und sicher für alle Gegenstände der Sinne, mithin alle nur mögliche Erfahrung galt, für allgemeingültig ausgab, weil ich sie auf die Dinge an sich selbst bezog und nicht auf Bedingungen der Erfahrung einschränkte.

Also ist es so weit gefehlt, daß meine Lehre von der Idealität des Raumes und der Zeit die ganze Sinnenwelt zum bloßen Schein mache, daß sie vielmehr das einzige Mittel ist, die Anwendung einer der allerwichtigsten Erkenntnisse, nämlich derjenigen, welche Mathematik  a priori  vorträgt, auf wirkliche Gegenstände zu sichern und zu verhüten, daß sie nicht für bloßen Schein gehalten werde, weil ohne diese Bemerkung es ganz unmöglich wäre auszumachen, ob nicht die Anschauungen von Raum und Zeit, die wir von keiner Erfahrung entlehnen und die dennoch in unserer Vorstellung  a priori  liegen, bloße selbstgemachte Hirngespinste wären, denen gar kein Gegenstand, wenigstens nicht adäquat korrespondierte und also Geometrie selbst ein bloßer Schein sei, dagegen ihre unstreitige Gültigkeit in Ansehung aller Gegenstände der Sinnenwelt eben darum, weil diese bloße Erscheinungen sind, von uns hat dargetan werden können.

Es ist zweitens so weit gefehlt, daß diese meine Prinzipien darum, weil sie aus den Vorstellungen der Sinne Erscheinungen machen, statt der Wahrheit der Erfahrung sie in bloßen Schein verwandeln sollten, daß sie vielmehr das einzige Mittel sind, den transzendentalen Schein zu verhüten, wodurch Metaphysik von jeher getäuscht und eben dadurch zu den kindischen Bestrebungen verleitet worden, nach Seifenblasen zu haschen, weil man Erscheinungen, die doch bloße Vorstellungen sind, für Sachen an sich selbst nahm, woraus alle jene merkwürdigen Auftritte der Antinomie der Vernunft erfolgt sind, davon in weiterhin Erwähnung tun werde und die durch jene einzige Bemerkung gehoben wird, daß Erscheinung, solange als sie in der Erfahrung gebraucht wird, Wahrheit, sobald sie aber über die Grenze derselben hinausgeht und transzendent wird, nichts, als lauter Schein hervorbringt.

Da ich also den Sachen, die wir uns durch Sinne vorstellen, ihre Wirklichkeit lasse und nur unsere sinnliche Anschauung von diesen Sachen dahin einschränke, daß sie in gar keinem Stück, selbst nicht in den reinen Anschauungen von Raum und Zeit, etwas mehr, als bloß Erscheinung jener Sachen, niemals aber die Beschaffenheit derselben an ihnen selbst vorstellen, so ist dies kein der Natur von mir angedichteter durchgängiger Schein und mein Protest wider alle Zumutung eines Idealismus ist so bündig und einleuchtend, daß sie sogar überflüssig scheinen würde, wenn es nicht unbefugte Richter gäbe, die, indem sie für jede Abweichung von ihrer verkehrten, obgleich gemeinen Meinung gerne einen alten Namen haben möchten und niemals über den Geist der philosophischen Benennungen urteilen, sondern bloß am Buchstaben hingen, bereit ständen, ihren eigenen Wahn an die Stelle wohl bestimmter Begriffe zu setzen und diese dadurch zu verdrehen und zu verunstalten. Denn daß ich selbst dieser meiner Theorie den Namen eines transzendentalen Idealismus gegeben habe, kann keinen berechtigen, ihn mit dem empirischen Idealismus von DESCARTES, (wiewohl dieser nur eine Aufgabe war, wegen deren Unauflöslichkeit es, nach CARTESIUS' Meinung jedermann frei stand, die Existenz der körperlichen Welt zu verneinen, weil sie niemals genutgtuend beantwortet werden könnte) oder mit dem mystischen und schwärmerischen BERKELEY (wowider und andere ähnliche Hirngespinste unsere Kritik vielmehr das eigentliche Gegenmittel enthält) zu verwechseln. Denn dieser von mir sogenannte Idealismus betraf nicht die Existenz der Sachen (die Bezweiflung derselben aber mach eigentlich den Idealismus in rezipierter Bedeutung aus), denn die zu bezweifeln, ist mir niemals in den Sinn gekommen, sondern bloß die sinnliche Vorstellung der Sachen, dazu Raum und Zeit zuoberst gehören und von diesen, mithin überhaupt von allen  Erscheinungen  habe ich nur gezeigt, daß sie nicht Sachen (sondern bloße Vorstellungsarten), auch nicht den Sachen an sich selbst angehörige Bestimungen sind. Das Wort  transzendental  aber, welches bei mir niemals eine Beziehung unserer Erkenntnis auf Dinge, sondern nur aufs  Erkenntnisvermögen  bedeutet, sollte diese Mißdeutung verhüten. Ehe sie aber denselben doch noch fernerhin veranlasse, nehme ich diese Benennung lieber zurück und will ihn den kritischen genannt wissen. Wenn es aber ein in der Tat verwerflicher Idealismus ist, wirkliche Sachen (nicht Erscheinungen) in bloße Vorstellungen zu verwandeln, mit welchem Namen will man denjenigen benennen, der umgekehrt bloße Vorstellungen zu Sachen macht? Ich denke, man könne ihn den  träumenden  Idealismus nennen zum Unterschied vom vorigen, der der  schwärmende  heißen mag, welche beide durch meinen, sonst sogenannten transzendentalen, besser  kritische  Idealismus haben abgehalten werden sollen.

LITERATUR: Immanuel Kant - Prolegomena einer jeden künftigen Metaphysik, die als Wissenschaft wird auftreten können, J. H. von Kirchmann (Hrsg), Heidelberg 1882
    Anmerkungen
    1) Siehe Kritik Seite 713