cr-4K. SchneiderA. Martyvon PfordtenA. StöhrM. Stingelin    
 
CHRISTOPH SIGWART
Die Impersonalien
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"Wenn an der Tür geklopft wird, so weiß ich sehr gut, daß jemand eintreten will; will ich auf den Klopfenden hinweisen, so sage ich,  man klopft, jemand klopft;  aber  es klopft  meint nur das gehörte Zeichen als solches; und  es  ist jetzt gewiß weit davon entfernt,  die unbestimmt vorgestellte Totalität des Seienden,  den  allumfassenden Gedanken der Wirklichkeit  oder eine  geheimnisvolle unnennbare Macht  zu meinen."

5. Von den mannigfaltigen Verwendungen der Sprache greifen wir nun zunächst diejenige heraus, welche für die uns beschäftigende Frage zunächst liegt - den Ausdruck irgendeiner gegebenen Wahrnehmung in der Sprache; und wiederum zuerst den einfachsten Fall: wenn nämlich das Wahrgenommene für uns sich als ein einheitliches Ding darstellt, das wir als ein bekanntes erkennen und als solches bezeichnen. Dies ist KARL - das ist ein Hund - das ist Salz - setzt voraus, daß ich die Übereinstimmung des Gesehenen mit der Vorstellung der bekannten Objekte, die ich durch KARL, Hund, Salz bezeichne, erkannt habe und das Bewußtsein dieser Übereinstimmung ist es zunächst, was sich in meinem Satz ausdrückt; das "ist" dasselbe bedeutet direkt nur diese Übereinstimmung; ich brauches es ja ebenso, wenn ich nur ein Bild erkenne - das ist der Kaiser, das ist der Kölner Dom. Wenn ich einen solchen Satz nicht bloß, wie es häufig geschieht, für mich, sondern zum Zweck der Mitteilung ausspreche, so setze ich in der Regel voraus, daß der Angeredete das gegenwärtige Ding, auf das ich ihn durch das Demonstrative und die begleitende Gebärde hinweise, schon sieht, aber es nicht bestimmt erkennt, - etwa wegen Kurzsichtigkeit oder weil ihm die Anschauung nicht geläufig ist oder weil er in Gefahr ist, ähnlich Aussehendes zu verwechseln. (Will ich dagegen die Aufmerksamkeit meines Zuhörers erst auf den Gegenstand lenken, den ich entdeckt habe und den er selbst noch nicht sieht, dann werde ich nur auf den Ort hinweisen, an dem er die entsprechende Wahrnehmung machen kann -  da  sind Erdbeeren, was ich ebensogut mit einem Imperativ tun könnte - Sieht, voilá, look here -; für mich habe ich zunächst ebenso das Gesehene als Erdbeeren erkannt; ich sage, daß ein dem Wort entsprechender Gegenstand an diesem Ort wahrgenommen wird; im Hörenden wird zuerst die Vorstellung erweckt und dann ihm die entsprechende Anschauung gewiesen - wie ich auch dem Suchenden, der das Bild des Gesuchten in sich hat, aber keine Wahrnehmung dazu findet, sage: da ist dein Schlüssel etc. Auch hier hat der Redende in erster Linie die Synthese des Gesehenen mit der durch das Wort bezeichneten Vorstellung vollzogen; der Hörende vollzieht sie in umgekehrte Richtung, er erkennt das zunächst bloß Vorgestellte als kongruent mit einer gegenwärtigen Anschauung).

Dieser Prozeß, durch den ich das Einzelne als übereinstimmend mit einem bekannten Bild erkenne und mit dem enstprechenden Wort bezeichne, ist überall vor sich gegangen, wo ich beschreibend oder erzählend meine Wahrnehmungen in Worte fasse; es macht keinen wesentlichen Unterschied, ob das verwendete Wort ein Eigenname oder ein Appellativum ist; das ist der Hohenzollern - identifiziert ebenso den gesehenen Berg mit der schon aus Anschauung oder Bild oder Beschreibung bekannten Vorstellung. Um eine wahrgenommene Farbe als rot, eine wahrgenommene Bewegung als fallen zu bezeichnen, muß ich ebenso in der einzelnen Wahrnehmung die bekannte Vorstellung wiedererkannt haben. In jeder Verwendung eiens Wortes also zur Beschreibung oder Erzählung liegt die Synthese eines sinnlich gegenwärtigen oder erinnerten Einzelnen mit einer schon bekannten Vorstellung; es ist die einfachste Art des Urteils, welche mittels der bekannten Bedeutung der Wörter sagt, was ich wahrnehme. Dabei läßt die sinnliche Lebhaftigkeit vieler Erinnerungsbilder und die Raschheit, mit der das Gegenwärtige erkannt wird, uns häufig den Unterschied der gegenwärtigen Anschauung und der bloß erinnerten Vorstellung nicht zu Bewußtsein kommen; begegne ich einem Bekannten auf der Straße, so glaube ich in der Tat nur  ein  Bild vor mir zu haben; in Wirklichkeit ist aber das erkennen nur möglich, wenn der gegenwärtige Anblick auf ein Erinnerungsbild trifft und seine Übereinstimmung mit diesem perzipiert wird.

Ich habe in meiner Logik § 9 die Urteile, in denen diese Koinzidenz eines Gegenwärtigen mit einer früheren Vorstellung sich ausspricht, als  Benennungsurteil  bezeichnet, um eben auszudrücken, daß sie überall da stattfinden, wo ein Wort der Sprache zur Bezeichnung eines anschaulichen Gegenstandes verwendet wird und um die logischen Kunstausdrücke Identifizierung und Subsumtion zu vermeiden, die beide zu eng sind, deren ersterer überdem zweideutig ist, sofern er bald die reale Identität des einzelnen Dings, bald die logische Identität des Vorstellungsinhaltes meint. Solche Benennungsurteile vollzieht das Kind, wenn es mit dem Finger auf Personen und Dinge oder Bilder weisend ihre Namen nennt; solche Benennungsurteile sind auch da vorhanden, wo in der Lebhaftigkeit oder infolge von Überraschung das gemeinte wahrgenommene Objekt nicht einmal durch ein Demonstrativ oder eine Gebärde bezeichnet wird - der Mond - der Rhein - der Storch - ein Schuß usw. Die Benennungsurteile werden zum großen Teil stillschweigend vollzogen und treten nur in ihrem Resultate, der sprachlichen Bezeichnung des Subjekts auf, von dem eine weitere Aussage gemacht wird. Sage ich: der Mond geht auf, so muß ich zuerst die Scheibe am Horizont als das erkannt haben, was ich mit Mond zu bezeichnen gewöhnt bin und was sich jeder beim Wort  Mond  vorstellt; ausdrücklich erst zu sagen: das ist der Mond, er geht auf, wäre meist völlig überflüssig, da ihn jeder kent, aber ich muß dieses Urteil vollzogen haben, ehe ich vom Aufgehen des  Mondes  reden kann. (1)

Diejenigen Sätze, welche aufgrund einer Wahrnehmung von einem Ding eine  Eigenschaft  oder  Tätigkeit  aussagen, sind nicht so einfacher Natur; denn sie setzen eine Analyse des der Anschauung unmittelbar Gegebenen in unterscheidbare Bestandteile voraus, eine Analyse, die in jedem einzelnen Fall wiederholen muß, was die Sprache durch die Unterscheidung von Substantiv, Adjektiv und Verb vorgezeichnet hat. Achten wir auf den Prozeß, der vor sich geht, wenn wir sagen, daß dieses Blatt gelb ist und der Vogel dort auffliegt: so haben wir vor unserer Anschauung zunächst ein ungeschiedenes Ganzes, das gelbe Blatt, den auffliegenden Vogel; das Blatt ist uns eben in seiner gelben Farbe, der Vogel in seiner Bewegung sichtbar. Dieses Ganze zerlegen wir mit Hilfe früher gewonnener Anschauungen in einzelne Elemente; daß das Gesehene ein Blatt ist, erkennen wir an seiner Form, dem Stiel, den Rippen usw.; sonst war wohl diese Form mit grüner Farbe bekleidet, heute ist dasselbe Blatt gelb - die Farbe lösen wir also vom ganzen Komplex in Gedanken los und durch die Wiedervereinigung dieses Elements mit den übrigen, welche durch das Wort  Blatt  bezeichnet sind, drücken wir die gesamte einheitliche Anschauung aus. Im anderen Fall haben wir eine im Raum sich bewegende Gestalt, die wir in kontinuierlicher Anschauung verfolgen; auch jetzt erkennen wir trotz dem Wechsel die bekannten Züge der Vogelgestalt und unterscheiden von ihr die Fortbewegung im Raum durch den Flügelschlag; indem wir den letzteren Bestandteil als Prädikat mit dem ersteren verbinden, haben wir unsere Anschauung für jeden verständlich beschrieben, der die Wörter  Vogel  und  Fliegen  versteht und sie in eine Anschauung zu übersetzen vermag, sowei den nicht weiter auszudrückenden Sinn, in dem das Fliegen dem Vogel zugeschrieben wird, aus früherer Anschauung sich zu vergegenwärtigen weiß; er ist aufgefordert, sich die Gestalt eines Vogels im Flug - nicht sitzend oder liegend - vorzustellen oder im gezeigten Objekt diese Elemente seinerseits zu erkennen.

In solchen Aussagen ist also einmal die bloß  benennende Synthese  enthalten, durch die ich die gesehene Gestalt als Vogel, die gesehene Bewegung als fliegen bezeichne, indem ich in meiner Wahrnehmung diese bekannten Vorstellungen wieder finde; zu zweiten aber eine Synthes ganz verschiedener Art, nämlich diejenige, welche die  Einheit eines Dinges mit seiner Tätigkeit oder Eigenschaft  zur Grundlage hat. (2)

6. Am leichtesten geht die letztere Synthese vor sich, wo wir es mit bestimmt abgegrenzten, von ihrer Umgebung scharf und klar sich abhebenden Erscheinungen zu tun haben, die wir mit Muße betrachten können; wo die Veränderungen langsam genug vor sich gehen, um uns Zeit zu lassen, das in der Veränderung Beharrliche aufzufassen und vom Wechsel zu unterscheiden, besonders da, wo derselbe Sinn uns die Vorstellung des Dinges wie seiner Eigenschaften oder Tätigkeiten gibt, vor allem also auf dem Gebiet des Sehens. Was unser Sehfeld erfült, sind überwiegend ruhende Objekte von bestimmter Form und Farbe; Ding und Eigenschaft gelangen auf demselben Weg zu unserem Bewußtsein, wir können die Form, an der wir zunächst die Dinge unterscheiden und bestimmt erkennen, gar nicht ohne die Farbe und umgekehrt anschauen. Wo dann vor unseren Augen eine Veränderung eintritt, da haben wir vorher Zeit gehabt, das ruhende Ding zu beobachten; erst sahen wir den Vogel sitzen, jetzt sehen wir ihn die Flügel ausbreiten und auffliegen - der Gegenstand war fixiert, ehe er in Bewegung überging.

Anders, wo unter ungünstigen Bedingungen gesehen wird. Wenn in weiter Ferne ein rot glänzender Punkt erscheint, so habe ich zunächst nur die Lichterscheinung; daß es irgendetwas ist, was leuchtet und glänzt, versteht sich nach sonstiger Analogie von Selbst; ob es aber ein die Abendsonne spiegelndes Fenster oder ob es ein Feuer ist, vermag ich nicht zu erkennen. Das Ding, das glänzt, bleibt also nach seinen sonstigen Eigenschaften unbestimmt, ich kann nur sagen: dort glänzt  etwas.  Ebenso, wenn vor den seitlichen Teilen des Sehfeldes ein kleiner Gegenstand rasch vorübergeht, nehme ich wohl den schattenhaften Eindruck wahr und weiß, ob die Bewegung in senkrechter oder waagrechter Richtung, in der Höhe meines Auges oder am Boden hinging; wende ich rasch genug den Blick auf das Bewegte, so erhasche ich mit demselben vielleicht noch das Blatt, das fällt, den Käfer, der vorbeifliegt, die Maus, die über den Boden hinhuscht; gelingt das nicht, so kann ich wiederum nur sagen: das ist  etwas  gefallen, vorbeigeflogen, am Boden hin gefahren. Das Erste in meiner Wahrnehmung war jetzt dasjenige, was seinen Ausdruck durch das Verb findet, die erste Synthese, die vollzogen wurde, die Benennung des Wahrgenommenen durch das Wort glänzen, fallen, fliegen usw.; aber nach sonstiger Analogie fordert die Bewegung ein Ding, das sich bewegt und dieses wird hinzugesucht; entweder wird es nachträglich gefunden, dann kann ein bestimmtes Subjekt genannt werden oder nicht, dann bleibt das Subjekt unbestimmbar und kann nur durch "etwas" bezeichnet werden.

Die logische Gewohnheit, in der Betrachtung des Urteils immer das substantivische Subjekt voranzustellen, hat oft übersehen lassen, daß im lebendigen Verlauf unseres in der Wahrnehmung sich bewegenden Denkens der dem adjektivischen oder verbalen Prädikat entsprechende Teil der Erscheinung häufig das erste ist, was zum Bewußtsein gelangt und bestimmt benannt werden kann und daß durch einen zweiten Akt die Synthese desselben mit dem zugehörigen Ding sich vollzieht, das dann seine Benennung durch ein Substantiv findet. Von diesem Gesichtspunkt aus erscheint die Gewohnheit z. B. des Hebräischen, das Prädikat voranzustellen, als ganz richtiger Ausdruck eines in sinnlicher Wahrnehmung sich bewegenden Denkens; und zugleich zeigt sich auch die Flexionsform der dritten Person in anderen Sprachen deutlich in ihrem ursprünglichen demonstrativen Sinn; was zunächst ausgesagt wird, ist, daß ein Glänzen der Leuchten da, an diesem wahrgenommen wird; erst nachträglich wird das zuerst bloß demonstrativ Bezeichnete genannt, das Substantiv ist die nähere interpretierende Bestimmung des in der Flexionssendung nur angedeuteten Dings. Die deutsche Gewohnheit, dem den Satz beginnenden Verb ein "es" als Vorbote des Subjekts vorauszuschicken - es lächelt der See, es donnern die Höhen - geht aus demselben Motiv hervor. Logik und Grammatik haben sich aber mit Recht gewöhnt, überall das Ding als Subjekt zu betrachten, weil es objektiv als Grund der Eigenschaft und Tätigkeit erscheint, obgleich die Frage nicht müßig ist, ob nicht strenggenommen das zuerst im Bewußtsein Gegenwärtige als Subjekt, das ergänzend Hinzutretende als Prädikat genommen werden müßte: leuchten - Feuer = das Leuchtende ist ein Feuer.

Dieser Fortgang von der Tätigkeit, die zuerst wahrgenommen wird, zum Tätigen ist besonders dann deutlich, wenn verschiedene Sinne zusammenwirken. Die Vorstellungen der uns bekannten Dinge haben zu ihrem eigentlichen Kern Gesichtsbilder, mit denen Tasteindrücke verknüpft sind; für den Blinden sind es nur Tastbilder. Wenn ich einen Laut höre, vermag dieser rein für sich gar keine weitere Vorstellung zu erwecken. Erst aufgrund der Erfahrung, die mich belehrt hat, daß und wie bestimmte Laute von bestimmten sichtbaren und tastbaren Dingen hervorgebracht werden, Klänge von Glocken, Gebell von Hunden usw., haben sich die Vorstellungen dieser Dinge mit den gehörten Lauten verknüpft.

Und nun tritt wieder ein Doppeltes ein: das eine Mal sehe ich den Hammer, der die Glocke anschlägt, den Menschen, der den Mund öffnet, den Geiger, der den Bogen ansetzt und höre darauf den Klang, die Stimme, den Ton; die Anschauung des tönenden Dinges geht voran und das Tönen wird sofort als von ihm ausgehend, als seine Tätigkeit erkannt. Das andere Mal habe ich zunächst nur die Gehörempfindung, die von einer nicht gesehenen Quelle herkommt und nun bin ich aufgefordert, nach früheren Assoziationen das tönende Ding hinzuzudenken. Für eine große Reihe von Lauten ist diese Verknüpfung vollkommen fest und unzweideutig; wenn wir sprechen hören, wissen wir nicht nur, daß die Laute von Menschen kommen, sondern oft auch, von welchem Einzelnen; wir kennen das Bellen des Hundes, das Wiehern des Pferdes, das Rasseln der Wagen auf dem Pflaster; vermöge dieser festen Assoziationen denken wir sofort zum Laut das unbestimmte Bild des ihn erzeugenden Dings hinzu und zum Wort, das den Laut benennt, tritt das Subjektswort, das seinen Erzeuger bezeichnet - ein Hund bellt usw. -; das Natürliche wäre auch jetzt die Voranstellung des Verbums: es bellt ein Hund.

Bei anderen Gehörempfindungen aber ist die Assoziation weniger sicher; ein Rauschen, das ich im Wald höre, kann von den Blättern kommen, die der Wind bewegt, aber auch von einem nahen Wasserfall, ein Rascheln im Laub von einem Vogel, einer Eidechse, einer Schlange. In solchen Fällen ist das eine Element der Aussage, das in der bloßen Benennung der Eigentümlichkeit des gegenwärtigen Schalles - Rauschen, Pfeifen usw. - besteht, sicher, was wir aber als Ding hinzudenken sollen, ist zweifelhaft; bei ungewohnten Lauten können wir die Beziehung auf ein seiner Art nach bekanntes Ding nicht einmal so ausführen, daß wir nur zwischen wenigen Möglichkeiten schwankten; wollen wir es doch in der Sprache ausdrücken, so kann es wiederum nur durch ein ganz unbestimmtes "Etwas" geschehen, das eben andeutet, daß ein bestimmtes Ding zwar vorausgesetzt, seine nähere Beschaffenheit aber uns unbekannt ist.

Analog steht es mit den Geruchsempfindungen; wir nehmen meist zuerst nur den Geruch wahr, aber wovon er ausgeht, müssen wir suchen.

7. Man könnte nun geneigt sein, die unpersönlichen Wendungen "es rausch, es donnert" usw. so zu deuten, daß das Pronomen es, oder das in der bloßen Flexionsform  tonat  [der donnert - wp] ebenso unzweifelhaft angedeutete Subjekt, welches vom Pronomen der modernen Sprachen im Grunde überflüssiger Weise wiederholt wird, eben den Gedanken dieser zwar vorausgesetzten, aber unbekannten und nicht in ihrer Besonderheit angebbaren Ursache bezeichne, also gleichbedeutend sei mit "Etwas". Darauf scheint JAKOB GRIMM (Wörterbuch III, 1112) hinzuweisen, wenn er sagt, die Sprache bediene sich des dem Neutrum überhaupt eingepflanzten Begriffs der Unbestimmtheit, um das nur Andeutbare,  Unbekannte  oder Geheime zu bezeichnen; Seite 1107 nimmt er "es" und "was" oder "etwas" gleichbedeutend, Seite 1108 sagt er, dem "es" einzelner Beispiele liege ein "ich weiß nicht was" unter.

Daß nun dem Neutrum des Pronomens, gegenüber dem Masculinum und Femininum, eine gewisse  Unbestimmtheit  zukommt, ist unzweifelhaft; daß es aber darum geeignet sein soll, das  Unbekannte  als solches zu bezeichnen, will sich mit dem sonstigen Gebrauch dieser Peronalpronomina, auch des Neutrums "es", nicht reimen. Im gewöhnlichen Sprachgebrauch meint, so gut wie "er" und "sie", auch "es" etwas bekanntes; unbestimmt ist es, so gut wie "das" und "dieses", seiner  Wortbedeutung  nach, weil es auf alles Mögliche angewendet werden kann; bei der  Anwendung  auf den einzelnen Fall aber pflegt man damit etwas zu meinen, was nicht unbestimmt, noch unbekannt, meistens sogar vollkommen bekannt und bestimmt ist. In der Regel beziehen sich ja im Zusammenhang der Rede diese Pronomina auf ein vorher genanntes Substantiv und wo das nicht der Fall ist, da ist ihre Beziehung durch die ganze Situation gegeben und dem Hörenden verständlich. Wenn der Schuljunge in das unruhige Klassenzimmer hereinruft "er kommt", so ist natürlich der Lehrer gemeint; der auf dem Bahnhof Wartende meint den Zug; "es schläft", sagt die Wärterin vom Kind, "es brennt", wer nach dem Feuer im Ofen sieht.

Ist in den letzten Beispielen das Neutrum durch das Genus des Wortes für das gemeinte Subjekt bestimmt, so findet es seine Anwendung auch da, wo das bezeichnende Wort nicht gleich gegenwärtig ist und der Redende sich mit dem allgemeinsten Ausdruck begnügt; (3) ferner da, wo nicht ein im strengen Sinn Einzelnes, ein durch ein einziges konkretes Substantiv ausdrückbares Ding gemeint ist, sondern eine unanalysierte Gesamtvorstellung, die in Worten ausführlich zu beschreiben umständlich, aber auch überflüssig wäre; oder da, wo Gründe vorhanden sind, die Nennung des Gemeinten zu unterlassen, Rücksichten der Schicklichkeit oder abergläubische Scheu. Das zeigt sich zunächst in den zahlreichen Fällen, in denen ein solches "es" im Akkusativ erscheint. Laß es jetzt gut sein, Snie - hast Du's so eilig? - wie fang ich's an - ich seh es kommen - begreif's wer's kann - überall meint "es" etwas Bestimmtes, was aus der Situation verständlich ist, das Beobachten, die Ausführung des Vorhabens, das eben Erwartete oder Erzählte. Beispiele, wo "es", in obszönem Sinn gebraucht, ebenso etwas Bekanntes und vom Hörer leicht zu erratendes meint, möge man bei GRIMM nachsehen. Ebenso steht aber auch der Nominativ: es geht nicht - meint den Versuch, den ich eben mache oder das Ansinnen, das ein anderer an mich stellt; wird's bald - soll's losgehn - auf dem Regensburger Fürstentag da brach es auf - deutet auf das Geplante, Vorbereitete, Erwartete, das nicht ausführlich genannt zu werden braucht. Wo Geister- und Gespensterglaube lebendig ist und zu jedem unheimlichen Geräusch in der Nacht die Phantasie eines ihrer Gebilde bereit hat, da meint wiederum "es geht um, es klopft, es schlägt die Türen zu" ein bestimmtes Subjekt, die einzelne Ursache des gegenwärtigen Spuks; erst abgeleitet ist die Verwendung solcher Ausdrücke, wo nicht eine gegenwärtige Wahrnehmung bezeichnet, sondern allgemein gesagt werden soll, daß es an einem Ort nicht geheuer ist. Wenn ich am Ufer stehend einen Gegenstand auf den Wellen schaukeln sehe, den ich nicht erkenne und sage: jetzt ist's verschwunden - jetzt taucht's wieder auf, so weiß ich freilich nicht, was dort schwimmt; aber mein "es" meint doch darum nichts Unbekanntes und Unbestimmtes, sondern dieses Einzelne, Gesehene. (4)

8. Diese gewöhnliche Verwendung des Pronomens muß die Frage nahe legen, ob es nicht auch in solchen Wendungen, die wir vielleicht zuerst als impersonale anzusehen geneigt sind, doch dieselbe Funktion hat, ein bekanntes und an sich bestimmtes Subjekt anzudeuten, das ausführlich zu nennen wir uns nur nicht die Mühe nehmen. Wenn ich dem aus dem Hause Tretenden sage: gibt acht, es ist glatt, so ist natürlich der Boden glatt, auf dem er zu gehen hat; er denkt die Glätte an dieser Oberfläche, nicht etwa an den Häusern oder Bäumen, ebenso sage ich: draußen ist's naß, schmutzig, staubig; die unbegrenzte Ausdehnung des Weges, von dem das Prädikat gilt, erschwert das Subjekt bestimmt zu nennen, andererseits versteht sich von selbst, daß dieser gemeint ist, dessen Zustand mich allein interessiert. Hier ist's tief, dort seicht, mein das Wasser; es ist noch weit - den Weg, es ist steil - den Hang; umd die Linde war es voll - den Raum. Aus einer Gesellschaft kommend erzähle ich: es war unterhaltend, es war langweilig, nämlich der ganze Verlauf, den ich gar nicht in seine einzelnen nennbaren Bestandteile auflösen kann, machte mir diesen Eindruck; von der Reise berichte ich: In  A  war's schön, im Gasthof  B  gut, in  C  schmutzig, in  D  teuer usw. - immer mit "es" eine unanalysierte Menge von Objekten oder Eindrücken bezeichnend, denen zusammen das Prädikat zukommt. Die Beispiele ließen sich in's Endlose häufen, in denen, zumal in der bequemen Umgangssprache, ein solches "es" einen ganzen Komplex von Dingen oder Vorgängen vertritt, den der Redende meint und der Hörende aus dem Zusammenhang leicht errät; wo es also wirkliches Pronomen ist und ein im Notfall angebbares Subjekt bezeichnet. Dann liegt nicht eine im strengen Sinne impersonale Wendung vor; denn eine solche können wir nur da annehmen, wo selbst die Frage nach dem bestimmten Dingsubjekt, dem das Prädikat zukommt, keinen Sinn hat, das Pronomen also auch nicht die unbestimmte Vorstellung eines solchen meinen kann.

Ich glaube auch, daß die Ausdrücke: es ist kalt, kühl, warm, heiß usw. noch nicht notwendig als echte und eigentliche Impersonalien betrachtet werden müssen. Kalt und heiß sind häufig Prädikate einzelner Dinge, deren Temperatur von ihrer Umgebung verschieden ist; mit der Temperaturempfindung ist dann eine bestimmte Tastempfindung eines Körpers gegeben, der einen bestimmten Teil unserer Haut affiziert und diese gibt das bestimmte Subjekt, dessen Eigenschaft die Kälte oder Wärme ist. Tritt eine Temperaturempfindung ohne gleichzeitige deutliche Berührungsempfindung ein, so habe ich zunächst nur die Empfindung der Kälte oder Wärme für sich ohne weitere Beziehung im Bewußtsein; und von hier aus kann ein doppelter Weg eingeschlagen werden: entweder beziehe ich sie auf mich selbst als meinen Zustand: mir ist warm heiß (vergleiche j'ai froid [ich habe kalt - wp]) - ein echtes Impersonale; oder ich beziehe sie, wie bei der Berührung eines bestimmten Körpers, auf etwas Objektives als dessen Eigenschaft; dieses Objektive kann, da sich nichts Einzelnes aussondert, nur die gesamte Umgebung, zunächst die Luft, der Boden, alles was ich anfasse, sein; gerade weil ich nichts einzelnes kalt ist, genügt die unbestimmte Andeutung, daß die Kälte oder Wärme nicht an mir, sondern außer mir ist. Dasselbe "es ist kalt", meint das Wasser, wenn ich in's Bad steige; es ist so schwül, so dumpfig hier - meint die Luft, die als bestimmteres Subjekt genannt werden könnte. Aber allerdings tritt das Prädikat so in den Vordergrund, daß es auf dem Punkt ist, selbständig zu werden, wie wir auch die Substantive Kälte und Wärme teils als eigentliche Abstrakta gebrauchen, die einen Genitiv erfordern - die Kälte des Windes, die Wärme des Wassers - teils wie Konkreta, als ob sie eine Art von Stoffen wären, die uns umgeben und uns entgegenkommen oder wie selbständige Mächte, die allerhand Wirkungen ausüben.

Es gefriert - es taut, können wir nur aus Wahrnehmungen an bestimmten Objekten sagen - wir sahen auf dem nassen Boden sich Eis bilden, wir sahen die Eiszapfen tropfen, den Schnee schmelzen, den gefrorenen Boden feucht werden; was gefriert und was taut ist also gar nicht zweifelhaft, gerade damit aber, daß ich nichts Einzelnes nenne, wie "der See gefriert", deute ich an, daß das Gefrieren oder Tauen in der ganzen Umgebung, in unbegrenzter Ausdehnung stattfindet. Dieselbe Bewandtnis hat es mit den Ausdrücken: es ist hell, dunkel, trübe usw. Je nach der Situation meinen sie Verschiedenes, nämlich eben die jeweilige sichtbare Umgebung, die von Licht erfüllt oder ungenügend beleuchtet ist. Auf die Frage: was ist helle, was ist dunkelt - müßte ich antworten: der ganze Raum, in dem ich eben bin, der Saael, der Keller oder Himmel und Erde, wenn ich im Freien bin. Diese aus der Situation verständliche Gesamtheit macht, und was ich nicht spezifizieren kann, ist das Subjekt, wovon ich hell oder dunkel aussage. Jedenfalls hat die Frage: was ist hell, was ist dunkel, noch einen Sinn und eine Antwort darauf ist möglich. In vielen Fällen können wir auch das Gemeinte, wenn es bestimmter hervorgehoben und sozusagen spezifiziet werden soll, durch "alles" bezeichnen: Dein Liebchen sitzt dadrinne und alles wird ihr eng und trüb; im Hause ist's ruhig oder ist alles ruhig; es blieb still - alles blieb still. "Es" im Unterschied von "alles" vertritt ungefähr das, was LEIBNIZ eine  "konfuse",  d. h. eine nicht in ihre unterscheidbaren Elemente aufgelöste Vorstellung nennt. 9. Aber wir sind doch schon auf einem Weg, auf welchem das zu unserem Prädikat hinzugedachte Ding oder der dazu gehörige Komplex von Dingen mehr und mehr verblaßt und in den Hintergrund tritt und wir nähern uns mit diesen Beispielen der Grenze, jenseits welcher durch das Pronomen (respektive die Flexionssendung) kein irgendwie faßbares und vorstellbares Ding mehr ausgedrückt wird. Die Sprache, die einmal ihre Formen für die in der überwiegenden Zahl der Fälle anwendbaren und sie beherrschenden Kategorien gebildet und für das zunächst Wahrnehmbare Adjektiva und Verba bereit hat, bietet keine andere als die sonst gewohnte Konstruktion derselben, die ein Subjekt voraussetzt, dessen Stelle jetzt aber leer ist, dessen sprachliches Zeichen inhaltslose Form zu werden scheint. Die Vorstellung des Subjekts ist nicht bloß  konfus,  sondern  dunkel.  Denn wirklich gegenwärtig und für unsere Vorstellung lebendig ist dann nur der sinnliche Eindruck selbst, den das Adjektive oder Verbum ausdrückt; als das logische Subjekt, dem wir die sprachliche Bezeichnung geben, bleibt nur noch die gegenwärtige Wahrnehmung, die Lichterscheinung, der Laut, der wahrnehmbare Vorgang als solcher übrig; was in unserem Bewußtsein ist, läßt sich entweder nicht mehr nach sonstiger Analogie in Eigenschaft und Ding, Tätigkeit und Ding zerlegen, oder,  wenn  wir auch das zugehörige Ding kennen, bleiben wir doch beim bloßen Geschehen oder der zuständlichen Beschaffenheit stehen, und beabsichtigen gar nicht, die Beziehung derselben auf ein Ding in unserer Aussage auszudrücken.

Die letzteren Fälle, für welche die Gehörwahrnehmungen die deutlichsten Beispiele geben, scheinen mir besonders lehrreich. Wenn ich auf dem Weg zum Bahnhof sage: es läutet schon, es pfeift schon, so ist ja gar nicht zweifelhaft, was läutet, was pfeift; aber ich meine mit "es" weder den Bediensteten, noch die Glocke oder die Dampfpfeife - sonst würde ich etwa sagen, er läutet, man pfeift - sondern ich meine nur das hörbare Signal als solches und denke nur an seine Bedeutung und nicht an den der es gibt; aus dem sinne meiner Aussage bleibt der Gedanke an das tätige Subjekt völlig weg und das Pronomen kann keinesfalls dieses andeuten wollen. Ebenso unpersönlich wird ja der Infinitiv gebraucht: ich höre läuten, blasen, trommeln, schießen, wobei niemand denkt, daß der Küster, der Trompeter, der Kanonier zuwar hinzugedacht, aber verschwiegen und darum die Rede elliptisch sei. Wen ich an einem fremden Haus vorbeigehend Klavierspiel höre, so erweckt die Eigentümlichkeit der Töne vielleicht nur das ganz flüchtige Bewußtsein, daß es Klavier- und nicht Violintöne sind; geht meine Vorstellung weiter, so wird mir deutlich höchstens das Bild der Klaviatur und zweier Hände, die sie bearbeiten; das Weitere bleibt im Nebel der Unbestimmtheit; denn ob die Klaviatur einem Tafelklavier oder Pianino, ob die zwei Hände einer männlichen oder weiblichen, alten oder jungen Person gehören, sagen die Töne nicht, ich kann das Bild nicht vollenden. Ich sage also nur: ich höre Klavierspielen, denn meeine Einbildungskraft kommt über die Vorstellung des Lautes und der ihn erzeugenden Tätigkeit nicht hinaus zu dem Subjekt, das spielt und die gewöhnliche Sprache richtet sich ja vielmehr nach dem, was das bildlich Vorstellen durch die gewohnten Assoziatonen bietet, als nach dem, was allgemeine Gesetze des Denkens zur Ergänzung verlangen. Was ich also mit den Ausdrücken: ich höre läuten, trommeln usw. wirklich sage, ist nur, daß ich das Gehörte als den Klang einer Glocke, einer Trommel erkenne; weiter reicht mein deutliches Vorstellen nicht. "Es läutet", sagt dasselbe oder nach der Seite der Ursache vielleicht noch weniger; es kann bloß den gehörten Laut und seine Bedeutung meinen; ich kann, was ich dabei denke auch in die Worte Fassen: das Gehörte ist das Zeichen zum Kirchgang, das Abfahrtssignal - hört ihr's wimmern hoch vom Turm? das ist Sturm. Darum sagt auch "es schlägt" nicht genau dasselbe was "die Uhr schlägt".

Wenn an der Tür geklopft wird, so weiß ich sehr gut, daß jemand eintreten will; will ich auf den Klopfenden hinweisen, so sage ich, "man klopft, jemand klopft"; aber "es klopft" meint nur das gehörte Zeichen als solches; und "es" ist jetzt gewiß weit davon entfernt, "die unbestimmt vorgestellte Totalität des Seienden", den "allumfassenden Gedanken der Wirklichkeit" oder eine "geheimnisvolle unnennbare Macht" zu meinen. (5)
LITERATUR - Christoph Sigwart, Die Impersonalien - eine logische Untersuchung, Freiburg/i. B. 1889
    Anmerkungen
    1) Diese von der Wortbezeichnung vorausgesetzten Urteile nennt HERMANN PAUL passend  Hilfsurteile;  "Prinzip der Sprachgeschichte, 2. Auflage, Seite 106
    2) Die überlieferte logische Theorie des Urteils hat die eigentümliche Bedeutung der letzteren Synthese meist übersehen und in allen Aussagen bloße Subsumtion des Subjekts unter einen allgemeinen Prädikatsbegriff gefunden; der Vogel fliegt sollte heißen: ist ein fliegendes, gehört zur Gattung des Fliegenden. Umgekehrt ist die Grammatik geneigt, aus der Beobachtung der Mehrzahl der wirklichen Aussagen vorzugsweise die Synthese zwischen Ding und Eigenschaft oder Tätigkeit hervorzuheben und die immer zugleich vorhandene benennende Synthese zu übersehen.
    3) Analog ist die Verwendung von "Ding", wo man zu bequem ist, das bestimmte Wort zu gebrauchen oder dieses nicht gleich gegenwärtig hat; wo ist das Ding zu dem Ding? ist keine unmögliche, unter Umständen sogar leicht verständliche Frage; es wird damit aber etwas ganz Bestimmtes gemeint, nur ganz unbestimmt bezeichnet.  Etwas  ist "ein Ding";  es  ist "das Ding".
    4) Das "unbestimmte" Pronomen erscheint besonders da, wo ein ganz bestimmtes Subjekt vorhanden ist und angegeben werden könnte, wo aber die rasche Folge der Vorgänge eben dadurch treffend ausgedrückt wird, daß der Erzähler sich selbst nicht Zeit läßt, das Subjekt bestimmt zu nennen oder wo er den Hörer dasselbe erraten lassen will. MIKLOSICH hat mit vollem Recht darauf hingewiesen, daß SCHILLERs Taucher eine wahre Mustersammlung von sogenannten Impersonalien ist; es sind verschiedene Motive, welche diese Redeform wirksam machen. "Da hebet sich's schwanenweiß, und ein Arm und ein glänzender Nacken wird bloß" - malt höchst treffend die Reihenfolge der Wahrnehmungen, die sich dem erwartungsvollen Blick der Zuschauer bieten - erst das Weiße dort, das sich aus dem finster flutenden Schoß hebt - dann erst wird es als Arm und Nacken erkannt ("es" ist das gesehene Weiße; "etwas" würde bereits die Reflexion voraussetzen, was es ist). Da kroch's heran - zeichnet die Verwirrung des Schreckens, welche die genaue Auffassung dessen, was herankriecht, hindert, eben nur die drohende Bewegung des Ungetüms schon läßt. Die künste Verwendung aber, die man wohl in irgeneiner Sprache finden kann, ist am Schluß: da bückt sich's hinunter mit liebendem Blick- "etwas" wäre hier schlechthin unmöglich; wer den liebenden Blick gesehen, muß auch die Gestalt erkannt haben, aber sie soll erraten werden, darum wird nur die Handlung genannt und die Person so leise als möglich angedeutet; aber "es" meint ein bestimmtes, kein unbestimmtes Subjekt. Verwandt ist die Verwendung des "Es" in Rätseln; wer das Rätsel aufgibt, hat das bestimmte Subjekt und bezeichnet es als ein solches, das ihm bekannt ist; würde er "etwas" sagen, so würde er sich auf den Standpunkt des Hörenden stellen, der noch nicht weiß, was es ist.
    5) Ich bin mit SCHUPPE ganz einverstanden, wenn er a. a. O. Seite 283f die Vorstellung des konkret Wirklichen als Subjekt, den Allgemeinbegriff des Wahrnehmungsinhalts als Prädikat annimmt und Seite 284 noch bestimmter sagt, das "es" meine nichts anderes, als die eben gemachte, also konkrete, räumlich zeitlich bestimmte Wahrnehmung; weniger zutreffend schon finde ich, wenn er von einer  Zerlegung  der Erscheinung in die Allgemeinvorstellung des Wahrnehmungsinhaltes als Prädikat und die Vorstellung der räumlich-zeitlich bestimmten Wirklichkeit als Subjekt redet. Wenn er aber Seite 284 weiterhin als Subjekt der Impersonalien die durch das Prädikat zu determinierende  Allgemeinvorstellung  der räumlich-zeitlich bestimmten konkreten Wirklichkeit hinstellt, so scheint dieser Ausdruck mir ungenau zu sein. Allgemeinvorstellung braucht SCHUPPE selbst sonst gleichbedeutend mit "Begriff"; ein Begriff als solcher aber kann nicht Subjekt eines Wahrnehmungsurteils sein. In der Verbalendung ist allerdings der Begriff des Konkret-wirklich-seins der Bedeutung nach mit enthalten; was aber als Subjekt allein gedacht werden kann, ist etwas, worauf dieser Begriff Anwendung findet, ein Wirkliches, wenn auch in unbestimmter Ausdehnung gedachtes. Darum glaube ich seine Sätze so verstehen zu müssen, daß, was als Subjekt erscheint, zunächst nur durch die ganz allgemeine Bestimmung der konkreten Wirklichkeit ohne weitere Determination gedacht, im Prädikat erst näher determiniert wird.